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Public Health Forum 21 Heft 79 (2013)http://journals.elsevier.de/pubhef
Fitnesstraining als Bestandteil aktiver Gesundheitsf€orderung
Bernhard Allmann
Laut dem Deutschen Industrie- und
Fitnessverband (2009) gibt jeder er-
wachsene Deutsche pro Jahr privat
durchschnittlich uber 900 Euro
fur die Gesundheit aus. Vor dem
Hintergrund dieser zunehmenden
okonomischen Wertschatzung des
Produktes ,,Fitness‘‘ hat sich auch
die Wertigkeit der gesamten Branche
gesellschaftlich sowie okonomisch
stark gewandelt hin zu einem integ-
rierten Bestandteil der Dienstleistun-
gen im Sektor Pravention und
Gesundheitsforderung.
Im Kontext von Pravention und Ge-
sundheitsforderung umfasst ,,Fitness‘‘
ein breites Spektrum, wobei die phy-
sische Fitness eine zentrale Position
einnimmt. Denn eine altersgemaß
gute korperliche Leistungsfahigkeit
ist die entscheidende Grundlage, um
im Alltag beschwerdefrei zu agieren
und die individuelle Lebensqualitat
langfristig zu verbessern. Laut WHO
(2006) gilt Bewegungsmangel als ur-
sachlich fur etwa 3,5% der Krank-
heitslast und ca. 10% der Todesfalle
in Deutschland. Durch Training der
korperlichen Fitness und mehr Bewe-
gung kann praventiv Fehlfunktionen
und Degenerationen entgegenwirkt
werden, die bspw. durch das Fehlen
adaquater korperlicher Belastung in
Beruf und Freizeit ausgelost werden.
Bei ,,Fitness‘‘ geht es heute vorrangig
darum, die aktive Lebensgestaltung
optimal zu fordern, fur ein moglichst
langes Leben bei guter Gesundheit,
Selbststandigkeit und hohemWohlbe-
finden. Davon profitiert nicht nur der
Einzelne, der etwas fur seine indivi-
duelle Gesundheit tut. Denn der
krankheitsbedingte Ausfall von Mit-
arbeitern bzw. eine Beeintrachtigung
der Ausubung ihrer Tatigkeit hat auch
fur die betroffenen Unternehmen
erhebliche wirtschaftliche Folgen
(vgl. Schellenberg, 2008).
Laut dem Arbeitgeberverband der
deutschen Fitness- und Gesundheits-
anlagen (ECKDATEN DSSV, 2012)
gibt es in Deutschland knapp 7.000
Fitness- und Gesundheits-Studios, in
denen rund acht Mio. Menschen trai-
nieren. Dies macht bereits ca. 10%
der Gesamtbevolkerung aus. Das
zunehmende Interesse an fitnesso-
rientierten Dienstleistungen geht ein-
her mit einem veranderten Gesund-
heitsverstandnis und einem gesund-
heitsorientierten Selbstverstandnis.
Gleichzeitig sind die Fallzahlen von
Zivilisationskrankheiten wie Adipo-
sitas und Diabetes mellitus sowie
Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf ei-
nem Hochststand. Ebenso nehmen
Muskel-Skelett-Erkrankungen wie
Ruckenschmerzen (WIdO, 2011)
durch einseitige Korperhaltungen,
die bis hin zur Berufsunfahigkeit fuh-
ren konnen, sowie psychische Proble-
me weiter zu (DAK, 2004).
Fitness- und Gesundheits-Studios sor-
gen als wirtschaftlich ausgerichtete
Unternehmen mit Infrastruktur, Gerat-
schaften und qualifiziertem Personal
fur ein flachendeckendes Netzwerk
an Angeboten der aktiven Gesund-
heitsforderung. Neben allgemeinem
Ausdauer- und Geratetraining bieten
sie insbesondere fur Kunden mit ge-
sundheitlichen Risiken eine umfassen-
de, zielgruppenspezifische Angebots-
struktur mit bspw. Ruckenschule,
Pilates, Stressmanagement/Entspan-
nung (Burnoutpravention, Work-
Life-Balance) sowie Ernahrungsbera-
tung/-kursen. Vor dem Hintergrund
kurzerer Rehabilitationszeiten uber-
nehmen sie eine Rolle bei der Stabili-
sierung und Verbesserung der in
der medizinischen Heilbehandlung
erreichten Erfolge. Gleichzeitig ergan-
zen sie im Breiten- und Gesundheits-
sport das Trainings- und Betreuungs-
angebot der Sportvereine.
Die Fitnessbranche ebnet durch ihre
praktische Erfahrung vor allem in den
Bereichen Bewegung und Ernah-
rungsberatung nicht nur den Weg fur
die individuelle Gesundheit. Sie ist
auch wichtiger Ansprechpartner,
wenn es um die Mitarbeitergesundheit
geht. Heute nutzen bereits zahlreiche
Unternehmen und Einrichtungen die
Initiative ,,Gesundheit im Betrieb
selbst gestalten‘‘, um durch Koopera-
tion mit regionalen Fitness- und
Gesundheitsanlagen die Gesundheit,
Leistungsfahigkeit und Leistungsbe-
reitschaft ihrer Belegschaft zu
erhalten und zu verbessern. Uber die
Aktivitaten des bundesweiten Netz-
werkes, das von der Deutschen Hoch-
schule fur Pravention und Gesund-
heitsmanagement (DHfPG) sowie
dem Arbeitgeberverband der deut-
schen Fitness- und Gesundheits-Anla-
gen gegrundet wurde, berichtet unter
anderem die Bundesvereinigung der
deutschen Arbeitsgeberverbande
(BDA, 2013).
Wie im gesamten Dienstleistungsbe-
reich bildet auch fachkompetentes
Personal einen entscheidenden Faktor.
Uber einen Zeitraum von ca. 30 Jahren
haben sich eigenstandige, hochwerti-
ge und auf den spezifischen Bedarf der
Branche ausgerichtete Bildungslosun-
gen entwickelt.
Die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) geht davon aus, dass zukunf-
tig ca. 70% aller Todesursachen in den
westlichen Industrienationen durch
den Lebensstil bedingt sein werden,
9.e1
Public Health Forum 21 Heft 79 (2013)http://journals.elsevier.de/pubhef
insbesondere durch Bewegungsman-
gel, Fehlernahrung und Rauchen
(Maaz et al., 2006). Eine Anderung
des Lebensstils kann das Erkran-
kungsrisiko deutlich verringern,
Gesundheit und Lebensqualitat des
Einzelnen nachhaltig verbessern,
Krankenkassen bei ihrer Praven-
tionsarbeit unterstutzen, das Sozial-
system entlasten und Wettbewerbs-
fahigkeit sowie Produktivitat der
Volkswirtschaft sichern. Fitness-
und Gesundheitsunternehmen neh-
men dabei Aufgaben wahr, die durch
9.e2
den demografischen Wandel weiter
an Bedeutung gewinnen und ihr Po-
tenzial in den Fokus einer breiten€Offentlichkeit rucken lassen. Die In-
anspruchnahme von praventiven
Leistungen hat sich in den letzten
zehn Jahren deutlich erhoht (MDS,
GKV-Spitzenverband, 2010; Jordan
et al., 2011). Jedoch gibt es weiterhin
Bedarf, die Bedeutung von Praven-
tion und Gesundheitsforderung ge-
sundheitspolitisch zu starken und fi-
nanziell auszubauen (Hurrelmann
et al., 2010).
Der korrespondierende Autor erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur siehe Literatur zum Schwerpunkt-thema.http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur
http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2013.03.001
Prof. Dr. Bernhard AllmannDeutsche Hochschule fur Pravention undGesundheitsmanagementHermann Neuberger SportschuleGebaude 366123 [email protected]
Public Health Forum 21 Heft 79 (2013)http://journals.elsevier.de/pubhef
Einleitung
Die Gesundheitsbranche ist ein Wirtschaftszweig mit Innovationskraft und okonomischer Bedeutung. So beliefen sich die
Gesundheitsausgaben im Jahr 2010 auf rund 278 Milliarden Euro - das entspricht einem Anteil von 11,6 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (Bundesministerium fur Gesundheit, 2013). Alleine im ,,2. Gesundheitsmarkt‘‘, der privat finan-
zierte Produkte und Dienstleistungen rund um die Gesundheit umfasst, wurden 2008 ca. 64 Mrd. Euro (Neumann et al.,
2007) umgesetzt.
Summary
The health care industry is an economic sector with high level of innovation and economic meaning. Total health
expenditure amounted to 278 billion Euro in 2010, this corresponds to a share of 11,6% gross domestic product (GDP) of
Germany (ministry of health, 2013). The ‘‘second’’ health care market alone, consisting of privately financed health care
products and services, generated a turnover of 64 billion Euro in 2008 (Neumann et al., 2007).
Schlusselworter:
Fitnesstraining = Fitness training, physische Fitness = physical fitness, Bewegungsmangel = physical inactivity, Lebensstil
= lifestyle, Gesundheitswirtschaft = health economy
Literaturverzeichnis
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9.e3