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ADHÄSION 10.04 > ANWENDUNGEN 32 len Flanschkonstruktionen, die unter an- derem an der Abdeckung der Steuerkette, am Abschlussdeckel des Getriebes oder an Gehäusen und Abdeckungen aus Kunst- stoff zu finden sind, müssen in der Lage sein, größere Spalte zu überbrücken und Mikrobewegungen aufzunehmen. Diese Anforderungen lassen sich mit speziellen Silikonsystemen erfüllen. Direkt aufgetragene Flüssigdichtsysteme beweisen aber nicht nur im Motorraum ihre Leistungsfähigkeit. Als ein- oder zwei- komponentige Polyurethan- beziehungs- weise Silikonsysteme sorgen sie auch im Body-Bereich von Fahrzeugen, im allge- meinen Maschinenbau, bei Rohrsystemen im Anlagenbau, in der Medizintechnik und in Haushaltgeräten für dichte Verbindun- gen unter zum Teil schwierigen Bedin- gungen. Die Elektroindustrie dichtet Schalt- schranktüren mit flüssigen PU-Schaum- dichtungen ab. Hochthixotrope Dichtungs- schäume sorgen dafür, dass selbst Anwen- dungen mit Steigungen von 90 Grad reali- siert werden können. Ebenso steht eine flüssige, flammgeschützte Dichtmasse zur Verfügung, die in Metall- oder Kunststoff- gehäuse eingebaute, empfindliche Elektro- niken vollständig gegen Staubeintritt und starkes Strahlwasser beziehungsweise zeit- weiliges Untertauchen schützt. Für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie exis- tiert ein PU-Schaum, der gemäß FDA- Anforderungen freigegeben ist. Er eignet sich zur Abdichtung von Verpackungsde- ckeln in der Nahrungsmittelproduktion. Vielfältige Vorteile Die Verarbeitung flüssiger Dichtstoffe er- folgt in drei unterschiedlichen Appli- kationsverfahren. Bei den so genannten Formed-in-Place Gaskets (FIPG) werden die Dichtmittel aufgebracht und die Teile sofort zusammengefügt. Die Dichtwirkung beruht dabei auf Adhäsion und Druck. Lässt man den Dichtstoff nach dem Auf- bringen aushärten beziehungsweise zu einem festen Elastomer werden, handelt es sich um eine Cured-in-Place Gasket-Lösung. Bei dieser vorbeschichteten Dichtung wird die Dichtwirkung im Verbund durch Druck auf das ausgehärtete Dichtmittel erreicht. Injected-in-Place Gasket werden Anwen- dungen genannt, bei denen das Dichtmittel in einen Kanal eingespritzt werden, nach- dem die Teile zusammengefügt wurden. Unabhängig davon, welches Verfahren zum Einsatz kommt, einer der großen Vorzüge von Flüssigdichtungen ist die hohe Wirt- schaftlichkeit durch vollautomatisches Ap- plizieren auf CNC-gestützten Misch- und Dosieranlagen. Darüber hinaus passen sich die Dichtungen aus der „Tube“ nahezu je- der Werkstückgeometrie einfach an – auch bei einem dreidimensionalen Dichtungs- verlauf. Dies führt zu Kostenreduzierungen bei Handhabung, Logistik und Lagerhal- tung. Neben diesen ökonomischen Vortei- len, können Flüssigdichtungen technische Trümpfe ausspielen: So ermöglichen sie ho- he Freiheitsgrade bei der Bauteilgestaltung. Und es lässt sich die Dichtungshöhe 0 er- U nter der Motorhaube gibt es in- zwischen nur noch wenige Flä- chendichtungen wie beispiels- weise die Zylinderkopfdichtung, die nicht durch Flüssigdichtsysteme ersetzt werden können. Und das trifft auf steife Flansch- verbindungen ebenso zu wie für „flexible“. Für beide Verbindungsarten stehen 1K- und 2K-Flüssigdichtsysteme zur Verfü- gung, die sowohl eine entsprechende Tem- peraturbeständigkeit bieten als auch resis- tent gegenüber Automotive-Fluids sind. Steife Flansche, zu denen beispielsweise das Getriebegehäuse, die Grundplatte am Kurbelgehäuse oder die Verbindung der Wasserpumpe am Motorblock gehören, lassen sich mit einkomponentigen anaerob aushärtenden Materialien realisieren. Ne- ben dem Sauerstoffabschluss, der durch den engen Fügespalt gegeben ist, benöti- gen diese Flüssigdichtsysteme Metallkon- takt zur Aushärtung. Das kann Normal- stahl, Grauguss, Aluminiumguss oder eine gewichtsreduzierende Magnesium-Legie- rung sein. Den Trend zu immer leichteren Konstruktionen unterstützen anaerobe Flüssigdichtungen dadurch, dass sie dem fertigen Bauteilverbund zusätzliche Stei- figkeit verleihen. Abdichtungen an flexib- Ob in der Automobilindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Verpackungs- und Hausgeräteindustrie oder der Elektronik – Flüssig- dichtungen sind weiter auf dem Vormarsch. Ihren Erfolg verdanken sie einerseits handfesten wirtschaftlichen und technischen Vorteilen, anderer- seits innovativen Dichtmaterialien, die neue Anwendungen ermöglichen. Flüssig abgedichtet Doris Schulz ISGATEC internationale Fachmesse für Dichtungstechnik Welche konventionellen Dichtsysteme lassen sich durch Flüssigdichtungen ersetzen? Wie können Einsatz und Applikation optimiert werden? Antworten auf diese und viele andere Fragen rund um die Dichtungstechnik gibt die ISGATEC, internationale Fachmesse für Dichtungstechnik und Weiterverarbeitung, die vom 19. bis 21. Oktober 2004 in Stuttgart stattfindet. Weitere Informationen unter www.isgatec.com.

Flüssig abgedichtet

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len Flanschkonstruktionen, die unter an-derem an der Abdeckung der Steuerkette,am Abschlussdeckel des Getriebes oder anGehäusen und Abdeckungen aus Kunst-stoff zu finden sind, müssen in der Lagesein, größere Spalte zu überbrücken undMikrobewegungen aufzunehmen. DieseAnforderungen lassen sich mit speziellenSilikonsystemen erfüllen. Direkt aufgetragene Flüssigdichtsystemebeweisen aber nicht nur im Motorraum ihre Leistungsfähigkeit. Als ein- oder zwei-komponentige Polyurethan- beziehungs-weise Silikonsysteme sorgen sie auch imBody-Bereich von Fahrzeugen, im allge-meinen Maschinenbau, bei Rohrsystemenim Anlagenbau, in der Medizintechnik undin Haushaltgeräten für dichte Verbindun-gen unter zum Teil schwierigen Bedin-gungen. Die Elektroindustrie dichtet Schalt-schranktüren mit flüssigen PU-Schaum-dichtungen ab. Hochthixotrope Dichtungs-schäume sorgen dafür, dass selbst Anwen-dungen mit Steigungen von 90 Grad reali-siert werden können. Ebenso steht eineflüssige, flammgeschützte Dichtmasse zurVerfügung, die in Metall- oder Kunststoff-gehäuse eingebaute, empfindliche Elektro-niken vollständig gegen Staubeintritt undstarkes Strahlwasser beziehungsweise zeit-weiliges Untertauchen schützt. Für den

Einsatz in der Lebensmittelindustrie exis-tiert ein PU-Schaum, der gemäß FDA-Anforderungen freigegeben ist. Er eignetsich zur Abdichtung von Verpackungsde-ckeln in der Nahrungsmittelproduktion.

Vielfältige VorteileDie Verarbeitung flüssiger Dichtstoffe er-folgt in drei unterschiedlichen Appli-kationsverfahren. Bei den so genanntenFormed-in-Place Gaskets (FIPG) werden dieDichtmittel aufgebracht und die Teile sofort zusammengefügt. Die Dichtwirkungberuht dabei auf Adhäsion und Druck.Lässt man den Dichtstoff nach dem Auf-bringen aushärten beziehungsweise zu einem festen Elastomer werden, handelt essich um eine Cured-in-Place Gasket-Lösung.Bei dieser vorbeschichteten Dichtung wirddie Dichtwirkung im Verbund durch Druckauf das ausgehärtete Dichtmittel erreicht.Injected-in-Place Gasket werden Anwen-dungen genannt, bei denen das Dichtmittelin einen Kanal eingespritzt werden, nach-dem die Teile zusammengefügt wurden. Unabhängig davon, welches Verfahren zumEinsatz kommt, einer der großen Vorzügevon Flüssigdichtungen ist die hohe Wirt-schaftlichkeit durch vollautomatisches Ap-plizieren auf CNC-gestützten Misch- undDosieranlagen. Darüber hinaus passen sichdie Dichtungen aus der „Tube“ nahezu je-der Werkstückgeometrie einfach an – auchbei einem dreidimensionalen Dichtungs-verlauf. Dies führt zu Kostenreduzierungenbei Handhabung, Logistik und Lagerhal-tung. Neben diesen ökonomischen Vortei-len, können Flüssigdichtungen technischeTrümpfe ausspielen: So ermöglichen sie ho-he Freiheitsgrade bei der Bauteilgestaltung.Und es lässt sich die Dichtungshöhe 0 er-

Unter der Motorhaube gibt es in-zwischen nur noch wenige Flä-chendichtungen wie beispiels-

weise die Zylinderkopfdichtung, die nichtdurch Flüssigdichtsysteme ersetzt werdenkönnen. Und das trifft auf steife Flansch-verbindungen ebenso zu wie für „flexible“.Für beide Verbindungsarten stehen 1K-und 2K-Flüssigdichtsysteme zur Verfü-gung, die sowohl eine entsprechende Tem-peraturbeständigkeit bieten als auch resis-tent gegenüber Automotive-Fluids sind.Steife Flansche, zu denen beispielsweisedas Getriebegehäuse, die Grundplatte amKurbelgehäuse oder die Verbindung derWasserpumpe am Motorblock gehören,lassen sich mit einkomponentigen anaerobaushärtenden Materialien realisieren. Ne-ben dem Sauerstoffabschluss, der durchden engen Fügespalt gegeben ist, benöti-gen diese Flüssigdichtsysteme Metallkon-takt zur Aushärtung. Das kann Normal-stahl, Grauguss, Aluminiumguss oder einegewichtsreduzierende Magnesium-Legie-rung sein. Den Trend zu immer leichterenKonstruktionen unterstützen anaerobeFlüssigdichtungen dadurch, dass sie demfertigen Bauteilverbund zusätzliche Stei-figkeit verleihen. Abdichtungen an flexib-

Ob in der Automobilindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, derVerpackungs- und Hausgeräteindustrie oder der Elektronik – Flüssig-dichtungen sind weiter auf dem Vormarsch. Ihren Erfolg verdanken sie einerseits handfesten wirtschaftlichen und technischen Vorteilen, anderer-seits innovativen Dichtmaterialien, die neue Anwendungen ermöglichen.

Flüssig abgedichtet

Doris Schulz

ISGATEC internationale Fachmesse für DichtungstechnikWelche konventionellen Dichtsysteme lassen sich durch Flüssigdichtungen ersetzen?

Wie können Einsatz und Applikation optimiert werden? Antworten auf diese und viele

andere Fragen rund um die Dichtungstechnik gibt die ISGATEC, internationale Fachmesse

für Dichtungstechnik und Weiterverarbeitung, die vom 19. bis 21. Oktober 2004 in

Stuttgart stattfindet. Weitere Informationen unter www.isgatec.com.

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zielen, die zu einer guten Kraft- und Mo-mentübertragung an der Dichtstelle führt.Die vergleichsweise einfache und flexibleHandhabung sowie die „Unverlierbarkeit“sorgen außerdem für eine Erhöhung derProzesssicherheit.Damit die Vorzüge von Flüssigdichtungenoptimal genutzt werden können, ist ihr Ein-satz auf den jeweiligen Werkstoff und dieAnwendung abzustimmen. Sie könnengrundsätzlich auf freie Flächen und entlangeiner Schulter oder einer Nut aufgetragenwerden. Verschmutzungen durch Bearbei-tungsöle, Fette, Trennmittel und sonstigeVerunreinigungen können dabei jedoch zuHaftungsproblemen führen und müssendaher sorgfältig entfernt werden. Auch beiBauteilen aus thermoplastischen Kunst-stoffen wie beispielsweise PE und PP kannes zu Problemen kommen, da sie häufigschlechte Haftungseigenschaften aufwei-sen. Hier schaffen entsprechende Vorbe-handlungen Abhilfe. Zu berücksichtigensind auch die Ausdehnungskoeffizientenunterschiedlicher Werkstoffe, die miteinan-der verbunden werden sollen. Grenzen sinddem Einsatz von Flüssigdichtungen auchgesetzt bei Bauteilen, die zur Wartung oderReparatur wieder getrennt werden müssen.Dies ist häufig nur zerstörend möglich.Und nicht zuletzt setzt die wirtschaftlicheNutzung einer eigenen Dosieranlage ge-wisse Stückzahlen voraus, die abhängig vonder Bauteilgröße bei mindestens 200.000liegen. Daher ist zu prüfen, ob die Fremd-fertigung durch einen Lohnverarbeiternicht die günstigere Alternative ist. Die vielfältigen Anforderungen und unter-schiedlichsten konstruktiven Bedingungenin verschiedenen Einsatzbereichen erfor-dern optimal abgestimmte Dichtungs-lösungen. Um sie so effizient und kosten-günstig wie möglich zu realisieren, ist esunverzichtbar, den Dichtstoffherstellerund/oder -verarbeiter bereits im Konstruk-tionsstadium in den Entwicklungsprozesseinzubinden. π

Die folgende Marktübersicht liefert einen Über-blick über die Anbieter von 2K-Dosieranlagen.Sie beruht auf Firmenangaben; für Vollständig-keit und Richtigkeit geben wir keine Gewähr.

Bei flexiblen Flanschkonstruktionenbei beispielsweise diesem Getriebe-deckel aus Aluminium kommenSilikonsysteme zum Einsatz. Sie können Mikrobewegungen auf-nehmen und größere Spalte aus-gleichen. (Bildquelle: Polyprocess)

Ein Schnitt durch eineapplizierte, anaerobeFlüssigdichtung zeigt: Es kommt stellenweise zueinem Kontakt zwischenden Flanschen, wodurcheine gute Kraft- undMomentübertragungerreicht wird. (Bildquelle: Institut fürMaschinenelemente, Universität Stuttgart)

Schematische Darstellung der ApplikationsmethodenFormed-in-Place, Cured-in-Place und Injected-in-Place. (Bildquelle: Institut fürMaschinenelemente, Universität Stuttgart)

Die Dichtsysteme aus der „Tube“ ermöglichen hohe Freiheitsgrade bei der Bauteil-gestaltung und sind durch die vollautomatische Applikation besonders wirtschaftlich.

(Bildquelle: Loctite Europe)

Doris Schulz (07 11/85 40 85,

[email protected]) arbeitet als

freie Journalistin in Korntal.

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