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Fliissigkeits- gr enzf Iachen Theorie und in Anwendungs- technik Von Wolfgang Rabel, Hamburg ") 1. Einfiihrung Die kristalline Gestalt der Materie ist jedem Naturbeobachter vertraut, bil- den doch die Kristalle einen wesentlichen Bestandteil der unbelebten Natur. Die Flussigkeiten sind weniger formbestan- dig als Festkorper. Doch man hat schon fruhzeitig versucht, auch die veranderli- chen Fliissigkeitsoberflachen mathema- tisch-physikalisch zu beschreiben. Ab- gesehen von dem wissenschaftlichen In- teresse an den energetischen Verhaltnis- sen an Flussigkeitsoberflachen, hat diese mathematisch-physikalische Beschreibung auch praktische Bedeutung. Die Kenntnis der grundlegenden Zusammenhange hilft dem Anwendungsphysiker, das Verhal- ten von Fliissigkeiten an Grenzflachen bei technischen Problemen von einer exakten Grundlage aus zu beschreiben und vorherzusagen. In diesem Artikel sollen zunachst einige Grundlagen fur die theoretische Behandlung von Flussig- keitsgrenzflachen, insbesondere im Kon- takt mit Festkorpern, behandelt werden. AnschlieBend wird die Anwendung der Theorie auf technische Fragestellungen an ausgewahlten Beispielen demonstriert. * Dr. Wolfgang Rabel, Unilever For- schungsgesellschaft mbH, 2000 Hamburg 50, BehringstraBe 154. 2. Grenzfliichenenergie von Fliissigkeitstropfen Die Veranderung einer Flussig- keitsgrenzflache bedingt eine Verande- rung der freien Energie F des Gesamtsy- stems. Dabei tritt die spezifische freie Grenzflachenenergie y = (aF/ao)v, T, fl (1) (0 = Oberflache, v = Volumen, T = Temperatur, n = Molzahl). als eine das Gleichgewicht, also auch das Formengleichgewicht, bestimmende Gro- Be auf. In einer mehr atomistischen Be- trachtungsweise bezeichnet man y auch als ,,Oberflachenspannung". , Allerdings ist die Gleichsetzung von freier Grenz- flachenenergie und Oberflachenspannung streng genommen nur dann zulassig, wenn keine Adsorptionsvorgange zu be- riicksichtigen sind. Die Rolle der Grenzflachenenergie bei der Ausbildung einer stabilen Fliissig- keitsgrenzflache ist sehr schon an einem klassischen Beispiel zu zeigen [I]. Ein auf einer Festkorperoberflache ruhender Tropfen nimmt unter der Wirkung der Schwerkraft und der in der Grenzflache wirkenden zwischenmolekularen Krafte eine bestimmte geometrische Gestalt an, die sich mathematisch beschreiben 1aBt. Allerdings ist die Differentialgleichung der Tropfenoberflache nicht streng los- bar. Als eine besonders reizvolle unter den angegebenen Niherungslosungen sei die von Bashford und Adam [I] aus dem Jahr 1883 erwahnt: In einem um- fangreichen Tabellenwerk wird die Ge- stalt der Tropfen durch die Werte x/b und z/b (Bild 1) als Funktionen der Grenzflachenenergie y und des Rand- winkels 0 angegeben, eine bewunde- rungswurdige Leistung, die ohne die Hil- fe schneller Computer gewissermaflen ,,zu FuW erarbeitet wurde. Mit diesen oder neueren Tabellen oder Rechenpro- 151

Flüssigkeitsgrenzflächen in Theorie und Anwendungstechnik

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Fliissigkeits- gr enzf Iach en Theorie und

in

Anwendungs- technik Von Wolfgang Rabel, Hamburg ")

1. Einfiihrung

Die kristalline Gestalt der Materie ist jedem Naturbeobachter vertraut, bil- den doch die Kristalle einen wesentlichen Bestandteil der unbelebten Natur. Die Flussigkeiten sind weniger formbestan- dig als Festkorper. Doch man hat schon fruhzeitig versucht, auch die veranderli- chen Fliissigkeitsoberflachen mathema- tisch-physikalisch zu beschreiben. Ab- gesehen von dem wissenschaftlichen In- teresse an den energetischen Verhaltnis- sen an Flussigkeitsoberflachen, hat diese mathematisch-physikalische Beschreibung auch praktische Bedeutung. Die Kenntnis der grundlegenden Zusammenhange hilft dem Anwendungsphysiker, das Verhal- ten von Fliissigkeiten an Grenzflachen bei technischen Problemen von einer exakten Grundlage aus zu beschreiben und vorherzusagen. In diesem Artikel sollen zunachst einige Grundlagen fur die theoretische Behandlung von Flussig- keitsgrenzflachen, insbesondere im Kon- takt mit Festkorpern, behandelt werden. AnschlieBend wird die Anwendung der Theorie auf technische Fragestellungen an ausgewahlten Beispielen demonstriert.

* Dr. Wolfgang Rabel, Unilever For- schungsgesellschaft mbH, 2000 Hamburg 50, BehringstraBe 154.

2. Grenzfliichenenergie von Fliissigkeitstropfen

Die Veranderung einer Flussig- keitsgrenzflache bedingt eine Verande- rung der freien Energie F des Gesamtsy- stems. Dabei tritt die spezifische freie Grenzflachenenergie

y = (aF/ao)v, T, f l (1)

(0 = Oberflache, v = Volumen, T = Temperatur, n = Molzahl).

als eine das Gleichgewicht, also auch das Formengleichgewicht, bestimmende Gro- Be auf. In einer mehr atomistischen Be- trachtungsweise bezeichnet man y auch als ,,Oberflachenspannung". , Allerdings ist die Gleichsetzung von freier Grenz- flachenenergie und Oberflachenspannung streng genommen nur dann zulassig, wenn keine Adsorptionsvorgange zu be- riicksichtigen sind.

Die Rolle der Grenzflachenenergie bei der Ausbildung einer stabilen Fliissig- keitsgrenzflache ist sehr schon an einem klassischen Beispiel zu zeigen [I]. Ein auf einer Festkorperoberflache ruhender Tropfen nimmt unter der Wirkung der Schwerkraft und der in der Grenzflache wirkenden zwischenmolekularen Krafte eine bestimmte geometrische Gestalt an, die sich mathematisch beschreiben 1aBt. Allerdings ist die Differentialgleichung der Tropfenoberflache nicht streng los- bar. Als eine besonders reizvolle unter den angegebenen Niherungslosungen sei die von Bashford und A d a m [I] aus dem Jahr 1883 erwahnt: In einem um- fangreichen Tabellenwerk wird die Ge- stalt der Tropfen durch die Werte x/b und z/b (Bild 1) als Funktionen der Grenzflachenenergie y und des Rand- winkels 0 angegeben, eine bewunde- rungswurdige Leistung, die ohne die Hil- fe schneller Computer gewissermaflen ,,zu FuW erarbeitet wurde. Mit diesen oder neueren Tabellen oder Rechenpro-

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f I

- - - i" k R +

Bild 1. Charakteristische GroSen eines auf einer festen Unterlage ruhenden Tropfens: Randwinkel 0, Kriimmungsradius b im Scheitelpunkt, Plquatorradius rm und -hohe h,,, Beriihrungsradius R, Gesamt- hohe h.

grammen kann man z. B. aus hm, Y ~ O , h und R gleichzeitig die freie Grenzfla- chenenergie der Flussigkeit gegen die Gasphase, y ~ v , und den Randwinkel 0 berechnen, den die Flussigkeit mit dem Festkorper bildet [2].

3. Randwinkel und Benetzung

Die Ausbildung eines Randwinkels ist fur viele technische Probleme von Bedeutung. Der Randwinkel stellt letzt- lich nichts anderes dar als eine geometri- sche Gro8e in einer thermodynamischen Gleichgewichtsbedingung, der Young- DuprCschen Gleichung.

ysv = YSL + YLV . cos 0. (2)

Alle drei Grenzflachenenergien, die des Festkorpers gegen Vakuum'), ysv, die der Flussigkeit gegen ihren gesattigten Dampf, y ~ v , und die zwischen Festkor- per und Flussigkeit, ~SL, hangen uber

1 Die Xnderung der freien Grenzfli- chenenergie eines Festkorpers beim Einbrin- gen vom Vakuum in die geszttigte Dampf- atmosphire ist gleih dem Oberflichendruck

der 3uf dem Festkorper absorbierten Molekiile der Fliissigkeit: ys - ysv = n.

den Randwinkel 0 zusammen. Daraus ergibt sich seine Bedeutung fur die Ab- schatzung von Grenzflachenenergien und fur die Voraussage von Benetzbarkeiten.

Der Randwinkel von Flussigkei- ten auf Festkorpern liegt zwischen 0 O und etwa 160 O . Je kleiner der Randwinkel ist, desto besser wird die Festkorperober- flache von der Flussigkeit benetzt. Im Grenzfall 0 = 0 O spreitet die Flussig- keit auf der Oberflache (Oberflachen- druck n > 0). 4. Oberflichenrauhigkeit und Randwinkelhysterese

Leider liegen nun die Dinge nicht so einfach, dai3 die gemessenen Randwin- kel in jedem Fall fur die Diskussion der Grenzflachenenergien, etwa mit Hdfe der GI. (2), verwendet werden konnen. Diese erfordert namlich Gleichgewichts- winkel, die sich u. U. nur langsam ein- stellen, besonders, wenn die Viskositat der Flussigkeit sehr gro8 ist. Hinzu kom- men die Einflusse der Oberflachenrau- higkeit und Hysterese-Erscheinungen.

Der Einflui3 der Oberffiichenrau- higkeit auf den Randwinkel wurde von Wenzel [3] durch die Gleichung cos 0' / cos 0 = Y beschrieben, worin 0' den durch die rauhe Oberflache vorgetausch- ten Randwinkel darstellt. r ist gro8er als 1. Fur 0 < 90 ist also 0' (0, d. h. der experimentelle Randwinkel erscheint zu klein. Umgekehrt beobachtet man fur 0 > 90 O zu gro!3e Winkel. So sind z. B. im Fall des Paraffins statt des an glatten Flachen gemessenen Wasser-Randwinkels von ca. 107 O an aufgerauhten Flachen Winkel bis zu 140 O gemessen worden!

An rauhen Oberflachen kann aderdem eine Randwinkelhysterese be- obachtet werden, also die Erscheinung, da8 ein zu groi3er Winkel beim Vortrei- ben eines Tropfens auf eine bisher unbe- netzte Flache des Festkorpers festgestellt wird bzw. ein zu kleiner Winkel, wenn sich der Tropfen von bereits benetzten

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Flussigkeiten, deren Oberflachenspan- nung y ~ v gleich oder kleiner als yc ist, sollen dann den fraglichen Festkorper vollstandig benetzen (0 = 0). Die auf die- se Weise erhaltenen y,-Werte2) liegen z. B. fur Polyathylen (PE) und Polypropylen (PP) bei 30 mN/m, fur Polyvinylchlorid (PVC) bei 38 mN/m. Es konnten deut- liche Einflusse der chemischen Struktur der Oberflache herausgearbeitet werden, jedoch wurde es den vorgegebenen Rah- men weit uberschreiten, hierauf naher einzugehen.

6. Theoretische Ansltze

Der Wechselwirkungsparameter @

Die bisher beschriebenen Verfah- ren dienen hauptsachlich zur schnellen Information uber die Wechselwirkung einer Flussigkeit mit einem (niederener- getischen) Festkorper. Good und Giri- falco [3] gingen in einer Reihe von Ar- beiten uber die rein thermodynamische Betrachtungsweise hinaus und stellten die Krafte zwischen den Molekulen der Pha- sengrenze in Rechnung. Sie benutzten al- tere Vorstellungen von Berthelot uber die Wechselwirkung zwischen Molekulen gleicher (A. . .A, B. . .B) und verschiede- ner Art (A.. .B), wonach die Attrak- tionskonstante K der A. . .B-Wechsel- wirkung gleich dem geometrischen Mittel der Konstanten fur die Wechselwirkun- gen A. . .A und B.. .B sein soll:

KAB = (KAA - K B B ) ~ ' ~ oder KAB/(KAA * KBB) 1'2 = I.

Good und Girifalco setzen dazu analog

A 'FAB/(- AcFA)112 ' (- AcFB)i12 = @, (3)

2 Wenn nicht anders vermerkt, be- ziehen sich alle Angaben von GrenzflHchen- spannungen auf eine Temperatur von 22 OC.

ire= 18.5 mN/m 1.0

0

cos e

C-Zohl 6 7 8 9 w 1112 11 m 0.5 I , I ,' (I ', ' ; ' 1 , '

10 20 fiV (mN/ml

Bild 3. Zisman-Diagramm: Randwinkel von homologen Alkanen auf Poly- tetrafluorzthylen, Extrapolation auf ye, die kritische Oberflichenspannung nach Zisman.

0

worin A~FAB = - (YA + y! - YAB) die reversible Arbeit zur Vereinigung der Einheitsflachen der Phasen A und B (,,Adhasionsarbeit") und - A "FA = -2 * Y A die Arbeit zur Vereinigung der Einheitsflachen der homogenen Phase A (,,Kohasionsarbeit", entsprechend fur B) bedeuten.

@ ist der ,,Wechselwirkungspara- meter", der durch Integration eines Po- tentialansatzes uber die einzelnen Volu- menelemente der Phasengrenze berechnet werden kann. Vorausgesetzt wird, dai3 sich sowohl das Potential zwischen glei- chen Teilchen als auch zwischen unglei- chen Teilchen als Lennard- Jones-Poten- tial beschreiben lai3t. Fur derartige ,,re- gulare" Systeme SOU @ dann entspre- chend dem Ansatz von Berthelot einen Wert nahe 1 annehmen. Mit G1. (2) und (3) und der Annahme, dai3 auf nieder- energetischen Oberflachen keine Adsorp- tion erfolgt (n = O fur 0 > 0), ergibt sich:

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Bild 2. Tilting-plate-Methode: Beim Uberschreiten eines fur Flussigkeit und FestkSrper charakteristischen Neigungs- winkels a h f t der Tropfen ab. OR = Riickzugswinkel, OV = Vorruck- winkel.

Stellen wieder zuruckzieht (Bild 2). Be- rechnungen von Johnson und Dettre [ 3 ] an Modellflachen mit definierter Rau- higkeit lassen den Schlui3 zu, daf3 ener- getische Grunde fur diese Randwinkel- hysterese verantwortlich sind. Die Diffe- renz OV - OR hangt aber auch, wie experimentell geteigt werden konnte, von der GroBe der Fliissigkeitsmolekule ab. Bei der Beurteilung von Adhasions- und Benetzungsproblemen mui3 daher die Rauhigkeit der untersuchten Oberflachen mit in Betracht gezogen werden.

5. Experimentelle Benetzungspriifung

Bei den Verfahren zur Charakte- risierung von Benetzbarkeiten ist zwi- schen den mehr empirischen Verfahren und solchen zu unterscheiden, die zur Voraussage des Benetzungsverhaltens ge- wisse molekulare Vorstellungen iiber die Wechselwirkungen in der Phasengrenz- flache stiitzen. Die empirischen Verfah- ren sind meist einfach, jedoch nicht frei von Fehldeutungsmoglichkeiten.

Testf liissigkeiten

Eine Prufmethode benutzt Flussig- keitsgemische, deren Oberflachenspan- nungen y ~ v zwischen 30 mN/m und 60 mN/m abgestuft sind und die nachein-

ander auf die Oberflache aufgestrichen werden. Je geringer die Oberflachen- spannung derjenigen Testfliissigkeit ist, die sich nicht mehr zu Tropfchen ZU-

sammenzieht, desto schlechter ist die Festkorperoberflache benetzbar. Aller- dings erlaubt dieser Test keine sehr scharfe Differenzierung.

,,Tilting-Plate"-Methode

Etwas genauer lassen sich Benet- zungsunterschiede mit dieser Methode er- kennen. Die zu untersuchende Oberfla- che wird dabei langsam aus der waage- rechten Position herausgedreht, wobei ein aufgesetzter Tropfen beobachtet wird. Bei einem bestimmten, fur die Be- netzbarkeit charakteristischen Neigungs- winkel beginnt sich der Tropfen auf der Oberflache zu bewegen. Vorruck- und Ruckzugswinkel lassen sich, wie Bild 2 zeigt, gleichzeitig bestimmen. Meist gibt man allerdings nur den fiir eine Test- fliissigkeit festgestellten Neigungswinkel an.

Zisman-Ver f ahren

Ein Verfahren, die Benetzbarkeit einer Oberflache auch durch andere als die Priifflussigkeit vorherzusagen, stammt von Zisman. Man bestimmt fur eine Reihe von Flussigkeiten verschiede- ner Oberflachenspannungen den Rand- winkel auf der fraglichen Festkorper- oberflache und tragt cos 0 gegen y ~ v auf. Wie Zisman [3] zeigen konnte, er- halt man fur Polymeroberflachen mit einer homologen Reihe yon Kohlenwas- serstoffen recht gute Geraden (Bild 3). Mit anderen Flussigkeiten erhalt man mitunter auch ein breiteres, etwas ge- krummtes Band. Diese Kurvenzuge las- sen sich jedoch leicht bis zum Schnitt- punkt rnit der Horizontalen cos O = 1 extrapolieren. Der zum Schnittpunkt ge- horige Abszissenwert wird von Zisman ,,critical surface tension", yo genannt.

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Experimentell konnte gezeigt wer- den, dai3 in den Fallen, in denen bei den beiden Phasen ganz verschiedene Wech- selwirkungen vorliegen (z. B. in der einen Phase nur London-van der Waals-, in der anderen vorwiegend Dipol-Dipol-Wech- selwirkungen) @ deutlich kleiner als 1 ist (etwa 0,5 bis 0,7). Beim Auftreten spezifischer Wechselwirkungen zwischen den Phasen (H-Brucken!) wurde @ auch etwas groRer als 1 gefunden. Bei Un- kenntnis der Wechselwirkungen zwischen flussiger und fester Phase 1ai3t sich also ys nach GI. (4) nicht aus einer Rand- winkelmessung ermitteln.

Mit bestimmten Zusatzannahmen kamen Sell, Driedger und Neumann [ 4 ] zu einer grenzflachenenergetischen Zu- standsfunktion, auf die hier lediglich hingewiesen sei. An dieser Stelle sol1 die Problematik der O-ys-Beziehung noch von einem anderen Standpunkt beleuch- tet werden.

Polare und unpolare Wechselwirkungen an Phasengrenzen

Nach Fowkes 1aRt sich die Grenz- flachenenergie in Anteile aufspalten, die auf Dispersionskrafte bzw. auf polare Wechselwirkungen zuruckfuhrbar sind ~ 3 1 :

* I . - I 5 - 9 s + Y P S

Die gesamte Grenzflachenenergie zwischen zwei Phasen (z. B. zwischen einem unpolaren Kohlenwasserstoff 1 und Quecksilber 2 ) IaRt sich dann durch einen Ausdrudr

y1z = y1 + y2 - 2 * V yd1 * P 2

darstellen, da in diesem Beispiel nur eine Wechselwirkung durch Dispersionskrafte stattfindet. Fuhrt man in diesen Ansatz auch polare Wechselwirkungen ein, so mug man fur die Grenzflache fl/f an- setzen:

Mit GI. (4) ergibt sich dann ein theoretischer Ausdruck fur den Wechsel- wirkungsparameter

@ = V x + V(1-a) (1 -k ) , ( 5 )

der die relativen Anteile der auf Disper- sionskrafte entfallenden Wechselwirkun- gen fur beide Phasen enthat:

a = yds/ys und k = ~ ~ L v / ~ L v .

y d ~ v IaRt sich durch Randwinkelmessun- gen fur Flussigkeiten in Kontakt mit un- polaren Oberflachen (Paraffin, Teflon) ermitteln, fur die also a x 1 ist. Sie kon- nen daher als Testflussigkeiten zur allge- meinen Bestimmung von Festkorper-Be- netzbarkeiten und der Festkorper-Grenz- flachenenergien, aufgespalten in die An- teile yds und yps, benutzt werden. Dies ist an anderer Stelle ausfuhrlicher dar- gestellt worden [5].

Bild 4 stellt fur eine unpolare Flussigkeit (n-Heptan) und fur eine mit erheblichem polaren Anteil (Wasser) die Abhangigkeit des Randwinkels von der gesamten Festkorper-Grenzflachenener- gie und dem Anteil der Dispersionswech- selwirkung a dar. Die Kurven fur 0 = 0 entsprechen dem Zustand vollstandiger Benetzung des Festkorpers und grenzen (nach rechts) von dem Zustand ab, in dem die Flussigkeiten spreiten. Nimmt man einmal den sicherlich vereinfachen- den Summenansatz fur @ (Gl. 5) in er- ster Naherung als richtig an, so lassen sich einige halbquantitative Schlusse zie- hen. 2. B. entsteht nur auf einem vollig unpolaren Festkorper mit dem unpola- ren n-Heptan ein Randwinkel 0, wenn y ~ v = ys ist, und Spreitung tritt fur y ~ v < ys auf. yc ist also nur fur derar- tige Falle rnit ys identisch. Auf Festkor- pern mit a < 1 konnen sich auch fur

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yLv < ys Randwinkel > 0 ergeben, z. B. fur einen Festkorper rnit 01 = 0,7, solan- ge ys < 29 mN/m ist. Mit Wasser ist das Gebiet fur 0 > 0 sehr viel ausgedehn- ter, Spreitung ware im Falle eines Fest- korpers mit gleichem Dispersionsanteil erst fur ys 2 90 mN/m zu erwarten.

Fur die Prufung allgemeiner Be- netzbarkeitseigenschaften ergeben sich hieraus Konsequenzen: Die mit Testflus- sigkeiten bekannter Oberflachenspan- nung festgestellten Benetzbarkeiten sind nicht unbedingt auf beliebige andere Flussigkeiten ubertragbar. Auch die mit den homologen Kohlenwasserstoffen ge- wonnenen yc-Werte legen die Benetzbar- keit durch waBrige Systeme nicht fest. Damit werden aber die Moglichkeiten einer einfachen, allgemein gultigen Be- netzbarkeitsprufung, etwa durch Ein- punktmessungen, sehr beschrlnkt, und Fehlbeurteilungen sind moglich. Sind al- lerdings die k-Werte einiger Testflussig- keiten bekannt, so lassen sich yds und y p s getrennt bestimmen.

7. Benetzungsvorgfnge in der Technik

Vorbehandlung von Oberflachen fur den Druckprozefl

Die Grenzflachenenergie von Kunststoffen wie Polyathylen oder Poly- propylen ist so niedrig, da8 Losungs- bzw. Dispergiermittel von Druckfarben nicht ohne weiteres benetzen. Setzt man die Grenzflachenenergie des Kunststoffs herauf, dann wird seine Benetzbarkeit wesentlich verbessert. Ein zu diesem Zweck sehr haufig angewandtes Verfah- ren besteht darin, die Kunststofflache durch eine elektrische Spitzenentladung hindurchzuziehen. Das Bedrucken berei- tet dann keine Schwierigkeiten mehr. Der Mechanismus dieser Vorbehandlung ist nicht vollig geklart, jedoch durfte die Oxidation der Oberflache eine wesent- liche Rolle spielen, was sich auch in der

I-

Bild 4. Randwinkel von n-Heptan (unpolar) und Wasser auf Festkorpern der Gesamtoberflichenenergie yv

Zunahme des polaren Anteils der Ober- flachenenergie nach Vorbehandlung zeigt (Bild 5) und in dem sehr viel schwache- ren Vorbehandlungseffekt bei weitgehen- der Entfernung des Sauerstoffs aus dem Entladungsraum [5]. Daneben kann auch das aus elektronenmikroskopischen Aufnahmen erkennbare Aufrauhen der Oberflache zur Benetzbarkeit beitragen.

Naturlich ist die gute Benetzbar- keit der Druckoberflache nur eine von vielen Bedingungen fur das Funktionie- ren des Druckprozesses. Beim Tiefdruck mussen Oberflachenspannung und Vis- kositat der Druckfarbe im richtigen Ver- haltnis zueinander stehen, so da8 die Far- be einerseits vor dem Druck in den Napfchen des Tiefdruckzylinders festge- halten wird, andererseits beim Aufpres- sen auf das Substrat wegen dessen bes- serer Benetzbarkeit ,,umgenetzt" wird, und zwar mit genugender Geschwindig- keit. Zu den thermodynamischen Benet- zungsbedingungen kommt also noch die kinetische Bedingung einer genugend schnellen Annaherung an das Benetzungs- gleichgewicht.

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Bild 5. Verfnderung der Gesamtgrenz- fliichenenergie ys und ihres polaren Anteils yps von Polyfthylen durch Vorbehandlung in einer elektrischen (Glimm-)Entladung. a: bei Gegenwart, b: bei AusschluB von 0,.

Benetzung und Verklebung

Eine ahnliche Problematik ergibt sich bei der Herstellung einer Klebver- bindung. Es ist lange bekannt, dai3 man nicht mit jedem Klebstoff auf jeder Oberflache feste Verbindungen herstellen kann. Eine Regel, die diese Verhaltnisse allgemein ausdriidsen sollte, stammt von de Bruyne [3]: ,,Es ist unm6glich, feste Klebverbindungen herzustellen auf pola- ren Substraten mit unpolaren Klebstof- fen und auf unpolaren Substraten mit polaren Klebstoffen".

Beziiglich des primaren Benet- zungsvorganges wird die prinzipielle Richtigkeit des 2. Teils dieser Regel aus Bild 4 verstandlich: eine polare Fliissig- keit (Klebstoff) bildet auf unpolaren Substraten (a = 1) relativ grode Rand- winkel. Dagegen wird ein Substrat mit

a < 1 durch eine unpolare Flussigkeit wesentlich besser benetzt, so dai3 im Ge- gensatz zum l. Teil der de Bruyneschen Regel feste Verbindungen moglich sein miifiten. Das wird auch durch die Erfah- rung bestatigt. So liefert gerade ein selbst schlecht benetzbarer Stoff wie Polyiithy- len, wenn er durch Erhitzen in den fliis- sigen Zustand gebracht wird, auf Metal- len (ysd klein, a < 1) nach dem Erkalten einen festen Verbund.

Allen diesen Uberlegungen liegt die Vorstellung zugrunde, dad eine Ver- bindung von zwei Phasen um so fester sein miiflte, desto groi3er die Adhasions- arbeit - A ~ F s L = ys + y ~ v - y s ~ , = y ~ v (1 -I- cos 0) ist. Die groke AdhH- sionsarbeit erhalt man fur 0 = 0, also bei guter Benetzbarkeit. Dazu mud jedoch einschrankend gesagt werden, dad es Ein- wande gegen die alleinige Giiltigkeit der Benetzungstheorie gibt. Die soeben ange- gebene Adhasionsarbeit kann hochstens innerhalb der Grenzen 0 und 2 y ~ v schwanken und erklart damit nicht die erheblichen Festigkeitsunterschiede von Klebverbindungen. Man wird daher die mijglichst gute oder vollstandige Benet- zung durch den Klebstoff als eine not- wendige, jedoch nicht hinreichende Be- dingung ansehen miissen. Erganzend ist das Eindringen des Klebstoffs in das Substrat oder das Ausfiillen der Ober- flachenrauhigkeiten zu nennen, wodurch die Verankerung des Klebstoffs wesent- lich verstarkt wird. Von anderen Auto- ren wird die Rolle elektrostatischer KrHf- te fur das Zustandekommen von Adha- sionsverbindungen betont. Hier mui3 auf die umfangreiche Spezialliteratur verwie- sen werden [6, 71.

Molekiilorientierung an Oberflachen

Infolge der Wechselwirkung in der Phasengrenze treten u. U. Veranderungen der molekularen Anordnung in Phasen- grenznahe ein. Als Beispiel sol1 die Um- orientierung gel6ster Molekule als Wir-

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kung einer festen Phasengrenze bzw. des von ihr ausgehenden ,,Richteffekts" er- wahnt werden. Bekanntlich l idt sich die oft unerwunschte geringe Oberflachen- leitfahigkeit von Kunststoffen durch sog. Antistatika vergrodern, die die Ausbil- dung einer gut leitenden Wasserschicht an der Oberflache fordern. Es ist nun fur die Wirksamkeit eines Antistatikums nicht gleichgultig, welches Molekulende es ,,nach audenr' streckt. Gewunscht wird eine Anordnung, bei der das hydrophile Ende (Carboxyl-, Sulfogruppe) der Dampfphase zugewandt ist, urn Wasser zu binden. Die Wirkung ist jedoch durch- aus abhangig von der Art des Substrats: So erhoht z. B. ein technisch verwendetes Antistatikum, das aus der Losung auf- gebracht wird, die Leitfihigkeit des po- laren Polyvinylchlorid (PVC) wesentlich starker als die des unpolaren Polypropy- len (PP). Es ist anzunehmen, dad eine

unterschiedliche Oberflachenkonzentration des Antistatikums an beiden Substraten vorliegt. Einen Hinweis auf diese Hypo- these erhilt man aus Randwinkelmessun- gen von Losungen des Antistatikums in verschiedener Konzentration an unpola- ren und polaren Polymeroberflachen. Es ist bekannt, dad grenzflachenaktive Stof- fe, wie es die Antistatika teilweise sind, in wadriger Losung Assoziate (,,Mizel- len", M) bilden, die mit den Einzelmo- lekulen im chemischen Gleichgewicht mA $ M (m = stochiometrischer Faktor) stehen. 1st das chemische Potential des ge- losten Stoffes PA, so gilt (Gibbs'sche Adsorptionsisotherme) :

d n v = - (ra + m h ) * dp,\.

Mit G1. (2) ladt sich dann die Ab- hangigkeit der ,,Benetzungsspannungcc f i = yr,v . cos 0 von y ~ v ableiten:

welche die Grenzflachenkonzentrationen r,\ des gelosten Stoffes und die seiner Mizellen in den betreffenden Pha- sengrenzen enthalt. Betrag und Vorzei- chen von P I werden also durch die Groi3e der einzelnen r-Werte bestimmt.

Bild 6 gibt Messungen von /? als Funktion von y1.v an PVC, unvorbehan- deltem und vorbehandeltem PP wieder. Bei PP (unvorbeh.) und PVC und gro- dem ~ L V steigt p linear, aber mit ver- schiedenen Steigungen an. Da hier noch keine Mizellbildung vorliegt (f hi. LV = 0 ) und Lei verdiinnten Losungen kaum eine Adsorption des Gelosten an der Grenz- flache f/g eintreten durfte (r.4,~ ==: O), ergibt sich aus den Steigungen fur PP (unvorbeh.) :

rA, sI, ==: 0,9 . rl1, I.v

rA, sI, ==: 0,28 . rA, Lv. und fur PVC:

Danach besitzen beim unpolaren PP die Antistatikum-Molekule an der Grenzfla- che f/fl annahernd die gleiche Flachen- konzentration wie an der Grenzflache fl/g, wahrend sie an der polaren PVC- Grenzflache auf ca. 28 O/o zuriickgegan- gen ist !

Bei Vergroderung des polaren An- teils der PI?-Oberflachenenergie durch elcktrische Vorbehandlung entsteht zu- nichst eine dem PVC ahnliche Kurve, bei weiterer Vorbehandlung (vgl. Le- gende zu Bild 8) tritt sogar ein Minimum (PI = 0) und ein Kurvenast mit positi- ver Steigung auf. Diese Erscheinung kann durch GI. (6) interpretiert werden und hangt mit der Adsorption von An- tistatikum-Molekulen an der f/g-Grenz- flache zusammen. Der weiter oben doku- mentierte Unterschied der Grenzflachen- konzentrationen konnte auf die durch Dipolkrafte hervorgerufene (sperrigere)

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Gewichlskonzentmlion Anfislolikvm

b ImN/ml

Bild 6. Benetzungsspannung einer wHGrigen Antistatikumlosung (technisches Cocosfett- sHuregemisch mit Cholinchlorid verestert) auf Polyvinylchlorid (PVC) (yds = 38,l mN/m, y p s = 1,6 mN/m) und Poly- propylen (PP) (unvorbehandelt: y ~ s x 0; 10 s vorbeh.: y p s = 1,s mN/m; 90 s vorbeh: YPS = 7,5 mN/m).

Orientierung des Antistatikums an der polareren PVC-Oberflache zuruckgefuhrt werden, obwohl hierzu noch ausfuhrli- chere Untersuchungen fehlen. Messungen dieser Art konnen eine Hilfe bei der Auswahl von Antistatika sein.

Autophobe Systeme

Auf Orientierungsvorgange in der Phasengrenzflache ist auch die eigenartige Erscheinung der ,,Autophobie" zuruckzu- fuhren, die anscheinend die bisher dar- gestellten GesetzmaSigkeiten fur das Be- netzungsverhalten von Flussigkeiten auf

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den Kopf stellen. Flussigkeiten mit ge- ringen Oberflachenspannungen wie I- Oktanol ( y ~ v = 40,9 mN/m) sollten auf Oberflachen vergleichsweise hoher Ober- flachenenergie wie Quecksilber (yLv = 484 mN/m, ar x 0,41), poliertem Stahl oder Platin spreiten. Statt dessen beob- achtet man z. T. ganz erhebliche Rand- winkel, 2.B. fur 1-Oktanol auf Platin 42 '. Ausfuhrliche Untersuchungen von Zisman und Mitarbeitern [3] ergaben, dai3 tatsachlich keine Spreitung zu er- warten ist, da die Flussigkeit zunachst als Film an der Oberflache adsorbiert wird und die Festkorperoberflache sich durch orientierte Molekulausrichtung in eine Oberflache mit geringerer Oberfla- chenenergie verwandelt, als der Flussig- keit entspricht. Sie wird so unfihig, auf ihrer eigenen, orientierten Adsorptions- schicht zu spreiten, sie ist ,,acttophob". Eine andere Moglichkeit zu autophobem Verhalten bieten Alz03-0berflachen, an denen eine hydrolytische Spaltung von flussigen Carbonsaure-Estern eintreten kann. Die Spaltprodukte der Ester kon- nen dann die Oberflache besetzen und gegen den unzersetzten Ester schlecht be- netzbar machen.

Eine Anwendung der Autophobie ist die Herstellung von Schmierolen, z. B. fur Uhren. Die Ule sollen moglichst nicht aus den Lagern herausspreiten, sondern in ihnen lange Zeit festgehalten werden. ,,Oleophobische" Additive zu Schmierolen konnen z. B. Fluorkohlenwasserstoffe oder Silikonverbindungen sein, die sofort beim Kontakt mit dem Metal1 eine vom 01 schlecht benetzbare Monoschicht bil- den. Die Zismanschen Untersuchungen erklaren auch, warum die klassischen Uhrenole aus ganz bestimmten tierischen und pflanzlichen Quellen gewonnen wur- den (Knochenol, Olivenol). Die in ihnen enthaltenen Fettsaureester werden beim Kontakt mit dem A1203 der Lagersteine spurenweise in oleophobische Komponen- ten zerlegt und verhindern das Wegkrie- chen des Uls aus der Lagerstelle.

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Umnetzung: Flotation und Waschprozeb

Benetzungs- bzw. Umnetzungspro- bleme spielen eine mafigebende Roue bei der Mineralgewinnung durch Flotation. Festkorperpartikel vermogen s i h an ei- ner Phasengrenze anzusammeln, wenn be- stimmte energetische Bedingungen erfullt sind. Vorzugsweise wird durch Schaum- bildner eine fl/g-GrenzflHche erzeugt, fur die entsprechend Bild 7 die Gleichge- wichtsbedingung ys - y s ~ = y ~ v - cos 0 die stabile Lage eines Mineralprodukts in der Grenzflache bestimmt. Aufsteigender Schaum vermag die Mineralien, fur die die Bedingung zutrifft, von den anderen Bestandteilen des Gemenges zu trennen.

Aus der angegebenen Beziehung oder Bild 7 ist ersichtlich, dafi gro8e Randwinkel wunschenswert sind, um das Festkorperteilchen an die fl/g-Phasengren- ze zu bringen. Das erreicht man u.U. nur, wenn man die Mineraloberflache (selektiv!) durch eine Adsorptionsschicht hydrophober macht. Dies geschieht durch ,,Kollektoren", also durch Additive, die wie im Fall der nicht netzenden Ule so- fort bei Beruhrung mit dem Mineral spreiten und die Oberflache hydropho- b' ieren.

Ein anderer UmnetzungsprozeB spielt bei der Entfernung oliger Feststoff- teilchen (Schmutz) von einer Unterlage (Textilgewebe, WaschprozeB) oder dem Heraustreiben von Erdol aus olfuhren- den Bodenschichten durch wa8rige Losun- gen eine Rolle. Die Bedingung fur ein spontanes Abtrennen der verolten Fest- stoffteilchen bzw. der Ulteilchen folgt wieder aus der Adhasionsarbeit. Es mu8 sein

Mit anderen Worten: Fur eine erfolg- reiche Abtrennung mu8 man die Grenz- flachenspannung Wasser/Ul (WO) und

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Gasphose rrs

Bild 7. Gleichgewichtslage eines Festkiir- perteilhens an der Phasengrenze fl/g.

Festkorperrnasser (SW) so gering wie moglich machen, ohne jedoch diejenige fur Festkorper/Ul (SO) wesentlich zu verlndern. Nicht jedes Detergens, das et- wa nur die Oberflachenspannung der wafirigen Phase verringert, wird hier in gewunschter .Richrung wirken, wenn es nicht gleichzeitig an den anderen Grenz- flachen adsorbiert wird. Hier besteht noch ein ausgedehntes Feld fur quantita- tive Untersuchungen [S], auch z. B. uber die Wirkung technisch eingesetzter Mi- schungen grenzflachenaktiver Stoffe mit selektivem Adsorptionsverhalten.

Benetzungsprobleme bei Verpackungs- systemen

Zum Schlu8 dieser nur andeu- tungsweise gegebenen Ubersicht uber ein riesiges Teilgebiet der Grenzflachenphysik sei noch ein zunachst banal erscheinendes Problem erwahnt: Wer hatte sich beim Abheben eines Pappdeckels von einer Margarine- oder Speiseeispackung noch nicht iiber die an der Unterseite haften gebliebenen Fett- oder Eisreste geargert! Man kann leider nicht sagen, dai3 dieses lastige Phanomen bisher zur vollen Zu- friedenheit hatte beseitigt werden kon- nen, trotz der mit Unterstutzung der Grenzflachenphysik durchgefuhrten expe- rimentellen Bemuhungen.

Die flussige Phase besteht beim Einfullen aus Wasser/Ul- bzw. Ul/Was-

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ser-Emulsionen, die dann eine Nachhar- tung durch die Kristallisation der Trigly- ceride (Margarine) bzw. der waflrigen, emulgator- und zuckerhaltigen Phase (Speiseeis) erfahren. Das Benetzungsver- halten gegenuber dem Verpackungsmate- rial (gewachste Pappe, Kunststoffe) erfahrt dabei einen theoretisch sehr schwer vor- hersagbaren Wechsel. Man mui3 hier des- halb no& weitgehend Empirie betreiben und ist zudem durch das Lebensmittelge- setz in der Wahl von sog. Abhasionsmit- teln beschrankt. Die hier umrissenen, all- gemeinen GesetzmaBigkeiten dienen aber dem Anwendungstechniker zusammen mit der Methode der Benetzungsprufung als Richtschnur seiner Arbeit.

Literatur

[l] Bashford, F., u. J. C. Adams, An Attempt to Test the Theories of

Capillary Action by Comparing the Theoretical and Measured Forms of Drops of Fluids, University Press, Cambridge 1883

[2] Staicopolus, D . N., J. Colloid Inter- face Sci. 23,453 (1967)

[3] In: Robert F. Gould (Ed.), Contact Angle, Wettability and Adhesion, Adv. Chem. Ser. N o 43, Am. Chem. Society, Washington (1964)

[4] Neumann, A. W., Adv. Colloid In- terface Sci. 4, 105 (1974)

[5] Rabel, W., Farbe u. Lack 77, 997 (1971)

[6] Voyutskii, S. S., Autohesion and Adhesion of High Polymers, Wiley- Interscience, New York (1963)

[7] Derjaguin, D . V . , u. V . P . Smilga, Proc. 3. Intern. Congr. Surface Ac- tivity, 11, Sect. B, 349 (1960)

[8] (,,Flotation") Proc. 2. Intern. Congr. Surface Activity, 111, 202 (1957)

Montage des Sehetz- kuhlturms beendet

Der fur das Kernkraftwerk Schme- hausen vorgesehene Seilnetzkuhlturm wurde jetzt fertiggestellt. Der Turm ein- schliefllich der Verkleidung und der dazu- gehorigen maschinentechnischen Einrich- tungen ist mit seiner Hohe von 181 m ein weithin sichtbares Kennzeichen des neuen Kernkraftwerkes. Der Kuhlturm arbeitet nach dem Prinzip der Naturzug- Trockenkuhlung: Vom Reaktorprozefl erhitztes Wasser zirkuliert am TurmfuB durch Warmeaustauscher, wird von der nach oben steigenden Luft gekuhlt und dem Kraftwerk wieder zugefuhrt. Das System vermeidet Wasserverluste, ver-

hindert die beim Naflkuhlen entstehenden Kuhlturmfahnen aus Wasserdampf und belastet nicht die Flusse durch Aufheizen mit erwarmtem Kuhlwasser.

Mit etwa 8000 t wiegt der Kuhl- turm nur etwa ein Drittel einer her- kommlichen Konstruktion vergleichbarer Leistung. Neue Wege im Kuhlturmbau stellt das uber den Druckring an einem 181 m hohen Pylon aufgehangte und rnit dem Boden verankerte Stahlseilnetz dar. 37 000 m2 Aluminiumtrapezbleche, inn- wandig mit dem Seilnetz verschraubt, bilden den Kuhlturmmantel, der Sturmen bis Windstarke 12 widersteht. AuBerdem ist der Turm weitgehend unempfindlich gegen Erdbeben und Bodensenkungen.

Kerntechnik 11/76

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