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Folge 1/2004 Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines

Folge 1/2004 Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines · das Heft 19 der Reihe „bedeuten-de Kunstwerke gefährdet – kon-serviert – präsentiert: der Wiener ... Kaiser

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Folge 1/2004

Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines

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SEIN BEINAME, WIENER NEUSTÄDTERAltar, weist schon auf seinen Ursprung hin, dernicht im Wiener Dom war, aber – und sein

zweiter Beiname Friedrichsaltar belegt es – sehr wohlin das geistige Umfeld der Ausgestaltung des Domesim 15. Jahrhundert unter dem Einfluss des KaisersFriedrich III. gehört.

So war es doch eine sehr stimmige Entwicklung,dass der ursprünglich für das Neukloster in WienerNeustadt (eine Stiftung von Friedrich III.) geschaffeneAltar (nach dem Niedergang des Neuklosters) im Jahr1885 vom Wiener Dombauverein für den Stephans-dom erworben wurde.

Die Entwicklung der Altäre und Retabeln (Altar-aufsätze) im Dom ist nur in geringem Maß historischbelegt. Testarello berichtet anno1704 noch von 38 Retabeln inSt. Stephan. Heute gibt es aus derGotik nur noch den Valentins-altar in der Eligiuskapelle undden von „außen“ dazugekomme-nen Wiener Neustädter Altar,während der gotische Raum we-sentlich von den barocken Altä-ren geprägt ist.

Mit der Errichtung des ba-rocken Hochaltares um 1650unter Bischof Breuner ging auchdie „Aufhellung“ des Domes ein-her: die bemalten gotischenFensterscheiben wurden imLanghaus durch lichtdurchläs-sige Putzenscheiben ersetzt. Die„Wiederentdeckung“ der Gotikim 19. Jahrhundert brachte, zu-sammen mit umfassenden bau-lichen Restaurierungen, auchwieder wichtige Akzente für die

Raumausstattung. Bemalte neugotische Glasfenstersollten wieder den mittelalterlichen Raumeindruckherstellen, neugotische Altäre wurden errichtet undals Höhepunkt dieser Entwicklung 1884 der großemittelalterliche Doppelflügelaltar des Friedrichsmeis-ters für den Dom erworben. Dieser Flügelaltar warzuerst im Friedrichsschiff vor dem Friedrichsgrabaufgestellt, nach dem Brand von 1945 als provisori-scher Hochaltar vor der Wand zum noch nicht be-nützbaren Chor und letztlich im Chorschluss desFrauenchores aufgestellt.

Mit der Liturgiereform infolge des II. Vaticanumserhielt er auch die Funktion des Tabernakelaltaresfür die Domkirche. Der entsprechende Tabernakel-schrein wurde nach einem Künstlerwettbewerb von

Dr. Kurt Straznicky in zeitgemä-ßer Formensprache unterhalb derPredella gestaltet: ein breit hin-gelagerter, die geöffnete Flügelstel-lung aufgreifender, geschwunge-ner Nussholzschrein trägt davordas Abbild des Turiner Grabtuchesauf einer vergoldeten Glasplatte– den Leib des Herrn transparentzeigend – als Symbol für denÜbergang vom Leib zum Geist –als Zeichen der Auferstehung.

Zur jetzt abgeschlossenen,nahezu 20 Jahre – ganz intensivvom 1997 bis 2003 – dauerndenRestaurierung möchte ich fürdetailreichere Informationen aufdas Heft 19 der Reihe „bedeuten-de Kunstwerke gefährdet – kon-serviert – präsentiert: der WienerNeustädter Altar in St. Stephanin Wien, Erforschung und Res-taurierung 1985–2004“, heraus-

In alter Pracht:der Wiener Neustädter Altar

im StephansdomAb dem Mai dieses Jahres wird der große gotische Flügelaltar nach einer grundlegenden Restaurierung, die von

1985 bis 2004 lief, wieder komplett und – dank Ihrer Spenden – so schön wie noch nie im Stephansdom erlebbar sein.

Von Dombaumeister Dipl.- Ing. Wolfgang Zehetner

Stifterinschrift A.E.I.O.V. 1447 von Kaiser Friedrich III. in der Predella

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gegeben von der Österreichischen Galerie im Belve-dere und dem Bundesdenkmalamt, verweisen. Die-ses Heft, sowie eine Videodokumentation der Restau-rierung auf VHS-Kassette oder DVD können beimWiener Domerhaltungsverein gegen Kostenersatzbezogen werden.

Im weiteren möchte ich einen groben Überblicküber diese Dokumentation vermitteln:

Dass eine solch exemplarische, umfassendeRestaurierung durchgeführt werden konnte, ist vorallem Dozent Dr. Manfred Koller zu verdanken, dermit seinem Team in den Amtswerkstätten des Bun-desdenkmalamtes und unter Einbeziehung von her-vorragenden Spezialisten die notwendige Qualitätder Arbeiten gewährleisten konnte. Nur beste restau-ratorische und wissenschaftliche Qualifikation recht-fertigt Eingriffe an einem solchen Spitzenwerk.

Aber im Gegenzug ist auch die Wertschätzungdes Flügelaltares durch die Restaurierung und diebegleitende Erforschung auf eine neue, höhere Ebenegestellt worden. Manche Missverständnisse aus frü-heren Beurteilungen konnten ausgeräumt werden.Die gründlichen ikonographischen Untersuchungenvon Frau Dr. Flor, unterstützt durch Infrarotuntersu-chungen durch die Malschichten hindurch, zeigenein wohldurchdachtes Bildprogramm, das so grobeKritiken wie „unnöthige Geistesarmut des Künstlers“(Heiligenkreuz um 1884) im Thematischen klarwiderlegt. Sie geht davon aus, dass das Retabel alsGanzes konzipiert ist und nicht – wie vielfach ange-nommen – aus mindestens zwei Altären „willkürlich“zusammengesetzt wurde. Das außergewöhnlichreichhaltige Allerheiligenprogramm auf der Sonn-tags- und Werktagsseite führt sie auf die Allerheili-genlitanei zurück, die zur Zeit Kaiser Friedrich III.Teil des liturgischen Herrscherlobs war.

Zu den besonderen Restaurierproblemen kamauch der außerordentliche Umfang dieses großenDoppelflügelaltares hinzu. Insgesamt wurden rund40.000 Arbeitsstunden aufgewendet. Nach einge-henden Untersuchungen und Proberestaurierungenkonnte als Restaurierziel die erst ab 1885 veränderteGestaltung von 1447 festgelegt werden. Aufgrundmangelnder Kenntnis hatte man bei den Restaurie-rungen von 1885 und 1950 die Harmonie aller Teiledurch unterschiedliche Eingriffe empfindlich gestört.So entschloss man sich den neueren methodisch-wissenschaftlichen Grundlagen und Erfahrungenentsprechend für alle Teile eine ausgewogene Kon-servierung und Klärung der mittelalterlichen Sub-stanz zu erbringen. Unter Berücksichtigung dieserVorgaben war es möglich, die künstlerische undinhaltliche Wirkung des Werkes in seiner überliefer-

ten Gestalt wieder herzustellen. Für das Gesamter-gebnis war entscheidend, dass das einmal begonneneKonzept und seine Durchführung über die beinahezwei Jahrzehnte andauernden Arbeiten konsequentdurchgehalten worden ist.

Thronende Madonna mit Kind im Mittelschrein, unten

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I N SEINEM BUCH „MITTELEUROPA – EINESpurensicherung“ bezeichnet Erhard Busek „Mit-teleuropa“ als ein „fragiles und fragliches Gebilde“

mit „beweglichen Wänden“ und bekennt sich schließ-lich dazu, daß seinem Gefühl nach „im Kern jene Ge-genden zu Mitteleuropa gehören, die irgendwann einmaletwas mit der alten Donaumonarchie zu tun hatten“. DieFrage nach den Grenzen Mitteleuropas sei allerdingsnicht wichtig, wichtiger sei schon der Zustand in derMitte des Kontinents. Denn, so Busek, „die Mitte hatin ihrer Befindlichkeit immer entschieden, wie es Europageht“.

Geopolitisch in der Mitte Europas, im HerzenEuropas gelegen, mußte sich Österreich seit Jahrhun-derten – zuerst als großes Reich, dannals kleiner Staat – mit seiner darausresultierenden Befindlichkeit ausein-andersetzen. In der zweiten Stropheder österreichischen Bundeshymneattestierte Paula von Preradovic demLand: „Heiß umfehdet, wild umstritten,liegst dem Erdteil du inmitten, einemstarken Herzen gleich“ – ein geopoli-tisch und historisch bedingterZustand, dessen Vermeidung, je nach-dem, im Verlauf der Jahrhunderte,einmal besser, einmal schlechtergelungen war und der Ziel jeder Poli-tik sein mußte.

Wien war seit der Zeit der Baben-berger Residenz und in der Folgedurch Jahrhunderte hindurch einesder bedeutendsten Zentren der euro-päischen Geschichte. Die WienerBurg war seit dem 13. JahrhundertRegierungssitz der österreichischenLandesherren, seit dem 15. Jahrhun-dert jener der deutschen Könige des

„Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ biszu dessen Ende im Jahr 1806 und von da an schließ-lich Sitz der österreichischen Kaiser bis zum letztenHabsburger Karl I. und zur Ausrufung der Republikim Jahr 1918.

Der Stephansdom, im Herzen von Wien gelegen,war von Anbeginn an eng verbunden mit der Ge-schichte Wiens, Österreichs, aber auch seiner Nach-barländer und ist somit ein jahrhundertealter Zeugefür die grenzüberschreitende Kraft des christlichenGlaubens, wenn man seine Sprache versteht. DieSprache des Domes, eine Sprache der Zeichen undSymbole und des Wissens um alte Zusammenhänge,ist lautlos, aber sie schlägt Brücken hinüber in jene

Länder, von welchen uns scheinbarzunächst Sprachbarrieren trennen.Hier werden alte Verbindungen zuunseren geographischen Nachbarnlebendig, einige davon wollen wir imFolgenden näher betrachten:

Magister Gerhard aus Siebenbürgen, Pfarrer von St. StephanIm Jahr 1137 durch den durch densogenannten Tauschvertrag von Mau-tern, im Zusammenwirken von Pas-sauer Bischof und babenbergischemStadtherren, als passauische Pfarrkir-che gegründet, erhielt die junge Ste-phanskirche im Jahr 1252 in der Per-son des 1241 aus Siebenbürgen vorden Tartaren geflohenen Magister Ger-hard wohl ihren bedeutsamsten Pfar-rer: 1267 begründete dieser eine Prie-sterbruderschaft, ein Kollegium derSeelsorgepriester bei St. Stephan,„Cur“ genannt, die durch ihr gemein-sames Chorgebet einen wesentlichen

Der Wiener Stephansdom als mitteleuropäisches

DenkmalSeit Jahrhunderten im Herzen eines bewegten Europa

zeugt der Dom von der grenzüberschreitenden Kraft des christlichen Glaubens.

Von Diözesanarchivarin Dr. Annemarie Fenzl

Romanischer Priestergrabsteinim Lapidarium

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Schritt im Hinblick auf die spätere Bistumsgründungdarstellte. Pfarrer Gerhard, der auch ein vertrauterRatgeber König Ottokars war, starb im Juli 1271. Derälteste erhaltene romanische Grabstein des Domes,heute im Lapidarium in der Unterkirche verwahrt,mit einem einfachen Stangenkreuz unter einemRundbogen, wird mit gutem Recht mit seiner Personin Verbindung gebracht.

Rudolf IV., der Stifter und Prag Am Allerheiligentag des Jahres 1339 wurde imHauptturm der Wiener Burg, neben dem Widmertor,Herzog Rudolf IV., genannt der Stifter, geboren. Ihmwurde, neben der Überzeugung von der besonderenSendung seiner Familie auch eine besondere Bezie-hung zu St. Stephan in die Wiege gelegt. Im Altervon 14 Jahren wurde er in Prag mit Katharina, derTochter Kaiser Karls IV. aus dem Hause Luxemburg,vermählt. Die Verklammerung des böhmischenmit dem österreichischen Herrscherhaus durchdiese Heirat, sowie durch die 1364 in Brünnabgeschlossenen gegenseitigen Erbfolgeverträgesollte die Grundlage eines mächtigen Großterri-toriums im Herzen Europas vorbereiten. In sei-ner kurzen Regierungszeit – Rudolf IV. starb imAlter von nur 26 Jahren am 27. Juli 1365 inMailand – rückte St. Stephan in den Brenn-punkt dynastischer Bestrebungen und Ansprü-che des Hauses Habsburg.

Im Jahr 1356 durch das von seinem kai-serlichen Schwiegervater erlassene Reichsge-setz der „Goldenen Bulle“ übergangen undzurückgesetzt, begann mit der Fälschung dessogenannten „Privilegium maius“ im Winter1358 in der Kanzlei Rudolfs IV. dieGeschichte der Rivalität zwischen Prag undWien: Was dort geschah, geschah von nunan – zeitversetzt – auch in Wien: die feierli-che Grundsteinlegung von 1359 zurErweiterung „seiner“ Kirche, die Grün-dung des Kollegiatkapitels zu Allerheili-gen, die in seinem Todesjahr 1365 vollen-det war, und an das Pfalzstift seines kai-serlichen Schwiegervaters, Karl IV. in derPrager Burg erinnern sollte, sein Bau-konzept für St. Stephan insgesamt, dasvier Türme vorsah und – im Blick aufden Veitsdom – die Erhebung zurKathedrale anstrebte, und schließlich –verbunden damit – die Gründung derWiener Universität: all dies dienteletztlich der Konsolidierung derMacht des Hauses und konzentrierte

sich in St. Stephan, das zu einem Zentrum derDemonstration seiner landesfürstlichen und kirch-lichen Ansprüche wurde.

An seine Grablege in der Herzogsgruft vonSt. Stephan, unter dem Hochaltar gelegen, erinnertdas Kenotaph, das leere Grabdenkmal, das heute –etwas verborgen – in der südöstlichen Eckes desFrauenchores, im Schatten des Wiener NeustädterAltares steht. Das war nicht immer so. Einst stand es,nach dem Willen des Stifters, in der Mitte des Haupt-chores von St. Stephan, vor dem Abgang zur Her-

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Tumbadeckel des Rudolfskenotaph mit den Liegefiguren von Rudolf IV. und seiner Gemahlin Katharina v. Luxemburg

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zogsgruft. 1493 wurde es von diesem Platz entfernt,anlässlich der Begräbnisfeierlichkeiten für KaiserFriedrich III., jenem Herrscher, dem es gegeben seinsollte, die Hoffnungen und Pläne Rudolfs IV., vorallem in kirchlicher Hinsicht, zu vollenden: in seinerRegierungszeit wurde Wien 1469 zum Bistum erho-ben.

Georg von Slatkonia aus Laibach Das Wiener Bistum war in seinen Anfängen kleinund armselig dotiert und wurde zunächst von Admi-nistratoren aus benachbarten Diözesen mitverwaltet.Erst im Jahr 1513, vierundvierzig Jahre nach seinerGründung, erhielt es in der Person Georg von Slatko-nias seinen ersten Residentialbischof. Dieser, 1456zu Laibach geboren, war 1475 an der Artistenfakultätder Wiener Universität immatrikuliert und erwarb1495 den Grad eines Baccalaureus. 1495 wurde ervon Maximilian I. zum Kantor und Hofkaplan, 1498zum Singmeister des neu gegründeten Hofchores,1500 zum Kapellmeister und 1513 schließlich zumobersten Kapellmeister ernannt. Unter ihm, der auchNichtkleriker in seinen Chor aufnahm und dessenRepertoire über die Kirchenmusik hinaus erweiterte,wurde die kaiserliche Hofkapelle zum musikalischenZentrum der Hauptstadt.

Slatkonia war, wie in dieser Zeit üblich, Inhabermehrerer Pfründen gewesen – Bischof von Piben inIstrien, Dompropst in Laibach, Propst in Rudolfs-werth in Unterkrain, um nur einige wichtige zu nen-nen.

Am 1. März 1513 wurde er durch Maximilian I.,mit dem ihn eine gegenseitige Wertschätzung, be-

gründet auf der gemeinsamen Liebe zur Musik, ver-band, zum Bischof von Wien nominiert und am13. November, einen Tag nach der feierlichen Über-tragung des Leichnams Kaiser Friedrichs III. in dasneue Hochgrab im Apostelchor, geweiht.

Slatkonia blieb auch als Bischof von Wien demGelehrtenkreis um Maximilian I. verbunden, ebensoblieb er auch in seiner neuen Funktion Kapellmei-ster. Im Jahr 1514 weihte er die Kapelle im Melker-hof ein; er ließ den ehemaligen Propsthof, den späte-ren Bischofshof, renovieren und richtete zwecks Geld-einnahme fünf „Chramerläden“ ein, deren Ertrag erin Zusammenhang mit seiner 1521 getätigten Stif-tung eines ewigen „Salve Regina“ für St. Stephan aufdie dortigen Sänger, den Organisten und die Mesnerder Domkirche aufteilte.

In die Diözesangeschichte eingegangen ist erallerdings vor allem durch den denkwürdigen Auf-tritt des lutherischen Predigers Paulus Speratus imStephansdom, welchem der Bischof am 12. Jänner1522, mitten in einer Zeit großer religiöser Verwor-renheit, – im Juli 1520 war Martin Luther kraft derBulle „Exurge Domine“ als Häretiker verurteilt undzum Widerruf binnen 60 Tagen aufgefordert worden– offenbar unter Druck der Regierung, die Domkan-

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Grabplatte des Bischofs Slatkonia im Nordchor von St. Stephan

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zel überließ, welche dieser dazu benützte, um –unter großem Zulauf des Volkes und unter Berufungauf die lutherische Doktrin vom rechtfertigendenGlauben, die Mönche und Nonnen zum Austritt ausdem Kloster aufzurufen. Diese Predigt war ein Ereig-nis, das die Wiener Bevölkerung noch lange beschäf-tigte, als Speratus die Stadt längst verlassen hatte. Siemachte auch im Reich derart großes Aufsehen, daßMartin Luther ihre Veröffentlichung wünschte.

Und mitten hinein in diese unruhige Zeit, da Alt-überliefertes nicht mehr zu gelten schien, setzte die-ser Bischof ein Zeichen an einem Ort, an dem esnicht übersehen werden konnte: in St. Stephan. MitDatum vom 19. Juli 1521 stiftete er für ewige Zeitenein Salve Regina, das, im Zusammenhang mit abend-lichen Salveandachten, oft von Knaben zum Teil fi-gural oder auch nur mit Orgelbegleitung interpre-tiert, in der Folge zum Kirchenlied wurde und das erin seiner Bischofskirche für ewige Zeiten gesungenwissen wollte.

An ihn, dessen religiöse Ausdrucksmöglichkeitin hohem Maße die Musik war, erinnert bis auf denheutigen Tag sein schönes Wandgrabmal aus rotemMarmor an der Nordwand des Frauenchores, dasLoy Hering zugeschrieben wird. Dem Ausdruck derZeit am Beginn des 16. Jahrhunderts entsprechend,steht die würdige Gestalt des alten Bischofs in vollemOrnat plastisch in einer Nische, vor einem gerafftenBrokatvorhang, bekrönt von einer Rippenmuschelmit antikisierendem Triumphbogenmotiv, das abge-schlossen wird von einem Spruchband mit der Selig-preisung: BEATUS POPULUS, QUI SCIT IVBILA-TIONEM (glückselig das Volk, das zu jubeln ver-steht). Die Wirkung der Rotmarmorplatte wird durcheine aus weißem Kalkstein bestehende architektoni-sche Rahmung erhöht. Im bekrönenden Giebel hal-ten Putten das Wappen des Domkapitels und desBischofs.

Anton Pilgram aus Brünn An der Schwelle des 16. Jahrhunderts neigte sich diegroße Zeit des Bauens am Dom dem Ende zu. ImInneren der Kirche allerdings, die seit 1469 Bischofs-kirche war, entstanden einige Kleinarchitekturen, wieder 1481 datierte Taufstein, die Kanzel und der mit1513 datierte Orgelfuß; Kanzel und Orgelfuß galtenseit Testarello della Massa, (1693) bzw. seit JosephOgesser (1779) als Werke Anton Pilgrams; für dieKanzel wurden neuerdings Bedenken angemeldet,die aber aufgrund der weithin übereinstimmendenSelbstportraits nicht standhalten; wohl weisen aberdie stilistischen Unterschiede auf einen zeitlichenAbstand hin. Der Künstler, Meister Anton Pilgram,

um 1450 in Brünn geboren, lernte zuerst in der dor-tigen Bauhütte und kam auf seiner Gesellenwande-rung wahrscheinlich nach Straßburg. Zwischen 1495und 1502, anlässlich seines ersten Wien-Aufenthal-tes, entstand wohl die Domkanzel; um 1510 bewarber sich erfolgreich – noch in Brünn tätig – um dieAusführung des bereits an Jörg Oechsl vergebenenOrgelfußes, welchen er 1513 beendete. Ab dieserZeit baute er am Niederösterreichischen Landhaus inWien, wo er zwischen Juli und September 1515starb. Sein Nachfolger an der Domkirche heiratetebald darauf seine Witwe Dorothea.

Türkennot und Polens Hilfe An der Westwand der Turmhalle des hohen Südtur-mes kann man heute in einiger Höhe eine Figuren-gruppe sehen, drei Personen insgesamt – die Restedes 1945 durch die Trümmer der hier herabstür-zenden Pummerin zerstörten großen Türkenbefrei-

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Dombaumeister Anton Pilgram am Orgelfuß im nördlichen Langhaus

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ungsdenkmals: in der Mitte die Muttergottes voreinem Strahlenkranz, begleitet von zwei kniendenFiguren - Papst Innozenz XI. und Kaiser Leopold I.Dieses Denkmal erinnerte unter anderem in besonde-rer Weise an die Hilfe Polens in einer Stunde großerGefahr für Österreich und das Abendland.

Nach der Glaubensspaltung des 16. Jahrhundertsbegann in den habsburgischen Ländern das Ringenum die Wiederherstellung des katholischen Glau-bens. Die Begeisterung für den Reichtum des wieder-entdeckten alten Glaubens in Verbindung mit dem

neuerlichen Zusammenschluß von Staat und Kirchezur Abwehr der wieder anwachsenden Türkengefahrbereitete den Boden für die gewaltigen, von Freudeund Hoffnung erfüllten Schöpfungen der Barockzeit.In St. Stephan nahm das Barock im Jahr 1641 mitFürstbischof Philipp Friedrich Graf Breuner seinenEinzug. In diesem Jahr wurde mit den Brüdern Pockder Vertrag über den neuen Hochaltar des Domesabgeschlossen. 1646 wurden Zusatzbestimmungen,die Bekrönung des Altares betreffend, getroffen: an-stelle des Kreuzes sollte die Himmelfahrt Mariensdargestellt werden. Maria galt im Kampf für Kircheund Reich, vor allem gegen die Türken, als die„Generalissima“, das oberste Kriegshaupt der kaiser-lichen Heere.

Die heldenhafte Verteidigung der Stadt Wien imZuge der zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683war von entscheidender Bedeutung für die Zukunftdes christlichen Abendlandes geworden. Als alleFriedensbemühungen der Habsburger fehlgeschla-gen waren, schlossen die Österreicher einen Allianz-vertrag mit König Johann III. Sobieski von Polen, umbei einer möglichen Offensive der Osmanen gewapp-net zu sein. Wesentlich am Zustandekommen derösterreichisch-polnischen Allianz beteiligt war PapstInnozenz XI. König Sobieski brachte tatsächlich,gemeinsam mit den Truppen der Sachsen, den Kai-serlichen, den Bayern und den fränkisch-schwäbi-schen Reichstruppen ein rund 70.000 Mann starkesErsatzheer zustande, das am 12. September am Kah-lenberg bereit stand.

Die treibende Kraft in dieser Zeit der Türkenkrie-ge in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aberwar Pater Marco d’Aviano. Auf ihn gingen – nachglücklich überstandener Belagerung der Stadt Wienim Jahr 1683 – die großen marianischen Triumphzü-ge der Jahre 1693 und 97 zurück. Das am östlichstenlinken Pfeileraltar befindliche spätgotische Bild„Maria in der Sonne“, welches im Jahr 1693 nacheiner feierlichen Prozession zur Augustinerkirche inden Dom gekommen war, wurde sehr verehrt, weilman in dieser Darstellung die Immaculata und dieHimmelskaiserin erblickte. Vor diesem Bild legte Kai-ser Leopold I. ein Gelöbnis ab, in dem er Gott für dieBefreiung seiner Hauptstadt und des ungarischenKönigreiches dankte.

In der Folgezeit wurde alljährlich eine Dankpro-zession abgehalten, im Jahr 1783 „zum hunderstenund letzten Male“, wie die Wiener Zeitung damalsberichtete.

Im Gegensatz zur glücklichen Beendigung derPest, der in großartigen Denkmälern, wie der Pest-säule am Graben oder in schönen Altarblättern, wie

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Seinerzeitiges Türkenbefreiungsdenkmal von Edmund Hellmer um 1890, zerstört 1945, in der südlichen Turmhalle

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zum Beispiel in St. Rochus, gedacht wurde, schienaber das Ereignis des Sieges über den historischenFeind des Abendlandes in der Erinnerung der nach-folgenden Zeit wenig Nachhall zu finden.

Das 19. Jahrhundert mit seinem neu erwachtenInteresse für die Vergangenheit sollte hier Abhilfeschaffen. Mit dem Türkenbefreiungsdenkmal wurdedas erste bedeutende Denkmal Wiens geschaffen, dasan ein historisches Ereignis erinnerte und nicht aneine Einzelperson. Anlaß war das 200-jährige Jubi-läum des Entsatzes von Wien 1683. Seit 1880 war inder Wiener Architektur der Neubarock im Vor-marsch. Die Initiative ging von der Stadtverwaltungaus. Nachdem die Votivkirche, aber auch ein Stand-ort im Freien verworfen worden war, wurde nachlängeren Überlegungen der Stephansdom als Aufstel-lungsort ausgewählt und zwar die Halle des hohenTurmes, von wo aus einst Starhemberg die Verteidi-gung der Stadt geleitet hatte. Der bei dem 1882erfolgten Künstlerwettbewerb preisgekrönte Entwurfvon Edmund Hellmer wurde noch abgeändert, umdie Idee des Denkmales mit einem deutlicheren reli-giösen Sinngehalt zu erfüllen. Statt der ursprünglichgeplanten Figur des Kaisers krönte schließlich dieIdealgestalt der Madonna gloriosa den Aufbau, zu

ihren Seiten knieten Papst Innozenz XI. und KaiserLeopold I. Im Mittelpunkt des triumphbogenartigenAufbaues stand die berittene Figur des Stadtkom-mandanten Ernst Rüdiger von Starhemberg, miteinem gefallenen Türken unter seinen Füßen undeiner über ihm schwebenden Victoria, begleitet vomWiener Neustädter Bischof, Graf Leopold Kollo-nitsch, der sich der Kranken und Waisenkinder an-genommen hatte, sowie vom damaligen Bürgermei-ster Andreas Liebenberg. Im weiteren dargestelltwaren der kaiserliche Oberfeldherr Herzog Karl vonLothringen, König Johann III. Sobieski von Polen,sowie die Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsenund Max Emanuel von Bayern. Ihnen allen gemein-sam galt die Inschrift: GLORIA VICTORIBUS –Ruhm den Siegern.

Heute ist unter den Überresten des einst großar-tigen Denkmales eine 1947 angebrachte Tafel ausMannersdorfer Stein zu sehen, mit einer entspre-chenden lateinischen Inschrift von Erzbischof-Koa-diutor Franz Jachym, welche Paula von Preradovicins Deutsche übertragen hat.

Grenzüberschreitende österreich-ungarische Frömmigkeit Kein Besucher, der den Dom betritt, kann die großeLichterbank vor dem Singertor, mit hunderten vonflackernden Kerzen, übersehen. Sie alle werden vonBesuchern des Domes für das Gnadenbild Maria Pocsangezündet, welches unmittelbar daneben, in derSüdwestecke des Domes, unter einem spätgotischenBaldachin, thront.

Dieses Bild, ein Muttergottesbild im Typus derWegweiserin und Heerführerin, mit dem segnendenJesusknaben, der eine rote Blume in seiner linkenHand hält, war um das Jahr 1676 in Pocs in der Diö-zese Eger von einem bodenständigen Maler namensStefan Pap für einen dort ansässigen Bauern namensCigri gemalt worden. An einem Sonntag, dem 4. No-vember 1696, sah ein Ackersmann namens MichaelCoery aus den Augen der Muttergottes helle Tränenfließen. Bald kamen Gläubige und Zweifler zu die-sem Bild und schließlich geschah auch ein Wunder:durch Berührung mit dem Bild wurde ein todkrankesKind geheilt. Die Kunde von diesem „Tränenwunder“ging weit über das Land. Auf Wunsch der KaiserinEleonore, der dritten Gemahlin Kaiser Leopolds I.,kam das Bild nach Wien und wurde, nach einemkurzen Aufenthalt in der kaiserlichen Favorita, nachseiner Verehrung in verschiedenen Wiener Kirchen,am 1. Dezember 1697 in einer feierlichen Prozessionnach St. Stephan gebracht, wo es über dem Taberna-kel des Hochaltares seinen Platz fand.

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Gnadenbild Maria Pocs (am südlichen Seitenaltar)

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Wie groß die Verehrung dieses Bildes war, kannman sich heute kaum mehr vorstellen. Wenn mansich aber vor Augen führt, daß zu eben dieser Zeitdie Nachricht vom Sieg des Prinzen Eugen bei Zenta(11. September 1697) eintraf, welchem der Friedevon Karlowitz und damit der endgültige AufstiegÖsterreichs zur Großmacht folgen sollte, dann ver-steht man das innige Vertrauen und die große Vereh-rung, die das Volk jener „weinenden Mutter von Petsch“entgegenbrachte, die „Ursach ist, das wir anjetzo lachen“,wie Abraham a Sancta Clara es beim Dankgottes-dienst formulierte: die so sehr gefürchteten Türkenwaren nun für immer weit in den Osten zurückge-schlagen – diese Tatsache wurde allgemein als Ge-betserhörung aufgefasst.

Der Curpriester Joseph Ogesser, Verfasser einerBeschreibung der Metropolitankirche aus dem Jahr1779, berichtete von „etlichen sonderbaren Andachten,so bei diesem Gnadenbilde gehalten werden“, deren Zahlund Intensität uns heute fast unglaublich anmuten:„… außer den heiligen Messen, die im Sommer von 4 Uhrund im Winter von 5 bis 12 Uhr allda unausgesetzt gele-sen werden, wird täglich um 11 Uhr ein Hochamt abgesun-gen, um 12 Uhr eine heilige Segenmesse, und nachmittagsum 5 Uhr die Lauretanische Litaney bei ausgesetztemhochwürdigstem Gut gehalten. Nebst dem werden täglichin Beysein eines Priesters 3 Rosenkränze laut gebetet …“

Viele Opfergaben wurden der weinenden Muttergebracht und ab 1697 gab es auch eine Musikkapellebei dem Gnadenbild, welche 1712 bis 15 von dembedeutenden Komponisten Johann Josef Fux geleitetwurde.

Die Verehrung der Gottesmutter hat auch die Zeitder Aufklärung überdauert. In den Jahren der natio-nalsozialistischen Herrschaft wurde das Gnadenbildwiederum Ziel besonderer Verehrung: Im Oktober1938 wurde hier die alte Übung eines jährlichenfeierlichen Triduums wiederaufgenommen.

Im großen Elend des Krieges gelobte KardinalInnitzer am 7. Oktober 1944 vor dem Gnadenbilddie Erbauung einer Kirche in einem äußeren BezirkWiens, die dem unbefleckten Herzen Mariensgeweiht werden sollte. Diese Kirche wurde auch tat-sächlich gebaut: es ist die heutige Pfarrkirche vonSchönbrunn-Vorpark im 15. Bezirk.

Nach dem Ende des Krieges wanderte das Gna-denbild von seinem ursprünglichen Platz auf demHochaltar unter den Südwestbaldachin und wurdezum Zentrum der von Dompfarrer Karl Dorr initiier-ten „Abendkirche“ von St. Stephan. Bei seinen beidenBesuchen des Domes verweilte Papst Johannes PaulII. jedes Mal zuerst vor diesem Gnadenbild zu einemkurzen stillen Gebet.

VarazdinIn diesen Tagen der Freude über die Wiedervereini-gung Mitteleuropas gehen die Gedanken zurück indie Jahre 1989/90, als der lautlose Zusammenbruchdes Kommunismus, die sogenannte „sanfte Revolu-tion“, für die Länder des ehemaligen Ostens dieRückkehr nach dem ganzen Europa einleitete. Trotzaller berechtigten Freude sollte man aber nicht aufjene unglückselige Teilung des Kontinentes auf derKonferenz von Jalta (1945) vergessen, die Europadurch den Eisernen Vorhang in zwei Machtblöckezerschnitten und den gesamten Osten in den Ein-flussbereich eines menschenverachtenden kommu-nistischen Systems gebrachte hatte. Wie für vieleunbekannte Helden war auch für die Kirchen jeneZeit der kommunistischen Herrschaft eine besondersdunkle gewesen. Der marxistische Staatsatheismushatte das Leben der Gläubigen einschneidend verän-dert. Die Kirche stieg in den Untergrund, Priesterund Bischöfe wurden unterdrückt und in ihrem Amtbehindert und vom Rest der gläubigen Welt isoliert.

Im Jahr 1956 hatte Franz König, seit1958 Kardi-nal, den Wiener erzbischöflichen Stuhl bestiegen. ImFebruar 1960 suchte er – damals ein fast aussichtslo-ses Unterfangen – um ein Visum für das ehemaligeJugoslawien an, um am Begräbnis seines Studienkol-legen und späteren Erzbischofs von Zagreb, KardinalStepinac, teilzunehmen. Wider Erwarten erhielt erdas Visum. Auf der Fahrt nach Zagreb kam es auf dervereisten Landstraße in der Nähe von Varazdin zueinem folgenschweren Zusammenstoß mit einemLastkraftwagen, bei dem sein Fahrer getötet und derKardinal selbst und sein damaliger Zeremoniär, derspätere Weihbischof Helmut Krätzl, schwer verletztwurden.

Im Dunkel der Halle unter dem unausgebautenNordturm, an der Westwand, unter dem Original desZahnwehherrgottes, erinnert eine schlichte Tafel miteiner lateinischen Inschrift an dieses Ereignis – hierin deutscher Übertragung: „Zum Gedächtnis an dieglückliche Errettung Seiner Eminenz des HerrnKardinals Franz König aus schwerer Lebensgefahram 13. Februar 1960 in der Nähe von Varazdin inJugoslawien anlässlich seiner Fahrt zum Begräbnisseines Amtskollegen Kardinal Stepinac gewidmetvom Kollegium der Kanoniker dieser Kirche.“

Die besondere Bedeutung dieses Ereignisses vonVarazdin im damaligen Jugoslawien, heute Kroatien,gelegen, hat Kardinal König immer wieder hervorge-hoben – lassen wir ihn selbst erzählen: „So fuhr icham Abend des 12. Februar 1960 nach Graz, in die Näheder jugoslawischen Grenze, um am Morgen die Reisenach Zagreb fortzusetzen. Auf diesem Weg passierten wir

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das Städtchen Varazdin. Unmittelbar danach, auf einerkurvigen Waldstrecke, kam unser Wagen ins Schleudernund fuhr einem entgegenkommenden Lastwagen direkt indie Flanke. Mein Fahrer war tot und mein Sekretär und ichbewusstlos. Ich erwachte im Krankenhaus von Varazdin.Die Verletzungen waren schwer und für mich zum Teillebensgefährlich. Die ärztliche Betreuung des kommunis-tischen Krankenhauses war bemüht, dem damaligenStand entsprechend, zu helfen. Ein Glücksfall war es, daßnoch geistliche Schwestern dort Dienst machen konnten.In den später einsetzenden Tagen der Rekonvaleszenzstellte ich fest, daß ich mich allein im einem kleinenKrankenzimmer befand mit einem einzigen vis-a-vis –einem Bild von dem damaligen Staatschef Tito im kom-munistischen Jugoslawien. Damals tauchte – soweit ichmich erinnere – zum ersten Mal umrisshaft die Frageauf, was wohl dieser Unfall in meinem Leben zu bedeutenhabe. Auf eine mir nicht ganz erklärliche Weise war esder Gedanke, die Idee: der Erzbischof von Wien solle indiesem Unfall ein Zeichen sehen, daß er sich um die Kir-che hinter dem Eisernen Vorhang auch kümmern solle.Mit meiner Reise zu Kardinal Mindszenty in die ameri-kanische Botschaft in Budapest im übernächsten Jahrbegann ich meine Kontakte zu den Bischöfen und Katho-liken des Ostens. Damals wurde mir bewußt, daß derEiserne Vorhang nicht nur eine geographische Grenze ist,sondern auch eine Barriere in den Herzen und in der Psy-che der Menschen darstellt. So wurde für mich der Name„Stepinac“ zum Auftakt eines neuen Verständnisses –nicht nur des kommunistischen, sondern des östlichenEuropas überhaupt: das wichtigste Ziel war es, den Men-schen zu signalisieren: Wir im Westen haben euch nichtvergessen! Auf diesem Weg bestärkten mich die Päpstevon Johannes XXIII. bis hin zu Johannes Paul II.“

Literaturangaben

Erhard BUSEK, Mitteleuropa – eine Spurensicherung,Kremayr & Scheriau, Wien 1997

Annemarie FENZL, Von König Ottokar zu Rudolf IV.,dem Stifter – im Brennpunkt: St. Stephan zu Wien, II-1,Dom-Verlag, Wien 1997

Annemarie FENZL, Georg von Slatkonia, seine Personund seine Einbettung in die Problematik der Zeit, vorallem den Beginn der Reformation, in: Georg von Slat-konia und die Wiener Hofmusikkapelle I., Böhlau –Wien, 1999

Lothar SCHULTES, Plastik vom Ende des Schönen Stilsbis zum Beginn der Renaissance, in: Geschichte derbildenden Kunst in Österreich, Band 3: Spätmittelalterund Renaissance, hrsg. v. Arthur Rosenauer, Prestel2003 (Zur Problematik der Kanzel)

Zur Geschichte des Türkenbefreiungsdenkmales im Ste-phansdom in Wien, in: Wiener Geschichtsblätter 1956,Nr.4, hrsg. v. Verein für Geschichte der Stadt Wien

Rudolf BACHLEITNER, Das Bild der ungarischen Madonnaim Stephansdom zu Wien, in: WGBl, 1961, 16. Jg.; JosefZykan, Maria Pötsch, in: Der Dom, Folge 1/1971

Kardinal KÖNIG, Kardinal STEPINAC, Text für L’Osserva-tore Romano, 2003

Marlene ZYKAN, Der Stephansdom, Wr. Geschichts-bücher Band 26/27, Wien/Hamburg 1981

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Votivtafel in dernördl. Turmhalle:Unfall KardinalKönigs bei Varazdin 1960

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VÖLLIG SELBSTVER-ständlich planen wirin unserer Zeit Reisen

für den nahenden Urlauboder auch zwischendurch.Flugzeug, Eisenbahn undAuto ermöglichen uns, neueWelten kennen zu lernen.Natürlich sind wir übermanche Gefahren dieser Rei-sen unterrichtet, aber es giltdas Wort: „Wenn einer eineReise tut, dann kann er waserzählen.“

Wenn man – wie vorkurzem eine große Zahl derWiener Dechanten – mitdem Flugzeug nach Istanbulfliegt, dann ist ein solcherFlug eigentlich in zwei Stun-den zu bewältigen, aber ge-rade die Sicherheitsfragenverlangen einige Stundenmehr an Kontrollen und not-wendigen Vorsichtsmaßnah-men. Für Menschen des Mit-telalters war das Reisensicher um ein vielfachesschwieriger und aufwendi-ger. Der Gefahr des Terroris-mus heute standen die da-maligen Risken aller mögli-chen Übergriffe und Reise-hindernisse sicher in nichtsnach.

Der heilige Christopho-rus, einer der 14 Nothelfer,war für den christlich gesinnten Reisenden eine sehrgute Ansprechperson und ein Reisebegleiter für alleWege, die zu bewältigen waren. Er diente nicht nurals „Versicherungspolizze“ im Sinne eines Talismans,sondern war konkreter Mittler der Fürsorge Gottesfür jeden Lebensabschnitt eines Christen.

Wir sind bei aller Sehnsucht nach Ruhe undGemütlichkeit eigentlich immer auf dem Weg. Wiegut ist es da, sich den Glauben stärken zu lassen,dass Gott uns auf all unseren Wegen sicheren Haltund Begleitung anbietet. Gerade auch dort, wo sich

die Unsicherheit des Neuenauftut. Und wenn es auchdurch Schluchten undUntiefen eines reißendenGewässers geht: Wir dürfendarauf vertrauen, dass Gottmit seiner liebenden Näheuns nicht verlässt, sondernmit der Kraft des RiesenChristophorus mit uns gehtund uns trägt.

Aber wir sind auch ein-geladen, auf die Fürsprachedes im Alpenraum so belieb-ten und an den Kirchenwän-den so oft dargestellten Hei-ligen unsere eigenen Tragfä-higkeiten zu hinterfragen.

Vermögen wir nicht sehrwohl mehr Menschen mit-zutragen, als es uns gemein-hin in den Sinn kommt? Inunserer Gesellschaft nimmtdie Entsolidarisierung zu.Sollten da nicht gerade dieChristen Gegenstrategienentwickeln?

Für die vielen Menschen,die sich für die Erhaltung derDomkirche St. Stephan ein-setzen, wird dieser Glaubenicht nur in leblosem Steindokumentiert. Immer wiederist gerade die Begegnung mitdiesem Gotteshaus für vieleeine Anregung, auch überandere Möglichkeiten nach-

zudenken und Vorsätze zu fassen, gemeinsam Neueszu bewältigen. Ob es nun die Chancen und Ängsteanlässlich der EU-Erweiterung sind, oder ob uns infernen Landen Fremdes und zunächst Unverständli-ches begegnet.

Mit den besten Segenswünschen für die nahendeZeit der Urlaubsfahrten und Reisen grüßt Sie undalle, die sich unserem Dom verbunden fühlen,

Ihr Kan. Mag. Anton Faber, Dompfarrer und Dechant

Generalsekretär des Domerhaltungsvereins

Offenlegung und Impressum gemäß § 25 Mediengesetz: Medieninhaber und Herausgeber:Wiener Domerhaltungsverein,1010 Wien Stephansplatz 3, Tel.: (01) 51552/3553, Fax: 51552/3717, E-Mail: [email protected] Mitglieder des Vorstandes: Präsident: Erzbischof Kardinal Dr. Christoph Schönborn; Vizepräsi-dent und Vertreter des Domkapitels: Domkustos Prälat Rudolf TRPIN; Vertreter des Domkapi-tels: Domdekan Dr. Josef TOTH; Generalsekretär: Dompfarrer Dechant Mag. Anton FABER.Grundlegende Richtung des Mediums: Erhaltung des Stephansdomes; Mittel aufzubringen,die der baulichen Erhaltung der Metropolitankirche St. Stephan in Wien dienen. Verantwort-

lich: Dompfarrer Dechant Mag. Anton FABER, Generalsekretär. Redaktion: DombaumeisterArch. DI Wolfgang ZEHETNER. Beiträge: Dr. Annemarie FENZL, Arch. DI Wolfgang ZEHETNER,Dompfarrer Mag. Anton FABER Fotos: Archiv der Dombauhütte St. Stephan/Ernst Zöchling.Gestaltung: Charly Krimmel /www.sonderzeichen.at Druck: Fa. BUSCHEK, 3830 Waidhofen/Thaya. Auflage: 13000 Spendenkonto: PSK 7.944.530

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Liebe Mitglieder des Domerhaltungsvereins!

Christophorus auf dem neu restauriertenInnenflügel des Wiener Neustädter Altares

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