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FINANZEN Folgen der Negativzinsen Michael Schäfer 12.2.2015, 05:30 Uhr Nach Einführung der Negativzinsen durch die SNB sind die Hypothekarsätze entgegen den Prognosen gestiegen. Dies hat einen guten Grund und überraschende Folgen für die Banken und den Immobilienmarkt. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) in der zweiten Januarhälfte einen Negativzins einführte, waren die Meinungen schnell gemacht. Die Massnahme werde die bereits rekordtiefen Hypothekarzinsen nochmals verbilligen, hiess es allenthalben. Rasch wurden auch Stimmen laut, die beklagten, die SNB heize damit den Immobilienmarkt erst recht an, obwohl sie das gegenteilige Ziel verfolge. Chaos-Tage im Treasury Es kam jedoch anders. Zwar senkten mehrere Anbieter ihre Richtsätze, so dass es einzelnen Kunden gelang, zehnjährige Hypotheken zu einem spürbar unter 1% liegenden Zins abzuschliessen. Verschiedene Institute liessen ihre Sätze dagegen zunächst einmal unverändert, während andere sie sogar erhöhten. Für eine kurze Zeit ging die Spanne zwischen den günstigsten und teuersten Anbietern weit auf. Immobilienmarkt Schweiz: Anders als vielleicht vermutet, bedeutet die Einführung der Negativzinsen nicht die «letzte Chance» für günstige Hypotheken (Aufnahme: Genf). (Bild: Martial Trezzini / Keystone) Zur Beta-Version der NZZ-Website wechseln NZZ.CH Folgen der Negativzinsen: Das Rätsel der gestiegenen Hypothekarsätze... http://www.nzz.ch/finanzen/das-raetsel-der-gestiegenen-hypothekarsae... 1 von 4 26.02.2015 10:15

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FINANZEN

Folgen der Negativzinsen

Michael Schäfer 12.2.2015, 05:30 Uhr

Nach Einführung der Negativzinsen durch die SNB sind die Hypothekarsätze entgegenden Prognosen gestiegen. Dies hat einen guten Grund und überraschende Folgen für dieBanken und den Immobilienmarkt.

Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) in der zweiten Januarhälfte einen

Negativzins einführte, waren die Meinungen schnell gemacht. Die Massnahme

werde die bereits rekordtiefen Hypothekarzinsen nochmals verbilligen, hiess es

allenthalben. Rasch wurden auch Stimmen laut, die beklagten, die SNB heize

damit den Immobilienmarkt erst recht an, obwohl sie das gegenteilige Ziel

verfolge.

Chaos-Tage im Treasury

Es kam jedoch anders. Zwar senkten mehrere Anbieter ihre Richtsätze, so dass es

einzelnen Kunden gelang, zehnjährige Hypotheken zu einem spürbar unter 1%

liegenden Zins abzuschliessen. Verschiedene Institute liessen ihre Sätze dagegen

zunächst einmal unverändert, während andere sie sogar erhöhten. Für eine kurze

Zeit ging die Spanne zwischen den günstigsten und teuersten Anbietern weit auf.

Immobilienmarkt Schweiz: Anders als vielleicht vermutet, bedeutet die Einführung der Negativzinsen nicht die «letzte Chance» für günstige Hypotheken (Aufnahme: Genf). (Bild:

Martial Trezzini / Keystone)

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Inzwischen haben sich die Richtsätze wieder angenähert, jedoch entgegen den

ursprünglichen Prognosen eher am oberen Ende der Spanne und deutlich über

dem Niveau, das vor der Einführung der Negativzinsen geherrscht hatte.

Entsprechend gross ist das Unverständnis auf Kundenseite. Schnell machte die

Vermutung die Runde, «die Banken» würden die Situation nutzen, um die Margen

schamlos zu erhöhen. Was ist tatsächlich passiert?

Selbst erfahrene Treasurer von Banken attestieren, dass sie durch den

überraschenden und aussergewöhnlichen Schritt der SNB überrumpelt worden

seien. Nur wenige hätten sofort die richtigen Schlüsse gezogen, in mancher

Treasury-Abteilung habe tagelang Chaos geherrscht. Klar sei nun aber, dass der

Schritt der SNB die Sätze von Festhypotheken verteuert habe. Der Grund liegt

darin, dass die Refinanzierungskosten der Banken immer noch über null liegen,

ungeachtet negativer Renditen schweizerischer Staatsanleihen und

Kapitalmarktsätze, selbst für Laufzeiten über zehn Jahren.

Die Crux sei, dass derzeit überwiegend Festhypotheken abgeschlossen würden –

meist mit Laufzeiten von zehn Jahren –, denen vorwiegend kurzfristige Spargelder

entgegenstünden, erklärt Martin Bardenhewer, Leiter des Treasury bei der ZKB.

Dieser Umstand macht eine Absicherung des Zinsänderungsrisikos notwendig

(sollten die kurzfristigen Zinsen stark steigen, muss eine Bank unter Umständen

den Sparern mehr zahlen, als sie den Hypothekarkunden zehn Jahre lang

belastet).

Diese Absicherung erfolgt am Kapitalmarkt mittels eines sogenannten

Swap-Geschäfts. Bei diesem tauschen die Vertragspartner fixe und variable

Zinszahlungen aus. Für die Zahlung von fix 0,64% p. a. konnte eine Bank vor der

Einführung der Negativzinsen vereinbaren, zehn Jahre lang den variablen (gemäss

damaliger Annahme stets positiven) Libor-Satz zu erhalten (vgl. Grafik, blaues

Szenario). Wurde der zehnjährige Swapsatz als Basiszins der Hypothek eingesetzt,

neutralisierte sich dieser mit der Zahlung des Absicherungsgeschäfts. Gleiches galt

weitgehend für die vereinnahmten Libor-Zinsen, die sich etwa mit den Sparzinsen

bewegt haben. Unter dem Strich blieb der Bank die Marge, die sie auf den

Basiszins schlägt.

In einem Negativzins-Regime funktioniert dies nicht mehr (grünes Szenario). Für

die Absicherung der Zinsänderung erhält eine Bank heute 0,01% (negativer

zehnjähriger Swapsatz), zahlt jedoch 0,76% (negativer Libor-Satz). Das Ganze

 

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scheitert nun daran, dass die Bank den negativen Libor nicht an die Sparer

weiterreichen kann. Gemäss dem vereinfachten Beispiel hat sich die

Zinsabsicherung um 0,75 Prozentpunkte verteuert. Um die Marge konstant zu

halten, muss sie die Differenz auf den Basiszins schlagen. Laut Sebastian Angst

von der Finanzierungsberatung Pro Ressource quersubventionieren die

Hypothekarkunden damit die Sparer.

Die momentane Situation birgt eine gewisse Brisanz. Durch den negativen

Libor-Zins entstehen Banken nämlich nicht nur zusätzliche Kosten auf neu

abgeschlossene Hypotheken, sondern auch auf solche, die sie bereits früher

verkauft haben. Die höheren Kosten für die Zinsabsicherung schmälern dort die

Marge, in so manchem Fall dürften die Banken sogar drauflegen.

Noch nicht die «letzte Chance»

Durch die Normalisierung der Zinskurve würde sich dies laut Angst aber ändern.

In diesem Prozess würde sich der gegenwärtige Nachteil auf den alten Hypotheken

abschwächen. Auf den neuen würden die Institute durch die sinkenden Kosten des

negativen Libor bis zur Fälligkeit der Festhypotheken somit überproportional

verdienen. Ab einem gewissen Punkt würde sich sogar insgesamt ein Vorteil

ergeben. Sollte die SNB die negativen Zinsen nochmals ausweiten, würde sich das

Dilemma jedoch weiter verschärfen.

Banken pauschal zu unterstellen, die Negativzinsen zur Ausweitung der Margen zu

nutzen, dürfte somit ins Leere zielen. Dazu ist auch der Markt zu kompetitiv. Dass

Banken aber grundsätzlich in diese Richtung arbeiten und teilweise versuchen,

etwa bei Anschlussfinanzierungen markante Aufschläge durchzusetzen, ist nicht

neu. Während die Margen bei Libor-Hypotheken derzeit völlig transparent sind –

hier entspricht der abgeschlossene Satz quasi der Marge, da der Basis- dem

Sparzins entspricht und somit null ist –, hilft bei Festhypotheken nur ein

intensives Vergleichen der Konditionen.

Anders als vielleicht vermutet, bedeutet die Einführung der Negativzinsen nicht

die «letzte Chance» für günstige Hypotheken. Es ist nämlich damit zu rechnen,

dass die Konditionen eines Tages wieder günstiger werden, wenn die SNB das

Negativzinsregime lockert oder aufhebt. Bis dahin dürfte dieses zu einer

Abkühlung des Schweizer Immobilienmarkts beitragen.

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