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Deutschunterricht in der Volksschule
Für alle gleich - für jeden anders
Plappern – erste Sprechversuche –- sich mündlich ausdrücken – durch Sprache mit anderen inBeziehung treten - und dann? Was ist der nächste Schritt in der Sprachentwicklung eines Kindes? DieAutorin sieht das Schreibenlernen, das Sich-schriftlich-Ausdrücken als diesen Schritt. Ausgehend vonihrer täglichen Arbeit mit Kindern in ihren vielen Jahren als Volksschullehrerin hat sie eine Kartei fürden Unterricht auf der ersten Schulstufe entwickelt.
Fakten rund um den Deutschunterricht
Hohe Ziele
Der Deutschunterricht in der Volksschule hat einen ausnehmend hohen Stellenwert.
Das ist schon an der Anzahl der Deutschstunden zu erkennen: es sind sieben
Unterrichtsstunden auf jeder der vier Schulstufen, etwa ein Drittel der Gesamtanzahl
der Wochenstunden. Die Kinder haben also ein bis zwei Stunden pro Tag
Deutschunterricht - ein bis zwei Stunden, um die Kulturtechniken Schreiben und
Lesen zu erlernen. Dabei sollen sie schließlich eine solche Sicherheit erlangen, dass
sie am Ende der vier Volksschuljahre unter anderem imstande sind,
• sich schriftlich verständlich auszudrücken
• ihre Gedanken und Gefühle schriftlich in Worte zu fassen
• sich schriftlich zu allen möglichen Themen Gedanken zu machen
• beim Verfassen von Texten hohe Verantwortung für die Schreib- und
Sprachrichtigkeit zu zeigen
• fließend und sinnerfassend zu lesen
Für die Erreichung dieser hohen Ziele erscheint die oben genannte Stundenanzahl
gerade noch ausreichend.
Die Vielfalt in unseren Klassen
Wenn unsere Kinder mit sechs Jahren in die Schule kommen, ist kaum eines dem
anderen gleich. Wir haben es mit 25 und mehr einzelnen Persönlichkeiten zu tun, die
sich in Sprache, Kultur und Entwicklungsstand voneinander unterscheiden und auch
ihre ganz persönlichen Stärken und Schwächen in die Klasse mitbringen. Diese
Kinder in all ihrer Verschiedenheit gemeinsam zu unterrichten stellt hohe Ansprüche
an uns VolksschullehrerInnen. Wie schwierig ist es, im Unterricht kein Kind
übermäßig zu belasten, aber zugleich auch besonders begabte Kinder entsprechend
zu fördern! Ganz besonders schwierig ist es neben Mathematik wohl im
Unterrichtsgegenstand Deutsch. Hier fallen zusätzlich zu den vorher erwähnten
Unterschieden auch noch die individuelle Entwicklung der Feinmotorik und die
Sensible Phase1, in der sich das einzelne Kind befindet, besonders ins Gewicht.
Überlegungen zum Deutschunterricht
Vom Kind aus - zum Kind hin
Gerade aus diesen Gründen war mir der Sprachunterricht von Anfang an ein ganz
besonders Anliegen. Ich wollte eine Möglichkeit finden, jedem einzelnen Kind im
Deutschunterricht dort zu begegnen, wo es sich in seiner sprachlichen Entwicklung
gerade befand, alle besonderen individuellen Fähigkeiten und Schwachpunkte mit
einbezogen. Ich wollte die Kinder dabei unterstützen, Deutsch als Sprache auf
dieselbe Weise weiter zu entwickeln, wie sie die gesprochene Sprache bis zum
Schuleintritt gelernt hatten: ganz selbstverständlich, mit Freude, ohne Druck, ohne
Angst und in ihrer persönlichen Geschwindigkeit. Jedes Kind sollte erfahren,
• dass es, was es erzählen wollte, auch aufschreiben konnte,
• dass es sein eigenes Vokabular beim Schreiben verwenden konnte,
• dass seine eigenen Gedanken und Gefühle aufschreibenswert waren,
• dass es wichtig war, was es zu sagen hatte,
• dass nur seine eigenen Fortschritte zählten und nicht der Vergleich mit
anderen -
- und alles das von Anfang an.
So habe ich, ausgehend von Marion Bergks Buch „Rechtschreibenlernen von Anfang
an“2, ein Unterrichtsmodell3 entwickelt, bei dem Kinder den Deutschunterricht als
natürliche sprachliche Weiterentwicklung erleben können. Jedes Kind darf von Beginn
der ersten Klasse an aufschreiben, was es von sich erzählen will, und seine
Gedanken und Gefühle schreibend ausdrücken – jedes auf seiner individuellen
Entwicklungsstufe. Und jedes Kind lernt an Hand seiner eigenen Texte, seines
eigenen Vokabulars Rechtschreiben und Grammatik.
Kinder brauchen Wörter
Kaum ist ein Kind dem Babyalter entwachsen, beginnt es einzelne Wörter
nachzuplappern. Sobald es den Sinn der Wörter begriffen hat, kann es mit anderen
1 Maria Montessori, Sensible Phasen (www.montessori.at, Zugriff 5.10.2006: „. . . ist auch jedes Kindzu einem anderen Zeitpunkt besonders empfänglich für das Lernen des Lesens, des Schreibens . . .“)2 Marion Bergk, Rechtschreibenlernen von Anfang an, Frankfurt, Diesterweg 6, 19873 LEBENDIGE SPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIG LEHREN, 2006, Verlag Lernen mit Pfiff
sprachlich in den Dialog treten. Es kann von sich erzählen, Fragen stellen, seine
eigene Meinung ausdrücken. Ich habe bei meinen eigenen beiden Kindern fasziniert
beobachtet, wie schnell sie neu gelernte Wörter sinngemäß anwenden konnten, als
sie in Bezug auf das Sprechenlernen in der Sensiblen Phase waren, und wie durch
das dauernde Sprechen ihre Sprachgeschicklichkeit und damit auch ihre
Selbstsicherheit von Tag zu Tag größer wurde.
. . . Wörter auch als Mittel zum Schreiben
Beim Schreibenlernen habe ich ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich stimme die
Kinder auf ein bestimmtes Thema ein und biete ihnen das Wort, das sie brauchen,
damit sie erzählen können. Auf diese Weise schreibt jedes Kind von Anfang an
täglich eigene Texte, drückt das, was es mitteilen will, schriftlich aus. Dabei lernt es
die Grundlagen der deutschen Sprache wie Rechtschreiben und Grammatik und
erweitert langsam sein Vokabular.
Auswahl der Wörter
Vor allem am Anfang kommt es dabei darauf an, Wörter zu wählen, mit denen das
Kind recht viel und in den verschiedensten Zusammenhängen erzählen kann.
Dafür bieten sich die Wörter ich, mag, kann, hat/habe einfach an. Mit diesen Wörtern
können die Kinder über sich selber und über ihre Lieben schreiben und so ihr
Erzählbedürfnis befriedigen, sie können aber auch schon über andere Kinder in der
Klasse schreiben und so erste Kontakte aufbauen. Mir liegt gerade an diesen beiden
Aspekten im Deutschunterricht sehr viel.
Entstehung der Kartei
Im Laufe der letzten Jahre habe ich sehr viele Seminare zu diesem Thema gehalten.
Motiviert von der Begeisterung vieler KollegInnen und ihren gezielten Fragen wie
• Welche Themen soll ich wählen?
• Welche Wörter sind für die Kinder wichtig?
• Wie kann ich dabei alle sechs Bereiche des Deutschunterrichts abdecken?
• Werde ich für die tägliche Arbeit genügend Einfälle haben?
habe ich schließlich eine Kartei für die Arbeit auf der ersten Schulstufe entwickelt, die
ich hier vorstellen möchte.
FÜR ALLE GLEICH – FÜR JEDEN ANDERS. Erste Texte4
Das Konzept der Kartei
Wortkarten
Die Kartei ist eine Sammlung von Wörtern, die mit den Kindern in der ersten und
auch noch in der zweiten Klasse erarbeitet werden können. Die Vorderseite jeder
Karteikarte ist als Kopiervorlage gedacht – jedes Kind bekommt einen Wortstreifen.
Das Wort ist für eine vielfältige rechtschreibmäßige Erarbeitung aufbereitet: die
Buchstaben sind in schöner Druckschrift geschrieben, die Linien sind dünn wie
Bleistiftstriche, jeder Buchstabe ist für das richtige Nachspuren mit Richtungspfeilen
versehen. Zwischen den Buchstaben sind strichlierte Linien eingezeichnet, so dass
die Kinder das jeweilige Wort nach dem „Regenbogenschreiben“ (nachdem sie also
das Wort oft und oft mit verschiedensten Buntstiften nachgespurt, sich so die
Schreibweise eingeprägt und sein endgültiges Aussehen gestaltet haben)5
auseinander schneiden und anschließend wie ein „Puzzle“ wieder zusammensetzen
können. Sehen Sie hier ein Beispiel einer solchen Karte6:
٭٭
Ideensammlung
4 FÜR ALLE GLEICH- FÜR JEDEN ANDERS. Erste Texte. Kinder schreiben auf der ersten Schulstufe,2007, Verlag Lernen mit Pfiff5 siehe Kapitel „Die Erarbeitung des Wortes“ in LEBENDIGE SPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIGLEHREN, S 38 f6 In dem vorliegenden Fall könnte man die Silbe –ling auch einfach „wegfalten“ und so auf das WortFrüh kommen. In meiner Kartei habe ich vor allem bei Verben und Nomen viele Faltvorschlägegemacht, so dass Kindern das Prinzip des Wortstammes mit der Zeit klar wird.
Auf der Rückseite jeder Karte sind viele Schreibanlässe angegeben, für die die Kinder
das betreffende Wort brauchen. So verwenden die Kinder das Wort jeden Tag in den
verschiedensten Zusammenhängen und erzählen damit schreibend von sich selbst
und von anderen. Jedes Wort ist also in erster Linie Mittel zum Schreiben – durch das
lustvolle Anwenden wird es automatisch auch zum gesicherten Rechtschreibwort.
Entscheidend ist hier der hohe Anteil der positiven Emotionen des einzelnen Kindes.
Es sind einerseits genügend Schreibanlässe angeführt, um der/dem LehrerIn Themen
für eine ganze Woche (inklusive Hausübungen) zu bieten. Andererseits bleibt aber
genügend Raum für eine kreative, auf die eigene Klasse bezogene Gestaltung des
Unterrichts. Die angeführten Möglichkeiten sollen KollegInnen auch zu eigenen Ideen
inspirieren. Hier sehen Sie die Rückseite der oben gezeigten Karteikarte:
٭٭
Wahlmöglichkeiten bezüglich der Wörter
Ich gehe bei der Worterarbeitung sehr langsam vor. Ein einziges Wort pro Woche ist
genug! So bin ich sicher, dass ich kein Kind in der Klasse überfordere. Trotzdem weiß
ich, dass ich damit sehr begabten Kindern nach oben hin kein Limit vorgebe. Jedes
einzelne Kind kann ja bei dieser Unterrichtsweise sein eigenes Vokabular anwenden
und sich individuell weitere Wörter „holen“.7 Keinem Kind sind sprachlich und im
Ausdruck irgendwelche Grenzen vorgegeben. So kann ich mit ein und derselben
7 siehe Kapitel „Karteiarbeit“ in LEBENDIGE SPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIG LEHREN, S 99
Unterrichtsweise so unterschiedliche Ergebnisse erhalten, wie Sie an den folgenden
beiden Texten sehen:
Sprachlich talentierte Kinder entwickeln
bei dieser individuellen Unterrichtsweise
erzählerisch bald eine unglaubliche
Gewandtheit. Das ist der Text eines
solchen begabten siebenjährigen Kindes
zum Thema „Frühling“:
Das ist der Text eines gleichaltrigen
Kindes mit sprachlichen Defiziten. Sehen
Sie, wie dieses Kind mit seinen
individuellen Mitteln, aber mit gleich
hoher Motivation an das Thema
„Frühling“ herangeht:
٭
Langsame Kinder und Kinder mit sprachlichen oder anderen Defiziten brauchen Zeit.
Deshalb auch mein Appell, in der ersten Klasse nicht mehr als ein Wort pro Woche
gemeinsam zu erarbeiten! Da alle Kinder daneben entsprechend ihren Fähigkeiten
und Fertigkeiten ihren individuellen schriftlichen Wortschatz ungehindert aufbauen
können, ist das für kein Kind eine Einschränkung in seiner Entwicklung. 8 Wenn jedes
neue Wort während einer ganzen Woche täglich in den verschiedensten
Zusammenhängen verwendet wird, ist die Erwartung, dass es dann
rechtschreibmäßig bei allen Kindern nachhaltig gesichert ist, sehr realistisch.
Bei den 57 Wortkarten, die die Kartei beinhaltet, bedeutet das, dass hier also
unbedingt eine Auswahl getroffen werden muss! So ist die Kartei auch gedacht. Sie
ist eine Wortsammlung, aus der Wörter ausgewählt werden können, die die/der
LehrerIn für diese eine spezielle Klasse passend findet. Und nicht nur das. Sie ist
offen genug, dass die/der LehrerIn jederzeit auch eigene individuelle Wörter
dazwischenfügen kann, um jedenfalls insgesamt auf etwa 35 bis 37 Wörter zu
kommen. Diese Anzahl entspricht der Gesamtwochenanzahl eines Schuljahres.
Mitsamt den vielen „kleinen“ Wörtern (in, auf, ist, sind, auch, weil, . . .), die sich die
Kinder sozusagen „von allein“ erarbeiten, weil sie sie für das Schreiben ihrer Texte
immer wieder brauchen, ergibt das eine Anzahl von ungefähr 50 rechtschreibmäßig
gefestigten Wörtern nach dem ersten Schuljahr, die wirklich jedes Kind erreicht. Aber
auch hier gibt es nach oben hin kein Limit: die meisten Kinder erreichen eine Anzahl
von 150, manche auch weit mehr, abhängig von der Anzahl ihrer individuellen
Wörter, von denen viele auch bald zu ihrem nachhaltig gefestigten Wortschatz
gehören.
Beginn in der ersten Schulwoche 9
Ich sehe im Unterrichtsgegenstand Deutsch von Anfang an meine Hauptaufgabe
darin, Kinder zum Ausdrücken ihrer eigenen Gedanken und Überlegungen zu
motivieren – eigentlich mehr noch, ihnen die Freude daran zu erhalten, denn damit
kommen die meisten von ihnen ja schon am ersten Schultag in die Schule! Es zahlt
sich hoch aus, diese freudige Erwartungshaltung unserer Schulanfänger zu nützen
und ihnen bereits am ersten oder zweiten Schultag das erste Wort zu bieten. Sehen
Sie, wie begeistert und auf welch verschiedenen Entwicklungsstufen Kinder mit dem
Wort „ich“ erzählen – so, wie es eben der oben erwähnten Vielfalt in unseren Klassen
entspricht:
8 siehe Kapitel Rechtschreiben, Seite 91, und G r e n z e n - los, Seite 107, in LEBENDIGE SPRACHELEHREN – SPRACHE LEBENDIG LEHREN9 siehe Kapitel „Vom ersten Schultag an“ in LEBENDIGE SPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIGLEHREN, Seite 38
Jedes Kind „erzählt“ in seiner ganz eigenen Weise (mit Hilfe von Zeichnungen oder
individuellen Wörtern, viele Sätze oder wenige, in langsamer oder zielstrebiger
Arbeitsweise, feinmotorisch mehr oder weniger geschickt). Anschließend liest es mir
seinen Text vor. So kann ich täglich auf die persönlichen Stärken und Schwächen des
Kindes eingehen und es dabei unterstützen, individuell sein Vokabular und seine
Sprachgeschicklichkeit weiter zu entwickeln. Genau wie beim Sprechenlernen kann so
beim Schreibenlernen das Selbstvertrauen des Kindes täglich wachsen. Und so
verschieden die Sprachentwicklung bei Kleinkindern abläuft, so verschieden
entwickeln sich auch die Texte von Schulanfängern – jeder ist auf seine Weise
besonders und berührend. Die beiden folgenden Beispiele sind Verschriftungen von
Kindern in der dritten Schulwoche auf der ersten Schulstufe:
٭
Begegnung mit dem Kind
Diese Art des Deutschunterrichts ist nicht nur eine Begegnung mit dem Kind auf
seiner individuellen Entwicklungsstufe. Es ist auch eine Begegnung mit ihm als
Persönlichkeit. Wenn ein Kind eigene Texte schreibt, vertraut es mir viel von sich
selbst an. Damit gibt es mir als Lehrerin auch die Chance, auf den Inhalt seiner Texte
einzugehen. So kann ich mit dem Kind in den Dialog treten. Ich kann seine Meinung
kennen lernen, ihm mein Interesse daran zeigen und durch meine wertschätzende
Reaktion und Anteilnahme sein Selbstwertgefühl aufbauen. Damit verändere ich
meine Position grundlegend: ich bewege mich weg von einer, die nur lehrt und dann
beurteilt, hin zu einer, die anbietet und motiviert und ermutigt – und dann teilhaben
darf am Gedankenreichtum der Kinder und oft genug nur noch staunen kann über
das, was die Kinder leisten und sich selber abverlangen.
Aspekte bei den Schreibanlässen
Inspiration für das Schreiben
In der alltäglichen Arbeit ist es mir bei diesem Unterrichtszugang sehr wichtig, die
Priorität nicht aus dem Auge zu verlieren. In Anlehnung an St. Exupery10 möchte ich
sagen:
Wenn wir wollen, dass unsere Kinder große Sicherheit in der Ausdrucksweise, in
der Sprach- und Schreibrichtigkeit erlangen, dann lehren wir sie doch die Freude
daran, sich schriftlich auszudrücken!
Kinder zum Schreiben zu motivieren, sie mit ihren ersten Texten anzunehmen, sie zu
bestätigen und dadurch zu ermutigen, sind meiner Erfahrung nach die ersten Schritte
dazu, ihr Selbstwertgefühl aufzubauen und ihnen Freude am Sich-Ausdrücken,
Freude an der Arbeit zu vermitteln. Dass zum Schreiben von Texten Rechtschreiben
und Grammatik einfach notwendig ist, verstehen Kinder nämlich bei entsprechender
Anleitung ganz von selbst. Sie sind also mehr als bereit, sich dafür anzustrengen.11
10 Wenn du Menschen beibringen willst, ein Schiff zu bauen, dann lehre sie nicht, einen
Baum zu fällen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem Meer“ (A.de St.Exupery)Quelle: www.business-wissen.de, Zugriff am 20. Juli 2007
11 Siehe Kapitel „Rechtschreiben“ in LEBENDIGE SPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIG LEHREN,Seite 91
Wichtig ist aber hier der Stellenwert: das Ziel soll das Schreiben von Texten, das
Sich-schriftlich-Ausdrücken sein – Rechtschreiben, Grammatik und der Aufbau des
individuellen Wortschatzes sind dazu einfach notwendige Fertigkeiten. Wenn Kinder
den Deutschunterricht so begreifen, entwickeln sie sich so rasant, dass sie schon
nach zwei bis drei Monaten Texte wie die folgenden schreiben können:
Abdeckung aller Bereiche des Unterrichtsgegenstandes Deutsch
Bei allen Schreibanlässen decken wir neben den Bereichen „Verfassen von Texten“
zusätzlich auch andere ab. Die Bereiche „Sprechen“ (Kinder befragen einander oft
und nehmen Kontakt auf – das ist ein wichtiger Teil des Deutschunterrichts) und
„Lesen“ (die Kinder lesen ihre „Geschichten“ täglich mindestens einmal, meistens
jedoch mehrmals vor – auch das ist ein fixer Bestandteil dieses Unterrichtszugangs)12
sind nirgends angeführt. Auf „Rechtschreiben“ habe ich in manchen Fällen besonders
hingewiesen. Die beiden anderen Lehrplanbereiche sind aber immer gesondert
bezeichnet.
Die soziale Komponente
Besonders hervorheben möchte ich die große Chance, die uns mit diesem
Unterrichtsmodell einerseits in Bezug auf die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit
des Kindes und andererseits hinsichtlich der Erziehung zum Umgang miteinander in
die Hand gegeben ist.13
12 siehe Kapitel „Lesen lernen durch Schreiben“ in demselben Buch, Seite 6913 siehe „Arbeit an der Atmosphäre in der Klasse“ in demselben Buch, Seite 55
• Jedes Kind schreibt sehr oft über sich selbst, drückt seine eigenen Gedanken
und Gefühle aus. Indem wir es mit all seinen Ansichten und auch mit seinen
Problemen und Schwierigkeiten annehmen, drücken wir ihm seine
Wertschätzung aus. Ich erlebe jeden Tag, wie sehr dadurch das
Selbstwertgefühl des Kindes wachsen kann. Ein Kind mit innerer Größe ist
imstande, anderen achtsam zu begegnen, und die Auswirkungen davon kann
ich täglich in meiner Klasse beobachten. Weil mir das so viel bedeutet, habe
ich alle Schreibanlässe, mit denen wir an der Persönlichkeitsentwicklung des
Kindes arbeiten können, in der Kartei entsprechend gekennzeichnet.
• Jedes Kind schreibt auch sehr oft über andere. Wenn es das machen will,
muss es vorher mit dieser anderen Person in Beziehung treten – gedanklich
oder tatsächlich. Vor allem in Bezug auf die Klassengemeinschaft ist das für
uns LehrerInnen eine unschätzbare Hilfe. So oft ein Kind mit einem anderen
spricht, es befragt, nimmt es Kontakt auf, erfährt es mehr über seinen
Klassenkameraden. Je mehr es über ihn weiß, desto enger wird die Beziehung
zu ihm. Seit ich auf diese Weise unterrichte, kann ich innerhalb meines
Deutschunterrichtes täglich am friedlichen Miteinander meiner Schulkinder
arbeiten – Gewaltprävention im besten Sinne, wie ich auch schon an anderen
Stellen betont habe. Deshalb habe ich auch Schreibanlässe, die die
Klassengemeinschaft und das Verständnis für andere fördern, mit einem
entsprechenden Symbol versehen.
Schlussbemerkung
Ich habe so schöne Erfahrungen mit diesem Zugang zum Deutschunterricht mit all
seinen positiven Auswirkungen auf Entwicklung und Leistung jedes einzelnen Kindes
gemacht, dass mir an der Weiterverbreitung dieser Idee sehr viel liegt. Die Kartei
FÜR ALLE GLEICH – FÜR JEDEN ANDERS. Erste Texte soll durch ihre leichte
Handhabung und individuelle Modifizierbarkeit KollegInnen dazu verlocken und
motivieren, diese Unterrichtsweise auszuprobieren und für sich zu adaptieren. Wenn
Kinder von Anfang ihrer Volksschulzeit an die Möglichkeit haben, sich schriftlich
auszudrücken, und mit Freude eigene Texte schreiben, haben sie sehr gute Chancen,
die hohen Ziele zu erreichen, die ich eingangs erwähnt habe – ein jedes in seiner
individuellen Geschwindigkeit und seinen persönlichen Fähigkeiten entsprechend.
Zur Autorin: Marlene Walter unterrichtet seit 38 Jahren an der Volksschule Wien 22., Meißnergasse 1.In den letzten Jahren hat sie im Raum Wien, aber auch in einzelnen Bundesländern vermehrtSeminare zum Thema Deutschunterricht angeboten. Im November 2006 ist ihr Buch LEBENDIGESPRACHE LEHREN – SPRACHE LEBENDIG LEHREN im Verlag „Lernen mit Pfiff“ erschienen. Es enthältviele Kapitel mit näheren Details aus der Praxis zu Rechtschreibung, Arbeit mit der Rechtschreibkartei,Elternarbeit, individueller Arbeit, Gedichte-Schreiben mit Kindern und vielem mehr. Ihre Kartei FÜRALLE GLEICH – FÜR JEDEN ANDERS. Erste Texte. Kinder schreiben auf der ersten Schulstufe. istAnfang September 2007 im selben Verlag erschienen.
Die mit ٭ versehenen Beispiele sind dem Buch LEBENDIGE SPRACHE LEHREN-SPRACHE LEBENDIG LEHREN,2006, Verlag Lernen mit Pfiff, entnommen.
Die mit ٭٭ bezeichneten Beispielseiten entstammen der Kartei FÜR ALLE GLEICH –FÜR JEDEN ANDERS, 2007, Verlag Lernen mit Pfiff, www.lernen-mit-pfiff.at
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