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PROMINENTE BEISPIELE
HANAU AUSSIEDLER
Hanau - 30 | 1 | 2014
Gegen Vorurteile
Von Detlef Sundermann
Die Ausstellung „Deutsche in Russland“ im Neustädter Rathaus soll
helfen, Vorurteile abzubauen. Die Ausstellungsmacher wollen aber
auch über die Geschichte einer ethnischen Minderheit und das
Leid, das sie durchlitten hat, informieren
„Ja, die Vorurteile der Deutschen gegenüber den Aussiedlern und
umgekehrt stimmen“, sagt Rathausbesucherin Olga Aydin und lächelte
dabei. Die Frau, die vor 25 Jahren mit ihren drei Geschwistern und den
Eltern aus Kasachstan nach Hanau kam, huscht mit den Augen über die
lange Liste der gegenseitigen Ressentiments, etwa dass die Aussiedler
kein Deutsch sprechen wollen oder lieber unter sich bleiben. Beides trifft
für die 32-Jährige nicht zu. Sie spricht einwandfreies Deutsch und ist mit
einem Türken verheiratet.
Der Abbau von Vorurteilen ist nur ein Abschnitt der Ausstellung „Deutsche aus Russland“. Es geht um die
Geschichte der ethnischen Minderheit, deren erlittenes Leid seit Beginn des 20. Jahrhunderts und deren
Auswanderung nach Deutschland. Konzipiert hat die Wanderausstellung die Landsmannschaft der Deutschen in
Russland, Stuttgart. Die Dokumentation ist Teil eines Integrationsprojektes des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge in Nürnberg. Das Thema wird auf Info-Wänden dargestellt. Die Aufbereitung erfolgt in Erläuterungen und
Lebenserinnerungen Einzelner sowie in Bildern und Fotografien. Zurzeit ist die Schau in sechs Orten in den
Bundesrepublik parallel zu sehen. Anlass ist 250 Jahre Einwanderung von Deutschen in Russland, mit denen die
deutschstämmige Zarin Katharina II. eine sogenannte Peuplierungspolitik betrieb, um verwaiste Gebiete zu besiedeln
und das Reich somit zu festigen.
Anlass für die Stadt, die Ausstellung zu übernehmen, sei zum einen die nicht geringe Zahl der Spätaussiedler in
Hanau, die jüdische Gemeinde, die auch aus Russlanddeutschen besteht, die städtepartnerschaftlichen
Beziehungen zu Jaroslawel und das Thema Integration allgemein, sagte Sozialdezernent Axel Weiss-Theil (SPD) zur
Eröffnung. Wie viele Spätaussiedler in Hanau leben, lässt sich ob des deutschen Passes dieser Menschen nicht
sagen. Jedoch, 36 Prozent der Hanauer Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund und 21 Prozent der Hanauer
sind „Ausländer“, sagte Weiss-Thiel. Er betonte, in Hanau leben Menschen aus ungefähr 140 Nationen.
Der Stadtrat äußerte die Zuversicht, „dass die Präsentation im Stadtladen in den
kommenden beiden Wochen zur Verbesserung der Akzeptanz der deutschen
Spätaussiedler in Hanau beitragen wird“.
Ein Wunsch, den auch Besucherin Olga Aydin und ihre Mutter Maria Gettmann haben. „Den Vorwurf,
Russlanddeutsche würden mit Steuergeld ihre Häuser bauen, kann ich nicht mehr hören“, sagte Aydin.
Schon in der Schule habe sie gehässige Anspielungen erfahren. Als Zwölfjährige habe sie ein älterer Mann
angeschnauzt, sie solle wieder nach Russland verschwinden. Für Olga Aydin ist die Ausstellung ein Pflichtbesuch
wegen ihrer Herkunft. Sie erforsche ihre Familienlinie und die ihres türkischen Mannes, damit der junge Sohn später
Die Schau soll dazu beitragen, die Akzeptanz
der Spätaussiedler in Hanau zu verbessern.
Foto: Rolf Oeser
seine Wurzeln kennt, so Aydin.
Dass Aussiedler auch eine gesellschaftliche Bedeutung erlangt haben, zeigt die Wanderausstellung mit prominenten
Russlanddeutschen in Sport, Kultur, wie die Leichtathletin Lilli Schwarzkopf, die Boxerin Ina Menzer und die
Schlagersängerin Helene Fischer. Auch statistische Angaben sollen den Betrachter beispielsweise vom Fleiß der
insgesamt mehr als zwei Millionen Aussiedler – und ab 1993 Spätaussiedler – überzeugen. Laut einer
Bundesstatistik von 2007 sind 73,7 Prozent der Deutschrussen berufstätig, bei anderen Zuwanderungsgruppen soll
die Quote hingegen bei 65,9 Prozent liegen.
Artikel URL: http://www.fr-online.de/hanau/hanau-aussiedler-gegen-vorurteile,1472866,26038862.html
Copyright © 2013 Frankfurter Rundschau