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Frauennetzwerk mehr bewegen FRAUENLEBEN+file++...Auch in Hamburg bewegt sich was: So ist in dem Gremienbesetzungsgesetz eine feste Frauen-quote von 40 Prozent für alle Gremien im

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Frauennetzwerk mehr bewegen

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Impressum: ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Landesbezirk Hamburg, Fachbereich Bund, Länder und Gemeinden, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg, www.frauennetzwerk-hh.verdi.deFachbereichsleiterin: Sieglinde Frieß, Tel. 040 28 58-4061, Fax: -4148, [email protected]: Matina Bube-Möller, Mitarbeiterin im Innendienst, Tel. 040 28 58-4064, Fax: -4148, [email protected]: Birgit Ahlers, Elvira Barkow, Angela Belser-Eberhardt, Inken Biehl, Marion Biss, Verena Brachvogel, Matina Bube-Möller, Ina Clausen, Sieglinde Frieß, Sylvia Habersetzer, Malina Hilmer, Regina Jürgens, Brigitte Klempert, Sabine Rieckermann, Heike Schlesinger, Kirsten Schmuck, Ulrike Schnee, Ute Semmelrogge, Angelika WagnerLayout: Andrea Schulz

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Vorwort des Frauennetzwerks 2

Grußwort 4

Die allgemeine Situation von Frauen 6

Das ‚Neue Gleichstellungsgesetz‘ 7

Interview mit einer Honorarkraft 9

Hebammen und ihre Arbeitsbedingungen 10

Kindertagesbetreuung in Hamburg 12

Armutsrisiko Kinder?! 13

Interview mit einer im Museum arbeitenden Kollegin 14

Die 4 in 1 Perspektive – eine Utopie für Frauen 16

Frauen und Bildung 18

Interview mit einer Personalrätin der Gebäudereinigung Hamburg 19

Frauen in der IT-Branche 21

Interview mit einer Leiharbeitnehmerin 23

Frauenleben in der Illegalität 24

Frauen und Wohnen 26

Die Rente – ein zukünftiger Absturz? 28

Gedanken einer Kollegin zur Rente 30

Frauen in Europa 31

Fazit 32

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

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Liebe Kolleginnen,

Ihr fi ndet mit dieser Broschüre eine interessante Lektüre über das Leben der Frauen in Hamburg und wir

hoffen, ihr habt viel Spaß beim Lesen der einzelnen Themenfelder.

Warum machen wir das?

Wir, das Frauennetzwerk der Fachbereiche Bund, Länder und Gemeinden, haben uns zur Gründung

von ver.di organisiert, sind offen für alle Frauen aus unseren Bereichen und schauen immer wieder „über

den Tellerrand“.

Wir treffen uns regelmäßig 4-6 mal im Jahr. Wir diskutieren, planen und organisieren Veranstaltungen

und Veröffentlichungen, aktivieren und kämpfen, wenn es notwendig ist, und vertiefen unsere Themen

in Bildungsurlauben.

Wir lassen nicht nach, wir sind aufmüpfi g und widerständisch, und wir treten für unsere Rechte ein.

Manchmal wirkt es so, als sei alles erreicht und Frauenstrukturen wären nur ein „alter Zopf“. Doch lasst

uns genau hinschauen und feststellen: Es ist immer noch so, dass wir Frauen benachteiligt sind. Es ist ab

und an differenzierter und versteckter, aber immer noch da. Wir erleben es in der Arbeitsteilung von Fa-

milie und Beruf, in der Kindererziehung, beim Gehalt und bei der Rente, in der Führung, in Krisen bis hin

zu Kriegen, d.h. wir sind die Leidtragenden, wenn es um Trauer, Misere und Not geht.

Unsere Hauptfelder sind:

Die Gleichstellung von Frauen im Öffentlichen Dienst auf allen Ebenen

Die Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit

Die Armut von Frauen in einer reichen Stadt

Gesundheit von Frauen als wichtigstes Gut

Demokratie und Interessen der Frauen in den Gewerkschaften und Institutionen

Frauen als Migrantinnen in einem Ballungsgebiet

Frauen und Rente

Frauen in prekären Lebenslagen

Kollegiale Beratung für Frauenbeauftragte

Vorwort des Frauennetzwerks

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Wir brauchen somit weiterhin eine starke Interessenvertretung für Frauen und einen eigenständigen

Kampf für gleiche Rechte und das Recht auf Leben.

Deshalb machen wir weiter und deshalb schreiben wir Broschüren wie diese, um auf unser Leben hin-

zuweisen.

Es wäre schön, wenn die eine oder andere sich zur Mitarbeit angesprochen fühlt, Ihr würdet uns berei-

chern.

Wir wünschen euch alles Liebe,

euer Frauennetzwerk

Vorwort des Frauennetzwerks

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Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

erstmalig steht eine Frau an der Spitze des Ham-burger DGB. Als Neu-Hamburgerin und Vorsitzen-de des hiesigen DGB ist es mir eine besondere Freude, der Broschüre „Frauenleben in und um Hamburg“ einige Worte voranstellen zu dürfen.

Schon immer waren Frauen in besonderer Weise von den Entwicklungen und Ereignissen in dieser Stadt betroffen. Und schon immer haben Frauen Hamburgs Geschicke geprägt. Aber nur selten fanden ihre Namen oder ihre Geschichten den Weg in die Öffentlichkeit. Wenn es gelang, dann nur, weil diese Frauen doppelt so gut waren wie die Männer oder weil sich mit ihnen ein Skandal verband. Selbst heute, im modernen 21. Jahrtau-send, verschwinden viele weibliche Geschich-ten. Die Medien beschreiben Frauen immer noch sehr häufi g mittels Stereotypen oder drängen sie in altbackene Rollenmuster. Diese Broschüre nimmt eine wohltuende andere Perspektive ein, indem sie von dem weiblichen Alltag im Jahre 2014 in Hamburg erzählt. Unprätentiös und doku-mentarisch, nah am Geschehen und mit einem ausgeprägt subjektiven Blick. Wenn auch vieles im Vergleich zur Generation unserer Mütter bes-ser geworden ist, so ist trotzdem noch nicht alles gut.

Die Lebenswelt von Frauen ist vielfältiger gewor-den. Es gibt mehr lebensgeschichtliche Entschei-dungsmöglichkeiten, einen enormen Zugewinn an Freiheitsgraden und eine bessere fi nanzielle Absicherung eines selbstbestimmten Lebens. Frauen können ihren Beruf (im Prinzip) frei wäh-len und abends (meist) ungestört am Kneipentre-sen sitzen. Frauen reden mit, sie mischen sich in gesellschaftliche Themen ein und gestalten die Welt, in der wir leben. Viele Mädchen und Frauen gehen ihren Weg selbstbewusst.

Allerdings bleibt in Sachen Gleichberechtigung weiterhin einiges zu tun. Die Schattenseite von Vielfalt und Freiheitsgewinn - die kontinuierliche Benachteiligung von Frauen - hält sich hartnä-ckig. Dies gilt vor allem für die Arbeitswelt, an der Frauen inzwischen zwar weitgehend selbst-verständlich teilhaben, aber noch lange nicht zu gleichen Bedingungen und zu gleichen Anteilen:

• Wer will schon 78 Euro verdienen, wenn ande-re für die gleiche Arbeit 100 Euro bekommen? Mit 22 Prozent Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern gehört Deutschland zu den EU-Staaten, in denen die Entgeltdifferenz besonders hoch ist. Diese Benachteiligung ist auch in Hamburg ein Problem: Ende 2013 erhielten Frauen im Handel durchschnittlich 3.157 Euro brutto im Monat, während ihre männlichen Kollegen 4.057 Euro bekamen. Noch ausgeprägter ist der Unterschied im Gesundheits- und Sozialwesen: Dort lag der durchschnittliche Bruttoverdienst von Frauen bei 3.104, bei Männern dagegen bei 4.426 Euro.1

• Zwei Drittel der arbeitenden Frauen bekom-men nicht genügend Geld, um mit ihrem Einkommen ihre Existenz zu sichern. Ein Drittel kann nicht einmal den eigenen, unmittelba-ren Bedarf decken.

• 115.000 Hamburgerinnen arbeiten in Teilzeit, der überwiegende Teil, um Kinder und Fami-lie zu versorgen. 70 Prozent der Mütter arbei-ten mit reduzierter Zeit – aber nur 5 Prozent der Väter. Sogar kinderlose Frauen arbeiten zu 36 Prozent in Teilzeit, bei nur 9 Prozent der kinderlosen Männern.2

1 Statistisches Landesamt Hamburg

2 Hamburger Abendblatt, 15.10.09. „Berufstätige Frauen. Teilzeit: Morgens Arbeit, mittags Kinder. Immer mehr Hamburgerinnen arbeiten in Teilzeit.“ Melanie Wassink. http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article1230431/Teilzeit-Morgens-Arbeit-mittags-Kinder.html

Grußwort

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Die Politik muss den richtigen Rahmen setzen und gesellschaftliche Leitlinien bieten, um Frauen und Männern eine individuell abgestimmte Erwerbs-tätigkeit zu ermöglichen, die gleichzeitig ihren Lebensunterhalt sichert. Von dem gesetzlichen, bundesweiten Mindestlohn profitieren besonders die Frauen, die häufiger prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen ausgesetzt sind.

Auch in Hamburg bewegt sich was: So ist in dem Gremienbesetzungsgesetz eine feste Frauen-quote von 40 Prozent für alle Gremien im Ein-flussbereich der Stadt Hamburg festgelegt. Hier entscheiden also mehr Frauen als bisher mit. Ein anderes Beispiel: Das neue Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst ermöglicht Teilzeit nun auch in Führungspositionen, um die Vereinbar-keit von Erwerbs- und Privatleben zu verbessern. Es gibt künftig verbindliche Mindeststandards für Gleichstellungspläne und die Verpflichtung zur Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten. Die Schaffung von garantierten und kostenlosen Ki-taplätzen sowie die Ganztagsbetreuung in Schu-len ermöglichen es vielen Familien, Beruf und Pri-vates besser miteinander zu vereinbaren. Dies gilt vor allem für die Frauen, die bisher immer noch die Hauptlast der Kinderbetreuung und Eltern-pflege tragen.

All das sind sinnvolle Maßnahmen, die den rich-tigen Weg weisen. Aber sie können nur einzelne Schritte hin zu einer gerechteren Gesellschaft sein. Ihnen müssen weitere und vor allem konse-quentere Schritte folgen, die neben praktischen Aspekten auch die vorhandenen Stereotypen, Vorurteile und Normen im Blick behalten. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern die politischen Entscheidungsträger_innen in Bund und Ländern auf, die institutionellen Hürden zu beseitigen, die immer noch der gleichberech-tigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft im Wege stehen. Gute Arbeit

muss künftig gleichermaßen an den Interessen von Frauen und Männern ausgerichtet sein.

Die Frauen, die in dieser Broschüre zu Wort kom-men, machen deutlich, dass wir noch nicht am Ziel sind. Die bisher erreichten Erfolge werden regelmäßig in Frage gestellt, Frauenrechte sind nicht überall selbstverständlich und ihr Bestehen bleibt fragil. Unsere Mütter haben sich vor vielen Jahren auf den Weg gemacht und erste Freihei-ten erkämpft. Diese gilt es zu verteidigen und zu erhalten. Wir, jede einzelne von uns, sind Teil einer Bewegung, die eine gerechtere, sozialere sowie menschlichere Gesellschaft gestalten kann. Die-se Verantwortung sollten wir mit viel Freude und Engagement annehmen.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine in-spirierende und unterhaltsame Lektüre.

Katja KargerVorsitzende DGB Hamburg

Grußwort

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Die allgemeine Situation von Frauen

Die Frauen dürfen wählen, wir dürfen unsere Mei-nung vertreten, wir dürfen und können wohnen und leben, wie und wo wir wollen. Schließlich sind nach dem Grundgesetz Frauen und Männer gleichberechtigt.Allerdings beschäftigt die Menschen in Europa zurzeit die Finanzkrise und sie bestimmt das Han-deln der Politik. Da mag Gleichstellungspolitik gern als verzichtbarer „Luxus“ angesehen werden.Frauen sind gut ausgebildet, doch gerade in der Arbeitswelt und in der Politik zeigt sich, dass es in unserer Gesellschaft immer noch schlecht be-stellt ist, wenn es die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männer betrifft. Dies hat fatale Auswirkungen auf die Lebensläufe von Frauen. Z.B. das eigene Einkommen bedeutet finanzielle Unabhängigkeit und die individuell erzielte Höhe ihres Einkommens ist entscheidend, wie die Per-spektiven von Lebensläufen geplant und bewäl-tigt werden können, ob Frauen sich verwirklichen können oder ob sie scheitern.

• Vielzuselten sind Frauen in Führungspositio-nen zu finden.

• Frauen verdienen in Deutschland durchschnitt-lich 22 % weniger als Männer.

• Frauen arbeiten vorwiegend in Teilzeit und pre-kären Beschäftigungsverhältnissen,

• Frauen sind weiterhin für den größten Teil der unbezahlten Arbeit – wie Haushalt, Pflege und Kindererziehung – zuständig,

• frauendominierte Berufe erhalten eine geringe-re gesellschaftliche und finanzielle Wertschät-zung.

Das sind nur ein paar Beispiele, die die Wirklich-keit widerspiegeln: Frauen gelten weiterhin als Zuverdienerinnen und sind schneller erwerbslos. Der Zusatz „Gleichstellung“ im Namen einer Behörde ändert noch nichts an den Rahmenbedingungen.

Ein flächendeckender Ausbau einer qualitativ hochwertigen Betreuungsinfrastruktur für Kinder und Pflegebedürftige muss von der Politik gewollt sein und sie muss die Mittel zur Verfügung stellen, damit Frauen und Männer Familie und Beruf bes-ser vereinbaren können.

Wir Gewerkschafterinnen wollen nicht, dass unsere Töchter weniger verdienen als ihre Brüder! n

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Das ‚Neue Gleichstellungsgesetz‘

Das ‚Neue Gleichstellungsgesetz‘ – lange haben wir Frauen der Hamburger Behörden auf eine Verbesserung gehofft, gewartet und daran mit-gewirkt. Die Frauen- und Gleichstellungsbeauf-tragten der Hamburger Behörden hatten über das Personalamt ihre Ideen aus der Praxis für die Verbesserung in die Novellierung einfließen las-sen. Darüber sind Jahre des Nichtstuns ins Land gegangen. Am 100. Internationalen Frauentag im März 2011 fiel dann endlich die Entscheidung in der frisch angetretenen neuen SPD-Regierung in einer an die Frauen gerichteten Rede des Ers-ten Bürgermeisters Olaf Scholz. Sinngemäß sagte er: ‚Wir, die SPD, fördern die Gleichstellung von Frauen und Männern oder sollte ich lieber sagen von Männern und Frauen?‘ Die Hoffnung wuchs erstmals bei uns Frauenbeauftragten.

Aber es wurde nicht etwa die Behörde für Justiz und Gleichstellung mit der Novellierung beauf-tragt, nein, das Personalamt der Freien und Han-sestadt Hamburg (FHH) bekam den Zuschlag.

Das Personalamt der FHH hatte auch gerade eine neue Leitung bekommen und das war nach lan-ger Zeit mal eine Frau: Frau Lentz. Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der FHH freuten sich, denn endlich würden ihre Vorarbeiten wert-geschätzt und Berücksichtigung finden – so die Hoffnung.Wichtig war uns nämlich, dass die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten fest definierte Auf-gaben und Beteiligungsrechte bekommen soll-ten, Freistellung von ihren anderen Aufgaben, ab 1.000 Beschäftigte eine Vollzeitstelle für diese Arbeit sowie das Recht einer Wahl der Frauenbe-auftragten durch die weiblichen Beschäftigten der Dienststellen. Des Weiteren eine/einen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte/n für die gesam-te FHH, die/der z.B. in Fällen von Widersprüchen

eingeschaltet werden kann. In einzelnen Behör-den wurden Frauen- und Gleichstellungsbeauf-tragte nämlich völlig ignoriert oder gar nicht erst eingesetzt.

Was ist der aktuelle Stand?Bis zum Zeitpunkt Juli 2014 – als dieser Text ge-schrieben wurde, ist die Gesetzes-Novelle gerade in der Bürgerschaft eingebracht worden. Sie wur-de seit mehr als zwei Jahren zwischen den Staats-räten und den zu beteiligenden Gewerkschaften und Anderen hin und her gereicht. Aus unserer Sicht als Gewerkschafterinnen ist diese Novelle hinter unseren Erwartungen weit zurück geblie-ben; sie hat auch ein paar gute Passagen, aber unterm Strich hat sie dennoch große Mängel. Zu-allererst soll das neue Gleichstellungsgesetz jetzt auch Männer gleichstellen. Die Benachteiligung von Männern bei Hausarbeit und Kinderbetreu-ung ist auch wirklich ein Skandal! Es werden zu-künftig auch Männer Gleichstellungsbeauftragte sein dürfen, wenn mindestens eine Frau im 2er-Team dabei ist. Das Wahlrecht entfällt, die Beauf-tragten werden zukünftig im Bewerbungsverfah-ren ermittelt und von den Beschäftigten nur noch bestätigt. Eine Freistellung im definierten Umfang analog dem Bundesgleichstellungsgesetz ist nicht vorgesehen, stattdessen ist die Gleichstellungsbe-auftragte/der Gleichstellungsbeauftragte ‚im er-forderlichen Umfang‘ von anderen Tätigkeiten zu entlasten.

Im Bereich der Schulen ist die Situation weiterhin desolat: für die 14.000 pädagogischen Fach-kräfte sollen zukünftig nur eine Gleichstellungs-beauftragte oder ein Gleichstellungsbeauftragter plus Vertretung tätig werden dürfen. Rechte und Pflichten sind in der Novelle klar definiert, auch Widerspruchsrechte. Eine „neutrale Anlaufstelle“ außerhalb der eigenen Dienststelle, die in Wider-

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spruchsverfahren unterstützt, diese sammelt, um damit Bereiche mit Widerstand zu beraten und zu fördern, ist nicht vorgesehen.

Wir fragen uns ganz ehrlich, wird es möglich sein, Standards wie z.B. in der Behörde für Stadtent-wicklung und Umwelt zu erhalten, wo es gelun-gen ist, eine volle Freistellung für etwas mehr als 1.000 Beschäftigte zu erringen? Oder was pas-siert, wenn die Dienststelle eine Gleichstellungs-beauftragte bzw. einen Gleichstellungsbeauftrag-ten im Auswahlverfahren bestimmt hat und diese bzw. dieser die Zustimmung der Beschäftigten nicht bekommt?

Wer hat dann überhaupt noch Interesse an einem Amt, in dem die Interessenvertretung für diskrimi-nierte Beschäftigtengruppen so klein geschrieben wird und ein Tätigwerden im Auftrage der Behör-denleitung so sehr im Vordergrund steht….?

Das Gesetz soll zukünftig auch für Firmen Gül-tigkeit bekommen, die sich im Mehrheitsbesitz der FHH befinden. Es soll „sichergestellt“ werden, dass dieses Gesetz „sinngemäß angewendet“ wird, bzw. bei Aktiengesellschaften mit Mehr-heitsbeteiligungen und Firmen mit Minderheits-beteiligung soll „darauf hingewirkt werden“, dass dieses Gesetz „sinngemäß angewendet“ wird. Da fragen wir uns doch, wer beaufsichtigt das denn? Und was ist, wenn nichts passiert?

Wir dürfen weiterhin gespannt sein, was für uns Frauen als Beschäftigte mit definitiven strukturel-len Benachteiligungen dabei herauskommt. n

Unsere Forderungen:

1. Eine Gleichstellungsbeauftragte für die Freie und Hansestadt

Hamburg dem 1. Bürgermeister direkt unterstellt.

2. Solange Frauen noch nicht im Gehalt und Lohn und Männer noch

nicht im Haushalt und in der Kindererziehung gleichgestellt

sind, fordern wir eine Interessenvertretung für Frauen (Frauen-

beauftragte).

Das ‚Neue Gleichstellungsgesetz‘

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Interviewmit einer Honorarbeschäft igten

Ich bin Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache (DaF) und für Alphabetisierungskurse. Das ma-che ich seit ca. 20 Jahren bei verschiedenen Bil-dungsträgern. Diese Bildungsträger zahlen sehr unterschied-lich, bei den meisten sind die Honorare seit Jahren nicht mehr gestiegen, im Gegenteil eher gesunken und durch die Inflation bekomme ich heute erheblich weniger als vor 20 Jahren. Die Bildungslandschaft hat sich stark verändert, staat-liche oder staatlich geförderte Träger haben dicht gemacht oder sind privatisiert worden, mit den bekannten Folgen für die Mitarbeiter. Viele der Träger mussten inzwischen Insolvenz anmelden, sind aufgekauft worden oder neu entstanden. Das bedeutet jedes Mal einen neuen Kampf ge-gen immer schlechtere Arbeitsverträge.

Es gibt jede Menge Interessenten an den DaF-Kursen durch Au-Pairs, arbeitslose Zuwanderer, Flüchtlinge oder Menschen mit Migrationshin-tergrund, die hier schon länger leben. Bei den Alpha-Kursen kommen noch die Deutschen hin-zu, die zwar eine Schule besucht, sie jedoch als Analphabeten verlassen haben, aus welchen Gründen auch immer. Aber durch wechselnde politische Machtverhältnisse wird mal mehr und mal weniger versucht, diese Probleme zu behe-ben. Zeitweise wurde das Deutschlernen als nicht förderwürdiges Problem angesehen, mal wurde es mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Ende 2013 sind diese Mittel ausgelau-fen, jetzt beschloss das Bundesarbeitsministerium gerade wieder wegen des FacharbeiterInnen-mangels, die Deutschkurse neu zu fördern, dies-mal aus Bundesmitteln. Ob mir persönlich das was bringt, bleibt abzu-warten, denn die Kurse sollen möglichst immer weniger kosten, also wird uns immer weniger ge-zahlt.

Meine Verträge laufen immer nur ein knappes Jahr, d. h., vom Ende der Sommerferien bis zum Beginn der nächsten Sommerferien, in den Feri-en bekomme ich also kein Geld. Das bedeutet, ich muss nicht nur Geld für Urlaub ansparen wie dauerhaft angestellte Lehrkräfte, sondern auch für das ganz normale Leben, denn Krankenversi-cherung, Miete etc. laufen ja weiter. Und teilweise weiß ich vor den Ferien gar nicht, ob ich nach den Ferien überhaupt wieder einen Vertrag bei dem Träger vom letzten Jahr bekomme, weil manch-mal erst nach den Ferien klar ist, ob genügend Teilnehmer für einen neuen Kurs zusammenkom-men. Es ist mir auch schon passiert, dass ich vor den Ferien einen Vertrag unterschrieben habe und mir nach den Ferien gesagt wurde, dass der Kurs trotzdem nicht stattfindet. Meistens habe ich zwei oder drei, teilweise sogar vier verschiedene Verträge mit unterschiedlichen Trägern, das er-höht natürlich meinen Verwaltungs- und Koordi-nierungsaufwand erheblich, z. B. bei der Steuer-erklärung.

Es gab Zeiten, da haben mich die Existenzängste völlig verunsichert, je näher die Ferien kamen. Ein Kind oder eine ganze Familie hätte ich auf diese Weise sicher nicht ernähren können. In den langen Ferien ist eigentlich nur Urlaub möglich, wenn ich nebenbei arbeite. Z. B. habe ich in Frankreich auf einem Weingut für Kost und Logis stundenweise mitgearbeitet oder in Mexi-ko auf einem Bauernhof und dabei gleichzeitig meine Sprachkenntnisse wieder aufgefrischt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen richtigen Erholungsurlaub gemacht habe.

An meine Rente möchte ich gar nicht denken, ich gehe auf die 60 zu und wenn ich von der Rente mit 63 höre, kann ich nur lachen. Wahrschein-lich werde ich arbeiten müssen, bis es nicht mehr

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geht, denn als Selbständige habe ich kaum etwas in die Rentenversicherung einzahlen können und eine private Vorsorge ist nicht drin gewesen, bei dem Verdienst, den ich hatte. Es bleibt gerade eben genug Geld übrig, um einigermaßen über die Runden zu kommen.

Froh bin ich über das Angebot meiner Gewerkschaft, regelmäßig Treffen für Honorarkräfte anzubieten, wo wir uns austauschen können und Neuigkeiten über bestimmte Träger erfahren oder auch Vorträge zu rechtlichen oder steuerlichen Problemen hören können. Das ist sehr wichtig für mich.

Ich liebe meinen Job wirklich, eigentlich will ich gar nichts anderes machen, aber die Bedingun-gen sind einfach mies. Bildung müsste mehr wert sein. n

Frauen werden schwanger und werdende Eltern stehen dann vor der Frage, wie und wo soll unser Kind das Licht der Welt erblicken? Im Sozialgesetz-buch ist das Recht auf freie Wahl des Geburtsortes verankert – ob im Krankenhaus, zu Hause oder im Geburtshaus. Zum Kinderkriegen brauchen Frauen (und auch ihre Männer) Hebammen: in der Schwangerschaft, bei der Geburt und in der Zeit danach. In Deutschland ist es gesetzlich fest-geschrieben, dass Hebammen die Geburt leiten.

Die Arbeit der freiberuflichen Hebammen wird zunehmend schwieriger. Immer mehr freie Heb-ammen geben die Geburtshilfe auf. Sie können die hohen Versicherungsbeiträge nicht mehr er-wirtschaften. Seit Jahren steigen die Haftpflicht-versicherungsprämien. Vor zehn Jahren musste eine Hebamme ungefähr 450 Euro im Jahr für die Versicherung zahlen, momentan sind es 4.200 Euro und im Juli steigt die Prämie noch einmal

auf 5.000 Euro pro Jahr. Die letzte Versicherung, die Hebammen noch versicherte, die Nürnberger Versicherung, kündigte an, ab Juli 2015 keine Versicherungstarife mehr für Hebammen in der Geburtshilfe anzubieten.

Interviewmit einer Honorarbeschäft igten

Hebammen und ihre Arbeitsbedingungen

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Das wäre das AUS für freiberufliche Hebammen und das AUS für die freie Wahl des Geburtsortes, ein AUS für die garantierte Selbstbestimmung der Frau!

Die Politik ist gefragt, die wichtige präventive Ar-beit der Hebammen am Anfang des Lebens zu sichern. Auch hier werden Weichen für das Wohl der Kinder gestellt!

Was tut der Hamburger Senat, um die Versor-gung mit Hebammen zu sichern? Eine Hebamme für die Vorsorge und die Wochenbettbetreuung zu finden, kostet jetzt bereits erhebliche Mühen und besonders in Ferienzeiten kommt es zu Ver-sorgungsengpässen, teilt der Hebammenverband Hamburg mit. Die politisch Handelnden in Ham-burg schweigen bislang dazu oder fühlen sich nicht verantwortlich.

Gebären, so kann es auch sein: In Hamburg feierte das Geburtshaus im Sommer 2012 sein 20-jähriges Bestehen – über 2.500 Babys kamen hier sicher und geborgen zur Welt.

Hebammen und ihre Arbeitsbedingungen

Aktuell – Aktuell – Aktuell:

Während der Arbeit an diesem Bei-

trag scheint sich eine Lösung durch

den Bundesgesundheitsminister Her-

mann Gröhe abzuzeichnen - mit Mit-

teln der gesetzlichen Krankenkassen

soll den freiberufl ichen Hebammen

geholfen werden.

„Das Geburtshaus Hamburg hat sich in der Zeit seines Bestehens zu einer ausgesprochen aner-kannten und respektierten Institution im lokalen Gesundheits- und Jugendhilfesystem des Bezirkes Altona entwickelt. Die Grundlage dieses hervor-ragenden Rufes besteht aus ebenso verantwor-tungsvoller wie kontinuierlicher Dienstleistung am Bürger oder präziser: An der Bürgerin und dem Nachwuchs“, schrieb der damalige Bezirksamts-leiter Jürgen Warmke-Rose in einem Grußwort.

Die Rahmenbedingungen für die uralte Arbeit der Hebammen müssen dringend verändert werden. Die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker sind gefragt – nicht aussitzen, sondern handeln – jetzt! Denn Babys warten nicht, sie kommen und sollen ruhig kommen! n

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Kindertagesbetreuung in Hamburg

Der Kinderwunsch von Frauen ist unverändert hoch – 93 % der Frauen wollen Nachwuchs.Nach Mutterschutz und Elternzeit steht die Rück-kehr an den Arbeitsplatz auf dem Plan. Zum ent-lasteten Arbeiten mit Baby oder Kleinkind brau-chen Eltern, brauchen Frauen eine zuverlässige Kinderbetreuung. In Hamburg scheint hier alles in Butter zu sein oder doch nicht?

Seit dem 1. August 2012 gibt es in Hamburg ei-nen landesgesetzlich verankerten Anspruch auf eine täglich fünfstündige Kindertagesbetreuung für alle Kinder ab dem vollendeten zweiten Le-bensjahr. Zum 1. August 2013 wurde der Rechts-anspruch auf alle Kinder ab dem vollendeten ers-ten Lebensjahr erweitert. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob Eltern berufstätig sind oder nicht.In Hamburg stehen 21.500 Kindertagesheim-plätze zur Verfügung, ergänzt durch 1.350 Ta-gesmütter, die in der Regel Kinder bis zum dritten Geburtstag betreuen. Laut Statistik werden 62 % der Ein- bis Zweijährigen betreut. Und ab August 2014 werden fünf Stunden Kindertagesbetreuung plus Mittagessen kostenlos gestellt, von der Ge-burt bis zur Einschulung! Eltern von Kindern mit längeren Betreuungszeiten (täglich sechs- bis zu täglich zwölfstündige Be-treuung) werden ebenfalls entlastet – der Eltern-beitrag sinkt spürbar.

Also, alles in Butter? Nicht ganz!

LEA, der Landeselternausschuss Kindertagesbe-treuung Hamburg, freut sich über die positive Ent-wicklung und streitet für weitere Verbesserungen. Der Ausbau der Kita-Plätze muss Hand in Hand mit einer Verbesserung der Qualität gehen. Qua-lität zeigt sich auch durch einen angemessenen Betreuungsschlüssel. Hier ist Hamburg bei der

Betreuung der Kleinsten von null bis drei Jahren Schlusslicht in den westdeutschen Bundesländern, mit einem Schlüssel von 1:5,1 bis zu 1:6,7 Krip-penkindern laut den Richtlinien für den Betrieb von Kindertagesstätten vom 1.8. 2012.Die Mindeststandards der europäischen Union sollten in Hamburg Standard sein:

1:3 bei Kleinkindern bis zu 1 ½ Jahren,1:4 bei Kleinkindern bis zu 3 Jahren,1:8 im Elementarbereich 3 – 6 Jahre.

Da gibt es noch viel zu tun in der stetigen Verbes-serung von Qualität und Quantität in der Kinder-tagesbetreuung.

Bei der aktuellen Recherche zu diesem Artikel scheint es kein Problem zu sein, auch kurzfristig einen Kita-Platz im näheren Umfeld zu finden. Zahlreiche Kitas bieten im Internet freie Kita-Plät-ze an. Kinder sollen ruhig kommen – Kinder sind willkommen. n

Unsere Forderungen:• Betreuungsschlüssel• Qualitätsstandards • Soziale Berufe aufwerten

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Armutsrisiko Kinder?!

Junge Frauen wollen heute beides – Kinder und Beruf. Und sie wissen – ein Kind aufziehen bedeu-tet eine Verschlechterung der Einkommenssituati-on. Seit Jahren gilt: ein Kind großzuziehen kostet im Schnitt so viel wie ein kleines Einfamilienhaus.

Hand in Hand mit der Entscheidung für ein Kind und für die Familiengründung müssen berufstä-tige junge Frauen und ihre Partner entscheiden: Wer nimmt wie lange Elternzeit, bezahlt bis zum 14. Lebensmonat und unbezahlt bis zum 3. Ge-burtstag? Was ist gut für unser Kind? Bin ich eine Rabenmutter oder ein Rabenvater, wenn ich mein Kleinkind früh in fremde Betreuungshände gebe? Dazu wurde viel Schlaues und Unsägliches gesagt und geschrieben. Jede Frau und jeder Mann, jede Familie muss diese Entscheidung für sich treffen.

Was kommt dann? – Kinder sind auch von der Po-litik unbestritten ein Armutsrisiko und die politisch Verantwortlichen mit dem damaligen Bundes-kanzler Schröder haben durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II oder auch Hartz IV genannt die familienfeindlichste Maßnahme seit langem geschaffen. In Hamburg lebt jedes vierte Kind mit seiner Mutter oder seinem Vater von Sozial-leistungen und wird damit von der gesellschaft-lichen Teilhabe weitestgehend abgeschnitten. In

Deutschland und hier in Hamburg bestimmt die soziale Herkunft in hohem Maß über die künfti-gen Chancen von Kindern. Viele alleinerziehende Frauen leben mit dieser Hartz IV-Armut und dem Gefühl, vom sorgenfreien Leben abgekoppelt zu sein und auf dem Arbeitsmarkt kaum einen gut bezahlten Job zu bekommen. Wünsche der Kinder und eigene Wünsche zu erfüllen sind mit Hartz IV nicht drin. Das ist die eine Seite. Die andere Seite des Ar-mutsrisikos ist die eingesetzte Zeit.Für Kinder brauchen Frauen und Männer Zeit, die sie als Berufstätige oft nicht in ausreichendem Umfang haben. Wichtig sind in der Partnerschaft beim Thema Kindererziehung und Kinderbetreu-ung auch Flexibilität und Verlässlichkeit UND - ZEIT als das wertvollste Gut. Mit Geld kann frau in der Partnerschaft keine Zeit kaufen. Frauen und Männer bewerten die vorhandene Zeit für die Familie unterschiedlich - 31% der Männer würden für ein Kind nicht zu Hause bleiben. Und doch gibt es einen positiven Trend: 20% der Vä-ter nehmen zwei Monate Elternzeit in Anspruch und immerhin noch 18% der Väter nehmen sechs Monate Elternzeit für die Betreuung ihres Nach-wuchses.

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Armutsrisiko Kinder?!

Was tun? – Noch beschließen Frauen in der Mehrzahl ihre Berufstätigkeit in Teilzeit fortzuführen, mit der Folge von Teilzeitgehalt und Teilzeiteinzahlung in die Rentenkasse. Teilzeit schafft weniger Punkte in das Rentenkonto. Kleines Fazit: Arbeit in schlecht bezahlten, meist sozialen Berufen – Teilzeitarbeit der Kinder wegen – Teil-zeitrente gleich Altersarmut.

Unsere Forderungen:• Armutsbekämpfung• Sozialpolitik • Betreuung• Arbeitszeitverkürzung

Zu einfach gedacht? Zu unsachlich? – In Zahlen gesprochen entscheiden sich über 48% der gut ausgebildeten akade-mischen Frauen der geburtenstarken Jahrgänge für ein Le-ben ohne Kinder und ohne Altersarmut.Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht eine Ver-kürzung der Arbeitszeit für beide Geschlechter. Die Politik wagt zaghafte Vorstöße. Von vollem Lohnausgleich ist da-bei nicht die Rede. Ja, wovon sollen die jungen Familien denn leben? Hier gibt es noch viel zu tun. n

Ein Mitglied des Frauennetzwerkes im Gespräch mit Frau M. Ich besuche Frau M. an ihrem jetzigen Arbeits-platz. Nach ihrem Hauptschulabschluss 1980 machte sie zunächst eine dreijährige Ausbildung zur Bürogehilfin. Nachdem sie von der Firma nicht übernommen werden konnte – und die Situation auf dem Arbeitsmarkt schon schwieriger wurde, arbeitete sie zunächst ein Jahr in einer Schneide-rei in Volksdorf. 1986 kam sie zur Fa. Stilke und „schmiss“ zwei Jahre – im Schichtdienst – den U-Bahn Kiosk an der Legienstraße.

Durch ihre Mutter, die im Museum für Kunst und

Gewerbe als Aufseherin arbeitete, fand sie Inte-resse an den vielfältigen Aufgaben, die im Mu-seum anfallen (Kasse, Abrechnungen, Museums-Shop) und an den Kontakten mit Besuchern. So nebenbei sah sie Ausstellungen und Künstler, die sie wohl so gar nicht besucht bzw. kennengelernt hätte. Doch jedes zweite Wochenende musste sie arbeiten – sie konnte sich nicht vorstellen, dies ein Leben lang zu machen.Nach zwei Jahren konnte sie wieder auf ihren er-lernten Beruf zurückgreifen und in einem kleinen Versicherungsbüro arbeiten.

1991 hat sie geheiratet und 1992 kam der erste

Interviewmit einer im Museum arbeitenden Kol legin

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Sohn. Nach einer dreijährigen Elternzeit kehrte sie wieder – nur für ein Jahr – zur Versicherung zu-rück. Die kleine Familie zog 1994 nach Mümmel-mannsberg – nicht weit von ihrem Elternhaus. Der zweite Sohn kam 1999. Der Ehemann arbeitete – sie war mit den Kindern zu Hause. Das übliche Ehemodell der damaligen Zeit. Doch 2001 kam die Trennung – und schließlich die Scheidung.

Frau M. zog in eine kleinere Wohnung und muss-te Sozialhilfe für sich und die Kinder beantragen.Erst 2006 kam die Wende. Mit einem sechsmo-natigen Vertrag begann sie als Verkaufshilfe bei der Fa. KiK. Danach forderte das Jobcenter von ihr, dass sie einen sogenannten ‚1-Euro-Job‘ in der Schulkantine der benachbarten Gesamtschu-le aufnehmen solle.Die Arbeit an sich fand sie nicht schlecht – aber es gab keine Perspektive auf einen festen Arbeitsver-trag. Gegen den Willen ihrer Arbeitsvermittlerin sprach sie mit der Personalleiterin des ehemali-gen Arbeitsplatzes, dem Museum für Kunst und Gewerbe. Diese überzeugte sie, für sie einen ‚1-Euro-Job‘ im Museum einzufordern.

Die Sozialbehörde richtete 2007 bis 2009 so-genannte ‚quartiersbezogene Arbeitsplätze‘ mit einem Verdienst von zunächst 850 Euro, später bis zu 1.100 Euro brutto – netto 660/ 890 Euro (allerdings ohne Arbeitslosen- , lediglich mit Kranken- und Rentenversicherungspflicht und mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld) ein. So einen Ar-beitsvertrag bekam sie – doch dieses Beschäfti-gungsprogramm lief nach zwei Jahren aus.

Frau M. sprach die Zeitarbeitsfirma HRC an. Die-se stellen u.a. Personal für die städtischen Museen ein. Von November 2011 bis zum April 2014 hat sie für diese Firma – erneut im Museum für Kunst und Gewerbe – für 7,12 Euro stündlich gearbei-

tet. Wiederum war es kein Vollzeitarbeitsplatz – es sollen ja nur die Personallücken der städtischen Festbeschäftigten „gestopft“ werden. Von einem Monatsverdienst zwischen 320 und 490 Euro brutto können jedoch drei Personen nicht leben!

Im Dezember 2013 bot sich die Möglichkeit auf 400 Euro-Basis im Bergedorfer Schloss zusätzlich zu arbeiten. Im April dieses Jahres wurde ein Teil-zeitarbeitsplatz mit wöchentlich 27 Stunden frei. Frau M. wurde gefragt, ob sie sich nicht bewerben wolle. Da man sie im Bezirksamt schon kannte und schätzte, und sie im Bewerbungsgespräch „einen guten Eindruck“ hinterließ, bekam sie den Arbeitsplatz – mit Optionen auf Mehrstunden in den nächsten Jahren.

Neben dem beruflichen Werdegang sprechen wir auch darüber, wie es ihr nach der Trennung/ Scheidung von ihrem Ehemann ging.Sie sagt mir, dass es ja irgendwie weitergehen musste – sie hatte ja zwei kleine Kinder. Der Ehe-mann verabschiedete sich schnell aus der Ver-antwortung und den notwendigen Unterhaltszah-lungen für die Kinder. Erst als diese zur Schule kommen, kann sie sich wieder um einen Arbeits-platz kümmern.

Sie betrachte es ausschließlich als ihren Verdienst, dass sie jetzt einen festen Arbeitsvertrag beim Be-zirksamt erhalten hat. Ihre Hartnäckigkeit und das ‚Nicht-Aufgeben-Wollen‘ machen sie jetzt zu-frieden. Besonders stolz ist sie auf ihren ältesten Sohn. Trotz schwierigster Krankheitsprognosen (AHDS) fand er im zweiten Anlauf die Produktionsschule Steilshoop – und konnte eine Ausbildung zum Mö-beltischler machen. Im 3. Ausbildungsjahr wurde er – von seinem jetzigen Arbeitgeber – übernom-men und anschließend weiterbeschäftigt. Er zog

Interviewmit einer im Museum arbeitenden Kol legin

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vor zwei Jahren aus der Wohnung in das Haus seiner Großeltern. Jetzt plant er den Umzug in seine erste eigene Wohnung und evtl. einen Berufswechsel.

Ich frage Frau M., welche Perspektiven sie für sich sehe?Sie antwortet Folgendes: „Auch wenn ich nicht viel verdiene, gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit. Mir würden die Gespräche mit den Kollegen, Vorgesetzten und – natürlich auch – den Museumsbesuchern fehlen. Der Arbeitstag bedeutet für mich und meinen jüngeren Sohn auch ganz klare Strukturen setzen zu müssen.“ „Ja, ich fühle mich von allen Wert geschätzt. Vielleicht ist es meine fröhliche und hilfsbereite Art, die von allen anerkannt wird.“„In unserem Museum fließen die Vorschläge der Kollegen – bei jeder Ausstellung – mit ein. Denn oft sprechen interessierte Besucher, Vereine und Gruppen uns konkret an. Wir helfen auch mit bei Führun-gen und Sonderveranstaltungen, so z.B. bei Geburtstagsfeiern im Museum. In den letzten Jahren ist das Interesse an dem Bergedorfer Museum und seiner Außenstelle – dem Rieck Haus – sehr gestiegen.“„Für die Zukunft wünsche ich mir, dass alles so bleiben soll, wie es ist – mit dem Arbeitsplatz. Aber über eine Vollzeitstelle würde ich mich sehr freuen.“„Dann kämen mein Sohn und ich endlich vom Arbeitslosengeld II los – und könnten über jede Anschaf-fung, Ausgabe selber bestimmen – und hoffentlich einmal wieder in den Urlaub fahren.“ n

Heute etwas ‚über den Durst gearbeitet‘, schnell nach Hause, unterwegs eingekauft, Spülmaschine ist ge-laufen, muss ‚nur‘ noch ausgeräumt werden, Wasch-maschine anstellen. Es ist gleich 19 Uhr. Zum Italie-nischkurs habe ich es wieder einmal nicht geschafft! Ich sollte noch vor den Nachrichten bei meinen Eltern anrufen, um zu hören, ob ich für sie morgen Abend den kleinen Transport durchführen soll. Die Sitzung vom Frauennetzwerk habe ich schon in weiser Voraus-schau abgesagt (leider!), um mir Luft zu verschaffen. Jetzt schnell die Suppe aufsetzen, damit mein Zucker-spiegel und meine Laune nicht auf Null sinken.

Interviewmit einer im Museum arbeitenden Kol legin

Die 4 in 1 Perspektive – eine Utopie für Frauen

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Wenn ich so abgehetzt bin, denke ich: „Das kann doch nicht alles gewesen sein!“ Und – mir geht es ja nicht alleine so. Wie schön wäre es, aus dem Zwang des Achtstundentages auszusteigen und unsere Lebensweise, unsere Arbeitsteilung und unser Zeitregime gründlich zu ändern. Das wären die Voraussetzungen, die eigene Entwick-lung und den Freiraum für politische Einmischung zu erweitern und auch die Arbeit zuhause mitzu-zählen, denn sie muss ja getan werden und nicht liegenbleiben!

Mein Traum hat auch eine Basis: die 4 in 1 Per-spektive, eine Utopie, die von der feministischen Wissenschaftlerin Frigga Haug entwickelt wurde und die sie aufgeschrieben hat im gleichnamigen Buch. Leider fand ich die Lektüre recht schwer zu lesen und versuche den Grundgedanken in eine einfache und kurze Form zu gießen: Es werden verschiedene Seiten beleuchtet, ein-mal, dass ‚Arbeit‘ bei uns allein mit bezahlter Erwerbsarbeit gleichgesetzt wird. Alle anderen Arbeiten, vor allem Haus-, Beziehungs- und Fa-milienarbeit werden nicht gesehen und wertge-schätzt, nicht bezahlt und nicht ernst genommen. Damit verknüpft ist die von mir geschilderte All-tagshetze für diejenigen, die wie ich, einen Job mit ausreichender Bezahlung haben, dafür aber kaum Zeit für andere Dinge. Viele Menschen ha-ben hingegen keine bezahlte Arbeit, aber auch kein bzw. deutlich weniger Geld zum Leben. Und außerdem kommt die Zeit für die eigene Weiter-entwicklung zu kurz, fürs Lernen, Reisen, Lesen, Gärtnern oder Faulenzen. Wir Menschen brau-chen auch das, um unsere in uns vorhandenen menschlichen Fähigkeiten zu entwickeln und sie nicht abstumpfen zu lassen!Die 4 in 1 Perspektive würde zu einer gerechte-ren Verteilung von Arbeit, Zeit und Geld führen. Zugleich greift sie die gesellschaftliche Arbeitstei-

lung an, die eine zunehmende Ungerechtigkeit zwischen den Menschen hervorbringt.

Die Theorie geht von einem Leben für alle Men-schen aus, das sich in vier Lebensbereiche auf-teilt, damit die Gesellschaft produktiv weitergeht. Diese Zeit soll sich exemplarisch aufteilen auf die 16 Std. tgl., die wir nicht schlafend verbringen. Also für jeden Bereich vier Stunden! Was für eine wunderbare Perspektive, für die es sich zu kämp-fen lohnt!

1. Erwerbsarbeit: Eine radikale Verkür-zung der im Erwerbsleben verbrachten Zeit soll Räume für anderes öffnen.

2. Familienzeit im weitesten Sinne: Zeit für Kinder, Alte, Nächste, Freunde, ein Füreinander und Miteinander, das mehr und mehr verkommt.

3. Zeit für gesellschaftliches Engage-ment: Z. B. politische Einmischung und gewerkschaftliches Engagement.

4. Zeit für „Arbeit an sich selbst“: Wei-terbildung oder Muße.

Und Muße ist jetzt ein schönes Stichwort. Ich wer-de die Beine hochlegen, Zeitung lesen und mir vielleicht später noch einen Film anschauen. n

Die 4 in 1 Perspektive – eine Utopie für Frauen

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Frauen und Bildung

Betrachtet man das Schulwesen in Hamburg, hat man den Eindruck, die Mädchen hätten die gleichen Chancen wie die Jungs. Zumindest in den Schulen sieht es so auch aus. Allerdings ver-schwimmt die ganze Angelegenheit im Laufe der Zeit. Spätestens bei der Berufsausbildung sieht man die Ungleichverteilung. Frauen streben zum großen Teil noch immer in die typischen weibli-chen Berufe, die dann auch noch schlecht bezahlt werden und häufig keine guten Karrieremöglich-keiten bieten. Es fällt immer wieder auf, dass z.B. in den Supermärkten an den Kassen, meist Frau-en sitzen, in den vielen Backshops, Bekleidungs-geschäften etc. das gleiche Bild. Hier sitzen zum Teil ausgebildete Einzelhandelskauffrauen, weil sie am ehesten, wenn sie Familie haben, in Teil-zeit arbeiten können. Allerdings zu extrem miesen Bedingungen, die Bezahlung ist häufig unterir-disch. Und dabei finden viele Frauen, selbst wenn sie wollen, keine Vollzeitbeschäftigung mehr.

Aber zurück in die Schulen.Hier wird wohl versucht die Geschlechter gleich zu behandeln, es gelingt aber nicht immer. Als Beispiel in den Schulbüros sitzen fast ausschließ-lich Frauen, zum größten Teil in Teilzeit beschäf-tigt und so mies bezahlt, dass diese Frauen später von ihrer Rente nicht leben können. Hier wird den SchülerInnen schon vorgelebt, dass solche Jobs eher etwas für Frauen sind. Die Männer leiten dann eher eine Schule….! Bei dem pädagogi-schen Personal ist auch klar: Die Frauen unter-richten/arbeiten eher im Grundschulbereich. Die Männer sind hier in einer absoluten Minderheit. In der Sekundarstufe verlagert es sich dann et-was zugunsten der Männer. Also immer noch, die kleinen Kinder werden eher von Frauen betreut/unterrichtet. Dies ist für die Jungs nicht immer leicht. Viele Jungs wachsen schon ohne Vater auf, im Kita-Bereich dominieren die Frauen und in der

Grundschule geht es weiter. Ob dies für die Ent-wicklung der Jungen wirklich gut ist, ist die Frage. Die Ausgewogenheit sollte unbedingt angestrebt werden.

Bleiben wir bei den Frauen, die im Schulbüro arbeiten. Diese Verwaltungsangestellten können von ihrem Gehalt häufig nicht allein leben, sie sind auf verdienende Partner angewiesen. Wenn sie allein leben, beziehen sie häufig ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt. Ihre Kinder wachsen auch unter diesen Bedingungen auf. Viele Frauen müssen noch einen Zweitjob ausüben, um sich über Wasser halten zu können. Durch die ex-plodierenden Mieten in Hamburg geraten diese Frauen häufig in finanzielle Bedrängnis und sind eigentlich gezwungen, sich günstigeren Wohn-raum zu suchen. Dies ist ein völlig hoffnungsloses Unterfangen in Hamburg. An dieser Stelle geraten sie dann u.U. in die Schuldenspirale. Sie sollen ja auch noch etwas für die Altersvorsorge bei Sei-te legen, aber wovon? Am Monatsende ist nichts mehr übrig. Nun könnte man meinen, naja, sie können sich ja beruflich weiterentwickeln. Dies ist in Schulen für diese Berufsgruppe leider gar nicht möglich. Also bleiben die Frauen dort und versu-chen, ihr Leben zu bewerkstelligen.

Schule vermittelt eine scheinbare Gleichberech-tigung, lebt aber etwas ganz anderes vor. Dies nehmen die SchülerInnen durchaus auf. Hoffent-lich lernen sie auch daraus!

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FAZIT:• Wir Frauen brauchen Partner, die sich gleichberechtigt mit um die Kin-

derbetreuung kümmern, damit die Frauen nicht in Teilzeitbeschäftigung gehen müssen.

• Wir Frauen brauchen Fortbildungsangebote, die Frauen auch während der Phase der Kinderbetreuung gut nutzen können.

• Wir Frauen brauchen Arbeitgeber mit familienfreundlichen Arbeitszeiten.

• Wir Frauen brauchen bezahlbaren Wohnraum und günstige öffentliche Nahverkehrsmittel. n

Der Landesbetrieb Gebäudereinigung entstand als Auffangbetrieb für die Beschäftigten des ehemaligen Landesbetriebes Krankenhäuser und den Beschäftigten von Schulbau Hamburg. Im Jahre 2012 wurden alle Reinigungskräfte in einen Landesbetrieb Reinigung zusammengeführt. Es mussten 274 ehemali-ge LBK-Reinigungskräfte, die bis zum 31. Januar 2012 beim LBK-Käufer Asklepios-Kliniken beschäftigt waren, in den öffentlichen Dienst übernommen werden. In das Unternehmen wurden auch 168 Frauen eingegliedert, die bisher für Schulbau Hamburg gearbeitet haben.Diese städtischen Reinigungskräfte sind für ca. 12 Prozent aller öffentlichen Gebäude (vor allem in Schu-len) zuständig. Der weit überwiegende Teil öffentlicher Gebäude wird weiterhin von privaten Reinigungs-firmen sauber gehalten.

Der Bruttoverdienst einer Vollzeitbeschäftigten beträgt ca. 2.300 Euro nach 30 Jahren. Alle Beschäftigten sind über 15 Jahre im Landesbetrieb Gebäudereinigung (= LGH) und dessen Vorgängern beschäftigt.

Frauen und Bildung

Interviewmit einer Personalrät in der Gebäudereinigung

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Viele Kolleginnen sind teilzeitbeschäftigt. Von den ehemaligen LBK-Beschäftigten arbeiten 35 % Vollzeit, 65 % Teilzeit (Stundenvolumen von vier bis sieben Stunden täglich).Viele Beschäftigte haben einen Nebenjob als Putz-frau. Für sie besteht das ganze Leben aus Putzen:

1. Beschäftigung beim LGH als Reinigungskraft

2. Nebentätigkeit als Putzfrau, meistens in frem-den privaten Haushalten

3. Putzen im eigenen privaten Haushalt

Viele Beschäftigte, die 65 Jahre alt sind, wollen weiter arbeiten, weil ihre Rente so gering ist. Teil-zeitbeschäftigte kommen oft krank zur Arbeit, weil sie vom Krankengeld nicht leben können. Die Beschäftigten sind mehrheitlich nicht deut-scher Herkunft (16 bis 17 Nationalitäten). Das Durchschnittsalter beim LGH beträgt ca. 53 Jah-re. 20% der Beschäftigten sind schwerbehindert. Viele Reinigungskräfte haben durch ihre Arbeit ein Schwerbehinderung.

Die Gesprächspartnerin ist freigestellte Personal-rätin, seit September 2013 Vorsitzende des Per-sonalrats, gelernte Gebäudereinigerin und kroatischer Herkunft. Der Personalrat besteht aus deutschen, türkischen und kroatischen Mitgliedern. Als einzig freigestelltes PR-Mitglied bleibt sehr viel Personalratsarbeit an ihr hängen, da andere Mitglieder des Per-sonalrats in Objekten das durch Krank-heit fehlende Personal ersetzen. Als Personalrätin hört sie viele Klagen von ihren Kolleginnen, die die Arbeit aufgrund der vorgegebenen Leis-tungsstunden sowie den engen Reini-gungszeiten morgens in der Verwaltung nicht schaffen können.

Jede Reinigungskraft ist einem Objekt zugeteilt und muss die Verantwortung für dieses Objekt mit tragen. Es finden alle drei Monate unangemelde-te Kontrollen statt. Wenn ein Bereich schlecht ab-schneidet, müssen die Mängel zum Teil innerhalb einer Woche behoben werden, da eine Nachkon-trolle erfolgt. Bisher haben diese Ergebnisse nur die Konse-quenz, dass jede Reinigungskraft weiß, wie ihr Bereich im Gegensatz zu anderen abgeschnitten hat. Schlechte Ergebnisse haben allerdings zur Folge, dass der Kunde unzufrieden ist und sich ständig beschwert. In letzter Konsequenz kann das Objekt vom Landesbetrieb Gebäudereini-gung abgezogen werden und bedeutet für die KollegInnen eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz.

Die Wertschätzung der Arbeit der Reinigungs-kräfte in LGH und bei Kunden ist im Großen und Ganzen positiv, allerdings muss die Reinigung gut funktionieren, ansonsten wird das Objekt vom Kunden FHH abgezogen und an ein privates Un-ternehmen gegeben. n

Interviewmit einer Personalrät in der Gebäudereinigung

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Frauen in der IT-Branche

Eigentlich wollte ich, freigestellte Personalrätin bei Dataport, einen Artikel darüber schreiben, dass die Gleichstellung der Frauen in der IT-Branche noch zu wünschen übrig lässt. Je mehr ich dann bezogen auf meine Arbeitgeberin, Dataport, eine Anstalt des öffentlichen Rechts und IT-Dienstleis-terin für inzwischen sechs Bundesländer, darüber nachdachte, desto mehr fiel mir ein, wo meine Arbeitgeberin viel tut, um für Frauen attrak-tiv zu sein. Frauen in Führung – ja. Verein-barkeit von Beruf und Privatleben – ja. Frauen in Fachkarrieren – ja.

Teilzeitmodelle gibt es bei uns so viele, wie es Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter gibt, die in Teilzeit arbeiten, also flexibel auf die Bedürfnisse zugeschnitten, gerne auch kombiniert mit Telearbeit. Telearbeit wird übrigens auch gerne von Männern in Anspruch genommen – Teilzeit eher selten im Vergleich zu den Frauen.

Es gibt Seminare speziell für Frauen: „Erfolgsstra-tegien für Frauen in Technikberufen“. Aber auch welche, die sowohl von Männern als auch von Frauen gerne besucht werden. „Orientierungsta-ge für potentielle Führungskräfte“, an denen alle teilnehmen dürfen, die daran Interesse haben. In dem Seminar gibt es viel Raum für Austausch und Reflektion. Ein Angebot, das bei Frauen gut ankommt, weil sie unverbindlich schauen kön-nen, ob sie Lust auf und die Fähigkeiten für eine Führungsaufgabe haben. Wobei dort insbeson-dere Wert darauf gelegt wird, dass auch weibli-che Führungskräfte als Ansprechpartnerinnen zur

Verfügung stehen. Dann gibt es Seminare „Kom-petent im Konflikt“ – geleitet von der Professorin Dr. Ingelore Welpe, einer Expertin für Gender & Diversity Management, die das Seminar spezi-ell unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten konzipiert hat.

Sollte wegen der Teilnahme an Seminaren zusätz-liche Kinderbetreuung nötig sein, übernimmt Dataport die Kosten.

Bei Fragen in allen Le-benslagen steht das Dataport-Familienbüro allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung, auch bei

zu pflegenden Angehö-rigen. Der von Dataport gebuchte pme-familien-service unterstützt bei Bedarf beim Finden eines Pflegeplatzes und gibt ebenfalls kompetente Be-ratung.

Zusätzlich gibt es für persönliche Krisensituatio-nen eine Telefonnummer, unter der rund um die Uhr externe qualifizierte Ansprechpartner/innen – selbstverständlich vertraulich – erreichbar sind.Karrierechancen haben Frauen bei Dataport viel-fältige.

Gerade wurde eine Frau die neue Bereichsleiterin des Technikbereichs – das wäre sicherlich noch nicht in allen Unternehmen selbstverständlich. Bei der Suche nach einem neuen Vorstandsmitglied wurde versucht, die Position möglichst mit einer geeigneten Frau zu besetzen, was gelang. Seit Ende 2012 ist der Unternehmensvorstand nun zu einem Drittel weiblich.Um Frauen in Teilzeit die Wahrnehmung von Füh-

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rungsaufgaben besser zu ermöglichen gibt es Top Sharing-Modelle, d. h. zwei Mitarbeiter_Innen tei-len sich eine Führungsposition. Bis dato gibt es drei „Führungs-Tandems“ bei Dataport.

Auch bei der Personalgewinnung wird überlegt, wie Frauen besser adressiert werden können, da-mit sie sich bewerben. Denn in technischen Beru-fen sind Frauen ja immer noch in der Unterzahl. Bei Dataport beträgt der Anteil in technischen Be-rufen knapp 20%. Ursächlich dafür ist jedoch vor allem die geringe Affinität von Frauen für tech-nische Berufe. Denn bereits in den technischen Ausbildungs- und Studiengängen ist der Frauen-anteil gering. Weil Dataport auch im Vorfeld der Berufswahl etwas tun will, um den Frauenanteil zu erhöhen, tritt es gezielt an Schulen heran und stellt sich und die technischen Berufe dort vor und geht Partnerschaften mit Schulen ein. Das Ange-bot am Girls‘ Day zielt natürlich auch darauf ab, Mädchen IT-Berufe näherzubringen.

Eine Kollegin war durch ihr Bewerbungsgespräch so nachhaltig positiv beeindruckt, dass sie die Geschichte auch heute noch gerne allen erzählt. Nämlich, dass sie hochschwanger mit „Riesen-Bauch“ im Auswahlgespräch saß und wegen der offensichtlichen Schwangerschaft eigentlich bereits mit einer Absage rechnete (wie es ja bei vielen Arbeitgebern sicherlich auch passiert wäre) und dann zu ihrer großen Überraschung die Stel-le bekam. Die Schwangerschaft und die dadurch absehbare Abwesenheit waren kein Thema und es kam allein auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten an. Eigentlich sollte das ja auch selbstverständlich sein. Ist es auch – bei Dataport.

Anscheinend hat Dataport erkannt, dass Unter-nehmen von einer gut durchmischten Personal-struktur profitieren und der Frauenanteil dafür

sehr wichtig ist. Aber auch die Unternehmenskul-tur spielt natürlich eine große Rolle, ob Frauen (und alle anderen) sich dort wohlfühlen und gerne einbringen sowie auch mal etwas riskieren oder ausprobieren. Ich habe die Kultur dort bisher als sehr positiv empfunden und mir sind auch meh-rere Beispiele bekannt, bei denen Frauen (aber auch Männer) sich ausprobieren konnten, z. B. in einer Führungsrolle und wenn es dann nicht das Richtige war oder sich die persönliche Situati-on änderte, danach engagiert, selbstbewusst und ohne Gesichtsverlust wieder was anderes machen konnten.

Natürlich gibt’s nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Z.B. sollte der Anteil von Frauen in Führung in manchen Bereichen höher sein, da-mit er wenigstens ihrem Anteil an der Belegschaft entspricht. Und es wirken natürlich die gleichen gesellschaftlichen und politischen Kräfte, die zu struktureller Benachteiligung von Frauen führen.Ich selber fühle mich als Frau bei Dataport jedoch insgesamt wohl und freue mich, von diesem po-sitiven Beispiel einer Arbeitgeberin berichten zu können. n

Frauen in der IT-Branche

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Unsere Forderungen:

• 30-Stunden-Woche für alle bei vollem Lohnausgleich,

dann haben prekäre Beschäftigungsformen wie Zeit-

arbeit, Minijobs und Werkverträge ausgedient!

• Sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse für

alle.

• Keine Befristung ohne Grund.

• Keine Leiharbeit.

• Absicherung durch Gesetz und Tarif.

• Mindestlohn in angemessener Höhe.

• Keine Scheinselbständigkeit. n

Ich bin eine gut ausgebildete Fachkraft und arbeite bei einem Zeitarbeitsunternehmen. Die meisten dort Beschäftigten sind Frauen. Solange die Zeitarbeitsfirma mich an Unternehmen vermitteln kann, die zu wenig eigenes Personal haben, habe ich einen Job. Ob es einen Anschlusseinsatz für mich gibt oder nicht, entscheidet sich alle paar Wochen oder Monate neu. Soll ich es Glück nennen, dass ich schon seit mehr als acht Jahren dabei bin? Eigentlich sollte dies nur ein vorübergehender Job werden. Ich hatte auf einen unbefristeten Arbeitsplatz gehofft und damit auf mehr Sicherheit und Arbeitnehmerrechte. Aber als Mutter, die in Teilzeit und ohne Schichtbetrieb arbeiten möchte, habe ich noch nie ein Jobangebot von einem Zeitarbeitskunden erhalten, obwohl alle mit meiner Arbeit sehr zufrieden sind. Ich muss bei meiner Arbeit immer 110% Leistung zeigen, damit die Kunden mich bei Bedarf wieder anfordern. Für meine Arbeit bekomme ich normalerweise aber weniger Geld als die Festangestellten, deshalb wird meine Rente entsprechend klein ausfallen - keine guten Aussichten für mich. Mit dieser andauernden psychischen Belastung klar zu kommen, ist nicht so einfach - so manche wird davon krank. Aber sollte ich krank werden, droht mir die Arbeitslosigkeit.

Das ist nicht Chicago um 1900 - das ist Hamburg im Jahr 2014!

Interviewmit einer Leiharbeitnehmerin

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Frauen und Kinder machen weltweit 80% aller Flüchtlinge aus. Nach Angaben der ILO (Interna-tional Labor Organisation) sind etwa die Hälfte der 100 Millionen ArbeitsmigrantInnen in regulä-ren Arbeitsverhältnissen weiblich. (http://www.ilo.org/global/Themes/Labour_migration/lang--en/index.htm) Diese Entwicklung ist eine Folge der globalisierten Nachfrage nach frauenspezifischen Dienstleistun-gen als Reinigungskräfte, im Haushalt, im Pflege-bereich, in der Gastronomie und auch in der Se-xindustrie. Die Migrationsgründe von Frauen sind verschieden, doch finanzielle Not steht häufig im Vordergrund. Zu den Motiven wie Armut und politischer Verfolgung kommen bei Frauen noch geschlechtsspezifische Aspekte hinzu: Die Diskri-minierung und Benachteiligung in patriarchalen Gesellschaften bieten ihnen weniger Zugang zu Bildung und Berufsausbildung, sie verdienen weit-aus weniger als Männer, und als Alleinerziehende sind sie häufig für die Ernährung der Kinder und das ökonomische Überleben der ganzen Familie allein verantwortlich. So muss Migration nicht im-mer als ein Schritt aus der wirtschaftlichen Not in-terpretiert werden, sondern kann auch als Chan-ce gesehen werden, den geschlechtsspezifischen Benachteiligungen in ihrer Ursprungsgesellschaft zu entfliehen.

Für die nicht legale Migration suchen sich viele Frauen Helfer für die Beschaffung von Pässen und Visa sowie der Transportmittel, um den Weg über-haupt antreten zu können. Das heißt, sie begeben sich schon vor Beginn der Migration in Abhän-gigkeitsverhältnisse und kommen entsprechend verschuldet im Zielland an. Aus dem illegalen Aufenthaltsstatus ergeben sich für Frauen direkte Auswirkungen auf die allge-meinen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sie von denen anderer Migrantinnen unterscheiden:

• Sie sind stärker Gewalt und gesundheitlichen Risikosituationen ausgesetzt.

• Sie haben wenig Zugang zu Informationen über ihre Rechte und zu Beratungsstellen.

• Sie verzichten aus Angst vor Abschiebung und anderen Repressalien darauf, Anzeige gegen Täter zu erstatten.

Frauen ohne Papiere finden am ehesten eine stundenweise Arbeit als „domestic worker“ oder als Putzfrau in privaten Haushalten. Solche Ar-beitsplätze sind in Hamburg mit ca. 10 Euro Stun-denlohn relativ gut bezahlt, und die Abhängigkeit vom Arbeitgeber ist geringer, wenn die Hausar-beiterin nicht im Haushalt wohnt. Außerdem wer-den in privaten Haushalten keine Kontrollen von Polizei und Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) durchgeführt, so dass sie sich während der Arbeit eher geschützt fühlen als illegalisierte Arbeiter auf Baustellen oder in der Gastronomie. Mehrere der befragten Migrantinnen meinten deshalb auch, dass Frauen ohne Aufenthaltsstatus es einfacher haben als Männer, in Hamburg zu überleben, weil sie immer eine Arbeit finden.

Die Ergebnisse der Befragungen von ExpertInnen und betroffenen Migrantinnen in Hamburg zei-gen deutlich, dass Frauen, die in privaten Haus-halten arbeiten und gleichzeitig beim Arbeitge-ber wohnen, extremen Ausbeutungsverhältnissen ausgesetzt sind. Häufig haben die Frauen keine Informationen über normale Stundenlöhne und arbeiten für ein besseres Taschengeld, wovon sie auch noch einen Teil in das Heimatland überwei-sen, um die Familie zu unterstützen. Die Mitarbei-terin einer Frauenberatungsstelle berichtete z.B. über eine philippinische Hausangestellte, die im Haushalt des Arbeitgebers lebt und 400 Dollar monatlich für eine 6-Tage Woche erhält.

Frauenleben in der Illegalität

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Besondere Probleme treten für Frauen bei einer Schwangerschaft auf. Der illegale Status wird hier zu einem Gesundheitsrisiko für Mutter und Kind, weil häufig wegen fehlender Krankenversicherung, aus Geldmangel oder aus Unwissenheit darüber, wo es kostenlose Unterstützung gibt, auf die Vorsorgeunter-suchungen verzichtet wird. Dabei gibt es in Hamburg gleich mehrere Familien- und Sexualberatungsstel-len, die kostenlose Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere durchführen. Allein in einer der befragten Beratungsstellen wurden zum Zeitpunkt des Interviews 17 Schwangere ohne Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherung regelmäßig kostenlos betreut.

Insgesamt ist festzustellen, dass es für Frauen ohne Aufenthaltsstatus in Hamburg eine Reihe von Un-terstützungsangeboten aus dem frauenpolitischen Spektrum gibt. Diese Angebote reichen von Hilfe bei Behördengängen, Wohnungssuche, kostenlosen und anonymen Sprachkursen, Vermittlung von Schulbe-such und Kinderbetreuung bis zur Schwangerenbetreuung. n

Frauenleben in der Illegalität

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Der Wohnungsmarkt in Hamburg ist mehr als angespannt. Das ist bekannt. Dies führt zu Prob-lemen für die meisten Hamburger und Hambur-gerinnen, die eine Wohnung suchen. Warum sind von diesen Problemen Frauen besonders betrof-fen?

Sucht eine Frau eine Wohnung in Hamburg, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie deutlich weniger Geld für die Miete ausgeben kann als ein Mann sehr hoch. Denn ein Drittel der Haushalte in Hamburg sind Haushalte mit Alleinerziehenden und diese sind in den meisten Fällen Frauen. Zwei Drittel der in Hamburg beschäftigten Frauen ar-beiten in Teilzeit. Bei den Einpersonenhaushalten mit Rentnerinnen und Rentnern ist der Anteil der Frauen doppelt so hoch wie der von Männern.

All das wäre nicht das Problem, wenn nicht gera-de diese Frauen auch deutlich niedrigere Einkünf-te zur Verfügung hätten.Frauen in Vollzeit verdienen durchschnittlich 600 Euro netto weniger als Männer. Arbeiten sie in Teilzeit haben sie im Schnitt ungefähr 1.200 Euro netto zur Verfügung. Mehr als die Hälfte der in Hamburg beschäftigten Frauen verdienen unter 1.500 Euro netto.Die Zahlen machen deutlich, dass die Ausgangs-situation für eine Wohnungssuche für Frauen deutlich schlechter ist als für Männer.Die Angaben stammen aus den statistischen Er-hebungen aus den Jahren 2011 und 2013.

Eine Suche im Februar 2013 beim größten On-lineanbieter von Mietwohnungen ergibt, dass nur ein Zehntel der angebotenen Mietwohnungen in einem Umkreis von 20 km von Hamburg für eine Kaltmiete von unter 500 Euro zu haben sind. Sucht frau eine Wohnung für sich alleine, gehen wir mal von zwei Zimmern in der Größenord-

nung von 40-60 m² aus, dann sind es nur noch 33 Wohnungsangebote. Kann sie bis zu 700 Euro Kaltmiete bezahlen, stehen schon ca. 300 Woh-nungen zur Verfügung. Nur zeigen leider die obi-gen Ausführungen, dass nur eine Minderheit der Frauen solch einen Betrag für eine Miete ausge-ben kann.Ist sie jetzt vielleicht auch noch alleinerziehend und braucht daher eine etwas größere Wohnung (3 Zimmer, 60-80 m²), gibt es nur noch 22 Woh-nungen für eine Kaltmiete von 500 Euro im An-gebot.

Dabei sind folgende Aspekte noch gar nicht be-rücksichtigt:Die Beispielsuche war nicht eingeschränkt auf be-stimmte Stadtteile. Das Wohnumfeld zu wechseln oder in günstigere Wohngebiete zu ziehen bedeu-tet, dass die Kinder evtl. die Schule oder die Kita wechseln müssen, die Betreuung von Kindern neu organisiert werden muss und vieles mehr.Auch will frau berechtigterweise nicht in eine Ge-gend ziehen in der sie abends Angst haben muss, alleine unterwegs zu sein.Abgesehen davon kommen zur Kaltmiete noch die Betriebs- und Nebenkosten hinzu. Somit bleibt für viele Frauen vom Einkommen nicht mehr viel zum Leben übrig, wenn sie denn überhaupt eine Wohnung findet.

Ausreichend Sozialwohnungen mit Mietpreisbin-dung waren und sind ein gutes Mittel, um hier Abhilfe zu schaffen. Leider liegt der Anteil von geförderten Wohnungen in Hamburg 2011 nur noch bei 11%. Bei 27% dieser Wohnungen läuft die Preisbindung bis 2017 aus. Somit sind die Bemühungen der Stadt, die Anzahl von Wohnun-gen in Hamburg, auch den Anteil des geförderten Wohnraums, wieder zu erhöhen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein und taugen allenfalls dazu,

Frauen und Wohnen in Hamburg

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den schlechten Zustand zu halten, aber keines-falls dafür, die Situation zu verbessern.Und auch den immer größeren Mietpreiserhö-hungen bei Neuvermietungen hat die Stadt bisher nicht viel entgegengesetzt.Zudem ist es für viele Wohnungsbesitzer anschei-nend noch immer attraktiv, Leerstand in Kauf zu nehmen oder die Wohnungen als Ferienwohnun-gen zu vermieten.Verbessert sich die Lage auf dem Wohnungs-markt in Hamburg nicht deutlich, werden vor allem Frauen die Leidtragenden sein. Frau kann zur Zeit nur hoffen, dass sie nicht in die Situation kommt, in der sie gezwungen ist, eine Wohnung zu suchen.

Und noch ein persönliches Beispiel der Autorin zum Schluss:Ich habe mich mal fiktiv auf Wohnungssuche ge-macht. Würde ich jetzt eine neue Mietwohnung suchen, weil ich, aus welchen Gründen auch im-mer, meine jetzige Wohnung aufgeben müsste, und würde ich auch nur annähernd unter jetzigen Bedingungen weiterwohnen wollen, was Größe, Lage und Ausstattung der Wohnung anbelangt, so gibt mir der Onlineanbieter ganze drei Ange-bote an. Das günstigste Angebot liegt bei 300 Euro über meiner jetzigen Wohnung für ca. 60 m². Auch wenn ich als vollzeitbeschäftigte Ingeni-eurin im öffentlichen Dienst im Vergleich zu den meisten Frauen so schlecht nicht verdiene, würde ein Wohnungswechsel mit massiven Einschrän-kungen für mich einhergehen. Da kann ich nur hoffen, dass ich noch lange in meiner Wohnung bleiben kann.

Bedarfsgerechtes Wohnen ist nicht nur für Frauen in Hamburg existenziell. Die Politik ist gefordert, alles dafür zu tun, dass ausreichend bezahlba-rer Wohnraum zur Verfügung steht. Es muss eine

Selbstverständlichkeit werden, dass alle Men-schen in der Stadt menschenwürdig wohnen und leben können. n

Unsere Forderungen:• Ausbau der Sozialwohnun-gen mit Mietpreisbindung• Mietobergrenzenregelung

Frauen und Wohnen in Hamburg

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Statt im Alter gut zu leben, freuen sich mittlerweile immer mehr Frauen, wenn die gesetzliche Rente überhaupt zum Leben reicht. Dies ist schon jetzt in der Regel nicht möglich. In den meisten Fällen wird sie soziale Grundsicherung beantragen oder jobben müssen, wenn es der Gesundheitszustand erlaubt.

GrundsicherungDie Grundsicherung im Alter soll denjenigen eine sichere materielle Lebensgrundlage verschaffen, die keine existenzsichernden Renten aufbauen, sich auch keine private Altersvorsorge leisten konnten und deshalb von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Doch auch bei Be-zug von Grundsicherung ist die soziale Ausgren-zung nicht ausgeschlossen.

Altersarmut und verdeckte ArmutWenn in unserem Land von der relativen Armut gesprochen wird, ist die Einkommensarmut ge-meint. Als armutsgefährdet wird der Anteil der Personen angesehen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Medi-an), der lokalen Bevölkerung beträgt. Frauen sind häufiger von der Armut betroffen. Verdeckte Armut oder verschämte Armut liegt vor, wenn Armut nicht zugegeben, Sozialhilfe nicht beantragt, an Lebensmitteln gespart, Lebensnot-wendiges nicht gekauft, eine Reparatur in der

Frauen verfügen allgemein über ein niedriges Rentenniveau. Die bestehenden Ungleichheiten sind aus der geschlechterpolitischen Perspektive darin zu sehen, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger als Männer unterbrechen, sie arbeiten in Teilzeit oder geringfügiger Beschäfti-gung und sind durchschnittlich oft im Niedriglohn-sektor vertreten. Sie verdienen auch dann weni-ger als Männer, wenn man die berufliche Stellung oder die Arbeitszeit mit betrachtet. Die Folge ist, dass der ‚Gender Pay Gap‘ in Deutschland mit 22 Prozent im europäischen Vergleich sehr hoch liegt. Der durchschnittliche Bruttolohn pro Stunde lag bei 15,56 Euro, während Männer auf 19,84 Euro kamen. Nicht anders sieht es bei der Renten-lücke ‚Gender Pension Gap‘ aus. 2012 betrug sie 59,6 Prozent. Frauen, die sich für Ehe und Familie entschieden haben, bekommen sogar 69 Prozent weniger Rente. Sie haben für die Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit oft lange unterbrochen oder in Teilzeit gearbeitet. Die heutige durchschnittliche gesetzliche Rente von Frauen beträgt 645 Euro im Monat, für Männer hingegen 1.595 Euro. Auch die Rente von Frauen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, ist im Verhältnis niedriger.Die Entwicklung der Alterssicherung befindet sich durch die Rentenreform 2001 im Sinkflug. Das bisher angestrebte Leistungsziel, das auf die Er-haltung des während des im Berufsleben erwor-benen Lebensstandards gerichtet war, wurde der Sicherung der Beitragsstabilität in der gesetzli-chen Rentenversicherung untergeordnet. Auch das Prinzip der paritätischen Rentenfinanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde gebrochen. Ebenso werden die Frauen bei der neu geschaffenen Rente ab 63 benachteiligt. Laut Statistik wird nur jede siebente Frau die Bedin-gungen erfüllen können.

Die Rente – ein zukünftiger Absturz?

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Wohnung verzögert, Besuch nicht eingeladen wird, d. h. die eigene Wertvorstellung verhindert, dass ein Anspruch an die Gemeinschaft gerichtet wird. Die vermutete Dunkelziffer der Armut lag 2007 bei 68 Prozent.

Die Kluft zwischen Reich und ArmDie Schere zwischen Arm und Reich klafft auch im Alter immer weiter auseinander. Hamburg ist die Hauptstadt der armen Rentner. 24.000 Rent-ner sind armutsgefährdet in Hamburg. 19.730 der über 65-Jährigen beziehen Grundsicherung, davon sind 11.387 Frauen betroffen.Die Lebenshaltungskosten, speziell Mietpreise plus Neben- und Energiekosten, sowie Inflation und Steuern sind stetig angestiegen, während die Renten beinahe gleich geblieben sind.

Armut senkt LebenserwartungArmut wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Die mittlere Lebenserwartung von Frauen aus den niedrigsten Einkommensgruppen liegt unter der von Frauen der höchsten Einkommensgruppe bei acht Jahren Unterschied. Die gesundheitliche Ungleichheit schränkt die Lebensqualität und die Handlungsmöglichkeiten ein. Gesundheit ist aber ein grundlegendes Menschenrecht (Recht auf kör-perliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG) und sollte daher auch sozialpolitisch von großem In-teresse sein.

Wie lebt es sich, wenn man nicht mehr mit den stei-genden Lebenshaltungskosten mithalten kannVerzicht und Sparsamkeit haben Priorität und do-minieren alle Entscheidungen. Wie steht es um Fahrkarten, Lebensmittel, Versicherungen, uner-wartete Ausgaben, (wie z. B. Zahnkosten, Rezept-gebühren/Medikamente), Futter für ein Haustier, GEZ und andere Gebühren oder Beiträge? Oder gar ein einwöchiger Jahresurlaub weg von zu Hause? Wie sieht es aus mit der kulturellen Teil-habe am Gesellschaftsleben? Groß sind die An-gebote für Ermäßigungen in Hamburg nicht. Hier geht man immer noch davon aus, dass es den Rentnerinnen doch glänzend geht. Sicherlich wird an die gutsituierten Rentnerinnen gedacht, die in der Öffentlichkeit und auf blankem Parkett anzu-treffen sind. Die von Altersarmut bedrohten sind nur dort sichtbar, wo es Sonderangebote oder Al-mosen gibt.

Einsamkeit ist die neue Armut: Denn es fehlen einfach die finanziellen Möglichkeiten für Ältere, meist Alleinstehende, um die Schranken ihrer iso-lierten Welt zu durchbrechen n

Die Rente – ein zukünftiger Absturz?

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Seit geraumer Zeit mache ich mir immer mehr Gedanken dazu… warum?Weil ich zehn Jahre lang nicht erwerbstätig war und als Mutter und Hausfrau meine kleine Familie mit zwei Kindern gemanagt habe. Ich habe den Haushalt geschmissen, die Kinder unterstützt und meinem Mann den Rücken frei gehalten. Er hat für unseren Unterhalt gesorgt. Eine sehr erfüllte und tolle Zeit.Aber ich habe nur vier Jahre Kinderzeiten in der Rentenversicherung angerechnet bekommen. Das be-deutet, ich habe sechs Jahre keine Beiträge gezahlt. Und danach war ich ‚natürlich‘ teilzeitbeschäftigt auf Steuerkarte. Und das neun Jahre lang. Ich habe mich um die Belange meiner kleinen Familie ebenso ausführlich gekümmert, wie um die Ansprüche meiner Arbeitsstelle an mich und von mir an die Arbeit. Mein Tag hatte oft nicht genug Stunden und das alles für einen Halbtagslohn... denn die Bezahlung für meine Familientätigkeit war natürlich null.

Das wiederum bedeutet: Nur geringe Beiträge für die Halbtagstätigkeit wurden in die Rentenversiche-rung abgeführt.Seit vier Jahren bin ich wieder Vollzeit erwerbstätig… und wenn ich jetzt meine Rentenberechnung lese (die ja regelmäßig in meinen Postkasten flattert), dann wird mir angst und bange. Wie kann ich ohne meinen Mann ein auskömmliches Rentenerinnenleben führen??

Also hoffe ich, dass wir zusammen das Rentenalter erreichen werden (zurzeit stehen die Chancen sehr gut), und wir unsere beiden Renten zusammen verleben können. Denn ich habe meine vermeintlichen Rentenansprüche zu Gunsten meiner kleinen Familie eingesetzt – im guten Glauben, dass das für mich keine Nachteile haben wird. Ich hoffe, dies wird mir im Alter nicht zum Verhängnis. n

Unsere Forderungen:• Steuerfinanzierte Mindestrente• Rente mit 63 Jahren für alle• EU-Rente mit besseren Bedin-gungen

Gedanken einer Kollegin zur Rente

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Die Erwerbstätigkeit der Frauen in Europa ist von Ungleichheiten gegenüber jener der Män-ner geprägt. Allerdings ist das Ausmaß dieser Ungleichheiten in Europa höchst unterschiedlich. Besonders auffällig ist der sogenannte „Gender Pay Gap“, bei dem Deutschland sehr schlecht ab-schneidet.

‚Gender Pay Gap‘ im EU-Vergleich in %

Gender Pay Gap ist ein Begriff der Volkswirt-schaftslehre und der Soziologie, der den Un-terschied der Stundenlöhne und damit Einkom-mensunterschiede zwischen Männern und Frauen in der gesamten Volkswirtschaft beschreibt.

Es gibt viele EU-Richtlinien zur Gleichstellung, doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind in den Mitgliedsländern unterschiedlich geregelt. Die Situation von Frauen in Europa ist in allen Mitgliedsländern gleich, nämlich ungleich gegen-über der Situation von Männern.

In den Medien wird zum Beispiel immer berichtet, dass es in Frankreich eine gute Kinderbetreuung geben soll. Kontakte aus Frankreich können fol-gendes berichten:In Frankreich können Familien Kinder ab drei Jahren von 7:30 Uhr bis 18:30 Uhr in der Schule betreuen lassen. In der Grundschule haben die Kinder 24 Stunden Unterricht pro Woche, der Rest der Zeit ist nur Betreuung. Der Geräuschpegel in den Räumen, in denen die Kinder betreut werden, übersteigt nicht selten jede zugelassene Dezibel-Grenze. Es gibt kaum Eltern, die ihre Kinder so lange in der Schule lassen. Einen Krippenplatz in einer französischen Groß-stadt zu bekommen, ist sehr schwierig. Die meis-ten Eltern in Frankreich engagieren daher eine Tagesmutter, die wesentlich teurer ist. In französi-schen Großstädten ist es ebenfalls schwierig, eine geeignete Tagesmutter zu finden.Jeden Mittwochnachmittag ist schulfrei. Für diese Mittwochnachmittage benötigen Frauen in Frank-reich einen guten Freundes- und Bekanntenkreis oder Großeltern, die die Betreuung übernehmen können. Privat geregelt werden müssen auch die fast 4,5 Monate Ferien, die es in Frankreich gibt. Beispiele dieser Art lassen sich in jedem europäi-schen Land finden, so auch in den Niederlanden.

Land 2011

EU-27 16,2

Belgien 10,2

Bulgarien 13,0

Dänemark 16,4

Deutschland 22,2

Estland 27,3

Finnland 18,2

Frankreich 14,7

Italien 5,8

Niederlande 17,9

Österreich 23,7

Schweden 15,8

Spanien 16,2

Vereinigtes Königreich 20,1

Quelle: Statistisches Bundesamt Auszug

Frauen in Europa

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Das ver.di Frauennetzwerk der Fachbereiche Bund, Länder und Gemeinden hat mit den Niederlanden gerade zum vierten Mal (nach Italien, Frankreich und Österreich) ein europäisches Land besucht, um sich über die Lebensbedingungen von Frauen zu informieren. Die Informationen aus den Medien, die vor der Reise recherchiert wurden, vermittelten den Eindruck, dass die Bedingungen von Frauen in den Niederlanden besser wären als die von Frauen in Deutschland. Gespräche mit niederländischen Ge-werkschafterinnen ergaben jedoch, dass dies leider nicht der Fall ist. n

Wie machen wir weiter? Wir laden alle ein. Frauen sind überall und poli-tisch. Eine neue Welt für Frauen ist auch eine schönere Welt. Forderungen sind nicht allumfassend. Es ist ein erster Blick in die Zukunft. Das Frauen-netzwerk wird an aktuellen Themen weiterarbeiten.

FAZIT

Frauen in Europa

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