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Freiheitsbeschränkende Maßnahmen und Zwangsbehandlung in der Psychiatrie – ethische Grundlagen und Wirksamkeit Tilman Steinert Mainz, 29.8.2012

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen und Zwangsbehandlung in ... · Die beanstandeten Gesetze •§ 6 I MVollzG Rheinland-Pfalz • Im übrigen können Behandlungen und Untersuchungen

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Freiheitsbeschränkende Maßnahmen

und Zwangsbehandlung in der Psychiatrie – ethische Grundlagen und

Wirksamkeit

Tilman Steinert

Mainz, 29.8.2012

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1. Art der Maßnahmen2. Stand der Rechtsprechung3. Ethische Grundlagen 4. Evidenz

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1. Art der Maßnahmen

• mechanische freiheitseinschränkende Maßnahmen»Fixierung»Isolierung»Bettgitter»Ausgangsbeschränkung»Geschlossene Station

•Zwangsbehandlung»Medikamente (Psychopharmaka, andere)»Ernährung»Medizinische Eingriffe

•Hygienische Maßnahmen unter Zwang•Einschränkungen der persönlichen Freiheit (Rauchen, Alkohol,

Mediennutzung, elektronische Kommunikation)•Auflagen bei Hilfen („Leverage“)

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2. Rechtsprechung BVerfG

• Beschluss v. 23.3.2011 (Rheinland-Pfalz):»Unterbringung nach §63 seit 1999, versuchtes Tötungsdelikt bei

wahnhafter Störung»Atypisches NL 1999-2000, seither Verweigerung

•Ein solcher Eingriff kann, auch zur Erreichung des Vollzugsziels,im Einzelfall gerechtfertigt sein.

•Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben sich jedochstrenge Anforderungen an die Zulässigkeit des Eingriffs.

•Dies betrifft sowohl die materiellen Eingriffsvoraussetzungen alsauch deren Sicherung durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen (ärztliche Indikation, unabhängige Prüfung, Rechtsschutz, Überwachung, Überprüfung,Befristung u.a.)

.•Die Eingriffsvoraussetzungen müssen in hinreichend klarer und

bestimmter Weise gesetzlich geregelt sein.

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• grundsätzliche Betonung der Freiheit zur Krankheit, aber:

• bei krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit» zulässig zur Wiederherstellung der Selbstbestimmungsfähigkeit» nicht wegen Fremdgefährdung (kann auch durch Fortdauer der

Unterbringung erreicht werden)» wenn verhältnismäßig, erforderlich, nach Art und Dauer begrenzt» als ultima ratio nach erfolglosen Aufklärungs- und Motivierungsversuchen» bei deutlich überwiegendem Nutzen – besonders schwerer

Grundrechtseingriff durch Neuroleptika» sofern keine Patientenverfügung entgegensteht (§ 1901a BGB)» nicht mehr zulässig nach Wiederherstellung der Einsichtsfähigkeit

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Rechtsprechung BVerfG

• Beschluss v. 12.10.2011 (Ba-Wü)»Unterbringung nach § 63 StGB seit 2005 bei multipler Störung der Sexualpräferenz und kombinierter Persönlichkeitsstörung»beabsichtigte Gabe des Neuroleptikums Abilify zur Behandlung des auf die Persönlichkeitsstörung zurückzuführenden Misstrauens und der Feindseligkeit gegenüber den Behandlern

•Keine hinreichende Berücksichtigung der Voraussetzung der Einsichtsunfähigkeit im Gesetzestext

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Die beanstandeten Gesetze

•§ 6 I MVollzG Rheinland-Pfalz• Im übrigen können Behandlungen und Untersuchungen zur Erreichung

des Vollzugsziels ohne Einwilligung des untergebrachten Patienten durchgeführt werden

•§ 8 II UBG Baden-Württemberg Heilbehandlung• Er hat diejenigen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zu dulden,

die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich sind, um die Krankheit zu untersuchen und zu behandeln, soweit die Untersuchung oder Behandlung nicht unter Absatz 3 fällt.

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Rechtsprechung BGHBeschluss vom 20.6.2012

• Abkehr von bisheriger Rechtsauffassung (Beschluss von 2006)• Die Vorgaben des BVerfG vom 23. März 2011 sind im

Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen

• Die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 BGB als Grundlage für eine bloße Freiheitsentziehung genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

• Es existiert keine gesetzliche Regelung, die explizit erlauben würde, den „entgegenstehenden natürlichen Willen“ mittels Zwang zu überwinden.

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UN-Behindertenrechtskonvention

•Artikel 14 Freiheit und Sicherheit der Person (1) Die Vertragsstaaten gewährleisten, a) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit genießen; b) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Freiheit nicht rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird, dass jede Freiheitsentziehung im Einklang mit dem Gesetz erfolgt und dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt. (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen, denen aufgrund eines Verfahrens ihre Freiheit entzogen wird, gleichberechtigten Anspruch auf die in den internationalen Menschenrechtsnormen vorgesehenen Garantien haben und im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen dieses Übereinkommens behandelt werden, einschließlich durch die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen.

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3. Medizinethische Grundlagen

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Ethische Grundhaltungen in der Psychiatrie

•Kantianismus (kategorischer Imperativ)/ Deontologie•Prinzipien-basierte Ethik (non-maleficience, beneficience, respect

for autonomy)•Utilitarismus•Tugendtheorie (Aristoteles)•Ethics of care

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Medizinethische Prinzipien

der Arzt ist verpflichtet:

-Respekt vor der Würde und Selbstbestimmung des Kranken zu wahren (Autonomie)

-zum Wohl des Kranken zu handeln (beneficence)

-nicht zu schaden (nonmaleficence)

-zur Gerechtigkeit (Fairness)

(Beauchamp und Childress 1994)

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Ärztliche Entscheidung über Zwangsmaßnahmen im ethischen

Konfliktfeld

Fürsorge-pflicht

Risiko ohne Intervention

Risiko der Intervention/

Nil nocere

Patienten-autonomie

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Grundsätze, die aus der Ethik und aus unserer Verfassung folgen:

• die Selbstbestimmung ist in besonders hohem Maß durch das Grundgesetz geschützt

• Einschränkungen ergeben sich, wenn die gleichermaßen schützenswerten Grundrechte anderer gefährdet werden

• medizinische Eingriffe in die Autonomie, d.h. Behandlungsmaßnahmen gegen den Willen des Patienten, können nur mit nicht vorhandener Selbstbestimmungsfähigkeit begründet werden.

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Geschäftsfähigkeit

Rechtsbegriffe und korrespondierende medizinethische Konstrukte

Einsichtsfähigkeit/ Selbstbestimmungsfähigkeit

Natürlicher Wille

freier = autonomer Wille

unfreier Wille

Einwilligungsfähigkeit

Kirsch u. Steinert 2006

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Kriterien der Einwilligungsfähigkeit

• Informationen bezüglich der geplanten Behandlung verstehen können

• Die Informationen auf die eigene Situation beziehen können• eine abwägende Entscheidung treffen können• die Entscheidung kommunizieren können

Vollmann 2000

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Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen unterliegt grundsätzlichen Einschränkungen…

• letztes Mittel (last resort) in Ethik und Politik,• Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Recht

(Deklaration von Madrid 1996, US-Kongress 1999, White Paper Europarat 2000, WHO, European Comittee for the Prevention of Torture (CPT), Minister des Europarats 2009)

BRK 2009: bezieht sich auf Behinderte, nicht psychisch KrankeEinhaltung geltender Gesetze, keine Diskriminierung auf Grund von Behinderung

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4. Evidenz

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Ethische Probleme und Evidence-based Medicine

•EbM beseitigt ethische Konflikte zumeist nicht, liefert aber Entscheidungshilfen

•Leitlinien und Gesetzte basieren bei Zwangsmaßnahmen häufig auf Expertenkonsens und sind stark kultur- und traditionsabhängig

• Die typischen Methoden der Evidenz-basierten Medizin passen nur für einen begrenzten Ausschnitt der Problemstellung

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Der ethische Kontext wird durch RCTs unzureichend abgebildet

Gutes tun Schaden vermeiden

Autonomie Fairness Recht

Patient

Mitarbeiter

Angehörige

Gesellschaft

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ambulante psychiatrische Zwangsbehandlung international

• Deutschland: keine Rechtsgrundlage• in Europa möglich in Belgien, Luxemburg, Portugal,

Schweden (keine Daten)(Dressing u. Salize 2004), UK seit …

• Neuseeland* 26,6 /100 000• Australien* 12,4 – 49,1/100 000• Kanada* 1,7-6/100 000• USA* 1-25,7/100 000• Israel* 3,8-16/100 000• UK: seit 2009, Evaluation derzeit laufend

* King‘s fund report 2005

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Involuntary outpatient Commitment (OPC) I

New York Studie (Steadman et al. 2001)randomisiert n = 64 intensive Nachbetreuungn = 78 intensive Nachbetreuung + OPC

• Keine statistischen Unterschiede im Outcome• Keine Gewaltverbrechen in beiden Gruppen• Keine Unterschiede in Lebensqualität und Wahrnehmung

von Zwang

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Involuntary outpatient Commitment (OPC) II

North Carolina Studie randomisiert n bis 311ähnl. New York Studie, OPC mind. 90 Tage, Verlängerung möglich

• nur sign. Gruppenunterschiede im 12 Monats follow-up bei OPC > 6 Monate:

»Verbesserung von Adherence »erhöhte Wahrnehmung von Zwang»trotzdem höhere Lebensqualität»weniger Gewalttaten, Verhaftungen und Viktimisierung»besonders effektiv bei Pat. mit nicht-affektiven Psychosen: 72% weniger Wiederaufnahmen gegenüber Kontrollen»OPC nur wirksam in Verbindung mit intensiver ambulanter Betreuung

Swartz et al. 2001,2002, Swanson et al. 2000, 2003

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Involuntary outpatient Commitment (OPC) III

New York Studie II (Phelan et al. 2010)

•76 OPC, 108 Kontrollen•Gewalt (serious violence) und Suizidalität geringer•Soziale Funktion besser•Psychot. Symptome u. Lebensqualität gleich•Subjektiv weniger Stigma und Zwang (!)

Phelan et al. Psychiatr Serv 2010

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Qualitativer Ansatz: Ethische Kosten-Nutzenrechnung bei untergebrachten und freiwilligen Patienten (je n=84)

Kjellin et al. 1997

Methode: Interviews, qualitative Inhaltsanalyse

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„Ethischer Nutzen“

• Verbesserung der psych. Gesundheit• Behandlung mit Respekt• Als Person nicht gedemütigt• Keine weiteren Maßnahmen gegen den eigenen Willen

„Ethische Kosten“

• vice versa

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Ergebnisse:

• 33% ethischer Nutzen ohne Kosten

• 23% Kosten ohne Nutzen (Selbsteinschätzung)

• Fremdeinschätzung: bei einigen Pat. tatsächlich kein Nutzen

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Vergleich des subjektiven Erlebens von Zwang und Einschränkungen der Menschenwürde

• n = 62 nur Isolierung• n = 18 nur Zwangsmedikation• n = 34 Isolierung + Medikation• n = 11 Fixierung + Isolierung + Medikation

(nicht randomisiert, Pat. mit kombinierten Maßnahmen hatten höhere psychopathologische Scores)

Outcome: Coercion Experience Scale (Bergk et al. 2010)

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Zwangsmedikation vs. Fixierung/Isolierung

Georgieva et al. 2012

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Ergebnisse der multivariablen Regressionen

• Frauen und jüngere Patienten haben sign. höhere subjektive Belastung

• Im Vergleich war Isolierung belastender als Medikation, kombinierte Maßnahmen belastender als einzelne

• psychische Outcomes (GAF, SDAS, PANSS) besserten sich bei allen Maßnahmen unterschiedslos

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Schlussfolgerungen

• dringender Klärungsbedarf durch den Gesetzgeber

• mechanischer Zwang ist nicht humaner als Behandlung

• ethischer Imperativ zur Ausschöpfung aller Mittel zur Vermeidung und Reduzierung von Zwang, aber auch zum Schutz der Grundrechte Dritter

• weiterer Forschungsbedarf für eine Evidenz-gestützte Ethik