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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Frühdefibrillation im klinischen Bereich verfasst von Karin Taubken Münster, 30.06.2004 Karin Taubken Mondstr. 156 48155 Münster

Frühdefibrillation im klinischen Bereich - UKM · 2009. 7. 16. · 5. Defibrillation 19 5.1 Grundsätze der Defibrillation 19 5.2 mono- und biphasische Defibrillation 20 5.3 Gerätekunde

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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie

Frühdefibrillation im klinischen Bereich

verfasst von Karin Taubken Münster, 30.06.2004

Karin Taubken Mondstr. 156

48155 Münster

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 2

Gliederung 1. Vorwort 3

2. Einleitung 4

3. Anatomische Grundlagen des Herzes 5

3.1 Größe, Gewicht, Lokalisation 5 3.2 Aufbau 5 3.3 Herzkranzgefäße 6 3.4 Herztätigkeit 7 3.5 Aufbau der Herzmuskulatur (Myokard) 8 3.6 Hierarchie der Erregungsbildungszentren 9 3.7 Das Elektrokardiogramm (EKG) 10 3.8 Elektrophysiologische Erregung 11 4. Relevante Herzrhythmusstörungen 16

4.1 Kammerflimmern 16 4.2 Ventrikuläre Tachykardie 17 4.3 Pulslose Ventrikuläre Tachykardie (PVT) 17 4.4 Plötzlicher Herztod 18 5. Defibrillation 19

5.1 Grundsätze der Defibrillation 19 5.2 mono- und biphasische Defibrillation 20 5.3 Gerätekunde 22 5.3.1 Manuelle Defibrillatoren 22 5.3.2 Vollautomatische Defibrillatoren 22 5.3.3 Halbautomatische Defibrillatoren/

Automatisierter externer Defibrillator (AED) 23 5.4 Analysealgorithmus von halbautomatischen

Defibrillatoren 24 5.5 Defibrillationserfolg 25 5.6 Wissenschaftliche Basis der Defibrillation / Frühdefibrillation 26 5.7 Geschichte der Frühdefibrillation 28 6. Frühdefibrillation im Krankenhaus 29

6.1 Konzepte im Krankenhaus 29 6.2 Ausbildung des Krankenhauspersonals 30 6.3 Rechtliche Aspekte 33 6.4 Einführung eines Frühdefibrillationsprogrammes in

einem Krankenhaus 34 6.4.1 Umsetzung eines Frühdefibrillationskonzeptes

in den Kliniken St. Antonius in Wuppertal 35 6.4.2 Umsetzungsstand in der Uniklinik Münster (UKM) 37 7. Fazit 38

8. Literaturverzeichnis 39

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 3

1. Vorwort

Die Entscheidung, das Thema „Frühdefibrillation im klinischen Bereich“ als

Thema meiner Facharbeit auszuwählen, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es ein

relativ junges Thema, da sich die Möglichkeiten der Frühdefibrillation erst in den

letzten Jahren entwickelt haben. Damit verbunden ist gleichzeitig auch ein unter-

schiedlich hoher Wissensstand bei Pflegepersonal, Ärzten und weiteren Beschäf-

tigten in Krankenhäusern, dem ich mit dieser Arbeit als eine Art Zusammenfas-

sung des derzeitigen Standes der Frühdefibrillation begegnen möchte. Zum ande-

ren fühle ich mich dem Thema durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Rettungs-

dienst verbunden, wo die Defibrillation durch nicht-ärztliches Personal seit Mitte

der 90er Jahre einen immer größeren Stellenwert eingenommen hat. Ich werde

daher auch einen kurzen Exkurs in den außerklinischen Bereich in meine Arbeit

integrieren.

Da die Frühdefibrillation eine relativ neue Technik ist, musste bei dieser Arbeit

auf zahlreiche – zum Teil auch vereinzelte – Quellen zurückgegriffen werden.

Viele aktuelle Informationen zur Frühdefibrillation finden sich beispielsweise im

Internet, in Präsentationen einzelner Autoren oder Institutionen und in den Unter-

lagen von Geräteherstellern. Auf „klassische“ medizinische Literatur wurde vor

allem in den Kapiteln über die anatomischen Grundlagen zurückgegriffen.

Mein Dank gilt allen Personen, die mich bei der Erstellung dieser Facharbeit

unterstützt haben. Insbesondere danke ich für die zahlreichen Informationen, die

ich von der Ruhr-Universität Bochum und von der Firma Medtronic erhalten

habe.

Ich würde mich freuen, wenn diese Facharbeit interessierten Personen – beispiels-

weise beim Aufbau neuer Frühdefibrillationskonzepte – als Hintergrundinfor-

mation und Zusammenfassung dienen kann.

Münster, im Juni 2004

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 4

2. Einleitung

Eine Studie aus dem Jahr 1990 zur Leistungsfähigkeit des Krankenhauspersonals

bei Reanimationen ergab, dass nur 14 % des Pflegepersonals und 20 % des ärzt-

lichen Personals ausreichend gute Leistungen bei der Durchführung der CPR

erbringen.1 Bei einer Untersuchung an der Uniklinik Würzburg 1997 waren nur

0,9 % der Pflegekräfte in der Lage, entsprechend den gültigen Empfehlungen zu

reanimieren.2

Dies soll für diese Facharbeit der Anstoß sein, Informationen zur Verbesserung

des Wissensstandes der Beschäftigten im Krankenhaus zu liefern. Ziel ist es, die

Grundlagen zum Thema Frühdefibrillation im Krankenhaus zu vermitteln, um

eine erfolgreiche Umsetzung von Defibrillationskonzepten in Kliniken zu ermög-

lichen. Diese Arbeit wird daher zunächst auf die anatomischen, physiologischen

und pathologischen Gegebenheiten und Abläufe eingehen, die zum Verständnis

der Vorgänge bei einer Defibrillation wichtig sein können. Anschließend wird auf

technische Grundlagen und Geräte eingegangen. Zum Schluss sollen mögliche

Frühdefibrillationskonzepte vorgestellt werden.

Die Ausführungen setzen ein medizinisches Grundverständnis – etwa dem der

Krankenpflegeausbildung entsprechend – beim Leser voraus.

1 Nordmeyer, Schuhmann, Müller, 1990 2 Anästhesist 43: S. 107-114, nach: www.narkosearzt-hamburg.de

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 5

3. Anatomische Grundlagen des Herzes

Bei der Anatomie und Physiologie des Herzes beschränke ich mich auf die zum

Thema Frühdefibrillation relevanten Inhalte.

3.1 Größe, Gewicht, Lokalisation Das Herz liegt im vorderen, unteren Teil des Mediastinums, ca. 2/3 in der linken

und ca. 1/3 in der rechten Thoraxhälfte, vorne hinter dem Brustbein und den an-

grenzenden Rippen. Nach unten wird das Herz durch das Zwerchfell begrenzt,

dem es auch teilweise aufliegt, hinten ist ihm der Ösophagus angelagert. Wegen

der dichten Organlage im Thorax ist die Lage des Herzens atemverschieblich. Das

Herz hat die Form eines Kegels, mit stumpfer, abwärtsgerichteter Spitze. Die

Herzlängsachse verläuft im Thorax von rechts oben hinten nach links unten vorne.

Die Herzspitze (Apex cordis) liegt im Thoraxraum auf der Höhe des 5. Inter-

costalraums der Medioklavikularlinie. Die Größe des Herzes entspricht ungefähr

der geballten Faust des betreffenden Menschen, und das Gewicht liegt beim Mann

etwa bei 320 g, bei der Frau etwa bei 280 g. Das Volumen des Herzes beträgt rund

800 ml. Die Größe und das Gewicht des Herzes sind altersabhängig.

Das Herz besteht aus vier Schichten, zum einen der äußere Herzbeutel (Perikard),

in dem sich zur Reibungsverminderung während der Herzarbeit eine Flüssigkeit

befindet, und der Herzwand selbst. Die Aufgabe des Perikards ist es, als Schutz-

hülle zu fungieren, um so Erkrankungen abzuwehren und eine mechanische Über-

dehnung des Herzes zu verhindern. Die Herzwand besteht aus einer dünnen

Außenhaut (Epikard), einer dicken mittleren Schicht aus quergestreifter Arbeits-

muskulatur (Myokard) und aus einem dünnen, einschichtigen Plattenepithel

(Endokard), das die Innenfläche des Herzens auskleidet.

3.2 Aufbau Das Herz ist ein Hohlmuskel, der jeweils links und rechts einen kleinen Vorhof

(Atrium) und eine größere Kammer (Ventrikel) besitzt, wobei die Herzkammern

den Vorhöfen an Muskelmasse weit überlegen sind. Die Vorhöfe fassen etwa

40 ml, die Herzkammern ungefähr 100 ml Blut. Die linke und rechte Herzhälfte

werden durch eine Muskelscheidewand (Septum) getrennt. Die Vorhöfe werden

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 6 durch das Septum atriorum und die Kammern durch das Septum interventrikulare

voneinander getrennt. Vorhof und Kammer werden beidseits jeweils durch eine

Segelklappe (rechts: Dreizipfelklappe = Tricuspidalklappe; links: Zweizipfel-

klappe = Mitralklappe) voneinander getrennt, die als Ventile die Richtung des

Blutstromes im Herzen regeln. Am Übergang des rechten Ventrikels zur Haupt-

lungenschlagader (Truncus Pulmonalis) ist die Pulmonalklappe (Valva trunci

pulmonalis), eine Taschenklappe, als Verschlußventil eingelassen. Sie befördert

das Blut in den Lungenkreislauf. Vom linken Ventrikel geht die große Körper-

schlagader (Aorta) ab, in welche das Blut für den großen Kreislauf aus dem linken

Herzen gepumpt wird. Dieser Übergang, der an der Herzbasis vorn neben der

Mitralklappe sitzt, wird durch eine Taschenklappe, die Aortenklappe (Valva aor-

tae), verschlossen. Alle Herzklappen arbeiten nach dem Prinzip des Rückschlag-

ventils und leiten das Blut nur in eine Richtung weiter. Sie liegen in einer Ebene

an der Herzbasis (Ventilebene) und sind an bindegewebartigen Ringen befestigt,

die die Vorhofmuskulatur von der Herzkammermuskulatur trennen. Dieses Gerüst

aus Bindegewebe wird auch Herzskelett genannt. Von außen liegen der Herzbasis

die Herzohren auf, deren Funktion noch nicht eindeutig geklärt ist. Wahrschein-

lich soll durch sie ein Abknicken oder Verdrehen der Blutgefäße, die aus dem

Herzen austreten, verhindert werden.

3.3 Herzkranzgefäße Die Koronararterien versorgen das Myokard mit oxygeniertem (sauerstoff-

reichem) Blut und bilden einen Kranz (Corona) um das Herz. Die rechte und linke

Herzkranzarterie entspringen der Aorta direkt oberhalb der Aortenklappe und

werden in der Diastole des Herzes durch den Rückstrom aus der Aorta mit Blut

gefüllt. Die Blutgefäße haben einen Durchmesser von ca. drei Millimetern, der

immer geringer wird, je weiter sie sich vom Ursprungsort entfernen. Die rechte

Koronararterie (Arteria coronaria dextra) verläuft über die Hinterwand des Her-

zes. Sie teilt sich in die Äste Ramus marginalis und Ramus interventricularis

posterior auf. Die linke Koronararterie zieht über die Vorderwand des Herzmus-

kels und versorgt die Herzspitze und die Seitenwand. Sie teilt sich in die Äste

Ramus circumflexus und Ramus interventricularis anterior (RIVA) auf. Die

Anastomosen (Verbindungen) zwischen der linken und der rechten Koronararterie

sind in der Regel unzureichend ausgebildet, so dass eine Arterie bei einem weit-

gehenden Verschluss nicht die Funktion der anderen Arterie übernehmen kann.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 7 Die Herzvenen verlaufen normalerweise parallel zu den Koronararterien, sie bil-

den aber keinen vollständigen Kranz um das Herz. Sie leiten das Blut in den rech-

ten Vorhof ab.

3.4 Herztätigkeit Die Aufgabe des Herzes ist es, das Blut aus den Körper- und Lungenvenen in die

Arterien des großen und kleinen Kreislaufs zu pumpen. Das Blut fließt aus dem

großen Kreislauf in die Vena cava superior und Vena cava inferior, um von dort

in den rechten Vorhof und in die rechte Kammer zu gelangen. Das sauerstoffarme

Blut wird über die Pulmonalarterien durch die Lunge gepumpt. Während dieser

Lungenpassage wird Sauerstoff im Blut aufgenommen und Kohlendioxid über die

Lunge abgeatmet. Das sauerstoffreiche Blut wird über die Pulmonalvenen zum

linken Vorhof geleitet. Anschließend wird das Blut über den linken Ventrikel in

die Aorta gepumpt, um so den großen Kreislauf mit sauerstoffreichem Blut zu

versorgen.

Dies geschieht durch den rhythmischen Wechsel von Kontraktion und Dilatation

der Ventrikel. Die Kontraktionsphase nennt man Systole, die Erschlaffungsphase

Diastole. Es gibt eine Systole und Diastole im rechten und linken Atrium und im

rechten und linken Ventrikel. Während der Systole wird das Blut aus den Ventri-

keln gepumpt, und während der Diastole erschlafft der Herzmuskel, um so neues

Blut aufnehmen zu können. Durch die Funktion der Herzklappen kann das Blut

nur in eine Richtung fließen. Während eines Herzschlages arbeiten beide Herz-

hälften immer synchron. Diese Herzaktion lässt sich in drei Phasen unterscheiden.

1. Entleerung der Kammern (Kammersystole):

Die Vorhöfe befinden sich gleichzeitig in der Diastole. Beide Vorhöfe

werden durch Nachströmen des Blutes aus der oberen und unteren Hohl-

vene und aus den Lungenvenen wieder gefüllt.

2. Herzpause (Diastole von Vorhöfen und Kammern):

Alle Herzabschnitte sind erschlafft und das Blut strömt von den Vorhöfen

in die Kammern. In dieser Phase wird der Herzmuskel über die Koronar-

arterien perfundiert.

3. Vorhofsystole bei noch bestehender Kammerdiastole:

Der Blutstrom aus den Vorhöfen in die Herzkammern wird am Schluss der

Vorhofdiastole und kurz vor Beginn der Kammersystole durch die Vorhof-

systole verstärkt.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 8 Auf die Kammermuskulatur bezogen kann man vier Phasen unterscheiden.

In der Systole:

• Anspannungszeit:

Sie dauert vom Schluss der Segelklappen bis zur Öffnung der Pulmonal-

und Aortenklappe. Es entspricht der Zeit, die erforderlich ist, um durch die

Systole den Kammerdruck so zu steigern, dass er höher ist als im Truncus

pulmonalis und in der Aorta.

• Austreibungszeit:

Durch eine weitere Kontraktion pumpt die Kammermuskulatur das Blut

aus den Kammern in die Lungenschlagadern und in die Aorta, wobei eine

Restblutmenge in den Kammern verbleibt. Mit dem Schluss der Aorten-

klappe endet die Austreibungszeit.

In der Diastole:

• Entspannungszeit:

Die Kammerdiastole beginnt mit der Entspannungszeit. Die Kammermus-

kulatur erschlafft, und die Segelklappen sind noch geschlossen. Die Vor-

höfe laufen voll Blut.

• Füllungszeit:

Die Füllungszeit ist der zweite Teil der Kammerdiastole. Die Segelklappen

öffnen sich unter dem steigenden Vorhofdruck, und das Blut strömt in die

Kammern. Durch die Vorhofsystole am Ende der Füllungszeit wird der

Blutstrom beschleunigt.

Die Herzpause fällt in die Entspannungszeit und in einen Teil der Füllungszeit.3

3.5 Aufbau der Herzmuskulatur (Myokard) Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Muskelfasern unterscheiden. Zum einen

das Arbeitsmyokard, welches die Vorhöfe und Kammern bildet und die mechani-

sche Pumpfunktion verrichtet. Es leitet elektrische Erregungen in Form von Akti-

onspotentialen weiter. Zum anderen die Schrittmacherzellen und Fasern des Erre-

gungsbildungs- und Erregungsleitungssystems, die in das Arbeitsmyokard einge-

bettet sind. Im Gegensatz zur Skelettmuskulatur, die durch einen Nervenimpuls

innerviert wird, können bestimmte Herzmuskelfasern und Faserknoten spontan

Erregungen bilden. Diese Fähigkeit stellt die Grundlage für die Selbststeuerung

(Autorhythmie) der Herzschlagfolge dar. 3 vgl. auch v. Brandis / Schönberger 1991, S. 189 f.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 9 Man kann folgende Teile des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems

unterscheiden:

Sinusknoten (Keith-Flack-Knoten):

Er liegt in der Wand des rechten Vorhofs, an der Mündung der Vena cava

superior. Der Sinusknoten bildet im Normalfall den Ursprung aller elektri-

schen Erregungen am Herzen, deshalb wird er auch „Schrittmacher des

Herzens“ genannt. Die Erregung breitet sich radiär über die Arbeitsmusku-

latur beider Vorhöfe aus, die dadurch zur Kontraktion angeregt werden.

Von dort trifft die Erregung auf den Vorhofkammerknoten.

Atrioventrikularknoten (AV-Knoten oder Aschhoff-Tawara-Knoten):

Der AV-Knoten befindet sich an der Hinterwand des rechten Vorhofs in

der Nähe des Septums. Der AV-Knoten nimmt die über die Vorhöfe aus-

gebreiteten Erregungen auf und bremst die Weiterleitung dieser ab. Dies

ist notwendig, damit die Kammerkontraktion erst nach Beendigung der

Vorhofsystole beginnen kann.

Anschließend wird die Erregung auf spezifische Faserbahnen des Ventrikels wei-

tergeleitet. Zuerst kommt das His-Bündel, das an der Vorhof-Kammergrenze bis

zur Mittellinie verläuft und so das bindegewebige Herzskelett überwindet. Es

stellt im Normalfall die einzig überleitende Verbindung zwischen Vorhof und

Kammer dar. Nach einigen Millimetern teilen sich die Faserbahnen in einen rech-

ten und einen linken Kammerschenkel (Tawara-Schenkel) auf. Sie ziehen auf der

rechten bzw. linken Seite des Septums Richtung Herzspitze. „Beide Schenkel en-

den in den Verzweigungen der Purkinje-Fasern, die sich in der gesamten Arbeits-

muskulatur der Herzkammern verteilen. Durch die netzartige Struktur der Herz-

muskulatur können alle Fasern rasch nacheinander von der Erregung erfasst wer-

den, wobei die Erregung durch die Zellgrenzen nicht behindert wird.“4

3.6 Hierarchie der Erregungsbildungszentren Das primäre Erregungsbildungszentrum geht beim Gesunden vom Sinusknoten

aus. Er gibt eine Ruhefrequenz von ca. 70 Schlägen/Minute vor. Wie oben bereits

angedeutet, sind alle anderen Strukturen des Erregungsleitungssystems auch zur

Erregungsbildung befähigt, jedoch mit einer deutlich niedrigeren Frequenz. Im

Normalfall werden sie durch die Aktionen des Sinusknotens unterdrückt. Durch

pathologische Vorgänge am Herzen kann der Sinusknoten stark verlangsamt 4 v. Brandis / Schönberger 1991, S.192

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 10 arbeiten, die Überleitung vom Vorhof auf die Herzkammern blockiert sein oder

gar ganz ausfallen, dann übernimmt der AV-Knoten mit einer Eigenfrequenz von

40-60 Schlägen/Minute die Schrittmacherfunktion des Herzes. Er gilt somit als

das sekundäre Erregungsbildungszentrum. Als tertiäres Erregungsbildungszent-

rum gilt das ventrikuläre Leitungssystem mit den Tawara-Schenkeln und den Pur-

kinje-Fasern. Mit einer Frequenz von 25-40 Schlägen/Minute bildet es den Kam-

merersatzrhythmus.

3.7 Das Elektrokardiogramm (EKG) Das Elektrokardiogramm beschreibt der Pschyrembel als ein „Verfahren zur Re-

gistrierung der Aktionspotentiale des Herzens, die von der Körperoberfläche oder

intrakardial abgeleitet und als Kurven aufgezeichnet werden; dabei entsprechen

den Schwankungen der Kurven einzelne Phasen der Herzperiode (s. Abb. 1). Die

Kurven entstehen als Summation der Stärken und Richtungen der Erregungslei-

tung in den einzelnen Myokard- und Nervenfasern. Sie werden durch dem Herzen

räumlich unterschiedlich zugeordnete Ableitungen registriert.[...] Die Elektrokar-

diographie gestattet Aussagen über den Herzrhythmus und die Herzfrequenz, den

Lagetyp des Herzens im Thorax und über Störungen der Erregungsbildung, -aus-

breitung und -rückbildung im Erregungsleitungssystem und im Myokard.“5

Das EKG gibt keine Hinweise auf die Herzkraft und die Herzleistung. Die Ablei-

tung des EKG erfolgt indirekt von der Körperoberfläche, in dem an bestimmten

Stellen des Thorax Elektroden platziert werden. In den Ableitungen des EKG

kann man Wellen, Zacken und Strecken unterscheiden: Die Benennung dieser

Merkmale erfolgt fortlaufend in alphabetischer Reihenfolge (P, Q, R, S, T)

P-Welle: Vorhoferregungswelle, Kontraktion der Vorhöfe, Ausdruck für

die Sinusknotenaktivität

PQ-Strecke: vollständige Erregung der Vorhöfe

PQ-Zeit: Zeit zwischen dem Beginn der Erregung der Vorhöfe und der

Kammern, die Erregungsüberleitungszeit; beinhaltet die Erre-

gungsleitung durch den AV-Knoten

QRST: Kammertätigkeit, Kammerkomplex

Q-Zacke: Erregung des Kammerseptums

QRS-Komplex: Erregungsausbreitung in den Kammern

ST-Strecke: vollständige Erregung der Kammern 5 Pschyrembel 1994, S. 384

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 11 T-Welle: Erregungsrückbildung der Kammern

QT-Zeit: gesamte elektrische Kammerkontraktion

Erregungsausbreitung (QRS-Komplex), totale Kammererregung

(ST-Strecke) und Erregungsrückbildung (T-Welle)

TP-Strecke: Herzpause, es werden keine elektrischen Ströme gemessen;

im Verlauf dieser Strecke ist häufig eine U-Welle, deren Bedeu-

tung nicht vollständig geklärt ist.

Abbildung 1: Benennung der Abschnitte eines EKG, Abbildung nach DRK Münster

Zusätzlich besitzt das Herz ein intramurales Nervensystem, das mit den Fasern

des vegetativen Nervensystems (Sympathikus und Parasympathikus) außerhalb

des Herzes in Verbindung steht. Der Sympathikus steigert die Inotropie (Kontrak-

tionskraft des Herzes), die Chronotropie (Herzfrequenz-steigernd) und die Dro-

motropie (Erregungsleitungsbeschleunigung) des Herzes. Der Parasympathikus ist

der Antagonist des Sympathikus und bewirkt die entsprechende Abschwächung.

3.8 Elektrophysiologische Erregung Nach diesen grundsätzlichen Aspekten zur Anatomie des Herzes gehe ich der

Frage nach, wie eine elektrophysiologische Erregung des Myokards zustande

kommt. Im Inneren einer Myokardzelle liegt eine negative Spannung vor, im

Extrazellularraum ist sie hingegen positiv. Die elektrische Spannung einer Myo-

kardzelle in Ruhe beträgt ca. –90 mV. Diese Spannungsdifferenz wird durch die

Elektrolyte Natrium (Na) und Kalium (K) ausgelöst, die in unterschiedlichen

Konzentrationen innerhalb und außerhalb der Zelle vorliegen. Kaliumionen liegen

im Zellinneren ca. 40-50fach konzentrierter vor als im Extrazellularraum, und

Natriumionen hingegen liegen extrazellulär ca. 3-10fach höher konzentrierter vor

als intrazellulär. Im unerregten Zustand ist die Zellmembran für Kaliumionen ca.

100mal höher permeabel als für Natriumionen. Aufgrund des Konzentrations-

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 12 gefälles und der selektiven Permeabilität der Zellmembran diffundieren vermehrt

Kaliumionen vom Zellinneren nach extrazellulär und nur wenige Natriumionen

von extrazellulär nach intrazellulär. Im Zellinneren befinden sich jedoch immer

noch mehr Kaliumionen als Natriumionen und im Extrazellularraum ist es umge-

kehrt. Dieser Zustand wird auch Ruhepotential oder K-Potential genannt.

Erreicht eine elektrische Erregung (Aktionsimpuls) eine Herzmuskelfaser, dann

wird die Membranpermeabilität für Natriumionen schlagartig verändert. Sie ist

jetzt etwa 500mal höher als während des Ruhepotentials. Die Natriumionen dif-

fundieren aufgrund des Konzentrationsgefälles in das Zellinnere. Anschließend ist

die Zellmembran auch für Kaliumionen wieder durchlässig, die nach extrazellulär

diffundieren. Durch den starken Elektrolyteinstrom entsteht eine spontane Depo-

larisation. Die elektrische Spannung verändert sich und wird in ihren höchsten

Werten sogar positiv bis 30 mV (Overshoot). Sie dauert ca. 1-2 ms an. Dieser

Vorgang verläuft nach dem „Alles-oder-nichts-Gesetz“, was bedeutet, dass bei

Überschreiten einer gewissen Reizschwelle eine sofortige Depolarisation erfolgt,

bei Unterschreiten dieses Schwellenwertes jedoch kein Aktionspotential ausgelöst

wird. Bei den erregungsbildenden Zellen erfolgt im Ruhepotential eine langsame

diastolische Depolarisation bis zum Schwellenwert von -70 bis -40 mV. Die

Schrittmacherzellen bedürfen nicht eines Aktionsimpulses, wie das Arbeitsmyo-

kard, sondern sie entladen sich automatisch. Anschließend folgt die Repolari-

sation, d.h., dass sich die Ladungsverhältnisse langsam wieder umkehren bis hin

zum Ruhepotential. Während der Repolarisation zeigen die Herzmuskelzellen eine

für sie charakteristische Plateauphase (Dauer ca. 200-300 ms), die durch eine

kurzzeitig ansteigende Leitfähigkeit der Zellmembran für Calciumionen (Ca²+)

zustande kommt. Der Calciumioneneinstrom verhindert die Diffusion von

Kaliumionen in die Herzmuskelzelle. Erst nach Beendigung des Calciumein-

stroms endet die Plateauphase und die Repolarisation erfolgt rascher als vorher.

Das Ruhepotential wird aktiv unter Energieverbrauch mittels einer so genannten

Natrium-Kalium-Pumpe wiederhergestellt. Sie befördert Kaliumionen in die

Herzmuskelzelle und Natriumionen wieder heraus. Während des Aktionspoten-

tials ist die Herzmuskelzelle refraktär, d.h., dass sie für neue, äußere Erregungs-

reize nicht zugänglich ist. Sie dient als Schutz vor unkoordinierten Herzaktionen.

Die Refraktärzeit unterteilt sich in die absolute Refraktärzeit, die Zeit während des

Plateaus, und die relative Refraktärzeit, welche die Zeitspanne vom Plateauende

bis kurz vor Abschluss der steilen Repolarisationsphase (-40 bis -70 mV) kenn-

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 13 zeichnet. In der absoluten Refraktärzeit ist die Herzmuskelzelle für äußere Reize

nicht zugänglich, während hingegen in der relativen Refraktärzeit Aktionspotenti-

ale ausgelöst werden können. Diese Phase wird auch die vulnerable (verletzliche)

Phase genannt, da sie bei der Entstehung von lebensgefährlichen, tachykarden

Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern oder der ventrikulären Tachy-

kardie eine Rolle spielt. Der auslösende Mechanismus wird im weiteren Verlauf

noch erklärt. Die Refraktärzeit verhindert, dass eine geregelte Herzaktion durch

eine zu frühe Wiedererregung gestört wird und/oder einen Wiedereintritt (Re-

entry) von Erregungen, die nach physiologisch durchlaufener Erregung am Her-

zen auf im selben Herzzyklus erregtes Myokard treffen. Im Normalfall trifft die

Erregung alle zuvor erregten Abschnitte des Herzens im refraktären Zustand an,

so dass es nicht zu einem „Kreisen“ der Erregung kommen kann.

Anhand der Entstehung des lebensbedrohlichen Krankheitsbildes des Kammer-

flimmerns möchte ich das Prinzip des Wiedereintritts (Re-entry) und der „krei-

senden“ Erregung veranschaulichen.

Am gesunden Herzen ist der Wiedereintritt einer Erregung im Normalfall nicht

möglich. Die Herzmuskelzellen, die in einem funktionellen Netzwerk (Synzy-

tium) zusammenarbeiten, leiten die Erregungen so lange fort, bis sie auf refrak-

täres Gewebe stoßen, welches ihnen ein Weiterschreiten unmöglich macht. Zum

besseren Verständnis bediene ich mich des Beispiels einer „Kreisbahn“. Wenn

man sich das Netzwerk der Herzmuskelzellen als zusammenhängende Bahn

(Kreisbahn) vorstellt, kann man erkennen, dass eine Erregung, die an einem Punkt

der Bahn beginnt oder in sie eintritt, bidirektional weitergeleitet wird. Die Er-

regungen werden von dem Punkt des Eintritts in beide Richtungen weitergeleitet

und treffen nach kurzer Zeit aufeinander. An diesem Punkt eliminieren sich die

Erregungswellen gegenseitig, da jede dieser Wellen auf das refraktäre Gewebe der

anderen Welle trifft, welches es hinter sich zurücklässt.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 14

Abbildung 2: Ausbildung eines Aktionspotentials, aus: www.grundkurs-ekg.de

Im gesunden Myokard ist die Erregungswelle immer länger als die Leitungsbahn,

auf der sie sich bewegt. Dies bedeutet, dass die Erregungswelle die Leitungsbahn

vollständig ausfüllt und sich keine Lücke für vorzeitig einfallende Aktionspotenti-

ale bietet, da alle Myokardfasern während der Repolarisation refraktär sind. Eine

Möglichkeit des Wiedereintritts wäre also eine erregbare Lücke zwischen der Er-

regungswelle und der Leitungsbahn, die von der kreisenden Erregung immer wie-

der neu stimuliert wird. Auslöser können eine verkleinerte Erregungsgeschwin-

digkeit und/oder eine verkleinerte Refraktärzeit sein. Weiterhin kann eine verlän-

gerte Leitungsbahn Auslöser für einen Wiedereintritt sein (z.B. bei einer Hyper-

trophie des Herzmuskels). Meist reichen diese Voraussetzungen allein noch nicht

für ein Auslösen von Kammerflimmern aus, da auch bei einer verkürzten Erre-

gung dennoch beide Erregungswellen aufeinander treffen, auch wenn sie nicht die

vollständige Leitungsbahn ausfüllen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für den

Re-entrymechanismus ist die inhomogene Erregbarkeit. Die Erregungswellen

werden nicht mehr bidirektional weitergeleitet, sondern eine Welle trifft auf re-

fraktäres Gewebe in der Bahn und wird so ausgelöscht. Die Erregungswelle trifft

auf einen unidirektionalen Block. Die verbliebene Welle wird also nicht eliminiert

und kann so ungehindert weiterschreiten. Der unidirektionale Block ist jedoch

temporär (vulnerable Phase) und ist nicht mehr vorhanden, wenn die verbliebene

Erregungswelle diese Position wieder erreicht, mit anderen Worten, die Erre-

gungswelle kreist auf der Leitungsbahn.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 15

Abbildung 3: Normale Ausbreitung - Verlängerte Schleife - Kurze Refraktärzeit - Lang-same Ausbreitung. Nach Silbernagl, aus: www.rettung-stromberg.de

Ein vorzeitig einfallender Impuls kann nur in der vulnerablen Phase eine kreisen-

de Erregung auslösen, wenn ein unidirektionaler Block vorhanden ist. Dies ist

während der aufsteigenden T-Welle (EKG) der Fall, wenn sich die Ventrikel in

der frühen Phase der Repolarisation befinden und relativ refraktär sind. Diesen

Zustand kann man als inhomogene Erregbarkeit beschreiben, denn während ein

Teil der Leitungsbahn noch die Kammererregung zurückbildet und somit refraktär

ist, ist ein weiter vorne liegender Teil der Myokardfaser schon wieder erregbar.

Die Erregung wird unidirektional blockiert und das Aktionspotential setzt sich in

die entgegengesetzte Richtung fort.

Die vulnerable Phase stellt ca. 10 % der Herzaktion dar, sie ist jedoch die gefähr-

lichste Phase, um ein Kammerflimmern auszulösen. Ein Impuls, der einen Re-

entrymechanismus auslösen kann, muss eine Flimmerschwelle überschreiten. Die

Höhe der Flimmerschwelle ist vom Zustand des Herzens abhängig. Beim „kran-

ken“ Myokard sinkt die Flimmerschwelle, weshalb z.B. beim Myokardinfarkt

häufig auch ein Kammerflimmern auftritt. Vorzeitig einfallende Impulse, man

nennt sie auch ektopische Zentren, können durch mehrere Störungen entstehen,

z.B. Elektrolytstörungen (vor allem Hypokaliämie), Dilatation des Herzmuskels,

Hypoxie im Myokard (Myokardinfarkt), Hypothermie.

Ektopische Zentren besitzen eine Automatie, die unabhängig vom Erregungslei-

tungssystem Impulse (Extrasystolen) aussenden. Diese Impulse gehen vom Ar-

beitsmyokard aus und stehen somit in Konkurrenz zum Erregungsleitungssystem.

Trifft ein Impuls in die vulnerable Phase, kann diese ventrikuläre Extrasystole

einen Re-entrymechanismus auslösen.

Auch durch überschwellige äußere Reize (z.B. Elektrounfall) kann ein solcher

Wiedereintritt ausgelöst werden.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 16

4. Relevante Herzrhythmusstörungen 4.1 Kammerflimmern Beim Kammerflimmern liegt eine hochfrequente, unregelmäßige Erregung des

Kammermyokards aus unterschiedlichen ektopen Erregungszentren mit kreisen-

den Erregungen vor. „Es liegen unregelmäßige Undulationen mit wechselnden

Konturen, Amplituden und Zeitintervallen vor. Es sind keine Kammerkomplexe

mehr zu erkennen. Die Frequenz liegt bei über 300/Min.“6 Es besteht ein funktio-

neller Herzkreislaufstillstand ohne Pumpleistung des Herzes.

Elektrophysiologisch wird das Kammerflimmern auch als „elektrisches Chaos“

bezeichnet.

Abbildung 4: Elektrisches Chaos, aus: www.fh-muenchen.de

Abbildung 5: Kammerflimmern im EKG, Abbildung des DRK Münster

Am Herzen liegen Mikro-Re-entry-Kreise von wechselnder Größe und Lokalisa-

tion vor. Als Ursache kommen meist strukturell verändertes Kammermyokard,

seltener Elektrolytstörungen oder Medikamente vor.

Meist liegen eine schwere organische Herzkrankheit (in 80 % Koronare Herz-

krankheit), z.B. im Zustand nach Myokardinfarkt oder entzündlichen Herzerkran-

kungen vor. Beim akuten Myokardinfarkt kann es zu einem akuten Okklu-

sionsflimmern (Herzkranzgefäßverschlussflimmern) kommen. Weniger häufig

tritt ein Reperfusionsflimmern auf.

6 Stierle / Niederstadt 1997, S.524

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 17

4.2 Ventrikuläre Tachykardie Folgen mehr als sieben ventrikuläre Extrasystolen unmittelbar aufeinander,

spricht man von einer ventrikulären Tachykardie. Der Übergang zu Kammerflat-

tern ist fließend. Man unterscheidet selbstlimitierende Tachykardien, die nach

einigen Sekunden spontan enden und anhaltenden Tachykardien, die länger als 30

Sekunden andauern oder die ohne ärztliche Hilfe nicht aufhören. Weiterhin unter-

scheidet man ebenfalls monomorphe (aus gleich geformten Extrasystolen beste-

hend) und polymorphe Tachykardien. Polymorphe Tachykardien gelten als ge-

fährlich, da der Übergang in Kammerflimmern droht.

Bei anhaltenden Tachykardien kann es zu einem fließenden Übergang in Kam-

merflattern kommen.

Es liegen breite QRS–Komplexe vor mit einem Frequenzbereich von 150-

240/Min. Abhängig von der Frequenz kann man einen Puls tasten.

4.3 Pulslose Ventrikuläre Tachykardie (PVT) Die PVT stellt sich als schnelle ventrikuläre Erregung dar, bei der wegen der ho-

hen Frequenz (200-300 Impulse/Min) weder eine systolische Auswurfleistung

noch eine diastolische Füllung des Herzes möglich ist.

Im EKG kann man koordinierte, gleichförmig verbreiterte und deformierte, je-

doch voneinander abgrenzbare QRS-Komplexe erkennen, die meist aus einem

einzigen Zentrum entspringen.

Die PVT kommt praktisch nur bei einem vorgeschädigten Myokard vor (Z.n.

Herzinfarkt, fortgeschrittene KHK, Herzinsuffizienz, etc.). Sie geht unbehandelt

wegen des hohen Energieverbrauchs und der fehlenden Koronardurchblutung

schnell in ein Kammerflimmern über.

Abbildung 6: Kammertachykardie, Abbildung des DRK Münster

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 18 Es kann zu häufigen Degeneration im Kammerflattern/Kammerflimmern kom-

men.

Weiterhin liegt eine hohe Rezidivneigung mit der Gefahr des plötzlichen Herzto-

des > 25 % innerhalb eines Jahres vor. Es besteht ein besonders hohes Risiko,

wenn ein „plötzlicher Herztod“ überlebt wurde (Z. n. erfolgreicher Reanimation)

und die linksventrikuläre Funktion eingeschränkt ist.

4.4 Plötzlicher Herztod

Plötzlicher Herztod ist ein „natürlicher, unerwarteter Tod kardialer Genese inner-

halb einer Stunde nach Auftreten von Symptomen.“7

Eine andere Definition nach der WHO bezeichnet den plötzlichen Herztod „als

Tod innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Erkrankung oder Schädigung.“8

Mit 15-20 % ist der plötzliche Herztod eine der höchsten Todesursachen in den

westlichen Ländern. In Deutschland sterben jedes Jahr ca. 100 000 Menschen an

dieser Erkrankung.

Initial besteht in über 70 % eine Kammertachykardie, die in Kammerflimmern

degeneriert. In weniger als 10 % liegt ein primäres Kammerflimmern und in ca.

15 % eine Asystolie oder Bradykardie vor. Die Rezidivrate liegt im ersten Jahr bei

30 % und insgesamt bei 45 % in den ersten beiden Jahren.

Die Koronare Herzkrankheit (KHK) gilt als häufigste Ursache (80 %) des plötz-

lichen Herztodes. Während bei ca. 75 % die KHK bereits diagnostiziert ist, ist bei

25 % der plötzliche Herztod die Erstmanifestation.

Als Risikofaktoren gelten:

• arterielle Hypertonie

• familiäre Häufung des Herzinfarktes

• Hypercholesterinämie

• bereits stattgefundener Herzinfarkt

• Adipositas

• Stress

• Diabetes mellitus

• Nikotinabusus

• orale Kontrazeptiva

7 Stierle / Niederstadt 1997, S. 526 8 Der plötzliche Herztod; www.aed-bayern.de/allgemeines/grundlagen

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 19

5. Defibrillation Die einzige kausale Therapie des Kammerflimmerns und der pulslosen VT ist die

frühestmögliche elektrische Defibrillation.

5.1 Grundsätze der Defibrillation Defibrillation heißt wörtlich übersetzt „Entflimmerung“. Die Übersetzung drückt

den Sinn und Zweck der Defibrillation aus: Man möchte das Kammerflimmern

am Herzen unterbrechen, alle kreisenden Erregungen beenden und einen erneuten

Re-entry-Mechanismus unmöglich machen.

Das Ziel der Defibrillation ist es, maximal viele Myokardzellen gleichzeitig zu

depolarisieren.

Dies kann durch verschiedene Applikationsformen der Energie erreicht werden.

Bei der externen Defibrillation wird ein kontrollierter elektrischer Gleichstrom-

impuls von ca. 4-20 ms Dauer über großflächige Paddle- oder Klebeelektroden

abgegeben. Weiterhin ist die Abgabe eines Elektroschocks über intrakardiale

Sonden (z.B. bei implantierten Cardioverter Defibrillatoren (ICD)) möglich oder

epikardial im Operationssaal am „offenen Herzen“. In dieser Arbeit möchte ich

mich ausschließlich der externen, transthorakalen Defibrillation widmen.

Der Defibrillationsimpuls muss eine ausreichend große „kritische Masse“ (ca. 70-

90 % des gesamten Myokards) gleichzeitig erregen, so dass sich diese Zellen an-

schließend alle in der Repolarisationsphase befinden. Danach kann ein übergeord-

netes Zentrum, im Normalfall der Sinusknoten, wieder die Schrittmacherfunktion

des Herzes übernehmen. Den kreisenden Erregungswellen wird durch die Stimu-

lation der erregbaren Lücke der Weg abgeschnitten und somit ein erneuter Wie-

dereintritt unterbunden. Nach der Defibrillation ist die erregbare Lücke refraktär

und wirkt wie ein unidirektionaler Block.

Um genügend Myokardzellen gleichzeitig zu erregen, muss eine sogenannte Defi-

brillationsschwelle überschritten werden. Sie bezeichnet die Energiemenge, die

benötigt wird, um eine Defibrillation des Myokards herbeizuführen. Im Allgemei-

nen liegt sie vier mal höher als die gewöhnliche Reizschwelle des Myokards. Sie

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 20 ist aber individuell unterschiedlich und lässt sich nicht so scharf abgrenzen wie

die Stimulationsenergie.

Zur Therapie des Kammerflimmerns und der PVT müssen erfahrungsgemäß Defi-

brillationsimpulse von 2 Ampere für mindestens 10-20 ms durch das Herz fließen.

Die Energie kann bei bis zu 360 Joule, die Spannung bei 2500-7000 Volt liegen.

Bei Erwachsenen wird nach Empfehlung der American Heart Association (AHA)

üblicherweise mit einer Energie von 3 Joule/kg KG defibrilliert, bei Kindern und

Säuglingen liegt die Energiewahl zwischen 2-4 Joule/kg KG. Diese Angaben bil-

den einen Kompromiss zwischen dem Auftreten von Gewebeschädigungen und

der Notwendigkeit mit einem Minimum an Energie zu defibrillieren. Defibrillati-

onsversuche in Notfallsituationen mit zu niedrig gewählter Energie sind obsolet,

da diese sonst zu einer Elektromechanischen Entkoppelung führen können, die

eine Zusammenarbeit der elektrischen Erregung des Myokards und der anschlie-

ßenden Auslösung der Kontraktion verhindert.

5.2 mono- und biphasische Defibrillation Während der Defibrillation fließt der elektrische Strom auf sogenannten Fluss-

linien von einer Elektrode zur anderen durch das Herz. Die Fließrichtung des e-

lektrischen Stroms bewegt sich von der positiven zur negativen Elektrode.

Monophasische Impulskurvenform:

Bei diesen Defibrillationsimpulsen fließt der Strom in eine Richtung, entweder

von Elektrode 1 zur Elektrode 2 oder umgekehrt, je nachdem, welche Elektrode

positiv ist. Die Defibrillationsenergie wird in der Regel als gedämpfte Sinuskurve

oder monophasischer Rechteckimpuls mit abnehmender Energiedichte abgegeben.

Biphasische Impulskurvenform:

Diese Impulskurvenform besteht aus einem positiven Anteil, dem ein negativer

Teil folgt. Der Strom fließt nacheinander in beide Richtungen. Die Energieabgabe

ist bei biphasischen Impulsen geringer. Diese Technik wird schon längere Zeit bei

den implantierbaren Defibrillatoren angewandt und hat in den letzten Jahren auch

Einzug bei der externen, transthorakalen Defibrillation gehalten.

Unter Laborbedingungen hat man herausgefunden, dass biphasische Defibrillato-

ren den monophasischen Geräten überlegen sind. Sie benötigen weniger Energie

für eine erfolgreiche Defibrillation. Eine ideale Impulsform und Energiemenge

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 21 kann für die biphasische Defibrillation nicht angegeben werden, fest steht aber,

dass unter Verwendung geringerer Energiemengen (<200 J) eine sichere und

gleicheffektive Defibrillation möglich ist. Durch die geringere Energie und Span-

nung, die im Rahmen der biphasischen Defibrillation erforderlich sind, kommt es

zu einer geringeren Schädigung und Fehlfunktion des Myokards nach Defibrilla-

tion (siehe auch Defibrillationsschwelle).

Abbildung 7: Biphasische Energieabgabe, aus: www.rettung-stromberg.de

Diese Form der Energieabgabe hat auch erheblich zur Miniaturisierung der Defi-

brillatoren beigetragen, da die Batteriekapazität geringer ist und schwere Bauteile,

wie z.B. Entladetransistoren, nicht mehr benötigt werden.

Wahl der Energiemenge:

Bei einem Gerät mit monophasischer Impulsform wird initial zweimal mit ca. 200

Joule (3 Joule/kg/KG), bei jeder anschließenden Defibrillation mit 360 Joule defi-

brilliert. Wird bei einer Energiemenge von 200 Joule bereits ein Kammerflimmern

unterbrochen und es kommt zu einem erneuten Kammerflimmern, dann wird zu-

nächst noch einmal mit 200 Joule defibrilliert. Es wird immer in dreier Sequenzen

defibrilliert, da eine Schockabgabe kurzfristig die Thoraximpedanz mindert.

Wie bereits beschrieben, gibt es bei der biphasischen Defibrillation noch keine

gesicherten Erkenntnisse über die Angabe einer geeigneten Energiemenge. Wich-

tig zu wissen ist allerdings, dass man in der Regel mit weniger Energie als bei

monophasischen Geräten auskommt, bei mindestens gleichen oder evtl. auch bes-

seren Erfolgsaussichten. Man sollte vor Abgabe eines Schocks wissen, mit wel-

cher Impulskurvenform das Gerät arbeitet, um die Energiehöhe richtig zu wählen.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 22

5.3 Gerätekunde Man unterscheidet zwei verschiedene Arten von externen Defibrillatoren. Zum

einen findet man manuelle Geräte und zum anderen automatisierte. Die automati-

sierten Geräte kann man noch einmal in vollautomatische und halbautomatische

Geräte unterteilen.

5.3.1 Manuelle Defibrillatoren Die Geräte besitzen einen EKG-Monitor, an dem der Herzrhythmus vom Anwen-

der analysiert werden muss. Die Entscheidung zur Defibrillation fällt der Anwen-

der, indem er die Energie wählt, das Gerät manuell auflädt und den Schock eben-

falls manuell auslöst. Die Sensitivität und Spezifität sind so hoch wie der Kennt-

nisstand des Anwenders. Die Sensitivität definiert das Vermögen, einen defibrilla-

tionswürdigen Rhythmus als solchen zu erkennen. Die Spezifität wiederum be-

zeichnet die Eigenschaft, einen nicht defibrillationswürdigen Herzrhythmus als

einen solchen zu erkennen.

Diese Geräte erfordern daher ein hohes Maß an Ausbildung und Interpretations-

sicherheit des Anwenders, in der Regel ein Arzt.

Gerätetypen, die in der Uniklinik Münster Verwendung finden sind das Lifepak®

9 der Firma Medtronic/PHYSIO-CONTROL als Stationsgerät der Station 19 A

Ost oder als Defibrillator auf dem Herzalarmwagen der Station 19 A Ost oder

Intensiv 2. Weiterhin gibt es das Lifepak®10 als Transportdefibrillator der Station

10A Ost.

5.3.2 Vollautomatische Defibrillatoren Der Anwender bringt die Defibrillationsklebeelektroden am Patienten an und

schaltet das Gerät ein. Es erfolgt eine automatische Analyse des Herzrhythmus

durch das Gerät. Das Gerät lädt selbstständig und gibt im Falle eines defibrillati-

onswürdigen Herzrhythmus automatisch einen Schock ab.

Beispiele sind das Lifepak CRplus® der Firma Medtronic oder implantierbare

Defibrillatoren.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 23

5.3.3 Halbautomatische Defibrillatoren/ Automatisierter externer Defibrillator (AED)

Diese Geräte werden hauptsächlich für Frühdefibrillationskonzepte im inner- und

außerklinischen Bereichen eingesetzt, da sie durch ihre Analysefunktion die Diag-

nose und Indikationsstellung von Kammerflimmern und PVT erleichtern. Sie sind

deshalb besonders für medizinisches, nicht ärztliches Personal bis hin zu medizi-

nischen Laien geeignet.

Aus diesem Grund widme ich mich etwas ausführlicher ihrem Aufbau und ihrer

Funktionsweise:

Nach dem Feststellen der Pulslosigkeit und des Herz-Kreislauf-Stillstandes des

Patienten bringt der Anwender nach akustischer Aufforderung großflächige Kle-

beelektroden auf den Thorax auf. Je nach Gerät wird manuell oder automatisch

eine Analyse des Herzrhythmus gestartet. Während der Analyse wird eine Impe-

danzmessung durchgeführt, um die Elektrodenart und Elektrodenhaftung zu

bestimmen. Nach der durchgeführten Analyse fordert das Gerät den Anwender

auf, bei Vorliegen eines Kammerflimmerns oder einer ventrikulären Tachykardie

einen Stromimpuls abzugeben. Dieser Impuls wird manuell durch den Anwender

ausgelöst. Wenn kein defibrillationswürdiger Herzrhythmus vorliegt, fordert das

Gerät auf, Wiederbelebungsmaßnahmen zu starten. Nach einer Minute wird ein

erneuter Analysezyklus gestartet. AEDs überwachen kontinuierlich über die Kle-

beelektroden das EKG des Patienten und geben im Bedarfsfall eine Empfehlung

zur Überprüfung der Herzfrequenz oder zum Aktivieren der Analyse. Einige

Halbautomaten unterschiedlicher Hersteller besitzen keinen EKG-Monitor, so

dass eine optische Überprüfung des Herzrhythmus des Patienten nicht möglich ist.

Diese kann man nur mittels Pulskontrolle überprüfen. Der AED fordert den An-

wender dazu auf.

Einige Geräte können auch als manuelle Defibrillatoren fungieren, nachdem sie

durch Schalterstellung, Passworteingabe oder Zusatzmodule freigeschaltet wer-

den. Diese Funktion ist natürlich nur sinnvoll, wenn ein EKG-Monitoring vorhan-

den ist.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 24

5.4 Analysealgorithmus von halbautomatischen Defibrillatoren AED besitzen eine Analyseeinheit zur Auswertung des Patienten-EKG, welches

im Bedarfsfall, also bei einer Ventrikulären Tachykardie und/oder einem Kam-

merflimmern, eine Defibrillation erlaubt. Diese Geräte überwachen den an den

Klebeelektroden anliegenden Widerstand, um so Artefakte des Patienten-EKG

auszuschließen. Die meisten AED untersuchen während der Analyse nach folgen-

dem Standard das EKG des Patienten:

Zu Beginn der Analyse wird nach möglichen Störsignalen, wie z.B. Muskelarte-

fakten oder Wechselstromüberlagerungen gesucht. Falls Störsignale vorliegen,

werden diese gegebenenfalls von verschiedenen Filtern unterdrückt. Ist dies nicht

möglich, kann keine Analyse stattfinden und somit auch kein Schock ausgelöst

werden.

Liegen keine Störsignale vor, werden 2 bis 3 EKG-Segmente über eine Dauer von

2,7 Sekunden Länge analysiert. Liegen verwertbare EKG-Segmente vor, werden

sie auf verschiedene Merkmale hin untersucht.

Herzfrequenz: Ein Schock wird ausgelöst bei einer Herzfrequenz >120

Schlägen/Minute, einer QRS-Dauer von mind. 0,16 s und

kein Vorliegen von P-Wellen.

Amplitude: Abmessung der Amplitudenhöhe

(1mm entspricht 0,1 mV)

Amplitudenhöhen kleiner 0,08 mV erkennt der Defibrillator

als Asystolie und empfiehlt keine Defibrillation, die obere

Grenze beträgt 8,0 mV.

Flankensteilheit: entspricht einer Flächenberechnung der Zacken.

Durch diese Berechnung wird die Form der Kurven analy-

siert. Sie muss zwischen bestimmten Grenzwerten liegen.

Abbildung 8: Amplitude Frequenz Flankensteilheit, aus: www.rettung-stromberg.de

Bei allen anderen EKG-Formen wie z.B. Asystolie, Bradykardie, AV-Blöcken,

Supraventrikulären Tachykardien, Sinusrhythmus oder pulsloser elektrischer

Aktivität wird kein Schock empfohlen.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 25 Nach den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Frühdefibrillation Deutschland

sollten nur Halbautomaten mit einer Sensitivität von 95 % und einer Spezifität

mit 98 % zum Einsatz kommen. Ferner sollten sie das EKG des Patienten und die

Umgebungsgeräusche während des Einsatzes in Echtzeit aufzeichnen und diese

später wiedergeben können.

Diese Geräte eignen sich nicht für einen Einsatz von Kindern unter 8 Jahren oder

Personen mit einem Körpergewicht unter 35 kg.

5.5 Defibrillationserfolg Der Defibrillationserfolg steht in engem Zusammenhang mit der Dauer des Kam-

merflimmerns oder der pulslosen Ventrikulären Tachykardie. Je länger ein funk-

tioneller Herzkreislaufstillstand besteht, wird durch die zunehmende Azidose und

Hypoxie die Rückkehr zur natürlichen Automatie des Herzes erschwert. Die Er-

folgsaussichten sinken mit jeder Minute, die bei einem Patienten mit Kammer-

flimmern oder PVT nicht defibrilliert wird. Jede Minute, die nicht defibrilliert

wird, sinkt die Überlebenschance linear um ca. 7-10 %. Beginnend bei einer

Überlebenschance von ca. 90 % in der 1. Minute, 50 % in der 5. Minute und ca.

10 % nach 10 Minuten. Auch mit einer suffizient durchgeführten Herz-Lungen-

Wiederbelebung kann man bei bestehendem Kammerflimmern keinen Patienten

therapieren, sondern nur die Zeit verlängern, bis das Kammerflimmern in die

prognostisch schlechtere Asystolie übergeht.9

Wie schon vorher beschrieben, stellt die Defibrillation die einzige kausale Thera-

pie des Kammerflimmerns oder PVT dar. Dies verdeutlicht die folgende Abbil-

dung:

Abbildung 9: Reanimations-Erfolg über die Zeit bis zur Defibrillation, aus: www.resuscitation.ch

Die frühestmögliche Defibrillation gilt somit als Goldstandard.

9 vgl. Larsen / Eisenberg / Cummins / Hallstrom, 1993

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 26

5.6 Wissenschaftliche Basis der Defibrillation / Frühdefibrillation

„Evidence-based-medicine [wörtliche Übersetzung: „auf Beweisen fundierte Me-

dizin“] bemüht sich um eine kontinuierliche, kritische Überprüfung der wissen-

schaftlichen Grundlagen medizinischen Handelns, Lehrens und Forschens mit

dem Ziel, die Basis der aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu nutzen

und Ansätze für notwendige neue Forschungsvorhaben zu erarbeiten. EBM wird

als Antipode zu „opinion-based-medicine“ verwendet. Sie bezeichnet die Über-

nahme von Autoritätsmeinungen.“10 Den ermittelten Therapieverfahren werden

theoretische Erklärungsmodelle, individuelle Erfahrungen und wissenschaftliche

Studien zu Grunde gelegt.

Im August 2000 hat die American Heart Assosciation (AHA) in enger Zusam-

menarbeit mit der International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) die

„Guidelines 2000 for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiac

Care“ veröffentlicht. Diese „Guidelines“ sind die ersten international einheitlichen

auf einem breiten Konsens und auf der Evidence based medicine aufbauenden

Empfehlungen für die Reanimation. Die einzelnen Empfehlungen sind nach ihrem

wissenschaftlichen Evidenzniveau klassifiziert: Klasse 1 gesicherte Empfehlung,

exzellente Evidence

immer akzeptabel, sicher wirksam Klasse 2a

Klasse 2b

gutes bis sehr gutes Evidenzniveau

akzeptabel und sinnvoll

„Therapie der Wahl“

mittleres bis gutes Evidenzniveau

akzeptabel und sinnvoll

„Therapieoption“ Klasse „Indeterminate“ „unbestimmbar“; keine Empfehlung, da auf-

grund der vorliegenden Ergebnisse das Evi-denzniveau derzeit nicht beurteilbar ist

Klasse 3 nicht akzeptabel, nicht wirksam und mögli-cherweise schädlich

Tabelle: Leitlinien zur CPR 2000; veröffentlicht durch ANR Arbeitskreis Notfall- medizin und Rettungswesen der Ludwig-Maximilian Universität München

10 vgl. Lackner / Lewan / Kerkmann, 1998

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 27 Als ausdrückliche Basismaßnahme in der Notfallversorgung wird die Anwendung

von halbautomatischen Defibrillatoren bei tachykarden, funktionellen Herz-

Kreislaufstillständen angesehen, auch in der Anwendung durch „Laien“. Durch

die strenge zeitliche Abhängigkeit der Überlebenschancen bei Kammerflimmern

und PVT werden erhöhte Anforderungen an das Hilfeleistungssystem geknüpft

und eine Verbreitung von AED und die Anwendung von First Respondern im

weiteren Sinne aufgezeigt. Die Anwendung von AEDs gilt präklinisch als Klasse

2b Maßnahme und innerklinisch werden Frühdefibrillations-Programme als Klas-

se 2a Maßnahme eingestuft. Präklinisch wird eine Defibrillation innerhalb von

5 Minuten angestrebt, innerklinisch soll jeder Patient innerhalb von 3 Minuten

defibrilliert werden.11

Diese Zeiten begründen sich auf eine Studie, die einen besonderen Stellenwert in

der „Public Access Defibrillation“ (PAD) erlangt hat. Public Access Defibrillation

bedeutet, dass Laien im Umgang mit halbautomatischen Defibrillatoren geschult

werden und somit frühzeitig dem „plötzlichen Herztod“ entgegenwirken. Im

Rahmen der „Casino“-Studie von TD Valenzuela wurde das Sicherheitspersonal

von Casinos in mehreren amerikanischen Städten (z.B. Las Vegas) in der Anwen-

dung von AEDs geschult. Durch die vorhandene Videokameraüberwachung konn-

te bei einem Großteil der Patienten eine exakte Fallanalyse vom Kollaps des Pati-

enten bis zum Einsetzen einzelner Therapiemaßnahmen (z.B. Basisreanimation,

Defibrillation) durchgeführt werden.12 Das Ergebnis der Studie ist beeindruckend.

Von den Patienten bei denen im Durchschnitt die erste Defibrillation nach ca.

4,4 Minuten abgegeben wurde, überlebten 49 %. Patienten, bei denen der erste

Elektroschock schon nach weniger als 3 Minuten abgegeben wurde, überlebten

74 %. Die Ergebnisse zeigen, welch großer Anteil von Patienten mit plötzlichem

Herztod potentiell wieder belebbar ist. Die Studie ist zwar an einem lokal sehr

begrenztem Ort durchgeführt worden, mit Schulung des angestellten Personals,

doch würde man diese Rahmenbedingungen auch im Krankenhaus wiederfinden.

Diese Studie gibt eine Hilfestellung, wie Einsatzstrategien für Frühdefibrilla-

tionsprogramme geplant werden sollten, damit möglichst Defibrillationszeiten von

unter 3 Minuten erreicht werden könnten. Zu diesem Thema sind noch mehr Stu-

dien durchgeführt worden, die alle zu ähnlichen Ergebnissen führten.

11 vgl. Schnelle, 2002 12 vgl. Valenzuela u.a., 2000

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 28

Abbildung 10: Zeitzusammenhang Kollaps – Defibrillation, aus: Valenzuela, 2000

5.7 Geschichte der Frühdefibrillation Da es den Notärzten in der Regel nicht möglich ist, die oben genannten wün-

schenswerten Einsatzzeiten zu erreichen, begann man schon zu Beginn der achtzi-

ger Jahre, in Pilotprojekten Rettungsdienstpersonal und Feuerwehrmänner in der

EKG-Rhythmusdiagnostik und der Defibrillation zu schulen. Zeitgleich wurden

z.B. auch Feuerwehrmänner zu medizinischen Notfällen ausgesandt, wenn man

sich davon einen zeitlichen Vorteil versprach (First Responder).

In den USA konnte durch Studien gezeigt werden, dass diese Maßnahmen eine

Steigerung der Überlebensrate von 12 % auf 26 % zur Folge hatten.13

Durch die technische Entwicklung der automatischen EKG-Rhythmusanalyse von

halbautomatischen Defibrillatoren konnte man die Defibrillation auch auf nicht

ärztliches Personal ausdehnen und Rettungsdienstmitarbeiter und First Responder

in der Anwendung der AEDs schulen. In den USA sind mittlerweile viele AEDs

im öffentlichen Leben etabliert. Man findet sie in öffentlichen Einrichtungen,

Kaufhäusern, Flughäfen, Sportstätten usw.

Auch in Deutschland finden zunehmend mehr AEDs in der Öffentlichkeit Platz.

Hier nur einige Beispiele:

• Der Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ist mit mehreren

Halbautomaten ausgestattet worden, und die Mitarbeiter sind in der An-

wendung des Gerätes geschult worden.

• Der Flughafen Frankfurt-Main ist für eine neue Frühdefibrillationsstudie

komplett mit halbautomatischen Defibrillatoren ausgestattet worden.

• die U-Bahnhöfe in München 13 vgl. Eisenberg u.a., 1980

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 29

• Arena auf Schalke

• Stadthaus Münster 1 und 2, usw.

6. Frühdefibrillation im Krankenhaus Gerade im Krankenhaus findet man ein erhöhtes Potential an Patienten, die am

plötzlichen Herztod erkranken können (siehe Risikofaktoren, S 18). Nirgendwo

sonst findet man so viele ältere, evtl. schon kardial vorbelastete Patienten an ei-

nem Ort, die sich im Krankenhaus vielleicht auch noch in einer Stresssituation

befinden. Daher ist es verwunderlich, dass es für Krankenhäuser keine Verpflich-

tung zur Frühdefibrillation gibt. Diesen Service/Standard sollte man seinen Pati-

enten genauso bieten, wie z.B. jegliche andere optimale Patientenversorgung oder

ein Zimmer mit eigenem WC und Dusche. Die „Björn-Steiger-Stiftung“ ruft auf

ihrer gleichnamigen Internetseite sogar Patienten dazu auf, sich vom Krankenhaus

schriftlich bestätigen zu lassen, dass sie zu jeder Zeit an jedem Ort nach einem

plötzlichen Herzversagen innerhalb von drei Minuten reanimiert werden können.

6.1 Konzepte im Krankenhaus Um eine flächendeckende Frühdefibrillation im Krankenhaus einzuführen, ist es

notwendig, Krankenschwestern und -pfleger nicht nur in der Herz-Lungen-

Wiederbelebung zu schulen, sondern auch in der Defibrillation. Durch die Anwe-

senheit dieser Berufsgruppe in fast allen Teilen des Krankenhauses ist sie prädes-

tiniert für die Anwendung dieser Maßnahme. Vor allem in dezentralen Bereichen

einer Klinik ist eine Anschaffung von halbautomatischen Defibrillatoren sinnvoll.

Natürlich kann man auch, wie schon in anderen öffentlichen Bereichen des Le-

bens geschehen (z.B. Landtag NRW), andere im Krankenhaus angesiedelte Be-

rufsgruppen (Physiotherapeuten, medizinisch-technische Assistenten, Verwal-

tungsangestellte, usw.) in der Reanimation und Anwendung von solchen Geräten

schulen. Die Anwendung der Defibrillation durch nichtärztliches Personal oder

medizinische Laien ist aber nur dann möglich, wenn halbautomatische Defibrilla-

toren vorhanden sind. Der Vorteil und die Einsatzmöglichkeiten dieser Geräte

sind bereits ausreichend beschrieben worden. Die Frühdefibrillation ist natürlich

immer nur im Zusammenhang mit einem bereits im Krankenhaus etablierten Not-

fallsystem zu sehen. Sie dient somit als Ergänzung und kann im besten Fall einen

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 30 Zeitvorteil für den Patienten darstellen, bis das im Krankenhaus vorhandene Not-

fallteam vor Ort ist.

Selbst die Bundesärztekammer empfiehlt in einer Stellungnahme vom 04.05.2001

im Deutschen Ärzteblatt:

„Erfahrungsberichte aus aller Welt haben gezeigt, dass

1. medizinische Laien nach entsprechender Unterweisung im Rahmen der

Reanimation die automatisierte externe Defibrillation sicher und erfolg-

reich durchführen können,

2. die Überlebensrate dadurch erheblich gesteigert werden kann.

Die Defibrillation durch Laien ersetzt nicht die Aufgaben des Rettungsdienstes.

Sie verkürzt die Zeitspanne zwischen Auftreten des Kammerflimmerns und der

Defibrillation und erhöht dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit.“

6.2 Ausbildung des Krankenhauspersonals Laut Krankenpflegegesetz § 4 Abs. 5 ergibt sich die rechtliche Verpflichtung,

dass jeder, der die Berufsbezeichnung Krankenschwester, Krankenpfleger führt,

lebensrettende Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen des Arztes einleiten und die-

se Maßnahmen korrekt durchführen kann. Vor dem Hintergrund der schon in der

Einleitung erwähnten z.T. vorhandenen Defizite des Krankenpflegepersonals, aber

auch der Ärzteschaft in der kardiopulmonalen Reanimation, ist ein umfassendes

Ausbildungs- und Schulungsprogramm vonnöten. Inhalte der Ausbildung sollten

als Basis für alle Teilnehmer die kardiopulmonale Reanimation sein sowie die

Einbindung eines AED in den Ablauf der Reanimation. Weiterhin können je nach

Ausbildungsstand der Teilnehmer der verschiedenen Schulungen (Mitarbeiter der

Intensiv- und Observationsstationen) auch erweiterte Maßnahmen der Reanimati-

on (z.B. die Intubation) geübt werden. Anhand eines Schaubildes möchte ich eine

Möglichkeit der Einbindung eines AED in den Reanimationsablauf vorstellen

(s. Abb. 11).

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 31

Abbildung 11: Modularer, farbkodierter ANR-Algorithmus, aus: www.anr.de

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 32 Die Bundesärztekammer hat sich „hinsichtlich der Mindestanforderung an die

Aus- und Fortbildung von Ersthelfern in der Frühdefibrillation von Beginn an für

die Vorgaben des European Resuscitation Council ausgesprochen. Diese sehen ein

„Initial training in resuscitation involving AEDs“ von acht Stunden und ein

„Refresher training“ von zwei Stunden wenigstens alle sechs Monate vor. Die

Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe hat demgegenüber etwas modifizierte

Mindestanforderungen formuliert (initial sieben Stunden und einmal jährlich vier

Stunden Auffrischung), die ebenfalls mitgetragen werden können.

„Abschließend soll laut Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe

eine Lernzielkontrolle praktisch und theoretisch erfolgen.“14

Gegen „Kurzkurse“ in die Anwendung des AED spricht sich die Bundesärzte-

kammer aus, „da die Ausbildung neben der Gewähr für eine sachgerechte Hand-

habung des Defibrillators auch die Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimati-

on vermitteln muss. Die Frühdefibrillation stellt zwar einen bedeutenden Teil-

aspekt bei der Wiederherstellung der vitalen Funktionen dar, jedoch sind auch die

übrigen Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation lebenswichtig. Die

Behandlungsmaßnahmen entfalten ihren Wert sehr wesentlich durch ihr Zusam-

menwirken.“15

Hinsichtlich der ärztlichen Verantwortung für die Aus- und Fortbildung von

Nichtärzten in der Frühdefibrillation und der Qualitätsanforderungen für den ärzt-

lichen Ausbilder ist zu beachten:

„Die Frühdefibrillation muss hinsichtlich der Aus- und Fortbildung, Kontrolle und

Nachbereitung unter ärztlicher Leitung stehen. Die Aus- und Fortbildung von

Ersthelfern in der Frühdefibrillation muss unter ärztlicher Weisung erfolgen.

Aufgaben des ärztlichen Ausbilders sind:

• Überwachung der Aus- und Fortbildung

• Kontrolle und Nachbereitung jedes Einsatzes eines Defibrillators durch

nicht ärztliches Personal

• regelmäßige Berichterstattung an den Träger des Aus- bzw. Fortbil-

dungsprogrammes

Für diese Aufgaben muss der ärztliche Ausbilder folgende Qualifikationen besit-

zen:

14 Hübner 2003, S. 456-457 15 Hensel 2002, S. A-476 – A-477

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 33 Er muss notfallmedizinisch qualifizierte(r) Arzt/Ärztin mit Kenntnissen, Erfah-

rungen und Fertigkeiten in der Reanimation einschließlich Defibrillation besitzen.

Er soll Erfahrungen in der Durchführung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen

haben.

Die Empfehlungen für die Wiederbelebung des „Deutschen Beirates für Erste

Hilfe und Wiederbelebung-German Resuscitation Council“ sollten entsprochen

werden.“16

6.3 Rechtliche Aspekte „Die Rechtssicherheit des Helfers in der Not erwächst daraus, dass zur Rechtferti-

gung der Rettungsmaßnahme eine mindestens mutmaßliche Einwilligung des

Opfers in die mit einer Defibrillation tatbestandlich vorliegende Körperverletzung

angenommen werden kann. Rechtswidrig bleibt die Handlung jedoch dann, wenn

die helfende Person („der Täter“) riskante, insbesondere grob sorgfaltswidrige

Handlungen vornimmt, die durch die Einwilligung nicht gedeckt sind. Eine Ver-

letzung beziehungsweise Schaden wäre dann nicht mehr die Folge der Einwilli-

gung in ein gerechtfertigtes Risiko, sondern die Folge einer Sorgfaltspflichtverlet-

zung.“

Das Bundesministerium der Justiz führt dazu aus:

„Entscheidend ist damit immer, ob das Risiko bei Einsatz der Geräte in der kon-

kreten Rettungssituation in einem angemessenen Verhältnis zu den Rettungs-

chancen steht und der Einsatz sorgfältig durchgeführt wurde.“17

Um einen AED im Krankenhaus bedienen zu dürfen, muss man eine technische

Einweisung auf das vorhandene Gerät bekommen.

„Voraussetzung für die Anwendung eines AED ist eine Ausbildung gemäß § 14

und § 37 Abs. 5 Medizinproduktegesetz (MPG) in Verbindung mit § 2 Abs. 2 und

4 und § 5 Abs. 2 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV), um die

Rechtswidrigkeit der Körperverletzung zu rechtfertigen und den Bestimmungen

des Medizinproduktegesetzes in Verbindung mit der Medizinprodukte-

Betreiberverordnung, der diese Geräte unterliegen, zu entsprechen.“18 In der

Fachzeitschrift „Die Schwester/der Pfleger“ (Heft 03/06; Seite 453) ist ein inte-

ressanter Artikel zum Thema „Frühdefibrillation im Krankenhaus“ mit einer An-

16 Bundesärztekammer 2001, Deutsches Ärzteblatt 98, S. 18 17 Hensel 2002, S. A-476 – A-477 18 Bundesärztekammer 2001, Deutsches Ärzteblatt 98, S. 18

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 34 frage eines Chefarztes zu lesen. Diese bezieht sich auf die Bedienung eines halb-

automatischen Defibrillators durch Krankenpflegepersonal. Die dortige Pflege-

dienstleitung vertritt die Meinung, dass das „Krankenpflegepersonal trotz einer

Einweisung ein solches Gerät nicht bedienen müsse, da sie keine Ärzte wären,

insbesondere glauben einige Schwestern und Pfleger, dass diese Maßnahme aus-

schließlich Aufgabe des Arztes sei.“ Aus der Stellungnahme des Rechtsanwalts

Dr. Wolfgang Bruns, Stuttgart, geht folgendes hervor:

„Eine Krankenschwester oder ein Krankenpfleger, die sich weigern würden, im

Notfall – auch unter Einsatz eines automatischen Defibrillators – zu helfen, würde

sich nicht nur wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c St GB), sondern auch

wegen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223, 13 StGB), ggf. auch wegen

Totschlags durch Unterlassen (§§ 212, 13 StGB) strafbar machen.“

Durch häufige Trainingsmaßnahmen sollten die Widerstände und Abwehrhaltun-

gen der Schwestern und Pfleger abgebaut werden, um so die nötige Sicherheit in

der Anwendung dieser Geräte zu erlangen. Ziel dieser Maßnahme soll es sein, die

Überlebenschancen des Patienten zu erhöhen.

6.4 Einführung eines Frühdefibrillations- programms in einem Krankenhaus

Zuerst müssen Gefahrenschwerpunkte ermittelt werden, an denen nicht innerhalb

von drei Minuten durch Eintreffen eines Notfallteams ein Elektroschock bei Vor-

liegen eines Kammerflimmerns abgegeben werden kann.

Ein Finanzierungskonzept für die Anschaffung von halbautomatischen Defibrilla-

toren muss aufgestellt werden. Interessant zu wissen ist hierbei, dass die „Björn-

Steiger-Stiftung“ aufgrund einer Bürgschaft gegenüber den Geräteherstellern die

Preise in Deutschland generell bis zu 50 % gegenüber den restlichen Staaten der

Europäischen Union oder den US-Preisen senken konnte, um möglichst eine Viel-

zahl von Frühdefibrillationsprogrammen in Deutschland zu implementieren (An-

schaffungskosten eines Lifepak®500: ca. 1800 €).

Bei der Auswahl eines AEDs sollte darauf geachtet werden, dass die AEDs mit

bereits im Krankenhaus vorhandenen Defibrillatoren kompatibel sind, also vom

gleichen Hersteller stammen. So können z.B. die Kosten für die Anschaffung ver-

schiedener Klebeelektroden entfallen oder gleiche Akkus/Batterien können ver-

wendet werden. Die Geräte sollten ohne externe Stromversorgung auskommen,

möglichst wartungsarm und ständig einsatzbereit sein.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 35 Ein Ausbildungs- und Schulungsprogramm mit den bisherigen Schwerpunkten der

kardiopulmunalen Reanimation muss um die Anwendung von AEDs im Rahmen

der Reanimation erweitert werden.

Bisher noch nicht ausgebildete Zielgruppen müssen in der Reanimation und der

Anwendung von halbautomatischen Defibrillatoren geschult werden (Physio-

therapeuten, medizinisch-technische Assistenten, Verwaltungsangestellte, Reini-

gungspersonal und sonstige Mitarbeiter).

Jährliche Auffrischungskurse sollten installiert werden. Eine ärztliche Fachauf-

sicht sollte vorhanden sein.

Nach jedem Einsatz eines AEDs sollte im Rahmen eines Qualitätsmanagement-

programms gemeinsam mit der ärztlichen Fachaufsicht der Einsatz analysiert

werden. Gerade nach erfolglosen Einsätzen des AEDs ist eine Aufarbeitung der

Situation notwendig, um die gemachten Erfahrungen zu verarbeiten und

Versagens- und Schuldgefühlen vorzubeugen.

6.4.1 Umsetzung eines Frühdefibrillationskonzeptes in den Kliniken St. Antonius in Wuppertal Die Kliniken St. Antonius Wuppertal bestehen aus einem Klinikenverbund. Be-

standteile sind die Klinik Vogelsangstraße (186 Betten), das Marienheim (113

Betten), das Petrus-Krankenhaus (312 Betten), eine Reha-Klinik (92 Betten) und

eine Tagesklinik (15 Betten) sowie drei Krankenhäuser außerhalb Wuppertals.

Diese Kliniken entschlossen sich zu einem Akti-

onsplan „Frühdefibrillation im Krankenhaus“,

weil nach den Reanimationsempfehlungen der

AHA von 2000 die Installation von „Schock-

boxen“ nahe gelegt wird, da sich im Krankenhaus

unter den Patienten und evtl. auch Besuchern Per-

sonen mit deutlich erhöhtem Herztodrisiko häufi-

ger als an anderen Orten aufhalten. Nach der Ent-

scheidung für ein AED-Modell wurden diese in

mit Glastüren versehenen Schutzkästen auf jeder

Ebene der Krankenhäuser angebracht. Diese

Schutzkästen sind schlüssellos zu öffnen und ge-

ben nach Entnahme des Gerätes einen Dauerton

ab.

Abbildung 12: Beispiel eines Notfallpunktes mit Defibrillator im St. Josef-Hospital der Ruhr Universität Bochum, aus: Präsentation des St. Josef-Hospitals, Bochum

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 36 Zeitgleich wurden Pflegekräfte, Medizinisch-Technisches Personal und Physio-

therapeuten sowie Ärzte in der kardiopulmonalen Reanimation und in der An-

wendung der AEDs geschult. Es fanden halbjährliche verpflichtende Wiederho-

lungsschulungen und zeitnahe Nachbesprechungen nach Einsätzen des Gerätes

statt. Jede Station wurde mit einer Verfahrensanweisung zu diesem Thema, einem

Algorithmus sowie einem Lageplan der AEDs im Haus ausgestattet.

Nach den Schulungen wurden anonyme Beurteilungsbögen ausgefüllt, die zu

Verbesserungsvorschlägen führen sollten. Um die Lernerfolge der Teilnehmer zu

verbessern, wurden simulierte, unangekündigte Notfallsituationen auf der Station,

im Aufenthaltsraum oder im Sanitärräumen durchgeführt. Der Gesamtablauf der

Übungen wurde anhand eines Punktesystems bewertet. Anschließend folgte eine

direkte Nachbesprechung mit allen Beteiligten. Fehler und Probleme wurden

transparent gemacht, Verständnisprobleme, die während der Schulungen auftra-

ten, konnten ausgeräumt werden und im nächsten Unterricht speziell behandelt

werden. Die Vergleichswerte der Beurteilungsprotokolle wiesen innerhalb eines

Jahres deutliche Verbesserungen im zeitlichen Ablauf der Reanimation auf, so

dass in den meisten Fällen die geforderte Hilfsfrist von drei Minuten deutlich

unterschritten werden konnte. Bis Januar 2003 kam es zu fünfzehn Notfallein-

sätzen der Geräte. In sieben Fällen lag ein defibrillationswürdiger Rhythmus vor.

Vier Patienten überlebten das Ereignis nicht, drei Patienten konnten nach der An-

wendung des AED das Krankenhaus ohne neurologische Defizite verlassen. Wei-

tere erfolgreiche Einsätze des AEDs waren in der Notaufnahme und dem Auf-

wachraum zu verzeichnen.

In diesem Fall kann man eine erfolgreiche Implementierung eines Frühdefibrilla-

tionsprogramms in einem Krankenhaus sehen. Vor allem die konsequente und auf

Evaluation basierende Schulung aller Anwendergruppen hat hier zum Erfolg ge-

führt.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 37

6.4.2 Umsetzungsstand in der Uniklinik Münster (UKM)

Eine ähnlich konsequente Einführung eines Defibrillationskonzeptes wie im vori-

gen Beispiel beschrieben gibt es in der Uniklinik Münster noch nicht.

Derzeit gibt es für alle pflegerischen Mitarbeiter ein CPR-Schulungsprogramm,

für Mitarbeiter der Intensivstationen und der Intensivobservationsstationen wird

ein Megacode-Training mit der Anwendung eines manuellen Defibrillators ange-

boten. Im Frühjahr 2004 wurden mit Einführung der Observationszimmer auf

mehreren Ebenen des Ost- und Westturms halbautomatische Defibrillatoren

(Lifepak®500) angeschafft. Vor allem auf den kardiologischen Stationen 15 B Ost

und 17 B Ost ist dies äußerst sinnvoll, da dort die Wahrscheinlichkeit für das Auf-

treten von Patienten mit Kammerflimmern hoch ist. Auch in anderen Bereichen

des UKM sind AEDs angeschafft worden, wie z.B. in der Zahnklinik, der techni-

schen Orthopädie, der Augenklinik, der Lungenfunktionsabteilung und auf dem

Löschfahrzeug der Werksfeuerwehr des UKM.

Da zur Zeit die finanziellen Mittel zur Anschaffung weiterer Geräte knapp bemes-

sen sind, muss die Ausweitung eines flächendeckenden Defibrillationskonzeptes

leider noch zurückstehen. Weitere sinnvolle Standorte für einen AED wären z.B.

die Hals-Nasen-Ohren-Klinik, die Psychiatrie, die Hautklinik, die Personalkanti-

ne, die Zentralküche, Wäscherei und natürlich die Besucherbereiche auf den Ebe-

nen 03 bis 05.

Leider hat der Personenkreis, der derzeit mit den Geräten arbeiten kann, bisher

nur eine Einweisung in die Geräte nach MPG erhalten und noch keine umfassende

Schulung in Kombination mit der Reanimation. Zur Zeit ist noch keine Reanima-

tionsschulung mit Anwendung des AEDs durchgeführt worden.

Auswertungen liegen seit Anschaffung der Geräte noch nicht vor. Aus einzelnen

Berichten kann jedoch abgeleitet werden, dass die Geräte bereits erfolgreich ein-

gesetzt wurden. Bekannt ist z.B. der Fall eines Patienten, der vor einem Aufzug

erfolgreich defibrilliert wurde. Weitere Berichte und Auswertungen bleiben ab-

zuwarten.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 38

7. Fazit Die vorliegenden nationalen und internationalen Studien und Konzepte zur Früh-

defibrillation lassen eindrucksvoll erkennen, wie sinnvoll eine möglichst weite

Verbreitung der Geräte und eine möglichst gute Fortbildung der potentiellen An-

wender ist. Gerade im Krankenhaus erwarten Patienten und Öffentlichkeit profes-

sionelle und schnelle Hilfe im Notfall und ein höchstes Maß an Sicherheit. Dies

kann nur durch gut geplante und konsequent durchgeführte Frühdefibrillations-

Programme gewährleistet werden.

Der Weg zum sogenannten „Heart-Safe-Hospital“, in dem jeder Patient innerhalb

von drei Minuten nach Eintritt eines funktionellen Herz-Kreislauf-Stillstandes

defibrilliert werden kann, scheint in einigen Kliniken bereits umgesetzt worden zu

sein. Für die Uniklinik Münster sind erste Schritte eingeleitet worden, ein umfas-

sendes Konzept steht jedoch noch aus.

Ob ein funktionierendes Defibrillationskonzept vorhanden ist oder nicht, könnte

in Zukunft auch zum Wettbewerbs- und Imagefaktor zwischen einzelnen Kran-

kenhäusern werden, da das Thema in der Öffentlichkeit zunehmend bekannter

wird.

Die Beobachtung der weiteren Entwicklung der Frühdefibrillation scheint interes-

sant und lohnenswert zu sein. Weitere Studien, z.B. der Deutschen Herzstiftung

zur Frühdefibrillation auf dem Frankfurter Flughafen, und Erfahrungsberichte aus

anderen Krankenhäusern können in Zukunft weitere Impulse für die Einführung

der Frühdefibrillation im Krankenhaus geben.

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 39

8. Literaturverzeichnis

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K. Taubken Frühdefibrillation im klinischen Bereich Seite 40 Internetseiten: www.aed-bayern.de www.anr.de www.fh-muenchen.de www.forum-intensivpflege.de www.grundkurs-ekg.de www.narkosearzt-hamburg.de www.resuscitation.ch www.rettung-stromberg.de Bildnachweis Titelseite: Fa. Medtronic