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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 35. Jahrgang Heft 3") 1948 Fiinfzi 9 Jahre Radium. Wiedergabe zweier Originalarbeiten yon P. C u ri e und Mine. S.-C u r i emit einem Vorwort von Otto Hahn. Am 18. Juli 1898 beriehteten Pierre Curie und seine Frau.Marie, geborene Sklodowska, in der franzSsisehen Akademie der Wissensehaften, dab sic bei der Verarbeitnng der Uranpeehblende eir~ radio- aktives Element abgesehieden hatten, das mehrere hundertmal starker sei als das Uran und nngefahr den ehemisehen Eigensehaften des Wismuts folge. Es wurde zu Ehren der Heimat der Madame Curie Polonium genannt. Am 26. Dezember des gleiehen Jahres gab das Ehepaar Curie bekannt, dab sic in Gemeinsehaft mit B 6mo'nt ein zweites stark radio- aktives Element aufgefunden hatten, das ehemiseh dem Barium ahnliehe Eigensehaften aufweise. Sie nannten die Substanz wegen ihrer ,,strahlenden" Eigensehaften Iladium. Dies war die Geburtsstunde eines neuen Zeitalters naturwissenseha ftlieher Forsehung. Gewil?, die Itadioaktivitfit, das VermSgen des Elements Uran, ,,dunkle" Strahlen auszusenden, war sehon zwei Jahre vorher yon Henri Becquerel erkannt worden. Abet diese Entdeekung fand wegen der sehr sehwaehen aul3ereh Wirknngen des Urans keine fiber den Kreis der Faehgenossen hinausge- hende Resonanz, ebensowenig wie der Naehweis einer sehwaehen Beequerel-Strahlung beim Thorium. Bei den zwei neuen Elementen wurde dies anders, und die Entdeekungen des Ehepaars Curie wurden zur Sensation, als mit zunehna'ender Gewinnung starkerer Radiumprfiparate und Untersuehung ihrer Strahlen, vor allem beim Radium, Erscheinungen auftraten, die mit den bekannten Naturgesetzen in Widersprueh zu stehen sehienen. Die dauernde starke Strahlung ohne Einwirkung ~ul3erer Energie. quellen, das Leuchten im Dunkeln, die intensive Wirkung auf die photographisehe Platte, die hOhere Temperatur der Radiuml6sungen gegenaber der Umgebung, wobei spfitere genauere Messungen zeigten, dab Radium Wasser yon mehr als seinem Eigengewieht pro Stunde yon 0 auf 100 ~ erhitzen konnte, ohne dabei in seiner Wirkung abzusinken. All dies war geeignet, die Phan~asie nieht nur der Faehgenossen, sondern der ganzen Welt anzuregen. Nut weuiger Jahre hat es bedurft, um diese zu- nfiehst v611ig rfitselhaften Erseheinungen zu erklaren. Es ist hier nieht der Ptatz, die vielen Namen zu nennen, die zu der Entwieklung tier Radiumforsehung, der yon ihr ausgel6sten Kernphysik, der Neutroneu- forsehung, schhel31ieh der Ausnfitzung der in den Atomkernen sehlummernden Energien wesentlieh beigetragen haben. Nebe~ dem Entdeekerehepaar sei aber der Name des hervorragenden Forsel)ers hervor- gehoben, dessert Genialitfit immer wieder entsehei- dende Sehritte in der Entwieklung eingeleitet, hat. t/oh angen/Xhert k6nnte man diese in ffinf Epoehen yon je 10 Jahren einteilen. Um 1900 die Atomzerfall- theorie yon 1Rutherford und Soddy (1902); um 1910 das Kernmodell yon Rutherford (1911); um 1920 die erste kfinstliehe Umwandlung eines Elements in ein anderes (Stiekstoff in Sauerstoff) dutch Rutherford (1919); um 1930 die Entdeekung des Neutrons dutch Chadwick (1932), der kfinstliehen I:ladioaktivitat dutch Joliot und Curie (1934); *) Ausgegeben um 1940 die teehnische Ausnutzung der Kernenergien (ab 1941). Alle diese Meilensteine in der Entwiek!ung zu unserer heutigen Auffassung fiber die k6rperliehe Welt sind Folgen der Entdeekung des Radiums vor 50 Jahren. Der VorsehIag des Herausgebers der ,,Naturwissenschaften" dfirfte deshalb wohl all- gemeine Zustimmung finden, die beiden Arbeiten des Ehepaares Curie aus dem Jahre 1898 der jfingeren Generation zuganglieh zu maehen. Aus den Comptes rendus de l'Acad6mie Fran~aise. Bd. 127, S. 175 (1898), und Bd. 127, S. 1215 (1898): Eine neue in der Peehblende enthaltene radioaktive Substanz. Von P. curie und Mine. S.-Curie. (Vorgelegt yon Herrn B e e q u e r e 1.) Einige uran- und ~horiumhaltige Minerale (Peeh- blende, Chalcolit, Uranit) emit~ieren lebhaft Bec- querel-Strahlen. In einer frfiheren Arbeit wurde gezeigt, dab die hier beobaehtete Aktivitat sogar grN3er ist als die des Urans und des Thoriums ; gleich- zeitig wurde bereits die Vermutung geauBert, dab die Wirkung yon einer anderen, besonders aktiven Sub- stanz herr/ihre, die in diesen Mineralen in sehr kleiner Menge enthalten istl). Wie die Untersuehung yon Utah-und Thorium- Verbindungen gezeigt hatte, ist in dem Emissions-- vermSgen von Strahlen, welche die Luft leitend maehen und welehe die photographisehe Platte sehwarzen, eine spezifisehe Eigensehaft des Urans und des Thoriums zu erblicken. Daher treten diese Strahlen auch bei allen u dieser Elemente auf, und zwar mit einer Intensitfit, die etwa der je- weiligen Menge des aktiven Elements in der betreffen- den Yerbindung proportional ist. Aueh der physika- lisehe Zustand dieser Stoffe Seheint nut von ganz untergeordneter Bedeutung zu sein. Versehiedene Versuche zeigten fernerhin, dab eine Vermisehung mit inaktiven Substanzen lediglieh eine der Konzen- tration der akti~zen Stoffe proportionale Herab- setzung der Aktivitat bewirkt, wobei freilich noch die dutch die inaktiven Stoffe bewirkte Absorption zu berficksiehtigen ist. Hier wird also das Strahlungs- vermSgen nieht wie bei der normalen Phosphoreszenz und Fluoreszenz dutch Verunreinigungen oder der- gleiehen beeinfluBt; wenn somit einige Minerale tat- saehlich starker aktiv sind als Uran und Thorium, so muB die Anwesenheit einer Substanz als sehr wahr- seheinlieh angesehen werden, die starker aktiv ist als diese Metalle. Wir haben nun Yersuehe zur Isolierung dieses in der Peehblende enthaltenen Stoffes angestellL und konnten auf" diese Weise die voranstehend ausge- sproehene Vermutung bestatigen. Das yon uns benutzte (ira Prinzip ehemische) Yer- fahren bestand darin, die Strahlungsaktivitat der bei ~) M. Sklodowska-Curie, C. 1R. 1"26, lI01 (1898). " im Oktober 1948, Naturwiss. 1948~ 5

Fünfzig Jahre Radium

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 35. Jahrgang Heft 3") 1948

Fiinfzi 9 Jahre Radium.

Wiedergabe zweier Originalarbeiten yon P. C u ri e und Mine. S.-C u r i e m i t einem Vorwort von

O t to Hahn .

Am 18. Juli 1898 beriehteten Pierre Cur ie und seine Frau.Marie, geborene S k l o d o w s k a , in der franzSsisehen Akademie der Wissensehaften, dab sic bei der Verarbeitnng der Uranpeehblende eir~ radio- aktives Element abgesehieden hatten, das mehrere hundertmal starker sei als das Uran und nngefahr den ehemisehen Eigensehaften des Wismuts folge. Es wurde zu Ehren der Heimat der Madame Curie Polonium genannt. Am 26 . Dezember des gleiehen Jahres gab das Ehepaar Cur ie bekannt, dab sic in Gemeinsehaft mit B 6mo'nt ein zweites stark radio- aktives Element aufgefunden hatten, das ehemiseh dem Barium ahnliehe Eigensehaften aufweise. Sie nannten die Substanz wegen ihrer ,,strahlenden" Eigensehaften Iladium.

Dies war die Geburtsstunde eines neuen Zeitalters naturwissenseha ftlieher Forsehung.

Gewil?, die Itadioaktivitfit, das VermSgen des Elements Uran, ,,dunkle" Strahlen auszusenden, war sehon zwei Jahre vorher yon Henri B e c q u e r e l erkannt worden. Abet diese Entdeekung fand wegen der sehr sehwaehen aul3ereh Wirknngen des Urans keine fiber den Kreis der Faehgenossen hinausge- hende Resonanz, ebensowenig wie der Naehweis einer sehwaehen Beequere l -S t rah lung beim Thorium.

Bei den zwei neuen Elementen wurde dies anders, und die Entdeekungen des Ehepaars Cur ie wurden zur Sensation, als mit zunehna'ender Gewinnung starkerer Radiumprfiparate und Untersuehung ihrer Strahlen, vor allem beim Radium, Erscheinungen auftraten, die mit den bekannten Naturgesetzen in Widersprueh zu stehen sehienen. Die dauernde starke Strahlung ohne Einwirkung ~ul3erer Energie. quellen, das Leuchten im Dunkeln, die intensive Wirkung auf die photographisehe Platte, die hOhere Temperatur der Radiuml6sungen gegenaber der Umgebung, wobei spfitere genauere Messungen zeigten, dab Radium Wasser yon mehr als seinem Eigengewieht pro Stunde yon 0 auf 100 ~ erhitzen konnte, ohne dabei in seiner Wirkung abzusinken. All dies war geeignet, die Phan~asie nieht nur der Faehgenossen, sondern der ganzen Welt anzuregen.

Nut weuiger Jahre hat es bedurft, um diese zu- nfiehst v611ig rfitselhaften Erseheinungen zu erklaren. Es ist hier nieht der Ptatz, die vielen Namen zu nennen, die zu der Entwieklung tier Radiumforsehung, der yon ihr ausgel6sten Kernphysik, der Neutroneu- forsehung, schhel31ieh der Ausnfitzung der in den Atomkernen sehlummernden Energien wesentlieh beigetragen haben. Nebe~ dem Entdeekerehepaar sei aber der Name des hervorragenden Forsel)ers hervor- gehoben, dessert Genialitfit immer wieder entsehei- dende Sehritte in der Entwieklung eingeleitet, hat.

t/oh angen/Xhert k6nnte man diese in ffinf Epoehen yon je 10 Jahren einteilen. Um 1900 die Atomzerfall- theorie yon 1Ruther ford und S o d d y (1902); um 1910 das Kernmodell yon R u t h e r f o r d (1911); um 1920 die erste kfinstliehe Umwandlung eines Elements in ein anderes (Stiekstoff in Sauerstoff) dutch R u t h e r f o r d (1919); um 1930 die Entdeekung des Neutrons dutch C h a d w i c k (1932), der kfinstliehen I:ladioaktivitat dutch J o l i o t und Curie (1934);

*) Ausgegeben

um 1940 die teehnische Ausnutzung der Kernenergien (ab 1941).

Alle diese Meilensteine in der Entwiek!ung zu unserer heutigen Auffassung fiber die k6rperliehe Welt sind Folgen der Entdeekung des Radiums vor 50 Jahren. Der VorsehIag des Herausgebers der ,,Naturwissenschaften" dfirfte deshalb wohl all- gemeine Zustimmung finden, die beiden Arbeiten des Ehepaares Curie aus dem Jahre 1898 der jfingeren Generation zuganglieh zu maehen.

Aus den Comptes rendus de l'Acad6mie Fran~aise. Bd. 127, S. 175 (1898), und Bd. 127, S. 1215 (1898):

Eine neue in der Peehblende enthaltene radioaktive Substanz.

Von P. c u r i e und Mine. S.-Curie. (Vorgelegt yon Herrn B e e q u e r e 1.)

Einige uran- und ~horiumhaltige Minerale (Peeh- blende, Chalcolit, Uranit) emit~ieren lebhaft Bec- querel-Strahlen. In einer frfiheren Arbeit wurde gezeigt, dab die hier beobaehtete Aktivitat sogar grN3er ist als die des Urans und des Thoriums ; gleich- zeitig wurde bereits die Vermutung geauBert, dab die Wirkung yon einer anderen, besonders aktiven Sub- stanz herr/ihre, die in diesen Mineralen in sehr kleiner Menge enthalten istl).

Wie die Untersuehung yon Utah -und Thorium- Verbindungen gezeigt hatte, ist in dem Emissions-- vermSgen von Strahlen, welche die Luft leitend maehen und welehe die photographisehe Platte sehwarzen, eine spezifisehe Eigensehaft des Urans und des Thoriums zu erblicken. Daher treten diese Strahlen auch bei allen u dieser Elemente auf, und zwar mit einer Intensitfit, die etwa der je- weiligen Menge des aktiven Elements in der betreffen- den Yerbindung proportional ist. Aueh der physika- lisehe Zustand dieser Stoffe Seheint nut von ganz untergeordneter Bedeutung zu sein. Versehiedene Versuche zeigten fernerhin, dab eine Vermisehung mit inaktiven Substanzen lediglieh eine der Konzen- tration der akti~zen Stoffe proportionale Herab- setzung der Aktivitat bewirkt, wobei freilich noch die dutch die inaktiven Stoffe bewirkte Absorption zu berficksiehtigen ist. Hier wird also das Strahlungs- vermSgen nieht wie bei der normalen Phosphoreszenz und Fluoreszenz dutch Verunreinigungen oder der- gleiehen beeinfluBt; wenn somit einige Minerale tat- saehlich starker aktiv sind als Uran und Thorium, so muB die Anwesenheit einer Substanz als sehr wahr- seheinlieh angesehen werden, die starker aktiv ist als diese Metalle.

Wir haben nun Yersuehe zur Isolierung dieses in der Peehblende enthaltenen Stoffes angestellL und konnten auf" diese Weise die voranstehend ausge- sproehene Vermutung bestatigen.

Das yon uns benutzte (ira Prinzip ehemische) Yer- fahren bestand darin, die Strahlungsaktivitat der bei

~) M. S k l o d o w s k a - C u r i e , C. 1R. 1"26, l I 0 1 (1898). "

im Oktober 1948,

N a t u r w i s s . 1948~ 5

66 H a h n : Fiinfzig Jahre Badium. Die Natur- wissenschaften

jeder einzelnen Operation abgetrennten Produkte zu kontrollieren. /~edes dieser Produkte wurde auf einer der Plat ten eines Kondensators ausgebreitet; dann wurde die der Luft erteilte Leitf~higkeit mit Hilfe eines Elektrometers und eines Piezoquarzes gemessen, wie dies bereits in der zitierten Arbeit angegeben wurde. Man gewinnt so nicht nu t einen qualitativen Hinweis, sondern auch eine zahlenm~f~ige Angabe

bezagl ich der Anreicherung d$s aktiven Stoffes. Die yon uns untersuchte Pechblende, die in unserem

Plat tenapparat ungefahr zweieinhalbmal aktiver war als reir/es Uran, behandelten wit zuerst mit Sauren und leiteten in die LOsung Schwefelwasserstoff ein, wobei Uran und Thorium gel6st blieben. De r sniff- dische Niederschiag enthielt neben Blei, Wismut, Kupfer, Arsen und Antimon eine sehr aktive Sub- stanz ; diese ist in Amoniumsulfid vollkommen unl6s- lich, wodurch sie yon Arsen nnd Antimon abgetrennt werden kann. Die im Ammoniumsulfid unl6slichen Sulfide wurden in Salpeters~ure gelOst; die aktive Substanz kann dann yon Blei durch Schwefels~iure teilweise abgetrennt werden. Wenn man namlic.h das Bleisulfat l~ngere Zeit mit verdtinnter Schwefelsaure behandelt, kann man einen groBen Tell der Substanz, die mit dem Bleisulfat mitgerissen wurde, wieder in L6sung bringen. Die gemeinsam mit Wismut und Kupfer in der L6sung befindliche Substanz wird nun durch Ammoniak vollstandig ausgeffillt. Auf diese Weise wird sie yon Kupfer abgetrennt, bleibt aber mit dem Wismut vereinigt.

Wir haben bisher noch kein Verfahren ausfindig machen k6nnen, durch welshes die aktive Substanz auf n a s s e m Wege yon Wismut quanti ta t iv abzu- trennen ist. Doch gelaIrgten wir auf Grund folgender Tatsachen wenigstens zu einer unvollst~ndigen Trennung :

In der salpetersauren L6sung tier Sulfide sind die leichter 15sliehen Anteile die weniger aktiven. Unter den dutch Wasser nach und nach erzeugten Nieder- schlagen sind die ersten die weitaus aktivsten. Wit beobachteten ferner, dab man beim Erhitzen der Pechblende durch Sublimation sehr aktive Produkte erhalt. Hierdurch wurden wit zu folgendem Trennver- fahren geffihrt, das auf dem Fltichtigkeitsunterschied zwischen der aktiven Substanz und Wismutsulfid beruht. Man erw~rmt die Sulfide in einem Hartglas- rohr im Vakuum auf etwa 700~ da s aktive Sulfid schlagt sieh dann in Form eines schwarzen Sublimats in Gebieten des Glasrohres nieder, die sich auf einer Temperatur yon 250 his 300 ~ befinden, w~hrend das Wismutsulfid in dem heiBeren Tell des Rohres Zurtick- bleibt.

Mittels dieser Operationen erh~It man zunehmend starkere Praparate. SchlieBlich hat tenwir ein Produkt in der Hand, welches etwa 400real aktiver war als das Uran.

Wir haben nun zahlreiche bereits bekannte Stoffe auf ihre Aktivi tat hin untersucht. Wir prtiften die Verbindungen fast samtlicher Elemente; dank dem freundlichen Entgegenkommen mehrerer Chemiker erhielten wir 'auch Proben der seltensten S toffe. Uran und Thorium erwiesen sich als die einzigen wirMich aktiven Elemente; vielleicht ist auch Tantal sehr schwach aktiv.

Wit glauben daher, dab die yon uns aus der Peeh- ble~nde gewonnene Substanz ein bisher unbekanntes Element enthalt, welches dem Wismut hinsichtlich seiner chem~ischen Eigenschaften nahe verwandt ist. So!lte sich die Existenz dieses neuen Metalles be- statigen, so bringen wit ftir dieses - - nach dem Heimatlande des einen yon uns - - den Namen P o l o n i u m in Vorschlag. Herr D e m a r s a y hat te die Freundlichkeit, das Spektrum einiger unserer Pra-

parate zu untersuchen. Allerdings konnte er keine charakteristische Spektrallinie finden, sondern nut Linien, die yon Verunreinigungen herr(ihren, so dab auf diese Weise die Auffassung, unser Prapara t ent- hielte ein neues Element, keine Sttitze erhalt. Indessen wies Herr D e m a r ~ a y darauf hin, daft Uran, Thorium und Tantal recht komplizierte Spektren zeigeu, die aus einer groBen Zahl sehr feiner, nut schwer wahrnehmbarer Linien bestehen.

Zum Schlufi s e inoch der Hinweis gestattet , daft die Entdeckung des neuen Elementes - - falls sich dessert Existenz bestatigt - - allein der neuen Unter- suchungsmethode zu verdanken ist, welche auf einer Verwendung der B e c q u e r e l - S t r a h l e n beruht.

Eine neue in der Pechblende enthaltene stark radioaktive Substanz.

Von P. C u r i e , Mine. P.~Curie und G. B e m o n t . (Vorgelegt yon Herrn B e e qu e r e 1.)

Zwei der Autoren dieser Notiz haben ktirzlich ge- zeigt, dab man durch ein rein chemisches Verfahren aus Pechblende eine stark radioaktive Substanz extrahie~en kann, die dem Wismut hinsichtlich ihrer analvtiseh chemischen Eigenschaften nahe verwandt ist, und -auBerten die Vermutung, dab es sich hierbei um ein neues Element handele, fiir welches sie den Namen Polonium in Vorschlag brachten2).

Die sich anschlieBenden Untersuchungen fOhrten zu Ergebnissen, die in Ubereinstimmung mi~ den bis- herigen stehen. Doch begegneten wir bei diesen Arbeiten einer zweiLen sthrk radioaktiven Substanz, die beziiglich ihrer chemischen Eigenschaften yon der ersten grundverschieden ist. Denn das Polonium wird aus saurer L6sung mit Schwefelwasserstoff aus- gefailt; seine Sake sind in Saurea 15slich; durch Wasser wird es aus solchen LSsungen groBenteils, dutch Ammoniak V611standig ausgef'~llt.

Die neue, ktirzlich entdeckte radioaktive Substanz gleicht in chemischer Hinsicht gut gereinigtem Barium: sie wird weder dutch Schwefelwasserstoff noch durch Ammoniumsulfid noch durch Ammoniak ausgefallt. Ihr Sulfat ist ifl Wasser und Sauren un- 16slich; das Carbonat ist in Wasser unl6slich, ihr Chlorid in Wasser sehr leicht 16slich, dagegen unl6s- lich in konzentrierter Salzsaure und Alkohol. Pra- parate, welche die neue Substanz enthielten, lieferten aberdies auch das leieht identifizierbare Spektrum des Bariums.

Trotzdem glauben wir, dab unsere Prfiparate, obgleich sie groBenteils aus Barium bestehen, ein neues, dem Barium in chemischer Hinsicht nahe ver- wandtes Element enthalten, von dem dge Radio- aktivitfit herrtihrt. Folgende Grfinde sprechen far die Richtigkeit dieser Auffassung:

1. Barium und seine Verbindungen sind normaler- weise nicht radioaktiv. Es konnte aber gezeigt werden, dab die Badioaktivi tat eine Eigenschaft der Atome ist, die bei allen chemischen Verwandlungen und in allen physikalischen Zustfinden unverfinder~ bleibt3L Beachtet man dies, so kann die Radio- aktivit 'at unserer Substanz keinesfalls dem Barium zugeschrieben werden, sondern muB yon einem anderen Element herriihren.

2. Unsere ersten Praparate zeigten in Gestalt kristallwasserhaltiger Chloride eine 60real starkere Aktivi tat als metallisches Uran (die Intensitat der radioaktiven Strahlung ergab sich aus der gemessenen Leitfahigkeit der Luft in unserem Plat tenapparat) .

c u r i e , P. und Mme. S.-Curie, C. R. 127, 175 (1898). ~s~ Mme. S.-Curie, C. R. 126, 1101 (1898).

Heft 3 ] t948 H a h n : Einige pers6nliche Erinnerungen

L0st man die Chloride in Wasser auf und f~illt einen Tell mit Alkohol aus, so ist der Niedersehlag wesent- lich aktiver ats die RestlSsung. Auf Grund dieser Feststellung kann man eine Reihe fraktionierter Ffilhmgen durchfahren, wodureh man immer aktivere Chloride erhfilt. W ir gelangten auf diese Weise zu einem Pr~iparat, welches eine 900real grSBere Akti- vitfit besaB als das Uran. Hier muBten wir die Ver- suche wegen Substanzmangels abbrechen ; doch kann im Hinbl ick auf ihren ganzen Verlauf bis damn kein Zweifel bestehen, dal~ die Aktivit~t sich noch erhehlich h~itte steigern lassen, falls wit sic hfitten fortsetzen kSnnen. Der erhaltene Beflmd lfiBt sich offenbar nu t dutch die Anwesenheit eines radioaktiven Elementes erktaren, dessert Chlorid in wfisserigem Alkohol weniger 10slich ist als das des Bariums.

3. Herr D e m a r ~ a y hat te die Freundliehkeit, wieder das Spektrum unserer Substanz zu unter- suehen. Ffir sein grol3es Entgegenkommen mSchten wir ihm auch an dieser Stelle unseren ganz beson- deren Dank aussprechen. Seine Ergebnisse werden yon ihm selbst in einer eigenen Notiz im AnschluB an die vorliegende mitgeteilt werden. In dem Spektrum finder sich ta~sfichlieh eine Spektrallinie, die keinem bisher bekannten Element anzugeh6ren scheint. Diese Linie ist zwar bei dem Chlorid, welebes nu t 60mat starker radioaktiv i s t aIs Uran, noch kaum erkennbar; doeh ist sie recht deutlieh bei dem Pra- parat , bei welehem die AkLivitfit durch fraktionierte Ausffillung auf das 900faehe gegentiber Ura/a ge- steigert ist. Die Intensit~itszunahine dieser Linie geht also parallel mit dem Anwaehsen der Radioaktivit~it ; gerade hierin glauben wir eine erhebliche St(itze ffir die Auffassung erblicken zu d(irfen, dab die fragliche Linie wirklieh deln radioaktiven Anteil unserer Pr~iparate zuzuschreiben ist.

Die voranstehend mitgeteilten Ergebnisse haben uns zu der Uberzeugung gef/ihrg, daf3 die untersuehte radioak[ive Substanz aus einem neuen Element be- steht, far welches wir den Namen Badium vor- schlagen.

Wit haben nun das Atomgewicht unseres radio- aktiven Bariums ermittelt , indem wit das in dem

aus der Gesehichte der Radioaktivitfit. 67

wasserfreien Chlorid enthaltene Chlor quant i ta t iv bes t immten. Die gefundenen Zahlenwerte diffe- rieren nur sehr wenig yon denen einiger ParMlelver- suche, die mit inaktivem Barium angestellt wurden. Zwar liegen die f~r das aktive Barium erhaltenen Werte ein wenig h6her, doeh ist der Untersehied yon der Gr6Benordnung der Versuchsfehler. Da hiernach die Pr~iparate t rotz ihrer sehr erheblichen Radio- aktivitfit noch eine sehr grol3e Menge Barium ent- halten, mug die Badioaktivitfit des reinen Radiums enorm groB sein.

Uran, Thorium, Polonium, Radium und ihre Ver- bindungen erteilen der Lufg ein elektrisches Leitver- mSgen und schw~irzen die phogographisehe Platte. hi dieser Hinsicht sind Polonium und Radium wesentlich aktiver als Uran and Thorium. Bei ph0tographisehen Plat ten e rh~l t man mit t-ladium und Polonium nach einer BeliehtungszeiL yon etwa

�89 Minute deutliehe Schwfirzungen; dagegen bedarf es mehrerer Stunden~ um den gleichen Effekt mit Uran und Thorium zu erzielen.

Die yon den Verbindungen des Poloniums und Radiums emitt ierten Strahlen bringen Barium- Piatin-Cyanfir zur Fluoreszenz. Ihre Wirkung ist in dieser Hinsieht fihnlich wie die der RSntgenstrahlen, nur erheblich schwgcher. Um dies zu pr~ifen, legt man auf das aktive PrSparat ein'e Aluminiumfolie, auf die man Barium-Platin-Cyantir in danner Schicht aus - breitet. Im dunklen Flaum wird dann an Stellen, unt.er denen sich radioaktive Substanz befindet, ein sehwaches Aufleuchten wahrnehmbar. Auf diese Weise gelangt man zu einer Liehtquelle, die zwar sehr schwaeh ist, abet ohne Energiezufuhr arbeitet. Hier steht man offenbar vor einem (vielleicht nu t scheinbaren) Widerspruch gegen(iber dem Energie- prinzip4). Uran und Thorium erzeugen unter den ge- schilderten Bedingungen keinerlei wahrnehmbares Leueh~en, da ihre Strahlenwirkung wahrscheinlich zu schwach ist. (Ubersetzung yon A. E u e k e n . )

Eingegangen am 17. Juli i948.

~) Anmerkung des Ubersetzers: Im Original steht hier ,,Carnot- sches Prinzip"; doch ist diese Bezeichnung ffir das bier allein in Frage kommende t~nergieprinzip nicht allgemein gebrfiuchlich.

Eini9e persiinliehe Erinnerungen aus der Gesehiehte der natiirliehen Radioaktivitiit.

Von O t L o H a h n , GSttingen.

Der Herausgeber dieser ZeitsehrifL hat mich ge- beten, zur Erinnerung an die vor 50 Jahren ver- 6ffentlichte Entdeckung der radioaktiven Elemente Polonium und Radium dutch das E h e p a a r C u r i e einiges aus der En~wicklungsgeschichte der Radium- forschung zu erzfihlen, da ich in Deutschland wohl der Lilt~ste und einzige sei, der fast diese ganze Zeit tfitig mi~erlebt habe. leh ~ue dies sehr gem, fasse meine Aufgabe aber nicht so auf, nun eine streng objektive Geschiehte der Badioaktivit~t niederzu- schreiben. Dies wfirde ja den ffir eine Mitteilung in den , ,Naturwissenschaften" zur Verfagung stehenden Haum bei weitem iiberschreiten. Ich m6chte vielmehr, dem Vorschlage des Herrn Herausgebers folgend, ein paar pers6nliehe Erinnerungen aus meiner eigenen Arbeitszeit erzfihlen. Dabei sollen solche Untersu- ehungen etwas genauer besehrieben werden, bei denen der Gang der Arbei~ vielleicht einen gewissen didak- tischen Wert hat. AuBerdem ski es gestattet, aueh einer f/eihe mehr scherzhafter Episoden zu gedenken, obgleich diese eigentlich nicht in den Rahmen einer ,,wissenschaftlichen Publikat ion" passen.

Nach meiner Promotion a l s organischer Chemiker und zweijfihriger Assistententfitigkeit in Marburg a. d. Lahn unter Geheimrat Theodor Z i n c k e wurde mir eine reich loekende Anstellung in der chemischen Industrie in Aussicht gestell~ unter der Voraus- setzung, dab ich neben der Chemic mir vorher auch etwas bessere Sprachkenntnisse in Engliseh und eventuell FranzSsisch aneignen wfirde, um gelegent- lich ins Ausland geschickt werden zu kSnnen. Ich besehloB also, anf einige Zeit naeh England zu gehen und fuhr mit einem kurzen Empfehlungsschreiben meines Marburger Chefs nach London zu Prof. Sir William R a m s a y , um dort neben dem Plan, Eng- liseh zu lernen, aueh ehemisch etwas zu arbeiten.

Sir William fragte mieh, ob ieh fiber Radium arc beiten wolle. Als ich ihm antwortete, dab ieh davon niehts verstfinde, erwiderte er, das sei gerade das Riehtige, denn dann habe ich ja keine vorgefaBten Meinungen. Er gab mir eine Schale mit 50 oder 100 g eines Barinmsalzes. In dem Barium seien etwa 9 mg Radium enthalten; diese solle ieh dutch fraktionierte Kristallisation vom Barium abtren~en, dann eiile

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