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Von England über Ungarn bis ins finnisch-russische Grenzge- biet Karelien haben Dirigent Ger- hard Koschel und das Akkordeon- Orchester „ohne Namen“ (o.N.) rund 250 Zuhörer auf eine musi- kalische Reise entführt. Das 1. Ak- kordeon-Orchester Passau hat am Samstag im Großen Rathaussaal sein alljährliches Herbstkonzert gefeiert. Neben dem o.N. glänzten auch das neu entstandene Ju- gend-Ensemble sowie das Stammorchester. Passend zur Jahreszeit eröffne- te der Nachwuchs den Konzert- abend mit dem „Herbst“ aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Was bei der Generalprobe im leeren und deshalb akustisch schwierigen Saal laut Leiter Ger- hard Koschel noch ein Klangbrei war, war am Abend eine fein- gliedrige Darbietung. Gekonnt setzten die neun Jugendlichen zwischen neun und fünfzehn Jah- ren Tanz- und Gesangmotive der Landleute um und imitierten Hör- nerklang und Gewehrschüsse ei- ner Jagdszene. Unterstützt von Niklas Weinzierl am Schlagzeug, zeigte das Ensemble im Anschluss mit „Techno Time“ von Hans- Günther Kölz sein rhythmisches Können und brachte bereits zu Konzertbeginn das Publikum zum Mitklatschen. Unter dem Motto „Mythische Figuren“ standen die Beiträge des 18-köpfigen Stammorchesters, unterstützt von Franziska Diet- rich am Klavier sowie den Schlag- zeugern Peter Schreier und Felix Dahedl. Den Beginn machte eine legendäre Person: Forrest Gump. „Wer kennt den mittlerweile 25 Jahre alten Film nicht, in dem Tom Hanks den nicht sonderlich intelligenten, aber trotzdem er- folgreichen Antihelden spielt“, führte Dirigent Gerhard Baier das Publikum ein. Wie Forrest Gump durch rund 30 Jahre Geschichte stolpert, fast rennt, hat Alan Sil- vestri musikalisch umgesetzt. Mit dem Arrangement von Carsten Peters gab das Orchester einen Querschnitt der musikalischen Film-Motive. „Durch seinen exzessiven Le- benswandel zum Mythos gewor- den ist auch ein anderer: Freddie Mercury“, sagte Gerhard Baier. Mit „Bohemian Rhapsody“, in ei- ner Bearbeitung von Hans-Gün- ter Kölz, durften sich die Zuhörer in das unbeschwerte Künstlerle- ben der Bohème davontragen las- sen. Unterstützt wurden die Ak- kordeonisten dabei von Jonas Wandtner an der Solo-Gitarre. Filigran tanzten die Finger der Musiker bei „Sylvia“ über die Tas- ten. Das Ballett in drei Akten von Léo Délibes, arrangiert von Ru- dolf Würthner, behandelt die Ge- schichte einer tugendhaften Nymphe aus der Gefolgschaft der Jagdgöttin Diana. Das Ensemble präsentierte feierlich und impo- sant das „Préludes-les chasseres- ses“ aus dem Ersten Akt und zog bereits mit den ersten Tönen die Zuhörer in seinen Bann. Dieser zog sich auch über den vierten Satz des Dritten Aktes fort. Dort So vielfältig ist das Akkordeon Fulminantes Herbstkonzert: 1. Akkordeon-Orchester Passau musiziert auf höchstem Niveau im Rathaussaal ließ das Orchester zum Triumph- zug des Bacchus die kraftvollen Fanfaren erklingen und brachte so die Schönheit dieses Balletts, die auch Peter Tschaikowsky er- kannt hatte, bestens zur Geltung. Mit der Zugabe „Palladio“ von Carl Jenkins beschloss das Stammorchester unter anhalten- dem Applaus die erste Konzert- hälfte. Besondere Höhepunkte setzte das o.N. im zweiten Teil. Mit dem Rondeau aus der Suite „Abdela- zer“ startete das preisgekrönte Or- chester seine musikalische Reise im barocken England. Henry Pur- cell galt dort als der bedeutendste Komponist des 17. Jahrhunderts. Fulminante Höhepunkte bildeten zwei große Werke des ungari- schen Komponisten Franz Liszt: „Zweite Ungarische Rhapsodie“ sowie „Les Préludes“. „Was der Teufelsgeiger Niccolò Paganini für die Violine war, das war der Tastenlöwe Franz Liszt für das Klavier“, erklärte Dirigent Gerhard Koschel. Mit seiner un- glaublichen und schier unheimli- chen Virtuosität habe er vor allem das weibliche Publikum bis zur Ekstase getrieben. Auch in seinen Werken setzt Liszt solche Finger- fertigkeit und Musikalität der Mu- siker voraus. Konzertmeister Ger- hard Baier brillierte als Solist bei der „Zweiten Ungarischen Rhap- sodie“ und beeindruckte das Pu- blikum. Zur kurzen Erholung für Publikum und Musiker nach die- ser imposanten Darbietung dien- te der „Marsch“ aus der „Karelia- Suite“ von Jean Sibelius. Der Komponist hatte seine Flitterwo- chen im finnisch-russischem Grenzgebiet Karelien verbracht und sich dabei von der Folklore inspirieren lassen. Die verschiedenen Phasen des Lebens – außermusikalische As- pekte – hat Franz Liszt in seinem Werk „Les Préludes“ verarbeitet, mit dem das Orchester den letz- ten Konzertteil offiziell beschloss. Mit dieser Komposition hat Liszt das erste bedeutende Beispiel ei- nes neuen Musikstils begründet: den der Symphonischen Dich- tung. Von der Fingerfertigkeit und Musikalität des gesamten Kon- zertabends beeindruckt, wurde die Leistung der Musiker vom Pu- blikum mit anhaltendem Applaus und Standing ovations gewürdigt. Das o.N., bei seinem Auftritt un- terstützt von Roland Wagner am Klavier sowie den Schlagzeugern Felix Dahedl und Niklas Wein- zierl, verabschiedete sich mit dem fünften und sechsten Satz der „Ungarischen Tänze“ von Johan- nes Brahms. Das o.N. konzertiert in diesem Jahr noch ein weiteres Mal. Am 12. Dezember gestaltet das Orchester um 19 Uhr in der Pfarrkirche St. Paul ein Adventskonzert. Das alte Jahr besiegelt der Verein am 16. Dezember ab 16 Uhr mit einer Weihnachtsfeier für aktive und ehemalige Mitglieder im Gast- haus Aschenbrenner. Das Orchester ohne Namen mit dem Dirigenten Gerhard Koschel. - Foto: Markus Zechbauer / zema-foto.de

Fulminantes Herbstkonzert: 1. Akkordeon-Orchester Passau … · 2018. 11. 20. · te der „Marsch“ aus der „Karelia-Suite“ von Jean Sibelius. Der Komponist hatte seine Flitterwo-chen

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Page 1: Fulminantes Herbstkonzert: 1. Akkordeon-Orchester Passau … · 2018. 11. 20. · te der „Marsch“ aus der „Karelia-Suite“ von Jean Sibelius. Der Komponist hatte seine Flitterwo-chen

Von England über Ungarn bisins finnisch-russische Grenzge-biet Karelien haben Dirigent Ger-hard Koschel und das Akkordeon-Orchester „ohne Namen“ (o.N.)rund 250 Zuhörer auf eine musi-kalische Reise entführt. Das 1. Ak-kordeon-Orchester Passau hat amSamstag im Großen Rathaussaalsein alljährliches Herbstkonzertgefeiert. Neben dem o.N. glänztenauch das neu entstandene Ju-gend-Ensemble sowie dasStammorchester.

Passend zur Jahreszeit eröffne-te der Nachwuchs den Konzert-abend mit dem „Herbst“ aus den„Vier Jahreszeiten“ von AntonioVivaldi. Was bei der Generalprobeim leeren und deshalb akustischschwierigen Saal laut Leiter Ger-hard Koschel noch ein Klangbreiwar, war am Abend eine fein-gliedrige Darbietung. Gekonntsetzten die neun Jugendlichenzwischen neun und fünfzehn Jah-ren Tanz- und Gesangmotive derLandleute um und imitierten Hör-nerklang und Gewehrschüsse ei-ner Jagdszene. Unterstützt vonNiklas Weinzierl am Schlagzeug,zeigte das Ensemble im Anschlussmit „Techno Time“ von Hans-Günther Kölz sein rhythmischesKönnen und brachte bereits zuKonzertbeginn das Publikumzum Mitklatschen.

Unter dem Motto „MythischeFiguren“ standen die Beiträge des18-köpfigen Stammorchesters,unterstützt von Franziska Diet-rich am Klavier sowie den Schlag-zeugern Peter Schreier und FelixDahedl. Den Beginn machte eine

legendäre Person: Forrest Gump.„Wer kennt den mittlerweile 25Jahre alten Film nicht, in demTom Hanks den nicht sonderlichintelligenten, aber trotzdem er-folgreichen Antihelden spielt“,führte Dirigent Gerhard Baier dasPublikum ein. Wie Forrest Gumpdurch rund 30 Jahre Geschichtestolpert, fast rennt, hat Alan Sil-vestri musikalisch umgesetzt. Mitdem Arrangement von CarstenPeters gab das Orchester einenQuerschnitt der musikalischenFilm-Motive.

„Durch seinen exzessiven Le-benswandel zum Mythos gewor-den ist auch ein anderer: FreddieMercury“, sagte Gerhard Baier.Mit „Bohemian Rhapsody“, in ei-ner Bearbeitung von Hans-Gün-

ter Kölz, durften sich die Zuhörerin das unbeschwerte Künstlerle-ben der Bohème davontragen las-sen. Unterstützt wurden die Ak-kordeonisten dabei von JonasWandtner an der Solo-Gitarre.

Filigran tanzten die Finger derMusiker bei „Sylvia“ über die Tas-ten. Das Ballett in drei Akten vonLéo Délibes, arrangiert von Ru-dolf Würthner, behandelt die Ge-schichte einer tugendhaftenNymphe aus der Gefolgschaft derJagdgöttin Diana. Das Ensemblepräsentierte feierlich und impo-sant das „Préludes-les chasseres-ses“ aus dem Ersten Akt und zogbereits mit den ersten Tönen dieZuhörer in seinen Bann. Dieserzog sich auch über den viertenSatz des Dritten Aktes fort. Dort

So vielfältig ist das AkkordeonFulminantes Herbstkonzert: 1. Akkordeon-Orchester Passau musiziert auf höchstem Niveau im Rathaussaal

ließ das Orchester zum Triumph-zug des Bacchus die kraftvollenFanfaren erklingen und brachteso die Schönheit dieses Balletts,die auch Peter Tschaikowsky er-kannt hatte, bestens zur Geltung.Mit der Zugabe „Palladio“ vonCarl Jenkins beschloss dasStammorchester unter anhalten-dem Applaus die erste Konzert-hälfte.

Besondere Höhepunkte setztedas o.N. im zweiten Teil. Mit demRondeau aus der Suite „Abdela-zer“ startete das preisgekrönte Or-chester seine musikalische Reiseim barocken England. Henry Pur-cell galt dort als der bedeutendsteKomponist des 17. Jahrhunderts.Fulminante Höhepunkte bildetenzwei große Werke des ungari-

schen Komponisten Franz Liszt:„Zweite Ungarische Rhapsodie“sowie „Les Préludes“.

„Was der Teufelsgeiger NiccolòPaganini für die Violine war, daswar der Tastenlöwe Franz Lisztfür das Klavier“, erklärte DirigentGerhard Koschel. Mit seiner un-glaublichen und schier unheimli-chen Virtuosität habe er vor allemdas weibliche Publikum bis zurEkstase getrieben. Auch in seinenWerken setzt Liszt solche Finger-fertigkeit und Musikalität der Mu-siker voraus. Konzertmeister Ger-hard Baier brillierte als Solist beider „Zweiten Ungarischen Rhap-sodie“ und beeindruckte das Pu-blikum. Zur kurzen Erholung fürPublikum und Musiker nach die-ser imposanten Darbietung dien-

te der „Marsch“ aus der „Karelia-Suite“ von Jean Sibelius. DerKomponist hatte seine Flitterwo-chen im finnisch-russischemGrenzgebiet Karelien verbrachtund sich dabei von der Folkloreinspirieren lassen.

Die verschiedenen Phasen desLebens – außermusikalische As-pekte – hat Franz Liszt in seinemWerk „Les Préludes“ verarbeitet,mit dem das Orchester den letz-ten Konzertteil offiziell beschloss.Mit dieser Komposition hat Lisztdas erste bedeutende Beispiel ei-nes neuen Musikstils begründet:den der Symphonischen Dich-tung.

Von der Fingerfertigkeit undMusikalität des gesamten Kon-zertabends beeindruckt, wurdedie Leistung der Musiker vom Pu-blikum mit anhaltendem Applausund Standing ovations gewürdigt.Das o.N., bei seinem Auftritt un-terstützt von Roland Wagner amKlavier sowie den SchlagzeugernFelix Dahedl und Niklas Wein-zierl, verabschiedete sich mit demfünften und sechsten Satz der„Ungarischen Tänze“ von Johan-nes Brahms.

Das o.N. konzertiert in diesemJahr noch ein weiteres Mal. Am 12.Dezember gestaltet das Orchesterum 19 Uhr in der Pfarrkirche St.Paul ein Adventskonzert. Das alteJahr besiegelt der Verein am 16.Dezember ab 16 Uhr mit einerWeihnachtsfeier für aktive undehemalige Mitglieder im Gast-haus Aschenbrenner.

Das Orchester ohne Namen mit dem Dirigenten Gerhard Koschel. − Foto: Markus Zechbauer / zema-foto.de