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Spektiume ,
Augennell-kunde
© by Springer-Verlag 1990
Spektrum Augenheilkd (1990) 4/4: 123-125
Funktionelle Ergebnisse nach kongenitaler bilateraler Katarakt —eine retrospektive Analyse
U. Steinhorst, W. Haase and E. Schulz
Abteilung fur Pleoptik and Orthoptik (Direktor: Prof. Dr. W. Haase) der Universitats-Augenklinik Eppendorf, Hamburg,Bundesrepublik Deutschland
Zusammenfassung. Die visuellen Resultate nach Behandlungkongenitaler bilateraler Katarakte von 54 Patienten wurdenim Rahmen einer retrospektiven Studie analysiert. Im Un-terschied zu kindlichen monolateralen Katarakten ist diefunktionelle Prognose bei bilateralen Katarakten giinstiger.Dies ist darauf zuri ckzufuhren, daB beidaugige Medientrii-bungen zwar Stimulusdeprivationen verursachen, es abermeistens nicht zur Suppression eines Auges kommt. Der Zeit-punkt der operatives Behandlung sollte sich nach der Ka-taraktform and dem Trubungsstadium richten. Wichtig istein kurzer Abstand zwischen den Operationen beider Augen,urn Langer andauernde Qualitatsunterschiede der retinalenAbbildungen zu vermeiden. Die Indikation zur Okklusions-behandlung ist im Einzelfall nach dem AusmaB der Visus-differenz der Partneraugen zu stellen.
Schlusselworter: Kongenitale bilaterale Katarakt, Depriva-tionsamblyopie.
Visual results in congenital bilateral cataracts —a retrospective study
Summary. In 54 patients with congenital bilateral cataractsthe postoperative visual results were analysed retrospectively.Despite bilateral stimulus deprivation prognosis of treatmentis better than in monolateral cataracts, because normallysuppression does not occur. The time of surgical therapydepends on the morphology and stage of the lens opacity. Itis important to keep a short interval between the operationsof both eyes to avoid longer periods of different retinal pic-tures. Occlusion therapy is necessary only in case of a greatervisual difference between both eyes.
Key words: Bilateral congenital cataract, stimulus deprivationamblyopia.
Von klinischen and experimentellen Beobachtungen ist be-kannt, daB bilaterale Deprivationen im Vergleich zu mono-lateralen eine deutlich bessere funktionelle Prognose haben[3]. Die haufig schlechten Ergebnisse der Behandlung mo-nolateraler Medientriibungen beruhen auf der zusatzlichenSuppression des betroffenen Auges [7]. Nachfolgend sollen
die visuellen Ergebnisse von 54 Patienten nach Behandlungkongenitaler bilateraler Katarakte dargestellt werden.
Methode and Patienten
Die Krankengeschichten von 54 Kindern mit bilateralen Ka-tarakten wurden retrospektiv analysiert. Die Beobachtungs-zeit lag zwischen 5 and 17 Jahren. Zur Beurteilung des Be-handlungserfolges wurde der zuletzt registrierte, postopera-tive Visus herangezogen. Alle untersuchten Patienten wurdenin der Universitats-Augenklinik Hamburg operiert and nach-betreut.
Ergebnisse
Abb. 1 stellt die visuellen Resultate aller Patienten graphischdar. Die Ordinate zeigt die zuletzt dokumentierte angulareSehscharfe (Landolt-Ring), die Abszisse das Lebensalter zumZeitpunkt der Operation. Die Symbole der Partneraugen sinddurch Linien miteinander verbunden. Offene Symbole stellenrechte Augen, geschlossene Symbole linke Augen dar. Wirkonnten zwei Indikationsgruppen unterscheiden.
Pul verulen to-Ka tarok to
Die Gruppe der Patienten mit Pulverulenta-Katarakten istin Abb. l durch Quadrate symbolisiert. Die Mehrzahl derPatienten wurde zwischen dem dritten and neunten Lebens-jahr operiert. Mit einer Ausnahme lagen die Visusergebnissezwischen 0,4 and 1,0 (Mittelwert 0,63). Ein Patient erreichtewegen eines ausgepragten Nystagmus nur eine Sehscharfe vonbeiderseits 0,1. Die Sehscharfenunterschiede zwischen denPartneraugen betrugen maximal zwei Visusstufen.
Die Abb. 2 zeigt als klinisches Beispiel den Befund desrechten Auges einer zwolfjahrigen Patientin mit seitengleichausgepragter Katarakt. Die preoperative Sehscharfe beiderAugen betrug 0,2. Der mittels Laserinterferenz bestimmteGittervisus lag dagegen bei 0,8. Trotz der uber Jahre hinwegbestehenden Katarakt war eine nennenswerte Deprivationnicht eingetreten. Der postoperative angulare Visus beiderAugen von 0,8 entsprach dem praoperativen Gittervisus. EineOkklusionsbehandlung war nicht erforderlich.
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Abb. 1. Visusergebnisse nach kongenitaler bilateraler Katarakt. Die Quadrate symbolisieren Augen mit Pulverulenta-Trubungen. Alle ubrigenTrubungsformen sind durch Dreiecke dargestellt. (Offene Symbole: RA, geschlossene Symbole: LA)
etwa gleich gute Sehscharfe. Meistens bestand ein Unter-schied von mehr als drei Visusstufen. In zwei Fallen lag dieDifferenz im Bereich einer Oktave. Hier war ein Sehnerven-schaden aufgrund eines Sekundarglaukoms eingetreten. Beieinzelnen Patienten war es ahnlich wie bei den Pulverulenta-Trubungen erst im Laufe der ersten Lebensjahre zu einerZunahme des Linsenbefundes gekommen, so daB die post-operativen Visusergebnisse denen der Gruppe 1 vergleichbarwaren. Der Mittelwert lag in dieser Gruppe jedoch deutlichniedriger zwischen 0,4 and 0,5.
Diskussion
Abb. 2. Beispiel einer Pulverulenta-Katarakt: 12 Jahre alte Patientin,praoperativer Visus R/L 0.2, postoperativer Visus R/L 0.8 (Spalt-lampenfoto: Ubersicht)
Sonstige Kataraktformen
Die zweite Patientengruppe wies Kataraktformen auf, diemeistens schon bei der Geburt so weit fortgeschritten waren,daB eine umgehende Linsenabsaugung indiziert war. Sie sindin Abb. 1 durch Dreiecke dargestellt. Die Mehrzahl wurdeim ersten Lebensjahr operiert. Der jungste Patient war zurnZeitpunkt des Eingriffs 2,5 Monate alt. In dieser Gruppeerreichten nur in Ausnahmefallen beide Partneraugen eine
Fur den klinischen Verlauf der bilateralen Pulverulenta-Ka-tarakte ist charakteristisch, daB die durch sie verursachteStorung der retinalen Abbildungen in der Regel erst im Laufeder Jahre auf ein AusmaB zunimmt, daB die Vorteile einesoperativen Eingriffs die Nachteile (Akkommodationsverlust,Aphakiekorrektur) uberwiegen. Die Gefahr einer Amblyopieist bei bilateralem Befund anfangs gering. Eine Operation istzunachst sogar kontraindiziert, da der iatrogene Akkom-modationsverlust die Gefahr einer Deprivationsamblyopieerhoht.
Abb. 3 stellt die Ergebnisse anderer Autoren dar. Parksoperierte seine Patienten in der Mehrzahl zwischen dem zwei-ten and siebenten Lebensjahr [4]. Soweit es danach zu gutenVisusergebnissen gekonmmn war, hatte es sich wie bei unserenFallen um Pulverulenta-Katarakte oder ahnliche Trubungs-formen gehandelt. Bei den wenigen Patienten mit fortge-schrittenen Trubungen lag der postoperative Visus deutlichniedriger. Gelbart and Mitarbeiter pladierten daher fur eineOperation im ersten Lebensquartal [2]. Im Vergleich zu denErgebnissen von Parks sind ihre funktionellen Ergebnisse
Abb. 3. Visusergebnisse nach kongenitaler bilateraler Katarakt (Literaturangaben)
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deutlich besser. Jene Falle, die sie erst in der zweiten Halftedes ersten Lebensjahres operiert hatten, entsprachen jedochhinsichtlich der Funktion denen von Parks.
Die einseitigen tiefen Amblyopien der beiden von Pratt-Johnson demostrierten Falle sind vermutlich darauf zuruck-zufuhren, daB im Intervall zwischen den Operationen wedereine optische Korrektur noch eine Okklusionsbehandlungerfolgt war [5].
Bei bestehender Operationsindikation sollte darauf ge-achtet werden, daB beide Augen moglichst rasch in den glei-chen refraktiven Zustand versetzt werden, um das Auftretenvon Suppression eines Auges zu vermeiden. Im Intervall istzur Amblyopieprophylaxe meistens eine Teilzeitokklusiondes funktionell besseren Auges ausreichend.
Auch bei groBen postoperativen Visusdifferenzen zwi-schen den Partneraugen ist ebenfalls eine Okklusion not-wendig. Nicht selten wird die postoperative Amblyopiebe-handlung durch einen latenten oder manifesten Nystagmuskompliziert. Das VerschlieBen eines Auges kann zu einerZunahme des Nystagmus and damit zu einer storenden Be-eintrachtigung der Sehscharfe des offenen Auges fiihren. DieFolge ist oft eine mangelhafte Compliance des Patienten, sodaB die Amblyopie persistiert oder sich sogar verschlechtert.
Uber die Strabismushaufigkeit nach operativer Versor-gung bilateraler Katarakte wurde an anderer Stelle berichtet[6]. Bei unseren beidseitig aphaken Patienten trat in 56%der Falle ein sekundarer Strabismus auf, wobei die Esotropienmit 64% uberwogen. Als ein moglicher Mechanismus wird
eine Nystagmusblockierung diskutiert [1]. ExperimentelleBelege hierfiir fehlen jedoch noch.
DanksagungFur die Ermoglichung der Farbabbildung danken wir der FirmaOculus Optikgerate, Dutenhofen.
Literatur1. Adelstein F, Coppers C (1966) Zum Problem der echten and
scheinbaren Abduzenslahmung. (Das sogenannte ,Blockierungs-syndrom".) In: Hamburger FA, Hollwich F (Hrsg) Augenmu-skellahmungen. Enke, Stuttgart (Bucherei des Augenarztes)
2. Gelbart SS, Hoyt CS, Jastrebski G, Marg E (1982) Long-termvisual results in bilateral congenital cataracts. Am J Ophthalmol93: 615-621
3. Haase W (1986) Amblyopie. In: Kaufmann H (Hrsg) Strabismus.Enke, Stuttgart
4. Parks MM (1982) Visual results in aphakic children. Am JOphthalmol 94: 441-449
5. Pratt-Johnson JA, Tillson G (1981) Visual results after removalof congenital cataracts before the age of 1 year. Can J Ophthalmol16: 19-21
6. Steinhorst U, Haase W (1990) Assoziation von Strabismus andAphakie im Kindesalter. Fortschr Ophthalmol 87: 186-188
7. Steinhorst U, Haase W (1990) Zum Amblyopierisiko einseitigerDeprivationen im Kindes- and fruhen Erwachsenenalter. Spek-trum Augenheilkd 4/2: 61-64
Korrespondenz: Dr. U. Steinhorst, Universitats-Augenklinik Eppen-dorf, MartinistraBe 52, D-2000 Hamburg 20, BundesrepublikDeutschland.