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Funktionentheorie Vorlesungszusammenfassung SS 2012 Andreas M¨ uller-Rettkowski e-mail: [email protected] Dies ist eine Vorlesungszusammenfassung, gedacht zur Vorlesungsbegleitung und als Ged¨ achtnisst¨ utze. Der Besuch der Vorlesung ist hierdurch nicht zu ersetzen, denn in der Vorlesung wird erkl¨ art, begr¨ undet, veranschaulicht und eingeordnet.

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Funktionentheorie

Vorlesungszusammenfassung

SS 2012Andreas Muller-Rettkowski

e-mail: [email protected]

Dies ist eine Vorlesungszusammenfassung, gedacht zur Vorlesungsbegleitungund als Gedachtnisstutze. Der Besuch der Vorlesung ist hierdurch nicht zuersetzen, denn in der Vorlesung wird erklart, begrundet, veranschaulicht undeingeordnet.

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INHALTSVERZEICHNIS 1

Inhaltsverzeichnis

1 Die komplexen Zahlen C 41.1 Definition von C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Rechnen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.3 Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.4 Polardarstellung komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 71.5 Funktionen in C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.6 Die Funktion f(z) = zn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.7 Die Gleichung ε|z|2 + αz + αz + β = 0 . . . . . . . . . . . . . 81.8 Die Riemannsche Zahlenkugel und “C . . . . . . . . . . . . . . 91.9 C kann nicht angeordnet werden . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Offene, abgeschlossene, kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe 112.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3 Kompakte Mengen in C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4 Zusammenhangende Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Differentiation in Komplexen 153.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.3 Bemerkungen. Erganzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

4 Potenzreihen 184.1 Erinnerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

5 Konforme Abbildung 235.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

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INHALTSVERZEICHNIS 2

6 Mobiustransformationen 256.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256.2 Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266.4 Winkeltreue. Orientierungstreue. Gebietstreue. . . . . . . . . 276.5 Das Doppelverhaltnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286.6 Spiegeln an verallgemeinerten Kreisen. . . . . . . . . . . . . . 28

7 Der Logarithmus 297.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

8 KurvenintegraleStammfunktionen 318.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

9 Der Integralsatz und die Integralformel von Cauchy fur Stern-gebiete 349.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349.2 Der Integralsatz fur Sterngebiete . . . . . . . . . . . . . . . . 359.3 Die Cauchysche Integralformel fur Kreise und Sterngebiete . . 35

10 Folgerungen 3710.1 Potenzreihenentwicklung holomorpher Funktionen . . . . . . 3710.2 Der Identitatssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3810.3 Ganze Funktionen. Der Satz von Liouville

Der Fundamentalsatz der Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . 3910.4 Die Gebietstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

11 Das Maximumprinzip 4111.1 Die Parsevalsche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4111.2 Das Maximumprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4111.3 Das Schwarzsche Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4211.4 Die biholomorphen Abbildungen D → D . . . . . . . . . . . . 42

12 Die Windungszahl 4412.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4412.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4412.3 Die Windungszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4412.4 (Verkehrsregel) zur Berechnung der Windungszahl . . . . . . 46

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INHALTSVERZEICHNIS 3

13 Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Inte-gralsatz 4713.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4713.2 Verallgemeinerung von Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913.3 Der Cauchysche Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

14 Die Laurent Entwicklung 5214.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5214.2 Die Laurent Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5314.3 Beispiele: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

15 Die isolierten Singularitaten 5515.1 Isolierte Singularitat. Hebbare Singularitat. . . . . . . . . . . 5515.2 Hebbare Singularitat, Polstelle, wesentliche Singularitat . . . 5615.3 Die Laurent Entwicklung um isolierte Singularitaten . . . . . 56

16 Der Residuensatz 5816.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5816.2 Der Residuensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

17 Berechnung reeller Integrale mit Hilfe des Residuensatzes 6117.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6117.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

17.3

+∞ˆ

−∞

f(x)eix dx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

18 Das ArgumentprinzipDer Satz von Rouche 6418.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6418.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6418.3 Der Satz von Rouche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

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Die komplexen Zahlen C 4

Kapitel 1

Die komplexen Zahlen C

1.1 Definition von C

Eine komplexe Zahl z ist eine geordnetes Paar (x, y) reeller Zahlen. Mit Cwird die Menge der komplexen Zahlen bezeichnet. Es seien z = (x, y) undw = (u, v) aus C.

Definition:

1) z = w ⇐⇒ x = u und y = v,

2) z + w = (x+ u, y + v) (Addition in C),

3) zw = (xu− yv, xv + yu) (Multiplikation in C).

Satz 1: Mit diesen Verknupfungen ist C ein Korper.

Anmerkungen:0 := (0, 0) ist das neutrale Element bezuglich der Addition,1 := (1, 0) ist das neutrale Element bezuglich der Multiplikation,−z := (−x,−y) ist das inverse Element fur die Addition.

Fur z 6= 0 ist1

z:=

Åx

x2 + y2,

−yx2 + y2

ãdas Element aus C, fur das

1

zz = 1

gilt.

Satz 2: Es seien x, u ∈ R. Dann gelten:

(x, 0) + (u, 0) = (x+ u, 0) und (x, 0)(u, 0) = (xu, 0).

Die komplexe Zahl (x, 0) wird mit x ∈ R identifiziert. Somit sind die reellenZahlen ein Unterkorper von C.Fur λ ∈ R gilt:

λ(x, y) = (λ, 0)(x, y) = (λx, λy).

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Die komplexen Zahlen C 5

Wegen (0, 1)(y, 0) = (0, y) konnen wir schreiben

z = (x, y) = (x, 0) + (0, y) = x+ (0, 1)y.

Das heißt, dass jede komplexe Zahl z mittels zweier reeller Zahlen x, y undder Zahl (0, 1) dargestellt werden kann.

Definition: i := (0, 1).

Satz 3: i2 = −1.

Satz 4: z = (x, y) kann in der Form z = x+ iy geschrieben werden.

Es gilt C = z|z = x+ iy, x, y ∈ R.

1.2 Rechnen mit komplexen Zahlen

z = x − iy heißt die zu z = x + iy (x, y ∈ R) konjugiert komplexe Zahl.Re(z) := x heißt Realteil und Im(z) := y heißt Imaginarteil von z.Fur z, w ∈ C und α, β ∈ R gelten:

Re(αz + βw) = αRe(z) + βRe(w),Im(αz + βw) = αIm(z) + βIm(w),

Re(z) =1

2(z + z),

Im(z) =1

2i(z − z).

Satz 5: Fur z, w ∈ C gelten:

a) z ∈ R ⇐⇒ z = z,

b) z = z,

c) z + w = z + w, zw = z w und

Å1

z

ã=

1

z,

d) zz ∈ R, zz ≥ 0 und zz = 0 nur falls z = 0.

Definition: |z| :=√zz heißt Betrag von z ∈ C.

|z| gibt den euklidischen Abstand des Punktes z vom Koordinatenanfangs-punkt an. |z − w| ist die Lange der Verbindungsstrecke [z, w].

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Die komplexen Zahlen C 6

Satz 6: Fur z, w ∈ C gelten:

a) |z| = |z|,

b) |zw| = |z||w|,

c)

∣∣∣∣1z∣∣∣∣= 1

|z|,

d) |Re(z)| ≤ |z| und |Im(z)| ≤ |z|,

e) |z + w|2 = |z|2 + |w|2 + 2Re(zw),

f) |z + w| ≤ |z|+ |w|.

1.3 Konvergenz

(zk) ⊂ C sei eine Folge komplexer Zahlen, a ∈ C.

Definition: limk→∞

zk = a⇐⇒ limk→∞

|zk − a| = 0(⇐⇒ zk → a(k → ∞)

).

a heißt Grenzwert der Folge.

Satz 7: Es gilt:

zk → a (k → ∞) ⇐⇒ Re(zk) → Re(a) und Im(zk) → Im(a).

Eine Folge (zk) ⊂ C heißt Cauchy Folge, falls es zu jedem ε > 0 einen IndexN derart gibt, dass fur alle k, l ≥ N |zk − zl| < ε erfullt ist.

Bemerkung: Jede konvergente Folge ist eine Cauchy Folge.

Eine Folge (zk) ⊂ C heißt beschrankt, wenn es eine Zahl R > 0 gibt, sodass |zk| ≤ R ∀k gilt.

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Die komplexen Zahlen C 7

Satz 8: (Bolzano, Weierstrass)In C gelten:

a) Jede beschrankte Folge besitzt eine konvergente Teilfolge.

b) Jede Cauchy Folge ist konvergent.

1.4 Polardarstellung komplexer Zahlen

Jede komplexe Zahl z besitzt eine Darstellung

z = reiϕÄ:= r(cosϕ+ isinϕ)

ämit ϕ ∈ R und r = |z|.Fur z 6= 0 ist ϕ bis auf Addition ganzzahliger Vielfacher von 2π eindeutigbestimmt.Wird ϕ auf ein beliebiges halboffenes Intervall der Lange 2π beschrankt, soist der Zahl z 6= 0 ϕ mit z = reiϕ eindeutig zugeordnet.Wir werden je nach Gegebenheit ϕ auf [0, 2π) oder (−π,+π] beschranken.Der Winkel, der dann z = reiϕ liefert, heißt das Argument von z, es wirddurch Arg(z) bezeichnet. Also:

Arg : C\0 → [0, 2π) oder (−π,+π].

Ein Element der Menge Arg(z)+2kπ, k ∈ Z wird durch arg(z) bezeichnet.

Satz 9: Es seien θ, ϕ ∈ R. Es gilt:

ei(θ+ϕ) = eiθeiϕ.

Fur z = x+ iy wird definiert ez := exeiy.

Satz 10: Fur z, w ∈ C gilt:

ez+w = ezew.

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Die komplexen Zahlen C 8

1.5 Funktionen in C

Es sei S ⊂ C und z → w := f(z) eine Funktion f : S → C.f(x+ iy) = u(x, y) + iv(x, y) , (x, y) ∈ S.u := Re(f) : S ⊂ R2 → R.v := Im(f) : S ⊂ R2 → R.

Beispiele:

1) f(z) = z2 : u(x, y) = x2 − y2 und v(x, y) = 2xy

b) f(z) = ez : u(x, y) = excos(y) und v(x, y) = exsin(y)

1.6 Die Funktion f(z) = zn

Wir betrachten fur n ∈ N und z ∈ D = z/|z| ≤ 1

f(z) = zn.

Es gilt f(D) = D und jeder Punkt w ∈ D wird n mal angenommen.

Beispiel:Gegeben ist die Argumentfunktion mit Arg : C\0 → [0, 2π).Gegeben sei z = reiθ (z 6= 0), θ = Arg(z).Gesucht sind alle w ∈ C mit wn = z.Suche w in der Darstellung w = teiϕ, ϕ ∈ [0, 2π). Man erhalt alle Losungender Gleichung wn = z in der Form:

wk = n√re

iθn e

ik2πn , k = 0, 1, · · · , n− 1.

Bemerkung:

Fur ζ = e2πin gilt (ζk)n = 1.

ζk , k = 0, 1, · · · , n− 1 heißen die n-ten Einheitswurzeln.

1.7 Die Gleichung ε|z|2 + αz + αz + β = 0

Fur ε = 1, α ∈ C, β ∈ R mit β < |α|2 ist das die Gleichung des Kreises um

−α mit Radius»|α|2 − β.

Fur ε = 0, α ∈ C, β ∈ R liegen die z ∈ C, die dieser Gleichung genugen, aufeiner Geraden.

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Die komplexen Zahlen C 9

1.8 Die Riemannsche Zahlenkugel und C

Σ := (x1, x2, x3) ∈ R3/x21 + x22 + x23 = 1.

C := (x, y) ∈ R2 = z/z = x+ iy , x, y ∈ R.

N :=

Ö001

è∈ Σ.

Definiere Π : Σ\N → C durch

Π(x1, x2, x3) :=x1 + ix21− x3

und ∞ := Π(0, 0, 1)

Nennt man “C = C ∪∞, so ist Π : Σ → “C bijektiv.Π heißt stereographische Projektion.Die Umkehrabbildung Π−1 werde durch p bezeichnet. Man rechnet nach:

• p(z) =1

|z|2 + 1

Öz + z

−i(z − z)|z|2 − 1

è, z ∈ C,

• p(∞) =

Ö001

èDurch χ(z, z′) :=

2|z − z′|»|z|2 + 1

»|z′|2 + 1

, z, z′ ∈ “C wird auf “C eine Metrik

definiert.Man rechnet fur z ∈ C nach:

χ(z,∞) =2»

|z|2 + 1und χ(∞,∞) = 0.

Bemerkung: Es gilt

χ(z, z′) = ||p(z)− p(z′)||

wobei

∣∣∣∣∣∣∣∣Ö

x1x2x3

è−

Öx′1x′2x′3

è ∣∣∣∣∣∣∣∣= Ä(x1 − x′1)2 + (x2 − x′2)

2 + (x3 − x′3)2ä 1

2

der euklidische Abstand zwischen

Öx1x2x3

èund

Öx′1x′2x′3

èist.

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Die komplexen Zahlen C 10

Definition: Seien (an) ⊂ “C , a ∈ “C.an → a (n→ ∞) in“C :⇐⇒ χ(an, a) → 0 (n→ ∞).

Satz 11:

a) Π bildet Kreise in Σ auf Kreise oder Geraden in “C ab.

b) p bildet Kreise oder Geraden in “C auf Kreise in Σ ab.

1.9 C kann nicht angeordnet werden

Es gibt kein “<”. Es gibt lediglich “=” oder “6=”, denn:Aus 1 6= 0 folgt 0 < 12 = 1.Aus i 6= 0 musste folgen 0 < i2 = −1.Hieraus wurde folgen 0 < 1 + (−1) = 0 !Widerspruch!

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Offene, abgeschlossene, kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe

11

Kapitel 2

Offene, abgeschlossene,kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe

2.1

1) a ∈ C, r > 0.D(a, r) := z ∈ C/|z−a| < r heißt offene Kreisscheibe um amit Radius r (r-Umgebung von a).

2) U ⊂ C heißt offen :⇔ ∀ b ∈ U ∃ r > 0 D(b, r) ⊂ U .

3) A ⊂ C heißt abgeschlossen, wenn fur jede Folge (zn) ⊂ A mit zn → zo(n→ ∞) gilt: zo ∈ A.

M ⊂ C : M c := C\M .

4) Satz 1:

a) M ⊂ C ist abgeschlossen ⇔ M c ist offen.

b) M ⊂ C ist offen ⇔ M c ist abgeschlossen.

5) Es sei M ⊂ C. zo ∈ C heißt:

a) innerer Punkt von M , falls gilt: D(zo, r) ⊂M fur ein r > 0.

b) Randpunkt von M , wenn fur jedes ε > 0 gelten: D(zo, ε)∩M 6= ∅und D(zo, ε) ∩M c 6= ∅.

c) Haufungspunkt (HP) von M , wenn: ∀ ε > 0 ∃ z ∈M\zo z ∈D(zo, ε).

d) isolierter Punkt von M , wenn gelten: zo ∈M und zo ist kein HPvon M .

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Offene, abgeschlossene, kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe

12

6) a)M := z/z ist innerer Punkt von M.

b) ∂M := z/z ist Randpunkt von M.c) M :=M ∪ ∂M heißt der Abschluss von M .

d) M heißt beschrankt, falls es ein R > 0 mit M ⊂ D(0, R) gibt.

e) diam(M) := sup|z − w|/z, w ∈ M heißt der Durchmesser derbeschrankten nichtleeren Menge M .

f) H(M) = z/z ist HP von M

7) Satz 2: Es sei M ⊂ C eine Menge. Es gelten:

1) M ist offen ⇔M =M ⇔ M ∩ ∂M = ∅.

2) ∂M = ∂(M c).

3) M ist abgeschlossen ⇔ ∂M ⊂M ⇔ M =M .

4) ∂M =M \M .

5) zo ∈ H(M) ⇔ es gibt eine Folge (zn) ⊂M \zo mit zn → zo(n→ ∞).

6) M ∪H(M) =M .

7) M ist abgeschlossen ⇔ H(M) ⊂M .

2.2

Es sei M 6= ∅, M ⊂ C. f :M → C sei eine Funktion.

1) zo ∈ H(M).limz→zo

f(z) = a :⇔ ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ z ∈ (M ∩D(zo, δ)) \zo|f(z)− a| < ε.

2) zo ∈M .f heißt stetig in zo :⇔ lim

z→zof(z) = f(zo).

3) f heißt gleichmaßig stetig auf M , falls:∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ z, z′ ∈M (|z − z′| < δ ⇒ |f(z)− f(z′)| < ε).

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Offene, abgeschlossene, kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe

13

2.3 Kompakte Mengen in C

Die Menge K ⊂ C heißt kompakt, falls aus jeder Folge (zn) ⊂ K eine Teil-folge ausgewahlt werden kann, die gegen ein Element aus K konvergiert.

Satz 3: K ⊂ C ist kompakt ⇔ K ist beschrankt und abgeschlossen.

Satz 4: K ⊂ C sei kompakt und Kj (j ∈ N) seien abgeschlossene Men-gen, fur die Kj+1 ⊂ Kj (j ∈ N) erfullt ist. Dann gilt

⋂j∈N

Kj 6= ∅.

Satz 5: K ⊂ C sei kompakt und f : K → C sei stetig. Dann ist f(K)kompakt.

Satz 6: K ⊂ C sei kompakt und f : K → R sei stetig. Dann gibt esv, w ∈ K mit f(w) ≤ f(z) ≤ f(v) fur alle z ∈ K.

Satz 7: K ⊂ C sei kompakt und f : K → C sei stetig. Dann ist f aufK gleichmaßig stetig.

Definition: (Abstand zweier Mengen)A,B ⊂ C : dist(A,B) := inf|z − w| / z ∈ A,w ∈ B

Satz 8: Es seien A ⊂ C eine abgeschlossene Menge und v ∈ C. Dann gibtes ein w ∈ A mit dist(A, v) = |w − v|.

Satz 9: Es seien K ⊂ C kompakt und A ⊂ C abgeschlossen. Dann exis-tieren zo ∈ K und wo ∈ A mit dist(K,A) = |zo − wo|.

Satz 10: Gegeben ist eine kompakte Menge K ⊂ C und r > 0. Dann gibt

es endlich viele Punkte z1, z2, ..., zN so dass K ⊂N⋃j=1

D(zj , r) gilt.

2.4 Zusammenhangende Mengen

Ein metrischer Raum (X, d) heißt zusammenhangend (zshgd),

• wenn es keine Zerlegung X = U ∪ V gibt mit: U ∩ V = ∅; U, V offen(in X); U 6= ∅, V 6= ∅.

• wenn aus (X = U ∪V ; U ∩V = ∅; U, V offen) folgt: U = ∅ oder V = ∅.

Satz 11: X ⊂ R enthalte mindestens zwei Elemente. Dann ist X zshgd ge-nau dann, wenn X ein Intervall ist.

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Offene, abgeschlossene, kompakte Mengen in CTopologische Grundbegriffe

14

Satz 12: Das Bild f(X) eines zshgd Raumes X unter einer stetigen Funk-tion f : X → Y ist zshgd.

Der metrische Raum X heißt wegzshgd, wenn es zu je zwei Punkten a, b ∈ Xeine (stetige) Kurve (5.Kapitel) γ : [0, 1] → X mit γ(0) = a, γ(1) = b gibt.

Beispiel: Jede konvexe Menge X in einem normierten Vektorraum ist wegz-shgd.

Satz 13: Jeder wegzshgd Raum ist zshgd.Beweis: Indirekt und mit Satz 11 und Satz 12.

Satz 14: Jede zshgd offene Menge X in C ist wegzshgd. Es gilt sogar: Jezwei Punkte a, b ∈ X konnen durch einen Streckenzug in X verbunden wer-den.Beweis: Es sei a ∈ X. DefiniereU = x ∈ X/ es gibt in X einen Streckenzug, der a mit x verbindetZeige: U 6= ∅, U offen und V = X\U offen. Folgere mit der Voraussetzung“X zshgd”, dass V = ∅, also X = U gilt.

Definition: Eine nichtleere offene zshgd Menge in C heißt Gebiet.

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Differentiation in Komplexen 15

Kapitel 3

Differentiation in Komplexen

3.1

Es seien Ω ⊂ C eine offene Menge, zo ∈ Ω und f : Ω → C eine Funktion.

Existiert limz→zo

f(z)− f(zo)

z − zo, so heißt f in zo differenzierbar (diff’bar). Der

Grenzwert wird dann durch f ′(zo) bezeichnet und heißt die erste Ableitungvon f in zo.f heißt holomorph in zo ∈ Ω, falls es eine Umgebung D(zo, δ) ⊂ Ω von zogibt derart, dass f in jedem z ∈ D(zo, δ) diff’bar ist.f heißt holomorph in Ω, falls f in jedem Punkt z ∈ Ω holomorph ist. MitH(Ω) wird die Menge der auf Ω holomorphen Funktionen bezeichnet.

3.2

Es sei f : Ω ⊂ C → C, w = f(z) gegeben.u := Re(f) : Ω ⊂ R2 → R, v := Im(f) : Ω ⊂ R2 → R.

Satz 1:Es ist f genau dann in zo = xo + iyo ∈ Ω diff’bar, wenn u, v in (xo, yo)diff’bar sind und in (xo, yo) die Cauchy-Riemanschen Differentialgleichun-gen (CR-DGLn)

D1u = D2v und D2u = −D1v

erfullt sind.(f ist in Ω holomorph ⇔ u, v sind in Ω diff’bar und es sind in Ω

D1u = D2v und D2u = −D1v

erfullt.)

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Differentiation in Komplexen 16

3.3 Bemerkungen. Erganzungen.

1) Sind u, v in Ω stetig partiell diff’bar und sind in Ω die CR-DGLnerfullt, so ist f = u+ iv in Ω holomorph.

2) Ist f = u+ iv in z = x+ iy ∈ Ω diff’bar, so hat man

f ′(x+ iy) = D1u(x, y) + iD1v(x, y) = D2v(x, y)− iD2u(x, y)

= D2v(x, y) + iD1v(x, y) = D1u(x, y)− iD2u(x, y).

3) Mit ~f : Ω ⊂ R2 → R2, ~f(x, y) =

Çu(x, y)v(x, y)

å, folgt mit 2)

det~f ′(x, y) = |f ′(x+ iy)|2.

4) Wir ordnen f : Ω ⊂ C → C, f = u + iv, die Funktion F : Ω ⊂R2 → C, F (x, y) := u(x, y)+iv(x, y) zu. Hiermit konnen die CR-DGLnfur f in der einen Gleichung D2F (x, y) = iD1F (x, y) zusammengefasstwerden.

5) Es seien f und F wie unter 4). DefiniereG(z, z) := F

Å1

2(z + z),

1

2i(z − z)

ãund behandle die Variablen z, z als voneinander unabhangige Variable.Es gilt (∂z partielle Ableitung nach z)

∂zG(z, z) =i

2(D2F − iD1F ),

so dass man die Holomorphie von f auch durch

(∂zf) (z) = 0, z ∈ Ω,

charakterisieren kann. (Wirtinger Kalkul. Siehe dazu Remmert).

6) Ist f in Ω holomorph, u = Re(f), v = Im(f), so gilt∇u(x, y) · ∇v(x, y) = 0, d.h. die Kurvenscharen u(x, y) = konst undv(x, y) = konst sind orthogonal zueinander.

7) Wir nehmen das Ergebnis: f ∈ H(Ω) ⇒ f ′ ∈ H(Ω) vorweg. Es folgtdann: f ∈ H(Ω), u = Re(f), v = Im(f) ⇒ u, v ∈ C∞(Ω).

Satz 2: Es sei f ∈ H(Ω). Dann sind u und v in Ω ⊂ R2 harmonisch:es gilt fur (x, y) ∈ Ω ∆u(x, y) = ∆v(x, y) = 0 (∆u = D2

1u+D22u).

Satz 3: Ist Ω ⊂ R2 ein einfach zshgd Gebiet und ist u in Ω har-monisch, so gibt es harmonische Funktionen v derart, dass f := u+ ivin Ω ⊂ C holomorph ist.

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Differentiation in Komplexen 17

8) Es sei Ω ⊂ R2 ein einfach zshgd Gebiet und ~v : Ω → R2,

~v(x, y) =

Çp(x, y)q(x, y)

ådas Geschwindigkeitsfeld einer stationaren, ebe-

nen, inkompressiblen, wirbelfreien Flussigkeitsstromung. Es gelten so-mit (p, q sollen genugend oft stetig diff’bar sein)

D1p+D2q = 0 und D2p−D1q = 0

in Ω. Mit 7) erhalt man Funktionen ϕ,ψ : Ω ⊂ R2 → R mit ∇ϕ = ~v

und ∇ψ =

Ç−qp

åin Ω.

Damit ist f := ϕ+iψ in Ω holomrph. f heißt komplexes Potential fur ~v.

Es gilt f ′ = p+ iq (= ~v).Die Kurven ϕ(x, y) = konst heißen Potentiallinien, die Kurvenψ(x, y) = konst heißen Stromlinien der durch ~v = f ′ beschriebenenStromung. ψ heißt auch Stromfunktion von ~v.

Beispiele:

1) f(z) = z2 = ϕ+iψ ⇒ ~v =

Ç2x

−2y

å, ϕ(x, y) = x2−y2, ψ(x, y) =

2xy.(Skizze der Stromung!).

2) ~v(x, y) =

Ö x

x2 + y2y

x2 + y2

è, (0, 0) 6∈ Ω.

Man erhalt

ϕ(x, y) = ln(»x2 + y2), ψ(x, y) = arctan

y

x, f(z) = ln|z|+i arg(z).

Die Stromlinien sind vom Ursprung ausgehende Halbgeraden.

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Potenzreihen 18

Kapitel 4

Potenzreihen

4.1 Erinnerungen

1) (ak), (bk) seien komplexe Zahlenfolgen.

1. (∑

ak konvergent ) ⇒ ( ak → 0 , k → ∞ ).

2. (Majorantenkriterium)( |ak| ≤ |bk|,∀k,

∑bk konvergent ) ⇒ (

∑ak ist absolut kon-

vergent ).

2) U ⊂ C sei eine offene Menge, (fk) eine Folge von Funktionenfk : U → C.fk → f (k → ∞) punktweise auf U bedeutet:

∀ ε > 0 ∀ z ∈ U ∃ ko ∈ N ∀ k ≥ ko |fk(z)− f(z)| < ε.

Fur g : U → C bezeichnen wir durch ||g||U die Supremumsnorm:

||g||U = sup |g(z)| /z ∈ U.

fk → f (k → ∞) gleichmaßig auf U , falls gilt:

limk→∞

||fk − f ||U = 0.

fk → f (k → ∞) lokalgleichmaßig auf U , falls gilt:

∀ z ∈ U ∃D(z, λ) ⊂ U ||fk − f ||D(z,λ) → 0 (k → ∞).

Es gelten:

3. Die Folge (fk) konvergiert auf U lokalgleichmaßig genau dann,wenn (fk) auf jeder kompakten Teilmenge von U gleichmaßig kon-vergiert.

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Potenzreihen 19

4. Die Grenzfunktion einer auf U lokalgleichmaßig konvergenten Fol-ge stetiger Funktionen ist auf U stetig.

5. (fk), fk : U → C. Ist∞∑k=0

ak konvergent und gilt

|fk(z)| ≤ ak ∀z ∈ U, ∀k ∈ N,

so ist∞∑k=0

fk auf U gleichmaßig und absolut konvergent.

4.2

(ak) sei eine komplexe Zahlenfolge. zo ∈ C. Fur welche z ∈ C ist

(1)∞∑k=0

ak(z − zo)k

konvergent? Fur diese z wird durch (1) eine Funktion p definiert. WelcheEigenschaften hat p?

1) Satz 1: Es sei z1 6= zo und die FolgeÄan(z1−zo)n

änsei beschrankt.

Dann konvergiert die Potenzreihe (1) absolut und lokalgleichmaßig inD(zo, r1), wobei r1 = |z1 − zo| gesetzt ist.

Satz 2: Eine Potenzreihe (1) konvergiert entweder absolut undlokalgleichmaßig auf C oder es gibt eine Zahl R, 0 ≤ R < +∞, mit derEigenschaft: (1) konvergiert absolut und lokalgleichmaßig auf D(zo, R)und ist fur alle z mit |z − zo| > R divergent. Es gilt:

1

R= lim sup k

»|ak| .

Hierbei sind R = 0, falls lim sup k»|ak| = +∞, und R = +∞ im Fall

lim sup k»|ak| = 0 gemeint.

2) Bemerkungen:

a) R heißt Konvergenzradius der Reihe (1). R ist der Radius desgroßten Kreises um zo, in dem (1) konvergiert.

b) Es gilt1

R= lim

k→∞|ak+1

ak|, falls dieser Grenzwert existiert.

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Potenzreihen 20

3) Beispiele:

ez (= exp(z)) :=∞∑k=0

zk

k!, z ∈ C ,

sin(z) :=∞∑k=0

(−1)kz2k+1

(2k + 1)!, z ∈ C ,

cos(z) :=∞∑k=0

(−1)kz2k

(2k)!, z ∈ C .

Fur jede dieser Reihen gilt R = ∞. exp, sin, cos sind also fur alle z ∈ Cdurch obige Reihen definiert.Es gilt: eiz = cos(z) + i sin(z) , z ∈ C.

Es folgt: cos(z) =1

2(eiz + e−iz), sin(z) =

1

2i(eiz − e−iz).

Speziell fur z = x ∈ R hat man Re(eix) = cos(x), Im(eix) = sin(x),|eix = 1|.Es gilt (Ausmultiplizieren mittels Cauchy-Produkt, Binomischer Satz):exp(z) exp(w) = exp(z + w) , z, w ∈ C.

4.3

1) Satz 3: Die Potenzreihe∞∑k=0

akzk (o.B.d.A. zo = 0 ) mit ak ∈ C sei

inG = z/ |z| < R konvergent.

Dann ist die Funktion f : G→ C, z →∞∑k=0

akzk holomorph.

Es gilt f ′(z) =∞∑k=1

kakzk−1, z ∈ G.

zum Beweis:

1. Der Konvergenzradius der Reihe∞∑k=1

kakzk−1 ist ebenfalls R.

2. Fur ξ, |ξ| < R, ist zu zeigen, dass fur |z| ≤ %:

q(z) :=

f(z)− f(ξ)

z − ξ, z 6= ξ

∞∑k=1

kakξk−1 , z = ξ

in ξ stetig ist. Hier ist % beliebig mit |ξ| < % < R.

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Potenzreihen 21

Mit gn(z) =n−1∑k=0

zn−k−1 ξk , z ∈ C , n ∈ N gilt:

q(z) =∞∑n=1

an gn(z), |z| ≤ %.

3. Mit demMajorantenkriterium (4.1, 5.) zeigt man die gleichmaßigeKonvergenz dieser Reihe. Da die gn stetig sind, ist q in z/|z| ≤ %also in ξ stetig.

2) Folgerungen:

1. f(z) =∞∑k=0

ak(z − zo)k habe den Konvergenzradius R. Dann ist

f (j) fur |z − zo| < R holomorph (j = 0, 1, 2, · · · ). Es gelten:

f (j)(z) =∞∑k=j

k (k − 1) · · · (k − j + 1) ak (z − zo)k−j , |z| < R,

aj =1

j!f (j)(zo) , j = 0, 1, 2, · · · .

2. Satz 4: (Identitatssatz fur Potenzreihen)

Es seien f(z) =∞∑k=0

ak (z − zo)k und g(z) =

∞∑k=0

bk (z − zo)k kon-

vergent fur |z − zo| < R. Dann gilt:f(z) = g(z) fur |z − zo| < R⇔ ak = bk , k = 0, 1, 2, · · · .

4.4

Satz 5:

f(z) =∞∑k=0

ak zk mit ak ∈ R, ak+1 ≤ ak, ak → 0 (k → ∞) sei gegeben. Dann

konvergiert die Reihe fur |z| ≤ 1 mit eventueller Ausnahme von z = 1.

Satz 6: (Der Abelsche Grenzwertsatz)

Es sei f(z) =∞∑k=0

akzk mit Konvergenzradius R > 0 gegeben. Es sei ξ,

|ξ| = R, mit:∞∑k=0

ak ξk ist konvergent. Dann gilt lim

%→1−0f(%ξ) =

∞∑k=0

ak ξk.

(Stetigkeit von f in ξ bei radialer Annaherung).(fur eine Verallgemeinerung siehe Storch/Wiebe Lehrbuch der MathematikBand 1, Abschnitt 12.B.7).

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Potenzreihen 22

Beispiele:

1) ln 2 =∞∑k=1

(−1)k−1 1

k= lim

x→1−0

∞∑k=1

(−1)k−1xk

k=

Ålimx→1

ln(1 + x)

ã.

2) Aus der Konvergenz der Reihen

∞∑k=0

ak,∞∑k=0

bk,∞∑k=0

Ñk∑

j=0

ak−jbj

éfolgt

∞∑k=0

Ñk∑

j=0

ak−jbj

é︸ ︷︷ ︸Das Cauchy Pro-dukt der beidenReihen rechts

=

( ∞∑k=0

ak

)( ∞∑k=0

bk

).

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Konforme Abbildung 23

Kapitel 5

Konforme Abbildung

5.1

1) Eine Kurve C ist gegeben durch eine stetige Funktion ϕ : [α, β] → C;z = ϕ(t) heißt Parameterdarstellung von C. |C| heißt Trager der Kurve.|C| ist eine kompakte Menge als stetiges Bild der kompakten Menge[α, β].

2) Die Kurve C, ϕ heißt geschlossen, falls ϕ(α) = ϕ(β) gilt. ϕ heißtJordankurve, falls: α ≤ t < t′ < β ⇒ ϕ(t) 6= ϕ(t′).

3) Sind zwei Kurven Cj , ϕj : [αj , βj ] → C (j = 1, 2) mit ϕ1(β2) = ϕ2(α2)gegeben, so definieren wir die Summenkurve C1 + C2 durch:

ϕ(t) :=

®ϕ1(t) , α1 ≤ t ≤ β1

ϕ2(t+ α2 − β1) , β1 ≤ t ≤ β1 + β2 − α2

Mit [a, b] wird die Verbindungsstrecke von a ∈ C nach b ∈ C bezeich-net. Sind z1, z2, · · · , zn ∈ C, so bezeichnet [z1, z2] + [z2, z3] + · · · +[zn−1, zn] den Polygonzug von z1 uber z2, · · · , zn−1 bis zn.

4) C sei durch z = ϕ(t), α ≤ t ≤ β gegeben.−C, die zu C entgegengesetzteKurve, ist dann etwa durch:

z = ψ(t) := ϕ(α+ β − t) , α ≤ t ≤ β ,

gegeben.

5) Die Kurve C: z = ϕ(t) , α ≤ t ≤ β, heißt glatt, wenn ϕ ∈ C1[α, β] undϕ(t) 6= 0 , α ≤ t ≤ β, erfullt sind.Die Kurve C heißt ein Weg (oder stuckweise glatt), falls es glatte Kur-ven C1, C2, · · · , Cn mit C = C1 + C2 + · · ·+ Cn gibt.

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Konforme Abbildung 24

5.2

Es seien G ⊂ C eine offene Menge, f : G → C eine holomorphe Funktionund C : z = ϕ(t), α ≤ t ≤ β, eine Kurve in G, d.h. ϕ : [α, β] → G oder auch|C| ⊂ G.f(C), w : [α, β] → C, w = f ϕ, ist stetig, also eine Kurve: die Bildkurve.Es sei jetzt C glatt: ϕ(t) 6= 0 und f ′(z) 6= 0, z ∈ G.Dann ist f(C) wieder glatt:

w(t) = f ′(ϕ(t))ϕ(t) 6= 0 , α ≤ t ≤ β

arg(z(to)) ist der Winkel zwischen der Tangente an C in zo = z(to) und derpositiven reellen Achse.

Satz:Es sei f in G holomorph und f ′(z) 6= 0 fur z ∈ G. Dann ist das Bild f(C) derglatten Kurve C eine glatte Kurve, und der Winkel zwischen zwei glattenKurven bleibt unter f (hinsichtlich Große und Drehsinn) erhalten.

Bemerkungen:

1) Ist in zo ∈ G f ′(zo) = 0, so kann sich der Winkel in zo andern:f(z) = zn (n ∈ N), zo = 0. Der Winkel zwischen Kurven, die sich in 0schneiden ver-n-facht sich.

2) Ist f ′(zo) 6= 0, ϕ(to) 6= 0 (zo = ϕ(to)), so gilt fur die Langen derKurven C und f(C) bei zo naherungsweise l(f(C)) = l(C)|f ′(zo)|.

3) Eine Abbildung f heißt konform, wenn Schnittwinkel erhalten bleiben.Der Satz besagt somit:Holomorphe Funktionen f mit f ′(z) 6= 0 sind konforme Abbildungen.

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Mobiustransformationen 25

Kapitel 6

Mobiustransformationen

6.1

T : “C → “C heißt Mobiustransformation ⇔ es gibt Zahlen a, b, c, d ∈ C mitad− bc 6= 0 und

T (z) :=

az + b

cz + d, z ∈ C\−d

c

a

c, z = ∞

∞ , z = −dc

c = 0 ist der Trivialfall: T ist eine Drehstreckung verknupft mit einer Trans-lation.

c 6= 0: T (z) =a

c− ad− bc

c(cz + d), T ′(z) =

ad− bc

(cz + d)2, z ∈ “C.

Wir bezeichnen durch M die Menge aller Mobiustransformationen. T ∈ Mistbijektiv und holomorph.

Satz 1: (M, ) ist eine Gruppe.zum Beweis:id ∈ M.

T =az + b

cz + d, T ∈ M ⇒ T−1(z) =

−dz + b

cz − a, T−1 ∈ M.

S, T ∈ M ⇒ S T ∈ M.

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Mobiustransformationen 26

6.2 Bemerkung

Spezielle Mobiustransformationen sind:

z → az (a 6= 0) Drehstreckung,

z → a+ z Translation,

z → 1

zInversion.

Satz 2: Die Gruppe (M, ) wird durch Drehstreckungen, Inversion undTranslationen erzeugt.

Bemerkungen:

1) Ein verallgemeinerter Kreis ist ein Kreis oder eine Gerade.

2) Eine Abbildung “C → “C heißt kreistreu, wenn sie verallgemeinerte Krei-se in verallgemeinerte Kreise abbildet.

Satz 3: Die Inversion ist kreistreu.

Satz 4: Jede Abbildung T ∈ M ist kreistreu.

6.3

Satz 5: Eine Mobiustransformation mit mehr als zwei Fixpunkten ist dieIdentitat.

(DV ) Es seien z1, z2, z3 paarweise verschiedene Punkte aus “C. Durch:

T (z) :=

z − z1z − z3

z2 − z3z2 − z1

, (z1, z2, z3 ∈ C)

z2 − z3z − z3

, (z1 = ∞)

z − z1z − z3

, (z2 = ∞)

z − z1z2 − z1

, (z3 = ∞)

wird die Mobiustransformation definiert, die z1 → 0, z2 → 1, z3 → ∞ ab-bildet.

Satz 6:z1, z2, z3 und w1, w2, w3 seien Tripel paarweise verschiedener Zahlen aus “C.

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Mobiustransformationen 27

Es gibt genau ein T ∈ M mit T (zj) = w; (j = 1, 2, 3).zum Beweis:Existenz mit (DV ). Eindeutigkeit mit Satz 5.Ist T1 die Abbildung, die w1 → 0, w2 → 1, w3 → ∞ und T2 die Abbildung,die z1 → 0, z2 → 1, z3 → ∞ bewirkt, so ist T = T−1

1 T2 die geforderteMobiustransformation.

Die in Satz 6 bestimmte Abbildung T wird implizit durch T1(T (z)) = T2(z)gegeben. Ausgeschrieben bedeutet das:

(∗) T (z)− T (z1)

T (z)− T (z3)

T (z2)− T (z3)

T (z2)− T (z1)=z − z1z − z3

z2 − z3z2 − z1

.

6.4 Winkeltreue. Orientierungstreue. Gebietstreue.

1. Zwei verallgemeinerte Kreise K1, K2 mogen sich in b schneiden. Gilta ∈ K1, c ∈ K2, so bezeichnen wir den (orientierten) Schnittwinkelzwischen K1, K2 in b durch ](a, b, c).Da fur T ∈ M fur alle z T ′(z) 6= 0 gilt, hat man nach Kapitel 5:

Satz 7: (Winkeltreue)Fur T ∈ M gilt: ](a, b, c) = ](T (a), T (b), T (c)).

2. Drei verschiedene Punkte a, b, c eines verallgemeinerten Kreises K le-gen wie folgt eine Orientierung (a, b, c) fest: c liegt nicht auf dem Bogen(a, b) von a nach b.“C wird unterteilt in K und zwei Gebiete. Das zur Linken von K lie-gende Gebiet ist dasjenige, in das der Normalenvektor it (t Tangente)weist.

Satz 8: (Orientierungstreue, Gebietstreue)Es sei G ⊂ “C das Gebiet zur Linken bezuglich der Orientierung (a, b, c)des verallgemeinerten Kreises K. Dann liegt fur jedes T ∈ M das BildT (G) zur Linken bezuglich der Orientierung (T (a), T (b), T (c)) des ver-allgemeinerten Bildkreises T (K). T (G) ist ein Gebiet.zum Beweis: T (G) ist offen, da T−1 in “C stetig und G offen ist. DaT stetig ist, ist T (G) zshgd: T (G) ist ein Gebiet. Es liegt links oderrechts von T (K). Die Tangentenrichtung im Bild ergibt sich aus derAbfolge der Bogen T (ıab), T (Ùbc), T (ıca).

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Mobiustransformationen 28

6.5 Das Doppelverhaltnis

Das Doppelverhaltnis der Zahlen z, z1, z2, z3: z ∈ “C und z1, z2, z3 ∈ “C undz1 6= z2 6= z3 ist die unter 6.3 (DV ) definierte Mobiustransformation T , diewir jetzt durch (z, z1, z2, z3) bezeichnen. Es gelten also:(z1, z1, z2, z3) = 0, (z2, z1, z2, z3) = 1, (z3, z1, z2, z3) = ∞.

Satz 9: Es seien z, z1, z2, z3 ∈ “C und z1, z2, z3 paarweise verschiede-ne und S ∈ M. Es gilt:

(z, z1, z2, z3) = (S(z), S(z1), S(z2), S(z3)).

Lemma:z1, z2, z3, z4 liegen auf einem verallgemeinerten Kreis genau dann, wenn(z4, z1, z2, z3) ∈ R gilt.

6.6 Spiegeln an verallgemeinerten Kreisen.

Definition: z1, z2, z3 mogen auf einem verallgemeinerten Kreis K liegen.%K(z) heißt Spiegelpunkt von z an K, falls:

(%K(z), z1, z2, z3) = (z, z1, z2, z3)

erfullt ist.

Bemerkung: Ist K = “R (= R ∪ ∞), so liest man ab:

%R(z) = z.

Satz 10: (Symmetrie-Prinzip) Es seien T ∈ M, K ein verallgemeinerterKreis und z1, z2, z3 ∈ K. Es gilt:

T (%K(z)) = %T (K)(T (z)) , z ∈ “C.Im Fall K = “R und T (K) = “R, besagt das: T (z) = T (z).(Das kann man auch aus (∗), 6.3 ablesen).

Satz 11: L sei die Gerade z(t) = a+ t eiϕ, t ∈ R, (a ∈ C, ϕ ∈ R fest). Esgilt:

%L(z) = e2iϕ(z − a) + a.

L ist die Mittelsenkrechte der Strecke [z, %L(z)].

Satz 12: Es sei K der Kreis um a mit Radius R. Es gilt:

%K(z) = a+R2

z − a.

Ubung: Deute %K(z) geometrisch. Verwende dies zu einer Konstruktion von%K(z) aus z.

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Der Logarithmus 29

Kapitel 7

Der Logarithmus

7.1

7.2

Satz 1: Es sei α ∈ R. Jeder Streifen Sα := z/α < Im(z) < α + 2πwird durch f(z) = exp(z) schlicht (d.h. holomorph und injektiv) auf diegeschlitzte Ebene Eα = C\w/w = reiα, r ≥ 0 abgebildet.

7.3

Satz 2: E−π = z/ z 6= 0, −π < arg(z) < π (=C\(−∞, 0]) wird durchlog(z) := ln |z| + i arg(z) schlicht auf S−π := w/ − π < Im(w) < πabgebildet.

Es gelten exp(log(z)) = z, z ∈ E−π, und log′(z) =1

z, z ∈ E−π.

7.4

Es seien G ⊂ C ein Gebiet und f : G → C eine stetige Funktion, dieexp(f(z)) = z, z ∈ G, erfullt.f heißt dann ein Zweig des Logarithmus auf G.Mit G = E−π ist log aus Satz 2 ein Zweig des Logarithmus: der sogenannteHauptzweig.

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Der Logarithmus 30

Satz 3: Ist G ⊂ C ein Gebiet und f auf G ein Zweig des Logarithmus,so sind alle Zweige des Logarithmus auf G durch f(z)+2kπi, k ∈ Z, gegeben.

Bemerkung:

In A3, 5. Ubung, wird gezeigt, dass auf z/ |z− 1| < 1 der Hauptzweig desLogarithmus die Darstellung

log(z) =∞∑n=1

(−1)n−1 (z − 1)n

n

besitzt.

7.5

Ist log(z) ein Zweig des Logarithmus auf G, so wird fur b ∈ C f(z) = zb

durchzb = exp(b log(z)), z ∈ G,

definiert.

Satz 4: Ist log der Hauptzweig des Logarithmus, so ist f(z) = zb, z ∈ E−π

holomorph. Es gilt f ′(z) = bzb−1.

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KurvenintegraleStammfunktionen

31

Kapitel 8

KurvenintegraleStammfunktionen

8.1

−∞ < α < β <∞, w : [α, β] → C sei stuckweise stetig:

w(t) = u(t) + i v(t), u(t) = Rew(t), v(t) = Imw(t).

Satz 1:∣∣∣ β

α

w(t)dt∣∣∣ ≤ β

α

|w(t)|dt.

zum Beweis:

Ist

β

α

w(t)dt 6= 0, so sei ϑ = arg(

β

α

w(t)dt).

Es gilt:∣∣∣ β

α

w(t)dt∣∣∣ = β

α

Re(e−iϑw(t))dt ≤β

α

|w(t)|dt.

8.2

1) Ist ϕ : [α, β] → C eine glatte Kurve C und f : |C| → C stetig, so wirddefiniert: ˆ

C

f(z)dz =

β

α

f(ϕ(t))ϕ(t)dt.

Bemerkung: Ist h : [α∗, β∗] → [α, β] aus C1 und streng wachsend, soist z = ψ(τ) := ϕ(h(τ)), α∗ ≤ τ ≤ β∗, eine Kurve C∗ mit |C| = |C∗|.Es gilt:

(∗)ˆ

C

f(z)dz =

ˆ

C∗

f(z)dz.

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KurvenintegraleStammfunktionen

32

Also: Geht C aus C∗ durch Parametertransformation hervor, so gilt(∗).

2) Ist C ein Weg: C = C1 + C2 + · · ·+ Cn, so gilt

ˆ

C

f(z)dz =n∑

j=1

ˆ

Cj

f(z)dz.

3) Ist −C die zu C entgegengesetzte glatte Kurve, so gilt

ˆ

−C

f(z)dz = −ˆ

C

f(z)dz,

und also ˆ

C+(−C)

f(z)dz = 0 .

4)

ˆ

C

f(z)|dz| :=β

α

f(ϕ(t))|ϕ(t)|dt.

Satz 2:∣∣∣ ˆC

f(z)dz∣∣∣ ≤ ˆ

C

|f(z)||dz| ≤Ml(C),

wobei M = max|f(z)|, z ∈ |C| und l(C) =

ˆ

C

|dz| die Lange von |C|

sind.

Ist C ein geschlossener Weg, so schreiben wir auch:

ˆ

C

f(z)dz =

C

f(z)dz

oder ˆ

C

f(z)dz =

C

f(z)dz.

Beispiel: Es sei C: z = ϕ(t) = reit, 0 ≤ t ≤ 2π.Es gilt ‰

C

zndz =

®2πi , n = −10 , n 6= −1 , n ∈ Z.

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KurvenintegraleStammfunktionen

33

8.3

Es sei G ⊂ C ein Gebiet und f : G→ C eine Funktion.g : G → C heißt Stammfunktion von f in G, wenn g in G holomorph istund wenn g′ = f in G erfullt ist.

Satz 3:Die stetige Funktion f habe in G die Stammfunktion g. Es seien a, b ∈ G.Es gilt: ˆ

C

f(z)dz = g(b)− g(a)

fur jeden Weg C, |C| ⊂ G, der a mit b verbindet.

Folgerung: Es sei f stetig im Gebiet G und besitze in G eine Stamm-funktion. Dann gilt fur jeden geschlossenen Weg C in G:

C

f(z)dz = 0.

Beispiele:

1) f(z) =∞∑n=0

anzn haben den Konvergenzradius r.

g mit g(z) =∞∑n=0

ann+ 1

zn+1 ist in z/ |z| < r eine Stammfunktion

von f .

2) In C\0 ist g(z) = − 1

n− 1

1

zn−1, n = 2, 3, · · · Stammfunktion von

f(z) =1

zn, n = 2, 3, · · · .

3) Da

|z|=r

1

zdz = 2πi 6= 0 gilt, besitzt f(z) =

1

zin C\0 keine Stamm-

funktion.

4) f(z) =1

zbesitzt in E−π = C\(−∞, 0], (7.2) die Stammfunktion

g(z) = log(z) = ln |z|+ i arg(z), −π < arg(z) < π.

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Der Integralsatz und die Integralformel von Cauchy fur Sterngebiete 34

Kapitel 9

Der Integralsatz und dieIntegralformel von Cauchyfur Sterngebiete

9.1

Satz 1: (Das Lemma von Goursat)Es sei G ⊂ C ein Gebiet und p ∈ G. Es sei f ∈ C(G)∩H(G\p). Dann giltfur jedes abgeschlossene Dreieck 4 ⊂ G:‰

∂4

f(z)dz = 0.

zum Beweis:

Angenommen∣∣∣ ‰∂4

f(z)dz∣∣∣ = α > 0.

Man konstruiert abgeschlossene Dreiecke 4j mit:

4 ⊃ 41 ⊃ 42 ⊃ · · · ⊃ 4n ⊃ 4n+1 ⊃ · · ·die

(1)∣∣∣ ‰∂4n

f(z)dz∣∣∣ ≥ α

4n, n = 1, 2, · · ·

erfullen.Bezeichnen dn = diam(4n) und l(∂4n) die Lange von ∂4n, so folgt mit

(2) dn <1

2nl(∂4) und dn =

1

2ndiam(4) n = 1, 2, · · ·

zunachst:∞⋂j=1

4j = zo.

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Der Integralsatz und die Integralformel von Cauchy fur Sterngebiete 35

Nutzt man aus, dass f in zo diff’bar ist, so erhalt man mit (1) und (2):Fur beliebiges ε > 0 gilt:

α ≤ ε diam(4) l(∂4)

Fur ε <α

diam(4) l(∂4)ist das falsch.

9.2 Der Integralsatz fur Sterngebiete

Das Gebiet G heißt Sterngebiet, falls es in G einen Punkt a gibt mit:

(z ∈ G) ⇒ ([a, z] = ξ = a+ t(z − a), 0 ≤ t ≤ 1 ⊂ G).

Satz 2:Es sei G ein Sterngebiet bezuglich a. Es sei p ∈ G. Dann hat jede Funktionf ∈ C(G) ∩H(G\p) in G eine Stammfunktion.

zum Beweis: g(z) =

ˆ

[a,z]

f(ξ)dξ , z ∈ G, ist in G Stammfunktion von f .

Satz 3: (Cauchy Integralsatz fur Sterngebiete)Es sei G ein Sterngebiet und p ∈ G und f ∈ C(G) ∩H(G\p). Dann giltfur jeden geschlossenen Weg C in G:

C

f(z)dz = 0.

9.3 Die Cauchysche Integralformel fur Kreise undSterngebiete

Satz 4: (Die Integralformel fur Kreise)Es seien G ein Gebiet und f ∈ H(G). Es seien zo ∈ G und r > 0 so, dassz/ |z − zo| ≤ r ⊂ G. Dann gilt:

f(z) =1

2πi

|ξ−zo|=r

f(ξ)

ξ − zdξ , z ∈ D(zo, r).

zum Beweis:Wahle zu z ∈ D(zo, r) δ > 0 so, dass D(z, δ) ⊂ D(zo, r) gilt.Zeige: ‰

|ξ−zo|=r

f(ξ)

ξ − zdξ =

|ξ−z|=δ

f(ξ)

ξ − zdξ

und bilde limδ→0

.

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Der Integralsatz und die Integralformel von Cauchy fur Sterngebiete 36

Bemerkungen:

1) Fur z mit |z − zo| < r gilt (setze oben f = 1):

|ξ−zo|=r

1

ξ − zdξ = 2πi.

2) Fur z = zo in Satz 4 erhalt man den Mittelwertsatz:

f(zo) =1

2πˆ

0

f(zo + reit)dt.

Satz 5: (Die Integralformel fur Sterngebiete)Es seien G ein Sterngebiet, C ein geschlossener Weg in G und f ∈ H(G).Dann hat man fur z ∈ G \ |C|:

n(C, z)f(z) =1

2πi

C

f(ξ)

ξ − zdξ , z 6∈ |C|

wobei zur Abkurzung

n(C, z) =1

2πi

C

ξ − z

gesetzt wurde. (Siehe Kap. 12)(Ist C ein Kreis um zo mit |C| ⊂ G, so gilt fur z aus dem Innern des Kreisesn(C, z) = 1).zum Beweis:Mit z ∈ G beliebig, fest, z 6∈ |C|, wird der Satz 3 angewendet auf

g : G→ C, g(ξ) :=

f(ξ)− f(z)

ξ − z, ξ 6= z

f ′(z) , ξ = z.

Es ist g ∈ C(G) ∩H(G\z).

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Folgerungen 37

Kapitel 10

Folgerungen

10.1 Potenzreihenentwicklung holomorpher Funk-tionen

Satz 1: Es sei f holomorph im Gebiet G ⊂ C und zo ∈ G. Es sei D(zo, r)die großte Kreisscheibe um zo, die in G liegt. Dann gilt:

f(z) =∞∑n=0

an(z − zo)n , z ∈ D(zo, r),

mit

an =1

2πi

|ξ−zo|=ρ

f(ξ)

(ξ − zo)n+1dξ , n = 0, 1, 2 · · · .

ρ ist beliebig mit 0 < ρ < r.zum Beweis:

1) O.B.d.A zo = 0.

2) Mit |ξ| = ρ und |z| < ρ und m ∈ N hat man:

1

ξ − z=

m∑n=0

zn

ξn+1+Äzξ

äm+1 1

ξ − z.

3) Mit der Cauchy Integralformel (9.3, Satz 4) gilt:

f(z) =1

2πi

|ξ|=ρ

f(ξ)

ξ − z, |z| < ρ.

Setze 2) hier ein, setze an wie im Satz angegeben (mit zo = 0). Manerhalt:

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Folgerungen 38

|f(z)−m∑

n=0

anzn| =

∣∣∣ 1

2πi

|ξ|=ρ

f(ξ)

ξ − z

Äzξ

äm+1dξ∣∣∣

→ 0 (m→ ∞) mit∣∣∣zξ

∣∣∣ < 1 und Satz 2, 8. Kapitel.

Folgerungen:

1) Ist f ∈ H(G), so gilt f (n) ∈ H(G) fur jedes n ∈ N.

2)

f (n)(zo) =n!

2πi

|ξ−zo|=ρ

f(ξ)

(ξ − zo)n+1dξ , n = 0, 1, 2, · · · .

Mit 1) folgt leicht der Satz von Morera:Es sei G ⊂ C ein Gebiet und f ∈ C(G). Fur jedes abgeschlossene Dreieck4 ⊂ G gelte ‰

∂4

f(z)dz = 0.

Dann ist f auf G holomorph.zum Beweis: Wahle zo ∈ G und δ > 0 so, dass D(zo, δ) ⊂ G. In D(zo, δ)ist

g(z) :=

zˆzo

f(ξ)dξ

(Integration langs der geradlinigen Verbindung von zo nach z) Stammfunk-tion von f . Da mit g auch g′ holomorph ist, ist f holomorph.

10.2 Der Identitatssatz

Satz 2: Es sei G ein Gebiet und f ∈ H(G), zo ∈ G. Aus f(z) = 0fur unendlich viele verschiedene sich in zo haufende Punkte z ∈ G folgt:f(z) = 0, z ∈ G.zum Beweis:

1) Mit Satz 1 und den Voraussetzungen folgt

f (j)(zo) = 0 , j = 0, 1, · · · .

Somit gilt f(z) = 0 fur |z − zo| < r, z ∈ G.

2) Die Menge Go = z ∈ G/f (n)(z) = 0, n = 0, 1, 2, · · · ist nichtleerund offen. Hier wird wieder Satz 1 angewendet. G1 = G\Go ist offen,da f (n) stetig ist fur jedes n. Da G als Gebiet zshgd ist, folgt G1 = ∅und somit G = Go.

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Folgerungen 39

Bemerkungen:

1) Das Gebiet G enthalte das Intervall I ⊂ R. Es sei g eine auf I definierteFunktion. Dann: g lasst sich auf hochstens eine Weise ins Komplexeals holomorphe Funktion fortsetzen.

2) Aus cos2 x+ sin2 x = 1 fur x ∈ R folgt cos2 z + sin2 z = 1 fur z ∈ C.

3) Es sei G ein Gebiet, f ∈ H(G), f 6= konst.zo heißt c - Stelle der Ordnung m, falls f(zo) = c, f (j)(zo) = 0

(j = 1, 2, · · · ,m− 1), f (m)(zo) 6= 0.Es gilt in der Umgebung einer c - Stelle der Ordnung m die Entwick-lung

f(z) = c+ (z − zo)mÄ ∞∑l=0

am+l(z − zo)lä

mit am 6= 0.

10.3 Ganze Funktionen. Der Satz von LiouvilleDer Fundamentalsatz der Algebra

f heißt ganze Funktion, wenn f ∈ H(C). Das sind die Funktionen, die sichum jeden Punkt in eine Potenzreihe mit unendlichem Konvergenzradius ent-wickeln lassen.

Satz 3: (Der Satz von Liouville)Eine beschrankte ganze Funktion ist konstant.

zum Beweis: Man geht aus von f(z) =∞∑n=0

anzn mit

an =1

2πi

|ξ|=r

f(ξ)

ξn+1dξ (Satz 1).

Mit M(r) = max|f(ξ)|, |ξ| = r folgt mit Satz 2, 8. Kapitel:

|an| ≤M(r)

rn, n = 0, 1, 2, · · · , 0 < r <∞.

Die Ungleichungen (∗) findet man auch unter dem Stichwort ”Cauchysche Abschatzung”.

Folgerung aus dem Satz von Louville:

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Folgerungen 40

Der Fundamentalsatz der Algebra:Es sei p ein nichtkonstantes Polynom. Dann hat p in C eine Nullstelle.

zum Beweis: Ist p(z) 6= 0 fur alle z, so ist f(z) :=1

p(z)eine ganze Funk-

tion, fur die wegen p(z) → ∞ fur z → ∞ gilt: f(z) → 0 fur z → ∞. Hierausfolgt mit Satz 3, dass f konstant ist.

10.4 Die Gebietstreue

Hilfssatz:Es sei f in einer Umgebung von D(zo, r) holomorph. Es gelte|f(zo)| < min|f(z)|, |z − zo| = r. Dann hat f in D(zo, r) eine Nullstelle.

Beweis: mittels Widerspruch: mit Potenzreihenentwicklung von1

f(z)um

zo und mit der Cauchyschen Abschatzung fur1

f(zo).

Satz 4: (Gebietstreue)Es sei G ⊂ C ein Gebiet, f ∈ H(G) und f 6= konst. Dann ist f(G) einGebiet.zum Beweis: mit dem Hilfssatz.

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Das Maximumprinzip 41

Kapitel 11

Das Maximumprinzip

11.1 Die Parsevalsche Formel

Satz 1: Es sei f(z) =∞∑n=0

an(z − zo)n holomorph in z/ |z − zo| < ρ

(0 < ρ ≤ ∞). Es gilt:

1

2πˆ

0

|f(zo + reit)|2 dt =∞∑n=0

|an|2r2n (0 < r < ρ).

zum Beweis: Nachrechnen! Es werden Satze verwendet uber die Vertausch-

barkeit von∑

und

ˆ, d.h. auch Satze die Konvergenz von Potenzreihen

betreffend.

11.2 Das Maximumprinzip

Satz 2: Es sei G ein Gebiet, f ∈ H(G), f 6= konst. Dann nimmt |f | in Gkein Maximum an.zum Beweis: Es wird gezeigt:Zu jedem zo ∈ G gibt es ein z1 ∈ G mit |f(zo)| < |f(z1)|. Es wird der Satz1 angewendet. Ist D(zo, r) eine Kreisscheibe mit D(zo, 2r) ⊂ G, so liegt z1auf dem Kreis ξ(t) = zo + reit , 0 ≤ t ≤ 2π.

Satz 3: Das Gebiet G sei beschrankt. Es sei f ∈ H(G) ∩ C(G). Danngilt |f(z)| ≤ max|f(ξ)|, ξ ∈ ∂G , z ∈ G. Hier gilt ′′ =′′ nur im Fallf = konst.zum Beweis: Mittels Widerspruch und mit Satz 2.

Folgerung: Voraussetzungen wie fur Satz 3.Es gilt Re(f(z)) ≤ maxRe(f(ξ)), ξ ∈ ∂G. Gleichheit gilt nur im Fallf = konst.

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Das Maximumprinzip 42

zum Beweis:Setze g(z) := exp(f(z)). Es gilt |g(z)| = exp(Ref(z)). Wende Satz 3 auf|g(z)| an. Beachte die Monotonie von exp und ln.

Bemerkung: Dies ist ein Satz zu harmonischen Funktionen.

11.3 Das Schwarzsche Lemma

Satz 4: Es sei f holomorph in D = z/ |z| < 1 und es seien f(0) = 0und |f(z)| < 1 fur z ∈ D erfullt. Dann gelten:

|f(z)| ≤ |z| , z ∈ D, und |f ′(0)| ≤ 1.

Gilt |f ′(0)| = 1 oder |f(z)| = |z| fur ein z ∈ D, so folgt f(z) = eiαz miteinem α ∈ R.zum Beweis:Verwende die Potenzreihe von f um 0 und wende das Maximumprinzip auf

g(z) :=f(z)

z, z ∈ D, (g(0) = f ′(0)) an.

11.4 Die biholomorphen Abbildungen D → D

1) Es sei a ∈ D beliebig, fest.

ϕa mit ϕa(z) :=z − a

1− azist holomorph in einer offenen Kreischeibe, die

D = z/ |z| ≤ 1 enthalt.

Satz 5: ϕa : D → D und ϕa ist biholomorph. Es ist ϕ−1a = ϕ−a. Es

gelten: ϕa(∂D) = ∂D, ϕ′a(0) = 1− |a|2, ϕ′

a(a) =1

1− |a|2.

2) Es sei a ∈ D und f ∈ H(D) mit |f(z)| ≤ 1, z ∈ D. Es gilt:

(1) |f ′(a)| ≤ 1− |f(a)|2

1− |a|2

und: In (1) gilt die Gleichheit genau fur

(2) f(z) = ϕ−f(a)(c ϕa(z)) , z ∈ D

mit c konstant und |c| = 1.

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Das Maximumprinzip 43

zum Beweis von (1), (2):Auf g := ϕf(a) f ϕ−a kann das Schwarzsche Lemma angewendetwerden. Es gilt somit |g′(0)| ≤ 1 zusammen mit einer Aussage, unterwelchen Umstanden Gleichheit vorliegt. Wird dies auf f umgerechnet,so erhalt man (1), (2).

3) Satz 6:Es sei f : D → D biholomorph mit f(a) = 0. Dann gilt f = cϕa miteiner Konstanten c mit |c| = 1.zum Beweis:Es sei g die inverse Funktion von f

(3) g(f(z)) = z , z ∈ D.

Wende (1), (2) mit f und a und mit g und f(a) = 0 an. Verwende (3).Man erhalt |f ′(a)| = (1− |a|2)−1.Die Aussage (2) zur Gleichheit in (1) gibt die Behauptung.

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Die Windungszahl 44

Kapitel 12

Die Windungszahl

12.1

Die (Zusammenhangs)komponenten der offenen MengeG ⊂ C sind die maxi-

malen zshgd. Teilmengen vonG. Die Komponenten sind die Aquivalenzklassender Aquivalenzrelation ∼ auf G×G, die fur a, b ∈ G so definiert wird:

a ∼ b ⇔ a und b lassen sich in G durch eine Kurve verbinden.

Jede offene Menge ist disjunkte Vereinigung ihrer Komponenten. Jede Kom-ponente ist ein Gebiet.

12.2

Ist C ein geschlossener Weg in C, so heißen die Komponenten von C\|C| auchdie Komplementargebiete von C. Da ∞ 6∈ |C|, liegt ∞ in genau einem die-ser Gebiete: dem Außengebiet von C. Bezeichnet man diese unbeschrankteKomponente von C\|C| durch U , so hat man:

z/ |z| > R ⊂ U fur R > 0 genugend groß.

12.3 Die Windungszahl

Es sei C ⊂ C ein geschlossener Weg. Die Windungszahl n(C, z) von C bzglz ∈ C\|C| ist durch

n(C, z) :=1

2πi

C

1

ξ − zdξ

definiert.

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Die Windungszahl 45

Satz 1: n(C, z) ∈ Zzum Beweis:Ist C durch ξ : [α, β] → C parametrisiert, ξ glatt, so ist mit

h(τ) =

τˆα

ξ(t)

ξ(t)− zdt , α ≤ τ ≤ β,

g(τ) = (ξ(τ)− z) exp(−h(τ)) auf [α, β] konstant. Hieraus folgt die Behaup-tung.

Satz 2: Ist C ein Weg in C, so ist die Funktion

f : C\|C| → C

mit f(z) :=

ˆ

C

ξ − zstetig.

Satz 3: Es sei C ein geschlossener Weg in C. Es gelten:

1) Ist U eine Komponente von C\|C|, so ist f : U → C, f(z) :=‰

C

ξ − z,

konstant.

2) n(C, z) = 0 fur z aus der unbeschrankten Komponente von C\|C|.

Bemerkung/Ubung:

1) C sei geschlossener Weg. Dann gilt:

n(C, a) = −n(−C, a) , a 6∈ |C|.

2) C1, C2 seien geschlossene Wege mit demselben Anfangspunkten. Fura 6∈ |C1| ∪ |C2| gilt:

n(C1 + C2, a) = n(C1, a) + n(C2, a).

3) Ist C ein geschlossener Weg in C, so heißen die Mengen

int(C) := z ∈ C\|C|/ n(C, z) 6= 0,

ext(C) := z ∈ C\|C|/ n(C, z) = 0

heißen das Innere bzw. das Außere von C.

3.1 Es istC = int(C) ∪ |C| ∪ ext(C)

eine disjunkte Zerlegung von C.

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Die Windungszahl 46

3.2 Es gelten

∂(int(C)) ⊂ |C| , ∂(ext(C)) ⊂ |C|

3.3 und fur D = D(zo, r)

int(∂D) = D , ext(∂D) = C\D,

∂(int(∂D)) = ∂(ext(∂D)) = ∂D.

3.4 int(C) ist beschrankt, ext(C) ist nichtleer und unbeschrankt:Aus |C| ⊂ D(zo, r) folgen int(C) ⊂ D(zo, r), C\D(zo, r) ⊂ ext(C).

12.4 (Verkehrsregel) zur Berechnung derWindungs-zahl

Satz 4: Der geschlossene Weg C zerlege die Kreisscheibe D in zwei Ge-biete Dl und Dr.

Es giltn(C, zl) = n(C, zr) + 1 , zl ∈ Dl , zr ∈ Dr

(”Vorfahrtsregel”).

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Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Integralsatz 47

Kapitel 13

Die CauchyscheIntegralformel und derCauchysche Integralsatz

13.1

Satz 1: (Die Integralformel) Es seien G ⊂ C eine offene Menge und f :G→ C eine holomorphe Funktion. C sei ein geschlossener Weg in G. Es sein(C,w) = 0 fur w ∈ C\G erfullt. Dann gilt fur z ∈ G\|C|

n(C, z)f(z) =1

2πi

˛

C

f(ξ)

ξ − zdξ.

zum Beweis:1. Schritt: Es ist H := w ∈ C/ n(C,w) = 0 eine offene Menge, und esgilt H ∪G = C.2. Schritt: g : G×G→ C mit:

g(ξ, z) :=

f(ξ)− f(z)

ξ − z, ξ 6= z

f ′(z) , ξ = z.

ist stetig auf G×G.Beim Nachweis der Stetigkeit in (zo, zo) ∈ G × G mit (ξ, z) → (zo, zo) mitξ 6= z verwendet man

g(ξ, z)− g(zo, zo) =1

ξ − z

ξˆz

(f ′(w)− f ′(zo)) dw

(Integration langs der Verbindungsstrecke) und die Stetigkeit von f ′.

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Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Integralsatz 48

3. Schritt: ho(z) :=

˛

C

g(ξ, z) dξ , z ∈ G, ist holomorph. Dies wird mit

dem Satz von Morera (10.1) gezeigt. Es werden verwendet: der Satz vonFubini und das Lemma von Goursat (Satz 1 in 9.1).4. Schritt: Fur z ∈ G ∩H gilt

ho(z) =

C

f(ξ)

ξ − zdξ =: h1(z).

5. Schritt: Es ist h1 auf H holomorph. Das ist ein Spezialfall des folgendenSatzes: Ist C ein Weg in der offenen Menge U und p eine auf |C| stetigeFunktion, so ist

λ(z) :=

ˆ

C

p(ξ)

ξ − zdξ

auf U\|C| holomorph mit

λ(n)(z) = n!

ˆ

C

p(ξ)

(ξ − z)n+1dξ , z ∈ U\|C| , n ∈ N.

Diesen Satz haben wir mittels Potenzreihenentwicklung des Integranden be-wiesen.6. Schritt

h(z) :=

ho(z) , z ∈ G

h1(z) , z ∈ H.

ist eine ganze beschrankte (es gilt h1(z) → 0, z → ∞) Funktion, die alsonach dem Satz von Louville (10.3) konstant ist. Wegen h(z) → 0 fur z → ∞gilt somit h(z) = 0, z ∈ G, also auch ho(z) = 0 fur z ∈ G\|C|. Das ist dieBehauptung des Satzes.

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Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Integralsatz 49

13.2 Verallgemeinerung von Satz 1

Satz 2: Es sei G ⊂ C eine offene Menge und f ∈ H(G).

(V )

C1, · · · , Cm seinen geschlossene Wege in G mit

m∑j=1

n(Cj , w) = 0 fur w ∈ C\G.

Dann gilt fur z ∈ G\m⋃j=1

|Cj |Ä m∑j=1

n(Cj , z)äf(z) =

m∑j=1

1

2πi

Cj

f(ξ)

ξ − zdξ.

zum Beweis: Der Beweis geht wie der von Satz 1. g = g(ξ, z) wird wiedort definiert. Jetzt ist

H = w/m∑j=1

n(Cj , w) = 0

und

ho(z) =m∑j=1

Cj

g(ξ, z) dξ , z ∈ G.

13.3 Der Cauchysche Integralsatz

Satz 3: (V ) wie in Satz 2.

Dann giltm∑j=1

Cj

f(ξ)dξ = 0.

zum Beweis:

Wahle a ∈ G\m⋃j=1

|Cj |. Setze F (z) := (z − a)f(z).

Nach Satz 2 gilt:

1

2πi

m∑j=1

Cj

f(ξ) dξ =1

2πi

m∑j=1

Cj

F (ξ)

ξ − adξ =

Ä m∑j=1

n(Cj , a)äF (a) = 0

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Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Integralsatz 50

13.4 Beispiele

1) Es seiG offene Menge, C ein geschlossener Jordanweg inGmit int(C) ⊂G und f ∈ H(G). Dann gilt:

C

f(z)dz = 0

2) Es sei f ∈ H(G). G = z/R1 < |z| < R2. Wahle r1, r2 mitR1 < r1 < r2 < R2 und bezeichne

C1 : ξ1(t) = r1eit , 0 ≤ t ≤ 2π

C2 : ξ2(t) = r2eit , 0 ≤ t ≤ 2π

Mit Satz 3 folgt ‰

C1

f(z)dz =

C2

f(z)dz

Es seien z ∈ G und r1, r2 so, dass R1 < r1 < |z| < r2 < R2 erfullt ist.Mit Satz 2 folgt:

Satz 4: (Cauchy Integralformel fur den Kreisring)

f(z) =1

2πi

C2

f(ξ)

ξ − zdξ − 1

2πi

C1

f(ξ)

ξ − zdξ.

3) Eine Anwendung von 1) oben gibt:Ist C ein positiv orientierter geschlossener Jordanweg, so gilt fur z ∈int(C):

n(C, z) (=1

2πi

C

ξ − z) = 1

Man weist hierzu nach, dass

C

ξ − z=

K

ξ − z

gilt, wobei K der positiv orientierte Rand eines Kreises um z ist, derK ⊂ int(C) erfullt.

4) Eine Anwendung von Satz 3 liefert das folgende Ergebnis: Co, C1, ..., Cm

seien geschlossene Jordanwege. C1, ..., Cm liegen alle im Innengebietvon Co, jeder der Wege C1, ..., Cm liegt im Innengebiet von Co, und

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Die Cauchysche Integralformel und der Cauchysche Integralsatz 51

jeder der Wege C1, ..., Cm liegt im Außengebiet aller anderen(int (Cj) ∩ int (Cl) = ∅ , j 6= l , j , l=1,...,m). Dann gilt

˛

Co

f(z)dz =m∑j=1

˛

Cj

f(z)dz ,

falls Co, C1, ..., Cm und das Ringgebiet zwischen Co und denCj(j = 1, ...,m) ganz in einer offenen Menge G liegen, in der f holo-morph ist, und falls Co, C1, ..., Cm in demselben Sinn orientiert sind.

Zeige: Fur w 6∈ G gilt n(Co, w) +m∑j=1

n(−Cj , w) = 0. Man wende

Satz 3 auf Co,−C1, ...,−Cm an.

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Die Laurent Entwicklung 52

Kapitel 14

Die Laurent Entwicklung

14.1

an, n ∈ Z, sind gegebene komplexe Zahlen.

(∗)+∞∑

n=−∞an(z − zo)

n

heißt Laurent Reihe um zo.

(∗) heißt konvergent in z, falls fur z

(1) h(z) :=−1∑

n=−∞an(z − zo)

n =∞∑n=1

a−n(z − zo)−n

und

(2) r(z) :=+∞∑n=0

an(z − zo)n

konvergieren.Liegt Konvergenz vor, so wird

+∞∑n=−∞

an(z − zo)n = h(z) + r(z)

(Hauptteil und Nebenteil) geschrieben.

Da h(z) eine Potenzreihe in1

z − zound r(z) eine Potenzreihe ist, konnen

wir die fruher bereitgestellten Ergebnisse zu Potenzreihen anwenden. Manerhalt so leicht den:

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Die Laurent Entwicklung 53

Satz 1 Es seien1

R1der Konvergenzradius der Reihe

∞∑n=1

a−nzn und R2

der Konvergenzradius der Reihe∞∑n=0

anzn. Dann hat man:

1.+∞∑

n=−∞anz

n ist konvergent fur alle z mit R1 < |z| < R2.

2. Im Fall R1 < R2 ist die durch+∞∑

n=−∞anz

n auf A = z/R1 < |z| < R2

definierte Funktion f in A holomorph.

Bemerkung: In den Anwendungen (siehe auch die nachsten Kapitel) tritthauptsachlich der Fall R1 = 0 auf: A ist die “ punktierte ” Kreischeibe

D′(0, R2) = z/ 0 < |z| < R2

14.2 Die Laurent Entwicklung

Satz 2 Es seien R1, R2 Zahlen mit 0 ≤ R1 < R2 ≤ +∞. Mit

A = z/R1 < |z− zo| < R2 sei f ∈ H(A) gegeben. Dann gilt fur z ∈ A dieDarstellung (als Laurentreihe)

f(z) =∞∑n=1

a−n(z − zo)−n +

∞∑n=0

an(z − zo)n

mit

an =1

2πi

|ξ−zo|=%

f(ξ)

(ξ − zo)n+1dξ , n ∈ Z.

% ist beliebig mit R1 < % < R2.zum Beweis: Vorgehen wie in Satz 1, 10.1, ausgehend von der Cauchy Inter-gralformel fur den Kreisring, Satz 4, 13.4. Dass die Integrale fur die Koeffi-zienten mittels eines Kreises z/ |z − zo| = % ausgerechnet werden konnen,folgt aus 2), 13.4.

Bemerkung:Die Laurent Reihe von f um zo in A := z/R1 < |z−zo| < R2 ist eindeutigbestimmt:

Aus f(z) =+∞∑−∞

an(z − zo)n, z ∈ A, folgt

an =1

2πi

|ξ−zo|=%

f(ξ)

(ξ − zo)n+1dξ , n ∈ Z,

mit % beliebig aus (R1, R2).

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Die Laurent Entwicklung 54

14.3 Beispiele:

1) a, b ∈ C, 0 < |a| < |b| <∞, seien gegeben.

Gesucht sind fur f(z) =1

(z − a)(z − b)die Laurent Reihen um zo = 0.

f ist holomorph in R1 = z/ |z| < |a|f ist holomorph in R2 = z/ |a| < |z| < |b|f ist holomorph in R3 = z/ |b| < |z|Satz 2 und Bemerkung liefern:

Die Reihe in R1: f(z) =1

a− b

∞∑n=0

Ä 1

bn+1− 1

an+1

äzn

Die Reihe in R2: f(z) =1

a− b

Ä ∞∑n=1

an−1

zn+

∞∑n=1

zn−1

bn

äDie Reihe in R3: f(z) =

1

a− b

∞∑n=1

an−1 − bn−1

zn

2) (U) Berechne fur f(z) =1

(z − 1)(z − 2)die Entwicklungen um zo = 3.

Gib jeweils den Konvergenzbereich an.

3) Laurentreihe von(z + 1)2

zfur |z| > 0 ist

1

z+ 2 + z.

4) Gib die verschiedenen Entwicklungen um zo = 0 und zo = 1 an fur

f(z) =1

z2(1− z).

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Die isolierten Singularitaten 55

Kapitel 15

Die isolierten Singularitaten

15.1 Isolierte Singularitat. Hebbare Singularitat.

Es seien G ⊂ C eine offene Menge und a ∈ C. Gilt f ∈ H(G\a), so besitztf in a eine isolierte Singularitat.Gibt es eine Funktion g ∈ H(G) mit g(z) = f(z), z ∈ G\a, so heißt ahebbare Singularitat von f . g ist holomorphe Fortsetzung von f von G\aauf G.

Satz 1: Es gelte f ∈ H(G\a), und f sei aufD′(a, r) = z/ 0 < |z − a| < r (⊂ G) beschrankt. Dann ist a eine hebbareSingularitat fur f .zum Beweis:

h(z) :=

(z − a)2f(z) , z ∈ G\a

0 , z = a

ist holomorph in G. Die Potenzreihe fur h um a gibt eine Potenzreihe fur f ,die in a konvergiert.

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Die isolierten Singularitaten 56

15.2 Hebbare Singularitat, Polstelle, wesentlicheSingularitat

Satz 2: Es sei a ∈ G und f ∈ H(G\a). Dann liegt genau einer der dreifolgenden Falle vor:

1) f hat in a eine hebbare Singularitat.

2) Es gibt Zahlen c1, c2, ..., cm ∈ C, cm 6= 0, derart, dass f(z)−m∑k=1

ck(z − a)k

in a eine hebbare Singularitat hat.

3) Fur jedes r > 0 mit D(a, r) ⊂ G liegt f(D′(a, r)) dicht in C.

Bemerkung:a heißt Pol m-ter Ordnung, falls 2) eintritt.a heißt wesentliche Singularitat, falls 3) eintritt.zum Beweis des Satzes:3) liegt nicht vor:Es existiert dann ein r > 0, ein w ∈ C und δ > 0 mit |f(z)−w| ≥ δ furalle z ∈ D′(a, r).

Es ist dann g(z) :=1

f(z)− winD′(a, r) holomorph und holomorph nach

D(a, r) fortsetzbar.Gilt g(a) 6= 0, so liegt 1) vor fur f . Gilt g(a) = 0 und ist a eine Nullstellem−ter Ordnung, so liegt 2) vor fur f .

15.3 Die Laurent Entwicklung um isolierte Singu-laritaten

Es sei a eine isolierte Singularitat der Funktion f : f ist holomorph inD′(a, r) = z/ 0 < |z − a| < r.Mit Satz 2, Kapitel 14 (Laurent-Entwicklungssatz) erhalten wir eindeutigdie Darstellung fur f(z), z ∈ D′(a, r):

(∗) f(z) =+∞∑

n=−∞an(z − a)n , 0 < |z − a| < r

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Die isolierten Singularitaten 57

Satz 3: f habe in a eine isolierte Singularitat. Dann gelten in Zusammen-hang mit (∗): a ist

1) eine hebbare Singularitat ⇔ a−n = 0, n = 1, 2, ...

2) eine Polstelle m−ter Ordnung ⇔ a−m 6= 0, a−n = 0 fur n > m, n ∈ N.

3) eine wesentliche Singularitat ⇔ a−n 6= 0 fur unendlich viele n ∈ N.zum Beweis: Verknupfe (∗) mit Satz 2 / Satz 1.

Beispiele:

f(z) =1

sin2z, z = 0,

f(z) = exp(1

z) , z = 0.

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Der Residuensatz 58

Kapitel 16

Der Residuensatz

16.1

Res(f ; zo) Residuum von f in zo.

Es sei G eine offene Menge in C und zo ∈ G. Es sei f ∈ H(G\zo) und

r > 0 mit D(zo, r) ⊂ G und f(z) =+∞∑

n=−∞an(z − zo)

n die Laurentreihe von

f(z) in 0 < |z − zo| < r.

Res(f ; zo) := a−1 =1

2πi

|ξ−zo|=%

f(ξ) dξ (0 < % < r).

Satz 1:

a) f habe in zo einen Pol der Ordnung k (∈ N). Es gilt

Res(f ; zo) =1

(k − 1)!limz→zo

Dk−1Ä(z − zo)

kf(z)ä

b) Fur f(z) =A(z)

B(z)mit A,B holomorph in zo, A(zo) 6= 0, B(zo) = 0,

B′(zo) 6= 0 gilt

Res(f ; zo) =A(zo)

B′(zo).

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Der Residuensatz 59

Beispiele:

1) f(z) =−z

(z − 1)(z − 2). z1 = 1 , z2 = 2 sind Polstellen 1. Ordnung.

Mit a) mit k = 1 oder mit b) erhalt man leicht:

Res(f ; 1) = 1 , Res(f ; 2) = −2

2) f(z) = exp(1

z) hat in z = 0 eine wesentliche Singularitat.

Aus der Laurentreihe liest man ab:

Res(f ; 0) = 1.

3) f(z) =1

sin2zhat in zk = kπ (k ∈ Z) Polstellen zweiter Ordnung.

Res(f ; 0) = 0. Das sieht man leichter mittels der Laurentreihe alsmit Satz 1 a), k = 2.(siehe auch Beispiele zu Satz 3 / 15. Kapitel).

4) Res(f ′

f; zo) = N , falls f in zo eine N−fache Nullstelle hat.

5) Res(f ′

f; zo) = −N , falls f in zo eine N−fache Polstelle hat.

16.2 Der Residuensatz

Satz 2 Es seien G eine offene Menge und a1, a2, ..., am ∈ G isolierte Sin-gularitaten von f ∈ H(G\a1, a2, ..., am). Es sei C ein geschlossener Wegin G, auf dem keine der Singularitaten liegt und fur den n(C,w) = 0 furw ∈ C\G erfullt ist.Dann gilt:

1

2πi

˛

C

f(z)dz =m∑k=1

n(C, ak)Res(f ; ak).

zum Beweis:Es wird Satz 3 aus dem 13. Kapitel angewendet mit G\a1, ..., am anstellevon G (dort) und C,C1, ..., Cp anstelle von C,C1, ..., Cm (dort). Hier sind Cj

(j = 1, ..., p; 1 ≤ p ≤ m) Kreislinien um die aj , fur die n(C, aj) 6= 0 gilt.Die Cj sind geeignet orientiert, fur sie sind int(Cj) ∩ int(Ck) = ∅ (j 6= k)und int(Cj) ⊂ G (j = 1, ..., p) erfullt.

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Der Residuensatz 60

Satz 3 (Spezialfall von Satz 2) (vergleiche 13.4, 4))Es seien G eine offene Menge und C ein geschlossener Jordanweg in G mitint(C) ⊂ G. Es sei f holomorph in G außer in isolierten Singularitaten, vondenen a1, a2, ..., am in int(C) liegen. Dann gilt

˛

C

f(z)dz = 2πim∑j=1

Res(f ; aj)

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Berechnung reeller Integrale mit Hilfe des Residuensatzes 61

Kapitel 17

Berechnung reeller Integralemit Hilfe des Residuensatzes

17.1

Satz 1 Es sei R = R(x, y) eine rationale Funktion, R(cos t, sin t) sei furt ∈ [0, 2π] definiert. Dann gilt:

2πˆ

0

R(cos t, sin t) dt = 2πi∑j

Res(f ; aj)

Die aj sind die Polstellen in |z| < 1. Es ist

f(z) =1

izRÄ12(z +

1

z),

1

2i(z − 1

z)ä.

zum Beweis:

Setze cos t =1

2(eit + e−it), sin t =

1

2i(eit − e−it) und eit = z.

Beispiel: Es sei a > 1 eine feste Zahl. Es gilt

π

0

dt

a+ cos t=

π√a2 − 1

.

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Berechnung reeller Integrale mit Hilfe des Residuensatzes 62

17.2

Satz 2: Es sei f eine rationale Funktion ohne Pole auf der reellen Achse.Fur f sei erfullt:(∗) Grad Nennerpolynom − Grad Zahlerpolynom ≥ 2.Sind z1, z2, ..., zm die Polstellen von f in der oberen Halbebene, so gilt

+∞ˆ

−∞

f(x)dx = 2πim∑j=1

Res(f ; zj).

zum Beweis:Betrachte fur r > 0 Cr := [−r,+r] ∪ z = reit , 0 ≤ t ≤ π und wahle rso groß, dass z1, z2, ..., zm ∈ int(Cr). Nach dem Residuensatz gilt

1

2πi

Cr

f(z)dz =m∑j=1

Res(f ; zj)

Mit der Voraussetzung (∗) folgt

limr→∞

Cr

f(z)dz =

+∞ˆ

−∞

f(x)dx,

und (∗) gewahrleistet ebenfalls, dass+∞ˆ

−∞

f(x)dx existiert.

Beispiel:

1) Die Nullstellen von zn + 1 (n ∈ N) sind

zk = exp(iπ

n+ 2

k − 1

nπi) , k = 1, 2, ..., n.

In den zk hat1

1 + zneinfache Polstellen mit den Residuen

Res(f ; zk) = −zkn

, k = 1, 2, ..., n.

2)

+∞ˆ

−∞

dx

1 + x4=

√2π

2mit Satz 2 und 1) vorher.

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Berechnung reeller Integrale mit Hilfe des Residuensatzes 63

17.3

+∞ˆ−∞

f(x)eix dx

Satz 3: Es sei f eine rationale Funktion mit:Grad des Nennerpolynoms − Grad des Zahlerpolynoms ≥ 1.f habe auf R keine Pole außer in z = 0 einen Pol hochstens erster Ordnung.z1, z2, ..., zm seien die Pole in z/ Im(z) > 0. Es gilt

HW

ˆ +∞

−∞f(x)eix dx = πiRes(f ; 0) + 2πi

m∑j=1

ResÄf(z)eiz; zj

äzum Beweis:Wende den Residuensatz an auf den Rand des Rechtecks mit den EckenX2, X2+ iY,−X1+ iY,−X1 (mit X1, X2, Y > 0) . Auf der Strecke [−X1, X2]wird das Stuck [−δ, δ] durch die Halbkreislinie von −δ nach δ um Null inder oberen Halbebene ersetzt. Bilde X1, X2, Y → ∞ und δ → 0. Es bleibennur Integrale uber die reelle Achse ubrig und

limδ→0

−iπ

0

f(δeit)eiδeitδeit dt = −iπRes(f ; 0)

Beispiel:

Ist f ungerade. Mit I = HW

ˆ +∞

−∞f(x)eix dx von Satz 3 gilt:

0

f(x) sinx dx =I

2i=π

2Res(f ; 0) + π

m∑j=1

ResÄf(z)eiz, zj

ä.

Mit f(x) =1

xerhalt man:

0

sinx

xdx =

π

2.

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Das ArgumentprinzipDer Satz von Rouche

64

Kapitel 18

Das ArgumentprinzipDer Satz von Rouche

18.1

Es sei G ⊂ C eine offene Menge.f : G→ C heißt meromorph in G, wenn f in G bis auf Pole holomorph ist.

Bemerkung:Eine meromorphe Funktion hat in einem beschrankten Gebiet hochstensendlich viele Pole. (Begrundung !?).

18.2

Satz 1: (Das Argumentprinzip)Es sei G eine offene Menge und ‹C ein geschlossener Jordanweg in G mitint(‹C) ⊂ G. Es sei f meromorph in G. Es seien zk die Nullstellen, ξl diePolstellen von f , jeweils der Ordnung entsprechend gezahlt. Es sei C eingeschlossener Weg in int(‹C) auf dem weder Nullstellen noch Pole von fliegen. Wenn f(C) der Bildweg ist, so gelten:

n(f(C); 0)(1)=

1

2πi

˛

C

f ′(z)

f(z)dz

(2)=∑k

n(C, zk)−∑l

n(C, ξl)

zum Beweis:zu (1): Definition von n(f(C); 0) und Definition von Linienintegral, insbe-

sondere von

˛

C

und

˛

f(C)

.

zu (2): mit Beispiel 4a), 4b) in 16.1 und mit dem Residuensatz.

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Das ArgumentprinzipDer Satz von Rouche

65

Satz 1’ Es sei G ein Gebiet und f meromorph in G. Es sei Do eineKreisscheibe mit Do ⊂ G, und es gelte f 6= 0, ∞ auf ∂Do. Die der Ordnungentsprechend oft gezahlte Anzahl der Nullstellen bzw der Polstellen von fin Do wird durch N bzw P bezeichnet. Es gilt dann

n(f(∂Do); 0) =1

2πi

∂Do

f ′(z)

f(z)dz = N − P.

zum Beweis: Umformulierung/Spezialisierung von Satz 1.

18.3 Der Satz von Rouche

Es sei G ein Gebiet und Do eine Kreisscheibe mit Do ⊂ G.Fur f , g ∈ H(G) sei(1) |g(z)| < |f(z)| fur z ∈ ∂Do erfullt.Dann haben die Funktionen f und f + g in Do gleichviele Nullstellen, derOrdnung entsprechend oft gezahlt.zum Beweis:

h(z) :=f(z) + g(z)

f(z)= 1 +

g(z)

f(z)

ist meromorph in G.Aus (1) folgt leicht: h(z) 6= 0,∞ auf ∂Do.

Die Differenz der Anzahl der Nullstellen von f + g und f ist gleich derDifferenz der Anzahl der Nullstellen und Polstellen von h, also nach Satz 1’= n(h(∂Do); 0)

Wegen |h(z)− 1| = | g(z)f(z)

| < 1, z ∈ ∂Do,

gilt h(∂Do) ⊂ w/ |w − 1| < 1. Also:0 liegt in der unbeschrankten Zusammenhangskomponente von h(∂Do) unddas heißt n(h(∂Do); 0) = 0, und das ist die Behauptung.

Page 67: Funktionentheorie Vorlesungszusammenfassung SS …Funktionentheorie Vorlesungszusammenfassung SS 2012 Andreas M uller-Rettkowski e-mail: andreas.mueller-rettkowski@kit.edu Dies ist

Das ArgumentprinzipDer Satz von Rouche

66

Beispiel:

1) Fundamentalsatz der Algebra

p(z) = anzn +

n−1∑k=0

akzk mit n ≥ 1, an 6= 0.

Mit f(z) = anzn, g(z) =

n−1∑k=0

akzk gilt fur genugend großes r:

|g(z)| < |f(z)| , |z| = r.Nach dem Satz von Rouche, da f in |z| < r genau n Nullstellen hat,hat somit p = f + g in |z| < r genau n Nullstellen.

2) (U) p(z) = 3z3 − 2z2 + 2iz − 8 hat die drei Nullstellen in 1 < |z| < 2.