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GASTROENTEROLOGIE AKUTE PANKREATITIS 53 Ätiologie: Gallenwegserkrankungen (45%), Alkoholabusus (35%), idiopathisch (15%), Medikamente. Seltene Ursachen: Virusinfektionen, Hypertriglyceridämie, post-ERCP, Bauchtraumen, hereditäre Pankreatitis, autoimmun (Sjögren Syndrom), Tumoren, penetrierendes Ulcus duodeni/ventriculi. Klinik: Wichtigstes klinisches Zeichen ist der akute Oberbauch- und oder Thoraxschmerz, oft gürtelförmig in den Rücken ziehend. Schmerzlose Verläufe sind extrem selten. Bei typischen Beschwerden und deutlich erhöhter Serumlipase/ - amylase (> 2-3fach) ist die Diagnose praktisch sicher. Die gleichzeitige Bestimmung von Lipase und Amylase erhöht die diagnostische Sensitivität nicht. Die Lipase ist spezifischer. Die Höhe der Enzymwerte korreliert nicht mit der Schwere des Verlaufs. Amylase/Lipase sind früh erhöht und fallen nach 3-4 Tagen ab. Eine 2-3fache Erhöhung ist daher nicht zwingend. Wichtig und aussagekräftiger für den Verlauf ist die wiederholte körperliche Untersuchung des Patienten. Zwei Fragen müssen beantwortet werden: 1. Liegt eine biliäre Pankreatitis vor und wenn ja, bestehen Zeichen der Cholangitis? Klinische Zeichen der Cholangitis sind Fieber und Ikterus. Sonographisch lässt sich eine biliäre Genese meist gut belegen. Laborchemisch sprechen Bilirubin, Cholestaseparameter und Transaminasen für biliäre Genese. Bei Cholangitis sofortige ERCP, ansonsten hat man 24h (bis 72h) Zeit. Gerinnung und Thrombozyten sind wichtig vor der ERCP sowie als Sepsisparameter. 2. Handelt es sich um eine leichte oder eine schwere Pankreatitis? Es sollte immer eine Sonographie zur Klärung der Ätiologie (biliär und Cholestase) erfolgen. Eine initiale CT-Untersuchung bei Aufnahme bzw. innerhalb von 24h nach Symptombeginn ist nur bei schwerer Pankreatitis indiziert und wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben! CAVE: Ein KM-CT kann ein akutes Nierenversagen induzieren! Nekrosen bilden sich erst nach 3-5 Tagen aus, Infektionen der Nekrosen erst nach dem 12. Tag. Patienten mit persistierendem Organversagen, Sepsis oder klinischer Verschlechterung 6-10 Tage nach Aufnahme sollten ein CT bekommen. Alter, Beteiligung anderer Organe sowie Nekrosen sind die Kriterien für eine schwere Pankreatitis. Bei schwerer Pankreatitis kommt es zur Ausbildung einer überschiessenden systemischen entzündlichen Reaktion (SIRS). Damit einhergehen kann ein Multiorganversagen (Leber, Lunge, Niere). Daher bei schwerer Pankreatitis mindestens alle 24h kontrollieren. Laborchemisch sollten folgende Parameter bestimmt werden: CRP, Thrombozyten und Gerinnung als allgemeine Entzündungs-/ Sepsisparameter. Leukozytose und Fieber als Hinweis auf Nekrose bzw. Infektion. Hämatokrit als Hinweis auf starken Flüssigkeitsverlust. BGA als Hinweis auf pulmonales Versagen (ARDS, MOF). Kreatinin als Hinweis auf renales Versagen (MOF). Ein Risikofaktor für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis ist ein HK- Anstieg. Dieser signalisiert eine Hämokonzentration und führt bei einem Anstieg innerhalb der ersten 24h fast obligat zu einer Pankreasnekrose. Ein Organversagen innerhalb der ersten Woche, welches nach 48h wieder reversibel ist, sollte nicht als Indikator für eine schwere Pankreatitis benutzt werden. Patienten mit einem Organversagen für mehr als 48h haben eine Mortalität von 50%, wohingegen Patienten mit einem vorübergehenden Organversagen für <48h keine erhöhte Mortalität aufweisen.

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GASTROENTEROLOGIE AKUTE PANKREATITIS

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Ätiologie: Gallenwegserkrankungen (45%), Alkoholabusus (35%), idiopathisch (15%), Medikamente. Seltene Ursachen: Virusinfektionen, Hypertriglyceridämie, post-ERCP, Bauchtraumen, hereditäre Pankreatitis, autoimmun (Sjögren Syndrom), Tumoren, penetrierendes Ulcus duodeni/ventriculi. Klinik: Wichtigstes klinisches Zeichen ist der akute Oberbauch- und oder Thoraxschmerz, oft gürtelförmig in den Rücken ziehend. Schmerzlose Verläufe sind extrem selten. Bei typischen Beschwerden und deutlich erhöhter Serumlipase/ -amylase (> 2-3fach) ist die Diagnose praktisch sicher. Die gleichzeitige Bestimmung von Lipase und Amylase erhöht die diagnostische Sensitivität nicht. Die Lipase ist spezifischer. Die Höhe der Enzymwerte korreliert nicht mit der Schwere des Verlaufs. Amylase/Lipase sind früh erhöht und fallen nach 3-4 Tagen ab. Eine 2-3fache Erhöhung ist daher nicht zwingend. Wichtig und aussagekräftiger für den Verlauf ist die wiederholte körperliche Untersuchung des Patienten. Zwei Fragen müssen beantwortet werden: 1. Liegt eine biliäre Pankreatitis vor und wenn ja, bestehen Zeichen der

Cholangitis? Klinische Zeichen der Cholangitis sind Fieber und Ikterus. Sonographisch lässt sich eine biliäre Genese meist gut belegen. Laborchemisch sprechen Bilirubin, Cholestaseparameter und Transaminasen für biliäre Genese. Bei Cholangitis sofortige ERCP, ansonsten hat man 24h (bis 72h) Zeit. Gerinnung und Thrombozyten sind wichtig vor der ERCP sowie als Sepsisparameter.

2. Handelt es sich um eine leichte oder eine schwere Pankreatitis? Es sollte immer eine Sonographie zur Klärung der Ätiologie (biliär und Cholestase) erfolgen. Eine initiale CT-Untersuchung bei Aufnahme bzw. innerhalb von 24h nach Symptombeginn ist nur bei schwerer Pankreatitis indiziert und wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben! CAVE: Ein KM-CT kann ein akutes Nierenversagen induzieren! Nekrosen bilden sich erst nach 3-5 Tagen aus, Infektionen der Nekrosen erst nach dem 12. Tag. Patienten mit persistierendem Organversagen, Sepsis oder klinischer Verschlechterung 6-10 Tage nach Aufnahme sollten ein CT bekommen. Alter, Beteiligung anderer Organe sowie Nekrosen sind die Kriterien für eine schwere Pankreatitis. Bei schwerer Pankreatitis kommt es zur Ausbildung einer überschiessenden systemischen entzündlichen Reaktion (SIRS). Damit einhergehen kann ein Multiorganversagen (Leber, Lunge, Niere). Daher bei schwerer Pankreatitis mindestens alle 24h kontrollieren. Laborchemisch sollten folgende Parameter bestimmt werden: CRP, Thrombozyten und Gerinnung als allgemeine Entzündungs-/ Sepsisparameter. Leukozytose und Fieber als Hinweis auf Nekrose bzw. Infektion. Hämatokrit als Hinweis auf starken Flüssigkeitsverlust. BGA als Hinweis auf pulmonales Versagen (ARDS, MOF). Kreatinin als Hinweis auf renales Versagen (MOF). Ein Risikofaktor für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis ist ein HK-Anstieg. Dieser signalisiert eine Hämokonzentration und führt bei einem Anstieg innerhalb der ersten 24h fast obligat zu einer Pankreasnekrose. Ein Organversagen innerhalb der ersten Woche, welches nach 48h wieder reversibel ist, sollte nicht als Indikator für eine schwere Pankreatitis benutzt werden. Patienten mit einem Organversagen für mehr als 48h haben eine Mortalität von 50%, wohingegen Patienten mit einem vorübergehenden Organversagen für <48h keine erhöhte Mortalität aufweisen.

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Akute Pankreatitis - Diagnose

Leitsymptom: Oberbauchschmerz, gürtelförmig in den Rücken ausstrahlend

Anamnese Art und Dauer der

Schmerzen, Alkohol, Gallensteine, Medikamente

(Antiepileptika, Zytostatika,

Immunsuppressiva) Infekte (HIV, Mumps) Ulzera, Kollagenosen,

Familienanamnese

+ +Labor Amylase, Lipase, Na, K, Ca, Q, PTT Crea, Harnstoff, CRP, BB, Thrombo, BGA, Bili, AST, ALT, AP, γGT,

Untersuchung RR/Puls, Auskultation Lunge,

Temp., Druckschmerz Abdomen, Abwehrspannung,

Darmgeräusche, Grey/ Turner/Cullen Zeichen

Amylase/ Lipase > 2-3 fach des Normalwertes?

+ -

Akute Pankreatitis

Komplizierte Pankreatitis: CT mit KM!

Nekrosen erst nach 3.-4. Tag nachweisbar.

Sonographie Gallensteine, Cholestase,

Ödem, Aszites

Alter >55 Jahre, Pulmo Auskultation auffällig, Fieber, Hypotonie, Tachycardie pO2 erniedrigt, Leukozyten > 15 G/l Glukose > 200 mg/dl (11,1mmol/l) LDH > 350 U/l, AST > 250 U/l Crea >2mg/dl, Bili > 4 mg/dl Nekrosen, CRP>12 mg/dl (120 mg/l)

Rö-Thorax Erguss

Stauung ARDS

V.a. schwere Pankreatits

> 3 Kriterien

Intensivüberwachung

Akute Pankreatitis fraglich

DD Oberbauchschmerz* z.B. Cholezystitis, Ulcus, Perforation

Angina abdominalis, Ileus, Myokardinfarkt. * Siehe entsprechendes Flussdiagramm

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Die Bestimmung von Amylase und Lipase als Screening bei Patienten ohne Hinweis auf eine Pankreatitis ist nicht sinnvoll. Erhöhungen des Serumamylase-Spiegels finden sich auch bei Diabetes, Niereninsuffizienz, pankreatischen und nichtpankreatischen Tumoren, intraabdominellen Prozessen wie z. B. Darminfarkten, Darmverschlüssen und bei einer Appendizitis. Die Scoring Systeme (Ranson, APACHE) sind nicht besser als der klinische Eindruck und die Laborwerte. Post-ERCP-Pankreatitis: Fast jede zweite ERCP führt zu einer erhöhten Serumamylase und Lipase. Die Differenzierung zwischen einer klinisch harmlosen Hyperamylasämie/-lipasämie und post-ERCP-Pankreatitis ist daher schwierig. Ebenso haben viele Patienten nach ERCP Bauchschmerzen, ohne dass eine Pankreatitis vorliegt. Bei einer ERCP im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ist die wiederholte klinische Untersuchung des Patienten einer postinterventionellen Bestimmung der Lipase oder Amylase vorzuziehen. Bei Beschwerdefreiheit kann daher auf die Bestimmung von Amlyase und Lipase verzichtet und nach 4h Tee und Zwieback gegeben werden. Therapie: Die Therapie ist symptomatisch ausgelegt. Wesentlich sind Schmerztherapie und ausreichende Volumengabe (4-5l/Tag), bei schwerer Pankreatitis ZVD-gesteuert. Hierduch lassen sich bei gleichzeitiger 0-Diät über 2-3 Tage fast 80% der Pankreatitisfälle gut behandeln. Bei schwerer Pankreatitis sollte eine möglichst frühzeitige (nach 2-3 Tagen) enterale Ernährung (Jejunalsonde) angestrebt werden. Diese wirkt sich bei schwerer Pankreatitis günstig auf den Verlauf aus. Neben der Flüssigkeitssubstitution ist die Schmerztherapie essentiell. Sie erfolgt mit Pentazocin, Pethidin oder Buprenorphin. Dies kann bei leichter Pankreatitis zunächst als KI alle 4 h i.v. erfolgen. Falls hiermit keine Schmerzfreiheit erreicht wird bzw. bei schwerer Pankreatitis, so sollte ein Therapieversuch frühzeitig mit einer Schmerzpumpe entweder i.v. oder als PDA über die Anästhesie versucht werden. Eine Therapie mit einem Procain-Perfusor ist obsolet und sollte nicht mehr durchgeführt werden! Die Chirurgie hat nur bei infizierten Nekrosen einen Platz. Eine generelle antibiotische Prophylaxe ist nicht sinnvoll. Die prophylaktische Gabe hat keinen Einfluss auf die Inzidenz von infizierten Nekrosen, die Mortalität, die Aufenthaltsdauer oder die chirurgische Intervention. Die Gabe ist indiziert bei nachgewiesenen infizierten Nekrosen oder anderen systemischen Infektionen. Alle Patienten mit einer biliären Pankreatitis und einer Cholezystolithiasis benötigen eine Cholezystektomie! Diese sollte nicht später als 2-4 Wochen nach Entlassung durchgeführt werden. Empfohlene Literatur: • Therapie der akuten Pankreatitis. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Stoffwechsel und

Verdauungskrankheiten. Z Gastroenterol. 2000 Jul;38(7):571-81. • UK Guidelines for the management of acute pancreatitis. Gut 2005;54,1-9 suppl. • Johnson et al. Persistent organ failure during the first week as a marker of fatal outcome in acute

pancreatitis. Gut 2004;53:1340-44. • Fölsch UR, Nitsche R, Lüdtke R. Early ERCP and papillotomy compared with conservative

treatment for acute biliary pancreatitis. N. Engl. J. Med. 1997; 336: 237-242. • Teich N, Orth M, Keim V, Mössner J. Diagnostik von Pankreaserkrankungen. Deutsches Ärzteblatt

2002; 99: 2717-2719. • Balthazar EJ. Acute pancreatitis:assessment of severity with clinical and CT evaluation. Radiology

2002;223:603-13. • Isenmann et al. Prophylactic antibiotic treatment in patients with predicted severe acute

pancreatitis: a placebo-controlled, double-blind trial. Gastroenterology 2004; 126:997-1004.

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Akute Pankreatitis- Therapie

Leichte Pankreatitis V.a. biliäre Pankreatitis Gestaute Gallenwege, Choledocholithiasis, Cholestase, Ikterus

Schwere Pankreatitis

Volumen ZVD-Kontrolle Bis 4-5 Liter/24h Tutofusin/ Glukose 5%

Schmerztherapie Buprenorphin

Pethidin bis 6x50 mg Pentazocin Bis 6x30 mg

PDA mit Bupivacain

Intensivtherapie Cave SIRS. Cave ARDS

ZVK

Ernährung Enterale, jejunale Ernährung so bald wie möglich

Antibiotika Prophylaktische Gabe umstritten Ggf (CRP, Nekrosen) Carbapeneme Gyrasehemmer Metronidazol 4x500

Oral falls ohne

Medikation schmerzfrei

Volumen Schmerztherapie Ernährung

Wie bei schwerer Pankreatitis Kein ZVK nötig

V.a. Cholangitis/ Chologene Sepsis

Therapeutische ERCP, akut

-

Therapeutische ERCP, elektiv

+

Nekrosen

Operation vs. CT-gesteuerte Punktion und Drainage diskutieren +

-

Infiziert

Intensivtherapie Siehe oben