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GEHÖRLOSIGKEIT DIE UNSICHTBARE BEHINDERUNG

Gehörlosigkeit

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Gehoerlosigkeit

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GehörlosiGkeit

die unsichtbare behinderung

Adriano Greco meint: «Alles klar!»

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inhalt

Sie ist nicht zu sehen. Sie ist nicht zu spüren. Sie ist schwer zu fassen. Sie offenbart sich erst mit dem ersten Wort. Gehörlosigkeit – die unsichtbare Behinderung.

4 Gehörlosigkeit – Welt der Stille? 8 Das Ohr: erstaunliches Sinnesorgan 10 Adriano Greco: Gehörlos glücklich 17 Gebärdensprache: Sprache mit Hand und Fuss 18 Hörgeräte – das dritte Ohr 19 Was sagt Adriano?

«Auch wenn ich nicht sprechen kann – ich finde immer Wege, mir Gehör zu verschaffen.»

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Die meisten von uns kennen das: Man will nichts mehr von einer Sache wissen, in Ruhe gelassen werden, buchstäblich «nichts mehr davon hören». Als Kind ha-ben wir uns in solchen Fällen mit beiden Händen die Ohren zugehalten, die Augen zugepresst und laut irgendwelche Melodi-en gesungen oder «la la laaaaa» gerufen. Jeder von uns hat schon mal ausprobiert, wie das ist, nichts mehr zu hören, indem wir uns die Ohren zugehalten haben. Doch man konnte machen, was man wollte und die Hände noch so fest gegen den Kopf pressen: Irgendein Geräusch drang im-mer noch durch. Und sei es nur, die eigene Stimme im Kopf zu hören.

Wie ist es aber, dauerhaft und ohne Hände auf den Ohren fast oder gar nichts mehr zu hören? In einer Welt der totalen Stille zu leben? Für immer «in Ruhe» gelassen zu werden?

Kein Mitleid, bitteHäufig haben Hörende Mitleid mit den Gehörlosen, weil sie beispielsweise keine Musik und kein Vogelgezwitscher hören können. Doch wer etwas nicht kennt, kann es auch nicht vermissen. Heisst, dass Gehör-lose, die von Geburt oder frühen Kindesjah-ren an nicht hören können, häufig auch keine Musik oder kein Gezwitscher vermissen, weil sie diese Geräusche noch nie gehört haben. Musik und andere Geräusche fehlen ihnen nicht in ihrer Welt.

Gehörlose entwickeln andere Strategien, um zu «hören»: Die einen lieben es, ihre Hand aufs Klavier zu legen, Discos zu be-suchen oder ihre Stereoanlage zu Hause voll aufzudrehen. Sie nehmen die Schwin-gungen der Musik mit den Fingern, den Füssen und dem Bauch wahr. Dabei können sie sich viel besser auf Feinheiten konzen-trieren als Hörende, deren Gehirn voll mit den Signalen der Ohren ausgelastet ist. Wie unser Protagonist Adriano Greco: Er tanzt leidenschaftlich gerne Salsa und sagt, dass er die Musik durch seinen Körper spürt. Für die Musikliebhaber unter den Gehörlosen können solche Erlebnisse also ähnlich berei-chernde Erfahrungen sein wie das «richtige» Hören. Mitleid ist also nicht angebracht.

gehörlosigkeit Die Welt Der stille?

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DefinitionEine Gehörlosigkeit liegt vor, wenn Geräu-sche und Töne nicht oder nur stark einge-schränkt wahrgenommen werden. Die Lau-te dringen zwar ins Ohr, sie können aber vom Hörorgan nicht verarbeitet oder wei-tergeleitet werden. Die Begriffe «Taubheit» und «Gehörlosigkeit» werden heute meist als Synonym verwendet. Die Betroffenen bevorzugen allerdings den Ausdruck Ge-hörlosigkeit, weil sie ihn als weniger diskri-minierend empfinden.

Bei der Gehörlosigkeit bezieht sich die medizinische Definition nur auf das Hör-vermögen. Dabei erfolgt eine Unterschei-dung zwischen absoluter und praktischer Taubheit:

Absolute Taubheit bedeutet einen Hör-verlust von mehr als 60 Dezibeln (dB) im Bereich zwischen 125 und 250 Hertz (Hz) sowie von mehr als 100 dB im restlichen Frequenzbereich.

Praktische Taubheit bedeutet, dass Hör-verluste zwischen 85 und 100 dB vorlie-gen. Diese sogenannte Resthörigkeit oder an Taubheit grenzende Schwerhö-rigkeit ermöglicht noch eine Wahrneh-mung einzelner Töne oder Geräusche (sog. Hörreste).

Im täglichen Umgang ist die Einschät-zung, ob eine Person schwerhörig oder gehörlos ist, oft schwierig. Dafür ist vor allem der Zeitpunkt der Schädigung des Gehörs entscheidend. Es wird unterschie-den zwischen prälingualer Gehörlosigkeit, d.h. dem Verlust der Hörfähigkeit vor dem natürlichen Spracherwerb, also vor dem Alter von etwa drei Jahren, und der post-lingualen Gehörlosigkeit, dem Verlust der Hörfähigkeit nach dem natürlichen Spra-cherwerb, d.h. ab dem 3. Lebensjahr.

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Die Ursachen Die Ursachen von Gehörlosigkeit sind viel-fältig. Eine der häufigsten Ursachen für er-worbene Gehörlosigkeit ist – wie bei Adria-no Greco – eine Hirnhautentzündung, aber auch andere Infektionen wie zum Beispiel eine Mittelohrentzündung. Ausserdem kann es durch Hörsturz, Blutungen im Innenohr und andere Verletzungen zu einer schweren Hörschädigung kommen. Auch ein Knall-trauma oder ein Schädel-Hirn-Trauma kann zu Gehörlosigkeit führen. Eine angebore-ne Gehörlosigkeit kann verursacht werden durch eine Schädigung des Embryos wäh-rend der Schwangerschaft, zum Beispiel wenn die Mutter an Röteln erkrankt, Alkohol trinkt oder stark raucht. Während der Ge-burt können ein Geburtstrauma oder Sauer-stoffmangel Ursache von Hörschäden oder Gehörlosigkeit sein.

Die Behandlung Ohne eine entsprechende Therapie kann eine Gehörlosigkeit nicht verbessert wer-den. Insbesondere bei der angeborenen Form oder einer hochgradigen Schwerhö-rigkeit wirkt sich eine frühe Diagnose und Behandlung positiv auf die Sprachentwick-lung aus.

Das Ziel einer Therapie ist es, die Fähigkei-ten der Patienten im Alltag zu verbessern. Dafür kommen auch speziell angepasste Hörgeräte zum Einsatz, wenn noch ein Rest-Hörvermögen vorhanden ist. Bei ei-nem nicht geschädigten Hörnerv besteht die Möglichkeit ein Cochlea-Implantat einzusetzen, eine Innenohrprothese (In-formationen siehe Seite 18). Damit kann allerdings nicht das gleiche Hörvermö-gen eines gesunden Ohrs erreicht wer-den. Nach dem Einsetzen des Implantats ist eine Rehabilitation notwendig. Ist eine Therapie weder durch Hörgeräte noch durch operative Massnahmen möglich, müssen die Patienten lernen, mit der Di-agnose Gehörlosigkeit zu leben. Dabei werden andere Kommunikationswege wie zum Beispiel das Lippenablesen oder die Gebärdensprache erlernt.

In der Bundesrepublik Deutschland sind etwa 80 000 Menschen von beidseitiger Taubheit oder Gehörlosigkeit betroffen, was einer Häufigkeit von etwa 0,1 Prozent entspricht. Jedes Jahr kommen ungefähr 600 bis 800 Kinder gehörlos zur Welt. In der Schweiz wird von ca. 10 000 Gehörlosen und rund 600 000 Schwerhörigen ausgegangen (Quelle: Schweizerischer Gehörlosenbund SGB-FSS).

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Hammer und Amboss sind Dinge, die in ei-ner Werkstätte vermutet werden, ein Steig-bügel am ehesten bei einem Pferd. Doch diese Begriffe sind weder Werkzeuge noch Aufsteighilfen, sondern winzige Knochen im Inneren des menschlichen Ohrs.

Die wichtigste Aufgabe des Ohres ist es, Schall (also Ton oder Geräusch) als akusti-sche Wahrnehmung aufzunehmen und ans Gehirn weiterzuleiten. Zum Ohr als Organ gehört auch das Gleichgewichtsorgan. Der Begriff «Hörorgan» bezeichnet in der Phy-siologie des Menschen die Gesamtheit der Ohren, der Hörnerven (Nervi cochleares) und der auditiven Hirnrinde. Es handelt sich um ein äusserst kompliziertes und zu-gleich hochpräzises System, das sogar der-art komplex ist, dass es der Forschung bis heute noch nicht gelungen ist, alle wichti-gen Funktionen bis ins Detail zu ergründen und erklärbar zu machen.

das ohr ein erstaunliches sinnesorGan

Wussten Sie, dass…

… fast alle Tiere Ohren haben, Aufbau und Platzierung der Ohren aber bei den verschiedenen Arten unterschiedlich sind? Bei Heuschrecken beispielsweise sitzen die Ohren am Hinterleib oder den Beinen, bei Zikaden an den Beinen und bei Mücken an den Fühlern. Einige Eidechsen- und Salamander-arten hören gar mit Brustkorb und Lunge.

… Wissenschaftler in den USA Knorpelgewebe in Form eines menschlichen Ohrs in dem Körper einer Ratte oder in einem Brutkasten gezüchtet haben? Diese Forschung war vor allem für verwundete Soldaten gedacht, mittlerweile können aber schwer verletzte Menschen auf der ganzen Welt von diesen bahnbrechenden Ergebnissen profitieren.

… schön geformte Ohren auf Musikalität hindeuten?

Adrianos regelmässig geformte Ohren weisen auf seine Musikalität hin.

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Gehörlosigkeit und Hörbehinderung sind unsichtbar und bleiben von Hörenden oft unbemerkt. Wenn man als Hörender einen Gehörlosen von hinten anspricht und er nicht reagiert, kann kein Mensch wissen, dass er nicht stur ist, sondern ein-fach nichts gehört hat. Es ist schwierig für Gehörlose, ihre Stimme gut zu kontrollie-ren, ohne sich dabei selbst zu hören. Nur wenigen gelingt das so gut, dass Aussen-stehende nichts bemerken – die meisten sprechen «seltsam», manche werden gar nicht verstanden. Auch bei Adriano Greco, der total gehörlos ist und lediglich Töne ausstossen kann.

Stille im KopfAdriano kam am 17. Januar 1977 normal hörend in Teufen AR zur Welt und ertaub-te wegen einer Hirnhautentzündung im Alter von 13 Monaten – irreversibel. Seine Gehörlosigkeit ist eine «prälinguale Taub-heit». Adriano war bereits gehörlos, bevor er eine Sprache entwickeln konnte. Und seine Gehörlosigkeit ist absolut – er hört nicht einmal seine Stimme im eigenen Kopf, so wie es Hörende erleben, wenn sie sich die Ohren zuhalten.

Behütete, glückliche KindheitObwohl er als Kind oft hilflos und – wie seine Mutter erzählt – manchmal aggres-siv war, weil er sich in der hörenden Welt nicht verständigen konnte, war Adriano ein mehrheitlich zufriedenes Kind. Von seinen Eltern erhielt er keine Sonderbehandlung wegen seiner Gehörlosigkeit – nur seine Mutter brauchte etwas mehr Zeit wegen seiner Therapie und der Sprachanbah-nung. Mit hörenden Kindern hatte er we-gen der unterschiedlichen Frei-Tage nicht viel Kontakt, nur sonntags konnte er mit ih-nen spielen. Die Gebärdensprache musste er in einem Internat in Hohenrain / LU ler-nen, weil in St. Gallen die Gebärdenspra-che in der Schule damals verboten war. Der Grund war so einfach wie auch armselig: Weil Lehrkräfte gehörlose Kinder, die sich in Gebärdensprache miteinander unter-hielten, nicht verstanden und somit auch nicht unter Kontrolle hatten, wurden sie auf üble Weise schikaniert und die Gebärden-sprache kurzerhand verboten (lesen Sie auch Seite 16).

adriano greco Gehörlos Glücklich

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Handeln, nicht redenNach seiner Schulzeit absolvierte Adriano eine Lehre als Plattenleger und stieg im Jahr 1998 im elterlichen Betrieb in Teufen ein. Die Grecos hatten sich auf Um- und Neubauten, Renovationen und Sanierun-gen spezialisiert. Adriano plante, den elter-lichen Betrieb zu übernehmen, war wegen gesundheitlicher Probleme und einer ab-nutzungsbedingten Knie-Operation jedoch bald zu einer Umschulung gezwungen. Er entschied sich für Brüggli in Romanshorn und für die dreijährige EFZ Ausbildung zum Printmedienverarbeiter Fachrichtung Druckausrüsten. Er liebt seine Arbeit in der Ausrüsterei, an den verschiedenen Maschi-nen und schätzt sein Team sehr.

Wie läuft das mit der Verständigung?Wenn seine Teamkollegen etwas von ihm wollen, erzählt er, müssen sie zu ihm kom-men und via Körper- oder Blickkontakt seine Aufmerksamkeit gewinnen. Gebrüll-te Rufe über die lauten Druck- oder Falz-maschinen hinweg sind wirkungslos. Die Zusammenarbeit klappt wunderbar. Kars-ten Flemig, Adrianos Vorgesetzter in der Druckvorstufe, bestätigt das: «Die Zusam-menarbeit mit Adriano ist sehr unkompli-ziert. Er versteht einen ausserordentlich gut, wenn man ihn direkt anschaut. Wir erleben sehr viele erstaunliche Momente, ganz ohne Worte. Alleine dank Gestik und Mimik wissen beide Seiten sofort, worum es geht.»

Das Leben voll im GriffAdriano Greco ist gehörlos, und es macht ihm nichts aus. «Ich vermisse nichts», sagt er, lacht übers ganze Gesicht und schüttelt nachdrücklich den Kopf. Man glaubt es ihm ohne zu zögern. Sein Handicap ist für den Printmedienverarbeiter also überhaupt kein Hindernis, ein ganz normales Leben zu führen. Weder beruflich noch privat: Ad-riano reist regelmässig um die halbe Welt, hat viele Freunde in Uruguay, tanzt leiden-schaftlich gerne Salsa und spielt bei den

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«Tüüfner Südwörscht», der Guggenmusik Teufen. Wo andere ihren Ohren vertrauen, hört Adriano mit dem Bauch. «Ich verfüge über ein sehr gutes Rhythmusgefühl, denn ich spüre die Musik durch meinen Körper», erklärt er. Adriano ist ausserdem Mitglied beim Volleyballverein Speicher und fährt täglich mit dem Auto von seinem Wohn-ort Teufen ins Brüggli nach Romanshorn. Beim Gehörlosenclub St. Gallen ist er tech-nischer Leiter. Dass er gehörlos ist, ist für ihn kein Problem, und offenbar auch für sei-ne Umwelt nicht. «Wenn ich kommuniziert habe, dass ich nichts hören kann, reagieren die Menschen immer positiv auf mich. Sie stellen sehr schnell um, sprechen langsam und deutlich oder versuchen sogar ein we-nig Gebärdensprache.

Für Kompliziertes «kein Ohr»Adriano kann am besten von den Lippen lesen, wenn man langsames Hochdeutsch spricht, Schweizerdeutsch versteht er we-gen der verwaschenen Lautsprache und der vielen Dialekte nur schlecht. Hatte er auch schon negative Erlebnisse oder Pro-bleme wegen seiner Behinderung? Seine Antwort kommt prompt: Nicht mehr als Hö-rende. Schon als Adriano Autofahren lernte, fiel er seinem Fahrlehrer Erich Manser posi-tiv auf. Erich Manser entwickelte eigens für Adriano ein spezielles Lämpchensystem und verständigte sich mit Handzeichen. Adriano sei während der Lektionen viel «gmerkiger» gewesen als viele seiner hö-renden Fahrschüler. Das liegt wohl zum Teil an Adrianos Intelligenz, aber auch an sei-ner offenen Art, seiner Bereitschaft, zu ler-nen und an seiner positiven Einstellung. Er wirkt mit seinen 36 Jahren jugendlich und auf eine schöne Art kindlich und zufrieden. Auch bei Brüggli profitiert man von seiner Art. «Adriano ist ein lebensfroher Mensch, hat Humor und viel Spass an seiner Arbeit. Weil er nicht sprechen kann, handelt er. Er sagt, was er will und auch, wenn ihm was nicht passt. Adriano ist eine Bereicherung», sagt Karsten Flemig. Wünscht Adriano sich denn, wieder hören zu können? «Nicht un-

«Menschen, die ständig jammern und sich beklagen, schenke ich kein Ohr.»

«Meine Hände sind mein Sprachrohr – mit ihnen rede ich und spüre ich.»

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bedingt», meint er. Viel mehr wünscht er sich, dass mehr Hörende die Gebärden-sprache beherrschen, damit er sich besser und einfacher mit ihnen unterhalten könn-te. Das vermisst er. Sich einfach «mitteilen», so wie es Hörende tun. Ohne erst auf sich aufmerksam zu machen, ohne Schwierig-keiten. Kommunikation, die ungehindert fliessen kann.

Die Liebe – eine delikate AngelegenheitWenn es um die Liebe geht, stiess er bei den Frauen oft auf taube Ohren. Denn Ad-riano wünscht sich eine hörende Freundin. Warum das? Weil die Kommunikation mit einer gehörlosen Freundin durch die Ge-bärdensprache zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. «Ich möchte, dass unsere Liebe geheim bleibt – sie soll ganz uns gehören, niemand anderem.» Sein Wunsch, eine hö-rende Freundin zu finden, ist aber offenbar gar nicht so einfach zu erfüllen. Es passier-te Adriano öfters, dass sich eine Frau wie-der abwendete, sobald sie merkte, dass er gehörlos ist. «Sorry, aber das ist mir alles zu kompliziert und zu schwierig.», bekam er zu hören. Niemand investiert gerne über-mässig viel Zeit in die Anbahnung einer Be-ziehung. Vor allem in der heutigen Zeit des Internet-Datings, wo der nächste Kandidat

oder die nächste Kandidatin gleich hinter dem nächsten Klick wartet.

Zukunftspläne in UruguayDoch davon lässt sich Adriano nicht ent-mutigen. «Ich wünsche mir eine eigene Familie und Kinder», bekräftigt er. Seinem Wunsch ist er mittlerweile einen grossen Schritt näher gekommen: Seit Februar 2013 hat Adriano eine hörende Freundin in Urugay, und auch seine Zukunft will er in Urugay verbringen. Er plant in ungefähr zwei Jahren auszuwandern und mit Freun-den einen eigenen Druckereibetrieb zu gründen. Die Umschulung und seine um-fassende Ausbildung bei Brüggli werden Adriano dafür von grossem Nutzen sein.

Wir hoffen, dass wir noch viel von Adriano hören.

Tipps für eine einfache Kommunikation mit Gehörlosen

Blickkontakt herstellen Langsam und deutlich Hochdeutsch sprechen Normale Lautstärke verwenden Kurze, einfache Sätze Nicht gleichzeitig sprechen und etwas zeigen Zum Rufen: antippen, winken, klopfen

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Es gibt viele verschiedene Gebärdenspra-chen. Jedes Land hat seine eigene, deren Gebärden von den besonderen gesell-schaftlichen, kulturellen und historischen Gegebenheiten mitgeprägt wurden. Die verschiedenen Gebärdensprachen unter-scheiden sich jedoch weniger voneinander als die verschiedenen Lautsprachen. Ge-hörlose können sich deshalb müheloser über Sprachgrenzen hinweg verständigen. Neuere linguistische Forschungen haben gezeigt, dass die Gebärdensprache – ge-nau wie die Lautsprache – eine vollständi-ge, komplexe Grammatik besitzt. Wie die Zeichen der Lautsprache sind auch die Zei-chen der Gebärdensprache zum grossen Teil abstrakt, das heisst Form und Inhalt ha-ben keinen Zusammenhang. Deshalb kön-nen auch in der Gebärdensprache konkrete wie abstrakte Inhalte ausgedrückt werden.

Gehörlose sind Augenmenschen. Auch ihre Sprache, die Gebärdensprache, ist visuell. Damit können Gehörlose alles «sagen», was sich mit Sprache ausdrücken lässt. Mit ih-rer Sprache blühen Gehörlose richtig auf, hier fallen die vermeintlichen Barrieren in ihrem Leben. In Gebärdensprache können sie sich locker über alles unterhalten, Witze machen und sogar Lieder singen.

Es klingt unglaublich, doch noch bis Ende der achtziger Jahre wurden Gehörlose von Lehrern geschlagen und schikaniert, weil sie die Gebärdensprache benutzten. Har-te Strafen waren in der Deutschschweizer Taubstummenschulen, wie sie früher hies-sen, gang und gäbe. Der Grund für die Verteufelung der Gebärdensprache reicht ins Jahr 1880 zurück. Damals kamen Päda-gogen und Ärzte in Mailand zu einem Kon-gress zusammen. Sie waren begeistert von der Entdeckung, dass Taubstumme gar nicht stumm, sondern «bloss» gehörlos waren und bei entsprechendem Training Worte artikulieren konnten. Bei diesem Training störe aber die Gebärdensprache, sie beeinträchtige die Klarheit der Gedan-ken, meinten die Fachleute. Deshalb be-schloss der Mailänder Kongress, dass die Artikulationsmethode in der Bildung und Erziehung der Taubstummen der Gebär-densprache vorzuziehen sei. Ihr Entscheid verbannte die Gebärdensprache für mehr als ein Jahrhundert in den Untergrund. Fortan galt sie als minderwertige Sprache und wurde teils als «Affensprache» oder «Diebessprache» verhöhnt, weil Affen und Diebe sich mit Zeichen und Mienenspiel statt mit Worten verständigten.

gebärdensprache sprache mit hanD unD Fuss

«Ich sehe mit den Augen und höre mit dem Herzen.»

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Ein Hörgerät tragen – das können sich viele Menschen nicht vorstellen, vor allem junge nicht. «Ein Hörgerät, das ist was für Alte», rufen sie entrüstet. Und auch für viele äl-tere Menschen ist Schwerhörigkeit heute noch ein Tabuthema. Dabei gibt es keinen Grund, freiwillig auf eine grosse Lebens-qualität – das Hören und Verstehen – zu verzichten.

Hörgeräte können ein gesundes Gehör nicht ersetzen. Aber sie sind zunehmend besser in der Lage, eine vorhandene Schwerhörigkeit zu kompensieren. Moder-ne Hörsysteme ermöglichen Hörerlebnisse, von denen man vor zehn Jahren kaum zu träumen wagte. Das Gesamtangebot an Hörgeräten erstreckt sich mittlerweile auf mehr als 900 Bauformen, Typen und Mo-delle. Diese umfassen im Wesentlichen die hinter dem Ohr getragenen Geräte (HdO) und die im Ohr bzw. im Gehörgang ge-tragenen Im-Ohr-Geräte (IdO). Eine Son-derform stellen die knochenverankerten Hörgeräte dar, die den Schall in Form von Vibrationen über den Schädelknochen di-rekt zum Innenohr leiten. Sie gelangen vor allem bei chronischen Mittelohr-Entzün-dungen und Missbildungen zum Einsatz.

Das Cochlea-ImplantatEine Sonderform ist auch das Cochlea-Implantat (CI), das auch bei Brüggli-Mitar-beitenden verbreitet und beliebt ist, da es Hörbehinderten eine massive Verbesse-rung bringt. «Cochlea» ist der lateinische Ausdruck für Hörschnecke. Ein CI besteht aus einer inneren Komponente (Implantat) und einer äusseren Komponente (Sprach-prozessor). Ein CI eignet sich für gehörlos geborene oder ertaubte Kinder sowie für nach dem Spracherwerb hochgradig schwerhörig gewordene und ertaubte Er-wachsene. Ein Teil dieses Hörsystems wird vollständig in das Ohr einoperiert, der an-dere Teil wird aussen am Ohr, ähnlich wie ein Hörgerät, getragen.

hörgeräte Das Drit te ohr

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Was sagt adriano? FinDen sie es heraus

A

D

B

E

C

F

Auflösung

A = klar!B = melken

C = LustD = Kuh

E = feinF = Freude

Lust, Freude, fein, klar, Kuh, melken… Mit welcher Gestik drückt Adriano welches Wort aus, erraten Sie es?

HerausgeberBrüggliHofstrasse 3 + 58590 Romanshornwww.brueggli.ch

Text und KonzeptViviane ProbstUnternehmenskommunikation

Grafik und LayoutYannick Meyer-WildhagenPolygraf im 4. Lehrjahr

FotosFotostudio Bühler,Romanshorn

DruckBrüggli Medienwww.brueggli-medien.ch