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plätze zur Verfügung gestellt werden, da die Drogen vermehrt inhaliert statt gespritzt würden. Mit den damit verbundenen Arbeiten und der Sanierung könnten «die bauliche und gestal- terische Situation rund um die Anlaufstelle sowie der Zugang zum Hof verbessert werden», sagt Teuscher. Christoph Hämmann Gemeinderat scheitert bei der Suche nach einer zweiten Im Herbst 2016 nahm Berns Stadtregierung einen neuen An- lauf. Sie suche einen Standort für eine zweite Kontakt- und Anlauf- stelle für Drogenabhängige, teilte sie mit. Zwar funktioniere jene an der Hodlerstrasse gut – für die unmittelbare Umgebung und das Gebiet Bollwerk/Schützenmat- te/Reitschule stelle sie «aber auch eine Belastung» dar. Des- halb wolle man prüfen, ob mit einer zweiten Anlaufstelle das Gebiet entlastet werde. Gestern, ein gutes Jahr später, informierte die Stadt über den Stand der Dinge: «Die Suche nach einer zweiten Drogenanlaufstelle ist ergebnislos geblieben und wird eingestellt.» Zwölf städti- sche und private Objekte seien geprüft worden, doch gegen alle sprach etwas: die Grösse, die Raumstruktur, der Aussenraum, die Mietkosten. Ohnehin sei die Standortauswahl für eine Dro- genanlaufstelle «eingeschränkt», sagt Sozialdirektorin Franziska Teuscher (GB). «Für mich ist klar, dass eine Kontakt- und Anlauf- stelle nicht mitten in einem Wohnquartier und beispielsweise neben einem Kindergarten oder Schulhaus liegen darf.» Trotzdem müsse sie für die Drogenabhängi- gen gut erreichbar sein. Fachleute waren skeptisch Die Forderung nach einer zwei- ten Anlaufstelle ist in den vergan- genen Jahren regelmässig erho- ben worden, nicht zuletzt von der Reitschule, deren Betreiberin- nen und Betreiber für den Dro- gendeal vor ihrem Haus neben der «repressiven Drogenpolitik» und dem Abdrängen des Deals dorthin auch die nahe Anlaufstel- le verantwortlich machen. Fra- gen zum Entscheid des Gemein- derats blieben gestern von der Medienstelle des Jugend- und Kulturzentrums unbeantwortet. Doch auch die Stadt selber brachte immer wieder einen zweiten Standort ins Spiel, wenn nach Möglichkeiten gesucht wur- de, den Hotspot rund um die «Schütz» zu entlasten und den Deal zu bekämpfen. Drogenfach- leute dagegen neigen eher zur Ansicht, dass zwischen Drogen- handel auf der «Schütz» und An- laufstelle an der Hodlerstrasse kein direkter Zusammenhang bestehe. Während sich auf der «Schütz» Partygänger und ande- re Gelegenheitskonsumenten – teilweise vom Auto aus – mit Ko- kain und anderem eindeckten, laufe der «Ameisendeal» der Süchtigen, die an der Hodler- strasse verkehrten, über andere Kanäle. Die Anlaufstelle wird laut Stadt täglich von 100 bis 150 Per- sonen besucht, die Auslastung der Konsum- und Aufenthalts- plätze liege bei rund 95 Prozent. «Schütz» bewegt sich Franziska Teuscher hält fest, dass die Stadtregierung zuletzt ver- schiedene Massnahmen eingelei- tet habe, um den Perimeter Schützenmatte entschärfend zu gestalten, und nennt als Beispiele die Skateranlage und die geplante Teilaufhebung der Parkplätze. Nun soll eine weitere Massnah- me dazukommen: die Sanierung der Anlaufstelle an der Hodler- strasse, die dafür einen grossen Bedarf aufweise. Zudem sollen anstelle der Konsumplätze zum Spritzen künftig mehr Raucher- STADT BERN Eine zweite Drogenanlaufstelle sollte das Gebiet rund um die Schützen- matte entlasten. Nach einjäh- riger Suche aber stellt der Ge- meinderat seine Bemühungen ein – und saniert stattdessen die bestehende Anlaufstelle. Bleibt in Bern einmalig: Die städtische Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse. Christian Pfander

Gemeinderat scheitert bei der Suche nach einer zweiten ......Freitag, 22. Dezember 2017. ... losophin Jeanne Hersch reiste persönlich an, um ihre Worte auf den Bildern zu signieren

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  • plätze zur Verfügung gestelltwerden, da die Drogen vermehrtinhaliert statt gespritzt würden.Mit den damit verbundenenArbeiten und der Sanierung

    könnten «die bauliche und gestal-terische Situation rund um dieAnlaufstelle sowie der Zugangzum Hof verbessert werden», sagtTeuscher. Christoph Hämmann

    «Eine Annullierung der Abstimmung vom 18. Juni wäre mein Horrorszenario.»

    JeanChristopheGeiser,Bundesamtfür Justiz. zvg

    MOUTIER-FRAGE AUFSICHT DES BUNDES

    Gemeinderat scheitert bei der Suche nach einer zweiten Drogenanlaufstelle

    Im Herbst 2016 nahm BernsStadtregierung einen neuen An-lauf. Sie suche einen Standort füreine zweite Kontakt- und Anlauf-stelle für Drogenabhängige, teiltesie mit. Zwar funktioniere jenean der Hodlerstrasse gut – für dieunmittelbare Umgebung und dasGebiet Bollwerk/Schützenmat-te/Reitschule stelle sie «aberauch eine Belastung» dar. Des-halb wolle man prüfen, ob miteiner zweiten Anlaufstelle dasGebiet entlastet werde.

    Gestern, ein gutes Jahr später,informierte die Stadt über denStand der Dinge: «Die Suche nach

    einer zweiten Drogenanlaufstelleist ergebnislos geblieben undwird eingestellt.» Zwölf städti-sche und private Objekte seiengeprüft worden, doch gegen allesprach etwas: die Grösse, dieRaumstruktur, der Aussenraum,die Mietkosten. Ohnehin sei dieStandortauswahl für eine Dro-genanlaufstelle «eingeschränkt»,sagt Sozialdirektorin FranziskaTeuscher (GB). «Für mich ist klar,dass eine Kontakt- und Anlauf-stelle nicht mitten in einemWohnquartier und beispielsweiseneben einem Kindergarten oderSchulhaus liegen darf.» Trotzdemmüsse sie für die Drogenabhängi-gen gut erreichbar sein.

    Fachleute waren skeptischDie Forderung nach einer zwei-ten Anlaufstelle ist in den vergan-genen Jahren regelmässig erho-ben worden, nicht zuletzt von derReitschule, deren Betreiberin-

    nen und Betreiber für den Dro-gendeal vor ihrem Haus nebender «repressiven Drogenpolitik»und dem Abdrängen des Dealsdorthin auch die nahe Anlaufstel-le verantwortlich machen. Fra-gen zum Entscheid des Gemein-derats blieben gestern von derMedienstelle des Jugend- undKulturzentrums unbeantwortet.

    Doch auch die Stadt selberbrachte immer wieder einenzweiten Standort ins Spiel, wennnach Möglichkeiten gesucht wur-de, den Hotspot rund um die«Schütz» zu entlasten und denDeal zu bekämpfen. Drogenfach-leute dagegen neigen eher zurAnsicht, dass zwischen Drogen-handel auf der «Schütz» und An-laufstelle an der Hodlerstrassekein direkter Zusammenhangbestehe. Während sich auf der«Schütz» Partygänger und ande-re Gelegenheitskonsumenten –teilweise vom Auto aus – mit Ko-

    kain und anderem eindeckten,laufe der «Ameisendeal» derSüchtigen, die an der Hodler-strasse verkehrten, über andereKanäle. Die Anlaufstelle wird lautStadt täglich von 100 bis 150 Per-sonen besucht, die Auslastungder Konsum- und Aufenthalts-plätze liege bei rund 95 Prozent.

    «Schütz» bewegt sichFranziska Teuscher hält fest, dassdie Stadtregierung zuletzt ver-schiedene Massnahmen eingelei-tet habe, um den PerimeterSchützenmatte entschärfend zugestalten, und nennt als Beispieledie Skateranlage und die geplanteTeilaufhebung der Parkplätze.

    Nun soll eine weitere Massnah-me dazukommen: die Sanierungder Anlaufstelle an der Hodler-strasse, die dafür einen grossenBedarf aufweise. Zudem sollenanstelle der Konsumplätze zumSpritzen künftig mehr Raucher-

    STADT BERN Eine zweite Drogenanlaufstelle sollte das Gebiet rund um die Schützen-matte entlasten. Nach einjäh-riger Suche aber stellt der Ge-meinderat seine Bemühungen ein – und saniert stattdessen die bestehende Anlaufstelle.

    Bleibt in Bern einmalig: Die städtische Drogenanlaufstellean der Hodlerstrasse. Christian Pfander

    vor dem Abstimmungssonntagausgehändigt.

    Geiser enthält sich – ganz neut-raler Diplomat – eines Kommen-tars zur Verzögerungstaktik derGemeinde Moutier. Er fügt aberan: «Ich habe etwas Mühe, zu ver-stehen, warum die GemeindeMoutier aus dieser Liste so einGeheimnis machte.» Der mehr-heitlich separatistische Gemein-

    Geiser kündigte an dieser Sit-zung an, der Bund könnte wo-möglich doch keine Beobachterentsenden. Nun reagierten dieSpitzen der Gemeinde Moutier.Sie entschieden, dass am 18. Junieine systematische Kontrolle derStimmrechtsausweise vorge-nommen werde. Die Liste derStimmberechtigten wurde Gei-ser aber erst am Samstagmorgen

    Staatskanzlei noch dem Bundfristgerecht heraus. Als mannachgedoppelt habe, sei ausMoutier am 15. Juni – drei Tagevor der Abstimmung – eine ver-altete Liste eingetroffen, sagtGeiser. Am Abend desselben Ta-ges sei er für eine Krisensitzungnach Moutier gereist, weil dieSchlussfassung der Liste immernoch nicht vorlag.

    nischen Kantonsregierung zuge-sagt, «durch seine guten Diensteals Abstimmungsbeobachter»dem politisch so umstrittenenUrnengang Glaubwürdigkeit zuverleihen.

    Die Mitwirkung des Bundeswäre allerdings fast gescheitert.Die Gemeinde Moutier rücktenämlich die Liste der Stimm-berechtigten weder der Berner

    er doch eigentlich auch über dieBeschwerden gegen diese Ab-stimmungen entscheiden kön-nen. Nein, sagt Jean-ChristopheGeiser und differenziert: Moutierwäre aufgrund der bernischenGesetzgebung gar berechtigt ge-wesen, die Abstimmung in Allein-regie durchzuführen. Der Bundhabe aber auf Ersuchen der Be-hörden von Moutier und der ber-

    In Moutier trauen sich die beidenpolitischen Lager ein halbes Jahrnach dem Entscheid des Städt-chens, zum Kanton Jura überzu-treten, nicht über den Weg. «Eswird sich zeigen, ob der KantonBern Moutiers Ja vom 18. Junizum Kanton Jura überhaupt ak-zeptiert», sagt Valentin Zuber,Sprecher des siegreichen separa-tistischen Lagers von Moutier.Die Berner Seite ihrerseits istskeptisch, ob die Separatistenund die jurassische Kantonsre-gierung in Zukunft auf weitereBegehrlichkeiten in der Jura-Frage verzichten werden.

    Der JuraSchiedsrichterSolange die Berner Justiz die Be-schwerden gegen die Abstim-mung vom 18. Juni untersucht,bleibt das Misstrauen in Moutiergross. So etwa, weil das separatis-tische Lager die Berner Unter-suchungsgremien als parteiischbetrachtet. Zur Beruhigung derLage wäre es vielleicht besser, derBund würde die Beschwerden be-urteilen.

    «Das geht nicht», sagt Jean-Christophe Geiser. Er kennt denJura-Konflikt seit Jahren von in-nen. Und er ist dabei strikt neut-ral geblieben – von Amtes wegen.Denn Geiser ist Verantwortlicherfür das Jura-Dossier im Bundes-amt für Justiz. «Der Bund mussaus politischen und juristischenGründen die Hoheit der Kantonerespektieren», sagt er. Vorder-hand sei Moutier immer nocheine bernische Gemeinde, für dieBehandlung kantonaler Abstim-mungsbeschwerden sei also derKanton Bern zuständig.

    Geiser fügt an, auch der Bundwerde sich voraussichtlich zu denBeschwerden äussern müssen.Denn die beiden Lager von Mou-tier haben schon angekündigt,dass sie an das Bundesgerichtgelangen wollen. Die Proberner,sofern ihre Abstimmungsbe-schwerden abgewiesen werden.Die Separatisten, wenn die Ab-stimmung vom 18. Juni für ungül-tig erklärt werden sollte.

    Der Bund bleibt neutralAm 18. Juni hatte der Bund dieOberaufsicht über die Abstim-mung in Moutier inne. Da sollte

    «Der Bund kann im Jura nicht befehlen»Warum leitet eigentlich nicht der neutrale Bund die heikle Untersuchung der Abstimmungsbeschwerden im zerstrittenen Jurastädtchen? «Das geht nicht, der Bund respektiert die Hoheit der Kantone», sagt der Jura-Beauftragte Jean-Christophe Geiser.

    Seit der euphorischen Abstimmungsfeier vom 18. Juni fühlt sich das siegreiche separatistische Lager von Moutier schon als Teil des Kantons Jura. Noch gehören Moutier und sein Hôtel de ville aber zum Kanton Bern. Enrique Muñoz García

    BZ|

    Freitag, 22. Dezember 2017

    annecatherine.prodhoTextfeldBZ 22.12.2017

  • «Alptraum – Traumhaus»heisst ein «DOK»-Film desSchweizer Fernsehens, der einemHausprojekt von Schenk gewid-met ist. Ein rundes Dach sollte eshaben, das neue Haus am Hangdes Wohlensees. Sieben Jahrelang kämpfe sie für ihr Traum-haus, bis vor Verwaltungsgericht,ohne Erfolg. Die Ästhetik war dasProblem. Das Haus wurde zwarspäter gebaut, aber mit einemspitzen Dach. «Das schmerzt im-mer noch», sagt Schenk nach-denklich und ergänzt mit Über-zeugung: «Die runde Dachformhätte besser in die Umgebung ge-passt.» Das Ganze sei eine «An-massung von Leuten gewesen, dienichts von Ästhetik verstehen».

    Ein Schwumm im SeeNicht nur Baupläne sind bei Si-mone Schenk stets griffbereit,sondern auch ein Feldstecher.Von ihrem Balkon aus kann sieauf ihren geliebten Wohlenseeblicken und die Vögel beobach-ten, etwa den Silberreiher, einenihrer Lieblingsvögel. «Es ist span-nend, die Natur zu beobachten.Man kann immer etwas lernen.»Im Sommer hält sie ein täglicherSchwumm im See fit, im Wintergeht sie regelmässig ins Aquafit.

    Einen wichtigen Teil inSchenks Leben nimmt die Kunstein. Auch hier versucht sie, eineneigenen Weg zu gehen. Aktuellholt sie «die Kunst von derWand». Sie bemalt Taburettli, mitwitzigen Sujets und dem passen-den Spruch dazu. «Schmunzel-kunst» nennt sie den Stil: «DieIdeen gehen mir nicht aus.»

    In Wohlen kennt fast jeder Si-mone Schenk, obwohl der eineoder andere froh wäre, er hätte sienie kennen gelernt. An der letz-ten Gemeindeversammlung wur-de sie für das grosse Engagementzugunsten der Allgemeinheit mitdem Wohlener Hecht ausge-zeichnt. Sogar Christoph Neu-haus (SVP) hat ihr mit einer Kartegratuliert. Auch der Regierungs-rat ist der resoluten SimoneSchenk schon über den Weg ge-laufen. Neuhaus ist für das Dos-sier Uferweg am Wohlensee zu-ständig. Hans Ulrich Schaad

    ZUR PERSON

    Simone Schenk ist in Zürich aufgewachsen. Ihr Vater Simon Bertschmann war zuerst Geo-meter in der Stadt Zürich, später Direktor der Landestopografie. Schenk studierte Architektur gegen alle Widerstände, weil man «ein Meitli doch nicht auf den Bau schicken kann». Ihr Mann Robert Schenk war Profes-sor für Anatomie und Histologie, zuerst in Basel, ab 1972 an der Universität Bern. hus

    Simone Schenk auf ihrem Balkon, mit Blick auf den Wohlensee. Nicole Philipp

    nicht. Politik und Baugewerbewaren so eng miteinander ver-bandelt, dass einiges schieflief.So konnte ein Gemeinderat denk-malgeschützte Häuser aufkaufenund abreissen, die Gemeindeschaute weg, bis Simone Schenkden Mann anzeigte. Nach vierJahren wählte der Gemeinderatsie nicht wieder.

    Mit der Baubehörde gab es zweiweitere Konflikte, die für media-les Echo sorgten. Zuerst jene zwei

    Häuser, die sie Anfang der 1980er-Jahre in Hinterkappelen für ihreKinder baute. Eine Fassadenma-lerei mit Szenen zu den Festen imLeben und im Jahr sollten dieHäuser erhalten. Die Genfer Phi-losophin Jeanne Hersch reistepersönlich an, um ihre Worte aufden Bildern zu signieren.

    Die Baukommission hatte we-niger Freude und verhängteeinen Baustopp. Sie löste damiteine mediale Schelte aus. DieKommission musste unter demöffentlichen Druck zurückkreb-sen, erst recht als der Direktordes Kunstmuseums Bern den bei-den Häusern eine städtebaulicheBedeutung attestierte, erzählt Si-mone Schenk.

    «Eher wäre ich in den Knast gegangen, als die Busse zu bezahlen.»

    Simone Schenk

    chen eines gewissen Ausmasses an Vorfällen um die Reitschule) gut macht, eine zweite Anlauf-stelle in Aussicht zu stellen.

    Es ist wohl ehrlicher, sich davon zu verabschieden. Der Deal auf der «Schütz» ist das weitaus grössere Problem als der gut ge-führte Betrieb an der Hodler-strasse, um nur zwei Herausfor-derungen des Perimeters zu nennen. Wenn schon, wäre es konsequent, den Standort Hod-lerstrasse ganz aufzugeben. Ob ein zweiter Standort spürbare Entlastung brächte, werden wir vielleicht nie erfahren. Das muss aber nicht heissen, dass er nicht wieder ins Spiel gebracht wird, wenn die Stadtregierung Gestal-tungswillen demonstrieren will.

    [email protected]

    Das Projekt kommt nichtzum Fliegen. Der Ge-meinderat scheitertebeim Pilotversuch, die Auswir-kung einer zweiten Drogen-anlaufstelle auf das Gebiet Schützenmatte zu prüfen, schon bei den Flugvorbereitungen: der Suche nach einem Standort.

    Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. 2008 beschloss der Gemeinderat ein Massnah-menpaket zur «Schütz». Höchste Priorität habe eine zweite An-laufstelle, hiess es – bevor das Projekt ein Jahr später begraben wurde. Zwischen damals und heute gibt es zwar Unterschiede; wenn die Anlaufstelle schliesst, verschieben sich heute weniger Drogenkonsumierende auf die «Schütz». Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, dass es sich vor Stadtwahlen (und nach Errei-

    Eine zweite Anlaufstelle löst die Probleme auf der «Schütz» nicht

    91 Jahre alt und gerne noch ein bisschen frech

    Simone Schenk greift zum Filz-stift, nimmt ein Blatt Papier zurHand und beginnt zu skizzieren.Sie zeichnet den Verlauf desWohlensees mit den Strömungs-verhältnissen. Sie zeigt, wo sichdas Geschiebe ablagert, wie sichdie Natur und der Uferabschnittim Laufe der Zeit verändert habenund wie Letzterer sich in Zukunftverändern könnte. Es geht um dasProjekt für einen Uferweg in derInselrainbucht in Hinterkappe-len – ein langes juristisches Hinund Her. Die Pläne dazu sind stetsgriffbereit. Simone Schenk gehörtzu den Gegnern, als betroffeneAnwohnerin und als Präsidentindes Vereins «Heit Sorg zum Woh-lesee». Das Dossier ist aktuellbeim Bundesgericht hängig.

    Aufgeben gibt es nichtWohlensee und Bauen: Diesezwei Themen haben die Architek-tin in den 45 Jahren, die sie in derGemeinde Wohlen wohnt, stetsbeschäftigt. «Ich bin eine interes-sierte Frau, die allem auf denGrund geht», sagt die 91-Jährige.«Und manchmal bin ich auch einbisschen frech.» Sofort stellt sieklar: «Wenn man gegen etwas istoder kritisiert, muss man Vor-schläge bringen, um etwas besserzu machen.» Simone Schenkwehrt sich immer, wenn sie etwasals ungerecht empfindet. DasWort «aufgeben» existiert inihrem Vokabular nicht.

    Das zeigte sich im jüngstenFall. Es ging um eine Lappalie. ImHinblick auf eine Sanierung derHeizung war auf dem Garagen-dach vorübergehend ein Wärme-tauscher abgestellt, ein un-scheinbares Objekt. Weil Schenknoch über keine Baubewilligungverfügte, sah die Wohlener Bau-behörde darin einen Verstossgegen das Baugesetz. Kurz vorWeihnachten 2015 flatterte einStrafbefehl ins Haus: eine Busseüber 6000 Franken, bei Nichtbe-zahlen 60 Tage Gefängnis.

    Kampfgeist in den Genen«Eher wäre ich in den Knast ge-gangen, als die Busse zu bezah-len», blickt sie zurück. «Das wäreeine neue Erfahrung gewesen.»Doch sie legte Beschwerde ein.Das Regionalgericht reduziertedie Busse, das Obergericht sprachsie im letzten August von sämtli-chen Vorwürfen frei. Die Baube-hörde habe überreagiert.

    Es liegt wohl an den Genen,dass sich Simone Schenk nicht al-les gefallen lässt. Ihr Grossvaterwar Martin Gamma, einer derwichtigsten Politiker im KantonUri um 1900, Landammann undNationalrat. Gamma habe gegendie konservativen Kreise im Ur-kanton gekämpft. Einen ähnli-chen Kampf gegen dubiose Struk-turen führte Schenk, nachdem sie1973 mit der Familie nach Hinter-kappelen gezogen war. Praktischjedes ihrer Bauprojekte sei aufWiderstand gestossen, erinnertsich Simone Schenk. Neid sei dasgewesen, weil sie viele gute Auf-träge gehabt habe, vermutet sie.Und als Ehefrau eines Medizin-professors habe sie es doch garnicht nötig, zu arbeiten und ande-ren die Stelle wegzunehmen, seiihr vorgeworfen worden.

    In den 1970er-Jahren war Si-mone Schenk Mitglied der Bau-kommission, als erste Frau. Wassie dort angetroffen hat, gefiel ihr

    HINTERKAPPELEN Sie hat sich mit den Wohlener Bau-behörden angelegt, auch noch im zarten Alter von über 90 Jahren: Simone Schenk gibt nie auf, wenn sie etwas als ungerecht empfindet.

    MOUTIER-FRAGE AUFSICHT DES BUNDES

    ChristophHämmann ist Redaktor im Ressort Stadt Bern.

    BZKommentar

    Gemeinderat scheitert bei der Suche nach einer zweiten Drogenanlaufstelle

    tourismus. Das ist auch einer derVorwürfe in den Abstimmungs-beschwerden. Liesse sich erhär-ten, dass mit Wissen der Gemein-debehörden von Moutier Leuteihre Papiere nach Moutier verlegthatten, ohne dort zu wohnen,könnte das im Extremfall zu einerAnnullierung der Abstimmungvom 18. Juni führen. «Das wäremein Horrorszenario», sagt

    derat fürchtete offenbar, die Pro-berner könnten dann auf der Lis-te ihre Klientel identifizieren undmobilisieren. Das hätten aller-dings die Projurassier genausoversuchen können.

    Geisers Hoffnung und SorgeHinter dem Streit um die Auslie-ferung des Stimmregisters stehtder Verdacht auf Abstimmungs-

    Jean-Christophe Geiser. Er hoffenatürlich, dass die Abstimmungkorrekt verlaufen sei.

    Haben Geisers Abstimmungs-beobachter vielleicht doch einenBetrug übersehen? «Wir konntensicherstellen, dass nur dieStimmbürgerinnen und Stimm-bürger einen Stimmzettel erhiel-ten, die auch im Register aufge-führt waren», sagt Geiser. Die Be-obachter des Bundes seien abernicht in der Lage gewesen, zu prü-fen, ob im Stimmregister auchnicht stimmberechtigte Zuzügeraufgeführt waren. Die BernerJustiz klärt das nun offenbar ab.

    Ominöse Artikel 138 und 139Eine Wiederholung der Abstim-mung könnte in Moutier alteWunden aufreissen und die Ver-söhnungsarbeit durch die Inter-jurassische Versammlung (IJV)beschädigen. Vielleicht hat derBund gar die IJV zu früh aufge-löst. Diese sei nie operativ für dieMoutier-Abstimmung zuständiggewesen, widerspricht Geiser.Und es gebe weiterhin die Tripar-tite Konferenz des Bundes mitden Kantonen Bern und Juraunter der Leitung von Justizmi-nisterin Simonetta Sommaruga.

    Dieses Gremium hat mit einemweiteren Quell des Misstrauenszu tun: mit Artikel 138 und 139der jurassischen Kantonsverfas-sung. Artikel 138 lässt eine Tür of-fen für eine Eingliederung weite-rer bernjurassischer Territorien.Artikel 139 erlaubte – für dieUrnengänge von Moutier, Bel-prahon und Sorvilier – Ausnah-meabstimmungen über einenKantonswechsel. Der Bund hatArtikel 138 für ungültig erklärt.Und der Kanton Bern fordertvom Kanton Jura, beide Artikelaus seiner Verfassung zu strei-chen. Ob der jüngste Kanton die-ser Aufforderung nachkommtund so den 2013 an der Urne klarbestätigten Verbleib des BernerJura beim Kanton Bern akzep-tiert, bleibt vorerst offen. Mögli-cherweise scheut die jurassischeRegierung davor zurück, so diedezidierten Separatisten im eige-nen Kanton zu erzürnen.

    Eigentlich könnte der Bundvom Kanton Jura die Streichungder beiden Artikel verlangen.Aber Jean-Christophe Geiser er-klärt noch einmal ganz diploma-tisch: «In der Jura-Frage sollteder Bund eher vermitteln als be-fehlen.» Stefan von Bergen

    «Der Bund kann im Jura nicht befehlen»

    Seit der euphorischen Abstimmungsfeier vom 18. Juni fühlt sich das siegreiche separatistische Lager von Moutier schon als Teil des Kantons Jura. Noch gehören Moutier und sein Hôtel de ville aber zum Kanton Bern. Enrique Muñoz García

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    annecatherine.prodhoTextfeldBerner Zeitung 22.12.2017