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report 2015 Der Justizminister möchte Jugendlichen das Gefängnis ersparen. Seine Vorhaben: gezielt betreuen, deradikalisie- ren und das System qualitativ verbessern. ÖSTERREICH INHALT GEMEINSAM AN ZUKUNFT ARBEITEN Justizminister o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter im Inter- view mit NEUSTART Redak- teurin Dorit Bruckdorfer. NEUSTART: Wie sehen Ihre Überlegungen zur Radikalisie- rung Jugendlicher (Stichwort Dschihadismus) innerhalb und außerhalb von Haft aus? Wie soll man damit umgehen? Ist das ein wichtiges Handlungs- feld für die Justiz? Wolfgang Brandstetter: Unser Ziel ist es, inhaftierte radikali- sierte Insassinnen und Insassen soweit wie möglich zu dera- dikalisieren – egal um welche Form der Radikalisierung es sich handelt. Dabei brauchen gerade Jugendliche beson- dere Betreuung. Das Gute ist, dass bei dieser Zielgruppe die Chancen groß sind, auf ihre Opferorientierung Seite 3 Jung, schwierig, radikal Seite 4 40.497 Klientinnen und Klienten Seite 8 Zivilgesellschaftlich enga- gieren Seite 10 Reformen im Maßnahme- vollzug Seite 11 Beste Praxis Tatausgleich Seite 12 Profis der Bewährungshilfe Seite 14 Foto: MBJ/Elia Zilberberg

GEMEINSAM AN ZUKUNFT ARBEITEN · 2015. 5. 20. · gen, den eigenen Haushalt zu organisieren und vieles mehr bis zur Familiengründung. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es im

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report 2015

Der Justizminister möchte Jugendlichen das Gefängnis ersparen. Seine Vorhaben: gezielt betreuen, deradikalisie-ren und das System qualitativ verbessern.

ÖSTERREICH

INHALT

GEMEINSAM AN ZUKUNFT ARBEITEN

Justizminister o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter im Inter-view mit NEUSTART Redak-teurin Dorit Bruckdorfer.

NEUSTART: Wie sehen Ihre Überlegungen zur Radikalisie-

rung Jugendlicher (Stichwort Dschihadismus) innerhalb und außerhalb von Haft aus? Wie soll man damit umgehen? Ist das ein wichtiges Handlungs-feld für die Justiz?

Wolfgang Brandstetter: Unser Ziel ist es, inhaftierte radikali-sierte Insassinnen und Insassen soweit wie möglich zu dera-dikalisieren – egal um welche Form der Radikalisierung es sich handelt. Dabei brauchen gerade Jugendliche beson-dere Betreuung. Das Gute ist, dass bei dieser Zielgruppe die Chancen groß sind, auf ihre

OpferorientierungSeite 3

Jung, schwierig, radikalSeite 4

40.497 Klientinnen und Klienten Seite 8

Zivilgesellschaftlich enga-gieren Seite 10

Reformen im Maßnahme-vollzug Seite 11

Beste Praxis TatausgleichSeite 12

Profis der BewährungshilfeSeite 14

Foto: MBJ/Elia Zilberberg

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Persönlichkeitsentwicklung positiven Einfluss zu nehmen. Mittels spezieller Deradikalisierungs-programme sollen sie dabei individuell auf ihre Haftentlassung vorbereitet werden. So sollen beispielsweise mittels Bildungsarbeit die Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen er-zeugt und die für die Wahrnehmung der Bürger-pflichten nötigen Kenntnisse und Kompetenzen vermittelt werden. Zusätzlich setzen wir auf eine enge Betreuung durch ausgewählte muslimische Seelsorger, die auch als Multiplikatoren zur Ver-fügung stehen und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beratend unterstützen.

Was hat sich nach der Task Force Jugendliche getan?

Die Task Force hat tolle Arbeit geleistet. Mit den von uns gesetzten Maßnahmen haben wir bereits erste Erfolge erzielt und die Zahl inhaftier-ter Jugendlicher deutlich gesenkt. Grundsätzlich ist es unser oberstes Ziel, zu vermeiden, dass Jugendliche in Untersuchungshaft kommen. Das wollen wir einerseits durch die bundeswei-ten Sozialnetz-Konferenzen erreichen. Anderer-seits können Jugendliche seit Jahresbeginn in Wohngemeinschaften als Alternative zur Unter-suchungshaft untergebracht werden. Zusätzlich wollen wir mit der Einführung einer österreich-weiten Jugendgerichtshilfe die gegenwärtige Situation verbessern. Seit Jänner 2015 haben wir hier den Probebetrieb in Graz aufgenom-men. Im Laufe des Jahres soll die bundesweite

Ausrollung erfolgen. Abseits davon werden wir die Qualität des Personals steigern, indem wir beispielsweise Sozialpädagogen einstellen. Damit ist die Arbeit der Task Force jedoch nicht beendet: Die weiteren Entwicklungen im Bereich Jugendkriminalität und Jugendvollzug werden in einem „Netzwerk Jugendvollzug“ weiterver-folgt. Dieses trifft sich zweimal jährlich, setzt den Dialog fort und leistet damit einen Beitrag zur Qualitätssicherung im Jugendstrafvollzug.

Thema Maßnahmevollzug: Welche Erwartungen haben Sie bezüglich der Mitwirkung von NEUSTART?

Das Bundesministerium für Justiz hat NEUSTART damit beauftragt, das Modell Sozial-netz-Konferenz im Maßnahmevollzug für die Dauer von 16 Monaten zu erproben. Damit wol-len wir die Zahl der Entlassungen steigern, be-dingte Maßnahmen fördern und die Anhaltedau-er verkürzen. Aufgabe der Sozialnetz-Konferenz ist es dabei, einen Zukunftsplan mit der Klientin oder dem Klienten und ihrem oder seinem sozia-len Umfeld zu erarbeiten. Das erfolgt gemeinsam mit professionellen Institutionen. Mit dem Plan sollen Justizanstalten und Gerichte in weiterer Folge bessere Entscheidungen treffen können – sei es für eine bedingte Nachsicht der Maßnah-me oder eine bedingte Entlassung. Parallel zum Probebetrieb in Graz wird eine Begleitforschung durch die Universität Wien durchgeführt, die mit April des Jahres 2015 startet.

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Das gemeinsame Anliegen von Opferschutzein-richtungen und NEUSTART ist es, Gericht und Staatsanwaltschaft zu sensibilisieren, verstärkt und frühzeitig Betreuungs- und Therapiemaß-nahmen für Täter anzuordnen.

Ein Einstellung des Verfahrens nach §191 Straf-prozessordnung, Geldstrafe oder bedingte Ver-urteilungen ohne Weisungen und Auflagen sind keine ausreichende Reaktionsform auf häusliche Gewalt. Eine flächendeckende Unterstützung für Opfer muss gewährleistet sein. Im gesamten Strafverfahren ist den Interessen und Bedürf-nissen von Opfern in größtmöglichem Ausmaß zu entsprechen, insbesondere dem Bedürfnis, wahrgenommen und in ihren Interessen ernst genommen zu werden.

In der Entwicklung sozialarbeiterischer Ange-bote orientieren wir uns grundsätzlich an der Verknüpfung von täterorientierten, rehabilitativen und opferorientierten, wiedergutmachenden Grundsätzen. Bei den Deliktgruppen häusliche Gewalt und sexuell motivierte Übergriffe steht der Schutz der Opfer im Vordergrund. Daher sprechen wir in diesen Bereichen von „opfer-schutzorientierter Täterarbeit“ mit folgenden Prinzipien: Die Bedürfnisse der Opfer werden ernst genommen; Stopp der Gewalt ist Voraus-setzung für einen Dialog; der Täter ist konse-quent gefordert, sich zu seiner Tat zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen; wenn das Opfer es wünscht, wird materielle und emotio-nale Wiedergutmachung thematisiert; mit dem Täter wird das Delikt bearbeitet und konstruktive Handlungsalternativen werden entwickelt.

KONKRET HELFEN BEI HÄUSLICHER GEWALT

[email protected] | Leiterin NEUSTART Steiermark

[email protected] | Leiterin Zentralbereich Sozialarbeit

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www.neustart.at

Für Opfer muss es flächende-ckende Unterstützung geben. NEUSTART betreibt Opfer-schutz durch Täterarbeit. Mit Bewährungshilfe, Tatausgleich, Anti-Gewalt-Training und an-deren Initiativen.

BEWÄHRUNGSHILFE KOOPERIERT MIT FRAUENORGANISATIONENFür Delikte häuslicher Gewalt gibt es seit De-zember 2014 österreichweit Kooperationsver-einbarungen mit den Opferschutzeinrichtungen, die im Bereich von Gewalt an Frauen tätig sind (Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen, Frauenhäuser). Ziel dieser Kooperation ist eine gemeinsame Gefährlichkeitseinschätzung und Sicherheitsplanung, um wirksame und abge-stimmte Maßnahmen der Rückfallsprävention zu setzen. Dazu gehört auch die laufende Abstim-mung der Betreuungsmaßnahmen.

TATAUSGLEICH WIRD VON OPFERN GENUTZTDer Bereich Tatausgleich entspricht per se dem Prinzip der Opferorientierung, da er die einzige Diversionsmaßnahme darstellt, bei der die Inter-essen des Opfers im Sinne des § 206 Strafpro-zessordnung explizit erkundet und berücksichtigt werden. Im Wesentlichen ist ein gelungener Tatausgleich nur möglich, wenn die Zustimmung des Opfers vorliegt. Besondere Vorsichtsmaß-nahmen in Bezug auf Opferschutz werden bei Gewalt in Partnerbeziehungen sowie bei Stalking getroffen (bei letzterem wird ausschließlich getrennt bearbeitet). Standards sind in diesen Fällen: Spezielles Augenmerk auf Gewaltdyna-mik, Nachhaltigkeit, Beobachtungszeiträume, flankierende, über den Tatausgleich hinausge-hende Unterstützungsangebote wie verbindliche Vermittlung zu Therapien oder Anti-Gewalt-Trai-nings und systematische Risikoeinschätzung.Darüber hinaus arbeiten in diesen Fällen grund-sätzlich eine Konfliktreglerin und ein Konfliktreg-ler, um jedenfalls eine weibliche Ansprechpartne-

DIE BEDÜRFNISSE DES OPFERS WAHREN

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rin für die meist weiblichen Opfer zu haben. Der Tatausgleich ist nur möglich, wenn das Verhalten des Beschuldigten (Nachstellung, Drohungen, Gewalt) sofort beendet wird. Forschungsergeb-

nisse belegen nicht nur, dass Opfer im Tatausgleich in großem Ausmaß zu-frieden sind und sich gestärkt fühlen (ins-besondere auch in

Fällen von Gewalt in Partnerbeziehungen), son-dern dass die Beschuldigten auch Impulse für positive Verhaltensänderungen aufnehmen und integrieren. Der Tatausgleich hat die geringste Rückfallsquote (unter zehn Prozent) im Vergleich zu allen anderen Sanktionsmaßnahmen.

ANTI-GEWALT-TRAINING REKONSTRUIERT DIE TATDas intensive Gruppentraining wird von zwei Personen (Trainerin und Trainer) durchgeführt, umfasst 60 Einheiten und dauert rund neun Monate. In allen Anti-Gewalt-Trainings ist eine exakte Tatrekonstruktion, Verantwortungsüber-nahme, Auflösung von Neutralisierungstechniken und die Konfrontation mit der Opferperspektive Inhalt des Trainings.

ELEKTRONISCH ÜBERWACHTER HAUSARRESTEin elektronisch überwachter Hausarrest ist ohne Zustimmung der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner nicht möglich. Daher werden die Angehörigen bereits in der Erhebungsphase sen-sibilisiert, welche Auswirkungen es haben kann, wenn eine Mitbewohnerin oder ein Mitbewohner die Fußfessel bekommt. Das hat unter anderem zur Folge, dass sie oder er im Konfliktfall nicht spontan die Wohnung verlassen kann. Kam es in der Vergangenheit bereits zu häuslicher Gewalt, wird mit Opferschutzeinrichtungen kooperiert.

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„Opfer werden gestärkt, Täter bekommen Impulse, sich anders zu verhalten.“

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WAS TUN MIT SCHWIERIGEN JUGENDLICHEN?

Wie lange ist man jugendlich und wie soll auf Jugendkriminalität reagiert werden? Ob Graffiti Kunst oder Schaden sind hängt teilweise davon ab, wo gesprayt wird. Wenn Graffiti unerwünscht sind und als Sachbeschädigung gelten, kann

das bei einem Schaden von über 50.000,- Euro gravierende Folgen für junge Menschen haben. Der mögliche Strafrahmen beträgt bei 14- bis 18-Jährigen zwischen null und 30 Monaten Haft; war man zum Zeitpunkt der Tatbegehung schon 18 Jahre alt und unter 21 könnte man zwischen null und fünf Jahren Haft ausfassen. Ab dem 21. Lebensjahr gibt es ein Mindestmaß von sechs Monaten, maximal sind fünf Jahre Haft drin.

Ist man mit der Volljährigkeit tatsächlich schon so reif, dass unterschiedlichen Reaktionen auf ein- und dasselbe straffällige Verhalten passend sind? In Österreich gelten 14- bis 17-jährige Menschen als Jugendliche, 18- bis 21-Jährige sind „junge Erwachsene“. NEUSTART spricht sich in seinen kriminalpolitischen Positionen für

Jugendliche in der Pubertät suchen: Sinn, Werte, Orientie-rung. Abweichendes Verhalten, Kriminalität, extreme Entwick-lungen kann es da auch geben. Altersbedingt endet diese Pha-se meist von selbst.

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den Ausbau bereits bestehender Spezialnormen von Jugendlichen auch auf junge Erwachsene aus. Damit soll die Inhaftierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen verringert werden.

Würde die Sozialnetz-Konferenz gesetzlich ver-ankert und gälte sie auch für junge Erwachsene (derzeit nur für Jugendliche), gäbe es weniger Untersuchungshaft. Ein Ergebnis der Task Force Jugendliche (die nach dem Missbrauch eines Jugendlichen in Untersuchungshaft vom Justiz-minister einberufen wurde) ist der Einsatz von Sozialnetz-Konferenzen. Seit Oktober 2014 gibt es sie flächendeckend in ganz Österreich.

„Die Erfolge können sich sehen lassen. Immerhin sind die Inhaftierungen bei Jugendlichen sowohl in Untersuchungshaft als auch in Strafhaft in den letzten beiden Jahren um ein Drittel zurückge-gangen“ weiß Dr. Christoph Koss, Geschäfts-führer von NEUSTART. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei ist die Kooperation mit den Jugendrichterinnen und Jugendrichtern. Sozial-netz-Konferenzen aktivieren die Ressourcen von

Jugendlichen. Hochfrequente Bewährungshilfe ist der erste Schritt, um die Haft zu vermeiden. In Kombination mit einer Sozialnetz-Konferenz konnten zwischen August 2013 und November 2014 zwei Drittel der Jugendlichen entlassen werden.

Bei hochgefährdeten Jugendlichen wird ein Maßnahmenplan erstellt – funktioniert er nicht, müssen sie wieder in Untersuchungshaft. Bei 87 Jugendlichen war die Entlassung erfolgreich.

[email protected] (db) –

SozialMarie – erster Platz für die Sozialnetz-Konferenz von NEUSTART

MIT 22 SCHON ERWACHSEN?

Die Phase „Emerging Adult“, ein Begriff aus der Jugendentwicklungspsychologie, ist laut Werner Leixnering gleichzusetzen mit dem Begriff der Spätadoleszenz, von der man glaubt, dass sie frühestens mit 22 Jahren abgeschlossen ist – wenn nicht noch später.

Für die Haftsituation bedeutet das, dass junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr nicht an-ders als Jugendliche angesehen werden sollten,

Dr. Werner Leixnering, Kinder- und Jugendpsychiater, Sachverständiger

weil sie genauso wie Jugendliche noch nicht die Reife haben, die man einem Erwachsenen zumessen würde. Sozialarbeiterische und the-rapeutische Angebote bieten, meint Leixnering, im Gegensatz zur Haft Gelegenheit, Fähigkeiten weiter voranzutreiben. Er findet es „kontrapro-duktiv, wenn jemand lange in Haft ist, weil er hier genau in der Phase ist, wo er sich weiter-entwickeln muss“. Etwa um eine angemessene soziale Gruppe zu finden, Verantwortung als Staatsbürger auszuüben, in den Beruf einzustei-gen, den eigenen Haushalt zu organisieren und vieles mehr bis zur Familiengründung.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es im Jugendgerichtsgesetz seit langem den Begriff „Heranwachsender“ (in der Jugend-Forensik geht man bei der Strafrechtsbemessung von diesem Begriff aus). Statt dem in Österreich geltenden Terminus „junge Erwachsene“ hielte es Leixnering für sinnvoller „nicht von jungen Erwachsenen, sondern von Heranwachsenden zu sprechen“.

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Bisher sollen etwa 200 Personen aus Österreich nach Syrien ausgereist sein, um in den soge-nannten Dschihad zu ziehen. 70 Personen sollen zurückgekehrt sein. Rund 30 Dschihadisten sind in Haft. In letzter Zeit wurden einige Jugendliche, die Richtung Syrien aus Österreich ausreisen wollten, noch in Österreich gestoppt und teilwei-se in Untersuchungshaft genommen. Beson-ders junge Menschen, die mit dem Dschihad sympathisieren, werden als gefährdet eingestuft, sich im Gefängnis zu radikalisieren. In Österreich gibt es für etwa 1.700 Gefangene muslimischen Glaubens 46 islamische Gefängnisseelsorger. Die meisten arbeiten hauptberuflich als Religi-onslehrer und ehrenamtlich als Seelsorger im Gefängnis. Das nötige Vertrauen, um Aufklärung und Information zu akzeptieren, erlangen am ehesten diese Imame – allerdings manchmal erst nach vielen Monaten Kontakt- und Gesprächs-angebot. Deshalb ist es wichtig, zusätzliche Angebote zu haben, die früher greifen.

Bei NEUSTART differenziert man zwischen Sympathie für den Dschihad und tatsächlichen Dschihadisten. Bisher habe man es, so Jürgen Kaiser MBA, der den Zentralbereich Sozialarbeit

leitet, vorrangig mit Sympathisantinnen und Sympathisanten zu tun gehabt. Bei der Betreuung dieser Jugendlichen gehe man so vor wie bei

jeder Form von Radikalisierung. „Wie bei allen extremen Formen schauen wir uns einmal den Hintergrund an. Meist zeigen sich Defizite und Perspektivlosigkeit. Radikalisierung zeigt sich oft in einem Schwarz-Weiß-Denken, in der Polarisie-rung von Gut und Böse. Radikalisierte Jugend-liche bekommen vermittelt, dass sie erleuchtet sind und zu den Guten gehören. Da rutschen auch Jugendliche rein, die kein religiöses Vorle-ben haben.“

Meist sind die Eltern ahnungslos und ratlos, wo und wie ihr Kind radikalisiert wurde. Der Kinder- und Jugendanwalt Mag. Ercan Nik Nafs hält das für glaubwürdig. Man müsse davon ausgehen, dass salafistische Gruppen in höchstem Maß professionell vorgehen und dass diese den Ju-gendlichen einschärfen, die Eltern nichts merken

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zu lassen, bis sie sich selbst outen. Vor allem bei Konvertiten und besonders bei Mädchen zeige sich, dass sie bis zu einem gewissen Zeitpunkt alles geheim halten – etwa bis sie durch Heirat einen neuen Namen annehmen. Dann erst erführen die Eltern etwas davon oder erst, wenn die Polizei sie an EU-Außengrenzen aufhalte. Nik Nafs: „Wir kennen auch Fälle von jungen Burschen, wo die Eltern das sehen – sie ändern ihre Essgewohnheiten und ihr Outfit, der Freundeskreis verändert sich, sie hören andere Musik – es gibt da viele auch sichtbare Zeichen. Es ist nur die Frage, ob die Eltern das erkennen und verstehen.“ Anders als bei radikalisierten Neonazis, wo es langjährige Erfahrungen mit dieser Form der Radikalisierung gibt, gibt es in Österreich mit dem Dschihadismus noch keine Erfahrungen. Rund 50 Kolleginnen und Kollegen von NEUSTART Wien haben deshalb ein Semi-nar initiiert, um sich Grundkenntnisse über den Islam anzueignen. Dr. Almir Ibric von der Wiener Magistratsabteilung 17 (Diversity Management) schulte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ei-nen Tag lang. In weiteren Veranstaltungen sollen so viele Kolleginnen und Kollegen wie möglich ihr Wissen multiplizieren.

Ercan Nik Nafs berichtet, dass in Wien alle Stel-len, die mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten (Magistratsabteilungen 10, 11, 13, 17, Stadtschulrat für Wien, AMS Wien Jugendliche, Waff, NEUSTART, Bera-tungsstelle Extremismus und Polizei), im Wiener Netzwerk für Deradikalisierung und Prävention zusammengebracht wurden „mit den Zielen, sowohl im Einzelfall die betroffenen Jugendlichen und ihre Familien bestmöglich zu unterstützen, als auch umfassende Fortbildungsangebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unter-schiedlichsten Berufsgruppen anzubieten.“

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NETZWERKE FÜR JUNGE DSCHIHADISTEN

„Meist merken die Eltern viel zu spät, was mit ihrem Kind los ist.“

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„Hoch traumatisierte jugendli-che Menschen dürfen nicht ins Gefängnis gesteckt werden.“

ALLES ANDERE GILT ALS FEINDLICHNEUSTART Redakteurin Dorit Bruckdorfer fragte den Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs nach seinen Erfahrungen mit dschihadistisch radikalisier-ten Jugendlichen

NEUSTART: Wie kommt es Ihrer Erfahrung nach zur Radikalisierung Jugendlicher?

Nik Nafs: Nach meinen Beobachtungen spielen die unterschiedlichsten Faktoren eine Rolle. Wesentlich ist die Biografie der Jugendlichen. Jugendliche, die ein besonders krisenhaftes Leben oder eine besonders krisenhafte Phase durchmachen, sind für abwertende Haltungen anderen gegenüber zugänglicher. Der sogenann-te Radikalisierungsprozess beginnt nach meiner

Beobachtung immer durch eine erste persönliche Kontakt-aufnahme in Bezug auf neosalafisti-sche Gruppen, die dann sowohl durch

Gruppengespräche (sogenannte DERS) als auch durch Internetauftritte verstärkt wird. Neosala-fistische Gruppen erklären die komplizierte Welt mit einfachen Worten, beschreiben zum Beispiel die Welt in „gut“ und „böse“, in „gläubig“ und „ungläubig“. „Gläubig“ definiert sich nach diesen neosalafistischen Gruppen entsprechend ihrer Auslegung des Islam, alles andere gilt als kate-gorisch feindlich und abtrünnig. Die gewaltsame Bekämpfung anders denkender oder anders lebender Menschen wird theologisch begründet. Tritt eine Jugendliche oder ein Jugendlicher mit solchen Gruppen in näheren Kontakt, erfährt sie oder er einerseits persönliche Anerkennung, andererseits Aufwertung der eigenen Person, indem sie oder er einer global politischen Bewe-

gung angehört. Den Jugendlichen wird die Mög-lichkeit, ein neues Leben mit „utopischen“ Zielen, ein Kalifat zu gründen und zu vergrößern, in Aussicht gestellt. Es wird ihnen vermittelt, dass sie die Welt verändern und die völkerrechtlichen Grenzen im Nahen Osten verschieben können, die sich nach dem Ende des ersten Weltkrieges kaum verändert haben.

Welche Angebote brauchen Jugendliche, welches Handlungsrepertoire muss man ihnen anbieten?

Im Grunde benötigen die Jugendlichen erwach-sene Bezugspersonen, die sich für sie interes-sieren, die sie ernst nehmen, die ihre Fragen authentisch beantworten können. Zudem muss sichergestellt werden, dass Kinder und Ju-gendliche gewaltfrei heranwachsen können. Die Einhaltung der Kinder- und Jugendrechte, die verfassungsrechtlich verankert sind, zum Beispiel Recht auf Bildung, Schutz vor Rassismus und Sexismus et cetera, sind die Grundvorausset-zung. Die Gleichwertigkeit frei von Geschlecht, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit darf nicht nur Schlagwort sein, sondern muss gelebt werden. Den Kindern und Jugendlichen müssen alternative Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, damit zum Beispiel ein Jugendlicher, der Abwertung und Gewalt erfahren hat, nicht selbst in Konfliktsituationen Gewalt anwendet und sich aus diesem Kreislauf befreien kann.

Wie soll man mit Rückkehrern aus Syrien umgehen?

Bis dato gibt es wenige Erfahrungswerte in Be-zug auf rückkehrende Personen aus dem Kriegs-gebiet. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass jede Person eine zweite Chance verdient, insbesondere wenn es sich um Jugendliche handelt. Jugendliche sind selbst die Leidtragen-den von islamistisch-dschihadistischen Gruppen. Sie benötigen besondere Programme, aber auch professionell ausgebildete Menschen, die in der Lage sind, festzuhalten, ob von den rückkehren-den Personen zum einen für ihre Umwelt, zum anderen für sie selbst Gefahr besteht. Weder dürfen hoch traumatisierte junge Menschen in die Gefängnisse gesteckt werden, wo sie sich noch mehr radikalisieren, noch darf zugelassen werden, dass „Hardcore-Dschihadisten“ ver-harmlost werden. Jeder Einzelfall muss gründlich geprüft werden. Ein weiterer Grundsatz für mich ist, wenn jemandem die Freiheit entzogen wird, sollte eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet sein.

Mag. Ercan Nik Nafs, Kinder- und Jugendanwalt, hat 20 Jahre Erfahrung in der offenen Jugendarbeit und gilt als Experte in Kinder- und Jugendange-legenheiten.

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2014... Bewährungshilfe 14.784 Klientinnen und Klienten wurden bei ihren Bemühungen unterstützt, straffrei zu leben.

Bei angeordneter Bewährungshilfe gab es eine Widerrufsquote von 9,28 Prozent. Die Quote rechtskräftiger Verurteilungen betrug 32,24 Prozent.

... elektronisch überwachter Hausarrest 1.079 Mal wurde erhoben, ob eine Fußfessel in Frage kommt. 767 Klientinnen und Klienten erhielten eine Fußfessel. 625 Mal wurde die Fußfessel vor Antritt der Haft angelegt.

129 Personen kamen aus der Haft und 13 Personen erhielten die Fußfessel statt Untersuchungshaft.

Durch die Vergabe von Fußfesseln wurden 98.049 stationäre Hafttage vermieden. Es gab 9,34 Prozent Abbrüche bei der Betreuung im elektronisch überwachten Hausarrest. Den Vorschlägen von NEUSTART folgten die Justizanstalten in 83,49 Prozent der Fälle.

... Haftentlassenenhilfe 3.483 verschiedene Klientinnen und Klienten nahmen vor oder nach ihrer Haftentlassung freiwillig Hilfe in Anspruch. Dabei konnte beispielsweise 778 Mal Unterkunft oder Wohnung vermittelt werden.

... Tatausgleich 14.034 Beschuldigte und Opfer wurden bei der Konfliktregelung betreut. Davon waren 5.829 Personen Opfer. 5.956 Mal wurde vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft ein Tat- ausgleich angeregt. Die Einstellung des Straf- verfahrens betrug bei Jugendlichen 85,8 Pro- zent, bei Erwachsenen 68,99 Prozent. Die Zufriedenheit der Opfer mit dem Tataus- gleich lag bei 95,6 Prozent. In 70,92 Prozent der Fälle gab es bei den Beschuldigten einen positiven Abschluss.

... Prozessbegleitung 2014 wurden 131 Opfer von Straftaten von NEUSTART durch den Gerichtsprozess begleitet.

... arbeiten für das Gemeinwohl 9.140 Menschen arbeiteten für das Gemein- wohl – mit gemeinnützigen Leistungen entweder als diversionelle Maßnahme (4.152 Personen) oder anstelle einer Ersatz- freiheitsstrafe (5.023 Personen).

Bei der Vermittlung gemeinnütziger Leistun- gen als diversionelle Maßnahme kam es in 76,70 Prozent zu einem positiven Abschluss. Durch die Vermittlung gemeinnütziger Leis- tung statt Ersatzfreiheitsstrafe wurden 65.136 Hafttage vermieden. Durch die Vermittlung gemeinnütziger Leistung statt Ersatzfreiheits- strafe im verwaltungsbehördlichen Finanz-

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... Hilfe für Opfer Insgesamt wurden 5.960 Personen im Opferbereich betreut: 5.829 im Tatausgleich und 131 Personen durch Prozessbegleitung.

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strafverfahren wurden 6.322 Hafttage vermie- den. In Summe macht das 71.458 vermiede- ne Hafttage.

... weitere Hilfen 462 Klientinnen und Klienten wurden in Wohn- und Kriseneinrichtungen von NEUSTART untergebracht. Der SAFTLADEN in Salzburg (Kommunikationszentrum) wurde 26.387 Mal besucht.

Die Anzahl der Besuche pro Öffnungstag betrug durchschnittlich 110,87.

Von 1957 bis 2014 hat NEUSTART rund 540.000 Menschen betreut.

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... Prävention 1.611 Stunden wurden in der Schulsozial- arbeit aufgewendet, um Jugendlichen bei der Lösung ihrer Konflikte zu helfen. Weitere 351 Jugendliche wurden in Vorarlberg von der Jugendhilfe betreut. Außerdem gab es 257 Betreuungen in der Suchtprävention.

... Online-Beratung An die auf der Website von NEUSTART angebotene Online-Beratung wurden 645 Anfragen gerichtet. Anonym und unkompli- ziert: Anfrageformular auf: www.neustart.at

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v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Alois BIrklbauer (Kuratorium), Dr. Christoph Koss (Geschäftsführer), Dr. Astrid Zimmermann (Kuratorium), Mag. Martin Schenk (Kuratorium), Alfred Kohlberger MAS (Geschäftsführer), o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter (Bundesminister für Justiz), Prof. Dr. Roland Miklau (Aufsichtsrat), HR Dr. Werner Leixnering (Kuratorium), Mag. Dr. Heide Schmidt (Kuratorium). Nicht im Bild: Kuratoriumsmitglieder Dipl.-Ing. Josef Pröll und Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka

Die Gründung des Vereins NEUSTART erfolgte in den 1950er-Jahren, weil engagier-te Bürgerinnen und Bürger die Verwahrungsumstände für straffällig gewordene Jugend-liche nicht mehr länger akzep-tieren wollten.

Zivilgesellschaftliches Engagement hat also bei NEUSTART eine lange Tradition. Die ersten Bewährungshelferinnen und -helfer waren ehrenamtlich tätig. Die Professionalisierung der Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen hat in Österreich erst später eingesetzt. Trotzdem

blieb und bleibt das Engagement von Laien ein wesentli-ches Standbein von NEUSTART. Die Gesellschaft und die politisch Verantwort-

lichen dieses Landes sollen davon überzeugt werden, dass es in erster Linie klare Reaktionen auf abweichendes Verhalten braucht, um Straf-fälligkeit zu vermeiden; und damit auch Alternati-ven zur Strafe.

NEUSTART Geschäftsführer Alfred Kohlberger ist überzeugt: „Unsere ehrenamtlichen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter bringen für ihre Tätigkeit bei uns spezielle Fähigkeiten und ihre jeweiligen Netzwerke mit. Diese Netzwerke helfen mit, im heiklen Feld der Straffälligenhilfe auch Verständ-nis dafür zu schaffen, dass zu helfen besser ist als nur zu strafen.“ Am 31.12.2014 waren beim Verein NEUSTART 1.004 ehrenamtliche Be-währungshelferinnen und -helfer aktiv. Darüber hinaus engagieren sich sechs Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte zum Teil schon seit vielen Jah-ren im Kontrollorgan von NEUSTART und helfen mit, dass unser Verein eine wirtschaftlich und inhaltlich gut geführte Organisation ist.

Seit Ende 2014 hat NEUSTART noch ein weiteres Gremium, in dem zivilgesellschaftli-ches Engagement seinen Ausdruck findet. Am 1. Dezember 2014 hat sich das NEUSTART Kuratorium der Öffentlichkeit präsentiert. Sieben Personen des öffentlichen Lebens haben sich vorgenommen, ihre persönliche Expertise und auch Netzwerke zur Verfügung zu stellen, damit notwendige Entwicklungen in der Straffälligen-hilfe eine Stimme bekommen. Ihre Motivation ist von der Überzeugung geprägt, dass es auf abweichendes Verhalten eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten – außer dem Gefäng-nis – gibt, besonders bei Jugendlichen. „Härte und rigide Strafenpolitik haben keine Wirkung auf die Reduzierung von Jugendgewalt“ meint etwa Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer vom Institut für Strafrecht der Universität Linz. „Jugendliche gehören nicht ins Gefängnis“, sagt Mag. Dr. Heide Schmidt, ehemalige dritte Präsidentin des Nationalrats. Und Dr. Werner Leixnering, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, verlangt: „Projekte auf Initiative der Kinder- und Jugendhilfe zur intensiven und frühen Betreuung und Stützung von gefährdeten Familien sind zu fördern, zum Beispiel Familienkonferenzen.“

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ZIVILGESELL-SCHAFTLICH ENGAGIEREN

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„Sozialpolitik ist die beste Kriminalitätspolitik.“Mag. Martin Schenk, Diakonie Österreich

Alfred Kohlberger MAS, NEUSTART Geschäftsführer für wirtschaftliche Angelegenheiten

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REFORMEN FÜR DEN MASSNAHMEVOLLZUGIn Umsetzung des Regierungs-programms, aber auch als Re-aktion auf einen verwahrlosten Maßnahmepatienten, setzte der Bundesminister für Justiz im Juni 2014 eine Arbeitsgrup-pe zur Reform des Maßnahme-vollzugs ein.

Expertinnen und Experten wurden eingebunden und gaben Empfehlungen ab. Diese sollen nun von der Justizpolitik bewertet und je nach Entscheidungsergebnis umgesetzt werden. Das Ganze ist ein mehrjähriger Prozess unter Leitung des Bundesministeriums für Justiz. In nur einem halben Jahr hat die Arbeitsgruppe einen umfas-senden Befund erstellt und in ihrem Abschluss-bericht in 92 Punkten konkrete Empfehlungen für notwendige Änderungen gemacht.

Die erforderlichen Anstrengungen für den Maßnahmevollzug werden groß sein müssen. Komplexität, finanzieller Umfang, negative

Einstellungen gegenüber Maßnah-meuntergebrachten sowie Ängste lasten schwer auf diesem Thema. Umgekehrt läuft Österreich ohne

Reformen Gefahr, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen Nichteinhal-tung der Menschenrechtskonvention verurteilt zu werden. Der Grund ist, dass Maßnahmeun-terbringungen nicht als Strafe, sondern wegen krankheitsbedingter Gefährlichkeit erfolgen.

Für vorbeugende Freiheitsentziehungen, die keine Strafe sind, hat das deutsche Bundesver-fassungsgericht als Reaktion auf die Rechts-sprechung des EGMR bereits im Jahr 2011 festgestellt, dass sie „in deutlichem Abstand zum Strafvollzug so auszugestalten sind, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt“. Es besteht kein Zweifel, dass dieser Maßstab auch für den österreichischen Maßnahmevoll-zug gilt. Gleichzeitig ist klar, dass die derzeitige Realität des Maßnahmevollzugs diesem Maßstab widerspricht. Die Überführung aller zurechnungs-unfähigen Insassinnen oder Insassen als Patien-tin oder Patient in die Psychiatrie wäre ein großer Veränderungsschritt. Davon abgesehen gibt es

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Dr. Christoph Koss, NEUSTART Geschäftsführer Sozialarbeit und Organisation der Einrichtungen

www.neustart.at

„Derzeit sind in Österreich Straf- und Maßnahmevollzug unklar getrennt.“

nicht „die eine große Maßnahme“ sondern viele kleine Schritte, die den Maßnahmevollzug ins-gesamt nachhaltig verändern würden. Benötigt werden Reformwille, Ausdauer, Beharrlichkeit, Energie, Steuerung und die Zusammenarbeit sowie Vernetzung der beteiligten Akteure. Ziel muss sein, die Zahl der Untergebrachten wieder dorthin zu senken, wo wir im Jahr 2000 schon einmal waren. Das würde eine Halbierung bedeuten. Aufgrund der menschenrechtlichen Sensibilität durch die Möglichkeit einer zeitlich unbegrenzten Anhaltung und damit einer Maß-nahmeunterbringung bis zum Tod sind Sachori-entierung und verantwortungsvolle Mitarbeit eine wünschenswerte Grundhaltung.

[email protected]

Seit dem Jahr 2000 hat sich die Anzahl jener Personen, die in einer Maßnahme nach § 21 StGB untergebracht sind, ungefähr verdoppelt (zum Stichtag 1.1.2015 waren insgesamt 851 Personen im Maßnahmevollzug untergebracht oder nach § 429 Abs. 4 StPO vorläufig ange-halten). Das ist sowohl auf die steigende Zahl eingewiesener Personen als auch auf die längere Anhaltedauer zurückzuführen. In den vergange-nen zehn Jahren wurden überdies zunehmend Personen wegen minderschwerer Kriminalität in einer Maßnahme untergebracht. Rund die Hälfte aller nach § 21 Abs. 1 StGB untergebrachten Personen befindet sich in öffentlichen Kranken-anstalten; dafür muss das Bundesministerium für Justiz den Privatpatiententarif bezahlen. Rund zwei Drittel aller nach § 21 Abs. 2 StGB untergebrachten Personen befinden sich in Justizanstalten.

ENTWICKLUNG DER MASS- NAHMEUNTERBRINGUNG

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„Im Tatausgleich können Jugendliche anhand eines negativen Beispiels, wo eine Auseinan-dersetzung eskaliert ist, lernen, wie sie künftig besser mit Konflikten umgehen: erkennen, wann sie heißlaufen und wie sie die Notbremse ziehen. Im Tatausgleich haben sie im Gespräch das

direkte Feedback des Opfers und erleben, wie es sich anfühlt, Opfer zu sein. Das wirkt, weil sie dadurch oft auch an eigene Opferer-

lebnisse andocken können. Dieser Lerneffekt ist – neben anderen – sehr eindringlich.“ (Mag. Bernhard Glaeser, Leiter Sozialarbeit).

Österreich gilt als Motor in der Entwicklung wiedergutmachender Modelle. Vom Modellver-such für Jugendliche ausgehend hat sich der Tatausgleich auch für Erwachsene etabliert. Die von NEUSTART entwickelte und standardisierte Vorgangsweise im Tatausgleich hat europaweit

Vorbildfunktion. Die Teilnahme an dieser Art der Konfliktregelung ist immer freiwillig und setzt die Zustimmung des Opfers voraus. Meist weisen die Staatsanwaltschaften nach Körperverlet-zungen, Drohungen, Raufhandel, Nötigungen oder Sachbeschädigungen zum Tatausgleich zu. Dass die oder der Beschuldigte Verantwortung übernimmt, Schaden wiedergutmacht und sich entschuldigt sind die bekanntesten Eckpunkte bei dieser Form der Konfliktregelung.

Die Rückfallsrate nach einem Tatausgleich ist mit unter 15 Prozent bei keiner anderen Reaktions-form so niedrig; bei einem erfolgreichen Tataus-gleich nach häuslicher Gewalt liegt die Rück-fallquote nach drei Jahren sogar bei unter zehn Prozent, wie ein Forschungsbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie aus 2008 zeigt. Auch die Zufriedenheit wurde von über 83 Prozent mit sehr gut und gut bewertet.

Ein Spezialgebiet von NEUSTART ist der Tataus-gleich bei häuslicher Gewalt. Mit seinem auf die-sen Gewaltbereich angepassten methodischen Vorgehen schafft es der Tatausgleich, gegenüber herkömmlichen Gerichtsverfahren mehr Zufrie-denheit gerade bei den Opfern herzustellen. Die Interessen der Opfer werden dadurch gewahrt, dass ein Tatausgleich nur in jenen Fällen möglich ist, in denen der oder die Beschuldigte (25 Pro-zent der Beschuldigten sind weiblich) einsichtig ist und bereit, die Verantwortung für seine oder ihre Gewalttätigkeit zu übernehmen. Besonders weibliche Opfer fühlen sich nach einem Tataus-

report 2015ÖSTERREICH

LERNEN, ES BESSER ZU MACHEN30 Jahre gibt es in Österreich den Tatausgleich. Seit 1985 haben 170.000 Konfliktregelun-gen mit rund 300.000 Opfern stattgefunden. 2014 gab es fast 6.000 Zuweisungen.

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„Opfer werden gehört, ihre Interessen werden berücksichtigt.“

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Im Tatausgleich werden die Beteiligten ausführ-lich über ihre Möglichkeiten informiert. Wenn sie bereit sind, sich auf das Verfahren einzulassen, werden mit Beschuldigten und Opfern zuerst in Einzelgesprächen der Vorfall, dessen Hinter-gründe, dessen Auswirkungen und schließlich Möglichkeiten der Bereinigung besprochen.

Wenn alle offenen Fragen geklärt sind und die Beteiligten über ihre Möglichkeiten und Ansprü-che informiert sind, sind die Voraussetzungen für ein gemeinsames Mediationsgespräch gegeben. Hier werden unter Anleitung von Konfliktreglerin-nen und Konfliktreglern gemeinsam der Vorfall und dessen Bereinigung erörtert.

In den meisten Fällen kommt es auch zu einer finanziellen Schadenswiedergutmachung. Blei-benden Eindruck jedoch hinterlassen regelmäßig die persönlichen Gespräche der Beteiligten über Motivation und Gefühle. Opfer wollen wissen, warum gerade sie Opfer geworden sind und möchten erleben, dass der Beschuldigte ehrlich seinen Fehler einsieht. Klare Verantwortungs-

übernahme beim Beschuldigten ist die Voraus-setzung für einen gelungenen Tatausgleich. Eine ehrliche Entschuldigung und die persön-liche Bereinigung des Vorfalls ermöglichen allen Beteiligten, einen Schlussstrich unter den Vorfall ziehen zu können.

In über 70 Prozent der Fälle kann nach gelunge-nem Tatausgleich das Strafverfahren eingestellt werden.

[email protected] | Leiter Zentralbereich Sozialarbeit

SO FUNKTIONIERT DER TATAUSGLEICH

gleich gestärkt und unterstützt. In vielen Fällen geht es nicht nur darum, Gewalt nachhaltig zu stoppen und an einer gemeinsamen gewaltfrei-en Zukunft zu arbeiten; oft ist es Aufgabe der Konfliktreglerin und des Konfliktreglers, die bei häuslicher Gewalt in Co-Mediation zur Seite stehen, den Rahmen für eine eskalationsfreie Trennung gestalten zu helfen.

Gewaltopfer haben jedenfalls Anspruch auf Prozessbegleitung und können von bis zu drei Personen begleitet werden (Rechtsanwältin, Mit-arbeiterin des Gewaltschutzzentrums, Vertrau-ensperson). Zusätzliche Verbindlichkeit entsteht durch festgelegte Beobachtungszeiträume, in denen die beim Tatausgleich getroffenen Verein-barungen überprüft werden.

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ANGEBOT AN BEDÜRFNISSE ANPASSENVon der Bewährungshilfe hat man ein bestimmtes Bild – meist eines aus amerikanischen Filmen. In Österreich hat die Bewährungs-hilfe eine Tradition ursprünglich aus ehrenamtlicher Arbeit, die in fast 60 Jahren professionalisiert und methodisch weitläufig verfei-nert wurde.

Ein 23-Jähriger, der betrunken nach erlittenen Faustschlägen seinen Gegner mit dem Messer bedrohte und zusätzlich dessen Auto zerkratz-te: Da vorbestraft, erhielt er wegen gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung ein Jahr

bedingte Verurtei-lung, eine Geldstrafe, Bewährungshilfe und Anti-Gewalt-Training verordnet. Ein 29-Jähriger, der Drogen schmuggelte

und eine Indoor-Plantage betrieb: zehn Monate bedingt, Bewährungshilfe, Psychotherapie. Ein 49-Jähriger, der Cannabis anbaute und sich vor Gericht wegen Suchtgifthandels verantworten musste: sechs Monate Haft und Bewährungs-hilfe. Das sind einige Urteile, über die an einem

einzigen Tag in Tageszeitungen berichtet wurde. Sie zeigen einen kleinen Ausschnitt der Band-breite an Delikten und Altersgruppen, mit denen es die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von NEUSTART zu tun bekommen.

Jugendliche, Erwachsene, Männer und Frauen, Kurzstrafige und Lebenslange gehören zu den Betreuten. Von Vermögensdelikten, Körperverlet-zung über Gewalt- bis Sexualstraftaten reicht die Bandbreite der Delikte. Das zeigt schon, dass man nicht alle über einen Kamm scheren kann und dass auch die Bandbreite in der Betreuung groß sein muss. Mit fast 60-jähriger Erfahrung hat die österreichische Bewährungshilfe einen speziellen Weg und ein komplexes Methodenre-pertoire entwickelt, um die vielfältigen Bedürfnis-se ihrer Klientel abzudecken.

report 2015ÖSTERREICH

„Bewährungshilfe hat ver-schiedene Herangehenswei-sen und ein breites Angebot.“

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Bewährungshilfe kann statt einer Haftstrafe oder bei einer bedingten Entlassung aus der Haft an-geordnet werden. Sie kann aber auch als vorläu-

fige Bewährungshilfe angeordnet werden; dadurch kann Untersuchungshaft vermieden werden. Auch als diversionel-le Maßnahme kann

Bewährungshilfe verhängt werden, wenn sich Beschuldigte während einer Probezeit zwischen einem und zwei Jahren von der Bewährungshilfe betreuen lassen.

Die Professionalität der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer liegt darin, anhand eines strukturierten Prozesses nicht nur auf die Risiken zu schauen, die von den von ihnen betreuten Menschen ausgehen. Besonders wichtig ist es, auch die Ressourcen zu identifizieren und zu för-dern, also die Möglichkeiten, die jemand hat, um auf einen straffreien Weg zu kommen und dort zu bleiben. Je nachdem, wie gefährdet jemand ist, wird mit Einzelkontakten intensiv betreut oder es werden größere Kontaktintervalle angeboten. Wenn sich Defizite im sozialen Bereich zeigen werden spezielle Programme wie Anti-Gewalt-Trainings oder Gruppenarbeit eingesetzt. Bei der Wohnbetreuung wird dabei geholfen, zu lernen, wie man eigenständig und selbstverantwortlich wohnt. Eine erfolgreiche Methode ist auch die Sozialnetz-Konferenz, die das Umfeld der Be-treuten mit einbezieht.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NEUSTART sind besonders geschult, Probleme zu lösen und Menschen in schwierigen Situati-onen zu unterstützen: bei der Wohnungs- und

Arbeitssuche, beim Kontakt mit Ämtern und Behörden und vor allem bei der persönlichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das De-likt zu thematisieren ist wichtige Voraussetzung dafür, dass daran gearbeitet werden kann, aus der eigenen Endlosschleife Kriminalität auszu-steigen, weil man andere Reaktionsmöglichkei-ten für Krisensituationen gelernt hat.

Oft verlieren Menschen wegen ihrer Straftat den Kontakt zur Familie oder Freunden, ihre Arbeit und ihre Wohnung. Die Bewährungshelferinnen und -helfer bieten Vertrauen, Halt und Unter-stützung an. Durch menschliche Anerkennung geben sie emotionalen und sozialen Rückhalt. Mit dieser Hilfe kann das neue Leben geplant und begonnen werden. Die Klientinnen und Klienten müssen dabei allerdings mitarbeiten: Termine einzuhalten, sich mit dem eigenen straf-fälligen Verhalten auseinanderzusetzen und sich an verhängte Auflagen zu halten, gehört dazu. Schließlich muss jeweils nach sechs Monaten und am Ende der Betreuung an das Gericht berichtet werden, ob alle Bedingungen eingehal-ten wurden. Mit Unterstützung von NEUSTART bleiben während der Betreuung bei (teil)beding-ter Strafnachsicht 55 Prozent straffrei; nach Be-treuungsabschluss bei bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe sind es sogar 62 Prozent.

Dass neben den hauptamtlichen über 1.000 eh-renamtliche Bewährungshelferinnen und -helfer die Integration in die Gesellschaft unterstützen, ist für NEUSTART wichtig, weil dieses zivilgesell-schaftliche Engagement zeigt, dass Kriminalität alle etwas angeht und jede und jeder eine zweite Chance bekommen soll.

– db –

www.neustart.at

Bei der Bewährungshilfe wird konzentriert daran gearbeitet, Rückfälle zu vermeiden. Täterinnen und Täter müssen sich intensiv mit ihrer Straftat auseinandersetzen.

Alternatives und konstruktives Verhalten kann gelernt und trainiert werden. Es ist entscheidend, dass jede Klientin und jeder Klient ein maßge-schneidertes Betreuungsangebot bekommt.

Dieses fördert die Ressourcen der Person und minimiert die jeweiligen Risikofaktoren.

SO FUNKTIONIERT DIE BEWÄHRUNGSHILFE

„Bewährungshelferinnen und -helfer sind zur Verschwie-genheit verpflichtet.“

[email protected] | Leiter Zentralbereich Sozialarbeit

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report 2015ÖSTERREICH

Bei NEUSTART arbeiteten 2014 hauptberuflich 563 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund 62 Prozent davon sind Frauen. Von gesamt 1.004 Ehrenamtlichen sind 610 Frauen, das sind rund 61 Prozent. Diese Vielfalt ist für die Qualität der Betreuungsarbeit wichtig, wenngleich bei unserer

Klientel die Männer überwiegen. Wo es möglich ist, ohne den Lesefluss zu sehr zu behindern, werden in den Texten beide Geschlechter be-rücksichtigt. Ansonsten werden geschlechtsneut-rale Bezeichnungen gewählt.

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1.567 MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER

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Die Initiative nach einer Idee von Justizminister Brandstetter unterstützt straffällige Jugendliche in Notlagen. Anlässlich der Pressekonferenz am 18. September 2014, bei der die Aktion vorgestellt wurde, rief Justizminister Brandstetter zur Betei-ligung auf: „Mit dem Kauf eines Paragrafenkip-ferls kann jede und jeder von uns einen kleinen Beitrag leisten, damit Jugendliche den Absprung aus der Kriminalität schaffen.“

Die Firma Ankerbrot formte und produzierte die Kipferln und verkaufte sie in ihren rund 120 Filia-len mit Schwerpunkt in Wien. Das Paragrafenkip-ferl wurde mit einem Theken-Aufsteller und einem kleinen Informationsblatt beworben. Ankerbrot-Vorstand Peter Ostendorf über die Motivation von Ankerbrot: „Als Lehrlingsausbildner investieren wir bewusst in die Zukunft junger Menschen. Deshalb waren wir sofort ganz Ohr, das Projekt NEUSTART, das jungen Menschen tatkräftig beim Wiedereinstieg in die Gesellschaft unter die Arme greift, zu unterstützen“.

PARAGRAFEN-KIPFERLBis Ende November 2014 konn-te das ANKER Paragrafenkipferl in allen ANKER Filialen um 1,29 Euro gekauft werden. Bei durch-schnittlich 500 verkauften Stück pro Tag erhielt NEUSTART zehn Cent von jedem verkauften Stück.

NEUSTART Geschäftsführer Christoph Koss erzählt aus der Praxis: „Jugendkriminalität schafft man nicht durch Drohgebärden und Wehklagen aus der Welt. Hier braucht es Einfallsreichtum, Entschlossenheit und Tatkraft. NEUSTART ist überall dort aktiv, wo die Justiz die Umsetzung neuer Wege erprobt. Die Erfolge bestätigen diese gemeinsamen Initiativen.“

Von Mitte September bis Ende November 2014 wurden rund 50.000 Stück verkauft – das be-deutete bei zehn Cent des Verkaufspreises pro verkauftem Kipferl einen Spendenscheck von 5.000,- Euro für straffällige Jugendliche. Bisher erhielten rund 20 Jugendliche Unterstützung in Form von Lebensmittelgutscheinen, Fahrtkosten, Winterbekleidung, für medizinische Untersuchun-gen, Dokumente oder Haushaltsgeräte. Für jede und jeden Einzelnen war es motivierend, zu erle-ben, dass es Menschen gibt, die an sie glauben und ihnen helfen.

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v.l.n.r.: Justizminister o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter, NEUSTART Geschäftsführer Alfred Kohlberger MAS, Ankerbrot-Vorstand Peter Ostendorf, NEUSTART Geschäftsführer Dr. Christoph Koss

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