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Zu den Autorinnen: Elżbieta Kaca – Koordinatorin und Forscherin im Europa-Programm des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau. Absolventin des Europa Colleges in Natolin und der Fakultät für Journalismus und Politwissenschaften der Universität Warschau. Sie ist spezialisiert auf die Außenpolitik der Europäischen Union (vor allem derer Ostpolitik, Entwicklungspolitik, Demokratieförderung) und auf die Arbeit des Europäischen Parlaments. Dr. Agnieszka Łada – Politologin, Leiterin des Europa-Programms und Analytikerin am Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, Doktor der Politikwissenschaft und Deutschlandexpertin. Sie absolvierte das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Warschau sowie ein Postgraduiertenstudium Organisationspsychologie in Dortmund. Sie ist spezialisiert auf Europafragen (Europäisches Parlament, Ratspräsidentschaft der EU, europäische Zivilgesellschaft, Ostpolitik der EU) und der deutschen Problematik. Gemeinsam oder getrennt? Die Östliche Partnerschaft in der Politik Polens und Deutschlands Elżbieta Kaca Agnieszka Łada Aus dem Polnischem: Barbara Samborska © Copyright by Fundacja Instytut Spraw Publicznych, Warszawa 2011. Die Publikation entstand im Auftrag des Polnischen Instituts Berlin, Filiale Leipzig. Projekte des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten werden von der Europäischen Union gefördert: Förderung für Organisationen, die sich auf Europäischer Ebene für eine aktive, Europäische Bürgerschaft engagieren. Instytut Spraw Publicznych ul. Szpitalna 5 lok. 22 00-031 Warszawa tel. +48 022 556 42 99 fax +48 022 556 42 62 e- mail: [email protected] www.isp.org.pl ISBN 978-83-XXXX-XX-X Die Publikation entstand im Auftrag des Polnischen Insituts Berlin – Filiale Leipzig Okladka_Niemiecka.indd 1 Okladka_Niemiecka.indd 1 2011-12-01 10:38:40 2011-12-01 10:38:40

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Zu den Autorinnen:

Elżbieta Kaca – Koordinatorin und Forscherin im Europa-Programm des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau. Absolventin des Europa Colleges in Natolin und der Fakultät für Journalismus und Politwissenschaften der Universität Warschau. Sie ist spezialisiert auf die Außenpolitik der Europäischen Union (vor allem derer Ostpolitik, Entwicklungspolitik, Demokratieförderung) und auf die Arbeit des Europäischen Parlaments.

Dr. Agnieszka Łada – Politologin, Leiterin des Europa-Programms und Analytikerin am Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, Doktor der Politikwissenschaft und Deutschlandexpertin. Sie absolvierte das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Warschau sowie ein Postgraduiertenstudium Organisationspsychologie in Dortmund. Sie ist spezialisiert auf Europafragen (Europäisches Parlament, Ratspräsidentschaft der EU, europäische Zivilgesellschaft, Ostpolitik der EU) und der deutschen Problematik.

Gemeinsam oder getrennt?Die Östliche Partnerschaft

in der Politik Polens und Deutschlands

Elżbieta Kaca Agnieszka Łada

Aus dem Polnischem: Barbara Samborska

© Copyright by Fundacja Instytut Spraw Publicznych, Warszawa 2011.

Die Publikation entstand im Auftrag des Polnischen Instituts Berlin, Filiale Leipzig.

Projekte des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten werden von der Europäischen Union gefördert: Förderung für Organisationen, die sich auf Europäischer Ebene für eine aktive,

Europäische Bürgerschaft engagieren.

Instytut Spraw Publicznychul. Szpitalna 5 lok. 22

00-031 Warszawatel. +48 022 556 42 99fax +48 022 556 42 62

e- mail: [email protected]

ISBN 978-83-XXXX-XX-X

Die Publikation entstand im Auftrag des Polnischen Insituts Berlin – Filiale Leipzig

Okladka_Niemiecka.indd 1Okladka_Niemiecka.indd 1 2011-12-01 10:38:402011-12-01 10:38:40

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Inhaltsverzeichnis

Thesen (Elżbieta Kaca, Agnieszka Łada) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Einleitung (Elżbieta Kaca) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Polens Haltung zur Östlichen Partnerschaft (Elżbieta Kaca) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft (Agnieszka Łada) . . . . . . . . . . . . . 27

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Östlichen Partnerschaft (Agnieszka Łada) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

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Elżbieta Kaca, Agnieszka Łada

Executive summary

• Der Östlichen Partnerschaft fehlt zurzeit eine günstige internationale Konjunktur, da-mit sie ein wichtiges EU-Projekt wird. Die Gesundung der Wirtschaft der Union und ein Engagement im Prozess der Veränderungen in Nordafrika sind für die Politiker der Union wichtiger. Die Länder Osteuropas und des Südkaukasus regen selbst zu keinem größeren Engagement an, weil sie die demokratischen Prinzipien nicht einhalten und nach Auffassung vieler EU-Länder Reformen zu langsam angehen. Hoffnung richtet sich hauptsächlich auf Moldawien.

• Die Östliche Partnerschaft ist aber eine Unionspolitik, die konsequent von den Institu-tionen der Union realisiert wird, die dazu verpfl ichtet sind. Politiker aus der EU und aus Osteuropa treffen sich regelmäßig, und die Finanzprogramme für eine multilaterale Zusammenarbeit sind planmäßig angelaufen. Es ist ebenfalls gelungen, ein Gremium zu berufen, das die Nichtregierungsorganisationen (Zivilgesellschaftsforum) und Parla-mentarier aus den Ländern der EU und der ÖP (Euronest) zusammenbringt.

• In den bilateralen Beziehungen lässt sich ein gewisser Fortschritt verzeichnen – Asso-ziationsabkommen werden praktisch schon mit allen Ländern der Region (ausgenom-men Belarus) ausgehandelt, Georgien und Moldawien warten auf den Beschluss zum Beginn der Verhandlungen über ein Abkommen über die vertiefte Freihandelszone. Bei den Gesprächen zum Thema Visumspfl icht hat man aus der Sackgasse herausgefunden – die Ukraine und Moldawien haben einen Aktionsplan zur Liberalisierung der Visums-pfl icht erhalten.

• Polen unterstützt die Weiterentwicklung der Östlichen Partnerschaft übereinstimmend mit den Richtlinien des Dokuments, das die Initiative ins Leben gerufen hat – der „Pra-ger Deklaration“, also die Annäherung dieser Länder an die EU in den Sphären der de-mokratischen und wirtschaftlichen Standards hauptsächlich durch die Unterzeichnung von Assoziationsabkommen und Abkommen über die vertiefte Freihandelszone. Ob-wohl Warschau den EU-Beitritt der ÖP-Länder derzeit ausschließt, optiert es aber für eine „Politik der offenen Tür“ und die Anerkennung der europäischen Bestrebungen der Länder der Partnerschaft durch die EU. Ein wichtiges Ziel der Partnerschaft ist nach Auffassung Polens die Liberalisierung der Visumspfl icht.

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6 Elżbieta Kaca, Agnieszka Łada

• Die polnische Regierung unterstützt die Erweiterung der Bedingungen zur Hilfeleis-tung für die osteuropäischen Staaten in Übereinstimmung mit den von der Europä-ischen Kommission unterbreiteten Vorschlägen durch eine Überprüfung der Europä-ischen Nachbarschaftspolitik. Besonders wichtig wäre eine Flexibilisierung des Systems zur Gewährung von Hilfen.

• Vom Gesichtspunkt Polens aus wird die Sicherung einer entsprechend hohen Finan-zierung für die Region der Partnerschaft in einer neuen Finanzperspektive wichtig sein. Polen fordert eine Erhöhung des Unionsbudgets, darunter für externe Ausgaben. Gleichzeitig spricht es sich zumindest für die Beibehaltung der bisherigen Proportionen bei der Aufteilung der Mittel zwischen der südlichen und der östlichen Dimension der ENP aus.

• Deutschland lässt eine generelle Unterstützung für die Idee einer Östlichen Partner-schaft erkennen, es hat das Gefühl der Notwendigkeit, die Unionspolitik gegenüber dieser Region zu generieren. Für Berlin bleibt aber Russland der wichtigste Partner im Osten, was anfangs Zweifel am Projekt der Partnerschaft aufkommen ließ. Zurzeit wird die Östliche Partnerschaft aber nicht mehr durch das Prisma eines negativen Einfl usses auf die Beziehungen zu Moskau wahrgenommen.

• Am wichtigsten für Deutschland sind die wirtschaftlichen Kontakte mit dieser Region. Eine Annäherung der Länder der Partnerschaft an die EU im rechtlichen Bereich wäre demnach für Deutschland vorteilhaft. Es bevorzugt aber nach wie vor bilaterale Bezie-hungen zu den einzelnen Ländern. Gleichzeitig ist es gegen die Formulierung einer De-klaration zum weiteren Ausbau der EU nach Osten.

• Deutschland sieht in Polen einen Anwalt der Östlichen Partnerschaft. Gleichzeitig ist es der Auffassung, Warschau und Berlin könnten und sollten in diesem Bereich eng zu-sammenarbeiten.

• Eine Propagierung dieses Projekts durch Polen ist vom Standpunkt Deutschlands aus günstig. Wenn Deutschland dieser Initiative Unterstützung gewährt, ohne deren Motor zu sein, situiert es sich in einer günstigen Position gegenüber Russland (ohne sich in eine antagonistische Position gegen dieses Land zu bringen). Die gegenwärtige innen-politische Situation Deutschlands und sein Engagement bei der Lösung der Wirtschafts-krise gestattet es ihm nicht, gleichzeitig mit eigenen Initiativen in den Bereich der Part-nerschaft zu treten.

• Warschau und Berlin bilden gemeinsam das Gegengewicht zu den EU-Ländern, die sich stärker für die südliche Dimension der Nachbarschaftspolitik interessieren. Polen und Deutschland bemühen sich darum, dass das Thema des Ostens nicht aus der Agen-da der Union herausfällt, unterstützen aber gleichzeitig die aktive Politik der EU in Nordafrika und erwarten eine ähnliche Solidarität mit dem Osten vonseiten der übrigen Länder der Union.

• Einer der wichtigsten Bereiche der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in der Region der Partnerschaft sollte die Förderung der Bürgergesellschaft sein.

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Elzbieta Kaca

Einleitung

Die Östliche Partnerschaft (ÖP), die bereits seit mehr als zwei Jahren funktioniert, befi n-det sich gegenwärtig in einer Kehre. Die politische Situation in den Ländern der Östlichen Partnerschaft ist einem wachsenden Interesse dafür in der EU nicht förderlich. Während die Partnerschaft noch vor zwei Jahren „dank“ des russisch-georgischen Konfl ikts und der Gaskrise in der Ukraine der EU ihren Stempel aufdrückte, gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei drängende Bedrohung in der Region, die die Aufmerksamkeit der EU verlangte. Mehr ins Gewicht fällt da schon, dass die Region Osteuropa keine guten No-tierungen im Bereich einer Verbesserung von demokratischen Standards hat. Nach einem Ranking von Freedom House aus dem Jahre 2011 wird keines der Länder dieser Region als „frei“1 eingestuft. Eine Verbesserung der Situation im Bereich der bürgerlichen und po-litischen Freiheiten war in Moldawien und Georgien zu verzeichnen, wo hingegen in der Ukraine eine Verschlechterung auftrat. Aserbaidschan und Belarus sind nach wie vor kei-ne demokratischen Länder, und die Welle von Repressionen gegen die Opposition nach der Präsidentschaftswahl im Dezember 2010 in Belarus hat dessen Beziehungen zur EU auf Eis gelegt. Besondere Bedeutung für die Entwicklung der Partnerschaft hat die poli-tische Situation im größten Lande der Region, in der Ukraine. Der Prozess der Senkung demokratischer Standards in diesem Land während der Amtszeit von Präsident Wiktor Janukowytsch, darunter auch die Verhaftung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko hat die rasche Unterzeichnung des lange ausgehandelten Assoziationsabkommens mit der EU in Frage gestellt und könnte zu einer Rangabstufung des zweiten ÖP-Gipfels führen, weil die an dieser Initiative weniger interessierten EU-Länder ein Argument für ihr gerin-geres Engagement bei diesem Projekt geliefert bekommen.

Die Initiative der Östlichen Partnerschaft als Unionspolitik an sich wird von den Institu-tionen der EU, die dazu verpfl ichtet sind, konsequent realisiert. Sie funktioniert also in der organisatorischen und technischen Phase und erbringt gewisse Resultate. Politiker aus der EU und Osteuropa treffen sich regelmäßig, und die Finanzprogramme werden überein-stimmend mit dem 2009 vorgesehenen Plan auf den Weg gebracht. Die Länder der Region der Östlichen Partnerschaft und der EU haben ein konkretes Interesse an einer engeren

1 Freedom House, Freedom in the World 2011, http://www.freedomhouse.org/images/File/fi w/FIW 2011 Booklet.pdf

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8 Elżbieta Kaca

Zusammenarbeit mit der Union in verschiedenen Sektoren (z.B. Liberalisierung der Vis-apfl icht, Sicherheit der Grenzen), sowie an der Erhöhung des Handelsaustausches. Selbst-verständlich hat jedes der Länder der Östlichen Partnerschaft andere Ambitionen bei der Intensivierung der Beziehungen zur EU und in der Konsequenz besteht ein differenziertes Niveau von „Errungenschaften“ bei der Erfüllung von Verpfl ichtungen gegenüber der EU. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird große Hoffnung in die Vertiefung der Zusammenar-beit mit Moldawien gesetzt.

Eine Diskussion über die Weiterentwicklung der Partnerschaft zum jetzigen Zeitpunkt ist wichtig, denn die Gespräche über den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (deren Been-digung für 2012 erwartet wird) führen nicht nur zur Festsetzung der Höhe einer fi nanziel-len Hilfe für die Region für die Jahre 2014-2020, sondern auch, was das wichtigste ist, zu einer Veränderung der Hilfsinstrumente der EU. Die Frage ist: auf welche Weise lässt sich die Wirksamkeit der Osteuropa zugestandenen Hilfe bei Einengung des EU Haushalts er-höhen? Große Bedeutung dafür, dieser Partnerschaft einen Impuls zu geben, hat die pol-nische EU-Ratspräsidentschaft (Juli – Dezember 2011) bei der gemeinsam mit Institutionen der Union durchgeführten Vorbereitung des II. ÖP-Gipfels Ende September 2011 sowie ei-ner Serie von Ministertreffen zur Sektorenpolitik. Wichtig ist vor allem die Realisierung der Beschlüsse zur Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik, die von der Eu-ropäischen Kommission zusammen mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst im Mai 2011 herausgebracht wurden, in denen eine größere Konditionalität entsprechend dem Prinzip „Mehr Mittel für mehr Reformen“ und eine Differenzierung der Hilfen der Union für die Nachbarländer vorgeschlagen wird.2

Trotz der Tatsache, dass der Moment nicht eben günstig ist, das Thema Östliche Part-nerschaft in der Europäischen Union aufzugreifen, steht diese Initiative dennoch nicht auf verlorenem Posten. Zum einen betreffen die wichtigsten Diskussionen die wirtschaftliche Situation der Union und deren Auswege aus der Krise. Die Konsequenz daraus für die Partnerschaft ist, dass nicht viele Unionsländer bereit sind, die Ausgaben der EU für die Beziehungen außerhalb zu erhöhen. Aber auch im Moment der Entstehung der Östlichen Partnerschaft vor zwei Jahren gab es eine Krise und viele Nettobeitragszahler leisteten Wi-derstand. Zum anderen konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Europäischen Nach-barschaftspolitik hauptsächlich auf die nordafrikanischen Staaten. Einerseits führt dies zu einer Diskussion über das Aufsplitten der Mittel zwischen dem Ost- und Südbereich die-ser Politik. Das Risiko besteht, dass die Zuwendungen für Osteuropa zugunsten der pro-blematischeren südlichen Nachbarschaft verringert werden. Andererseits hat die Situati-on in Afrika positive Veränderungen im Konzept der Europäischen Nachbarschaftspolitik bewirkt, die für die Region der Partnerschaft günstig sind. Bei ihrer Realisierung könnten sie zu einer wirksameren Hilfeleistung (z.B. zur Einführung von Instrumenten für die Ent-stehung einer Bürgergesellschaft, Einrichtung eines Europäischen Fonds für Demokratie, kritischeres Herangehen an die Ergebnisse der Durchführung von Reformen in den Nach-barländern) führen.

Die weitere Gestaltung der Östlichen Partnerschaft als Unionspolitik verlangt aber nach einem Konsens aller Mitgliedsländer. Selbst wenn die Institutionen der Union, insbeson-dere die Hohe Vertreterin Catherine Ashton und der Europäische Auswärtige Dienst für

2 A new response to a changing Neighbourhood. A review of European Neighbourhood Policy, May 2011, http://ec.europa.eu/world/enp/pdf/com_11_303_en.pdf

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9Einleitung

die Einführung der Partnerschaft verantwortlich sind, haben doch die Unionsländer das letzte Wort. Aus diesem Grund werden im vorliegenden Text die Gesichtspunkte zwei-er Länder zur weiteren Entwicklung der Partnerschaft dargestellt: Polen, eines der an der Entwicklung dieses Projekts am stärksten interessierten Länder, und Deutschland, dessen Unterstützung für die ÖP unabdingbar und dem gleichzeitig auch an dieser Initiative ge-legen ist.

Gegenwärtiger Stand der Realisierung der Östlichen Partnerschaft

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (September 2011) wird die Östliche Partnerschaft nach über zweijährigem Bestehen (in Übereinstimmung mit dem von der Europäischen Kom-mission nach dem I. ÖP-Gipfel im Mai 2009 festgelegten Plan der Einführung dieser Ini-tiative) konsequent realisiert.3 Die Partnerschaft stützt sich auf die institutionelle Struktur und die Finanzmittel der Europäischen Nachbarschaftspolitik. In diesem Zusammenhang stellt dies in den bilateralen Beziehungen der EU zu den osteuropäischen Nachbarländern eine Kontinuität der Beziehungen der EU zu den Ländern Osteuropas dar. Ein Novum ist die Einführung einer multilateralen Zusammenarbeit (sowohl auf der Ebene diploma-tischer Begegnungen, Nichtregierungsorganisationen und Parlamentariern wie auch bei Hilfsprogrammen), aber auch eine präzisere Agenda bilateraler politischer Beziehungen (Nachdruck bei der Unterzeichnung von Assoziierungsabkommen und Verträgen über eine vertiefte Freihandelszone, Anstrebung des visumfreien Reiseverkehrs usw.). Darü-ber hinaus wurde 2009 in der Europäischen Kommission eine mehrköpfi ge Arbeitsgrup-pe für institutionelle Lösungen berufen, die sich mit der multilateralen Zusammenarbeit der Partnerländer befasst. Mit der institutionellen Reform, verursacht durch den Vertrag von Lissabon, hat der Europäische Auswärtige Dienst die politische Agenda dieser Poli-tik übernommen und die für die Östliche Partnerschaftspolitik verantwortlichen Beamten dem Europäischen Auswärtigen Dienst unterstellt. Die Europäische Kommission ist wei-terhin für die Durchsetzung von Hilfsprogrammen und die Realisierung des Budgets ver-antwortlich, was im Entscheidungsprozess eine gewisse „Verwirrung“ stiftet.4

Bilaterale Beziehungen der Union zu den einzelnen Ländern der Partnerschaft

Auf bilateraler Beziehungsebene der EU mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft ist das Ziel hauptsächlich die Herbeiführung der Unterzeichnung von Assoziierungsab-kommen und Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone. Vor der Entstehung der Partnerschaft konnte nur die Ukraine begonnene Verhandlungen zu solchen Abkommen vorweisen. Dank dieser Initiative profi tierten auch die übrigen Länder davon. Gegenwär-tig haben alle Länder Südkaukasiens (seit Juli 2010) und Moldawien (seit Januar 2010) mit Verhandlungen über Assoziierungsabkommen begonnen. Geplant ist auch der Beginn von

3 Vademecum on fi nancing – Eastern Partnership, September 2010, http://www.eeas.europa.eu/eastern/docs/eap va-demecum en.pdf

4 Elżbieta Kaca, Monika Sus, Trudne początki. Nowa unijna dyplomacja a Partnerstwo Wschodnie, Analizy i Opinie, In-stytut Spraw Publicznych, 2011

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10 Elżbieta Kaca

Verhandlungen zu einer Vertiefung der Freihandelszone mit Georgien und Moldawien. Die EU hat Armenien eine Liste von Empfehlungen (erarbeitet von der Advisory Group der EU) zukommen lassen, bisher ist aber kein bedeutender Fortschritt in den Gesprächen zu diesem Thema zu verzeichnen. Aserbaidschan ist kein Mitglied der WTO, was ein we-sentliches Hindernis darstellt, ein solches Abkommen zu unterzeichnen. Belarus dagegen hat kein rechtlich verbindliches Abkommen mit der EU. Charakteristisch ist also die Auf-teilung der ÖP-Länder in zwei Gruppen, in Länder die eine größere Chance zur Integra-tion in die EU haben (die Ukraine, Moldawien und Georgien), und die restlichen, für die das Angebot weniger ambitioniert ist.

Die Unterzeichnung von Assoziierungsabkommen und Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone ist kurzfristig nur schwer zu erreichen. Dies ist ein sich auf mehrere Jahre ausdehnender Prozess. Für die Dauer der polnischen Präsidentschaft ist der Abschluss der Arbeiten an einem Assoziierungsabkommen mit der Ukraine geplant, dessen integraler Bestandteil ein Abkommen über die vertiefte Freihandelszone ist (mit den Verhandlungen wurde 2007 begonnen). Obwohl die Verhandlungen praktisch abgeschlossen sind und die Paraffi erung des Abkommens für Ende 2011 geplant ist, ist eine rasche Ratifi zierung im Hinblick auf den Widerstand der Mitgliedsländer und des Europäischen Parlaments unsicher. In Zusammenhang mit der Verhaftung von Julia Tymoschenko im August 2011 haben manche Länder wie Frankreich ihr Veto bei der Unterzeichnung des Abkommens angekündigt, falls die Oppositionsführerin nicht aus der Haft entlassen wird.5 Auch aus anderen Hauptstädten (z.B. aus Deutschland) kommen Signale, dass die EU den Druck auf die Ukraine bei der Wahrung demokratischer Standards erhöhen sollte.

Die Beziehungen der EU zur Ukraine beherrscht ein Dilemma strategischer Natur, bis zu welchem Grade die Unterzeichnung des Abkommens von der Wahrung demokra-tischer Standards abhängig gemacht werden soll. Einerseits wäre eine bedingungslose Unterzeichnung eine „Belohnung“ für Präsident Wiktor Janukowytsch und würde ihn in seiner Politik bestätigen, wie oppositionelle Kreise betonen. Andererseits würde die Un-terzeichnung eines konkreten, rechtlich verbindlichen Assoziationsabkommens durch die Ukraine die Möglichkeit der Einfl ussnahme der EU auf die innenpolitische Situation dieses Landes erhöhen.6 Es wäre auch ein positives Signal für die politische Elite der üb-rigen Länder der Region (insbesondere Moldawien, wo die politische Situation trotz pro-europäischer Orientierung der derzeitigen Regierung weit davon entfernt ist, stabil zu sein, und die Ukraine ist ein wichtiger Bezugspunkt in der internationalen Politik dieses Landes), um die Verhandlungen über die Abkommen mit den mit den ÖP-Ländern voran-zutreiben. Schließlich ist eine Abkommensunterzeichnung vom Standpunkt der Rivalität zwischen der EU und Russland um den wirtschaftlichen Einfl ussbereich in dieser Region auch wichtig.

Der Verhandlungsprozess zum Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone wird auch im Falle Moldawiens und Georgiens nicht einfach werden. Die Bedingungen der Uni-

5 Tomasz Bielecki, Unia zaniepokojona Ukrainą, a Palestyny nie poparła, „Gazeta Wyborcza”, 4.09.2011, http://wybor-cza.pl/1,75248,10227838,Unia_zaniepokojona_a_Palestyny_nie_poparla.html

6 Bei der gegenwärtigen Situation einer unverbindlichen Assoziationsagenda sind die Möglichkeiten, von der Ukrai-ne die Einhaltung ihrer Verpfl ichtungen einzufordern, sehr gering. Die EU kann die Hilfen einfrieren, ein Beispiel dafür war das Einfrieren der Stützungen des Haushalts und die Bedingung für das Anlaufen der Hilfen durch die Annahme des Gesetzes zu öffentlichen Ausschreibungen im Februar 2011. So etwas ist allerdings nur sporadisch möglich, weil die eingefrorenen Mittel aus dem Budget für Nachbarschaftshilfe herausfallen und ins allgemeine Budget der EU zurück-kehren, und darüber hinaus ist es sehr schwierig, die Beziehungen zu dem jeweiligen Land wieder aufzubauen.

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Einleitung 11

on zur Aufnahme von Verhandlungen mit diesen Ländern sind schon um vieles restrikti-ver als im Fall der Ukraine. Die Haltung der EU resultiert daraus, dass es leichter ist, die Länder zu Reformen im wirtschaftlichen Bereich zu bewegen, bevor mit dieser Art Ver-handlungen begonnen wird. Moldawien und Georgien scheinen momentan geneigt, die sich aus solchen Reformen ergebenden Kosten zu tragen.7 Während der polnischen Präsi-dentschaft wird eine Entscheidung über den Beginn dieser Verhandlungen erwartet. Das Tempo des Verhandlungsprozesses wird von der weiteren Entwicklung der politischen Si-tuation in diesen Ländern abhängen.

Ein ungelöstes Problem ist dagegen der Platz von Belarus in der Östlichen Partnerschaft. 2009 war Belarus zu der multilateralen Partnerschaft hinzu gestoßen. Aber im Hinblick auf die brutale Abrechnung mit der Opposition durch Aleksander Lukaschenko nach den Präsi-dentschaftswahlen von 2010 und die darauf erfolgte Auferlegung von Visa- und Wirtschafts-sanktionen durch die EU auf Belarus8 sind die Beziehungen zwischen der EU und dem Lan-de eingefroren. Die EU hat dagegen ein vergrößertes Hilfspaket für die Bürgergesellschaft von Belarus (zusätzliche Hilfsmittel) angeboten und im Februar 2011 ein Verhandlungsman-dat zur Unterzeichnung eines Abkommens über Visa-Erleichterungen und Abschiebungen mit Belarus angenommen. Im September 2011 schlug Aleksander Lukaschenko in Zusam-menhang mit der sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Situation und der Not-wendigkeit der Aufnahme von Krediten bei internationalen Instituten die Einberufung von Rundtischgesprächen mit Beteiligung der Opposition, der EU und Russlands sowie die Frei-lassung einiger politischer Gefangener vor. Die EU macht jedoch die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen zu Belarus von der Freilassung aller politischen Gefangenen abhängig. Sicher ist, dass Aleksander Lukaschenko in diesem Zusammenhang nicht zum Gipfel in Warschau eingeladen wird. Der EU ist aber an der Anwesenheit einer Delegation aus Belarus gele-gen. Die wahrscheinlichste Lösung ist demnach eine Einladung an den ranghöchsten Diplo-maten, der nicht dem Einreiseverbot in die EU gemäß den verhängten Sanktionen unterliegt. Eine genaue Entscheidung dazu soll im September 2011 getroffen werden.

Ein besonders interessantes Ziel der Östlichen Partnerschaft für alle daran beteiligten Länder ist die Liberalisierung der Visa-Bestimmungen. In der „Prager Erklärung“9 von 2009, die die Prämissen der ÖP darlegt, wurde dieser Prozess nach langen Verhandlungen (wegen des Widerstands einiger westeuropäischer Staaten) als langfristiges Ziel der EU deklariert. Seit dieser Zeit macht der Dialog über die Liberalisierung des Personenverkehrs aber Fortschritte. Im November 2010 gelang es, einen Ausweg aus der Sackgasse in den Beziehungen zwischen EU und Ukraine zu fi nden. Unterzeichnet wurde ein Aktionsplan über zwei Etappen, der die Bedingungen enthält, die die Ukraine bei der Vorbereitung zur Einführung des visafreien Systems erfüllen muss.10 Ein ähnlicher Aktionsplan wurde Mol-

7 Auftritte von Tamar Beruchaschwili, Beraterin des Außenministers von Georgien und Alex Oprunenco, Direktor des Internationalen Programms, Expertengruppe Moldawien auf der ISP-Konferenz, Zwei Jahre Ost-Partnerschaft – Re-sultate und Perspektiven, 8 Juni 2011, Warschau

8 Der Europarat beschloss am 31. Januar 2011 die Einführung von Visa-Sanktionen und das Einfrieren der persönli-chen Konten von 158 Vertretern der Staatsmacht von Belarus bei den Banken der Mitgliedsländer der Union, und am 20. Juni 2011 die Einführung von wirtschaftlichen Sanktionen gegen drei Firmen, die mit der Regierung von Belarus in Ver-bindung stehen – Bieltiecheksport (Rüstungsexport und Armeeausrüstungen), Sport-pari (Lotterie-Unternehmen) und BT Telekommunikation.

9 Joint Declaration of the Prague Eastern Partnership Summit, May 2009, http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms data/docs/pressdata/en/er/107589.pdf

10 Zugang zum Dokument auf http://novisa.com.ua/upload/fi le/EU-Ukraine-Action-Plan.pdf

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12 Elżbieta Kaca

dawien im Januar 2011 vorgestellt.11 Die restlichen Länder der Partnerschaft sind auf einer weniger fortgeschrittenen Etappe. Georgien hat ein Abkommen über Abschiebung und Visa-Erleichterung unterzeichnet, Armenien und Aserbaidschan bereiten sich technisch auf die Unterzeichnung eines solchen Abkommens vor. Zieht man die gegenwärtige Situ-ation in Betracht, ist eine fi nanzielle Unterstützung vonseiten der EU für Reformen in den Bereichen Justiz und Innenpolitik am wichtigsten, die diesen Ländern eine rasche Erfül-lung der Bedingungen der EU ermöglicht.

Multilaterale Zusammenarbeit zwischen der EU und den Ländern der Partnerschaft

Die Östliche Partnerschaft hat die Wahrnehmbarkeit und den Rang der Beziehungen zwischen der EU und den osteuropäischen Ländern durch die Einführung von Begeg-nungen auf höchster Ebene – Gipfel der Staatsoberhäupter (alle zwei Jahre) und Außen-ministertreffen (einmal pro Jahr) erhöht. Der erste Gipfel, der die Partnerschaft eröffnete, wurde im Mai 2009 während der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens organisiert. Obwohl auf diesem Gipfel Staatsoberhäupter aus zahlreichen westlichen Ländern fehlten,12gelang es doch, den Konsenstext der Deklaration über die Gründung der Partnerschaft zu unter-zeichnen. Der zweite Gipfel der Partnerschaft sollte während der Präsidentschaft Ungarns in Mai 2011 organisiert werden, wurde aber im Hinblick auf das ungünstige Datum und das Risiko einer geringen Beteiligung in den Zeitraum der Präsidentschaft Polens verlegt. Seit 2009 fanden auch zwei Begegnungen auf Außenministerebene statt, auf denen die Fortschritte in der Realisierung der Östlichen Partnerschaft besprochen wurden.13

Grundlage für eine multilaterale Zusammenarbeit ist das Funktionieren von vier multi-lateralen Plattformen (Demokratie, gute Verwaltung und Stabilität, wirtschaftliche Integra-tion und Konvergenz mit der Politik der EU, Energiesicherheit, zwischenmenschliche Kon-takte) in deren Rahmen sich die Amtsträger aus den EU-Ländern und der ÖP zweimal im Jahr treffen. Seit 2009 haben erste Treffen der multilateralen Plattformen stattgefunden, die einen Arbeitsplan für zwei Jahre festlegten. Gegenwärtig werden Arbeitspläne für zwei weitere Jahre erarbeitet. Die Treffen dienen vor allem als Forum für einen Erfahrungsaus-tausch. Im Rahmen dieser Plattformen wurden Flaggschiff-Initiativen, Podiumsdiskussi-onen von Experten und andere Formen der Zusammenarbeit auf den Weg gebracht.14 Dies sind aber nur geringfügige Mittel, wenn man große Projekte initiieren will. Mehrheitlich werden also Experten, Fallstudien, Pilotprojekte und Beraterprojekte fi nanziert. Eine di-rekte Unterstützung der Begünstigten in den Partnerschafts-Ländern wurde in zwei Programmen geplant: KMU-Fazilität, die eine Kreditlinie für kleine und mittlere Unter-nehmen (30 Mio) vorsieht, sowie Pilotprogramme zur regionalen Entwicklung (die 2012 anlaufen sollen). Ebenso wurden Mittel zur technischen Hilfe für die Regierungsämter (in

11 Zugang zum Dokument auf http://www.gov.md/doc.php?l=en&idc=447&id=339712 Von den wichtigsten Politikern westeuropäischer Staaten war Kanzlerin Angela Merkel auf diesem Gipfel. Öster-

reich entsandte nur einen Botschafter und viele andere Länder Minister verschiedenen Ranges.13 Berichte verfügbar auf http://www.eeas.europa.eu/eastern/docs/2009_eap_implementation_report-en.pdf,

http://www.eeas.europa.eu/eastern/docs/eap_meetin_foreign-affairs_131210_en.pdf 14 http://eeas.europa.eu/eastern/platforms/index_en.htm

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Einleitung 13

Höhe von 175 Mio) bereitgestellt. Entsprechende Abkommen wurden mit der Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan unterzeichnet. Die Hilfe wird mittels Instrumenten erteilt, die von der EU bereits in osteuropäischen Ländern angewandt wur-den (Twinnings, TAIEX oder SIGMA), es werden also hauptsächlich Beraterprojekte sein.

Die multilaterale Zusammenarbeit ist kein einfacher Prozess, was bereits von der EU unternommene Versuche Europäischer Partnerschaftspolitik im Süden bewiesen haben. Es ist sehr schwierig, eine Frage zu fi nden, an der die Länder ein gemeinsames Interes-se haben. Nach zwei Jahren Arbeit der Plattformen verlagert sich die Dynamik ihres Wir-kens. Während es z.B. auf der Energie-Plattform recht schwierig ist, wegen der Vielfalt der verschiedenen Interessen einen Konsens zu erlangen, weckt die Zusammenarbeit in öko-nomischen Fragen und in Visa-Angelegenheiten größeres Interesse. Das Fehlen größerer Mittel zur Aufnahme konkreter Projekte bewirkt allerdings ein Nachlassen des Interesses der osteuropäischen Länder an dieser Art von Kooperation. Für die nächsten Jahre ist es wichtig, zusätzliche Mittel für die Projekte der Plattformen zu bekommen.

Ein Gedanke für multilaterale Zusammenarbeit war auch die Häufung von Kontakten zwischen Politikern, lokalen Administratoren und Vertretern der Bürgerschaft. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Körperschaften berufen, die diese Funktion erfüllen. Als erstes wurde 2009 das Zivilgesellschaftsforum der ÖP berufen (das Vertreter des Nichtregierungs-sektors von EU- und ÖP-Ländern umfasst), dessen Plenarsitzungen jährlich und Treffen der Arbeitsgruppen zweimal pro Jahr stattfi nden. Die Entstehung dieses Forums wurde von Nichtregierungskreisen sehr positiv aufgenommen, weil bisher der Nichtregierungssektor in der Nachbarschaftspolitik nur in sehr geringem Maße in den Konsultierungsprozess der Pri-oritäten dieser Politik eingebunden wurde. Ein positives Ergebnis des Forums war die Mo-bilisierung eines dritten Sektors in den Partnerschaftsländern zu einer besseren Vernetzung – in jedem dieser Länder entstand eine nationale Plattform, die die am Forum beteiligten Nichtregierungs-Organisationen zusammenbrachte. Eine Schwäche des Forums ist dagegen das Fehlen eines Zugangs zu Informationen über die Arbeit der Regierungsplattformen und der Teilnahme (als Beobachter) bei den Arbeiten dieser Plattformen. Das verhindert reale Kommentare zu Regierungsvorschlägen, was in Widerspruch zu der in der Prager Deklara-tion formulierten Voraussetzung steht, dass das Forum eine meinungsbildende Funktion zu den Arbeiten der Regierungsplattformen hat.15

2011 ist es nach zwei Jahren gelungen, die Parlamentarische Versammlung Euronest ins Leben zu rufen, die sich aus Delegationen des Europäischen-Parlaments und der nati-onalen Parlamente der Länder der Östlichen Partnerschaft zusammensetzt. Ihr Entstehen wurde vom Europa-Parlament blockiert, das sein Einverständnis zur Teilnahme von Parla-mentsmitgliedern aus Belarus verweigerte. In Zusammenhang mit der Situation nach den Wahlen in Belarus gelang es allerdings, einen Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und den parlamentarischen Delegationen der ÖP-Länder herbeizuführen. Im Mai 2011 fand das erste Treffen von Euronest ohne Beteiligung der Abgeordneten von Belarus statt.

15 Mehr dazu in: Elzbieta Kaca, Jacek Kucharczyk, Agnieszka Lada, Eastern Partnership Civil Society Forum & how to improve it, Instytut Spraw Publicznych, 2011

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14 Elżbieta Kaca

Suche nach zusätzlichen Finanzierungsmitteln

Das ÖP-Konzept veranschlagte eine Erhöhung der Finanzierung durch internationa-le Finanzierungsinstitute für diese Initiative. Ein positives Signal war eine Erhöhung des Kreditbudgets für europäische Investoren in Ländern von Osteuropa um 1,5 Milliarden Euro (Programm Eastern Partners Facility) durch die Europäische Investitionsbank (im Dezember 2009). Mit der Vergabe von Krediten beschäftigen sich die mit der EIB ver-traglich verbundenen Institutionen in den Mitgliedsländern. In Zukunft wird die völlige Ausschöpfung dieser Mittel wichtig sein, weil die Widerstände der Investoren vor einem Engagement von Kapital in Osteuropa im Hinblick auf die wenig attraktive Investitions-umgebung ein potentielles Problem darstellen könnten. Unterstützung für eine größere Absorbierung dieser Mittel soll u. a. von dem den Partnerschafts-Gipfel in Warschau in September 2011 begleitenden Business-Forum in Sopot kommen. Daran nehmen Business-Vertreter aus der EU und den OP-Staaten teil.

Um die größten Geldgeber zu ermuntern, ihre Hilfe in Osteuropa zu erhöhen, wurde eine Informations- und Koordinationsgruppe (die sog. „Gruppe der Freunde“ der Östli-chen Partnerschaft) ins Leben gerufen. Zu dieser Gruppe gehören u. a. die USA, die Tür-kei, Russland, Japan, Norwegen und die Weltbank. Ein erstes Treffen fand im Oktober 2010 statt. Ihr Ziel ist der Informationsaustausch über durchgeführte Hilfeleistungen in der Region Osteuropa. Geplant ist der Übergang zur nächsten Etappe, der Koordinierung dieser Hilfen. Dies ist aber ein schwieriges Unterfangen, weil die Geldgeber ihre eigenen Prioritäten haben, und es nicht einfach ist, zu einem Kompromiss zu gelangen. Zum Bei-spiel ist einer der angeführten Bereiche für die Hilfe der Sektor kleiner und mittlerer Un-ternehmen.

Übersicht über die Europäische Nachbarschaftspolitik

Die Europäische Kommission arbeitet zurzeit an detaillierten Voraussetzungen für die Einführung der in der Übersicht zur Europäischen Nachbarschaftspolitik im Mai 2011 vor-gestellten Vorschläge. In Zusammenhang mit den Ereignissen in Nordafrika wird größe-rer Nachdruck auf die Frage nach den Bedingungen für die Hilfe bei Reformen und die Einführung demokratischer Standards gelegt. Auf Druck vonseiten der Mitgliedsländer machte die Kommission auch Vorschläge zur Erhöhung der Wirksamkeit der Hilfe.

Im Zentrum der Vorschläge steht das Prinzip „Mehr (Mittel) für mehr (Reformen)“. Die Kommission sieht die Bereitstellung größerer Mittel z.B. für Programme der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung, institutionelle Entwicklungsprogramme, Kredite der Europäischen Investitionsbank oder auch Mobilitätserleichterung vor. Man denke dabei an die Revision der Kriterien für die MFA, und dass Zuweisungen in der Neuen Finan-ziellen Vorausschau von Fortschritten der ÖP-Länder in der Zeit von 2010-2012 abhängig gemacht werden. Im Rahmen der Demokratie und einer guten Regierungsführung wur-den demnach fünf allgemeine Kriterien aufgezeigt,16 deren Erfüllung die Richtlinie für die

16 Das sind: freie, unabhängige Wahlen, Vereinigungsfreiheit, Freiheit des Wortes, Versammlungsfreiheit und Frei-heit der Medien; unabhängige Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung sowie das Recht auf einen fairen Prozess; Kampf gegen die Korruption; Sicherheit und Durchsetzung der sektoralen Reformen (inklusive der Polizei); demokratische Kontrolle über die Streitkräfte

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Einleitung 15

Fassung fi nanzieller Beschlüsse sein soll. Gegenwärtig wird das methodische Vorgehen bei der Beurteilung der Fortschritte im Rahmen dieser Kriterien diskutiert.

In den übrigen Bereichen sollen die Fortschritte auf Grundlage der unterzeichneten Ak-tionspläne / begleitenden Agenden bemessen werden, die grundlegende Dokumente für Details der Zusammenarbeit sind. Bisher waren die Verpfl ichtungen in diesen Dokumen-ten recht allgemein formuliert, was eine gerechte Einschätzung unmöglich machte. Die Europäische Kommission hat also Schritte vorgeschlagen, die eine Verbesserung der Situ-ation mit sich bringen sollen – Verringerung der Anzahl von Prioritäten in den verschie-denen Aktionsplänen sowie die Einführung konkreter Parameter bei der Realisierung. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich ein solcher Prozess fi nalisieren lässt, weil die osteu-ropäischen Länder erstens nicht sehr geneigt sind, konkrete Verpfl ichtungen einzugehen. Eine potentielle Veränderung könnte die Unterzeichnung konkreterer Assoziierungsab-kommen bringen. Zweitens ist die EU auch nicht zur Hilfeleistung in der Politik der Sek-toren bereit, in denen man die Verpfl ichtungen potentiell konkretisieren könnte.

Das Problem der Einführung des Prinzips „Mehr für mehr“ ist die geringe Elastizität des Hilfen-Systems der Union. Wie es einer der Amtsträger bezeichnete: „Die Politik rea-giert, aber die Maschinerie steht still.“ Gegenstand von Diskussionen in der Europäischen Kommission ist es, auf welche Weise man bei neu auftauchenden Fragen schneller Mit-tel aus dem Budget der ENP freimachen könnte. Bei der jetzigen Lage der Dinge ist es sehr schwer aus einer lange währenden Finanzperspektive Mittel auf neue Initiativen zu übertragen. Dies erfordert die Zustimmung aller Mitgliedsländer. Es stellt ein konkretes Problem in der multilateralen Zusammenarbeit der ÖP dar – neue Ideen tauchen auf, aber man kann keine Mittel darauf verwenden. Eine der vorgeschlagenen Lösungen ist die ver-mehrte Einführung von thematischen Programmen in das neue Nachbarschaftsinstrument, die nicht an die Zuteilung für konkrete Länder gebunden sind. (Der Vorschlag wird von der Kommission Ende 2011 vorgestellt).

Diskutiert wird auch die Möglichkeit der Beibehaltung von Finanzhilfen in einer Situa-tion, wenn Reformen, also das Prinzip „Mehr für mehr“, fehlen. Wichtig ist die Festlegung, in welchen Situationen die Hilfe eingestellt werden soll. Einmal zurückgenommene Mittel fallen aus dem Budget Nachbarschaftspolitik heraus. Darüber hinaus muss die EU, wenn sie negative Mittel anwendet, anschließend die Beziehungen erst lange wieder aufbauen, und im Falle von einigen postulierten Reformen (z.B. Berufsausbildung) ist eine fi nanzielle Unterbrechung wenig sinnvoll.

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Elzbieta Kaca

Polens Haltung zur Östlichen Partnerschaft

Die Östliche Partnerschaft ist für Polens Regierung eine wichtige Initiative. Von Polens Standpunkt aus ist das nicht nur eine Politik, die eine stabile Nachbarschaft östlich des Schengener Bereichs sichern soll, sie soll auch Polens Ruf als Leader in den Beziehungen zwischen der EU und den osteuropäischen Ländern festigen.

Faktoren, die Polens Haltung beeinfl ussen

Die Förderung einer Annäherung der Östlichen Partnerschaft an die Europäische Uni-on und die Mobilisierung der EU zu einem größeren Engagement in dieser Region ist vor allem aus geopolitischer Hinsicht ein wichtiger Punkt. In Polen herrscht nach wie vor das starke Argument, der Einfl uss Russlands in dieser Region müsse ausgeglichen werden. Es basiert auf dem populären, von Jerzy Giedroyec und Juliusz Mieroszewski erarbeite-ten Konzept der Ostpolitik, wonach es einer Destabilisierung der Region gleichkomme, die osteuropäischen Länder der russischen Einfl usssphäre zu überlassen. Gegenwärtig erweckt hauptsächlich das Risiko der Stärkung eines „sowjetischen“ ökonomisch-gesell-schaftlichen Systems in der Region Befürchtungen, was ihre Distanz in der Entwicklung im Vergleich zu den Ländern der Europäischen Union verstärken würde. „Gemeinsame Sorge der Mitglieder der Europäischen Union und ihrer östlichen Nachbarn sollte die Verringerung wirt-schaftlicher und gesellschaftlicher Lücken sein. Sonst könnten politische und gesellschaftliche Kräf-te zu Wort kommen, die auch dem Westen ihren Stempel aufdrücken“ (Radoslaw Sikorski, Au-ßenminister der RP).17 Die Unterstützung des Transformationsprozesses der Länder dieser Region in Richtung Demokratie und freier Marktwirtschaft liegt im Interesse Polens. War-schau allein ist nicht imstande, auf bilateraler Ebene eine solche Transformationspolitik zu betreiben, also bemüht es sich, die EU in diesem Bereich zu aktivieren. Dennoch leistet Po-len in den Beziehungen zu den ÖP-Ländern auf bilateraler Ebene durch Entwicklungshilfe Unterstützung bei den Transformationsprozessen. Die Staaten der Östlichen Partnerschaft haben vonseiten Polens Priorität bei der bilateralen Hilfe, die nach Projektprinzip erteilt

17 Östliche Partnerschaft, Informationsbroschüre, 2011, http://www.eastern-partnership.pl/en-pl/index.html

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18 Elżbieta Kaca

wird – zum Beispiel 2010 waren ca. 85% der Mittel für diesen Zweck bestimmt.18 Seit 2009 ist das polnische Hilfsprogramm immer stärker mit den Prioritäten der Partnerschaft ver-bunden. Auch die technische Hilfe für die Administration der Regierung zur Durchfüh-rung von Reformen wird erhöht. Berücksichtigt man aber die Gesamtheit der offi ziellen polnischen Hilfe (ODA), sind die ÖP-Länder im Ranking der Nehmerländer weiter unten angesiedelt. Das resultiert aus der Tatsache, dass zu ODA auch Kredite für Drittländer mit einberechnet werden. Die höchsten Kredite dieses Typs werden China zuteil, das demnach in den Statistiken als größter Empfänger polnischer Hilfe rangiert, wobei es kein Nutznie-ßer von bilateraler Hilfe ist.

Tabelle Nr. 1 Hauptsächliche Nutznießer polnischer Entwicklungshilfe

2005 2007 2009

LandODA-Quote

(netto) in Mio USD

LandODA-Quote

(netto) in Mio USD

LandODA-Quote

(netto) in Mio USD

1 Serbien 26.89 1 China 78.33 1 China 38.322 Ukraine 8.86 2 Nicaragua 35.63 2 Belarus 19.063 Usbekistan 8.57 3 Belarus 17.40 3 Georgien 13.764 China 7.68 4 Montenegro 15.42 4 Ukraine 11.215 Belarus 5.72 5 Ukraine 14.66 5 Angola 9.016 Kasachstan 1.98 6 Usbekistan 5.36 6 Afghanistan 7.807 Vietnam 1.16 7 Kasachstan 2.93 7 Kasachstan 2.788 Moldawien 0.81 8 Afghanistan 2.11 8 Vietnam 1.339 Afghanistan 0.47 9 Moldawien 2.05 9 Moldawien 1.3010 Irak 0.47 10 Georgien 1.81 10 Palästina 0.95

Quelle: World Bank, http://siteresources.worldbank.org/CFPEXT/Resources/299947-1266002444164/in-dex.html

Polen bemüht sich auch, im Rahmen seiner öffentlichen Diplomatie das Wissen zum Thema Östliche Partnerschaft zu erweitern. Unternommen werden standardmäßige Infor-mationsaktionen in der Zentrale wie auch in den diplomatischen Missionen, so z.B. Orga-nisation von Konferenzen, Veröffentlichung von Informationsbroschüren, Ausstellungen, Medienkontakte. Um die Reichweite der Kommunikation zu erhöhen, werden für Zentren auf Nichtregierungsebene und die Medien im Rahmen des Wettbewerbs „Wissen über Po-len-Promotion“ Zuschüsse ausgelobt. In den Jahren 2010-2011 wurden 25 Projekte in einer Höhe von 2,3 Mio Zloty bezuschusst (z.B. der Kulturkongress der ÖP während der pol-nischen Ratspräsidentschaft).

Wirtschaftliche Fragen, insbesondere das berechenbare Umfeld von Investitionen und die Freizügigkeit von Personen, sind eine sehr wichtige Motivation für die polnische Po-litik in der ÖP-Region. Zum ersten: mit dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen hat sich der Prozentsatz an Visumsverweigerungen erhöht (im Falle von Belarus um zirka 60% im ersten Jahr der Schengener Verpfl ichtungen, bei der Ukraine um 40%), und das

18 Zugang zu den Daten auf http://www.polskapomoc.gov.pl/fi les/inne%20dokumenty%20PDF/POMOC%20ZAGRANICZNA%20/Konkurs%202010/zestawienie%20na%20strone%20PPZ.pdf

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19Polens Haltung zur Östliche Partnerschaft

Prozedere ist beschwerlicher geworden.19 Das ist wichtig, denn Polen erteilt von den EU-Ländern die meisten Visa an Bürger aus den Ländern der Partnerschaft. Zwar wurden Ab-kommen über den kleinen Grenzverkehr mit der Ukraine (2008) und Belarus (2010) unter-zeichnet, sie betreffen aber nur Visumserleichterungen für die grenznahe Region. Wie vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten im Jahre 2010 in der Ukraine durchgeführte Um-frageuntersuchungen ergaben,20 kommen infolge der Visumspolitik immer weniger junge Leute aus der Ukraine nach Polen, und das Visumsprozedere stellt für Personen, die zur Arbeit nach Polen einreisen wollen, ein Hindernis dar.

Obwohl sich die Östliche Partnerschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zu Polen be-fi ndet, ist der Handelsaustausch auf einem sehr niedrigen Niveau (Tabelle 2) Der größte Wirtschaftspartner unter den ÖP-Ländern ist die Ukraine, aber selbst sie fi ndet sich erst auf Platz 13 der Wirtschaftspartner Polens wieder.

Tabelle Nr. 2 Polens Handelsaustausch mit den ÖP-Ländern

Pos. Land Januar – Mai 2011 Anteil am

Export Import Saldo Export Importin Mio EURO in %

Polen 55 159,30 60 520,30 -5 360,90 100 10013 Ukraine 1 205,90 810,9 395 2,19 1,3421 Belarus 605 316,8 288,2 1,1 0,5259 Moldawien 46 18,2 27,8 0,08 0,0363 Aserbaidschan 30,9 1 29,9 0,06 070 Georgien 16,5 2,2 14,3 0,03 0

Armenien 6,1 0,7 5,4 0,01 0Summe 1 910,40 1149,8 760,6

Quelle: http://www.mg.gov.pl/Analizy+i+prognozy/Handel+Zagraniczny/,201

Trotzdem ist das polnische Business an einer Erhöhung seiner Investitionen in den Län-dern Osteuropas interessiert, aber das wenig interessante Investitionsumfeld (hauptsäch-lich der hohe Anteil an Korruption und das undurchsichtige Rechtswesen) hält wirksam davon ab, wirtschaftliche Aktionen in dieser Region zu unternehmen.

Polens diplomatische Bemühungen für die Östliche Partnerschaft bei der Europäischen Union

Polen und Schweden sind gemeinsam die Initiatoren der Partnerschaft. Im Mai 2008 stellten sie gemeinsam den Vorschlag zu dieser Initiative vor, der im selben Jahr vom Europäischen Ratsgipfel akzeptiert wurde. Im Dezember 2008 bereitete die Europäische Kommission einen detaillierten Vorschlag vor21 und anschließend, nach Verhandlungen

19 Olga Wasilewska, Relative openness. Polish visa policy towards Belarus, Moldova, Russia and Ukraine, Warszawa 2009, http://www.batory.org.pl/mnarod/pub.htm#granica

20 Joanna Konieczna-Salamatin, Coraz dalsi sąsiedzi? Obraz Polski na Ukrainie, Instytut Spraw Publicznych 201021 Communication from the Commission to the European Parliamen tand the Council “Eastern Partnership”, COM(2008) 823,

3.12.2008

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mit den Mitgliedsländer über fi nanzielle Mittel (bei denen Polen um die Zusicherung zu-sätzlicher Mittel für die ÖP ersuchte), wurde die Östliche Partnerschaft auf dem Gipfel des Europäischen Rates im März 2009 bestätigt. Als Folge dieser Entscheidung wurde über die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Ziele der Partnerschaft in Höhe von 600 Mio Euro (350 Mio neue Mittel, 250 aus Mittelübertragungen) entschieden.

Seit der Berufung der Partnerschaft haben sich die Anstrengungen Polens auf die Er-höhung des Ranges dieser Initiative konzentriert. Vor allem die polnische Diplomatie hat sich bemüht, die Kohärenz der Ziele der Östlichen Partnerschaft und der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu erhöhen. Das war vor allem aus institutioneller Sicht und vom Gesichtspunkt des Entscheidungsprozesses auf EU-Ebene wichtig, besonders in Zusam-menhang mit den Wahlen zu einer neuen Zusammensetzung der Europäischen Kommissi-on im Jahre 2010 und der Berufung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die polnische Regierung unterstützte die Verknüpfung von Erweiterungspolitik und Nachbarschaftspo-litik in der Verantwortung eines Kommissars, zu dem Stefan Füle gewählt wurde. Obwohl der EAD die Koordination der Nachbarschaftspolitik übernommen hat, führt Kommissar Füle weiterhin diplomatische Aktivitäten in der Region durch und ist für Fragen der Reali-sierung des Budgets der Nachbarschaftspolitik verantwortlich.

Die Berufung der Östlichen Partnerschaft hat in einem gewissen Grade die östliche und die südliche Dimension der Europäischen Partnerschaftspolitik voneinander getrennt. Es tauchte also die Frage auf, ob es nicht zu einer vollständigen Trennung dieser beiden Poli-tiken voneinander oder zumindest zur Aufteilung des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments in zwei Teile kommen sollte. Der polnische Standpunkt dazu war nicht wirklich klar. Auf der einen Seite wäre eine Abtrennung der östlichen Dimen-sion eine Chance für die Zukunft, um in größerem Maße Hilfsinstrumente ähnlich wie in der Erweiterungspolitik anzuwenden. Auf der anderen Seite wäre eine pragmatische Auf-teilung der EPS vom Gesichtspunkt des Budgets her ungünstig. Es fällt leichter, um eine Erhöhung des ÖP-Budgets in Koalition mit den interessierten Ländern der südlichen Di-mension zu kämpfen und gemeinsam eine Erhöhung des Budgets für die gesamte EPS zu fordern.

Der Vorschlag, das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument in einen südlichen und einen östlichen Teil aufzuteilen, wurde in einem gemeinsamen Brief der Außenminister Polens und Schwedens vom 6. Oktober 2010 zum Thema Östliche Partner-schaft22 an den Hohen Vertreter der Europäischen Union für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, und den Kommissar für Erweiterung und Europä-ische Nachbarschaftspolitik, Stefan Füle, vorgestellt. Interessant ist, dass der Brief in den ukrainischen Medien sehr kritisch aufgenommen wurde, weil man sich auf eine vorgeb-liche Erklärung der Minister konzentrierte, dass im Verlaufe der nächsten zehn Jahre eine Erweiterung der EU, die auch die Ukraine beträfe, nicht stattfände.23 Es gelang allerdings nicht, eine breitere Diskussion darüber zu entfachen, weil das Einverständnis der Mit-gliedsländer und der Europäischen Kommission dazu fehlten.

Polen hat diplomatische Aktivitäten unternommen, um in der EU das Interesse am Pro-jekt der Partnerschaft vor allem durch die Initiierung von Treffen auf politischer Ebene

22 Zugang zum Dokument: http://msz.gov.pl/fi les/docs/komunikaty/List-RSCB-pol.pdf 23 Joanna Fomina, Natalya Ryabinska, Po drugiej stronie lustra. Obraz Polski w ukraińskich mediach, Instytut Spraw Pub-

licznych 2011

Elżbieta Kaca

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wach zu halten, auf denen ÖP-Fragen diskutiert werden. Während der Ratspräsident-schaft von Spanien gelang es, ein Treffen zum Thema ÖP zu organisieren (Januar 2010) im Austausch für die Organisierung eines Treffen ähnlichen Ranges, die südliche Dimensi-on betreffend, während der polnischen Ratspräsidentschaft. Polen organisierte ein infor-melles Treffen der Außenminister der EU und der ÖP in Sopot im Mai 2010, auf dem die Entstehung der sog. „Gruppe der Freunde der ÖP“ verkündet wurde. Das Thema Östli-che Partnerschaft wurde ebenfalls auf der Ebene der Visegrad-Gruppe aufgenommen.24 Ein wichtiger Aspekt waren die Versuche, die Unionsstaaten davon zu überzeugen, dass die Region Osteuropa „eine ambitionierte EU-Politik wert ist“. Polen hat z.B. seine Unter-stützung für die europäischen Ambitionen der Ukraine klar artikuliert. Nach den Präsi-dentschaftswahlen 2010 in diesem Land unterstrichen polnische Diplomaten die Tatsache, dass diese Wahlen mit den Standards eines demokratischen Staates übereinstimmten.25 Dies war ein Argument dafür, dass in der Ukraine der Prozess der Demokratisierung fort-schreitet.

Polen engagierte sich auch in der laufenden EU-Politik für die Region. Dies betraf hauptsächlich die Politik der EU nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus. Im Zusam-menhang mit der Skala von Repressionen gegen die Opposition nach den Wahlen unter-stützte Polen die Annahme von Visa- und Wirtschaftssanktionen. Im Hinblick auf das Feh-len eines Konsens’ der Mitgliedsländer wurden nur Visa-Sanktionen beschlossen, und erst im Juni 2011 Wirtschaftssanktionen, die einige belarussische Unternehmen betreffen. Ein zweiter Aktivitätspfeiler waren Aktionen zur Unterstützung der Bürgergesellschaft. Auf Initiative der polnischen Regierung wurde die Konferenz „Solidarität mit Belarus“ im Feb-ruar 2011 organisiert, bei der es gelang, eine Erklärung zur Überweisung zusätzlicher Mit-tel in Höhe von ca. 87 Mio Euro vonseiten der Europäischen Kommission und zahlreicher Staaten, darunter die Vereinigten Staaten und Deutschland, zu erreichen. Schließlich stellte Polen die Idee vor, einen Europäischen Demokratie-Fonds ins Leben zu rufen, der zurzeit Gegenstand der Arbeit von Institutionen der Union ist.

Östliche Partnerschaft und polnische EU-Ratspräsidentschaft

Die polnische Regierung hat es von der ungarischen Ratspräsidentschaft übernommen, den II. ÖP-Gipfel zu organisieren. Sie arbeitet in diesem Bereich mit der Hohen Vertre-terin Catherine Ashton, dem EAD, dem ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompyu, und der Europäischen Kommission zusammen. ÖP-Gipfel seit der ungarischen Ratspräsidentschaft zu organisieren. Sie arbeitet in diesem Bereich mit der Hohen Vertreterin Catherine Ashton, dem EAD, dem ständigen Präsidenten des Europa-rates, Herman Van Rompyu, und der Europäischen Kommission zusammen. Allein die Tatsache, dass während der polnischen Ratspräsidentschaft einige Ministerkonferenzen

24 Zum Beispiel wurde am 16. Juni 2011 während des Gipfels der Premierminister der Visegrad-Gruppe in Bratislava die Einführung eines speziellen Zuschussinstruments für die Unterstützung der Östlichen Partnerschaft im Rahmen des Internationalen Visegrader Fonds vereinbart.

25 „Die Ukraine hat soeben eine wichtige Prüfung in Demokratie bestanden. Die letzten Präsidentenwahlen in die-sem Lande haben gezeigt, wie schnell die dortige Bürgergesellschaft heranreift.“ Information des Außenministers zu Grundsätzen der polnischen Außenpolitik im Jahre 2010, Sikorski: Janukovitch wird den Dialog mit der EU fortsetzen, http://www.money.pl/archiwum/wiadomosci agencyjne/pap/artykul/sikorski; janukowycz;bedzie;kontynuowal;dialog;z;ue,97,0,585313.html, 08.02.2010

Polens Haltung zur Östliche Partnerschaft

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in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Infrastruktur, Standards der Lebensmittelsicherheit und Statistisches System stattfi nden, bestätigt den Rang dieser Priorität. Darüber hinaus fi ndet eine Reihe von Expertenseminaren statt und wird ein Zivilgesellschaftsforum der ÖP organisiert.

Die Realisierung der Priorität der Östlichen Partnerschaft hat sich aber als keine leichte Aufgabe erwiesen. Zum ersten: wegen des Ausbruchs der Revolution in Nordafrika muss-te die polnische Orientierung zum Osten ausgewogen werden. Aus diesem Grund vertritt Außenminister Radoslaw Sikorski die Chefi n der Unions-Diplomatie, Catherine Ashton, u. a. in Kontakten mit den Ländern Nordafrikas, und der polnische Vorschlag zur Schaf-fung eines Europäischen Demokratie-Fonds betraf die gesamte Nachbarschaft. Während der polnischen Ratspräsidentschaft werden auch Konferenzen, die Politik gegenüber Afri-ka betreffend, organisiert.

Zum zweiten ist die Zeit der polnischen Ratspräsidentschaft eine Zeit der Intensivie-rung der Gespräche über die langjährige Perspektive des EU-Budgets. Am Vortag der Ratspräsidentschaft Polens hat die Europäische Kommission ihren Budgetvorschlag ver-öffentlicht, in dem sie nicht nur eine Erhöhung der Ausgaben für die Außenpolitik der EU vorschlägt, sondern auch den größten Zuwachs der Mittel für die Europäische Nachbar-schaftspolitik vorsieht. Bei der Aufteilung der Mittel für die Nachbarschaftspolitik dreht sich die Diskussion unter den Mitgliedsstaaten in erster Linie darum, ob die externen Auf-wendungen erhöht werden sollen oder nicht. Hier sind die Nettobeitragszahler skeptisch. Polen unterstützt die Erhöhung des Unionsbudgets, darunter auch die externen Aufwen-dungen, aber das wichtigste für die polnische Regierung ist die Beibehaltung der Ausga-ben für interne Politikbereiche der EU.

In diesem Zusammenhang tauchte die klassische Spaltung zwischen den Staaten auf, die an einer Erhöhung der Ausgaben für die südliche oder aber für die östliche Dimensi-on der Nachbarschaftspolitik interessiert sind. Als Folge der arabischen Revolution hat die Erhöhung der fi nanziellen Mittel für den Süden eine umso größere Legitimierung erlangt. In Zusammenhang mit den Ereignissen in Nordafrika appellierten die südeuropäischen Länder, u. a. Frankreich, Spanien, Griechenland, Malta, Zypern und Slowenien bereits im Februar 2011 in einem an Baroness Ashton adressierten Schreiben um größere Mittel für die Region auf Kosten der Ausgaben für die Länder des Östlichen Partnerschaft. Die Kom-mission hat die Mittel für den Zeitraum 2011-2013 um 1,24 Mrd Euro dank der Verschie-bung anderer Reserven erhöht. Unklar ist aber, wie die Aufteilung dieser Mittel zwischen dem Süden und dem Osten aussieht. Die Abgeordneten Europäischen Parlaments aus der Visegrad Plus-Gruppe26 haben ebenfalls an die Institutionen der Union ein Schreiben mit der Forderung nach einer einheitlichen Zuordnung der Mittel gerichtet. Polnische Diplo-maten hoben in öffentlichen Auftritten die Gleichbehandlung von Süden und Osten her-vor. Die Diskussion um die Finanzierung der Nachbarschaftspolitik tauchte auch auf dem informellen Außenministertreffen in der Gymnich-Formel am 2. und 3. September in So-pot wieder auf. Frankreich appellierte scharf, die bisherige Aufteilung der Mittel beizu-behalten, 2/3 für den Süden, 1/3 für den Osten. Eine solche Aufteilung der Mittel wird von Polen wegen des Wissens um die Notwendigkeit eines größeren Engagements der EU in der südlichen Nachbarschaft nicht in Frage gestellt. Zum dritten haben die Ereignisse in der Ukraine die Chancen auf die Realisierung des Schlüsselpunkts des Programms der

26 Die Gruppe der Visegrad-Länder und Bulgarien, die in der EVP des Europäischen Parlaments arbeiten

Elżbieta Kaca

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23Polens Haltung zur Östliche Partnerschaft

polnischen Ratspräsidentschaft zur Östlichen Partnerschaft – die schnelle Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit diesem Land – geschwächt. Nach der Verhaftung von Julia Tymoschenko besteht ein Risiko, wenn die Angelegenheit dieser Oppositionellen „nicht geregelt wird“, legen einige Mitgliedsländer bei der Unterzeichnung des Abkom-mens ein Veto ein.27

Darüber hinaus können das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente die Annahme bei der Ratifi zierung stoppen.

Diplomatische Aktivität auf bilateraler Ebene zur Östlichen Partnerschaft

Die Initiative der Östlichen Partnerschaft ist ein wichtiger Aspekt der Aktivität der pol-nischen Diplomatie in den bilateralen Beziehungen zu den Ländern der Region. Seit 2008, also seit Anbeginn dieses Projekts hat Polen zahlreiche Aktivitäten unternommen, um die Länder zu einer aktiven Beteiligung und zur Implementierung der ÖP zu bringen.28 Die intensivsten Kontakte in diesem Bereich unterhielt das polnische Außenministerium zur Ukraine, zu Moldawien, Georgien und Belarus, in geringerem Maße zu Armenien und zu Aserbaidschan.

Gegenüber der Ukraine, Moldawien und Georgien war es das erklärte Ziel der pol-nischen Diplomatie, diese Länder zu einer rascheren Integration zur EU zu bewegen. Von 2008-2011 fanden z.B. drei Beratungen der Leitungen der Außenministerien Polens und der Ukraine statt, auf denen die Frage der Integration der Ukraine in die EU diskutiert wurde. Nach Regierungsantritt von Präsident Wiktor Janukowytsch hat Polen sich darum bemüht, zu sichern, dass die Ukraine auch weiterhin an der Unterzeichnung des Assozia-tionsabkommens mit der EU und des Abkommens über eine vertiefte Freihandelszone in-teressiert ist. Auch wurden u. a. Fragen der Einführung komplexer Programme der institu-tionellen Entwicklung (CIB), der regionalen Entwicklung und der integrierten Verwaltung der Grenzen (IBM) erörtert.

In Bezug auf Moldawien engagierte sich die polnische Regierung bei der Unterstützung der demokratischen und pro-europäischen Parteien in diesem Land. In der Zeit vor den Wahlen im Juli 2009 reiste Radoslaw Sikorski nach Kishiniov, um seine Unterstützung für die demokratischen Kräfte in diesem Land zu betonen. Im September 2010 im Rahmen der „Gruppe der Freunde Moldawiens“ wurde über die nahenden Wahlen zum Parlament und den Fortschritt Moldawiens bei der Integration zur EU diskutiert. Mit Georgien wur-de dagegen über die Aufnahme einer ersten Gesprächsrunde über ein Assoziationsabkom-men mit der EU gesprochen, also ein Abkommen über Visa-Erleichterungen.

Im Falle von Belarus hat Polen diplomatische Schritte unternommen, um Belarus in die ÖP einzubinden, verbunden durch die Dimension der multilateralen Initiative. Aber im Zusammenhang mit den Veränderungen in der belarussischen Politik, den nichtdemokra-tischen Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 und einer Reihe von Repressalien ge-gen die Opposition hat Polen seine Kontakte zur belarussischen Regierung unterbrochen.

27 Eine derartige Suggestion stellte u.a. der Chef der französischen Diplomatie, Alain Juppé während der Gymnich-Beratungen am 2.und 3. September in Sopot vor. http://wyborcza.pl/presydencja2011/1,111636,10227838,Unia zaniepo-kojona Ukraina a Palestyna nie poparla.html

28 Annex zur Aufl istung der Besuche des polnischen Außenministers der RP

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Die polnische Diplomatie konzentrierte sich darauf, die Politik der EU gegenüber diesem Land zu beeinfl ussen. Im Januar 2011 fasste Warschau den Beschluss, die Kosten für die Bearbeitung von Visa-Anträgen und Erteilung von polnischen Visa für Bürger der Repu-blik Belarus in den Konsulaten auf dem Gebiet dieses Landes aufzuheben, was von den Institutionen der Union als positive Praxis gewertet wurde.

Ziel Polens war auch die Einbindung von Mitgliedsländern mit Schlüsselstellung wie auch Institutionen der Union in die diplomatischen Aktivitäten, um den Rang der Östli-chen Partnerschaft zu erhöhen. Aus diesem Grund machte Radoslaw Sikorski zwei Ar-beitsbesuche gemeinsam mit Deutschlands Außenminister – im Juni 2009 mit Frank Stein-meier in der Ukraine, um das Projektangebot im Rahmen der Östlichen Partnerschaft zu präsentieren, und im November 2010 mit Guido Westerwelle in Minsk, um Präsident Aleksander Lukaschenko zur Durchführung demokratischer Wahlen zu ermutigen, indem u. a. die Öffnung der Finanzhilfe internationaler Institutionen angeboten wurde (auch Be-gegnungen mit mehreren Präsidentschaftskandidaten). Mit dem schwedischen Außenmi-nister reiste Radoslaw Sikorski im November 2010 nach Kiew, um Wiktor Janukowytsch zur Fortsetzung des Prozesses notwendiger Reformen und zur Achtung des politischen Pluralismus zu bewegen.

Polens Haltung zur weiteren Entwicklung der Östliche Partnerschaft

Obwohl Polen die Möglichkeit einer Aufnahme der ÖP-Länder in die EU zum gegen-wärtigen Zeitpunkt ausschließt, optiert es doch für die Beibehaltung der „Politik der of-fenen Tür“. Für Warschau ist die Anerkennung der europäischen Aspiration der ÖP-Län-der durch die EU wichtig und die Zusicherung über die Perspektive einer Mitgliedschaft dieser Länder durch die EU, gestützt auf die Festlegungen des EU-Vertrages (Art. 49), in dem es heißt, dass die EU für alle europäischen Länder offen ist, die bestimmte Prinzipien und Werte befolgen. Eine solche Perspektive ist wichtig, um die Länder zu mobilisieren, die von der EU erwarteten Reformen in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zweck wird die Schaffung besonderer Instrumente unterstrichen, die die ÖP-Länder auf die potentielle Mitgliedschaft in der EU vorbereiten.

Polen befördert die Ziele der ÖP, die in der Erklärung der ÖP aus dem Jahre 2009 an-genommen wurden, also die Annäherung dieser Länder an die EU durch die Unterzeich-nung von Assoziationsabkommen und Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone. Gegenwärtig wird das Postulat des ehrgeizigeren Versprechens zu einer vollen wirtschaft-lichen Integration (wie Norwegen und die Schweiz) gefördert.29 Ein wichtiges Ziel der ÖP aus polnischer Sicht ist die Liberalisierung der Visumspfl icht – dieser Prozess sollte die Anstrengungen verdeutlichen, die das entsprechende Land bei der Durchsetzung der ge-forderten Reformen leistet und sollte in zeitlich kurzer Perspektive erreicht werden.

Die von der Europäischen Kommission bei der Überprüfung der Europäischen Nach-barschaftspolitik vorgestellten Vorschläge sind von der polnischen Regierung positiv aufgenommen worden. Warschau unterstützt die Erhöhung der Konditionalität der Ent-wicklungshilfe für die osteuropäischen Länder (dieses Postulat wurde im Schreiben Bildt-Sikorski im Oktober 2010 vorgestellt). Wichtig ist vor allem die Einführung einer detail-

29 Negocjacje UE z Ukrainą na włosku Francja przeciw, http://wyborcza.pl/1,75248,100225448 html

Elżbieta Kaca

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25Polens Haltung zur Östliche Partnerschaft

lierteren Einschätzung des Vorbereitungsgrades der einzelnen Länder zur Durchführung von Reformen und eine unterschiedliche Wahl der Hilfsmittel. Nur einige Länder sind z.B. für einen Einsatz von Budgethilfen bereit. Polen ist auch an der Einführung einer neuen Generation von Gesellschaftsplänen interessiert, die konkreter als die bisherigen sein soll-ten. Wichtig ist auch eine Flexibilität des Hilfeleistungssystems, damit während der Dau-er einer jeweiligen Finanzperspektive Hilfsmittel für neue Initiativen frei gemacht werden können. Zurzeit werden detaillierte Vorschläge der Kommission erwartet, die gegen Ende 2011 bekannt gegeben werden sollen.

Nach Auffassung von Warschau berücksichtigt die ÖP die Interessen Russlands in aus-reichendem Maße und ist nicht gegen dieses Land gerichtet. Die Polen sind der Auffas-sung, da viele europäische Länder seit Jahren mit osteuropäischen Ländern, darunter auch mit Russland, zusammenarbeiten, sollte die Partnerschaft keine Beunruhigung unter den russischen Politikern erwecken. Russland selbst muss dagegen akzeptieren, dass in seinen Nachbarländern pro-westliche Veränderungen vor sich gehen und dazu übergehen, die-se Länder als Partner zu behandeln. Moskau kann, übereinstimmend mit den Vorausset-zungen der Partnerschaft, Partner bei den in ihrem Rahmen realisierten Projekten werden. Russland nimmt z.B. an zwei Programmen teil: am Programm für grenzübergreifende Zu-sammenarbeit Litauen – Polen – Russland und an der Leitinitiative der ÖP – dem System zur Bekämpfung von Natur- und Umweltkatastrophen. Polen steht auf dem Standpunkt, dass Russland aber kein vollwertiges Mitglied der ÖP sein kann, weil es sich nicht dazu bereit erklärte, sich an der Europaischen Nachbarschaftspolitik zu beteiligen. Aus diesem Grunde muss darauf geachtet werden, dass das Recht Russlands im Rahmen seiner Zu-sammenarbeit in ausgewählten Bereichen der Partnerschaft nicht größer ist, als das der Länder, die dieser Initiative angehören.

Im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit sollten aus polnischer Sicht jetzt vor allem Aktivitäten entwickelt werden, die mit der Vorbereitung der ÖP-Länder zur Im-plementierung von Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone und Abkommen zur Liberalisierung der Visumspfl icht zusammenhängen. Gefordert wird eine Aufstockung der Finanzen für diese Zwecke. Während der bisherigen zweijährigen Funktionsdauer der thematischen Plattformen waren die Polen an einem breiten Themenspektrum inter-essiert. Die polnische Regierung hat es z.B. auf sich genommen, eine Podiumsdiskussion zur Antikorruptionspolitik in den ÖP-Ländern zur organisieren (November 2010). Die Po-diumsdiskussion hatte das Ziel eines Erfahrungsaustausches zwischen Amtsträgern und Experten. Wesentlich war, dass dies eine der wenigen Initiativen im Rahmen der multila-teralen Zusammenarbeit der Regierungen der ÖP offenen Formats war, zu der auch Ver-treter von Zentren auf Nichtregierungsebene und Experten eingeladen waren. Es wurden auch Vorschläge zur Aufnahme von Projekten im Bereich Transportverbindungen und Energieverbindungen, Grenzsicherheit und Umwelt (im grenzübergreifenden Bereich z.B. im Bug- Einzugsgebiet) aufgegriffen. Ein Thema, zu dem Polen viele konkrete Forderung stellt, ist die Entwicklung von zwischenmenschlichen Kontakten. Erstens ist die polnische Regierung ein Verfechter für die Öffnung von Unionsprogrammen mit breiterer Beteili-gung der ÖP-Länder (künftige Ausgabe des Programms „Kultur“, Jugend in Aktion, Life Long Learning, e-Twinning). Polen möchte insbesondere, dass für Studenten aus den ÖP-Ländern die Möglichkeit geschaffen wird, die Erasmus-Programme zu nutzen. Die ÖP-Länder können von der Mehrzahl der Bildungsprogramme profi tieren, haben aber nur ge-ringe Mittel dafür. Zum Beispiel profi tierten vom Studentenaustausch Erasmus Mundus

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in den letzten acht Jahren nur ca. 2000 Personen aus den ÖP-Ländern, während jährlich sogar ein paar Tausend Studenten aus der Türkei von Erasmus profi tieren können.30 Zwei-tens ist es wichtig, dass ein Jugendprogramm der ÖP auf den Weg gebracht und das Pro-gramm zur Kultur der ÖP in den folgenden Jahren fortgesetzt wird. Drittens unterstützt die polnische Regierung die Entwicklung des Zivilgesellschaftsforums (die Organisierung des Forums wurde während der polnischen Ratpräsidentschaft aus dem polnischen Bud-get bezuschusst) und die ständige Teilnahme seiner Vertreter an den Arbeiten der vierten Plattform „Zwischenmenschliche Kontakte“.

30 Elżbieta Kaca, Erasmus na Wschód!, in „Gazeta Wyborcza” http://wyborcza.pl/prezydencja2011/1,111800,9915936, Erasmus_na_Wschod.html

Elżbieta Kaca

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Agnieszka Łada

Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft31

Erwartungen an die polnische Präsidentschaft

Deutschland erwartet von der polnischen EU-Ratspräsidentschaft Aktivität in der Östli-chen Partnerschaft: die Unterbreitung konkreter Vorschläge, die die Politik gegenüber den sechs Ländern profi lieren, aber auch die Organisierung von Ereignissen, die es der Initia-tive ermöglichen, sichtbar zu sein und nicht zulassen, dass sie von der Unionsagenda ver-schwindet. Die Situation in Afrika hat an diesen Erwartungen nichts geändert. Weiterhin ist man der Auffassung: „Wer, wenn nicht Polen, kann diese Partnerschaft vorantreiben.“ Nach Meinung der Deutschen sollte Warschau zum Beispiel Antworten auf die Frage fi n-den, wie man mit Belarus fürderhin umgehen soll und wie die Attraktivität der ÖP für Länder, die ihr gleichgültig gegenüberstehen, erhöht werden kann, indem man aufzeigt, was die EU im Rahmen dieser Initiative konkret für ihre Entwicklung tut. Wichtig wären auch Vorschläge, wie man sie bei der Lösung von Konfl ikten, die in dieser Region andau-ern, unterstützen könnte.

Deutschland hat die Tatsache, dass der Gipfel während der polnischen Präsidentschaft stattfi ndet, positiv gewertet. Beamte und Experten betonen gleichermaßen, dass die Kanz-lerin dabei anwesend sein sollte, ähnlich wie sie am Gipfel in Prag teilgenommen hat. Dieser Termin wurde mit ihr inoffi ziell konsultiert32 und in ihren Kalender eingetragen. Einige Wochen vor dem Gipfel hat sich die Situation kompliziert. Am selben Tag fi ndet im Bundestag eine sehr wichtige Abstimmung über die Annahme neuer wirtschaftlicher Lösungen in der Euro-Zone statt, die die Anwesenheit der Kanzlerin vor Ort erforderlich macht. Auch die Notwendigkeit, dem Präsidenten der Ukraine die Hand reichen zu müs-

31 Die Autorin bedankt sich herzlich bei den deutschen Experten, die während der Entstehung des Textes ihre An-sichten geäußert haben: Jörg Förbig vom GMF, Walter Kaufmann von der Heinrich-Böll-Stiftung, Robert Kirchner von Berlin Economics, Marie-Lena May und Stefan Meister vom DGAP, Cornelius Ochmann von der Bertelsmann-Stiftung und Stefanie Schiffer vom Europäischen Austausch.

32 Aus Hintergrundgesprächen geht hervor, dass der Kanzlerin sehr an ihrer Teilnahme am Gipfel gelegen war, und Polen dermaßen an ihrer Anwesenheit lag, dass es gelang, ein Datum für Treffen an einem für Angela Merkel genehmen Tag festzustellen, trotz ursprünglicher Vorschläge seitens des Kabinetts Hermans Van Rompyu, es an einem anderen Tag zu organisieren. Das zeigt sowohl die Wichtigkeit, die Deutschland der ÖP beimisst, wie auch die gute Zusammenarbeit mit Berlin auf dieser Ebene.

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sen, während Julia Tymoschenko im Gefängnis ist, kann die Teilnahme am Treffen ver-gällen. Obwohl in Deutschland die gesamte Initiative vornehmlich mit der Ukraine als größtem Land der ÖP in Verbindung gebracht wird, ist man sich in der Umgebung der Kanzlerin durchaus bewusst, dass sich die Partnerschaft nicht allein auf die Entwicklung in einem Land beschränken darf. Der offi zielle Besuch Merkels in Warschau ist bestätigt, und es gibt keinerlei Signale, dass sich daran etwas ändern würde.

Berlin ist der Ansicht, dass der Gipfel ein wichtiger Impuls ist, der darauf hindeutet, dass der EU trotz der in der Union herrschenden Krise und der auf die südlichen Nach-barn gelenkten Aufmerksamkeit weiterhin an der Entwicklung der Beziehungen zu den Ländern der ÖP gelegen ist. Die Standpunkte Polens und Deutschlands stimmen hierin also überein. Sie unterscheiden sich dagegen bei einzelnen Formulierungen der Deklarati-on, die am Ende des Treffens angenommen werden soll.

Deutschland ist dagegen, sich hierbei auf Artikel 49 des Vertrags zu berufen, in dem von einer europäischen Perspektive der ÖP-Länder die Rede ist. Es ist der Ansicht, dieser Punkt betreffe die der Erweiterungspolitik und nicht die Nachbarschaftspolitik, und di-ese beiden sollte man nicht miteinander vermengen. Eine solche Haltung resultiert unter anderem aus der Abneigung der deutschen Bevölkerung gegenüber der neuerlichen EU-Erweiterung. Berlin drängt auch darauf, dass in der Deklaration über die Liberalisierung der Visumspfl icht für die Länder der Partnerschaft eine solche Möglichkeit „in weiterer Perspektive“ erwähnt wird.33

Zwischen Polen und Deutschland herrscht angesichts des Gipfel darüber Einverständ-nis, dass nicht Aleksander Lukaschenko an dem Treffen teilnehmen sollte, sondern die nächste hochgestellte Persönlichkeit in der Hierarchie von Belarus, die sich nicht auf der Liste der Personen befi ndet, denen die EU ein Visum verweigert.

Faktoren, die Deutschlands Standpunkt bestimmen

Deutschland ist an der Östlichen Partnerschaft interessiert, aber seine Unterstützung dafür ist geringer als die Polens. Berlins Haltung von wird von einer Reihe von Faktoren bestimmt, die die Komplexität dieser Einstellung illustrieren.

Politische Faktoren

Zum ersten, wichtig ist der politische Kontext zur Entstehung und Bedeutung der Initi-ative. Als das Konzept für die Östliche Partnerschaft auftauchte, gab es dafür eine begüns-tigende Konjunktur, insbesondere in Zusammenhang mit dem Krieg gegen Georgien (Au-gust 2008). Deutschland erkannte seinerzeit notwendigen Handlungsbedarf in der Region. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine unmittelbare Bedrohung durch ein Auftreten von ernsten Konfl ikten in diesem Gebiet, und Deutschland ist auch in viel höherem Maße in die inneren Angelegenheiten der EU und den Kampf gegen die Krise engagiert. Die Re-gierung konzentriert sich auf die wirtschaftlichen Probleme und muss sich mit der inner-deutschen Kritik ihres Handelns auseinandersetzen, was tunlichst verhindert, Zeit auf die

33 Mehr zu diesem Thema unter Pkt. Ziele und Voraussetzungen der Östlichen Partnerschaft in der Einschätzung von Deutschland.

Agnieszka Łada

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Außenpolitik zu verwenden. Darüber hinaus ist die Position des Außenministers außerge-wöhnlich schwach, was seine Aktivitäten blockiert.

Die Östliche Partnerschaft wurde auch als eine Reaktion auf den Vorschlag von Fran-kreichs Präsident Nicolas Sarkozy verstanden, eine Union für die Mittelmeerregion zu schaffen, der in Berlin nicht eben enthusiastisch aufgenommen wurde. Gleichzeitig knüpfte die Offerte der Autoren Polen und Schweden für die Partner im Osten an frühere Gedan-ken der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an, nämlich Europäische Nachbarschaftspolitik +. Politische Beweggründe brachten also Deutschland dazu, sich für die Initiative auszu-sprechen, deren Ausdruck die Anwesenheit Angela Merkels auf dem Eröffnungsgipfel der ÖP in Prag war. Aber schon Minister Westerwelle stattete seinen ersten Besuch in einem Land der Östlichen Partnerschaft, der Ukraine, im März 2011 ab, also erst 16 Monate nach seinem Amtsantritt.

Der Besuch zeigte aber Deutschlands Gedankenrichtung gegenüber den Ländern der Partnerschaft. Während seines zweitägigen Aufenthaltes in Kiew traf sich Guido Wester-welle mit dem Außenminister der Ukraine, Konstantin Hryschtschenko und mit Vertretern der Opposition. Er unterstrich während seines Besuches, Berlin und Brüssel erwarteten, dass die Ukraine ihre Gespräche mit der EU über ein Assoziationsabkommen und ein Ab-kommen zur Vertiefung der Freihandelszone fortsetzt, zu diesem Zweck aber die Durch-führung weiterer demokratischer Reformen durch die ukrainische Regierung notwendig sei. Sein Treffen mit Julia Tymoschenko dagegen zeugte von Deutschlands Beunruhigung darüber, wie man mit der ukrainischen Opposition verfährt.

Das Interesse Deutschlands an der Region resultiert hauptsächlich aus seinen wirt-schaftlichen Interessen. Vor Ausbruch der Finanzkrise war der Handel mit den ÖP-Län-dern gewachsen. Auch momentan hält er sich auf recht hohem Niveau, und die deutschen Firmen sind an einer Entwicklung ihrer Beziehungen zu den Partnern im Osten interes-siert und lernen dessen Besonderheit immer besser kennen. Vertreter deutscher Business-kreise stellen in diesem Zusammenhang konkrete Forderungen an die Bundesregierung. Sie sprechen sich z.B. für eine Abschaffung der Visumspfl icht aus.34 Wegen der Bedeutung der Wirtschaft bei den Kontakten Deutschlands mit den ÖP-Ländern unterstützt Deutsch-land die Abkommen über vertiefte Freihandelszonen sehr. Die Regierung nimmt die Stim-men aus Kreisen der Wirtschaft ernst, was aber den widersetzlichen Standpunkt gegen-über der Abschaffung der Visumspfl icht momentan nicht verringert, worauf wir später noch zurückkommen.

Mit dem Thema Östliche Partnerschaft befasst sich allerdings nur eine kleine Gruppe von Experten, Stiftungen und Zentren auf Nichtregierungsebene. Die Mehrzahl der Po-litiker und der politischen Eliten sind sich nicht darüber im Klaren, was diese Initiative bedeutet und worauf sie beruht. Nur wenige Politiker kennen sie. Von den Amtsträgern beschäftigen sich vor allem Personen aus dem Außenamt mit diesem Thema. Die anderen orientieren sich kaum über die ÖP und sehen auch keinen Zusammenhang zwischen der Initiative und ihren eigenen Themen. Minister Guido Westerwelle hat zwar die Bedeutung der ÖP hervorgehoben, aber seine Politik wird schon seit längerer Zeit in Deutschland hef-tig kritisiert.

34 Committee on Eastern European Economic Relations, Roads to Visa-free Travel Position Paper, S. 7-13, http://www.ost-ausschuss.de/sites/default/fi les/pm_pdf/Position%20Paper%20Roads%20to%20Visa-free%20Travel_0.pdf Zugriff am 1.09.2011

Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

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30 Agnieszka Łada

Auch das gesellschaftliche Bewusstsein der Deutschen über diese Region ist verhältnis-mäßig gering. Für den Durchschnittsdeutschen liegt Osteuropa sehr weit weg. Wie Exper-ten bemerkten, „kann er nicht glauben, dass man nach Baku 4 Stunden fl iegt und nach Lwow 1,5 Stunden, also kürzer als auf die Kanaren“. Über die Länder der Region liest man in der deutschen Presse recht selten. Ausnahmen waren die Zeit der Orangenen Revoluti-on und die Verhaftung von Julia Tymoschenko in der Ukraine und das brutale Vorgehen gegen die Opposition nach den Wahlen in Belarus.

Wirtschaftliche Faktoren

Trotz des Interesses vonseiten der deutschen Wirtschaft ist die ÖP-Region für Deutsch-land im Vergleich zu Russland zweitrangig. Die Deutschen sind stärker an einem Han-delsaustausch mit ihm interessiert als mit den ÖP-Ländern. Die Gründe für eine solche Haltung werden deutlich, wenn man den Handel mit diesen Ländern vergleicht. Russland ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für die deutsche Industrie, insbesondere die Fahr-zeugindustrie und den Maschinenbau. Im besten Jahr, nämlich 2008, betrug der Waren-austausch mit Russland über 68 Milliarden Euro.35 Allein im ersten Halbjahr 2011 betrug er über 34 Milliarden. Deutschland nimmt den ersten Platz als Importeur für Waren nach wie auch als Exporteur für Waren aus Russland ein. Die vom Ost-Ausschuss im ersten Halb-jahr 2011 veröffentlichten Daten beweisen, dass im Vergleich zum Zeitraum des Vorjahres der Export nach Russland um 38% gestiegen ist und 15 Milliarden Euro betrug. Die osteu-ropäischen Länder rangieren deutlich weiter hinten, aber auch hier ist, mit Ausnahme von Aserbaidschan, ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen (von 36% bis hin zu 14%). Das zeigt, wie wichtig für Berlin die Wirtschaftskontakte mit Russland sind, aber auch, wie das Inter-esse an den ÖP-Ländern wächst.

Tabelle Nr. 3 Warenaustausch von Deutschland mit ausgewählten Ländern in Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2010 und 2011.

Einfuhr in Tsd. € Ausfuhr in Tsd. € Änderung in % 2011 gegenüber 2010

1.HJ 2011 1.HJ 2010 1.HJ 2011 1.HJ 2010 Einfuhr AusfuhrUkraine 976.395 742.259 2.447.882 1.948.445 31.54 25.63Belarus 340.713 246.251 1.222.122 892.788 38.36 36.89Aserbaidschan 626.571 541.243 292.084 337.017 15.77 -13.33Georgien 88.438 24.011 128.167 108.291 268.32 18.35Republik Moldau 54.012 40.943 150.839 114.669 31.92 31.54Armenien 64.870 58.015 57.696 50.465 11.82 14.33Polen 15.839.210 13.528.471 21.693.360 17.931.044 17.08 20.98Deutscher Handel gesamt 446.489.650 383.585.183 525.600.338 458.274.976 16.40 14.60

Quelle: http://www.ost-ausschuss.de/sites/default/fi les/pm/HAndelstabelle -1.Hbj.2011.pdf. Zugang 9.09.2011

35 http://www.ost-ausschuss.de/sites/default/fi les/pm_pdf/26_02_2009_pm_handel_uebersicht.pdf

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31Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

Einfl uss des gegenwärtigen internationalen Kontextes auf die aktuelle Haltung Deutschlands gegenüber der Östlichen Partnerschaft

Eine große Rolle bei der deutschen Einschätzung der Östlichen Partnerschaft spielt auch das Engagement der Partnerschaftsländer selbst. Deutschland beurteilt dieses Enga-gement negativ. Es herrscht große Enttäuschung über die Ukraine, aber auch über Arme-nien und Aserbaidschan. Das einzige Land, das positiv eingeschätzt wird, ist Moldawien. Nicht unbedeutend in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Deutschland die Re-gion hauptsächlich im Zusammenhang mit der Ukraine sieht, weil sie das größte ÖP-Land und damit der größte Absatzmarkt ist. Sie wird auch als führendes Land in dieser Initia-tive betrachtet. Wenn von ÖP die Rede ist, analysieren die Deutschen oft die Situation der Ukraine, aber nicht unbedingt die der gesamten Region oder der übrigen Länder, was bei dem sich verschlechternden Bild der Ukraine aus deutscher Sicht die Meinung über die gesamte Region beeinfl usst.

Einfl uss auf das aktuelle Herangehen an die Idee einer Entwicklung der Östlichen Part-nerschaft hatten aber die Ereignisse in Afrika und die Situation in der ÖP-Region selbst. Man muss aber dabei die Standpunkte der Regierung, der Experten, der Medien und der Organisationen, die für Demokratie eintreten, differenzieren.

Die deutsche Regierung und die Experten sind nach wie vor der Ansicht, dass der Os-ten für Deutschland wichtig bleibt und die Initiative der Östlichen Partnerschaft weiterhin entwickelt werden sollte, obwohl die Situation in Afrika die Aufmerksamkeit auch auf den Süden gelenkt hat. Kanzlerin Merkel sagte im Juni in Warschau während der deutsch-pol-nischen Regierungskonsultationen aus Anlass des 20. Jahrestages der Unterzeichnung des Abkommens über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit: „Wir wis-sen, wie wichtig für Polen die Östliche Partnerschaft ist. Wir werden alles daran setzen, dieses polnische Projekt zum Erfolg zu führen.“36 Der Druck vonseiten der Wirtschaft ist weiterhin sehr stark. Außerdem ist man der Ansicht, dass die Franzosen sich um den Sü-den kümmern werden.

Aber auf der letzten Konferenz der deutschen Botschafter, die hauptsächlich dem The-ma Deutsche Nachbarschaftspolitik gewidmet war, war das Hauptmerkmal auf den Süden gerichtet. Grund dafür war die Aktualität des Themas, hauptsächlich aber die Kontrover-se, die die Entscheidung in Deutschland hervorrief, sich nicht in dem Konfl ikt in Libyen zu engagieren. Gegenwärtig wollen die Deutschen mit ihrem Auftreten diesen Fehler ver-decken. Daher auch die Debatte über Nordafrika, und das Interesse an diesem Thema ist viel größer als für den Osten.

Mit der neuen Haltung zu den Ereignissen in Afrika beschäftigten sich auch die deut-schen Stiftungen. Sie können, im Gegensatz zur Regierung, z.B. rechtlich nicht anerkannte Bürgerorganisationen in Ägypten unterstützen und ihnen Fonds zukommen lassen. Die deutsche Administration kann dagegen nur mit der offi ziellen Regierungsseite zusammen-arbeiten. Die Stiftungen, dies bislang im Osten und im Kaukasus sehr aktiv waren, haben relativ schnell über eine Umverteilung der Mittel in den Süden entschieden, die bisher zur Unterstützung der Demokratie, für die staatsbürgerliche Erziehung und die Entwicklung der Kontakte zwischen den Ländern und den Bürgergesellschaften der EU und der ÖP zur Verfügung standen. Wobei man nicht soweit geht, dass laufenden Projekten die Mittel

36 Gabriele Lesser, Viva Polonia, „TAZ“, 22.06.2011

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32 Agnieszka Łada

entzogen werden, dass aber alle bis dato nicht ausgeschöpften Mittel z.B. von der Kauka-susregion nach Libyen oder Ägypten verlagert werden. Weil die Organisationen nicht auf eine Vergrößerung ihres Budgets zählen können, darf man annehmen, dass im nächsten Jahr derartige Maßnahmen noch größer werden – weniger Geld als bisher wird für Ausga-ben im Osten geplant werden.

Die Situation in Afrika hat dagegen die Östliche Partnerschaft völlig aus den Medien verdrängt. Die Titelseiten der Zeitungen wurden von Meldungen aus Libyen und Syrien dominiert und die deutsche Debatte ist den Erwägungen gewidmet, wie man die Demo-kratie in diesem Teil deutscher Nachbarschaft zielgerichtet stützen kann.

Durch die Meldungen zum Thema Nordafrika drang im politischen Kontext lediglich die Information über die Verhaftung von Julia Tymoschenko. Im Gegensatz zu Belarus, wo nach einer Welle der Verhaftung von Oppositionellen in Deutschland das Interesse an Maßnahmen der Union im Osten wuchs (Winter 2011), hält die Angelegenheit Tymoschen-ko die Deutschen eher von einer Entwicklung der Östlichen Partnerschaft ab.

Die Reaktionen von deutschen Politikern, Experten und der Presse nach der Verhaf-tung belarussischer Oppositioneller waren eindeutig kritisch.37 In der Presse erschien eine Welle von Artikeln zu diesem Thema. Man konnte den Eindruck gewinnen, alle belarus-sischen Oppositionellen, die gerade nicht im Gefängnis saßen, hätten zu dieser Zeit an Konferenzen in Berlin als Redner teilgenommen. Die Überzeugung, die EU sollte in die-ser Frage Schritte unternehmen, war unter führenden, für die Ostpolitik verantwortlichen Entscheidungsträgern sehr fundiert. Nach den Ereignissen in der südlichen Nachbarschaft verschwand das Thema aber nicht nur von den Titelseiten, sondern auch aus den weiteren Spalten der Presse. Zum Beispiel über die Verhaftung von Alex Bielacki, über die in Po-len ausführlich berichtet wurde, nachdem die polnische Staatsanwaltschaft Informationen über dessen Konten an die Machthaber in Belarus weitergegeben hatte, konnte man außer ein paar geringen Notizen, die seine Verhaftung meldeten, nichts weiter fi nden. Die Presse reagierte auch nicht auf Lukaschenkos Vorschlag, sich mit der Opposition zu Gesprächen über die wirtschaftliche Situation im Lande an einen Tisch zu setzen.

Völlig anders beeinfl usste die Verhaftung Julia Tymoschenkos die Wahrnehmung der Östlichen Partnerschaft. Politiker, die sich mit dem Osten befassten, Experten und Ver-treter von Zentren auf Nichtregierungsebene verurteilten diesen Fakt. Auch die Presse reagierte scharf. Das Thema wurde nicht nur unmittelbar nach der Verhaftung der Ex-Premierministerin aufgegriffen, sondern auch Ende August, als eine Erklärung zum 20. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine herausgegeben wurde. In den Glückwünschen für den Jubilar wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Ankündigung von Präsi-dent Janukowitsch über die Entwicklung der Ukraine, gestützt auf europäische Werte, im Gegensatz zu den gleichzeitig durchgeführten Aktionen stehe: dem Umgang mit der Op-position und die tendenziöse Berichterstattung der Massenmedien . Obwohl Presse und Experten auch eine Schuld aufseiten Tymoschenkos wahrnehmen, die verärgert und zeigt, dass es auch nicht viel Sinn macht, mit Politikern der Opposition zu reden. Eine derartige Situation in der Ukraine hat die Politiker davon abgehalten, welche wie auch immer gear-teten Schritte zu unternehmen, um die Ukraine näher an die europäischen Strukturen her-

37 Beispiel dafür ist der Artikel von Guido Westerwelle, den er zusammen mit dem britischen Außenminister ver-öffentlichte: Gemeinsam gegen das weißrussische Regime, „Die Süddeutsche Zeitung“, 28.1.2011 und gemeinsam mit sei-nen schwedischen, polnischen und tschechischen Amtskollegen: Lukashenko the Loser, „International Herald Tribune“, 23.12.2010

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33Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

anzuführen oder aber neue Abkommen mit ihr zu unterzeichnen. Insbesondere, da sich in den Pressemeldungen das Bild der Ukraine als nichtdemokratisches Land abzeichnet, das auch keinerlei Veränderungen verspricht, wird kein Politiker oder höherer Amtsträger ir-gendwelche Schritte in diese Richtung unternehmen. Im Außenamt wird sich zwar weiter-hin damit befassen, aber es herrscht Skepsis, ob im diesem Jahr irgendwelche Fortschritte auf dem Gebiet zu erreichen sind. Wobei Experten Überlegungen anstellen, ob ein solches Vorgehen der ukrainischen Regierung nicht gewollt ist. Vorausgesetzt, ihnen ist nicht dar-an gelegen, das bereits fertige (und politisch von der EU gestützte) Abkommen über eine vertiefte Freihandelszone zu unterzeichnen, und eine Verärgerung der Union gegenüber Kiew käme ihnen zupass. Brüssel, das keine positiven Signale aussenden will, solange sich die Situation in der Ukraine nicht ändert, wird selber nicht auf der Finalisierung dieses Prozesses beharren. Daher die deutschen Befürchtungen vor einer Unterzeichnung des Abkommens, die eine falsche Geste nach Kiew wäre und einen Bruch des Prinzips „less for less“ sein würde, der die Glaubwürdigkeit der EU infrage stellt.

Die deutsche Regierung wird, sofern die Arbeit am Assoziationsabkommen zu Ende geführt wird, wahrscheinlich die Paraffi erung des Dokuments nicht blockieren. Dagegen kann man nicht ausschließen, dass der Bundestag dessen Ratifi zierung so lange hinauszö-gert, bis sich die Situation in der Ukraine nicht gebessert hat. Deutschland wird aber ge-wiss nicht das Land sein, das sich als einziges widersetzt. Obwohl auch vonseiten einfl uss-reicher deutscher Abgeordneter zum Europäischen Parlament Stimmen laut werden, die bereits die Verhandlungen über das Abkommen stoppen wollen. Elmar Brok schlug An-fang September vor, die Verhandlungen mit der Ukraine aufzuteilen und nur Fortschritte beim Freihandel, nicht aber bei einer vertieften Assoziation zu erwirken.

In beiden Fällen – Belarus und Ukraine – machen die Deutschen für fehlende Fort-schritte bei der Entwicklung der Initiative eindeutig die östlichen Partner verantwortlich. Man geht dabei vom Standpunkt der Notwendigkeit aus, den Dialog fortzusetzen, aller-dings auf niedrigster Ebene, und von Demokratie fördernden Zentren auf Nichtregie-rungsebene.

Ziele und Voraussetzungen der Östlichen Partnerschaft in der Einschätzung von Deutschland

Teilung der Europäischen Nachbarschaftspolitik und Prinzipien der Konditionalität

Deutschland war und ist gegen eine Teilung der Europäischen Nachbarschaftspoli-tik. Es ist sich darüber klar, dass die im Süden Europas gelegenen Länder dem Osten nur bei einer Unterstützung der übrigen Länder der südlichen Dimension der Europäischen Nachbarschaftspolitik beistehen werden. Sie sind aber ganz entschieden der Ansicht, dass zwischen den Ländern eine größere Diversifi zierung gemacht werden müsse – nicht nur zwischen dem Süden und dem Osten, sondern auch unter den Ländern dieser bei-den Regionen. Einzelne Länder entwickeln sich nämlich so unterschiedlich, dass nicht alle mit gleichem Maß gemessen werden können. Daher auch ihre Unterstützung des Prin-zips „more for more“, das im Kommuniqué über die Europäische Nachbarschaftspolitik vorgeschlagen wurde. Sie fügen dem noch das Prinzip „less for less“ hinzu, weil sie der

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Auffassung sind, es sollte besonders in der gegenwärtigen Situation in der Ukraine und in Belarus angewandt werden (aber nur gegen das Regime, nicht gegen die Bürgergesell-schaft). Die Forderungen an die Mitglieder der ÖP, die nach dem Prinzip der Bedingtheit anzuwenden sind, sind nach Deutschlands Auffassung in den Assoziationsabkommen und den Aktionsplänen festgeschrieben. Man muss sich auch fragen, wohin wollen diese Länder gelangen. Die EU hat konkrete Standards, die erfüllt werden müssen, wenn also die ÖP-Länder von einem Zugang zum europäischen Markt profi tieren wollen, müssen sie diese Standards erfüllen. Man kann keine Vorzugsbedingungen walten lassen und auf ein späteres Einholen der Norm rechnen. Das Beispiel von Rumänien und Bulgarien hat ge-lehrt, an der Aufholung einer solchen Verspätung zu zweifeln. Deutschland ist sich dar-über klar, dass rigorose Bedingungen abschrecken, steht aber auf dem Standpunkt, dass, wenn einem Land an einer Integration gelegen ist, es die Motivation zu Veränderungen haben wird. Die Vorschläge der EU an die ÖP-Länder werden als attraktiv erachtet.38 Die Deutschen wünschen sich in den betreffenden Ländern auch ein besseres Verständnis für die Ziele und den Sinn der ganzen Initiative. Notwendig ist ihrer Meinung nach das Be-wusstsein in diesen Ländern, dass ÖP nicht Geld geben bedeutet, sondern Austausch und Aufgeschlossenheit gegenüber Reformen.

Deshalb heben die Deutschen auch ganz klar hervor, dass eine Liberalisierung der Vi-sumspolitik erst dann möglich ist, wenn die ÖP-Länder alle Kriterien erfüllen, was be-deutet, dass auch sie gewisse Kosten tragen müssen. Offi ziell wollen sie nicht über Da-ten sprechen. Während seines Besuches im März in Kiew erläuterte Guido Westerwelle Deutschlands Haltung zu diesem Problem: „Gastfreundschaft heißt aber nicht, dass einem gleichgültig ist, wer ins eigene Haus kommt. Wir müssen auch die Sicherheitsinteressen unserer Bürgerinnen und Bürger zuhause ernst nehmen. Deswegen müssen wir Grenzen auch schützen vor denen, die Gastfreundschaft ausnutzen wollen. Sicherheit und Freiheit sind keine unüberbrückbaren Gegensätze. Wir brauchen beides. Der Aktionsplan, auf den sich Ihr Land mit der EU im letzten Jahr geeinigt hat, weist den Weg zu einer neuen Vi-sumspolitik. Natürlich muss auch die Ukraine ihren Teil beitragen.“39

In Deutschland gibt es aber ziemlich deutliche Unterschiede in den Meinungen über die Abschaffung der Visumspfl icht für die Bürger der ÖP-Staaten. Das Innenministerium und das Kanzleramt sind dagegen, weil sie einen zu großen Zustrom von Immigranten befürchten. Ähnliche Stimmen fi nden sich auch in der Gesellschaft. Im Außenministerium und im Wirtschaftsministerium ist ein entgegen gesetzter Standpunkt vorherrschend. Hier sehen die Beamten messbare Vorteile für Deutschland, die sich aus der Liberalisierung des Visumsystems ergeben. Nach außen erklärt sich die deutsche Regierung im Hinblick auf das Fehlen einer einhelligen Meinung und die führende Rolle des Innenministeriums in dieser Frage nicht zu einer raschen Liberalisierung der Visumsfrage bereit. Dies zeigt sich in der Option für die Formulierung, dass eine Abschaffung der Visumspfl icht „in weiterer Perspektive“ möglich sein wird.

38 Die EU hat der Ukraine ein attraktives Angebot gemacht, Interview mit Außenminister Guido Westerwelle für „DEN“, 02.03.2011, http://www.auswärtiges –amt.de/DE/Infoservice/Presse/Interviews/2011/110302-BM DEN.html, Zugang 25.08.2011

39 Rede Bundesaußenminister Guido Westerwelles vor Studierenden der Nationalen Taras-Schewtschenko-Univer-sität, Kiew, 2.03.2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Inforservice/Presse/Reden/2011/110302 BM Kiew.html, Zugang am 25.08.2011

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35Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

Business und Expertenkreise üben allerdings Druck auf die Politiker aus. Vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft geführte Untersuchungen in 200 deutschen Firmen zeigen, dass die Visumspfl icht eine der wesentlichsten Barrieren ist, auf die deutsche In-vestoren in der Region stoßen. Konkrete, von den Unternehmen formulierte Vorwürfe benennend, (z.B. Bürokratie, Zeitaufwand, zu hohe Gebühren) postuliert das Komitee die anfängliche Einführung wesentlicher Erleichterungen (z.B. Vereinfachung der Prozedur, raschere Arbeit der Konsulate, Applikationen durch das Internet, Langzeitvisa, keine Not-wendigkeit einer Einladung im Falle einer erneuten Einreise zum selben Zweck, Ausstel-lung des Visums an der Grenze) bis hin zur völligen Abschaffung der Visumspfl icht.40

Man ist der Auffassung, die deutsche Regierung sollte gemeinsam mit Polen auf euro-päischer Ebene eine derartige Lösung vorantreiben.

Die Liberalisierung der Visumspfl icht unterstützen auch die Experten, die sich mit dem Thema Östliche Partnerschaft befassen, sehen sie doch darin eine reale Chance zur Annä-herung dieser Länder an die EU und eine Stärkung der Bürgergesellschaft.

Trotz einer allgemeinen Unterstützung Deutschlands für die Östliche Partnerschaft, blieb die Regierung in Berlin einer Aufstockung der Mittel für diesen Zweck gegenüber ab-geneigt, weil dies die Notwendigkeit einer höheren fi nanziellen Beteiligung Deutschlands bedeuten könnte, was zuzeiten der Krise schlecht angesehen ist. In der gegenwärtigen un-günstigen Atmosphäre um die Partnerschaft, die durch die Verhaftung Tymoschenkos ge-schaffen wurde, kann umso weniger von einer Aufstockung des Budgets die Rede sein. Deutschland stimmt aber mit Polen darin überein, dass die Aufteilung der Mittel in der EPS – 1/3 für die östlichen, 2/3 für die südlichen Länder – nicht bis ins letzte zufrieden stellend ist.

Warschau und Berlin reden hier gegenüber den EU-Mitgliedsländern im Süden mit ei-ner Stimme. Sie sind sich gleichzeitig bewusst, dass eine Verschiebung zum jetzigen Zeit-punkt eher nicht möglich ist, sie rechnen also darauf, dass eine solche Aufteilung zumin-dest nicht zu ungunsten der Östlichen Partnerschaft verringert wird.

Die Abneigung gegenüber irgendwelchen neuen fi nanziellen Aufl agen bewirkt u. a., dass Berlin den polnischen Vorschlag zu einem Europäischen Fonds für Demokratie nicht aktiv unterstützen wird. Deutschland, das alle pro-demokratischen Aktionen für notwendig hält, hat sich schon längst Methoden für sein Engagement bei der Förderung der Demokratie erarbeitet. Dies erfolgt hauptsächlich durch die Arbeit seiner politischen Stiftungen, die bei der Gelegenheit auch gleich Deutschland promoten. Ähnlich ist es mit der Entwicklungshilfe, die bedeutende Mittel (wenngleich nicht die größten) in den Osten lenkt. Sie sehen in dem Zusammenhang keine Notwendigkeit, neue Mechanismen zu be-wegen und neue Kosten aufzubringen. Wahrscheinlich werden sie sich der Idee nicht wi-dersetzen, aber auf ihre Unterstützung sollte man nicht rechnen.

40 Committee on Eastern European Economic Relations, Roads too Visa-free Travel Position Paper, S.7-13, http://www.ost-ausschuss.de/sites/default/fi les/pm_pdf/Position%20Roads%20to%20Visa-free%20Travel_0.pdf S. 7-13, Zugang 1.09.2011

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36 Agnieszka Łada

Tabelle Nr. 4 Hauptprofi teure der deutschen Entwicklungshilfe (ODA)

2005 2007 2009

Land ODA-Quoten netto (in Mio USD) Land ODA-Quoten netto

(in Mio USD) Land ODA-Quoten netto (in Mio USD)

Irak 2437,65 Irak 2240,78 China 349,84

Nigeria 1425,21 Kamerun 807,01 Afghanistan 346,21

China 307,90 China 309,41 Indien 270,30

Kamerun 220,91 Afghanistan 232,26 Brazylia 201,25

Indonesien 198,74 Ägypten 164,62 Ägypten 142,49

Sambia 142,60 Marokko 152,76 Ukraine 124,78

Ägypten 131,77 Indien 136,87 Serbien 117,54

Afghanistan 119,76 Republik Südafrika 108,55 Mosambique 116,78

Vietnam 100,08 Vietnam 104,43 Vietnam 115,44

Brasilien 92,91 Äthiopien 103,19 Pakistan 110,27

Quelle: Weltbank http://siteresources.worldbank.org/CFPEXT/Resources/299947-1266002444164/index.htlm

Tabelle Nr. 5 Jahresquoten von Deutschland für die Entwicklungshilfe

Jahr in Mio USD

2001 4989,50

2002 5324,43

2003 6784,18

2004 7534,21

2005 10 082,16

2006 10 434,81

2007 12 290,70

2008 13 980,87

2009 12 079,30

2010 12 723,05

Quelle: Weltbank http://siteresources.worldbank.org/CFPEXT/Resources/299947-1266002444164/index.htlm

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37Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

Tabelle Nr. 6 Offi zielle Entwicklungshilfe der BRD für die Länder der Östlichen Partner-schaft.

Empfängerland Jahresdurch-schnitt 2005

(in Mio USD)

Jahresdurch-schnitt 2007

(in Mio USD)

Jahresdurch-schnitt 2009

(in Mio USD)

Ranking un-ter den mul-tilateralen

u.bilateralen Geberländern

2007-2008

Ranking un-ter den mul-tilateralen

u.bilateralen Geberländern

2008-2009

Armenien 29,98 22,53 30,99 IV (nach USA, IDA, Japan))

V (nach IDA, USA, Japan, Asi-an Development Fund)

Aserbaidschan 19,11 24,27 42,65 IV (nach USA, IDA, Türkei)

III (nach IDA und USA)

Belarus 13,92 18,89 21,66 I I

Georgien 51,07 38,34 67,02 IV (nach USA, IDA, EU)

V (nach USA, IDA, EU, Asian Development Fund)

Moldawien 7,81 9,28 9,02VII (nach EU, IDA, IMF, USA,, Schweden, Tu-erkei)

VI (nach EU, USA, IDA, IMF, Schweden)

Ukraine 53,16 69,11 121,58 III (nach EU, USAi)

III (nach EU, USA))

Quelle: OECD http://stats.oecd.org.qwids/#?x=2&y=6&f=3:51,4:1,1:10,5:3,7:1 &q=3:51+4:1+1:10+5:3+7:1+2:1,9,11,16,66,114,182+6:2005,2006,2007,2008,2009,2010

Eine Diskussion über eine eventuelle zusätzliche Erweiterung der EU gibt es in Deutsch-land nicht. Das resultiert hauptsächlich aus zwei Faktoren. Zum ersten ist nach Auffassung Deutschlands die letzte Erweiterung – um Bulgarien und Rumänien – zu rasch erfolgt, was bewirkte, dass Länder in die Union kamen, die auf eine Mitgliedschaft nicht vorbereitet waren. Zum zweiten würde die Aufnahme von neuen Ländern weitere Kosten für das Budget der Union verursachen. Spürbar ist eine „Erweiterungsmüdigkeit“, obschon in Be-zug auf den westliche Balkan in letzter Zeit ermunternde Worte fi elen.41 Gegenüber den

Ländern Osteuropas ist dies nicht zu erwarten. Nach einem Treffen mit Äquivalenten aus der Vysegrader Gruppe im März 2011, also noch vor der Affäre um die Verhaftung Julia Tymoschenkos betonte Minister Westerwelle, dass nur demokratische Staaten eine Chance haben, der Europäischen Union beizutreten. Die Nichterfüllung demokratischer Standards, und so schätzt Deutschland gegenwärtig die Region ein, liefert Berlin wirksame Argumente gegen eine Erweiterung der EU. Der Fall der Balkanländer, die die Perspek-tive einer Mitgliedschaft bekommen haben, deren Reformprozess aber nicht so reibungs-los verläuft, wie man sich das in der EU wünschte, bewirkt, dass in Deutschland auch die Wirksamkeit und der positive Einfl uss angezweifelt wird, die Perspektive einer Mitglied-schaft zu deklarieren. Ein „Reform fatigue“ vonseiten der Anwartschaftsländer für die EU verleidet die Formulierung von Versprechungen gegenüber weiteren Ländern.

41 „Wir wollen Serbien in der Europäischen Union“, sagte Kanzlerin Angela Merkel im August während ihres Be-suches in diesem Land. Vgl. Merkel stellt Serbien Bedingungen, FAZ Net, 23. August 2011 http://www.faz.net/artikel/C31147/eu-kandidatenstatus-merkel-stellt-serbien-bedingungen-30490007.html

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38 Agnieszka Łada

„Russia fi rst”?

Die Beziehungen mit Russland sind für Deutschland viel wichtiger als die mit der Re-gion der ÖP. Von einigen Seiten tauchen Stimmen auf, das Problem der Politik mit den ÖP-Ländern sollte in größtmöglichem Maße mit der Politik gegenüber Russland konform gehen. Besonders im Moment des Auftauchens der Initiative der Östlichen Partnerschaft herrschte in Deutschland die Befürchtung, sie würde Moskau reizen und man sollte sie daher nicht als Priorität behandeln. Gegenwärtig wird die Partnerschaft nicht mehr durch das Prisma negativer Einfl üsse auf die Beziehungen zu Russland betrachtet. Die Deutschen haben die Vorteile, die sich für sie aus der Entwicklung der ÖP ergeben, erkannt und sich davon überzeugt, dass sie für Moskau nicht konfrontativ ist und nicht auf die bilateralen Beziehungen zu Russland einwirkt. Im Interview für eine ukrainische Tageszeitung versi-cherte der deutsche Außenminister: „Es würde unseren ureigensten Interessen widerspre-chen, wenn wir unsere Beziehungen zur Ukraine den Beziehungen zu irgendeinem ande-ren Land unterordnen würden.“42

Insbesondere unter den sich mit der ÖP beschäftigenden Analytikern herrscht die An-sicht vor, dass es notwendig sei, Projekte, die diesen Bereich betreffen, eindeutig zur Uni-onspolitik gegenüber Russland abzugrenzen. Obschon Russland so nah wie möglich an die Initiative der Partnerschaft herangeführt und in vereinzelte Projekte eingebunden wer-den sollte.43 Aber zunächst muss es erst einmal selbst daran interessiert sein. Indessen hat der Kreml weder ein Interesse daran, die Konfl ikte in der Region zu lösen, noch ist ihm an einer Transparenz der Strukturen in den ÖP-Ländern gelegen. Gleichzeitig wird Russland als wichtiger Handelspartner und Gaslieferant weiterhin Einfl uss auf diese Länder haben. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise haben diesen Einfl uss noch verstärkt. Das Ange-bot der EU wird für die Eliten der ÖP-Staaten nicht attraktiver, und ihr Bewusstsein, was die Union gibt, ist niedrig.

Angesichts der Anwesenheit beider Player – der Union und Russland – auf dem Terrain von Osteuropa und dem südlichen Kaukasus sehen die Deutschen die Entwicklung der Öst-lichen Partnerschaft als Gewinn für beide Seiten („win-win“) und anerkennen, dass die Kon-kurrenz Vorteile bringt. Moskau dagegen nimmt ein gleichzeitiges Engagement beider Sei-ten (das eigene und das der Union) auf diesem Terrain als Spiel um eine Nullsumme wahr.

Die Experten warnen in diesem Zusammenhang, sollte die EU mit Moskau auf Kosten der ÖP-Länder einen Kompromiss eingehen wollen, würde die Unionspolitik nicht mehr ernst genommen.

Gegenwärtig, da die Außenpolitik Deutschlands allgemein in den Hintergrund getreten ist, wird keinerlei Initiative, weder in Richtung Russland, noch in Richtung der ÖP-Staaten gestartet. Ein Beispiel dafür, wie sehr die Regierung durch innerdeutsche und wirtschaft-liche Fragen absorbiert ist, kann die Absage des Treffens der Kanzlerin mit Dimitri Med-wedjew sein.44

42 Die EU hat der Ukraine ein attraktives Angebot gemacht, Interview mit Minister Guido Westerwelle für „DEN“, 02.03.2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Interviews/2011/110302-BM_DEN.html Zugang 25.08.2011

43 Mit Zufriedenheit registriert Deutschland solche Elemente der Öffnung seitens der Partnerländer gegenüber Rus-sland wie die Anwesenheit von Vertretern des russischen dritten Sektors auf dem Zivilgesellschaftsforum in Berlin und die Tatsache, dass sie sich dabei mit den Teilnehmern aus Georgien vorzüglich verstanden.

44 http://www.osw.waw.pl/pl/wiadomosci/2011-08-26?mini=wiadomosci%2F2011-08 Zugang 3.09.2011

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39Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

Die Realisierung der multilateralen Dimension nach Ansicht Deutschlands

Die multilaterale Dimension der Östlichen Partnerschaft ist für Deutschland weniger in-teressant als seine bilateralen Kontakte zu den einzelnen Ländern, die ihm unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Nutzen bringen.

Die Arbeit der Plattformen

Die Arbeit der multilateralen Plattformen an sich wird in Deutschland positiv einge-schätzt. Entscheidend ist die Tatsache, dass dabei für alle an den Plattformen Beteiligten die gleichen Prinzipien herrschen. Wichtig ist auch, dass der Fortschritt der Arbeit der Plattformen nicht von der Akzeptanz aller ihrer Beteiligten abhängt, was Handlungsdy-namik ermöglicht. Diejenigen, die sich zu einer Mitarbeit in bestimmten Bereichen ent-schließen, brauchen nicht das Engagement der anderen Beteiligten. Negativ beurteilt wird dagegen die Undurchsichtigkeit der Aktionen der Plattformen und das Fehlen von Feed-backs nach den Treffen. Es bleibt zur Diskussion gestellt, in welchem Maße die Schlussfol-gerungen aus den Plattformen publik gemacht werden sollten. Nach Auffassung Deutsch-lands ist zumindest ein Minimum an öffentlicher Information erforderlich, um die ÖP nach außen zu fördern. Der technische Charakter der Projekte, mit denen sich die Plattformen beschäftigen, erschwert aber eine solche Promotion sehr stark. Die Deutschen schätzen Projekte im Rahmen der Plattform 1: „Demokratie, Stabilität und gute Lenkung“besonders positiv ein, , z.B. die den Katastrophenschutz betreffenden oder aber auch politischere Projekte im Bereich Korruptionsbekämpfung oder Administrationsmanagement. Berlin will sich in neue Arbeiten im Rahmen dieser Plattform einbringen. Negativ beurteilt wird die Arbeit der Energieplattform, hauptsächlich wegen der Unklarheit der Ziele, die sie an-strebt.

Diese Plattform dient nach Ansicht der Deutschen nur dem Informationsaustausch und hat aus ihrer Sicht keinen besonderen Wert, weil sie die Energiefragen bei Treffen in vie-len anderen bilateralen und multilateralen Gremien besprechen. Daher ist das Engage-ment Deutschlands bei dieser Plattform auch nicht sonderlich groß. Berlin schätzt aber die Kontaktmöglichkeit, die sich für die Partnerländer durch die Existenz der Plattform ergibt. Man bemerkt aber Unterschiede in der Aktivität der einzelnen Länder. Die Ukraine z.B. ist bemüht. Sie bleibt für Deutschland weiterhin ein wichtiges ÖP-Land, besonders im Hin-blick auf die Bedeutung der Energiepolitik der Deutschen. Sie sind an einer Modernisie-rung der Ukraine und einer Erhöhung ihrer Energieeffektivität interessiert. Gespräche zu diesem Thema führt Berlin allerdings bilateral, es sieht keine Notwendigkeit, die ÖP-Platt-form darin zu engagieren.

Die Plattform spielt eine Rolle als Ort des Meinungsaustausches über die Vision der En-ergiepolitik und die Energiesicherheit in der EU und den ÖP-Ländern, wobei Berlin sich bewusst ist, dass Meinungsverschiedenheiten darüber selbst zwischen den einzelnen Län-dern in der EU selbst auftreten. Die Plattform stellt also eine Gesprächsmöglichkeit über diese Unterschiede, die auch in Bezug auf die ÖP-Länder auftreten, dar.

Das allgemeine Interesse Deutschlands bei der Unterstützung der Bürgergesellschaft überträgt sich auf das Interesse an den Arbeiten von Plattform 4, die den zwischenmensch-lichen Kontakten gewidmet sind. Deutschland hat zusammen mit Polen im Herbst 2010 ein Non-Paper vorbereitet, das die gewünschten Entwicklungsrichtungen der Arbeiten in

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diesem Bereich aufzeigt. Vorgeschlagen wurden z.B. Expertendiskussionen über die Zu-sammenarbeit mit den Medien, den Fremdsprachenunterricht als mobilitätsförderndes Werkzeug und den Sportbereich als Instrument gesellschaftlicher Integration. Im Doku-ment wird auch die Rolle des Zivilgesellschaftsforums hervorgehoben und empfohlen, sei-nen Vertretern eine ständige Beteiligung an den Arbeiten der Plattform zu ermöglichen und Projekte vorzuschlagen. Diese Postulate bleiben bisher eher auf der Wunschebene. Deutschland lobt dagegen die Zusammenarbeit mit seinen polnischen Partnern.

Die deutschen Amtsträger sehen es als richtig an, dass die Arbeiten der Plattformen von der Kommission koordiniert werden und auf multilateraler Ebene bleiben, so wie es vereinbart war. Der bilaterale Aspekt kann ihrer Ansicht nach den multilateralen lediglich ergänzen. Unzufriedenheit äußern sie dagegen über die Kommunikation mit der Europä-ischen Kommission zu Aktionen auf gesellschaftlicher Ebene in den Partnerländern. Es be-steht die Befürchtung, dass das wichtigste Subjekt, auf das sich die Arbeiten der Plattform richten – die Bürger- nicht genügend engagiert sind. Daher auch die Unterstützung für die Einbeziehung von Repräsentanten des Forums.

Das Interesse Deutschlands am Zivilgesellschaftsforum

Das Zivilgesellschaftsforum wird von den Deutschen als am besten funktionierendes Element der ÖP betrachtet, das einen entsprechenden Rahmen, aber auch Defi zite hat. Eine Meinung dazu konnten sie sich insbesondere bei der in Berlin stattfi ndenden zweiten Aufl age bilden.

Die Teilnehmer des Forums beurteilten die Tatsache positiv, dass es außerhalb von Brüssel stattfand. Berlin, das vom Lenkungskomitee vorgeschlagen wurde, war der pas-sende Ort, weil er es den Organisationen der ÖP-Länder ermöglichte, sich anderen Trägern zu präsentieren. Es ist wichtig, die Tradition beizubehalten, und das Forum außerhalb von Brüssel stattfi nden zu lassen. Der Gedanke, das nächste Forum in Polen stattfi nden zu las-sen, ist mit großer Zufriedenheit aufgenommen worden, besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass Polen Initiator und Anwalt der ÖP ist und in dieser Zeit die Ratspräsident-schaft ausübt. Unverständlich ist aber, warum das Forum in Poznan stattfi nden soll, das verkehrstechnisch schlechter gestellt ist als Warschau und nicht so viele Vorteile für Net-work und Öffentlichkeitsarbeit besitzt, wie jede Hauptstadt sie vorweisen kann.

Die Deutschen wünschen sich für das Forum in Zukunft eine bessere inhaltliche Vor-bereitung. Ein nicht durchdachtes Programm, das Fehlen konkreter Ergebnisse, eine reine Diskussions- und Begegnungsplattform ohne die Perspektive späterer Nutzung sind die hauptsächlichen Vorwürfe an das Treffen in Berlin. Gleichzeitig war man sich aber dessen bewusst, dass das ganze Treffen von einer Gruppe von Personen vorbereitet wurde, die dies außerhalb der Dienstzeit, auf Freiwilligenbasis, ohne entsprechende Unterstützung tat. Daher kam von vielen Experten und Beamten die Forderung, ein Forumssekretariat einzurichten. Dies sollte aber keine große, spezielle Struktur sein (es herrscht Übereinstim-mung darüber, dass eine große Struktur unpassend ist). Deutschlands Standpunkt deckt sich hier mit den Forderungen des Steering Commitee‘s des Forums und dessen Beteili-gten. Nach Auffassung der deutschen Gesprächspartner sollten zwei oder drei Personen beschäftigt werden, die sich um Kommunikation, Organisation und allgemeine Ordnung kümmern. Eines der Länder (hier wird Polen genannt, aber die Deutschen meinen, es wäre möglich, auch ihr Land einzubinden) sollte sofort zwei Räume zur Verfügung stellen, wo

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das Sekretariat seinen Sitz hätte. Eine solche Lösung würde sicherstellen, dass das Sekreta-riat keine zusätzlichen Kosten verursacht, aber die Vorbereitung des Forums und die Ar-beit zwischen den jeweiligen Treffen ganz entschieden erleichtert.

1Gefordert wird, das Forum mit einer konkreten Deklaration / Resolution zu beenden, was für die Promotion des Ereignisses hilfreich wäre und konkretes Material lieferte, das die Beamten und Politiker erreichen würde. Ein solches Material müsste rechtzeitig vorbe-reitet und nur die Einzelheiten auf dem Treffen selbst diskutiert werden.

Indem sie die Bedeutung des Forums für die Initiative der Östlichen Partnerschaft her-vorheben, unterstützen die Deutschen die Idee, Vertreter des Forums bei internationalen Plattformen zuzulassen.

Deutschlands Standpunkt zur Östlichen Partnerschaft

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Agnieszka Łada

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Östlichen Partnerschaft

Deutsche und Polen stimmen überein, dass das Thema Östliche Partnerschaft einer der Bereiche ist, in denen beide Länder gemeinsame Interessen haben und eine Zusammen-arbeit notwendig ist. Solche Versicherungen kommen sowohl vonseiten der Bundesregie-rung wie auch von der Regierung Polens (wie etwa während der deutsch-polnischen Re-gierungskonsultationen im Juni 2011), wie auch in den Einschätzungen der Experten.45

In den ersten Jahren der Existenz des Programms fanden einige gemeinsame deutsch-polnische Initiativen in diesem Bereich statt. So stellten im Herbst 2010 Beamte aus beiden Ländern ein gemeinsames Non-Paper zu Entwicklungsrichtungen der Plattform 4 vor. Mi-nister Deutschlands und Polens reisten gemeinsam in Länder der Partnerschaft (Radoslaw Sikorski war gemeinsam mit Guido Westerwelle im Herbst 2010 in Minsk und mit Frank Steinmeier im Juni 2009 in Kiew). Darüber hinaus nahm Guido Westerwelle an einem Au-ßenministertreffen der Vysegrader Gruppe teil und unterzeichnete die dabei angenom-mene Deklaration, in der u. a. davon die Rede ist, dass die Signatarstaaten die stufenweise Abschaffung der Visumspfl icht für die Länder der Partnerschaft unterstützen. Die Unter-schrift des Chefs der deutschen Diplomatie war demnach ein großer Erfolg. In der Dekla-ration betonen die Minister, dass „die Glaubhaftigkeit der Union als Global-Player von der Möglichkeit und dem Willen abhängt, Nachbarschaftsländern bei der Entwicklung und bei Reformen zu helfen.“ Sie anerkennen ebenfalls die Aspirationen dieser Länder zur eu-ropäischen Integration.46 In dieser Frage – der Perspektive der Mitgliedschaft der ÖP-Län-der – gehen die Ansichten Polens und Deutschlands allerdings auseinander, da Berlin sich prinzipiell gegen die Formulierung solcher Ankündigungen stemmt. In der Frage der Li-beralisierung der Visumspfl icht nimmt Deutschland eine ähnliche Haltung ein und spielt auf Zeit, während Polen für ein zügiges Fortschreiten dieses Prozesses eintritt.

45 Kai-Olaf Lang, Polens Vorsitz im Rat der EU: Zuversicht in Zeiten der Krise, SWP-Aktuell 2011/A 38, August 2011 http://www.swp-berlin.org/de/produkte/swp-aktuell-detail/article/polens_eu_ratsvorsitz.html

46 The Visegrad Group and Germany Foreign Ministers Statement on the Eastern Partnership, Bratislava, March 3, 2011, http://www.visegradgroup.eu/main.php?folderID=859&articleID=32897&ctag=articlelist&iid=1, Zugang 31.08.2011

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Übereinstimmung herrscht zwischen Polen und Deutschland bei der Frage der An-wendung des Prinzips „more for more and less for less“. Beide Länder meinen, dass die Wirksamkeit der Verwendung der Geldmittel durch die Länder der Partnerschaft erhöht werden muss und man von ihnen demokratische Reformen verlangen muss. Die Unter-stützung der Bürgergesellschaft in der Region bleibt auf der Prioritätenliste beider Länder ganz oben.

Deutschland und Polen bilden bei der Entwicklung der Unionspolitik im Osten eine ge-meinsame Front gegen die Mitgliedsländer aus dem Süden der EU. Gern sähe man eine Veränderung bei der Aufteilung der Finanzmittel im Rahmen der Europäischen Nach-barschaftspolitik zugunsten des Ostens (momentan ist der Anteil 1/3 für den Osten, 2/3 für den Süden). Ihnen ist aber klar, dass in der jetzigen Situation bereits eine Senkung der Quote, die auf die Länder der Östlichen Partnerschaft entfällt, zufrieden stellend ist. Im-merhin ist Deutschland gegen eine Erhöhung des Budgets für externe Ausgaben in einer künftigen Finanzperspektive (als Nettozahler fordern sie keine Vergrößerung des Budgets der EU), während Polen ein größeres Budget der EU verlangt, darunter auch die Erhöhung der externen Ausgaben.

Vom Engagement Polens und Deutschlands und von der Zusammenarbeit in der EU hängt es ab, ob sich das Partnerschaftsprogramm entwickeln kann. Dieses Bewusstsein existiert beiderseits der Oder. Deutschland wird aber nicht mit einer Initiative heraus-kommen, hauptsächlich wegen des Engagements, das es gegenwärtig anderen Problemen in der EU widmen muss und der aktuellen Schwäche in der Außenpolitik, die durch die mangelnde Unterstützung für Guido Westerwelle sowohl in der Koalition wie auch in Ex-pertenkreisen verursacht wird. Umso lieber betrachtet es die Ideen Polens in diesem Be-reich, die es im Prinzip zu befürworten bereit ist. Polen wird als wichtiger Partner in der Ostpolitik anerkannt. Von Polen werden Aktionen zur größeren Wahrnehmbarkeit der ÖP, aber auch konkrete Vorschläge zur Entwicklung der Initiative erwartet. Die Östliche Part-nerschaft als Teil der Außenpolitik der EU bleibt aber in den Händen des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Europäischen Kommission. Polen und Deutschland kön-nen dagegen versuchen, die Politik der Institutionen der EU zu stimulieren.

Ein Problem, zu denen beide Länder einen gemeinsamen Nenner fi nden sollten, ist ge-genwärtig der Standpunkt zu den einzelnen Vorschlägen der EK zum Nachbarschaftsins-trument.47 Ein entsprechendes Dokument stellt die Kommission Ende Dezember 2011 vor. Insbesondere Deutschland als Nettozahler zum Budget ist daran gelegen, dass die Gelder der Union in Osteuropa effektiver ausgegeben werden. Wichtig wäre da eine gemeinsame Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission, wie man das Hilfe-System elastischer ge-stalten und das Prinzip „more for more“ praktisch realisieren könne.

Fortgesetzt werden sollte die gute deutsch-polnische Zusammenarbeit, wie sie auf der Ebene der Plattform 4 wahrgenommen wird, die den zwischenmenschlichen Kontakten gewidmet ist. Berlin und Warschau sollten gemeinsam Druck auf die Realisierung der im Non-Paper von 2010 enthaltenen Vorschläge ausüben, die die Entwicklung der Pro-gramme für die Bürgergesellschaften betreffen. Zu den konkreten Forderungen könnte eine Erhöhung der Mittel für das Programm des Life Long Learning oder die Öffnung des Erasmus-Programms für Bürger aus den Ländern der Partnerschaft gehören. Außerdem

47 Das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument ersetzt in der neuen Finanzperspektive das aktu-elle Europäische Nachbarschaftsinstrument.

Agnieszka Łada

Page 44: Gemeinsam oder getrennt?leipzig.polnischekultur.de/files/Raport_de.pdf · Zu den Autorinnen: Elżbieta Kaca – Koordinatorin und Forscherin im Europa-Programm des Instituts für

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muss eine Lobby für die Öffnung dieser Plattform (fürderhin auch für weitere) zur Beteili-gung von Vertretern des Leitungskomitees des Zivilgesellschaftsforums gefunden werden. In dieser Frage sprechen die Amtsträger aus beiden Hauptstädten eine Sprache, sie sollten nunmehr ihre Kollegen aus anderen Ländern davon überzeugen. Eine Chance für die Un-terstützung deutsch-polnischer Initiativen zur Stärkung der Bürgergesellschaft ist die in der gesamten Union vorherrschende Übereinstimmung, dass demokratische Reformen in den Nachbarländern gefestigt werden müssen.

Eine wichtige gemeinsame Tat wäre auch die Aufnahme von Aktionen zur Erhöhung der Wahrnehmung der Östlichen Partnerschaft. Polen und Deutschland könnten die Schaf-fung eines entsprechenden Programms der Europäischen Kommission einfordern. Wichtig wäre auch die Erhöhung von Informationsleistungen, also eine Überprüfung der Kommu-nikationspolitik der EU in diesem Bereich.

In beiden letztgenannten Bereichen – Zusammenarbeit zugunsten der Bürgergesell-schaft und Kommunikationsaktionen – sind polnische und deutsche Nichtregierungsorga-nisationen aktiv, die gemeinsam Projekte im Osten realisieren. Ihr Potential sollte genutzt, sie sollten zu weiterer Zusammenarbeit animiert und ihre Meinungen genutzt werden. Ein gutes Beispiel für die Eröffnung einer bilateralen deutsch-polnischen Zusammenarbeit ist die Möglichkeit, sich bei der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit um Zu-wendungen für Projekte zu bemühen, die in Kooperation mit Organisationen aus Dritt-ländern realisiert werden. Es wäre angezeigt, wenn beim Beschluss über die Zuerkennung von Zuschüssen, die Entscheidungsträger Aktionen, die gemeinsam mit Partnern aus den Ländern Osteuropas und dem Kaukasus unternommen werden, vorrangig behandeln würden. So wie das Deutsch-Polnische Jugendwerk offen für eine Unterstützung des Ju-gendaustauschs ist, der sich nicht nur auf Polen und Deutschland allein begrenzt. Die ge-ringfügigen Mittel für solche Projekte erlauben es aber nicht, viele zu unterstützen. Dar-über hinaus kann der Aufenthalt in Drittländern weiterhin nicht dazufi nanziert werden. Daher sollte dieses Prinzip geändert werden, wobei gleichzeitig das Budget der Organi-sation erhöht werden müsste (was von beiden Ländern größere Einzahlungen ins Budget erforderlich macht), indem die Länder der Partnerschaft als eine der Präferenzrichtungen des Austauschs festgelegt werden.

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Östlichen Partnerschaft