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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 159 Wolfgang Scheer, Jens Kröger und Reinhard Kirsch Als Mitinitiator und Partner wirkte das Landes- amt für Natur und Umwelt (LANU) Schleswig- Holstein von 2004 bis 2006 in dem von der EU geförderten, dänisch-niederländisch-deutschen INTERREG IIIB Projekt BurVal mit. Ziel des Pro- jektes war die Erkundung der geologischen Zu- sammenhänge in tiefen eiszeitlichen Rinnen- systemen, die international als buried valleys bezeichnet werden. In sechs Pilotgebieten wa- ren innovative hydrogeologische und geophysi- kalische Methoden im Hinblick auf präzise Ar- beitsergebnisse sowie Kosteneffizienz einzu- setzen und ihre Nutzbarkeit für Fragen der Grundwassergewinnung und des Grundwas- serschutzes zu optimieren. Die Ergebnisse wurden mit Hilfe 3-dimensionaler geologischer Modelle ausgewertet und visualisiert. Das hier beschriebene Modell der Ellerbeker Rinne wur- de von den geologischen Landesdiensten der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) Hamburg (vormals BUG) und dem LANU gemeinsam entwickelt. Nähere Informationen zum Projekt können auf der Homepage http://www .bur val.or g eingesehen werden. Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal Abbildung 1: Übersicht der sechs Projektgebiete und der neun Projektpartner

Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

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Page 1: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 159

➢ Wolfgang Scheer, Jens Kröger und

Reinhard Kirsch

Als Mitinitiator und Partner wirkte das Landes-amt für Natur und Umwelt (LANU) Schleswig-Holstein von 2004 bis 2006 in dem von der EUgeförderten, dänisch-niederländisch-deutschenINTERREG IIIB Projekt BurVal mit. Ziel des Pro-jektes war die Erkundung der geologischen Zu-sammenhänge in tiefen eiszeitlichen Rinnen-systemen, die international als buried valleysbezeichnet werden. In sechs Pilotgebieten wa-ren innovative hydrogeologische und geophysi-kalische Methoden im Hinblick auf präzise Ar-beitsergebnisse sowie Kosteneffizienz einzu-setzen und ihre Nutzbarkeit für Fragen derGrundwassergewinnung und des Grundwas-serschutzes zu optimieren. Die Ergebnissewurden mit Hilfe 3-dimensionaler geologischerModelle ausgewertet und visualisiert. Das hierbeschriebene Modell der Ellerbeker Rinne wur-de von den geologischen Landesdiensten derBehörde für Stadtentwicklung und Umwelt(BSU) Hamburg (vormals BUG) und dem LANUgemeinsam entwickelt. Nähere Informationenzum Projekt können auf der Homepagehttp://www.burval.org eingesehen werden.

Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 1: Übersicht der sechs Projektgebiete und der neun Projektpartner

Page 2: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

160 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 2.: Verbreitung eiszeit-licher Rinnen inSchleswig-Holstein

Eiszeitliche Rinnen (Buried Valleys)

Die in den sechs Pilotgebieten untersuchteneiszeitlichen Rinnen wurden im Verlauf derKaltzeiten des Quartärs von Gletschereis undSchmelzwässern canyonartig bis mehrerehundert Meter tief in den Untergrund einge-schnitten. Den Erosionsphasen folgten im kur-zen zeitlichen Abstand Sedimentationsphasen,

in denen die großräumigen Hohlformen vomSchutt der Gletscher wieder „begraben“ wur-den, so dass sie heute an der Geländeoberflä-che nicht mehr erkennbar sind. Im Hinblick aufdie Grundwasserbewegung und als Grund-wasserspeicher haben die eiszeitlichen Rinneneine herausragende Bedeutung. Abbildung 2gibt einen Überblick der Verbreitung solcherStrukturen in Schleswig-Holstein.

Das Projektgebiet Ellerbeker Rinne

Das Projektgebiet der Ellerbeker Rinne liegt ander westlichen Landesgrenze zwischen Ham-burg und Schleswig-Holstein. Durch vorange-gangene Untersuchungen waren hier bereitszahlreiche hydrogeologische Informationenvorhanden, die zur Eichung und Bewertung

der eingesetzten geophysikalischen Verfahrenherangezogen werden konnten. Auf Grund ih-rer Dimension, ihres internen Aufbaus sowieihrer hydraulischen Anbindung an die umge-benden jungtertiären Grundwasserleiter ist dieEllerbeker Rinne aus hydrogeologischer Sichtzudem wasserwirtschaftlich und wissen-schaftlich interessant.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 161

Abbildung 3: Lage des Untersu-chungsgebietes Ellerbeker Rinne

Abbildung 4: Geologischer Aufbau im Projektgebiet Ellerbeker Rinne

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162 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 5: Karte der Tiefenla-ge der Quartärba-sis bezogen aufNN, Verlauf der El-lerbeker Rinne

Die Schnittdarstellung in Abbildung 4 zeigtden Aufbau der im Projekt untersuchten geo-

logischen Schichtfolge: Im Bereich Elmshornund Quickborn fallen die aus großer Tiefe auf-gestiegenen Salz-, Gips- und Tongesteine desPerm (>200 Mio. Jahre alt) auf. Sie haben dieLagerungsverhältnisse der Ablagerungen desTertiärs (dargestellte Schichtfolge ca. 50 – 5Mio. Jahre alt) stark beeinflusst: Als tiefste un-tersuchte Tertiärschicht ist der Untere Glim-merton abgebildet, der von den für die Trink-wasserversorgung genutzten Braunkohlensan-den (BKS) überlagert wird. Durch den Hambur-ger Ton werden die Braunkohlensande in dieUnteren BKS und die Oberen BKS unterglie-

dert. Letztere werden vom Oberen Glimmer-ton flächenhaft abgedeckt. Das jüngste tertiä-re Schichtglied sind die regional verbreitetenmarinen Glimmerfeinsande.

Die vorgenannte, relativ gleichförmige tertiäreSchichtfolge wird von sehr heterogen aufge-bauten Sedimenten des Quartärs, vorherr-schend eiszeitliche Geschiebemergel, Sandeund Kiese, sowie Tone und Schluffe, überla-gert. Im Verlauf der Ellerbeker Rinne habensich die eiszeitlichen Ablagerungen tief in dieoben genannten tertiären Tone und Sande ein-geschnitten.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 163

Abbildung 6: Auswertung einer Aufschlussbohrung: links die Bohrsäule mit der Beschreibung der erbohrten Schichten und einer strati-graphischen Einordnung, rechts die Diagramme der geophysikalischen Bohrlochmessungen

Die Rinne erstreckt sich aus dem Stadtgebietvon Hamburg in Richtung Nordwesten bisüber Barmstedt hinaus über eine Länge vonüber 40 Kilometern (Abbildung 5). Ihre mittlereBreite beträgt zwei bis drei Kilometer. Dabeierreicht sie in weiten Teilen Tiefen von 300 bis400 Metern unter NN, lokal ist sie sogar deut-lich über 400 Metern tief. Die Sande innerhalbder Rinne stellen einen regional bedeutendenGrundwasserleiter dar, der an den Rinnenflan-ken mit den umgebenden tertiären Wasserlei-tern hydraulisch verbunden ist.

Die Erkundung des Untergrundes –

Entwicklung einer geologischen

Modellvorstellung

Zum Verständnis der Untergrundverhältnissemuss zunächst ein grobes, dreidimensionales

Strukturmodell entworfen werden. Einen di-rekten, aber nur lokal sehr begrenzten Ein-blick in die Tiefe bekommt man durch dieAuswertung von Aufschlussbohrungen (Abbil-dung 6). Der Schritt hin zu einem dreidimen-sionalen Modell erfolgt über die zweidimen-sionale Darstellung in Schnittkonstruktionen(Abbildung 7), in denen die Informationen ausmehreren Bohrungen korreliert werden, dasheißt: wiederkehrende Schichten werdenidentifiziert und verbunden. Aus mehrerenEinzelschnitten lässt sich ein Schnittraster(Abbildung 8) erstellen, aus dem ein räumli-ches Bild des Untergrundes entsteht. Ausdiesem können dann Themenkarten wie bei-spielsweise Tiefenlinienkarten einzelnerSchichten konstruiert werden.

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164 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 7: Korrelation von Bohrungen und Erstellung eines geologischen Schnittes

Abbildung 8: Schnittraster und beispielhaft eine daraus abgeleitete Themenkarte zu Verbreitung, Tiefenlage und Mächtigkeit einer geologi-schen Schicht

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 165

Abbildung 9: Aeroelektromagnetik, Messsystem SkyTEM, Helikopter mit Messapparatur Farbkodierung: rot, gelb, orange – überwiegend sandige Schichten (hoher elektrischer Widerstand);blau und grün – überwiegend tonige, schluffige Schichten (geringer elektrischer Widerstand)

Geophysikalische Erkundung des

Untergrundes

Ergänzend zu Bohrungen liefern geophysikali-sche Messungen von der Erdoberfläche odervom Helikopter aus einen Einblick in die Tiefe.Diese Techniken liefern flächenhafte Informa-tionen und schließen so die Bereiche zwi-schen den Aufschlussbohrungen mit Daten.

Von den zur Verfügung stehenden geophysika-lischen Verfahren hat sich im Projekt BurValbesonders der Einsatz von Seismik, Geoelek-trik, Elektromagnetik und Gravimetrie bewährt.Zwei Beispiele von Messverfahren, deren Da-ten für die Optimierung des digitalen geologi-schen 3-D-Modells genutzt wurden, sind inden Abbildungen 9 und 10 dargestellt.

Page 8: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

166 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 10: Seismische Messungen, oben: Vibrator als seismische Quelle zur Erzeugung von Erschütterungswellen; unten: seismi-sches Profils durch die Ellerbeker Rinne, farbig abgesetzt sind die tertiären Gesteine

Abbildung 9 zeigt das von einem Helikoptergeschleppte Elektromagnetik-System Sky-TEM, eine Entwicklung der Universität Aarhus,mit dem die Verteilung des elektrischen Wi-derstands des Untergrundes bestimmt wird.Aus der wiederum können Rückschlüsse aufdie räumliche Verteilung von grundwasserlei-tenden und –geringleitenden Sedimenten ge-zogen werden. Das in der Abbildung darge-stellte Diagramm zeigt für ein etwa fünf Kilo-meter langes Messprofil den Schichtaufbaubis in eine Tiefe von 280 Metern unter Gelän-

de. Deutlich sind im zentralen Teil des Profilsdie grundwasserführenden Sande der Ellerbe-ker Rinne als rot bis orange markierte Berei-che mit hohen elektrischen Widerständen zuerkennen. Die blau eingefärbten Partien mitniedrigen elektrischen Widerständen zeigendie Verbreitung von Tonen. Außerhalb der Rin-ne sind es die tertiären Tone des Oberen undUnteren Glimmertons, in der Rinne ist es derso genannte Lauenburger Ton, der die Rinnen-wasserleiter als schützende Deckschicht über-lagert.

Page 9: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 167

Der Einsatz seismischer Messungen hat einelange Tradition in der Untersuchung des tiefenUntergrundes zur Kohlenwasserstoff-Explorati-on. Neuere technische Entwicklungen ermög-lichen zusätzlich die seismische Erkundung fla-cherer Untergrundstrukturen, so dass diesesVerfahren auch im Bereich der Hydro- und In-genieurgeologie angewandt wird. So konntedie Geometrie der Ellerbeker Rinne durchseismische Messungen bedeutend genauerbestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen2.800 Meter langen und 600 Meter tiefenseismischen Profilschnitt durch die EllerbekerRinne, aus dem die Tiefenlage und der kom-plexe interne Aufbau erkennbar sind. Einge-schnitten ist die Rinne in tertiäre Sedimente,bei denen es sich um Tone (blau = ObererGlimmerton und Hamburger Ton, grün = Unte-rer Glimmerton und ältere Tone) und Sande(gelb = Obere und Untere Braunkohlensande)handelt. Die seismischen Messungen wurdenvom Institut für Geowissenschaftliche Ge-meinschaftsaufgaben (GGA) in Hannoverdurchgeführt.

Von der analogen geologischen

Modellvorstellung zum digitalen

geologischen 3-D-Modell

Die geologischen Verhältnisse im Untergrundkönnen analog nur zweidimensional in Profil-zeichnungen und thematischen Karten darge-stellt werden. Besonders wenn komplexe geo-logische Strukturen verstanden, abgebildet undbewertet werden sollen, ergeben sich teilwei-se große Schwierigkeiten. Digitale geologische3-D-Modelle, wie sie im Projekt BurVal einge-setzt wurden, bieten die Möglichkeit, die Geo-metrien der verschiedenen Schichten des Un-tergrundes detailliert im Rechner zu konstruie-ren und abzubilden. Weiterhin besteht ein gro-ßer Vorteil darin, dass die Gesteinseigenschaf-ten der Schichtkörper in den Modellen dreidi-mensional dargestellt und mit statistischenVerfahren weiter bearbeitet werden können.

Auf dem Markt stehen hierzu zahlreiche Soft-warelösungen zur Verfügung, die sich in ihrerLeistungsfähigkeit und Anwenderfreundlichkeitstark unterscheiden. Im Rahmen des ProjektsBurVal wurde die Software Gocad eingesetzt.

Abbildung 11:Flussdiagrammzum Aufbau einesgeologischen 3-D-Modells

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Datenimport undweitere Datenkontrolle

3-DOberflächenmodell

3-DKörpermodell

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Export in spezielle 4/5-D Modelle zurBerechnung der zeitlichen und

räumlichen Entwicklung bestimmterParameter (z. B. GW-Modelle,

Geothermische Modelle

Datenexport(Karten,Schnitte)

Datenkontrolle, Datenhomogenisierung undÜberführung in programmkompatible Datenformate

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168 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Abbildung 12: Import der Basisdaten aus Bohrprofilen,Schnittzeichnungen, Strukturkarten und seismischen Profilen

Abbildung 13: Erzeugen des Mo-dellrasters einerFläche

Aufbau des digitalen geologischen

3-D-Modells

Die Konstruktion des geologischen 3-D-Mo-dells erfolgt in mehreren Schritten (Abbildung11). Es können Daten unterschiedlichster Artimportiert werden, die zunächst jedoch kon-trolliert, homogenisiert und in Formate über-führt werden müssen, die von der eingesetz-

ten Software verarbeitet werden können. Zu-dem ist es sinnvoll, den Daten je nach ihrerVerlässlichkeit eine Wertigkeit zuzuordnen, diespäter bei der Modellierung beachtet werdensollte. Nachdem die Grunddaten modellge-recht aufbereitet wurden, können sie für dieBerechnung eines ersten groben Flächenmo-dells importiert werden (Abbildung 12).

Dazu werden die vorbereiteten Basisdaten ge-nutzt, um die Grenzflächen der zu modellie-renden geologischen Schichten zu erzeugen.Das Modell entwirft hierzu ein Raster, das diefür die Berechnung der Fläche bestimmtenPunkte räumlich verbindet. In weiteren Schrit-ten kann dieses Raster an die Datenstrukturangepasst und gegebenenfalls verdichtet wer-den (Abbildung 13). Fehlerhafte Daten könnenin diesem Stadium leicht erkannt, überprüftund gegebenenfalls entfernt werden. Zur an-schließenden Berechnung der Fläche kannfestgelegt werden, welche Rasterknoten alsFixpunkte gesetzt werden sollen und für wel-che eine mehr oder weniger große Abwei-chung zugelassen wird. Dadurch kann, ent-

sprechend der vorher definierten Wertigkeit,bestimmt werden, dass ausgewählte Punkte,deren Daten als zuverlässig angesehen wer-den, nach der Interpolation weiter exakt in denberechneten Flächen liegen. In weiteren Ar-beitsschritten können zusätzliche Daten in dasModell importiert und verarbeitet werden. Ab-bildung 14 zeigt Beispiele, wie geophysikali-sche Daten genutzt wurden, um die Geomet-rie der Rinne zu korrigieren und die aktualisier-ten Flächen neu zu berechnen. Es ist ein be-deutender Vorteil der digitalen geologischenModelle, dass sich auch nach Fertigstellungdes Modells jederzeit neue Daten zur Aktuali-sierung ohne großen Aufwand einfügen las-sen.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 169

Abbildung 15: Geologisches Modell der Ellerbeker Rinne mit Detaildarstellung

Abbildung 14: Verarbeitung seismischer Profile (links) und elektromagnetischer SkyTEM Daten (rechts) im Modell

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170 Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes – Ergebnisse aus dem INTERREG IIIB-Projekt BurVal

Die Abbildung 15 gibt einen räumlichen Ein-druck von der Dimension der Ellerbeker Rin-ne, die bis über 400 Meter tief in die umge-benden tertiären Schichten eingebettet ist.Die in der Rinne vorhandenen Grundwasser-leiter bilden zusammen mit den tertiären Obe-ren und Unteren Braunkohlensanden einengroßräumigen, hydraulisch zusammenhängen-den Grundwasserspeicher, der für die Trink-wasserversorgung der Region eine wichtigeRolle spielt.

Basierend auf den zuvor berechneten Flächenkönnen in sich geschlossene Körper der ein-zelnen Schichten des Modells erstellt werden,so dass der komplette dreidimensionale Raummit Daten belegt werden kann. Werte für un-terschiedliche Parameter, wie die hydrauli-schen Gesteinsdurchlässigkeiten, den Poren-raum, geophysikalische oder geochemischeGesteinsparameter können so in ihrer räumli-chen Verteilung innerhalb der Gesteinskörperzugeordnet und mit Hilfe von statistischenVerfahren weiter bearbeitet werden.

Weitere Nutzung und Präsentation digitaler

geologischer 3-D-Modelle

Der große Vorteil der digitalen Modellierungliegt in der Möglichkeit, Daten unterschied-lichster Art zu importieren und für den Aufbaueines in sich konsistenten Schichtenmodellszu verarbeiten. Hierbei können selbst komple-xe geologische Verhältnisse abgebildet undauch für Nichtfachleute anschaulich präsen-tiert werden. Die Form der möglichen Präsen-tation reicht vom Ausdruck von Schnitten undKarten bis hin zur automatisierten Animation,wie beispielsweise einem virtuellen Kamera-flug durch den Untergrund oder dem Aus-druck mit modernen 3-D-Druckern in realen„begreifbaren“ 3-D-Modellen.

Je nach Bedarf können die Geometrien sowiedie Parameterbelegung der digitalen geologi-schen Modelle in andere Programme expor-tiert und weiterverarbeitet werden. So findenbeispielsweise die Schichtdaten des ModellsEllerbeker Rinne zukünftig eine praktische An-wendung in einem Grundwasserströmungs-

modell, das für die Bewirtschaftung und fürdas Wasserrechtsverfahren eines großenWasserwerkes erstellt wird.

Das 3-D-Modell der Ellerbeker Rinne selbstwird zukünftig seitens der BSU und desLANU weiter gepflegt und um Flächen inHamburg und Schleswig-Holstein erweitertwerden.

Die Ergebnisse des Projekts BurVal sind indem Handbuch „Groundwater Resources inBuried Valleys – a Challenge for Geosci-ences“ (BURVAL WORKING GROUP 2006) be-schrieben.

Summary

During the years 2004 to 2006 LANU was oneof nine international partners in the ProjectBurVal, which was funded by the INTERREGIIIB Programme of the EU. The aim of the pro-ject BurVal was to develop tools for the inves-tigation of buried valleys under the aspect ofgroundwater supply and groundwater protecti-on. Within the frame of the project innovativehydrogeological and geophysical methods hadbeen applied and optimized in six pilot areas.For visualisation and verification the resultshave been integrated into digital geological 3-D-Models. Further information about the pro-ject can be seen on http://www.burval.org.

Literatur

BURVAL WORKING GROUP (2006): Groundwaterresources in buried valleys, Project Report,Hannover

Homepage: www.burval.org

➢ Wolfgang Scheer

Dezernat 51 – GeologieTel.: 0 43 47 / [email protected]

➢ Jens Kröger

Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Geologisches Landesamt Billstraße 84, 20539 HamburgTel.: 040 / 42 845 – 26 [email protected]

➢ Dr. Reinhard Kirsch

Dezernat 54 – Ingenieurgeologie; Energieroh-stoffe; Geopotenziale des tieferen UntergrundesTel: 0 43 47 / [email protected]

Page 13: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 171

➢ Claudia Thomsen und

Thomas Liebsch-Dörschner

Zukünftige Energiegewinnung und Energienut-zung können sich nicht alleine auf die Bereit-stellung fossiler Energieträger und deren Um-wandlung in Strom, Wärme und Bewegungs-energie beschränken, da die Vorräte an fossi-len Rohstoffen weltweit begrenzt sind. Zuneh-mend werden daher – nicht nur aus demwichtigen Aspekt des Klimaschutzes heraus -alternative Energieformen wie Erdwärme, Bio-masse, Solar- und Windenergie die fossilenEnergieträger ersetzen müssen.

Der zunehmende Einsatz von stark witte-rungsabhängigen und somit nicht steuerbarenStromerzeugungstechnologien wie Windkraft-und Solaranlagen, saisonale und tageszeitlicheBedarfsschwankungen (Strom, Erdöl/Erdgas,Wärme) sowie Preisdifferenzen zwischen denvergleichsweise günstigen Grundlastenergienund den teuren Spitzenlastenergien (Strom,Erdgas) machen flexible Speichertechnolo-

gien erforderlich. Die Speicherung von Ener-gie wird daher zukünftig als ein zentrales The-ma für eine verantwortungsvolle Energiepolitikzu behandeln sein.

Im geologischen Untergrund in Schleswig-Hol-stein sind neben den natürlichen Energieres-sourcen wie Erdöl auch Ressourcen an Wär-meenergie vorhanden, die mit Hilfe geother-mischer Verfahren gewonnen werden können.Das Bereitstellen von strategischen Energie-ressourcen durch Speicherung von Energieträ-gern in geologisch geeigneten Strukturen isteine Option, die zukünftig im Zusammenhangmit der Diskussion um Klimaschutz und Klima-wandel ergriffen werden muss. Die dazu not-wendigen Potenziale sind in Schleswig-Hol-stein vorhanden.

Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeitender energetischen Nutzung des tieferenUntergrundes von Schleswig-Holstein

Page 14: Geologische 3-D-Modellierung des Untergrundes ...seismische Messungen bedeutend genauer bestimmt werden. Abbildung 10 zeigt einen 2.800 Meter langen und 600 Meter tiefen seismischen

172 Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von S-H

Abbildung 1: Erdöl- und Erdölgasförderung in Schleswig-Holstein. Quelle: Berichte des NLfB, Hannover, von 1991-2006

1. Natürliche geologische

Energieressourcen (Geologische

Energievorräte)

1.1. Erdöl

Vor 150 Jahren wurde in Schleswig-HolsteinErdöl entdeckt, das man zunächst für Beleuch-tungszwecke und für das Schmieren der Wa-gen verwendete. Erst als moderne Erkun-dungsmethoden, insbesondere die Anwen-dung geophysikalischer Verfahren, neue Er-kenntnisse über den geologischen Aufbau desUntergrundes Schleswig-Holsteins brachten,

konnte im Jahr 1935 mit der Bohrung `Hol-stein 2´ die erste regelmäßige Erdölförderungbeginnen. Die in den Folgejahren intensivierteSuche mit geophysikalischen Methoden undzahlreichen Bohrungen führte zur wirtschaftli-chen Erschließung des Feldes Heide und spä-ter zur Förderung im Ostholsteintrog - mit denFeldern Boostedt, Plön Ost, Schwedeneckund Schwedeneck-See. Mit der Entdeckungdes Erdölfeldes Mittelplate ist das größtedeutsche Erdölfeld entwickelt worden, das alseinziges noch in Schleswig-Holstein aktiv ist(Abbildung 1).

Erdöl- und Erdölgasförderung in

Schleswig-Holstein

1990-2005

0

500000

1000000

1500000

2000000

2500000

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

Produktionsjahr

Pro

du

kti

on

(t)

1.1.1. Reserven, Ressourcen

Das Erdölfeld Mittelplate (Abbildung 2), amsüdlichen Rand des Nationalparks Watten-meer gelegen, führt in mehreren Sandschich-

ten in 2.000 bis 3.000 Metern Tiefe weit über100 Millionen Tonnen Erdöl. Davon sind bis-her etwa 15 Millionen Tonnen gefördert wor-den.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 173

Abbildung 2: Erdölförderplattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer (Quelle: RWE Dea)

Als wirtschaftlich noch gewinnbare Reserven(Abbildung 3) gelten Anfang 2006 etwa 30 Mil-lionen Tonnen, als zusätzliche Ressourcen sindnach dem jetzigen Stand fast 8 Millionen Ton-nen wahrscheinlich. Da die übrigen inländi-

schen Lagerstätten weitgehend ausgefördertund erschöpft sind, ist Mittelplate mit 61%Anteil an der deutschen Erdölproduktion daswichtigste Erdölfeld Deutschlands.

Abbildung 3: Erdölreserven in Schleswig-Holstein, Quelle: Berichte des NLfB, Hannover, von 1991-2006

Erdölreserven in Schleswig-Holstein

05

1015202530354045

01.01

.1991

01.01

.1993

01.01

.1995

01.01

.1997

01.01

.1999

01.01

.2001

01.01

.2003

01.01

.2005

Reserve zum

Mio

t

Erdölreserven,wahrscheinlichErdölreserven,sicher

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174 Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von S-H

1.2. Erdwärme

Die im tieferen Untergrund in Form von Wär-me gespeicherte Energie wird vielerorts schonin geothermischen Heizanlagen mit Hilfe vonhydrothermalen Tiefbrunnensystemen gewon-nen. Der Einsatz hydrothermaler Tiefbrunnen-systeme ist an tiefgelegene Grundwasserlei-ter gebunden. Das im Gesteinsverband bzw.in dessen Porenräumen vorhandene Wasserhat die gleiche Temperatur wie das umgeben-de Gestein. Dieses heiße Porenwasser wirdmittels Tiefbrunnen an die Oberfläche geför-dert. Somit ist das Wasser nicht nur Speicher-medium, sondern auch gleichzeitig das Trans-portmedium für den Wärmetransport aus derTiefe an die Erdoberfläche. Die Wärme der andie Oberfläche geförderten Tiefenwässer wirddort über Wärmetauscher in geothermischenHeizanlagen einem oberirdischen Heißwasser-kreislauf zugeführt. Das abgekühlte Wasserwird in der Regel über eine zweite Bohrung(Injektionsbohrung) in ca. 1-2 km Entfernungvom Entnahmebrunnen wieder in den wasser-führenden Horizont eingeleitet (Dublettenbe-trieb). Dieses ist erforderlich, da die Tiefen-wässer im Allgemeinen einen hohen Salzge-halt aufweisen und daher aus Gründen desUmweltschutzes wieder in den Untergrund zu-rückgeleitet werden müssen. Darüber hinausist eine Wiedereinleitung auch aus hydrauli-schen Gründen unbedingt erforderlich, umden Lagerstättendruck aufrecht zu erhalten.

Für eine effiziente Nutzung von Tiefbrunnen-systemen im Dublettenbetrieb zur Förderungvon Thermalwasser sind große Volumenströ-me von 50 bis über 100 m3/h erforderlich. Da-rüber hinaus muss eine stabile Förderung undReinjektion über einen wirtschaftlich vertretba-ren Zeitraum hin gewährleistet sein. Somit er-geben sich erhebliche Anforderungen an einenfür die Geothermie nutzbaren, wassererfülltenGesteinshorizont.

Aufgrund der geologischen Entwicklungsge-schichte Schleswig-Holsteins können im tiefe-ren Untergrund nur poröse Sandsteine denAnforderungen als potentielle geothermischeNutzhorizonte entsprechen.

1.2.1. Ressourcen, Regionalstudie

Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums wur-de im Jahr 2006 für die Kreise Rendsburg-Eckernförde, Plön und die Städte Kiel, Neu-münster (K.E.R.N.-Region) das hydrothermalnutzbare Wärme-Potenzial in Sandsteinen desRhät und des Dogger (Tabelle 1) aus den vor-handenen Bohrungsdaten ermittelt und be-schrieben. Hierbei wurde zwischen dem geo-logischen und dem technischen Potenzial(Ressource), das mögliche Anlagekomponen-ten (Geometriefaktor, Förder- und Reinjekti-onstemperaturen usw.) berücksichtigt, unter-schieden (Tabelle 2).

Das größte Abnehmerpotenzial an Wärme

ist dort zu erwarten, wo die Bevölkerungsdich-te hoch ist. Diese Wärmesenken sind imRaum Kiel (2.000 Einwohner/qkm) und Neu-münster (1.100 Einwohner/qkm), aber auch inRendsburg, Eckernförde und anderen größe-ren Städten zu finden. Durch Vergleich derWärmesenken mit dem geologischen Wärme-angebot ergibt sich für die Städte Kiel, Neu-münster und Eckernförde eine positive Ange-bots-Abnehmerstruktur.

Die Nutzung der hochsalinaren Thermalwässer(Sole) zu balneologischen Zwecken parallel zurgeothermischen Nutzung kann für die obengenannten Städte ebenfalls eine zusätzlicheOption im Bereich Tourismus bzw. Erholungsein.

Bei den Reserven handelt es sich um jene Energiemengen, die sicher nachgewiesen undmit den heutigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich abbaubar sind.

Ressourcen sind Energiemengen, die entweder geologisch nachgewiesen, aber derzeitnicht wirtschaftlich förderbar sind oder Mengen, die nicht nachgewiesen sind.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 175

Alter Formation Abteilung Stufe

in Mio. Jahren0,01 Quartär Holozän

2 PleistozänJungtertiär Pliozän

23 Miozän 35 Tertiär Oligozän

Alttertiär Eozän Paläozän

65 Dan Ober- Maastricht Kreide Campan

Santon Kreide Coniac

Turon 97 Cenoman

Unter-

145 Kreide

155 Malm / Wealden

178 Jura Dogger Dogger ß + y 208 Lias

RhätKeuper Schilfsandstein

231

Muschelkalk Oberer M‘kalk

240 Mittlerer M‘kalk

Unterer M‘kalk

Oberer RötBuntsandstein

Trias

Buntsand- Mittlerer Solling-Folgestein Buntsandstein Hardegsen-Folge

Detfurth-FolgeVolpriehausen-F.Quickborn-F.

Unterer 250 Buntsandstein

Perm Zechstein MöllnFrieslandOhreAllerLeineStaßfurt

256 WerraRot- Ober-liegendes Rotliegendes

Unter-280 Rotliegendes

Tabelle 1: Stratigraphische Übersicht

Tabelle 2: Geologisches und technisches Wärme-Potenzial im Rhät- und Doggersandstein; *: 5,05E+18J = 5,05 x 1018 J

Geologisches Potenzial Technisches Potenzial

Rhätsandstein 5,05E+18 J* 1,15E+18 J

Doggersandstein 9,42E+18 J 2,42E+18 J

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176 Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von S-H

Abbildung 4: Verbreitung desDogger-GammaSandsteins (techni-sches Potenzial) inder K.E.R.N.-Region

Abbildung 5: Ver-breitung des Rhät-sandsteins (techni-sches Potenzial) inder K.E.R.N.-Region

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 177

Abbildung 6:Bohrturm in Kiel-Rönne (Foto: C.Thomsen)

2. Strategische Energieressourcen in

geologischen Formationen (Vorräte)

Die Anlage von Energievorräten in eigens da-für geschaffenen oder natürlichen Speicherndient nicht nur der Versorgungssicherheit, son-dern kann auch die Preisentwicklung und dieEffizienz technischer Anlagen (z.B. Wärme-kraftwerke) verbessern helfen. Der Speicher-einsatz kann aus folgenden Gründen erfolgen: � Deckung von saisonalen und tageszeitli-

chen Bedarfsspitzen (Entkopplung von An-gebot und Nachfrage),

� Kostengesichtspunkte (schwankende sai-sonale Energiepreise),

� Bezugsoptimierung,� Verminderung von Verlusten (Überschuss-

wärme, Strom aus Windenergieanlagen).

2.1. Salzkavernen

Durch Aussolen der solfähigen Bestandteileeiner Salzstruktur werden zylindrische Kaver-nen von 20 bis 80 m Durchmesser und meh-reren hundert Metern Länge geschaffen. Dermaximale und minimale Speicherdruck wer-den durch das mechanische Materialverhaltendes Salzes bestimmt und sind mathematischund experimentell genau bestimmbar.

In Schleswig-Holstein wurde mit dem Bau vonSalzkavernen bereits 1963 begonnen. Bis heu-te gibt es hier 12 Einzelkavernen, eine weiterewird zurzeit in Kiel-Rönne ausgesolt (Abbil-dung 6).

Der geologische Untergrund von Schleswig-Holstein ist geprägt durch das Auftreten vonlang gestreckten und mehrere Kilometer brei-ten Salzstrukturen – so genannten Salzmau-

ern, die durch halokinetische und halotektoni-sche Vorgänge in wirtschaftlich erreichbareTiefen aufgestiegen sind. Die Salzmauern be-stehen in der Regel im Kern aus den Salinarendes älteren Rotliegend und im Randbereichaus den Salinaren des jüngeren Zechstein(Doppelsalinare). Die Salinare unterscheidensich aufgrund der unterschiedlichen geologi-schen Rahmenbedingungen (Paläogeografie),die zur Ausscheidung der verschiedenen Eva-porite (i. w .S Salinare) führte, in ihremSchichtaufbau und damit in ihrem Solverhaltenvoneinander.

So ist aufgrund der bisherigen Kavernenbauer-fahrungen in Schleswig-Holstein davon auszu-gehen, dass die Zechsteinsalinar-Ummante-lung durch das Auftreten von schwer solbarenAnhydritbänken und leichtlöslichen Kali-Flözensoltechnisch schwer zu kontrollieren ist. EineAbwägung des technischen Speicherpotenzi-als kann aufgrund der soltechnischen Unwäg-barkeiten und wegen der Ausbildung vonÜberhängen im Randbereich der Salzmauernnur für die zentralen Rotliegendsalinare vorge-nommen werden.

Der Kavernenbau von Heide und Kiel-Rönnebelegt eine grundsätzliche Eignung der Rotlie-gendsalinare zum Kavernenbau. Allerdingssind aufgrund der Salzaufstiegsbewegungendie Zechsteinsalinare randlich in die Rotlie-gendsalinare eingefaltet worden, so dass einescharfe Abgrenzung beider Bereiche – auchmit geophysikalischen Methoden – im Vor-wege nicht möglich ist.

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178 Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von S-H

Abbildung 7: Technisches Po-tenzial für die Anla-ge von Druckluft-speichern in derK.E.R.N.-Region

2.1.1. Druckluftspeicher, Ressourcen,

Regionalstudie

Ziel eines Druckluftspeicher – Kraftwerkes

(CAES = Compressed Air Energy Storage)ist einerseits die Speicherung von Über-schuss-Energie (Strom), erzeugt in Schwach-lastzeiten und andererseits die zeitversetzteProduktion in Zeiten erhöhter Nachfrage alsSpitzenlastenergie: In konventionellen Gas-kraftwerken wird dazu Verbrennungsluft ver-dichtet und expandiert in Gasturbinen, diewiederum einen Generator antreiben. InCAES-Kraftwerken erfolgt eine räumliche Tren-nung des Kompressors von der Expansionstur-bine. Der Kompressor wird z. B. mit Stromaus Windenergie in Schwachlast-Zeiten ge-speist. Bei der Verdichtung auf etwa 60 bar er-wärmt sich die Luft sehr stark (etwa 400°C)und muss vor der Versenkung im Salzstockauf etwa 40°C abgekühlt werden. Umgekehrtist die gespeicherte und komprimierte Luft vorEinleitung in die Brennkammer der Turbine mitErdgas zu erhitzen. Dort expandiert sie undtreibt den Generator an. Dies führt zu Energie-

verlusten. Der Wirkungsgrad moderner CAES-Anlagen, bei der die Luftvorwärmung mit Ab-gas erfolgt, beträgt ca. 55%. Ein besonderesMerkmal ist die hohe Flexibilität dieser Anla-gen (bereits nach ca. 3 min. kann 50% undnach 11 min. die volle Leistung der Anlage zurVerfügung gestellt werden).

Das CAES-Kraftwerk Huntorf wurde 1978 inNorddeutschland als erstes dieser Art errich-tet. In Schleswig-Holstein sind bisher nochkeine CAES-Kraftwerke errichtet worden. DaDruckluft-Speicherkavernen nicht tiefer als1.000 m (Kavernendach) liegen sollten, wur-den – unter Berücksichtigung einer ausrei-chenden Kavernenabdeckung – die Salzstruk-turbereiche in Schleswig-Holstein bis maximal800 m Tiefe betrachtet. Im Rahmen der Regio-nalstudie für die K.E.R.N.-Region konnte dasgeologische und technische Potenzial zur Er-stellung von Druckluftspeicherkavernen an-hand des vorhandenen Datenmaterials ermit-telt und beschrieben werden (Abbildung 7).

Unter dem Vorbehalt der gebirgsmechani-schen Sicherheit und der Solbarkeit der Sali-narstruktur lässt sich für ein Kavernenfeld mitgleich großen Kavernen (hier: 80m Durchmes-

ser, Abstand 400m) die Anzahl der theoretischmöglichen Kavernen in der K.E.R.N.-Regiongrob abschätzen (Tabelle 3).

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 179

Abbildung 8: Technisches Po-tenzial für die Anla-ge von Erdgasspei-chern in derK.E.R.N.-Region

2.1.2. Erdgasspeicher, Ressourcen,

Regionalstudie

Im Vergleich zu den Porengasspeichern sindbei Erdgas-Kavernenspeichern in Salzstruktu-ren deutlich höhere Entnahmeraten realisier-bar, welche im Bereich von 50.000 bis 1,5Mio. m3(Vn)/h liegen. Die Kavernenbetriebesind daher ideal für das „Peak-Shaving“, d. h.die Anpassung an kurzfristige Verbrauchs-schwankungen, geeignet.

In Deutschland bestehen Erfahrungen imBau von Erdgas-Kavernen in Tiefenlagen zwi-schen 500 m und bis zu 1.500 m (OberkanteKaverne). Daraus ergibt sich, unter Berück-sichtigung einer ausreichenden Kavernenab-deckung, für eine Vorerkundung potenziellgeeigneter Salzstrukturen eine Maximaltiefefür die Salzstrukturen von 1.300 m (Abbil-dung 8).

Tabelle 3: Geologisches und technisches Speicherpotenzial für Druckluft in der K.E.R.N.-Region. Angegeben istdie Anzahl theoretisch möglicher Speicherkavernen; *: die Zahl möglicher Kavernen innerhalb des Rot-liegendkerns wurde nur abgeschätzt, da die Zechsteinummantelung nicht genau zu erfassen ist.

AnwendungAnzahl Kavernen (theoretisch)

Geologisches Potenzial Technisches Potenzial*

Druckluftspeicher rd. 900 rd. 700

Für die Regionalstudie wurden anhand dervorliegenden Daten das geologische und tech-

nische Potenzial zur Anlage von Kavernen (80m Durchmesser, Abstand 400 m) ermittelt.

AnwendungAnzahl Kavernen (theoretisch)

Geologisches Potenzial Technisches Potenzial*

Erdgasspeicher rd. 2.300 rd. 1.500

Tabelle 4: Geologisches und technisches Speicherpotenzial für Erdgas in der K.E.R.N.-Region. Angegeben ist dieAnzahl theoretisch möglicher Speicherkavernen; *: die Zahl möglicher Kavernen innerhalb des Rotlie-gendkerns wurde nur abgeschätzt, da die Zechsteinummantelung nicht genau zu erfassen ist.

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180 Vorrat ist der beste Rat – Möglichkeiten der energetischen Nutzung des tieferen Untergrundes von S-H

Abbildung 9: Technisches Po-tenzial zur Wärme-speicherung imRhätsandstein,K.E.R.N.-Region.

2.2. Porenspeicher

Im Gegensatz zu Speicherkavernen wird beiPorenspeichern der natürliche, wassergefülltePorenraum im Sandstein (Grundwasserleiter)zu Speicherzwecken genutzt.

2.2.1. Wärmespeicher, Ressourcen,

Regionalstudie

Zur zeitlichen Entkopplung von Überschuss-und Bedarfssituationen bei der Wärmeversor-gung ist es möglich, Überschusswärme z. B.aus Heizkraftwerken (im Sommerbetrieb) inden Untergrund einzulagern, bis diese Wärmemit einem geothermischen Anteil wieder beiBedarf (im Winterbetrieb) dem Heizkreislaufzugeführt wird. Dabei ist das salzhaltige Was-ser der tiefen Grundwasserleiter das Speicher-medium. Über einen Zwischenkreislauf wirddie aus der kalten Bohrung des Aquiferspei-chers geförderte Thermalsole obertägig er-wärmt und mit dieser Temperatur dann in diewarme Bohrung injiziert.

Es muss sichergestellt sein, dass durch daserwärmte Fluid keine irreversiblen Schäden im

untertägigen Gesteinsspeicher auftreten oderes zu Ausfällungen im Übertagesystemkommt. Untersuchungen zur Zusammenset-zung des originären Fluids, des chemisch ver-änderten Fluids und des Speichergesteins so-wie vergleichende Modellierungen ergaben fürdie Einspeicherung der Abwärme eine Grenz-temperatur von 80°C.

Bei der Einspeisung von erwärmtem Grund-wasser und bei der Rückgewinnung der einge-speicherten Wärme gelten die gleichen Anfor-derungen an den Grundwasserleiter wie beider herkömmlichen hydrothermalen Nutzung.Damit die Wärmeeinspeisung in tiefen Hori-zonten möglichst effizient ist, spielt nebenden Gesteinsparametern auch die möglicheTemperaturdifferenz zwischen ursprünglicherTemperatur und maximaler Speichertempera-tur eine große Rolle. Geht man von einer mini-malen Temperaturdifferenz von etwa 30°Caus, sollte der Grundwasserleiter maximal50°C und somit eine maximale Einlagerungs-tiefe von rund 1.300 m haben.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 181

Summary

Energy is one of the key issues for the econo-mical and ecological development in the futu-re. Vanishing resources of fossil energy mustbe replaced by renewable energy. Additionally,storage of energy will become more and moreimportant to meet the challenges of seasonaldemand for energy, non-dispatchable producti-on of renewable energy, and fluctuating marked prices for fossil energy.

In this article the potential of the undergroundof Schleswig-Holstein for extraction and stora-ge of energy is shown. Energy extraction fromnatural resources includes raw oil, especiallyfrom the location Mittelplate, and geothermalenergy for heating purposes. Energy can bestored in salt caverns and in the pore space ofdeep groundwater reservoirs as strategicallyresource. The storage of natural gas and oil insalt caverns is quite common, examples inSchleswig-Holstein are Kiel-Rönne and Heide.Excess energy from wind power can be sto-red as compressed air in salt caverns.

The increasing amount of installed wind po-wer in Schleswig-Holstein leads to increasingdemand for storage capability to balance thefluctuating production of electricity by windpower and the customers demand. Seasonalexcess heat, e.g. from waste combustion, canalso be stored in the underground by injectinghot water in deep aquifers and then used bydistrict heating systems in the cold season.

Maps showing the areas for potential energystorage and heat extraction in the K.E.R.N. re-gion are presented.

Literatur

LANDESAMT FÜR NATUR UND UMWELT (2004): Geothermie in Schleswig-Holstein – EinBaustein für den Klimaschutz, 110 Seiten,Flintbek

LANDESAMT FÜR NATUR UND UMWELT (2006): Potenzialanalyse zur wirtschaftlichen Nut-zung des tieferen Untergrundes in der ehe-maligen K.E.R.N.-Region – Abschluss-bericht, unveröff., 150 S., Flintbek

beide AutorInnen: Dezernat 54 - Ingenieur-geologie; Energierohstoffe; Geopotential destieferen Untergrundes

➢ Claudia Thomsen

Tel.: 0 43 47 / [email protected]

➢ Dr. Thomas Liebsch-Dörschner

Tel.: 0 43 47 / [email protected]

Fläche Speichermenge techn.

Speichermenge

m2 J J

1,62E+08 3,61E+17 1,19E+17

Für die Regionalstudie wurden in der K.E.R.N.-Region die geologischen Daten in Hinblick aufeine Wärmespeicherung ausgewertet und be-schrieben. Aufgrund der Anordnung der Brun-nensysteme kann das geologische Wärme-

speicherpotenzial von insgesamt 3,61E+17Jnicht vollständig genutzt werden. Somit redu-ziert sich die technisch nutzbare Speichermen-ge im Untergrund auf 1,19E+17J.

Tabelle 5: Geologisches und technisches Speicherpotenzial für Wärme im Rhätsandstein, K.E.R.N.-Region.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 183

➢ Alf Grube

1. Einleitung

Verschiedentlich sind geologische Schichtenmit einem Buch verglichen worden, in demsich die Einzelheiten zur Entstehungsge-schichte des Planeten, der Landschaften undder Lebewesen ablesen lassen. Diese Infor-mationen können für die moderne Gesell-schaft und angewandte Fragen, wie die desKlimawandels, von großer Relevanz sein.Schleswig-Holstein besitzt aufgrund seinerEntstehungsgeschichte eine beeindruckendvielfältige Landschaft und Geologie. Im Fol-genden sollen beispielhaft wertvolle Geotopedes Landes Schleswig-Holstein vorgestelltwerden, die in besonderer Weise Zeugnis vonder Landschafts- und Klimageschichte desLandes ablegen. Dabei werden bevorzugt Er-gebnisse der aktuellen geologisch-bodenkund-lichen Landesaufnahme präsentiert, bei der re-gelmäßig wichtige, klimageschichtlich relevan-te Objekte neu erfasst werden.

2. Begriffserläuterung

Der Begriff Geodiversität beschreibt die exis-tierende Vielfalt von Gesteinen, Sedimenten,Fossilien, Mineralien, Landschaften und Bö-den. Er schließt die natürlichen Faktoren, diezu deren Bildung führt, ein (vgl. GRAY 2004). InSchleswig-Holstein, das während der vergan-genen Jahrtausende geprägt wurde durch aus-gedehnte Inlandvereisungen, Gletscher-Schmelzwässer, durch periglaziale Überfor-mung wie Frost-bedingte Sedimentdurchmi-schung (Kryoturbation) und Bodenfließen,durch die Aktivitäten von fließendem Wasserund Wind, durch Formungsprozesse im Be-reich der Bäche und Flüsse sowie an den Küs-ten, ist diese Mannigfaltigkeit an Ablagerun-gen und Formen besonders groß. Die fürNorddeutschland charakteristischen Salzstö-cke haben Gesteine des Braunkohlezeitalters(65 Mio. bis 2,3 Mio. Jahre vor Heute), desErdmittelalters (250 bis 65 Mio. Jahre vorHeute) und sogar des Erdaltertums (älter als250 Mio. Jahre vor Heute) an die Erdoberflä-che verfrachtet. Diese Vielfalt der unbelebtenNatur gilt es in Form von typischen Ausschnit-ten langfristig für unsere Nachfahren zu si-chern.

Geotope in Schleswig-Holstein – einmalige Zeugen der Landschafts- und Klimaentwicklung

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184 Geotope in Schleswig-Holstein – einmalige Zeugen der Landschafts- und Klimaentwicklung

„Geotop“„Geotop“ ist der inzwischen gebräuchlicheBegriff für geologisch-geomorphologischschutzwürdige Objekte, wie z. B. glazialmor-phologische Formen und erdgeschichtlicheAufschlüsse. Er ersetzt ältere Begriffe wieGeoSchOb (aus Geowissenschaftlicher SichtSchutzwürdige Objekte). Die gesetzlichenGrundlagen vernachlässigen leider bisher dengeowissenschaftlichen Bereich. Im Landesna-turschutzgesetz des Landes Schleswig-Hol-stein heißt es in § 1, Absatz 2, Nr. 19: „Land-schaften oder Landschaftsteile mit erdge-schichtlich bedeutsamen geologischen undgeomorphologischen Erscheinungsformensind zu erhalten.“ Leider fehlt bisher, wie infast allen Landesnaturschutzgesetzen derBundesrepublik sowie dem entsprechendenBundesgesetz auch, der Begriff „Geotop“ unddamit eine Repräsentation entsprechenderGeowissenschaftlicher Schutzziele.

3. Geotope – einige Fragen

3.1. Geotopschutz – wozu?

Geotope sind aus wissenschaftlichen, pädago-gischen und ökonomischen Gründen herausvon großer Bedeutung für unsere Gesell-schaft. In der Vergangenheit sind wesentlichewissenschaftliche Erkenntnisse an verschie-denen geologischen Aufschlüssen und Land-schaftsbestandteilen gewonnen worden, an-hand derer eine Rekonstruktion der Erd- undLebensgeschichte unseres Planeten möglichwar. Neue wissenschaftliche Methoden, wiez. B. spezielle radiometrische Altersdatierun-gen, Detail-Untersuchungen von Sedimentkör-pern mittels Geo-Radar, tomographische Ver-fahren und Laserscanning haben große Be-deutung für die Umweltforschung und bei derLösung relevanter Umweltprobleme.

Aus pädagogischer Sicht sind besondersGeotope des Eiszeitalters lehrreiche Beispielefür das Werden von Landschaften und andau-ernde Veränderungen, die die Oberfläche un-seres Planeten prägen. In der Öffentlichkeitwird die unbelebte Natur viel zu häufig als sta-tisch bzw. unveränderlich dargestellt. Dynami-sche Veränderungen der Erdoberfläche undder anstehenden Gesteine bzw. Böden sindspeziell auch für eine geoökologische Betrach-tungsweise zu berücksichtigen, die ja die Ver-flechtung von geogenen und biogenen Struk-turen und Prozessen zum Inhalt hat. Die Ein-beziehung von geologisch-geomorphologisch-hydrologischen Prozessen (natürliche Erosionund flächenhafte Abtragung, chemische Ver-änderungen der Sedimente usw.) ist für einevollständige Beschreibung und Erläuterungvon Ökosystemen unumgänglich.

Die nicht unerhebliche (potenzielle) wirt-

schaftliche Bedeutung von Geotopen, z.B.durch touristische Nutzungen soll hier nichtunerwähnt bleiben. Erwähnenswert in diesemZusammenhang ist, dass im letzten Jahr dreiso genannten Geotopen in Schleswig-Holsteineine besondere Auszeichnung zuteil wurde.Der „Kalkgrube Lieth bei Elmshorn“, der Insel„Helgoland“ sowie dem „Morsum-Kliff aufSylt“ wurde das Prädikat „Nationaler Geotop“durch die Akademie der Geowissenschaftenzu Hannover verliehen (LOOK & FELDMANN

2007). Bundesweit waren dabei 77 Geotopeals „außergewöhnliche und allgemein zugäng-liche Naturschönheiten zwischen Küsten undAlpen“ prämiert worden (diese sind auch imInternet im Naturpilot Schleswig-Holstein zufinden: www.naturpilot-sh.de ).

3.2 Wie ist der Stand des Geotopschutzes

in Schleswig-Holstein?

Die fachbehördlichen Aufgaben des Geotop-schutzes werden vom Geologischen Dienst imLANU wahrgenommen. Hierzu zählen die Kar-tierung, Erfassung und die Bewertung vonGeotopen. Geotop-Erhebungen stützen sichauf die publizierte Literatur und das Kartenma-terial sowie unveröffentlichte Gutachten, Dip-lomarbeiten und Exkursionsführer. Zudemwerden Informationen im Gelände oder perLuftbild erhoben. In Schleswig-Holstein wurdedie letzte Übersicht zu Geotopen von ROSS etal. (1990) veröffentlicht, seither werden dieseDaten digital vorgehalten. Eine Arbeitsgruppeinnerhalb der Geologischen Dienste hat inzwi-schen eine Grundlage zur Kartierung, digitalenErfassung und Archivierung von Daten zuschutzwürdigen Geotopen geschaffen (AD-HOC-AG GEOTOPSCHUTZ 1996), die auch hier An-wendung findet.

Bis heute sind mehrere hundert Geotope inSchleswig-Holstein erfasst worden, von denenviele einen gewissen Schutzstatus genießen.Das sich hier abzeichnende, im Allgemeinenpositive Bild, relativiert sich, wenn man sichverdeutlicht, dass manche der bestehendenSchutzkategorien eine Beeinträchtigung oderZerstörung von Geotopen nicht ausschließen.Erwartungsgemäß sind Nutzungskonflikte mitverschiedenen Bereichen z.B. in Landschafts-schutzgebieten vorhanden: mit Straßen- undWohnungsbau, Ver- und Entsorgung, Rohstoff-gewinnung und Forstwirtschaft, um einigeBeispiele zu nennen. Im Allgemeinen sind vie-le Geotope in ihrer Integrität gefährdet.

Die Erhebungen von Geotopen in Schleswig-Holstein dauern an. Ziel ist die Erfassung ei-nes möglichst repräsentativen Ausschnittesdes vorhandenen Formenschatzes.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 185

3.3 Wie sieht die praktische Umsetzung

des Geotopschutzes aus?

In unserer intensiv durch den Menschen ge-nutzten Landschaft sind während der letztenJahrzehnte zahlreiche Geotope verloren ge-gangen. Hierbei sei vielleicht in besondererWeise auf die Gletscherschmelzwasser-Struk-turen hingewiesen. Diese gut sortierten Kies-Sande (Oser, Kames) sind vielfach durch Sand-entnahmen zu Bauzwecken zerstört worden.Zahlreiche wertvolle Aufschlüsse wurden mitMüll verfüllt. Ein grundlegendes Problem beider Unterschutzstellung von Geotopen bzw.Aufschlüssen in quartären Lockergesteinen istderen langfristiger Erhalt. Naturgemäß sindkünstliche Aufschlüsse in diesen Ablagerun-gen nach wenigen Jahren verschüttet und/oder überwachsen und damit nicht mehr zu-gänglich. Nur eine kleine Anzahl von Auf-

schlüssen hat sich während der letzten Jahr-zehnte nicht wesentlich verändert. In vielenFällen ist jedoch ein erheblicher Verfall von Lo-ckergesteins-Aufschlüssen festzustellen (Ab-bildung 1). Dieses führt zu einem uner-wünschten Verlust der Zugänglichkeit fürSchulbildung, Forschung und Lehre. Zudemkönnen Probleme der Legitimation der Schutz-würdigkeit entstehen. Mögliche Gegenmaß-nahmen sind vorwiegend technischer Natur.

Eine anwendbare Methode zur angenähertdreidimensionalen dauerhaften Dokumentati-on ist die Erstellung von Lackfilmen. Diesesind jedoch sehr teuer in der Erstellung undkönnen immer nur einen begrenzten Aus-schnitt einer Schichtfolge abbilden (Abbil-dung 5).

Abbildung 1: Der Verfall eines Schurfes in der Liether Kalkgrube im Laufe der Zeit verdeutlicht die Notwendigkeit der Pflege von schutz-würdigen Geotopen. Speziell in den Wintermonaten beim Wechsel von Tauen und Gefrieren sowie bei Starkregen-Ereignis-sen wird viel Material verlagert.

Mai 2005

Juli 2006

September 2007

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186 Geotope in Schleswig-Holstein – einmalige Zeugen der Landschafts- und Klimaentwicklung

4. Beispiele für Landschafts- und

Klimaentwicklung – Überblick

Die flächendeckenden eiszeitlichen und nach-eiszeitlichen Ablagerungen in Schleswig-Hol-stein werden örtlich von sehr viel älteren Abla-gerungen durchstoßen. Hierzu gehören dieAufschlüsse von Ablagerungen des Erdalter-tums, des Erdmittelalters sowie des jüngerenKänozoikums (Tertiär, bis ca. 2,3 Mio. Jahrevor heute). Diese Ablagerungen bzw. die ent-haltene Flora und Fauna zeigen eine faszinie-rende Veränderung der Welt hinsichtlich desKlimas und der geologischen Bildungen. Tro-pisch-heiße Wüsten und Küstenregionenwechselten sich mit Meeresbecken sowie tro-pischen Dschungeln und Deltas ab. Viele die-ser teilweise weltweit einzigartigen Bereichesind heute als Geotope gesichert, z.B. die Auf-schlüsse in Lieth/Elmshorn, der Gipsberg vonSegeberg, die Kreidegruben in Lägerdorf undder Buntsandstein-Felsen von Helgoland.

Zu den bedeutenden Klima-Archiven zählenvor allem die Moore und die fossilen See-Abla-gerungen (Mudden), die die Vegetations- undKlimageschichte der jüngeren ErdgeschichteSchleswig-Holsteins in einmaliger Weise bein-halten. In ihnen sind auch besondere Ge-schehnisse, wie z. B. ausgedehnte Brände, er-halten geblieben. Mittels verschiedener Me-thoden lassen sich aber Ereignisse auch zeit-lich sehr genau bestimmen. Holz lässt sichjahrgenau mittels Baumringzählungen datie-ren, die europäische Eichen-Standardchronolo-gie (Hohenheimer Jahrringkalender) reicht imNorddeutschen Bereich bereits bis ca. 12.000Jahre vor Heute zurück (BECKER 1993). Zählun-gen von eisnah oder unter dem Eis gebildetenJahresschichtungen, so genannten Warven,ermöglichen eine Altersbestimmung glazige-ner Becken. Entsprechende Schichtungen vonKiesel-Algen (Diatomeen) als warmzeitlicheBildungen haben eine Bestimmung der Dauervorhergehender Warmzeiten geliefert. So wur-de für Niedersachsen die Dauer der Holstein-Warmzeit nach MÜLLER mit ca. 15.000 Jah-ren und die der Eem-Warmzeit mit ca. 10.000Jahren angegeben.

Geologische Aufschlüsse in Schleswig-Hol-stein haben einen bedeutenden Beitrag zurerdgeschichtlichen Untergliederung des Nord-deutschen Raumes geliefert. So wurden hiereinmalige Erkenntnisse hinsichtlich der Klima-entwicklung im frühen Eiszeitalter gewonnen.Die Interpretation älterer geologischer Struktu-

ren, z.B. Saale-kaltzeitlicher Stauchungsstruk-turen, ermöglicht eine Abschätzung der Abtra-gungsleistung während der Glazial- und Perig-lazial-Zeiten. Auch die feinere Aufgliederungder Weichsel-Kaltzeit in Interstadiale (Oddera-de-, Keller-Interstadial), ein Nachweis des Kli-mawandels innerhalb der einzelnen Kaltzeiten,ist in Schleswig-Holstein unterlegt worden.Jüngst mehren sich Untersuchungsergebnis-se, die einen bisher unbekannten mittel-weichselkaltzeitlichen Eisvorstoß andeuten,der ca. 25.000 Jahre vor der Hauptvereisungs-phase stattgefunden haben dürfte.

Die Kenntnis vergangener Klimate ist grundle-gend für das Verständnis heutiger Prozessedes Klimawandels und auch zur Berücksichti-gung entsprechenden Wissens bei der Prog-nose und Modellierung zukünftiger klimati-scher Entwicklungen bzw. Zustände. Anderer-seits ermöglichen heutige Ablagerungsräumebzw. -prozesse detaillierte Studien, so genann-te aktuo-geologische Untersuchungen, die fürdie Interpretation vergangener Ablagerungs-räume von großer Relevanz sind. Bereits derberühmte englische Naturforscher und Geolo-ge Charles LYELL (1797 - 1875) formulierte:„The Present is the Key to the Past!“. Mitdem Nationalpark Wattenmeer hat Schleswig-Holstein Anteil an einem der größten derarti-gen Systeme weltweit.

Einfluss von Salzstöcken auf die heutige

Landschaft

Bewegungen von Salzen im Untergrund gehö-ren zu den wesentlichen „erdinneren“ geolo-gischen Prozessen in Norddeutschland. ImPerm und in der Trias wurden bis über 1.000Meter mächtige Salzlagerstätten gebildet, diemit wachsender Sedimentbedeckung imMeso- und Känozoikum zur Mobilität neigen.Die Salze fließen zu Salz-Kissen, -Diapiren und–Mauern zusammen, teilweise beeinflusstdurch tektonische Einwirkung. Durch diese Sa-linartektonik dringen auch meso- und känozoi-sche Gesteinskörper mit auf. Diese „Aufbeu-lung“ hat an verschiedenen Orten Schleswig-Holsteins zu großräumigeren Veränderungenan der Erdoberfläche geführt. Zudem tretendurch die unterirdische Ablösung von älterenGesteinen durch das Grundwasser örtlich Sa-ckungen und Erdfall-Bildungen auf, wie z. B.auf den Strukturen Elmshorn (vgl. Abbildung2), Krempe-Lägerdorf (vgl. Abbildung 3), Oster-by, Peissen, Quickborn und Segeberg.

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 187

Abbildung 2: Oberfläche des Salzstockes Elmshorn mit so genanntem Hebungskranz aus Perm-Ablagerungen (Grundlage: ca. 4.000 Boh-rungen). Diese Gesteine sind weniger erosionsanfällig, die Hochlagen pausen sich auf das heutige Landschaftsbild durchbzw. bestimmen das heutige Oberflächenbild. Der sich durchpausende „Ringwall“ bewirkt auch, dass die Oberflächenent-wässerung (Ekholter Au) nicht - wie zu erwarten - auf kürzester Strecke nach Westen hin zum Elbtal erfolgt, sondern genauentgegengesetzt verläuft.

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188 Geotope in Schleswig-Holstein – einmalige Zeugen der Landschafts- und Klimaentwicklung

Abbildung 3: Vermutlich auf unterirdische Lösung von Kalkgesteinen und resultierenden Einsturz von Hohlräumen zurückgehende „Knickenkuhle“ bei Münsterdorf (Naturdenkmal). Das Alter der 15 Meter tiefen rundlichen Einbruchstruktur (vgl. zwei Per-sonen im Bild in blauen Jacken – rote Pfeile) ist unbekannt. In den letzten Jahren brachen benachbart mehrere kleinereHohlformen ein (rechts; Fotos 2005/06).

Tiefreichende Sediment-Überformung

während des „Frostzeitalters“

Während der letzten Vereisung in Norddeutsch-land (Weichsel-Kaltzeit) lag das Gebiet umElmshorn-Barmstedt im so genannten perigla-ziären Bereich, der den bis zu einer gedachtenLinie von Segeberg – Kayhude - Rahlstedt vor-rückenden Gletschern vorgelagert war. Hier be-fand sich ein vegetationsarmer, weitgehendbaumfreier Bereich, in dem Wind und Wasserden Boden bearbeiten und verlagern konnten.Der Bodenfrost konnte den Boden zum einen„wie mit einem Mixer verkneten“, zum ande-ren durch die extreme Kälte auch regelrechtaufreißen lassen. Vom Sand geschliffene Wind-kanter, Flug- und Dünensande sowie Frostmus-terböden und Frostkeile sind Ausdruck derarti-ger Prozesse. Das in der Abbildung 4 gezeigteBeispiel einer Eislinsen-Einbruchstruktur

nahe Bokel ist ein zunächst temporärer Auf-schluss bzw. Geotop, der bei Feldarbeiten imJahre 2005/2006 entdeckt wurde. Hier sind inkleinen Toteis-Senken Ablagerungen der Eem-Warmzeit (115.000 bis 105.000 Jahre vor Heu-te; Datierung: Dr. habil. H. USINGER, 2007) inForm von bis zu 1 Meter mächtigen Torfen auf-geschlossen. Diese werden überlagert von fein-körnigen Sedimenten, in denen mehrere kurz-fristige Wärmeschwankungen der Weichsel-Kaltzeit in Form von dünnen humosen Bändernenthalten sind (Abbildung 4 links). Benachbartwaren diese humosen Ablagerungen periglazialstark zerbrochen und verstellt (Abbildung 4rechts). Derartige Aufschlüsse, die im Rahmenvon Tief-, Straßenbau- oder Rohstoffgewin-nungsmaßnahmen entstehen, enthalten oftwertvolle geowissenschaftliche bzw. klimage-schichtlich relevante Informationen. Leider kön-nen sie nur in Ausnahmefällen dauerhaft ge-schützt werden. Diese Geotope müssen ausrei-chend dokumentiert werden. Erfreulicherweiseläuft auf Initiative der Abteilung 5 des LANU

derzeit für das oben genannte Objekt ein Ver-fahren für eine Unterschutzstellung als Natur-denkmal.

Hingegen sind drei große fossile Eiskeile bei

Lieth in einem Naturschutzgebiet gelegen, sodass hier (nur) dem natürlichen Verfall entgegenzu wirken ist. Alle drei Eiskeile verlaufen parallelzueinander und zeigen in den nicht durch Kryo-turbation (Durchmischung des oberflächenna-hen Untergrundes durch Gefrieren und Wieder-auftauen) massiv beeinflussten zwei Dritteln inunterschiedlichem Maße eine „mehrphasige“Verfüllung durch parallele, senkrecht stehendeSedimentlagen an. Die die Eiskeile füllendenSedimente sind grundsätzlich von der Korngrö-ße, ihrer Struktur, Mächtigkeit der einzelnenAbschnitte, den Sedimentfarben usw. her un-terschiedlich. Die flächenhafte Verbreitung der„Eiskeil-Netze“ kann anhand der sich auf derfreigelegten Abbausohle fortsetzenden Rissenachgewiesen werden.

Summary

Schleswig-Holstein comprises a great diversityof geological and geomorphological forms. Itpossesses a widespread representative set ofglacigenic structures. The protection of earthscience sites (Geotops) is an important taskwith pertinent importance for modern society,e.g. aspects of climate change. Examples of va-luable Geotops are illustrated.

Literatur

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Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2006/07 189

Abbildung 4: Eem-Interglazial-Torfe mit darüber liegenden weichselkaltzeitlichen Interstadial-Ablagerungen bei Bokel (Foto 2007). Unten:Detailphoto periglaziär zerbrochener Ablagerungen (Foto 2006), verstellt durch den Aufbau und den Zerfall einer großen Eis-linse während der Weichsel-Kaltzeit. Das Zwei-Eurostück verdeutlicht den Maßstab.

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➢ Dr. Alf Grube

Dezernat 51 - GeologieTel.: 0 43 47 / 704-542Email: [email protected]

Abbildung 5: Teil eines Eiskeilesaus dem Westteilder Liether Kalkgru-be (Lackfilm). Ne-ben der „mehrpha-sigen“ Verfüllungzeigt sich eine „za-ckige“ Gestalt, dieauf die besondereStruktur und Zu-sammensetzungdes durchschlage-nen Materials zu-rückzuführen ist(Foto 2007, alle Fo-tos im Artikel vomAutor).