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VIP R&D Gepulstes Pirani-Vakuummeter: Berechnung von Aufheizung und Abku ¨hlung Pulsed Pirani vacuum gauge: calculation of heating and cooling W. Jitschin und S. Ludwig Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 297–301 Ó 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200400235 0947-076X/04/0612 297 Kurzfassung Der gepulste Betrieb des Heißdraht-Vaku- ummeters nach Pirani bietet mehrere Vor- teile: Erweiterung des Messbereiches zu ho ¨heren Dru ¨cken hin, reduzierte Abha ¨n- gigkeit von der Gasart und Verringerung der Leistungsaufnahme. Das Aufheizen und Abku ¨hlen des Drahtes wurde bereits ex- perimentell vermessen. Allerdings ist das beobachtete Verhalten in seinen Details nicht auf einfache Weise zu verstehen. In der vorliegenden Arbeit berichten wir u ¨ber theoretische Berechnungen des Aufheiz- und Abku ¨hl-Vorgangs fu ¨r das System aus Sensordraht und umgebenden Gas bei verschiedenen Dru ¨cken. Der Vorgang kann mit der Fourier-Differentialgleichung des Wa ¨rmetransportes beschrieben werden. Einfacher zu berechnen ist eine Diskreti- sierung des Sensorinneren in einzelne Ringelemente und Anwendung der finiten- Elemente-Methode unter Beru ¨cksichtigung der Randbedingungen. Die Ergebnisse lie- fern eine quantitative anschauliche Dar- stellung des radialen Temperaturprofils des Gases und seiner zeitlichen Entwicklung. Abstract The pulsed operation of the hot filament gauge according to Pirani offers several advantages: extension of the measuring range towards larger pressures, reduced influence of the gas species, and smaller power consumption. The heating and cooling of the wire has already been ex- perimentally investigated. However, the observed characteristics in its details can not be easily understood. In the present paper, we report on theoretical calculations of the heating and cooling processes of the sensor system consisting of wire and sur- rounding gas. The processes can be mod- elled by the Fourier differential equation of heat transport. Calculations can be per- formed more easily by dividing the interior of the sensor into discrete annular elements and applying the finite-element-method under the given boundary conditions. The results provide a quantitative and illustra- tive presentation of the radial temperature profile of the gas and of its time-evolution. 1 Einleitung Vor fast 100 Jahren hat M. Pirani ein Va- kuummeter erfunden [1], das sehr einfach aufgebaut ist (Bild 1) und dennoch u ¨ber einen weiten Druckbereich mit guter Ge- nauigkeit misst. Dieses genial konstruierte Gera ¨t ist heute weit verbreitet in der Va- kuumtechnik. U ¨ blicherweise wird der Sensor stationa ¨r betrieben, wobei er die Wa ¨rmeleitung des Gases erfasst. Die Wa ¨r- meleitung sa ¨ttigt allerdings bei Dru ¨cken oberhalb von 100 mbar, so dass die Mess- genauigkeit zu ho ¨heren Dru ¨cken hin rasch immer schlechter wird. Um eine Verbesserung der Messeigen- schaften des Pirani-Sensors in diesem Be- reich zu erhalten, kann man zu einem ge- pulsten Betrieb u ¨bergehen. Hierbei wird die Wa ¨rmekapazita ¨t des Gases zuga ¨nglich, die mit steigendem Druck nicht sa ¨ttigt sondern linear zunimmt. Erste Testmes- sungen zum gepulsten Sensorbetrieb wur- den von M. Cole [2] durchgefu ¨hrt. Seit kurzem ist ein gepulstes Pirani-Vakuum- meter von der Firma Thyracont kommer- ziell erha ¨ltlich [3]. Die Firmenunterlagen geben allerdings keine aufschlussreiche Darstellung des Arbeitsprinzips und gehen nicht auf die Ausnutzung der Wa ¨rmekapa- zita ¨t des Gases ein. Ku ¨rzlich haben wir systematische Mes- sungen zum gepulsten Betrieb des Pirani- Sensors durchgefu ¨hrt, in denen der Einfluss des Wa ¨rmekapazita ¨t des Gases auf das Aufheizen und Abku ¨hlen des Drahtes beim gepulsten Betrieb untersucht wurde [4] . Bei diesen Messungen wurde das zeitliche Bild 1: Schematische Darstellung des Pi- rani-Sensors mit einem du ¨nnen Messdraht in einem Zylinderrohr. Der Radius des Sensordrahtes betra ¨gt r i =5 lm, der Ra- dius des Geha ¨uses betra ¨gt r a = 8 mm.

Gepulstes Pirani-Vakuummeter: Berechnung von Aufheizung und Abkühlung. Pulsed Pirani vacuum gauge: calculation of heating and cooling

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Gepulstes Pirani-Vakuummeter:Berechnung von Aufheizung und Abkuhlung

Pulsed Pirani vacuum gauge: calculation of heating and cooling

W. Jitschin und S. Ludwig

Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 297–301� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200400235

0947-076X/04/0612 297

Kurzfassung

Der gepulste Betrieb des Heißdraht-Vaku-

ummeters nach Pirani bietet mehrere Vor-

teile: Erweiterung des Messbereiches zu

hoheren Drucken hin, reduzierte Abhan-

gigkeit von der Gasart und Verringerung

der Leistungsaufnahme. Das Aufheizen und

Abkuhlen des Drahtes wurde bereits ex-

perimentell vermessen. Allerdings ist das

beobachtete Verhalten in seinen Details

nicht auf einfache Weise zu verstehen. In

der vorliegenden Arbeit berichten wir uber

theoretische Berechnungen des Aufheiz-

und Abkuhl-Vorgangs fur das System aus

Sensordraht und umgebenden Gas bei

verschiedenen Drucken. Der Vorgang kann

mit der Fourier-Differentialgleichung des

Warmetransportes beschrieben werden.

Einfacher zu berechnen ist eine Diskreti-

sierung des Sensorinneren in einzelne

Ringelemente und Anwendung der finiten-

Elemente-Methode unter Berucksichtigung

der Randbedingungen. Die Ergebnisse lie-

fern eine quantitative anschauliche Dar-

stellung des radialen Temperaturprofils des

Gases und seiner zeitlichen Entwicklung.

Abstract

The pulsed operation of the hot filament

gauge according to Pirani offers several

advantages: extension of the measuring

range towards larger pressures, reduced

influence of the gas species, and smaller

power consumption. The heating and

cooling of the wire has already been ex-

perimentally investigated. However, the

observed characteristics in its details can

not be easily understood. In the present

paper, we report on theoretical calculations

of the heating and cooling processes of the

sensor system consisting of wire and sur-

rounding gas. The processes can be mod-

elled by the Fourier differential equation of

heat transport. Calculations can be per-

formed more easily by dividing the interior

of the sensor into discrete annular elements

and applying the finite-element-method

under the given boundary conditions. The

results provide a quantitative and illustra-

tive presentation of the radial temperature

profile of the gas and of its time-evolution.

1 Einleitung

Vor fast 100 Jahren hat M. Pirani ein Va-

kuummeter erfunden [1], das sehr einfach

aufgebaut ist (Bild 1) und dennoch uber

einen weiten Druckbereich mit guter Ge-

nauigkeit misst. Dieses genial konstruierte

Gerat ist heute weit verbreitet in der Va-

kuumtechnik. Ublicherweise wird der

Sensor stationar betrieben, wobei er die

Warmeleitung des Gases erfasst. Die War-

meleitung sattigt allerdings bei Drucken

oberhalb von 100 mbar, so dass die Mess-

genauigkeit zu hoheren Drucken hin rasch

immer schlechter wird.

Um eine Verbesserung der Messeigen-

schaften des Pirani-Sensors in diesem Be-

reich zu erhalten, kann man zu einem ge-

pulsten Betrieb ubergehen. Hierbei wird

die Warmekapazitat des Gases zuganglich,

die mit steigendem Druck nicht sattigt

sondern linear zunimmt. Erste Testmes-

sungen zum gepulsten Sensorbetrieb wur-

den von M. Cole [2] durchgefuhrt. Seit

kurzem ist ein gepulstes Pirani-Vakuum-

meter von der Firma Thyracont kommer-

ziell erhaltlich [3]. Die Firmenunterlagen

geben allerdings keine aufschlussreiche

Darstellung des Arbeitsprinzips und gehen

nicht auf die Ausnutzung der Warmekapa-

zitat des Gases ein.

Kurzlich haben wir systematische Mes-

sungen zum gepulsten Betrieb des Pirani-

Sensors durchgefuhrt, in denen der Einfluss

des Warmekapazitat des Gases auf das

Aufheizen und Abkuhlen des Drahtes beim

gepulsten Betrieb untersucht wurde [4] .

Bei diesen Messungen wurde das zeitliche

Bild 1: Schematische Darstellung des Pi-rani-Sensorsmit einemdunnenMessdrahtin einem Zylinderrohr. Der Radius desSensordrahtes betragt ri = 5 lm, der Ra-dius des Gehauses betragt ra = 8mm.

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298 Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Verhalten der Drahttemperatur erfasst. Die

Drahttemperatur ist uber den Drahtwider-

stand auf einfache Weise zuganglich. Die

Ergebnisse sind aufschlussreich, jedoch in

den Details nicht einfach intuitiv zu ver-

stehen. Der Grund hierfur liegt in den ex-

tremen Bedingungen:

– Der Sensordraht hat einen (typischen)

Durchmesser von 10 lm und befindet

sich in einem Gehause mit einem (typi-

schen) Durchmesser von 16mm. Das

Verhaltnis der Durchmesser hat somit

einen extremen Wert von 1 : 1600.

– Ist der Sensor mit Luft bei Atmospha-

rendruck gefullt, so ist die Warmekapa-

zitat des Gases 1200 mal großer als die

des Drahtes.

– Aber die Warmekapazitat des Gases wird

im Gegensatz zu der des Drahtes nur zu

einem kleinen Teil ausgenutzt. Es wird

namlich nur eine kleine Menge Gas in

unmittelbarer Umgebung des Drahtes

annahernd sowarmwie der Draht selbst.

Die weitaus großte Menge des Gases

befindet sich in dem außeren Bereich

und wird nur wenig erwarmt. Beispiels-

weise befindet sich 99% des Gases in-

nerhalb des Raumes zwischen den

Durchmessern 1,6mm und 16mm. Die

mittlere Temperaturuberhohung in die-

sem Bereich betragt nur wenige Prozent

der Temperaturuberhohung des Drahtes

gegenuber der Umgebungstemperatur.

Eine quantitative Durchrechnung fur den

stationaren Fall, in dem der Sensor mit

Luft bei Atmospharendruck gefullt ist,

ergibt, dass die gespeicherte Warme-

energie des Gases immerhin 88 mal

großer ist als die des Drahtes.

Das Verhalten des Sensors bei gepulstem

Betrieb wird also wesentlich vom lokalen

Aufheiz- bzw. Abkuhlverhalten des Gases

bestimmt. Diese Dynamik wird gepragt von

der Warmekapazitat und der Warmeleitung

des Gases. Fur ein quantitatives Verstandnis

des Sensorverhaltens ist die Kenntnis der

zeit- und ortsaufgelosten Gastemperatur

entscheidend. Diese Information kann ex-

perimentell nur mit hohem technischen

Aufwand (z.B. durch Laser-Temperatur-

messung) gewonnen werden. Andererseits

ist das Problem der Warmeausbreitung

theoretisch bekannt, so dass sich eine

rechnerische Simulation des dynamischen

Verhaltens anbietet. Im folgenden wird die

durchgefuhrte Simulation beschrieben und

die erhaltenen Ergebnisse werden disku-

tiert.

2 Theoretische Modellierung

Die theoretische Beschreibung der War-

meausbreitung ist aus den Lehrbuchern der

Thermodynamik bekannt. Mit Wðt;~rrÞ sei dieTemperatur bezeichnet, die eine Funktion

von Zeit t und Ort~rr ist. Ferner wird an-

genommen, dass der Sensordraht an allen

Stellen die gleiche Temperatur hat, die

gleich der des Gases direkt an seiner

Oberflache (Radius ri) ist. Analog wird an-

genommen, dass sich das Gehause immer

auf einer konstanten Bezugstemperatur

befindet, die gleich der des Gases direkt an

seiner Oberflache (Radius ra) ist.

Eine zeitliche Anderung der Temperatur

an einem bestimmten Ort resultiert daraus,

dass Zu- und Abfluss von Warme aus der

Umgebung zu diesem Ort nicht im

Gleichgewicht sind. Diese Bedingung fuhrt

zur bekannten Fourier-Differentialglei-

chung:

dWðt;~rrÞdt

¼ a � 52Wðt;~rrÞ ð1Þ

Der quadrierte Delta-Operator beschreibt

die Krummung des raumlichen Tempera-

turprofils. a ist die sog. Temperaturleitfa-

higkeit des Stoffes, die definiert ist als:

a ¼ kc � q ð2Þ

In dieser Gleichung bezeichnen k die

Warmeleitfahigkeit, c die spezifische War-

mekapazitat und q die Dichte des Gases.

Der typische Aufbau eines Pirani-Sensors

ist der eines langen Zylinders (Bild 1). Das

raumliche Temperaturprofil hangt nicht

von der Position in Langsrichtung und nicht

vom Drehwinkel ab, sondern nur vom

axialen Abstand. Fur diesen rotationssym-

metrischen Fall vereinfacht sich der qua-

drierte Delta-Operator und man kann die

raumlich dreidimensionale Gleichung 1 in

folgende raumlich eindimensionale Glei-

chung umschreiben:

dWðt; rÞdt

¼ a � dWðt; rÞdr2

þ 1

r

dWðt; rÞdr

� �ð3Þ

In Gleichung (3) erscheint die Temperatur

nur in zeitlichen und raumlichen Ablei-

tungen. Ihr absoluteWert ist somit egal und

kann beliebig gewahrt werden. Der Ein-

fachheit halber machen wir im Folgenden

die Wahl, dass Wðt; rÞ die Ubertemperatur

gegenuber der Umgebung bezeichnet. Am

Gehause ðr ¼ raÞ ist also zu jedem Zeit-

punkt t die Ubertemperatur Null:

Wðt; raÞ ¼ 0 ð4Þ

Eine Berechnung der zeitlichen Entwick-

lung des raumlichen Temperaturprofils er-

folgt dadurch, dass das Temperaturprofil

Wðt; rÞ zum Startzeitpunkt t = 0 vorgegeben

wird (Randbedingung) und die folgende

zeitliche Entwicklung iterativ mit Hilfe von

Gleichung (3) errechnet wird. Wir be-

trachten nun die beiden Falle des Aufhei-

zens und des Abkuhlens des Drahtes.

Beim Aufheizen des Sensors aus dem

„kalten“ Zustand liegt eine sehr einfache

Anfangsbedingung vor. Die Ubertempera-

tur zum Startzeitpunkt ist uberall Null, also

Wð0; rÞ ¼ 0 fur alle r ð5Þ

Beim Abkuhlen des Sensors gehen wir

davon aus, dass zum Startzeitpunkt der

Draht die Ubertemperatur hat und ferner

ein stationarer Zustand vorliegt, bei dem

das radiale Temperaturprofil bekanntlich

logarithmisch ist. Damit lautet das Tempe-

raturprofil (siehe z.B. [4]):

Wð0; rÞ ¼ Wð0; riÞ � 1� lnðr=riÞlnðra=riÞ

� �ð6Þ

In dieser Gleichung bezeichnen ri und radie Radien des Drahtes bzw. des Gehauses,

r ist ein beliebiger Radius.

3 Numerische Berechnung

Eine numerische Losung der Fourier-Diffe-

rentialgleichung (3) fur unsere Geometrie,

bei der sich die Radien ri und ra in ihrer

Große um mehrere Zehnerpotenzen un-

terscheiden, erfordert bei einem aquidis-

tanten Punktnetz, wie es von ublicher Fi-

nite-Elemente-Software verwendet wird,

eine sehr hohe Anzahl an Gitterpunkten.

Hinzu kommt, dass die Zeitintervalle klein

gewahlt werden mussen, da sonst das Re-

chenverfahren bekanntlich instabil wird.

Damit wird die numerische Losung sehr

aufwandig.

Um dennoch zu einer Losung zu gelan-

gen, wurde pragmatisch ein einfaches Re-

chenverfahren angewendet. Dieses basiert

auf einer Unterteilung des Gesamtvolu-

mens in einzelne, frei wahlbare Ringele-

mente. Die Grenzen dieser Ringelemente

wurden so gewahlt, dass sie in logarithmi-

scher Darstellung nahezu aquidistant sind

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Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 299� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

(geometrische Reihe), siehe Bild 2. Sei rxder Innenradius und ry der Außenradius

eines Ringelementes, dann ergibt sich die

uber das Ringelement (rx, ry) raumlich ge-

mittelte Temperatur Wxy im stationaren Fall

zu:

Wxy ¼

Rryrx

2prdrWðrÞ

Rryrx

2prdr

ð7Þ

¼ Wð0; riÞlnðri=raÞ

� lnðry=raÞ þlnðry=rxÞ

ðry=rxÞ2 � 1� 1

2

" #

ð7Þ

Zur numerischen Rechnung wurde nun als

Gitterpunkt der Punkt genommen, bei

dessen Radius rxy die Temperatur gerade

gleich der uber das Ringelement raumlich

gemittelten Temperatur Wxy im stationaren

Fall ist. Wie das Ausrechnen ergibt, hat

dieser Punkt den folgenden Radius:

rxy ¼ ry � explnðry=rxÞ

ðry=rxÞ2 � 1� 1

2

!ð7Þ

Auf diese Weise kam man mit etwa 10

Gitterpunkten aus. Die zeitliche Anderung

des Temperaturprofils wurde dann aus lo-

kaler Krummung des Profils, Warmekapa-

zitat des Gases in den Ringelementen und

Warmeleitung zwischen benachbarten

Ringelementen berechnet. So wurde die

Temperaturanderung Dk an dem Gitter-

punkt k (Radius rk), der das entsprechende

Ringelement (Querschnittsflache Ak) re-

prasentiert, nach einem Zeitintervall Dtgemaß der folgenden Formel errechnet

(l ist die Lange des Sensors):

DWk ¼zugefuhrte Warme� abgefuhrte Warme

Warmekapazitat

¼ k � 2 � p � l ��t

c � q � Ak � l� ð9Þ

Wkþ1 � Wklnðrkþ1=rkÞ

� Wk � Wk�1

lnðrk=rk�1Þ

� �

Der Draht wurde als eigener Gitterpunkt

beschrieben, der eine Warmekapazitat be-

sitzt. Beim Draht gibt es keine Warmezu-

fuhr vom einem benachbarten inneren

Ringelement (der entsprechende Term fallt

weg), dafur gibt es eine Warmezufuhr

durch die Drahtheizung.

Dieses einfache Rechenmodell wurde

auf verschiedene Weise getestet. Bei-

spielsweise wurden als Anfangsbedingung

verschiedene frei gewahlte Temperatur-

profile vorgegeben und es wurde die zeit-

liche Entwicklung berechnet. Die Rech-

nungen ergaben die erwartete Entwicklung

hin zum stationaren Temperaturprofil mit

logarithmischer radialer Abhangigkeit.

Allerdings zeigten die Tests auch, dass

die Schritte fur die Zeititeration sehr klein

gemacht werden mussen, um ein oszillie-

rendes Aufschaukeln der berechneten

Temperaturwerte zu vermeiden. Wegen

der kleinen Zeitschritte erforderten einige

Rechnungen bis zu 10000 Iterationen.

Beim Test der berechneten Werte an

Grenzfallen (z.B. bei Gasdruck Null), die

sich analytisch berechnen lassen, ergab

sich eine Diskrepanz der Reaktionszeiten

um einen Faktor 2p. Die Ursache hierfur

konnte nicht gefunden werden. Um die

Diskrepanz wegzubekommen, wurde

schließlich ein entsprechender Korrektur-

faktor bei der in der Rechnung benutzten

Warmekapazitat eingefugt.

4 Ergebnisse

Die Berechnungenwurden fur einen Pirani-

Sensor vorgenommen, dessen Eigenschaf-

ten als Druckmessgerat bereits experi-

mentell vermessen worden waren [4].

Dieser Sensor hat eine zylindersymmetri-

sche Geometrie: Auf der Achse befindet

sich ein Wolframdraht mit Drahtradius ri =

5 lm und das außere Gehause hat einen

Radius ra = 8mm.

Bei der Berechnung des Abkuhlvor-gangs wurde als Ausgangszustand eine

Ubertemperatur des Drahtes von 90 8C und

ein Temperaturprofil des Gases wie im

stationarer Fall angenommen. Die Ergeb-

nisse fur Luft bei drei verschiedenen

Drucken sind in Bild 3 gezeigt. Die War-

meabfuhr vom Draht erfolgt durch War-

meleitung des Gases, die bei allen hier ge-

zeigten Drucken gleich ist. Wie man schon

sieht, spielt bei kurzen Zeiten (0,005 s) der

Gasdruck kaum eine Rolle bei der Abkuh-

lung. Grund hierfur ist, dass innerhalb der

kurzen Zeit nur ein kleines inneres Zylin-

derelement des Gases an den Draht an-

koppelt, dessen Warmeenergie klein gegen

die des Drahtes ist. Anders ist die Situation

bei langeren Zeiten (0,05 s). Bei diesen

Zeiten koppelt ein großeres Ringelement

des Gases an den Draht. Bei hohenDrucken

steckt im Gas so viel Warmeenergie und

seine Temperaturleitfahigkeit ist so klein,

dass sich das Gas bei Radien großer als etwa

1mm kaum abkuhlt, und somit wird das

Abkuhlverhalten des Drahtes erheblich

verlangsamt.

Die berechneten Werte der Drahttem-

peratur konnen mit den experimentellen

verglichen werden. In Bild 4 sind die bei

verschiedenen Drucken gemessenen Ab-

kuhlkurven gezeigt. Fur einen quantitati-

ven Vergleich kann man die Drahttempe-

ratur zum Zeitpunkt t = 0,05 s betrachten:

Druck desGases

�bertemperatur des Drahtesnach 0,05 s

gerechnet experimentell

1000 mbar 11 8C 9 8C

300 mbar 3 8C 4 8C

100 mbar 1 8C 2 8C

Der Vergleich ergibt gute Ubereinstim-

mung, wenn man eine Unsicherheit der

experimentellenWerte von 2 8C infolge des

Rauschens berucksichtigt.

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Bild 2: Diskretisie-rung des radialenTemperaturprofilsdes Gases in ein-zelne Ringelementezur Anwendung derfiniten-Elemente-Methode.

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300 Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Beim Aufheizvorgang kann die an den

Draht gegebene Heizleistung variiert wer-

den. Ist diese Leistung zu klein, so wird der

Draht wegen der Warmeabfuhr nicht ge-

nugendwarm. Ist diese Leistung zu groß, so

wird der Draht zwar rasch warm, aber das

umgebende Gas kaum und damit hangt das

Aufheizen kaum vom Gasdruck ab. Es gilt

also, eine mittlere Heizleistung zu finden,

bei der die Druckabhangigkeit am großten

ist.

In Bild 5 sind Rechnungen des Aufheiz-

vorganges bei einer recht hohen Heiz-leistung von 0,5 W je cm Drahtlange ge-

zeigt. Die jeweils oberste Kurve entspricht

der Aufheizung des Drahtes auf eine

Ubertemperatur von 90 8C. Wie man sieht,

erwarmt sich der Draht rasch, kaum be-

einflusst durch das umgebende Gas. Das ist

verstandlich, da die eingespeiste Heizleis-

tung hauptsachlich zum Erwarmen des

Drahtes verbraucht wird und in der kurzen

Zeit nur ein kleiner Bereich des Gases in

Nahe des Drahtes erwarmt wird, der eine

geringe Warmekapazitat besitzt. Betrachtet

man die Drahttemperatur, lasst sich hieraus

kein brauchbares Signal zu Druckmessung

gewinnen. Man kann aber auch die Tem-

peratur des Gases betrachten, z.B. an der

Stelle r = 0,5mm. Dann findet man eine

interessante Druckabhangigkeit:

Druckdes Gases

�bertemperaturdes Gasesbei r = 0,5mmnach 0,00032 s

1000 mbar 5 8C

300 mbar 11 8C

100 mbar 16 8C

Gelingt es, experimentell die lokale Tem-

peratur des Gases zu erfassen, so kann

hieraus ein brauchbares Signal zur Druck-

messung erhalten werden.

In Bild 6 sind Rechnungen des Aufheiz-

vorganges bei einer kleineren Heizleis-tung von 0,16 W je cm Drahtlange gezeigt.

Diese Leistung liegt nur geringfugig uber

der Leistung, die benotigt wird, um die

Verluste durchWarmeleitung des Gases bei

der Ubertemperatur 90 8C zu kompensie-

ren. Die jeweils oberste Kurve zeigt die

Aufheizung des Drahtes auf eine Uber-

temperatur von 90 8C. Deutlich ist der

Einfluss des Gases auf die Aufheizung zu

sehen.

Druckdes Gases

�bertemperaturdes Drahtes nach0,0016 s

1000 mbar 58 8C

300 mbar 63 8C

100 mbar 66 8C

Da die Drahttemperatur experimentell gut

zuganglich ist, lasst sich hieraus ein

brauchbares Signal zur Druckmessung ge-

winnen.

5 Zusammenfassung

Das dynamische Verhalten des Systems aus

Draht und umgebenden Gas im Pirani-

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Bild 3: Berechneteradiale Tempera-turverteilung desGases als Funktionder Zeit beim Ab-kuhlvorgang. DerDrahtwird zunachststationar auf eineUbertemperaturvon 90 8C geheizt,dann wird zumZeitpunkt t = 0 dieHeizung ausge-schaltet.

Bild 4: GemesseneAbkuhlkurve desSensordrahtes beimAbkuhlen. GleicheBedingungen Fallwie in Bild 2.

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Sensor kann mit Hilfe der Fourier-Diffe-

rentialgleichung modelliert werden. Fur

einen typischen Sensor wurden numeri-

sche Rechnungen des Aufheiz- und Ab-

kuhlvorganges bei verschiedenen Gas-

drucken durchgefuhrt. Hierzu wurde ein

einfacher Rechenansatz mit finiten Ele-

menten verwendet, der nur wenige, jedoch

dem Problem angepasste Stutzpunkte in

radialer Richtung benutzt.

Die Ergebnisse der Rechnungen liefern

detailliert die zeitliche Entwicklung des

raumlichen Profils der Gastemperatur beim

Abkuhlen und Aufheizen. Die Daten zeigen

sehr schon, dass die inneren Ringelemente

des Gases rasch auf Anderungen der

Drahtheizung reagieren, die außeren Be-

reiche infolge ihrer wesentlich großeren

Ausdehnung jedoch sehr viel langsamer.

Durch die Rechenergebnisse konnte das

qualitativ erwartete, aber kaum genau ab-

schatzbare Verhalten nun quantitativ an-

gegeben werden.

Literatur

[1] M. v. Pirani, Verhandlungen der DeutschenPhysikalischen Gesellschaft 4, 686-694 (1906).

[2] M. Cole, Vacuum 38, 897-899 (1988).[3] H. Plochinger, Vakuum in Forschung und

Praxis 14, 281-283 (2002).[4] W. Jitschin und S. Ludwig, Vakuum in For-

schung und Praxis 16, 23-29 (2004).

Autoren

Dr. Wolfgang Jitschin studierte Physik an der

Universitat Bonn. Nach Stationen an der Uni-

versitat Bielefeld und an der Physikalisch-Tech-

nischen Bundesanstalt in Berlin ist er seit 1989

Professor fur Physik und Vakuumtechnik an der

Fachhochschule Gießen-Friedberg.

Dipl.-Ing. Simone Ludwig studierte Maschinen-

bau an der Fachhochschule Gießen-Friedberg,

wo sie im Rahmen ihrer Diplomarbeit den ge-

pulsten Betrieb des Pirani-Sensors untersuchte.

Kontakt

Dr. Wolfgang Jitschin

Labor fur Vakuumtechnik

Fachbereich MNI, Fachhochschule

Wiesenstraße 14, 35390 Gießen

Tel. 0641-309 2325

[email protected]

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Bild 5: Berechnete radiale TemperaturverteilungdesGasesalsFunktion der Zeit beim Aufheizen. Zunachst befindet sich dasSystem aus Draht und Gas auf Ubertemperatur Null, dannwird ab dem Zeitpunkt t = 0 der Draht mit einer Leistung von0,5 W je cm Drahtlange geheizt.

Bild 6: Wie Abbildung 6, jedoch wird der Draht mit einer Lei-stung von 0,16 W je cm Drahtlange geheizt.