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Gepulstes Pirani-Vakuummeter:Berechnung von Aufheizung und Abkuhlung
Pulsed Pirani vacuum gauge: calculation of heating and cooling
W. Jitschin und S. Ludwig
Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 297–301� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200400235
0947-076X/04/0612 297
Kurzfassung
Der gepulste Betrieb des Heißdraht-Vaku-
ummeters nach Pirani bietet mehrere Vor-
teile: Erweiterung des Messbereiches zu
hoheren Drucken hin, reduzierte Abhan-
gigkeit von der Gasart und Verringerung
der Leistungsaufnahme. Das Aufheizen und
Abkuhlen des Drahtes wurde bereits ex-
perimentell vermessen. Allerdings ist das
beobachtete Verhalten in seinen Details
nicht auf einfache Weise zu verstehen. In
der vorliegenden Arbeit berichten wir uber
theoretische Berechnungen des Aufheiz-
und Abkuhl-Vorgangs fur das System aus
Sensordraht und umgebenden Gas bei
verschiedenen Drucken. Der Vorgang kann
mit der Fourier-Differentialgleichung des
Warmetransportes beschrieben werden.
Einfacher zu berechnen ist eine Diskreti-
sierung des Sensorinneren in einzelne
Ringelemente und Anwendung der finiten-
Elemente-Methode unter Berucksichtigung
der Randbedingungen. Die Ergebnisse lie-
fern eine quantitative anschauliche Dar-
stellung des radialen Temperaturprofils des
Gases und seiner zeitlichen Entwicklung.
Abstract
The pulsed operation of the hot filament
gauge according to Pirani offers several
advantages: extension of the measuring
range towards larger pressures, reduced
influence of the gas species, and smaller
power consumption. The heating and
cooling of the wire has already been ex-
perimentally investigated. However, the
observed characteristics in its details can
not be easily understood. In the present
paper, we report on theoretical calculations
of the heating and cooling processes of the
sensor system consisting of wire and sur-
rounding gas. The processes can be mod-
elled by the Fourier differential equation of
heat transport. Calculations can be per-
formed more easily by dividing the interior
of the sensor into discrete annular elements
and applying the finite-element-method
under the given boundary conditions. The
results provide a quantitative and illustra-
tive presentation of the radial temperature
profile of the gas and of its time-evolution.
1 Einleitung
Vor fast 100 Jahren hat M. Pirani ein Va-
kuummeter erfunden [1], das sehr einfach
aufgebaut ist (Bild 1) und dennoch uber
einen weiten Druckbereich mit guter Ge-
nauigkeit misst. Dieses genial konstruierte
Gerat ist heute weit verbreitet in der Va-
kuumtechnik. Ublicherweise wird der
Sensor stationar betrieben, wobei er die
Warmeleitung des Gases erfasst. Die War-
meleitung sattigt allerdings bei Drucken
oberhalb von 100 mbar, so dass die Mess-
genauigkeit zu hoheren Drucken hin rasch
immer schlechter wird.
Um eine Verbesserung der Messeigen-
schaften des Pirani-Sensors in diesem Be-
reich zu erhalten, kann man zu einem ge-
pulsten Betrieb ubergehen. Hierbei wird
die Warmekapazitat des Gases zuganglich,
die mit steigendem Druck nicht sattigt
sondern linear zunimmt. Erste Testmes-
sungen zum gepulsten Sensorbetrieb wur-
den von M. Cole [2] durchgefuhrt. Seit
kurzem ist ein gepulstes Pirani-Vakuum-
meter von der Firma Thyracont kommer-
ziell erhaltlich [3]. Die Firmenunterlagen
geben allerdings keine aufschlussreiche
Darstellung des Arbeitsprinzips und gehen
nicht auf die Ausnutzung der Warmekapa-
zitat des Gases ein.
Kurzlich haben wir systematische Mes-
sungen zum gepulsten Betrieb des Pirani-
Sensors durchgefuhrt, in denen der Einfluss
des Warmekapazitat des Gases auf das
Aufheizen und Abkuhlen des Drahtes beim
gepulsten Betrieb untersucht wurde [4] .
Bei diesen Messungen wurde das zeitliche
Bild 1: Schematische Darstellung des Pi-rani-Sensorsmit einemdunnenMessdrahtin einem Zylinderrohr. Der Radius desSensordrahtes betragt ri = 5 lm, der Ra-dius des Gehauses betragt ra = 8mm.
298 Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Verhalten der Drahttemperatur erfasst. Die
Drahttemperatur ist uber den Drahtwider-
stand auf einfache Weise zuganglich. Die
Ergebnisse sind aufschlussreich, jedoch in
den Details nicht einfach intuitiv zu ver-
stehen. Der Grund hierfur liegt in den ex-
tremen Bedingungen:
– Der Sensordraht hat einen (typischen)
Durchmesser von 10 lm und befindet
sich in einem Gehause mit einem (typi-
schen) Durchmesser von 16mm. Das
Verhaltnis der Durchmesser hat somit
einen extremen Wert von 1 : 1600.
– Ist der Sensor mit Luft bei Atmospha-
rendruck gefullt, so ist die Warmekapa-
zitat des Gases 1200 mal großer als die
des Drahtes.
– Aber die Warmekapazitat des Gases wird
im Gegensatz zu der des Drahtes nur zu
einem kleinen Teil ausgenutzt. Es wird
namlich nur eine kleine Menge Gas in
unmittelbarer Umgebung des Drahtes
annahernd sowarmwie der Draht selbst.
Die weitaus großte Menge des Gases
befindet sich in dem außeren Bereich
und wird nur wenig erwarmt. Beispiels-
weise befindet sich 99% des Gases in-
nerhalb des Raumes zwischen den
Durchmessern 1,6mm und 16mm. Die
mittlere Temperaturuberhohung in die-
sem Bereich betragt nur wenige Prozent
der Temperaturuberhohung des Drahtes
gegenuber der Umgebungstemperatur.
Eine quantitative Durchrechnung fur den
stationaren Fall, in dem der Sensor mit
Luft bei Atmospharendruck gefullt ist,
ergibt, dass die gespeicherte Warme-
energie des Gases immerhin 88 mal
großer ist als die des Drahtes.
Das Verhalten des Sensors bei gepulstem
Betrieb wird also wesentlich vom lokalen
Aufheiz- bzw. Abkuhlverhalten des Gases
bestimmt. Diese Dynamik wird gepragt von
der Warmekapazitat und der Warmeleitung
des Gases. Fur ein quantitatives Verstandnis
des Sensorverhaltens ist die Kenntnis der
zeit- und ortsaufgelosten Gastemperatur
entscheidend. Diese Information kann ex-
perimentell nur mit hohem technischen
Aufwand (z.B. durch Laser-Temperatur-
messung) gewonnen werden. Andererseits
ist das Problem der Warmeausbreitung
theoretisch bekannt, so dass sich eine
rechnerische Simulation des dynamischen
Verhaltens anbietet. Im folgenden wird die
durchgefuhrte Simulation beschrieben und
die erhaltenen Ergebnisse werden disku-
tiert.
2 Theoretische Modellierung
Die theoretische Beschreibung der War-
meausbreitung ist aus den Lehrbuchern der
Thermodynamik bekannt. Mit Wðt;~rrÞ sei dieTemperatur bezeichnet, die eine Funktion
von Zeit t und Ort~rr ist. Ferner wird an-
genommen, dass der Sensordraht an allen
Stellen die gleiche Temperatur hat, die
gleich der des Gases direkt an seiner
Oberflache (Radius ri) ist. Analog wird an-
genommen, dass sich das Gehause immer
auf einer konstanten Bezugstemperatur
befindet, die gleich der des Gases direkt an
seiner Oberflache (Radius ra) ist.
Eine zeitliche Anderung der Temperatur
an einem bestimmten Ort resultiert daraus,
dass Zu- und Abfluss von Warme aus der
Umgebung zu diesem Ort nicht im
Gleichgewicht sind. Diese Bedingung fuhrt
zur bekannten Fourier-Differentialglei-
chung:
dWðt;~rrÞdt
¼ a � 52Wðt;~rrÞ ð1Þ
Der quadrierte Delta-Operator beschreibt
die Krummung des raumlichen Tempera-
turprofils. a ist die sog. Temperaturleitfa-
higkeit des Stoffes, die definiert ist als:
a ¼ kc � q ð2Þ
In dieser Gleichung bezeichnen k die
Warmeleitfahigkeit, c die spezifische War-
mekapazitat und q die Dichte des Gases.
Der typische Aufbau eines Pirani-Sensors
ist der eines langen Zylinders (Bild 1). Das
raumliche Temperaturprofil hangt nicht
von der Position in Langsrichtung und nicht
vom Drehwinkel ab, sondern nur vom
axialen Abstand. Fur diesen rotationssym-
metrischen Fall vereinfacht sich der qua-
drierte Delta-Operator und man kann die
raumlich dreidimensionale Gleichung 1 in
folgende raumlich eindimensionale Glei-
chung umschreiben:
dWðt; rÞdt
¼ a � dWðt; rÞdr2
þ 1
r
dWðt; rÞdr
� �ð3Þ
In Gleichung (3) erscheint die Temperatur
nur in zeitlichen und raumlichen Ablei-
tungen. Ihr absoluteWert ist somit egal und
kann beliebig gewahrt werden. Der Ein-
fachheit halber machen wir im Folgenden
die Wahl, dass Wðt; rÞ die Ubertemperatur
gegenuber der Umgebung bezeichnet. Am
Gehause ðr ¼ raÞ ist also zu jedem Zeit-
punkt t die Ubertemperatur Null:
Wðt; raÞ ¼ 0 ð4Þ
Eine Berechnung der zeitlichen Entwick-
lung des raumlichen Temperaturprofils er-
folgt dadurch, dass das Temperaturprofil
Wðt; rÞ zum Startzeitpunkt t = 0 vorgegeben
wird (Randbedingung) und die folgende
zeitliche Entwicklung iterativ mit Hilfe von
Gleichung (3) errechnet wird. Wir be-
trachten nun die beiden Falle des Aufhei-
zens und des Abkuhlens des Drahtes.
Beim Aufheizen des Sensors aus dem
„kalten“ Zustand liegt eine sehr einfache
Anfangsbedingung vor. Die Ubertempera-
tur zum Startzeitpunkt ist uberall Null, also
Wð0; rÞ ¼ 0 fur alle r ð5Þ
Beim Abkuhlen des Sensors gehen wir
davon aus, dass zum Startzeitpunkt der
Draht die Ubertemperatur hat und ferner
ein stationarer Zustand vorliegt, bei dem
das radiale Temperaturprofil bekanntlich
logarithmisch ist. Damit lautet das Tempe-
raturprofil (siehe z.B. [4]):
Wð0; rÞ ¼ Wð0; riÞ � 1� lnðr=riÞlnðra=riÞ
� �ð6Þ
In dieser Gleichung bezeichnen ri und radie Radien des Drahtes bzw. des Gehauses,
r ist ein beliebiger Radius.
3 Numerische Berechnung
Eine numerische Losung der Fourier-Diffe-
rentialgleichung (3) fur unsere Geometrie,
bei der sich die Radien ri und ra in ihrer
Große um mehrere Zehnerpotenzen un-
terscheiden, erfordert bei einem aquidis-
tanten Punktnetz, wie es von ublicher Fi-
nite-Elemente-Software verwendet wird,
eine sehr hohe Anzahl an Gitterpunkten.
Hinzu kommt, dass die Zeitintervalle klein
gewahlt werden mussen, da sonst das Re-
chenverfahren bekanntlich instabil wird.
Damit wird die numerische Losung sehr
aufwandig.
Um dennoch zu einer Losung zu gelan-
gen, wurde pragmatisch ein einfaches Re-
chenverfahren angewendet. Dieses basiert
auf einer Unterteilung des Gesamtvolu-
mens in einzelne, frei wahlbare Ringele-
mente. Die Grenzen dieser Ringelemente
wurden so gewahlt, dass sie in logarithmi-
scher Darstellung nahezu aquidistant sind
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Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 299� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
(geometrische Reihe), siehe Bild 2. Sei rxder Innenradius und ry der Außenradius
eines Ringelementes, dann ergibt sich die
uber das Ringelement (rx, ry) raumlich ge-
mittelte Temperatur Wxy im stationaren Fall
zu:
Wxy ¼
Rryrx
2prdrWðrÞ
Rryrx
2prdr
ð7Þ
¼ Wð0; riÞlnðri=raÞ
� lnðry=raÞ þlnðry=rxÞ
ðry=rxÞ2 � 1� 1
2
" #
ð7Þ
Zur numerischen Rechnung wurde nun als
Gitterpunkt der Punkt genommen, bei
dessen Radius rxy die Temperatur gerade
gleich der uber das Ringelement raumlich
gemittelten Temperatur Wxy im stationaren
Fall ist. Wie das Ausrechnen ergibt, hat
dieser Punkt den folgenden Radius:
rxy ¼ ry � explnðry=rxÞ
ðry=rxÞ2 � 1� 1
2
!ð7Þ
Auf diese Weise kam man mit etwa 10
Gitterpunkten aus. Die zeitliche Anderung
des Temperaturprofils wurde dann aus lo-
kaler Krummung des Profils, Warmekapa-
zitat des Gases in den Ringelementen und
Warmeleitung zwischen benachbarten
Ringelementen berechnet. So wurde die
Temperaturanderung Dk an dem Gitter-
punkt k (Radius rk), der das entsprechende
Ringelement (Querschnittsflache Ak) re-
prasentiert, nach einem Zeitintervall Dtgemaß der folgenden Formel errechnet
(l ist die Lange des Sensors):
DWk ¼zugefuhrte Warme� abgefuhrte Warme
Warmekapazitat
¼ k � 2 � p � l ��t
c � q � Ak � l� ð9Þ
Wkþ1 � Wklnðrkþ1=rkÞ
� Wk � Wk�1
lnðrk=rk�1Þ
� �
Der Draht wurde als eigener Gitterpunkt
beschrieben, der eine Warmekapazitat be-
sitzt. Beim Draht gibt es keine Warmezu-
fuhr vom einem benachbarten inneren
Ringelement (der entsprechende Term fallt
weg), dafur gibt es eine Warmezufuhr
durch die Drahtheizung.
Dieses einfache Rechenmodell wurde
auf verschiedene Weise getestet. Bei-
spielsweise wurden als Anfangsbedingung
verschiedene frei gewahlte Temperatur-
profile vorgegeben und es wurde die zeit-
liche Entwicklung berechnet. Die Rech-
nungen ergaben die erwartete Entwicklung
hin zum stationaren Temperaturprofil mit
logarithmischer radialer Abhangigkeit.
Allerdings zeigten die Tests auch, dass
die Schritte fur die Zeititeration sehr klein
gemacht werden mussen, um ein oszillie-
rendes Aufschaukeln der berechneten
Temperaturwerte zu vermeiden. Wegen
der kleinen Zeitschritte erforderten einige
Rechnungen bis zu 10000 Iterationen.
Beim Test der berechneten Werte an
Grenzfallen (z.B. bei Gasdruck Null), die
sich analytisch berechnen lassen, ergab
sich eine Diskrepanz der Reaktionszeiten
um einen Faktor 2p. Die Ursache hierfur
konnte nicht gefunden werden. Um die
Diskrepanz wegzubekommen, wurde
schließlich ein entsprechender Korrektur-
faktor bei der in der Rechnung benutzten
Warmekapazitat eingefugt.
4 Ergebnisse
Die Berechnungenwurden fur einen Pirani-
Sensor vorgenommen, dessen Eigenschaf-
ten als Druckmessgerat bereits experi-
mentell vermessen worden waren [4].
Dieser Sensor hat eine zylindersymmetri-
sche Geometrie: Auf der Achse befindet
sich ein Wolframdraht mit Drahtradius ri =
5 lm und das außere Gehause hat einen
Radius ra = 8mm.
Bei der Berechnung des Abkuhlvor-gangs wurde als Ausgangszustand eine
Ubertemperatur des Drahtes von 90 8C und
ein Temperaturprofil des Gases wie im
stationarer Fall angenommen. Die Ergeb-
nisse fur Luft bei drei verschiedenen
Drucken sind in Bild 3 gezeigt. Die War-
meabfuhr vom Draht erfolgt durch War-
meleitung des Gases, die bei allen hier ge-
zeigten Drucken gleich ist. Wie man schon
sieht, spielt bei kurzen Zeiten (0,005 s) der
Gasdruck kaum eine Rolle bei der Abkuh-
lung. Grund hierfur ist, dass innerhalb der
kurzen Zeit nur ein kleines inneres Zylin-
derelement des Gases an den Draht an-
koppelt, dessen Warmeenergie klein gegen
die des Drahtes ist. Anders ist die Situation
bei langeren Zeiten (0,05 s). Bei diesen
Zeiten koppelt ein großeres Ringelement
des Gases an den Draht. Bei hohenDrucken
steckt im Gas so viel Warmeenergie und
seine Temperaturleitfahigkeit ist so klein,
dass sich das Gas bei Radien großer als etwa
1mm kaum abkuhlt, und somit wird das
Abkuhlverhalten des Drahtes erheblich
verlangsamt.
Die berechneten Werte der Drahttem-
peratur konnen mit den experimentellen
verglichen werden. In Bild 4 sind die bei
verschiedenen Drucken gemessenen Ab-
kuhlkurven gezeigt. Fur einen quantitati-
ven Vergleich kann man die Drahttempe-
ratur zum Zeitpunkt t = 0,05 s betrachten:
Druck desGases
�bertemperatur des Drahtesnach 0,05 s
gerechnet experimentell
1000 mbar 11 8C 9 8C
300 mbar 3 8C 4 8C
100 mbar 1 8C 2 8C
Der Vergleich ergibt gute Ubereinstim-
mung, wenn man eine Unsicherheit der
experimentellenWerte von 2 8C infolge des
Rauschens berucksichtigt.
VIP R&D
Bild 2: Diskretisie-rung des radialenTemperaturprofilsdes Gases in ein-zelne Ringelementezur Anwendung derfiniten-Elemente-Methode.
300 Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Beim Aufheizvorgang kann die an den
Draht gegebene Heizleistung variiert wer-
den. Ist diese Leistung zu klein, so wird der
Draht wegen der Warmeabfuhr nicht ge-
nugendwarm. Ist diese Leistung zu groß, so
wird der Draht zwar rasch warm, aber das
umgebende Gas kaum und damit hangt das
Aufheizen kaum vom Gasdruck ab. Es gilt
also, eine mittlere Heizleistung zu finden,
bei der die Druckabhangigkeit am großten
ist.
In Bild 5 sind Rechnungen des Aufheiz-
vorganges bei einer recht hohen Heiz-leistung von 0,5 W je cm Drahtlange ge-
zeigt. Die jeweils oberste Kurve entspricht
der Aufheizung des Drahtes auf eine
Ubertemperatur von 90 8C. Wie man sieht,
erwarmt sich der Draht rasch, kaum be-
einflusst durch das umgebende Gas. Das ist
verstandlich, da die eingespeiste Heizleis-
tung hauptsachlich zum Erwarmen des
Drahtes verbraucht wird und in der kurzen
Zeit nur ein kleiner Bereich des Gases in
Nahe des Drahtes erwarmt wird, der eine
geringe Warmekapazitat besitzt. Betrachtet
man die Drahttemperatur, lasst sich hieraus
kein brauchbares Signal zu Druckmessung
gewinnen. Man kann aber auch die Tem-
peratur des Gases betrachten, z.B. an der
Stelle r = 0,5mm. Dann findet man eine
interessante Druckabhangigkeit:
Druckdes Gases
�bertemperaturdes Gasesbei r = 0,5mmnach 0,00032 s
1000 mbar 5 8C
300 mbar 11 8C
100 mbar 16 8C
Gelingt es, experimentell die lokale Tem-
peratur des Gases zu erfassen, so kann
hieraus ein brauchbares Signal zur Druck-
messung erhalten werden.
In Bild 6 sind Rechnungen des Aufheiz-
vorganges bei einer kleineren Heizleis-tung von 0,16 W je cm Drahtlange gezeigt.
Diese Leistung liegt nur geringfugig uber
der Leistung, die benotigt wird, um die
Verluste durchWarmeleitung des Gases bei
der Ubertemperatur 90 8C zu kompensie-
ren. Die jeweils oberste Kurve zeigt die
Aufheizung des Drahtes auf eine Uber-
temperatur von 90 8C. Deutlich ist der
Einfluss des Gases auf die Aufheizung zu
sehen.
Druckdes Gases
�bertemperaturdes Drahtes nach0,0016 s
1000 mbar 58 8C
300 mbar 63 8C
100 mbar 66 8C
Da die Drahttemperatur experimentell gut
zuganglich ist, lasst sich hieraus ein
brauchbares Signal zur Druckmessung ge-
winnen.
5 Zusammenfassung
Das dynamische Verhalten des Systems aus
Draht und umgebenden Gas im Pirani-
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Bild 3: Berechneteradiale Tempera-turverteilung desGases als Funktionder Zeit beim Ab-kuhlvorgang. DerDrahtwird zunachststationar auf eineUbertemperaturvon 90 8C geheizt,dann wird zumZeitpunkt t = 0 dieHeizung ausge-schaltet.
Bild 4: GemesseneAbkuhlkurve desSensordrahtes beimAbkuhlen. GleicheBedingungen Fallwie in Bild 2.
Vakuum in Forschung und Praxis 16 (2004) Nr. 6 301� 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Sensor kann mit Hilfe der Fourier-Diffe-
rentialgleichung modelliert werden. Fur
einen typischen Sensor wurden numeri-
sche Rechnungen des Aufheiz- und Ab-
kuhlvorganges bei verschiedenen Gas-
drucken durchgefuhrt. Hierzu wurde ein
einfacher Rechenansatz mit finiten Ele-
menten verwendet, der nur wenige, jedoch
dem Problem angepasste Stutzpunkte in
radialer Richtung benutzt.
Die Ergebnisse der Rechnungen liefern
detailliert die zeitliche Entwicklung des
raumlichen Profils der Gastemperatur beim
Abkuhlen und Aufheizen. Die Daten zeigen
sehr schon, dass die inneren Ringelemente
des Gases rasch auf Anderungen der
Drahtheizung reagieren, die außeren Be-
reiche infolge ihrer wesentlich großeren
Ausdehnung jedoch sehr viel langsamer.
Durch die Rechenergebnisse konnte das
qualitativ erwartete, aber kaum genau ab-
schatzbare Verhalten nun quantitativ an-
gegeben werden.
Literatur
[1] M. v. Pirani, Verhandlungen der DeutschenPhysikalischen Gesellschaft 4, 686-694 (1906).
[2] M. Cole, Vacuum 38, 897-899 (1988).[3] H. Plochinger, Vakuum in Forschung und
Praxis 14, 281-283 (2002).[4] W. Jitschin und S. Ludwig, Vakuum in For-
schung und Praxis 16, 23-29 (2004).
Autoren
Dr. Wolfgang Jitschin studierte Physik an der
Universitat Bonn. Nach Stationen an der Uni-
versitat Bielefeld und an der Physikalisch-Tech-
nischen Bundesanstalt in Berlin ist er seit 1989
Professor fur Physik und Vakuumtechnik an der
Fachhochschule Gießen-Friedberg.
Dipl.-Ing. Simone Ludwig studierte Maschinen-
bau an der Fachhochschule Gießen-Friedberg,
wo sie im Rahmen ihrer Diplomarbeit den ge-
pulsten Betrieb des Pirani-Sensors untersuchte.
Kontakt
Dr. Wolfgang Jitschin
Labor fur Vakuumtechnik
Fachbereich MNI, Fachhochschule
Wiesenstraße 14, 35390 Gießen
Tel. 0641-309 2325
VIP R&D
Bild 5: Berechnete radiale TemperaturverteilungdesGasesalsFunktion der Zeit beim Aufheizen. Zunachst befindet sich dasSystem aus Draht und Gas auf Ubertemperatur Null, dannwird ab dem Zeitpunkt t = 0 der Draht mit einer Leistung von0,5 W je cm Drahtlange geheizt.
Bild 6: Wie Abbildung 6, jedoch wird der Draht mit einer Lei-stung von 0,16 W je cm Drahtlange geheizt.