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Theatrale und mediale Inszinierungsformen (2009/20010) By Julia Sauer on Thursday, January 20, 2011 at 6:20pm Formen und Räume der Interaktion in Bezug auf Theater 1. Vorlesung Interaktion = Wechselbeziehung zwischen Partnern – Menschen verbringen Zeit miteinander und beeinflussen sich Raum = relationale Anordnung sozialer Güter und Menschen an bestimmten Orten, die Verhältnisse machen sich durch Architektur bemerkbar. Raum verändert sich durch Handlungen, ist nie nur starrer Hintergrund. Theater wird immer mit einem Theaterraum in Verbindung gebracht (wichtig für die Beziehung der Schauspieler zueinander). Räume sind Hilfe zur Selbsthilfe der Theaterleute. Verschiedene Räume bringen verschiedene Spielweisen (Gestik, Mimik und Sprachgestaltung) hervor. Es gibt: Ephemeres Theater= schnelllebiges Theater Festes Theater = mit separatem Zuschauerraum, Hinterbühne und Technik 1. Der Tanzkreis = Grundform der theatralen Interaktion Zu einem bestimmten Anlass oder Fest gruppierte man sich in einem Kreis, dies kann nur zum Vergnügen sein, oder religiöse Hintergründe haben. Es gelten bestimmte Regeln der Formation, die zu beachten sind. Der Tanzplatz wurde in den Frühstadien errichtet. Er ist ein Wechsel zwischen Hervorhebung und Nivellierung (Ausgleich sozialer Unterschiede). Es gibt einen Austausch von den in der Mitte Tanzenden und den Zuschauern – der Wechsel erfolgt in rhythmischen Bewegungen. Es geht auch ums Sehen und Gesehen werden (psychologisch verankert). Der Raum ist ein Geländeabschnitt oder ein erstellter Raum. Schamanen: besetzt den Mittelpunkt für sich und macht Beschränkung auf eine Einzelperson wett, der Clanchef eifert ihm mit Machtsignalen und Geschenken nach. Beispiel 1: Kupferstich Albrecht Dürer: Alle drehen sich um die eigene Achse und halten sich an den Händen. Daher muss sich irgendwo der Kreis öffnen. Es sind keine professionellen

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Theatrale und mediale Inszinierungsformen (2009/20010)By Julia Sauer on Thursday, January 20, 2011 at 6:20pm

Formen und Räume der Interaktion in Bezug auf Theater 1. Vorlesung Interaktion = Wechselbeziehung zwischen Partnern – Menschen verbringen Zeit miteinander und beeinflussen sich Raum = relationale Anordnung sozialer Güter und Menschen an bestimmten Orten, die Verhältnisse machen sich durch Architektur bemerkbar. Raum verändert sich durch Handlungen, ist nie nur starrer Hintergrund. Theater wird immer mit einem Theaterraum in Verbindung gebracht (wichtig für die Beziehung der Schauspieler zueinander). Räume sind Hilfe zur Selbsthilfe der Theaterleute. Verschiedene Räume bringen verschiedene Spielweisen (Gestik, Mimik und Sprachgestaltung) hervor.   Es gibt:

Ephemeres Theater= schnelllebiges Theater Festes Theater = mit separatem Zuschauerraum, Hinterbühne und Technik

 

1. Der Tanzkreis = Grundform der theatralen Interaktion

 Zu einem bestimmten Anlass oder Fest gruppierte man sich in einem Kreis, dies kann nur zum Vergnügen sein, oder religiöse Hintergründe haben. Es gelten bestimmte Regeln der Formation, die zu beachten sind. Der Tanzplatz wurde in den Frühstadien errichtet. Er ist ein Wechsel zwischen Hervorhebung und Nivellierung (Ausgleich sozialer Unterschiede). Es gibt einen Austausch von den in der Mitte Tanzenden und den Zuschauern – der Wechsel erfolgt in rhythmischen Bewegungen. Es geht auch ums Sehen und Gesehen werden (psychologisch verankert). Der Raum ist ein Geländeabschnitt oder ein erstellter Raum. Schamanen: besetzt den Mittelpunkt für sich und macht Beschränkung auf eine Einzelperson wett, der Clanchef eifert ihm mit Machtsignalen und Geschenken nach. Beispiel 1: Kupferstich Albrecht Dürer: Alle drehen sich um die eigene Achse und halten sich an den Händen. Daher muss sich irgendwo der Kreis öffnen. Es sind keine professionellen Tänzer. Der Musiker hat die Zuschauerposition eingenommen und es gibt sogar eine räumliche Trennung zwischen Agierenden und Publikum.  

Egalitäres Prinzip: auf Gleichheit bezogen. Alle können sich ansehen, niemand tanzt besser als der andere, keiner sticht hervor.Nach Alberti: alle können alles sehen, es gibt keine besseren Plätze für sozial höhergestellte Stände; Architekten können sowohl schön als auch nützlich bauenBeispiel 2: „Moriskentanz“ Zur Zeiten der Pestepidemie soll das Tanzen auf den Gräbern eine vitalisierende Wirkung gehabt haben, ein Lebensgefühl darstellen. Die Kirche wollte es verbieten, deswegen haben sie eine bedrohende Zuschauerposition. Einige Zuschauer sind neugierig, andere klatschen zum Rhythmus. Das egalitäre Prinzip ist ebenfalls gegeben, jedoch gibt es keine klare Grenze zwischen den Tanzenden und dem Publikum. Théatron: der Ort, von dem aus man schaut (theatron = Schau, Schauspiel) = Anlage von Sitzreihen oder Tribünen für festliche, kulturelle und sportliche Vorführungen. Der Begriff wird somit auf das Publikum übertragen. Theorós: Zuschauer, besonders der als Gesandter einer griechischen Stadt zum Tempel, Orakel oder Festspiel eines Gottes ging.  Theatrum: Utopie eines Theaters in einer schönen Stadt für alle Stände und für das Vergnügen gewidmet – soll zentral verortet werden  Podium: Erhöhung eines Standortes einer oder weniger Personen gegenüber Er ist örtlich hervorgehoben und symbolisiert Grenze zwischen Agierenden und Zuschauern (sowohl nützlich, als auch lustvoll für den Agierenden, Autorität kann aufgebaut werden). Das Podium ist die nachhaltigste Erscheinung im Bühnenbild überhaupt. Ein-, Aus-, Um-, Trauerzug = wichtigste psychologische Bewegungsform – geht man mit oder bleibt man stehen? Kirche zum Theater? – anfangs „Teufelszeug“, theatri nur zur Unterhaltung und zur Zerstreuung, nicht zur Belehrung eingeführt  Antike Spielkultur: zur Kriegslust und zum Totendrang / zur Friedensliebe und zum Ruhebedürfnis (man lebt in Sozialutopien und Ruhebedürfnissen weiter) Griechische Anordnung (Epidauros): die Mitte gehört den Agierenden und es gibt einen halbkreisförmigen Zuschauerraum, der das Publikum zu den Darstellern räumlich trennt Römische Anordnung (Kolosseum): distanziert sich von den Griechen Siena, Piazza del Campo (1280 – 1345 erbaut) – Forderung nach einem Ort, an dem alle was sehen können, ohne sich gegenseitig zu behindern

Repräsentiert den gemeinschaftlichen Willen Im 16. / 17. Jahrhundert „wiederentdeckt“  Symbolisiert Gleichheit, sofern es durch architektonische Grenzen möglich ist Alle können alles jederzeit sehen, zu dem hin alle Häuser und Arbeitsplätze so

ausgerichtet sind, dass niemand seine Arbeit unterbrechen muss, wenn die Messe gelesen wird

  

1. Typologien von Theaterräumen

Environmental Theatre: klare Trennung von Bühnen- und Zuschauerraum, es entstehen flexible Spielräume Theatri Olympia: Raum gibt vor, antike Konstellation in der Neuzeit umzusetzen (Himmeldecke, kleine Bühne, großes Bühnenbild – 3Dimensionalität muss daher beachtet werden)Ritualtheater: Aufführung an originalen Schauplätzen einer historischen Begebenheit Medici Familie: Der „perfekte Theaterraum“ wurde in Florenz von der Medici Familie perfektioniert. Es entstand der moderne Theatergebäudekomplex. Der Zuschauerraum gliederte sich nach sozialen Ständen und es gab einen Bühnenraum. Für Frauen gab es hölzerne Stufen, für die Männer Bänke im Hof und für die Ehrengäste (Hochzeitspaar) und die Medici Familie eine erhöhte Zuschauerbühne. Alles war mit Stoffbahnen bedeckt.Hochzeit: Ferdinando II de Medici heiratete Christine von Lothringen, es gab Ritterspiele, Tierhetzte und Maskerade und der Höhepunkt war eine Komödie (das Bühnenbild stellt Harmonie der Sphären dar). 

1. Bühne im Raum: Bühnenbau geht mit dem Fortschritt der Technologie, Werkstoffe und Licht 

Große Bühne heißt nicht mehr Kreativität.   Guckkastenbühne / Logen- oder Rangtheater im 19. Jhd. Der römische Kreis wird zur U – Form und es gibt mehrere Stockwerke, Sitzgelegenheiten und eine bessere Beleuchtung (mehr Anonymität)Es kommt ein Verbot, die Aufführung zu unterbrechen, zu stören und zu reden. Für Konversation werden die Foyers eingerichtet. Die Schauspieler spielen, als ob kein Publikum anwesend wäre (es gibt drei Wände, die vierte ist zum Publikum hin offen Vierte Wand) Ende des 19., Beginn des 20. Jahrhunderts wird wieder der römische Kreis modern (Parlament) mit Logen und Säulen.

 Totaltheater = veraltete Form des Hoftheaters (Einteilung in Parkett, Logen usw. – soziale Schichten werden sichtbar gemacht) ist vorherrschend als Walter Gropius und Erwin Piscator einen neue Form sucht, konnte es aber nie bauen. Es ging wieder auf eine antike Bühnenform zurück. Im Totaltheater kann man auf mehreren Bühnen gleichzeitig spielen, es gibt ein ovales Zuschauerhaus und einen fahrbaren Bühnenwagen. Suche nach neuen Theaterräumen:

Tendenz sozialer Distinktion (=Unterschied): alle sollen alles sehen (Egalitäres Prinzip)

Variable Theaterraumgestaltung Grenze zwischen Spielenden und Zuschauenden soll fließend gestaltet werden

 Architektur des Theaters steht im Zusammenhang mit der Form der Dramatik. Dramatik und Architektur gehen zurück auf die gesellschaftliche Situation der Epoche.  Nationalsozialismus: Feierspiele in Heidelberg für 20000 Personen, wieder Kreisform, stellt ihre Lebensanschauung dar (Parlamentarismus wird abgelehnt). 60 sollten noch gebaut werden, wurde aber wieder aufgegeben. Die oben genannten alten Räume funktionieren heute noch. Hulfeld Text: Imaginäre SzeneNach Fortuna: nicht dieses, sondern jenes Absenz des Werkes / Arbeit im Fest.  Warburg: Die Intermedien thematisieren die Wirkung der Musik auf Götter und Menschen. Warburg zweifelt, dass irgendjemand das von Künstlern Intendierte (Beabsichtigte) begreifen kann (Festberichterstatter referieren nicht zwingend richtig). Das „Richtige“ kann nur im gedanklichen Entwurf, nicht in der theatralen Praxis existieren (auch nicht von den Produzenten). Gadenstedt Beispiel: er beauftragte private Notaten um zu referieren und war so der Meinung, dass Lesende keine Chance haben, in den Genuss nur durch Lesen zu kommen, die Handlung sei zu eindrucksvoll, um es sich vorzustellen. In seinem Bericht fällt das Natürliche und das Künstliche ineinander, begleitet von der Begeisterung der Musik. Die Maschine, die das Bühnenbild bewegt soll unsichtbar bleiben. Dies erzeugt höhere Emotion beim Publikum und das Erfassungsvermögen würde übersteigt werden. Der Illusionismus wird durch handwerkliche und künstlerische Leistung perfektioniert. Gadenstedt konzentriert sich auf die Übergänge zwischen den Szenen mehr als aufs eigentliche Stück. Wer eine Welt bzw. einen Traum will, der investiert in Theatermaschinen.   2. Vorlesung:  Formen ostentativen Körpergebrauchs

Prinzipiell können viele Elemente des Theaters im Mittelpunkt stehen, beim ostentativen Körpergebrauch steht jedoch nur der Schauspieler im Mittelpunkt. Es ist fast nicht möglich, Theater ohne Menschen zu machen, da der Körper in seiner Materialität im Mittelpunkt steht. Es steht jedoch in einem bestimmtem Maße (Beispiel: Kind in der U-Bahn alle schauen zu wird selten lustiger wiederholt den Vorgang trotzdem) – das Schauen löst die Aktion erst aus (Kleist – Marionettenaufsatz). Der Körper wird darauf ausgerichtet das ihm „Thea“ (Lust zu schauen) entgegen gebracht wird und wird in einem bestimmten Maße zur Schau getragen. Die Fähigkeit, über ostentative Körper zu sprechen ist gering ausgebildet. Der Erkenntnisstand dazu bildet sich durch Wissen von Theorie und Praxis. Theaterspielen ist ein aus verschiedenen Wirklichkeiten zusammengesetztes Grundmodell, historisch und kulturell bedingt, von Orten bewegt (fiktiv und real)Ostentativ = auffällig, ausdrücklich, wirkungsvoll, nachdrücklich, demonstrativ zur Schau stellen (negativ bewertet wobei unklar bleibt ob bewusst oder unbewusst zur Schau gestellt wird) Schauspieltheorien und Stile der westlichen Hemisphäre:Tradition 1: Über Schauspiel sprechen (Theorie) und Theorien der Körperlichkeit (Abstraktum)Tradition 2: Konkrete Darstellung von Körpertechniken (Praxis) und Techniken und Formen des Körpergebrauchs (Konkret)Wenn Menschen Menschen spielen: Zwei Komponenten prägen den Schauspielstil:SchauspielstilVon einer bestimmten Haltung geprägter Darstellungscode, der auf einer spezifischen Auffassung des Menschen und seiner existenziellen Fragen beruht und durch die Beherrschung bestimmter Körpertechniken realisiert wird.  - welche Auffassung des Menschen umgibt einen Schauspielenden? Welche Rolle spielt der Mensch im Kosmos (Humanismus)? Was ist der Sinn dahinter? Wo liegt die Verantwortung? – existentielle Fragen, wie geht der Schauspieler damit um? Welche Gesellschaftsform prägt den Menschen?- Mit welchem Code werden die Menschen dargestellt, mit welcher Haltung? Wie werden Menschen gedacht? – nicht mehr allgemeine Darstellung möglichBeispiele der Menschenbilder und Darstellungsstile:

1. Comicbeispiel: es beschäftigt sich mit Fragen des Alltäglichen für junge, hübsche Leute, die jedoch vom Körperbau her durchschnittlich sind, sie haben keine extremen Körperformen. Außerdem werden die Figuren durch die Mangazeichnung verniedlicht. Der Code behauptet wahrscheinliches, realistisches.

2. Deixbeispiel: „Der strenge Winter hat auch einen Vorteil: Die Familien rücken wieder näher zusammen“ = Familie ist die wichtigste Urebene, inzestöse, perverse Darstellung – er betont das Groteske 

Schauspiel im Neuzeitlichen Europa:a) Komödiantischer (Comoediantischer ) Stil:

Akteur als Maske oder Typus vor Publikum Verwandeln in Alles, Anverwandeln von Allem (Mimesis der „natura naturata“ und der

„natura naturans“ bis hin zur Mimikry) Körper als Spielball existenzieller Bedürfnisse (Betonung der Körperöffnungen) und

artistisch beherrschbares Instrument Formen des Körpergebrauchs und Ausdrucksverhaltens sind „unnatürlich“,

übertrieben, grotesk, akrobatisch

Der komödiantische Stil setzt sich aus dem humoristischen und rhetorischen Schauspielstil zusammen und ist uns seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Schon damals traten kleinere Gruppen auf und stellten ein Stück dar – sie beherrschten viele verschiedene Stile und es wurde viel improvisiert. Der Impuls kam von Oberitalien und streckte sich später über ganz Europa aus. Durch Andersartigkeit macht man Körperlichkeit für den Zuseher spürbar. Das Unnatürliche wird als negativ angesehen, Theater soll natürlich sein. Die Formen des ostentativen Körpergebrauchs sind daher unnatürlich und negativ bewertet.Beispiel: 1568 München Aufführung von Pantalone und Zanni – zwei alte Freunde treffen sich seit langem wieder, weinen über des einen verstorbene Frau, lachen dann wieder (Zanni weint nur übers Essen, das die Frau zubereitet hat – Triebbefriedigung leitet den Menschen) Ein Wiedersehen soll vermeintlich nicht so passieren, es gibt einen anderen Zugang. Diese Szene wird in artistischer Weise dargestellt.Beispiel Kinder des Olymp: Jean Louis Barrout spielt einen Pantomimen, der den Diebstahl einer Uhr gestisch darstellt. Er will den Vorgang nicht 1:1 wiedergeben, sondern interpretiert die Selbstverliebtheit des Mannes in die Darstellung. Er zeigt und drückt alles mit seinem Körper aus. Der Pantomime ist weiß geschminkt, seine Züge werden überzeichnet und er ist kostümiert in einem wallend weißen Gewand. So hebt er sich von den anderen Menschen ab.Die Art des Spiels ist eine extremere Körperdarstellung und es liegt ein tänzerisches Grundmuster des Sich-Bewegens vor.  b) Rhetorischer Stil:

Akteur als Interpret zwischen referierten Vorgängen / Inhalten und Publikum (Rede, Gerichtsrede)

Verwandlung temporär möglich, bleibt als solche immer sichtbar Akteur macht als Interpret seine Haltung zum Referierten deutlich und will

überzeugen („persuasio“) Kopf, Brust, Arme, Hände, dem Status entsprechend und gemäß Regeln repräsentativ

eingesetzt Direkte Kommunikation: mehrheitlich frontales Adressieren, wobei Stimme, Gestik

und Mimik sich ergänzen Formen des Körpergebrauchs und Ausdrucksverhaltens sind immer auf „Würde und

Anstand“ bedacht, vor allem aber soll Körperlichkeit kein Eigenleben führen, sondern das Gesagte einfach verbindlicher machen (man soll die Hände immer oberhalb der

Gürtellinie halten, die Füße sollen würdig und elegant aussehen - es gibt einen eigenen „Bühnenschritt“ und ein Bühnenkreuz, Franciscus Lang - Idealisierte Gestik)

Beispiel: Film „Molière“Das rhetorische Grundmuster wird mit dem Singsang in der Stimme ausgespielt. Überbetonung der Körperhaltung, sehr aufrecht und blasiert, die Kleidung einfach gehalten aber dennoch augenfällig und wertvoll, weiß geschminkte Gesichter, rote Lippen.Das gesprochene Wort wird langsam, laut und deutlich vorgetragen, die Gesamterscheinung wirkt puppenhaft. c) Veristischer Stil:

Akteur als Rollenfigur vor Publikum Verwandlung nach Maßgabe der Rollenfigur und Handlung, Spielaspekt wird

versteckt Relation zwischen Akteur und Rollenfigur wird als „Nachahmung der Natur“ (oft: „wie

sie sein sollte“) verstanden und reglementiert Gesicht und Körper als Ausdruck der Seele, unwillkürlich sichtbar Werdendes als

Wahrheit Vierte Wand ist zu denken Formen des Körpergebrauchs und Ausdrucksverhaltens sollen natürlich und

authentisch sein. „Natur“ wird dabei als Norm verstanden und nicht hinterfragt

Die Vertreter lehnen sowohl den komödiantischen – er rückt niedrige menschliche Bedürfnisse in den Mittelpunkt, als auch den veristischen Stil – er wäre unnatürlich und soziologisch elitär,  ab. Wesentlich bei der Darstellung ist das Innere, dieses soll unverfälscht und unwillkürlich manifestiert werden. Sie forderten einen Schauspielstil, der vergessen lässt, dass gespielt wird (Versteckter Spielaspekt), der authentisch ist. Die Schauspieler sollen richtig mit der Rolle leben und fühlen (weinen, lachen, erröten, zusammenbrechen). „Natürlich“ bedeutet nicht die Natur darzustellen, sondern so wie sie die Natur haben und sehen wollen und darf nicht hinterfragt werden. Im 18. Jahrhundert kommt der Begriff der Vierten Wand auf, das Publikum soll gar nicht wahrgenommen werden (Homo Clausus – abgeschlossen der Welt). Der Wörtergebrauch und -ausdruck sollen natürlich sein. Der Verismus (lat. wahr, in Verbindung stehend) erfährt ab dem 18 Jhd. eine Idealisierung. Der Stil setzt sich von Europa her durch wird zur Norm des Schauspielens und verdrängt allmählich andere Stile.Beispiel Filmauschnitt:Endstation Sehnsucht (im engl. Original „A Streetcar Named Desire“) ist ein Drama von Tennessee Williams. In diesem stark von den Lehren Sigmund Freuds beeinflussten Stück geht es um den Übergang von der aristokratischen Kultur der alten Südstaaten zum neuen Amerika, in dem das Gesetz des Dschungels herrscht. Dargestellt wird dies durch die Auseinandersetzung zwischen dem ordinären Kraftprotz Stanley Kowalski und der anscheinend wohlerzogenen Blanche DuBois.Auf den ersten Blick herrscht ein sehr spontanes, natürliches und emotionales Handeln. Dies geschieht jedoch unter einem bestimmten Menschenbild und ist kulturell geprägt.

  Kotte:Schauspieltheorien und –stile: Beschreibungsmöglichkeiten für Schauspieler, Handeln und deren Qualität sind Resultate der jeweiligen Praxis von Theatermachern. Paradox: der Schauspieler tritt die Kunstfigur frei und steht schöpferisch als Subjekt gegenüber. Er produziert dann ohne Einfühlung, täuscht jedoch den Zuschauer, weil sie ihm eine Illusion des Wirklichen verschafft. Diderot: Stände sollen anstelle der Charaktere stehen, beste Schauspieler hat keine Empfindsamkeit, man braucht daher Distanz.1. Der Schauspieler erlebt die Rolle: der Schauspieler soll sich in die Rolle mehr einfühlen und „handwerkerln, vorführen und erleben“. Stanislawski, geistigen – seelischen Naturalismus (Wende 20. Jahrhundert) – kein reales Stück trotz Bühnenbild und RequisitenPsychotechnik: Einheitlichkeit des Stils – man lernt zuerst besser zu handeln auf der Bühne, das Gefühl kommt von selbst2. Der Schauspieler zeigt die Rolle: nach Brecht: das Publikum soll selbst entscheiden, die Schauspieler sollen nicht ganz die Gefühle der gezeigten Personen annehmen Nähe = Gefühl, Naivität, man streicht es leicht aus dem GewissenDistanz = Schrecken, Erkennen, Kritisieren3. Der Körper als Material des Spielers: Nichtliterarisch orientierte Traditionslinien = Mimus, Histrionen, Commedia, JahresmarkttheaterCoupeau: zurück zur Improvisation, Bretterbühne und Jahresmarktakrobaten (verhülltes Gesicht)Balagan: Schaubuden (russische), fordert Kunst, das Groteske, Temperament, Masken, Puppen, Spiel keine RomaneKonstruktivimus: Künstler muss seinen Körper/ Material gut organisieren / bewegen können, am besten in alltäglicher Kleidung und ohne Maske & komödiantisch Wandel der Fachbrgriffe: n. Ende des 18. Jahrhunderts Trennung durch baulich technische Elemente (Verdunkelung des Zuschauerraums, Eiserner Vorhang usw.) und Zähmung des Publikums, Wegfall von traditionellen Bräuchen, Meinungsbildung, fester Sitzreihen, Saalaufsicht)Die Doppelung des Schauspielers: Brechtbeispiel: Tische stellen einen Berg dar aber Menschen können nicht durch Menschen oder Dinge ersetzt werden. Das Publikum hält einerseits zum Schauspieler ob er es unverletzt schafft usw. andererseits zur Figur und zur Handlung = Ambivalenz des SchauspielersDas Als-Ob: man spricht ja von sozialen Beziehungen im Theater und ein theoretisches  Problem erfährt man erst in der Praxis Mars: körperliche Spannung ist interessanter als Rollenzuweisung und das Zeichenhafte, sinnliche, gefährdete, berührbare und einmalige Figuren werden verhäuft im Theater gesucht – Theater soll eine Plattform für Erlebnis, Entfrustung, Vergnügen, Emotionen, Interaktionen wieder seinHeute: Publikum will sinnliche und geistige Komponenten und kann der Akteur und die Aktion unterscheiden – kein Täuschungs- und Verstellungszwang mehr notwendig

Wechsel zwischen Selbst- / Re-/ Präsentation: Schlingensief Theater wird vorgestellt- jeder kann alles, muss es nur wollen – Theater könnte ins Reale übergehen, es geht um Beziehungen – ohne Leinwand und Bildschirm Wahrnehmung auch heute noch mediengeprägt, deshalb benutzt Schlingensief auch das Nummernprinzip, er stellt Realität als Theater dar, der Wahlkampf ist jedoch real. Bentleysche Formel: A wird zu B, C sieht zuPräsentation = vor anderen etwas von der eigenen Person Verschiedenes zu zeigenRepräsentation = vor anderen etwas von der eigenen Person Verschiedenes zu vertreten (Schauspieler)Selbstpräsentation = vor anderen auftreten in eigener Sache (A als A vor C)Selbstpräsentation und Repräsentation bilden Ableitungen von Präsentation (bilden Felder szenischer Vorgänge)Schlussendlich entscheiden jedoch immer die Zuschauer, was Theater ist und was nicht.Kompatibilität: dort, wo Performatives seinen funktionalen Rahmen findet oder Schauspieltheoretisches seine praktischen Entsprechungen  (Tabelle S 196!!) Qualitative Unterschiede: 

Brecht: kommentierte Demonstration von kritisierbaren Verhaltensweisen Stanislawski: psychologische Ausgestaltung einer Rolle Meyerhold: Körperlichkeit ausgestellt Schlingensief: im Wechsel dieser Körperlichkeit ausgestellt und anderer

Komponenten unter Einschluss des Präsentators, selbst in der Spannung eines solchen Wechsels

Barba – Die Genesis der Theateranthropologie (Lehre vom Menschen im Theater)Wiederkehrende Prinzipien: Untersuchung des Schauspielers für den Schauspieler ist ein kreativer Prozess für den ForscherOrientalische und westliche Schauspieler = nördliche und südliche Schauspieler (man sollte diese Bezeichnung nicht ernst nehmen, es bezeichnet einfach verschiedene Ausbildungsformen – in manchen ist der Körpergebrauch grundlegend, in anderen wieder nicht so wichtig)Nordpolschauspieler: weniger frei, in Künstlichkeit fixiert – körperliche oder stimmliche Handlungen, der Schauspieler muss sich der Theaterart anpassen, besitzt eine Energiequalität, die stimuliertSüdpolschauspieler: gehört keinem Aufführungsgenre an, das in einen Code fällt, keine Regeln, ist zwar freier, kann aber schwer Qualität entwickeln = natürlicherEs gibt keine absoluten Bühnenregeln, nur einen Weg (Reinheit und Qualität), man muss langfristig sich engagieren und es bis zum Ende verfolgen. Ausländische und fremdkulturelle Einflüsse bringen einen oft von sich selbst ab.Technik = besonderer Gebrauch des Körpers

1. Alltägliche Technik: 

Natürlich Zweckmäßig Kulturell dementiert Geringste Anstrengung Streben nach Kommunikation Glaubwürdigkeit

 

1. Nichtalltägliche Technik:

Führt zu Information Unglaubwürdigkeit Maximale Energieentfaltung mit minimalen Resultat

 

1. Virtuose Körpertechniken: andere Techniken zur Erweiterung der Energie

Gleichgewicht in AktionWaki: Schauspieler, der seine eigene Präsenz benutzt, um eigene Abwesenheit darzustellenEnergie = an der Arbeit zu sein; japanisch wie viel Energie verwendet der Schauspieler für seine Rolle („koshi“ ohne Hüften gehen – das Gleichgewicht  verändert sich) Gleichgewicht = menschliche Fähigkeit, den Körper aufrecht zu erhalten und durch den Raum zu bewegen durch muskuläre Anspannung – sind viele und komplizierte BewegungenJapanische Tänzer und Schauspieler verschieben bewusst das GleichgewichtTanz der GegensätzeUnterschied zwischen Tanz und Theater = sehr fließend (Meyerhold)Energie ist nicht das Resultat eines mechanischen Gewichtswechsels, sondern die Spannung zwischen gegensätzlichen Kräften und es ist eine Kunst, sie festzuhaltenNichtalltägliche steht zu der alltäglichen Beziehung in einer gegensätzlichen Beziehung, sie können sich aber nicht völlig von ihm trennen Kompass/ Orientierung/ Inneres Kontrollsystem für einen Schauspieler = Schmerz, das UnbehagenAlltägliche Kräfte: agieren nacheinanderNichtalltäglich: agieren gleichzeitigZiel der Kunst: nichtalltägliche Kräfte machen dem Zuschauer den Aspekt sichtbar, der im Alltäglichen untergehtStimmige Unstimmigkeit und die Tugend der UnterlassungStilisierung(=Anpassung an einen bestimmten Stil) bedeutet Normen, die unstimmig wirken und große Anstrengung erfordern (Stillstehen)Nordpolschauspieler: führt alltägliche Handlungen nicht alltäglich aus und verwirrte Künstlichkeit zeichnet sein Handeln

Südpolschauspieler: wissen, wie man Blockaden aus künstlichen Bühnensituationen überwindet. Man kann eine Situation „klein“ oder „groß“ ausführen, mit viel oder mit wenig Energie. Stage Buisness: aus 18. Jahrhundert; Alle Schauspieler befinden sich ohne Bewegung auf der Bühne, bis auf einem, der tanzt, etwas vorträgt oder sich durch Aktion hervorhebt. Die Wartenden versetzen sich in Agierende, da sie selbst sonst für die Zuschauer nicht interessant sind = UnterlassungÄquivalenzBlumen haben eine reine Selbstdarstellung, können ein Thema von Kunstwerken sein (Vase), sind es aber nie selbst (nur als Deko). Kampf der Pflanze darzustellen ist ein Kunstwerk. Ikebana = Hinweis auf Vergangenes, Andeutung auf Zukunft, Darstellung kontinuierlicher BewegungEine Handlung auf der Bühne muss real sein, es ist nicht wichtig, dass sie realistisch ist. Der Schauspieler muss durch Kräfte und Vorgehensweisen zeigen, was er ist = Automatismen (alle Aktivitäten, die ohne erkennbare willentliche oder äußere Steuerung und Kontrolle vollzogen werden) müssen gebrochen werden.Die vier wiederkehrenden Prinzipien sind: 

die „Vergrößerung und Aktivierung von Kräften, die im Gleichgewicht wirken“, „Gegensätze, die die Bewegungsdynamik leiten“, die „Anwendung einer stimmigen Unstimmigkeit“ das „Aufbrechen von Automatismen durch nicht alltägliche Äquivalente“

Fragen:

1. Wie können Körper ostentativ werden? 2. Wie können Körper so viel Präsenz ausstrahlen dass ihnen zugesehen wird?3. Ist Theater eine Möglichkeit der Wirklichkeit und generell die Als-Ob

Verhältnisse schwinden? – Kotte 

 Formen des Präsentierens und Erzählens3. Vorlesung, 18.3.2010Erzählen = alltägliche Gebrauch von Gelebten und was man sich demnächst vorstelltErzähltheorie = Narratologie (geschichtlich) ist ein zentrales Arbeitsfeld des Erzählens für Theater und um visuelle Eindrücke zu beschreiben und zu analysierenDramaturgie stellt die Frage nach Erzählstrukturen, was zum Beispiel sind:

1. Basale Formen theatralen Interagierens2. Dramatisches Erzählen – offene und geschlossene Formen3. Jenseits von Handlungen – Formprinzipien im Gegenwartstheater (von

heutigem und postdramatischem Theater)

 

1. Basale Formen theatralen Interagierens:

  Weder Kotte noch Aristoteles gelang es, sich auf so einfache Begriffe zu beschränken. Dramaturgiebegriff: Strukturierung von szenischen Vorgängen im Hinblick auf eine spezifische Wirkung oder eine allgemeine Erlebnisqualität. (was wird in welcher Struktur zu welchem Zweck dargestellt)Spezifische Wirkung: in dem Moment, in dem ich eine spez. Wirkung haben will, wird er durch Ratio und Emotionen stark gelenkt und auf einen bestimmten Punkt geführt. Somit kann Stimmung erzeugt werden und er kann in4 bestimmte soziale Richtung geführt werden.Einfaches (Zirkus) ist oft schon „zu viel“ für Dramaturgiebegriff, da er nicht atmosphärische bedingt ist (Schon aber z.B. neue Formen des postdramatischen Theaters). Die Aufmerksamkeit kommt nicht dem Ganzen, sondern nur den einzelnen Szenen zu. Die Dialektik begleitet die ganze Dramaturgie. Kotte: Dramaturgie ist die Verfertigung und Aufführung eines Dramas:

1. Dramaturgie des Schreibens2. Dramaturgie des Textes3. Dramaturgie des Aufführens

Dramaturgie beschäftigt sich mit dem Kompositionsprinzipien, Strukturen und Funktionen von Aufführungen selbst. Texten liegen eine bestimmte Dramaturgie zu Grunde, die durch dramatische Textanalyse erschlossen werden kann (durch die Rahmenbedingungen eines Theaters). Sie ist die Argumentation für die Machbarkeit eines Projekts und eine begleitende Tätigkeit. Projektdramaturgie = Teamfähigkeit, andere Mitarbeiter im Theater können besser das Gesamtkonzept im Auge behalten. Mikroerzählungen = Dinge werden einfach so nebeneinandergestellt, ohne dass sie etwas miteinander zu tun haben (heterogen / disparat = ungleichartig, homogen = Wille, Dinge passend zu machen). Folgen wir nun also dem homogenen Ganzen oder dem Heterogenen? Nummernprinzip (und dann, und dann , und dann…)Vertreter: Varieté, Revue, Kabarett, Zirkus, Diplomfeier…Beispiel  Diplomfeier: dramaturgisch aufbereitet, jedoch eigentlich ein einfacher und basaler Vorgang, hat eine bestimmte Ausrichtung, das Publikum spielt mit, interessiert sich jedoch nur für eine Person Beispiel des Interagierens: Erzählen eines Mythos und einer großen GeschichteDer Mythos: Besondere Wunderkraft wird dem St.-Mang-Stab zugesprochen. Dieser wurde häufig zur Schädlingsbekämpfung aus dem Füssener Kloster erbeten. „Die Segnungen mit dem Magnusstab nahm normalerweise der Kustos des Klosters Füssen vor. Er ritt zum Ort, wo man eine Segnung wünschte. An vier Stationen steckte er den Magnusstab in den Acker, sang den Beginn des Evangeliums, las den Exorzismus und erteilte mit dem Stab den Segen. Dieser Flurumgang dauerte ca. einen halben Tag.“ Ein Füssener Pater notierte nach einer Etschreise 1643: „Wo des

Heiligen Stab unter Anrufung des frommen Abtes hinkam, blieben die Trauben sieben Jahre vom Schimmel verschont, und wo man ihn unter Gebeten segnend über die Felder schwang, mussten alle Schädlinge weichen.“ Im Zeitalter der Aufklärung wurde diese volkstümliche Praxis jedoch als Aberglauben gebrandmarkt und nach der Säkularisation per Regierungsdekret verboten, der Magnusstab 1804 konfisziert. 1822 brachte man ihn wieder nach Füssen zurück. Noch heute finden am Magnustag (6. September) und Pfingstdienstag in Füssen Prozessionen  mit dem Magnusstab statt. Der Protagonist ist eindeutig der Priester, die Rede ist ein Wechselgesang zwischen Priester und den Menschen. Der Mythos selbst wird hier gar nicht mehr erzählt, sondern als bekannt vorausgesetzt. Es liegt eine bestimmte Handlungsstruktur zugrunde, Aristoteles z.B. interessiert sich ja nur für die Struktur. Der Ursprung der griechischen Tragödie liegt ja in den rituellen Festen zu Ehren des Weingottes Dionysos (Dionysoskult). Speziell gelten die Dithyramben  als Vorläufer der Tragödie. Als Entstehungszeit wird die Zeit um 600 v. Chr. vermutet. Diese Tragödie ist schon mit rituellen Prinzipien verbunden („thea“). Das Schicksal oder die Götter bringen den Akteur in eine unauflösliche Situation, den für die griechische Tragödie typischen Konflikt, welcher den inneren und äußeren Zusammenbruch einer Person zur Folge hat. Es gibt keinen Weg nicht schuldig zu werden, ohne seine Werte aufzugeben (was einem tragischen Akteur nicht möglich ist). Ein gutes Beispiel ist König Ödipus von Sophokles.So entstehen allmählich Dramentexte und Handlungselemente.    

1. Dramatisches Erzählen – offene und geschlossene Formen

Nach Aristoteles: Der Kunstwert eines Dramas hat mit den Kriterien Ganzheit und Geschlossenheit zu tun. Das Drama soll streng durchorganisiert sein und jede Info über Personen muss notwendig sein. Alles was sich nicht auf die Handlung bezieht, ist überflüssig. Kann es eine Handlung ohne Charaktere oder Charaktere ohne Handlung geben? Um ganz ohne Personen auszukommen braucht man einfach keine so stark individualisierten Personen, sie müssen keine besondere Aufmerksamkeit haben. So liegt die ganze Spannung bei der Handlung. Aristoteles meint, wenn man die Darsteller zu sehr profiliert, geht die Handlung verloren. Shakespeare Anhänger: nur die stark individualisierte Person steht im Mittelpunkt. Die Tragödie ist Nachahmung (Mimesis) einer guten und in sich geschlossenen Handlung […], die Jammer (Eleos) und Schaudern (Phobos) hervorruft und hierdurch eine Reinigung (Katharsis) von derartigen Erregungszuständen bewirkt. Geschlossene Handlung nach Aristoteles: „Ein Ganzes, was Anfang, Mitte und Ende hat“.

Katharsis = Reinigung: sehr umstrittener Begriff, geistig rational: intellektueller Effekt beim Zuschauer, medizinisch: gruselige Geschichten lösen beim Zuschauer einen körperlichen Prozess aus, verändern die physis 

Phobos = Schaudern: Zuschauer soll ein Mitleidender sein Eleos = Jammer: -“-

Mimesis = Nachahmung, weiter gefasst der “naturans“ – Schöpfungskraft der Natur nachahmbar

Hamartia = Fehlgriff

 Die Teile der Fabel:

Peripetie (peripeteia) = der Umschlag dessen, was erreicht werden soll, in das Gegenteil gemäß der Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit. „Glückswechsel“ gegen das, was das Individuum anstrebt

Wiedererkennung (anagnorisis): Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis (basiert auf 2 Personen), wäre plump wenn es nur durch Zeichen geschieht (äußerliches Merkmal)

Katastrophe und Leid (Pathos): Verderbliches und schmerzliches Geschehen (Todesfälle etc.)

Wiedererkennung und Peripetie = Ödipus, sie bewirken so Negatives Kompositionsregeln der FabelBeschaffenheit der Protagonisten:

Man darf nicht zeigen, wie makellose Männer einen Umschlag vom Glück ins Unglück erleben…

Man darf auch nicht zeigen, wie Schufte einen Umschlag vom Unglück ins Glück erleben…

Man darf nicht zeigen, wie der ganz Schlechte einen Umschlag vom Glück ins Unglück erlebt…

Dazwischen steht der Held, der nicht trotz seiner sittlichen Größe, aber auch nicht wegen seiner Schlechtigkeit den Wechsel von Glück in Unglück erlebt. Ausschlaggebend dafür soll ein Fehlgriff (Hamartia) sein…

weiter…

Tragödie heißt immer ein Umschlagen der Fabel von Glück in Unglück – selbst wenn das Publikum das Gegenteil bevorzugt.

schweres Leid innerhalb von Nahverhältnissen als Garant für Jammer und Schaudern Handlungen werden begangen oder nicht, absichtlich oder unwissentlich. Am besten

sind jene, die unwissentlich begangen werden und deren

Formelemente oder die sechs qualitativen Teile der Tragödie

1. MYTHOS (mythos) Handlungsstruktur als wichtigster Teil

1. CHARAKTER (ethos) Beschaffenheit der Handelnden2. ERKENNTNISFÄHIGKEIT (dianoia). Vermögen, das Sachgemäße auszusprechen3. SPRACHE (lexis) Verständigung durch Worte in Versen und Prosa4. MELODIK (melopoia) Sprachklang und -rhythmus, Musik5. INSZENIERUNG (opsis) Der kunstloseste Teil, Wirkung auch ohne Aufführung

Tragweite und Bedeutung erst später erkannt wird.

1. ist von größter Bedeutsamkeit für die Tragödie, 6. von wenigster. Die Inszenierungen in damaliger Zeit waren sehr stark an Texten orientiert und eher kunstlos, da eine visuelle Komposition völlig unwichtig war. Viele Prinzipien Aristoteles sind heute noch von großer Bedeutung (Blockbuster).Gustav Freytag – Die Technik des Dramas: man bekommt Rezepte, um das „gute Stück“ zu schreiben (Film: Adaption) = Problematik für die AristotelesrezeptionPyramidale Auffassung von Freytag (nicht Meinung Aristoteles): Fünf Teile: 1 Einleitung, 3 Steigerung, 4 Höhepunkt, 6 Fall oder Umkehr, 8 Katastrophe Drei szenische Wirkungen: 2 erregendes Moment (Beginn bewegter Handlung), 5 tragisches Moment (Beginn der Gegenwirkung), 7 Moment der letzten Spannung (steigert vor der Katastrophe) Heute: alle Arten von Texten werden in die Forschung mit einbezogen. Die Theaterwissenschaft spricht mit Lehrtexten, die historisch fundiert sind Kotte: Dramaturgie und DramaturgiebegriffDie Wurzeln der Poesie liegen bei Aristoteles. Zuvor galt eigentlich jede sprachliche Äußerung (Abhandlung von Lehrgedichten usw.) als Poesie, bis auf Tragödie und Komödie. Das erste Kapitel Aristoteles besagt, dass sich Theater nicht aus dem Text, sondern aus der Körperkunst konstituiert. Dies ist eine historische Trendwende. Bis zum 6. Jhdt. v. Chr. gilt die Form der Instrumentalisierung von Theater. Mimesis = Neubestimmung der Poesie (es gehört auch Flöten- und Zitherspiel dazu). Nach dem 6. Jhdt. v. Chr. gerieten Komödie und Tragödie fortan unter Berufung auf Aristoteles in den Mittelpunkt der literarischen Dramentheorie, unter der Frage, ob die Forderungen von Ort, Zeit und Handlung entsprechen. Es gilt, dass Drama die Natur nachahmt. Ständeklausel ist vorherrschend; nur gehobene Bürger dürfen außergewöhnliche Schicksale erleben (erst durch bürgerliches Trauerspiel überwunden). Tabelle nach Kotte zeigt uns herkömmliche Dramaturgien:Anmerkung: analytische- variabler wäre korrektEpisierende: die Zusammenhänge haben oft einen Zusammenhang, aber keine Chronologie ist voraussetzend! ( Woyzeck und Shakespeare). Der Bewegungsmoment liegt außerhalb des Protagonisten. Die meisten Autoren verwenden diese Art von Dramaturgie, um stärker auf die Story als aufs Individuum zu verweisen.  

1. Jenseits von Handlungen – Formprinzipien im Gegenwartstheater

Lehmann versucht nicht mehr nach Aristoteles zusammenzufassen, sondern es werden andere Theorien (z.B. Zeichentheorien) herangezogen, um sie mit Theater zu vergleichen.Non-Hierarchischer Zeichengebrauch: Sprache für Zusammenhang und Gesamtheit: jedes mögliche Bühnenmittel ist gleich beteiligt, ohne irgendetwas hervorzuheben. Das theatrale Erzählen wird durch Zeichensysteme zur Sprache gebracht. So kann man die Ganzheit erkennen. Tanz beispielsweise ist deshalb schlecht bis nicht

verfasst, da der Begriff offenbar zu weit geht. Wenn kein Non-Hierarchischer Zeichengebrauch herrscht, können wir die Ganzheit der Geschichte nicht mehr kennen (Entzug der Synthesis).Entzug der Synthesis: Art, wie Zeichen verwendet werden, wird herangezogen („Synthesizer“). Die Zeichen verweisen immer auf etwas (Stuhl muss nicht immer ein Stuhl sein). Objekte usw. können gar nicht mehr so ausgestellt werden, ohne interpretiert zu werden. Lehmann genügt Aristoteles Auffassung nicht mehr, da es postdramatische Strukturen gibt, in denen auch z.B. visuelle und musikalische Interpretationen möglich sind. Simultanität: soviel mögliche Dinge werden angeboten, die man nicht alle zugleich wahrnehmen kannAusschnitthafte der Wahrnehmung: Wahrnehmung kann die Gesamtheit nicht erfahren, ermöglicht mir ein subjektives Schauen. Wie kann eine Gesellschaft lauter Individualisten gemeinsam artikulieren? Sie braucht keine gemeinsam erfahrene Form mehr.  Grundbegriffe nach Kotte: Fachbegriffe und alltägliche Sprache sollten sich mit Kompromiss zwischen Aristoteles, Brecht und Stanislawski einigen

Drama: für eine Aufführung bestimmter Text, der eine Handlung mit sich bringt Stoff: nicht erfunden, sondern gefunden, meist real (Erlebtes, Gehörtes, literarisch

Überliefertes) Konflikt: auf Erfindungsebene: Konflikte werden durch den Dramatiker und die

Inszenierung geschaffen und sind ein notwendiges Aufeinanderprallen unterschiedlicher Interessenslagen, das für die Parteien eine Bedrohung darstellen kann. Sie sind für ein Stück jedoch nicht zwingend Notwendig (S. Beckett).

(Ausgangs-)Situation: Gesamtheit des im Moment gegebene Umstände (5W Fragen: wer, was, warum, wann, wo)erzwingt Handeln, das von äußeren (natürlichen, gesellschaftlichen und umweltbedingten Gegebenheiten) und inneren (Motive) Bedingungen beeinflusst wird. 

Gestus: (z.B. Gestik oder Gebärdensprache) gesellschaftliche, historisch und lokal bedingte Haltung, die als ein Komplex von Gesten, Mimik und sprachlichen Äußerungen erscheinen. Der Gestus soll einzelne Vorgänge zerlegen und Drehpunkte bestimmen. Gestus einzelner Szenen kann den Grundgestus des Textes gegenüber dem Publikum ent- oder widersprechen (Büchner – „Woyzeck“ oder Charlie Chaplin – „Der große Diktator“)

Vorgang: entsteht aus den handelnden Sich-In-Beziehung-Setzen der Figuren in die Situation, entfaltet sich, wenn z.B. eine Figur in einem bestimmten Gestus handelt und Text äußert (können auch in Kontrast stehen – Hamlets Wahnsinn 3.Akt, Szene 1 und 2)

Dreh-/ Wendepunkt/ Plotpoint: Wendungen im Geschehen (meist zwischen Glück und Unglück): z.B. Figurenbeziehungen schlagen wahrnehmbar in eine neue Qualität um, äußere oder innere Beziehungen ändern sich und eine neue Ausgangssituation entsteht

Figurendrehpunkt: ein Ereignis oder eine Entscheidung verändert das Handeln (auch Absichten und Ziele) einer Figur qualitativSzenendrehpunkt: die Beziehungen der beteiligten Figuren verändern sich qualitativFabeldrehpunkt: wenn ein Figuren- oder Szenendrehpunkt dem Gesamtverlauf eines Textes oder einer Inszenierung eine neue Richtung gebenIn Mikro- (für kurze Handlungssequenzen) und Makrostrukturen (für komplette Texte, Dramen, Proben und Inszenierungen) bestimmt.

Figur-/ Figurenkonstellation: neutrale Sammelbezeichnung unterschiedlich konzipierter Exponenten szenischer Vorgänge sind Masken, Typen, Rollenfächer, Allegorien, Sprecher, Personen, Charaktere ect. Figur kann an Handlung gebunden sein, muss aber nicht, es gibt keine fiktive Figur auf der Bühne. Figuration ist der Prozess der Figurenbildung. In Figurenkonstellationen sind Beziehungen darstellbar.

Fabel: kausale Verknüpfung der Vorgänge Gesamtkomposition aller gestischen Vorgänge und Mitteilungen und Impulse, die das Vergnügen des Publikums ausmachen sollten. Sie besteht aus widersprüchlichen Prozessen die auffallen. Der Fabel kann ein wirkliches oder fiktives Geschehen zugrunde liegen, sie konzentriert sich auf die wesentlichen Vorgänge auf der Linie der Haupthandlung. 

Kausalnexus: Ursachen und Wirkungen werden kenntlichNach Goethe: sobald sich ein Künstler mit etwas auseinander setzt gehört es nicht mehr ganz der Natur an. 

Intendierte Fabel: entsteht beim Schreiben Fabel des Textes: Textanalyse/ -dramaturgie Fabelsarten: zeitlich, räumlich und gesellschaftlich versetzt Spielfabel: entworfen und realisiert

 Geschlossene Form: Realisierung der Handlung in einem Handlungsbogen, der von Anfang bis zum Schluss reicht, Kausaltechnik (klassische Form nach Aristoteles)Offene Form: es kann mehrere Handlungsbögen geben und am Ende muss keine Konfliktlösung sein (Episierende Dramaturgie: alles in Ausschnitten)Partituren: Übersichten in Form von Tabellen ermöglichen eine strukturelle Auffächerung des Einsatzes von Theatermitteln. Man verwendet sie für vergangene Aufführungsanalysen und zukünftige Dramaturgie es geht jeweils um die Beziehungen zwischen den Einzelnen und Allgemeinen auf den Ebenen der Figuren, des Textes, der Inszenierung usw. (z.B. Raum, Zeit, Spielweise, Dinge, Sinne…). Es geht um Hervorhebung von Körper, Nähe oder Ferne von Alltag, Herstellung von Spannung.Grundbegriffe weil:

1. Für schriftlichen Text und spielerische Inszenierung anwendbar2. Ausgangspunkt für Ergänzung durch neue Begriffe3. Im Theater und audiovisuellen Medien benutzt und diskutiert werden

können

Aristoteles – Die PoetikTragödie nach Aristoteles: Nachahmung einer guten, in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in ausgewählter Sprache (anziehend geformt), also die Nachahmung eines Handelnden, nicht durch einen Bericht. Der erste Teil der Tragödie ist die Inszenierung, dann kommen die Melodik und die Sprache. Handelnde sind durch ihre eigene Persönlichkeit geprägt.Tragödie hat sechs Teile:

1. Mythos = Nachahmung von Handlung und Zusammensetzung der Geschehnisse

2. Charaktere = man schreibt den Handelnden eine bestimmte Beschaffenheit zu3. Sprache = im Vers zusammengefügte Wörter4. Erkenntnisfähigkeit = das Vermögen, das Sachgemäße und Angemessene

anzusprechen5. Inszenierung = Kostüme sind wichtiger für die I. als Prosa6. Melodik = Wirkung nur im Sinnlichen

Es gibt keine Charaktere ohne Handlung aber Handlung ohne Charaktere.Bestandteile des Mythos: Wiedererkennung und Peripetien (=Wendepunkt)Seele der Tragödie: Mythos ist am allerwichtigsten, dann erst die CharaktereBeschaffenheit der Zusammenführung der Geschehnisse:Tragödie muss Nachahmung einer in sich geschlossenen Handlung mit einer bestimmten Größe (Anfang, Mitte, Ende) sein. Sie darf nicht zu lang oder zu kurz sein, damit man die Handlung gut verstehen und aufnehmen kann. Es ist also die Größe, die erforderlich ist, mit Hilfe der nach der Wahrscheinlichkeit folgenden Ereignisse eines Umschlags vom Unglück ins Glück und umgekehrt herbeiführt. Personen – Hauptfigur:Einer allein schafft keine einheitliche Handlung. Die Einheit der Nachahmung muss auf der Einheit des Gegenstands beruhen (auch der Fabel). Wenn ein Teil weggenommen wird, ändert sich alles oder fällt in sich zusammen.Aufgabe des Dichters: ist nicht, was geschehen ist, sondern was geschehen könnte. Er muss philosophisch und ernsthaft sein. Die Figuren können Namen von Personen, die wirklich gelebt haben tragen (1-2 Personen, der Rest muss jedoch erfunden sein). In manchen Tragödien ist alles erfunden (Charakter und Handlung). Die schlechtesten Fabeln und Handlungen sind die episodischen, wenn die Episoden weder der Wahrscheinlichkeit, noch der Notwendigkeit folgen – kausal unzusammenhängend. Die bessere Fabel hat eine Handlung, die sich nicht einer Absicht vollzogen hat.Einfache und komplizierte FarbenEinfach: hängt in sich zusammen und bildet eine Einheit, Wende vollzieht sich ohne Wiedererkennung. Ein Ereignis tritt nach dem anderen ein.Kompliziert: Wende mit Wiedererkennung oder Peripetie verbunden. Ereignis tritt infolge eines anderen ein.Peripetie, Wiedererkennung und schweres Leid

1. Peripetie: der Umschlag dessen, was erreicht werden soll in das Gegenteil gemäß der Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit

2. Wiedererkennung: Umschlag von Unkenntnis in Kenntnis – es tritt Freundschaft oder Feindschaft ein, sie kann sehr Negatives bewirken

3. Schweres Leid

ÖdipusAbschnitt der Tragödie

1. Prolog: vor dem Einzug des Chors2. Episode: zwischen den Chorliedern3. Exodos: nach dem letzten Chorlied4. Chorpartie: Parados, Stasimon, Kommas

Zusammensetzung einer guten Tragödie: sie soll kompliziert zusammengesetzt werden und etwas Schauderhaftes und Jammervolles nachahmen

1. Männer sollten keinen Umschlag von Glück ins Unglück haben = abscheulich2. Schuften sollten keinen Umschlag von Unglück ins Glück haben =

menschenunfreundlich3. Schuft soll keinen Umschlag von Glück ins Unglück haben =

menschenunfreundlich, jedoch ohne Jammer und Schlaudern

Held soll wegen eines Fehlers „büßen“, Fabel muss wegen diesem einen Fehler von Glück ins Unglück umschlagen. Wie wird die Handlung schauderhaft?Das Schauderhafte soll in die Geschehnisse und nicht in der Inszenierung enthalten sein. Wenn ein Feind einem Feind was tut oder einer irrevelaren Person ist das nicht jammervoll, nur innerhalb von Naheverhältnissen.

1. Handlung mit Wissen und Einsicht2. Handlung mit späterer Einsicht („Bereuen“)3. Planen der Tat aus Unkenntnis, jedoch Einsicht vor der Tat (schlechteste für

eine Tragödie)

Wie sollen sich die Charaktere verhalten?

1. Tüchtig: ihr Worte oder Handlungen sollten bestimmte Neigungen erkennen lassen (Ödipus besiegt die Sphinx)

2. Angemessen3. Ähnlich zu anderen Menschen4. Gleichmäßig

Nur außerhalb der Tragödie dürfen Götter und Ungereimtes auftauchen. Negative Merkmale sollen positiv dargestellt werden.Arten der Wiedererkennung:

1. Wiedererkennung durch Zeichen: kunstlos, werden nur als Verlegenheit oder Erkennung benutzt

2. Vom Dichter erdachte Wiedererkennung: Dichter schreib historisch Überliefertes um

3. Wiedererkennung durch Erinnerung: bei einem Anblick an etwas oder jemanden bemerkt jemand etwas

4. Wiedererkennung durch Schlussfolgerung: jemand schließt aus eigener Tat eine weitere, ihn selber betreffend

5. Fehlschluss des Zuschauers im Stück6. Überraschung aus Wahrscheinlichem ohne Erfundenes (beste)

Szenen und Stoffaufbereitung: Stoff zunächst allgemein skizzieren und dann erst szenisch aufbereiten. Die Szenen müssen auf die Personen und Orte zugeschnitten sein.Verknüpfung und Lösung: Verknüpfung = die Vorgeschichte, der Anfang der WendeLösung = Rest, der Schluss der Wende

1. Komplizierte und Peripetie und Wiedererkennung2. Schweres Leid3. Stellt Charakter dar4. Unterweltstragödien 

Lehmann – Das postdramatische TheaterzeichenEntzug der Synthesis (=Zusammenfassung der Einheit): das Theaterzeichen soll alle Dimensionen von Signifikanz (= Kennzeichen) einschließen, nicht nur identifizierbare Signifikanten, sondern virtuell alle Elemente des Theaters. Das Zeichen wird im Sinne einer offensichtlich Aufmerksamkeit fordernden Manifestation oder Gestikulation aufgenommen, da sie mit einem gewissen Nachdruck präsentiert sind und durch den steigernden Rahmen der Aufführung Sinn macht, ohne begrifflich fixiert werden zu können = Kennzeichen des Schönen. Kant: ästhetische Idee Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlasst, ohne dass ihr ein bestimmter Begriff adäquat sein kann, die keine Sprache rüberbringt und uns enorme Vorstellungen eröffnet. – die Theorie des Zeichengebrauchs hat sich von dieser Denkweise entfernt, denn der ästhetische Gedanke wird zum Vernunftbegriff aufgelöstDas Postdramatische Theater fordert offene, zersplitterte Perzeption (Informationsverarbeitung) statt einer geschlossenen und vereinigten. Es äfft scheinbar das Durcheinander der realen Alltagserfahrung nach. Eine authentische Weise (Theater zeugt von Leben) entsteht nicht durch die Setzung einer artistischen Makrostruktur (=komplette Texte, Dramen, Proben und Inszenierungen), sondern braucht eine Mikrostruktur (kurze Handlungssequenzen einer Schauspielerprobe). Man hat eine relative Haltung großer Formen aufgrund von Möglichkeiten kollektive Erfahrung zu artikulieren. Gemeinsamkeit, die über die gemeinsam erfahrene Form sich erkennt: Essenz der ästhetischen Gattung, heute wird nicht mehr daran geglaubt. Das neue Theater muss über privat bleibende und unverbindlich bleibende Setzungen gehen und andere überindividuelle Berührungspunkte suchen. Es findet

sie unter der Realisierung von Freiheit im Theater, Freiheit vom Zwang zur Vollendung. Marianne von Kerkhoven („Die Last der Zeiten“): hat neue Theatersprache mit Chaostheorie (=Realität besteht mehr aus einem instabilen System als aus geschlossenen Kreisläufen) in Verbindung gebracht. Die Künste und das Theater antworten mit Uneindeutigkeit, einer Dramaturgie, die eher Teilstrukturen als Gesamtmuster festlegen. Theater wird Paradigma des Ästhetischen.Traumbilder: es handelt sich also um die Freiheit der unwillkürlichen idiosynkratrischen (eigentümlichen) Reaktion. Es ist keine Gemeinschaft des Ähnlichen sondern eine Gemeinschaft der Verschiedenen. Mallarmé wünscht sich Zeitung in Paris: die Bewohner berichten sich gegenseitig von ihren Träumen, anstatt von politischen Tagesereignissen.Traumgedanken bilden Textur, Collage, Montage und Fragment aber keinen logisch strukturierten Ablauf von Ereignissen. Der Traum ist das Modell der non-hierarchischen Theaterästhetik. Artaud (Visionär): Hieroglyphen, um den Status der Theaterzeichen zwischen Buchstabe und Bild zwischen den anderen Weisen des Bedeutens und Affizierens hervorzuheben.Synästhesie*: neues Theater hat Züge der manieristischen Tradition: Widerwille gegen organische Geschlossenheit, Verzerrung, Neigung zum Extrem, Verunsicherung und Paradoxie. Das manieristische Prinzip der Äquivalenz kommt dazu: statt dramatischer Narration (A B C) kommt die disparate Heterogenität (jedes Detail kann an eine andere Stelle treten). „Correspondances“: beschreibt die neue Wahrnehmung des Theaters jenseits des Dramas als szenisches Gedicht. Entzieht man den Menschen Beziehungen, wird er aktiv, sucht sich eigene Verknüpfungen. Die Spurensuche nach Zusammenhängen ist die Konzentration des Wahrnehmens auf die dargebotenen Dinge. Der Zuschauer des neuen Theaters sucht lustvoll, gelangweilt oder verzweifelt nach den „Baudelaire‘schen correspondances“ im Theater. Die im Geschehen wesentliche Synästhesie, die ein Hauptthema der Moderne wurde, wird nicht mehr nur zu einem implizierten Merkmal des der Kontemplation (=Betrachtung) dargebotenen Theaters als Inszenierungs-Werk, sondern zu einem explizit ausgezeichneten Angebot zur Aktivität im Theater als Kommunikationsprozess. Synästhesie* = Kopplung zweier physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung, etwa Farbe  und Temperatur („warmes Grün“)Performance Text:Verschiedene Ebenen der Theateraufführung:

Linguistischer Text Inszenierungstext Performance Text

Das sprachliche Material und die Textur der Inszenierung stehen dem Performancetext (=verstandene Theatersituation) gegenüber. 

Text: es muss eine Verknüpfung oder Verwebung von bedeutungstragenden Elementen geben. Die gesamte Situation der Aufführung für das Theater ist konstitutiv (hat eine rechtsgestaltende Wirkung) – Beziehung des Spiels zu den Zuschauern, die zeitlich und räumliche Situation, Ort und Funktion des Theatervorgangs im sozialen Feld (- machen den Performancetext aus) determinieren den anderen Ebenen gegenüber.Textur = Gewebe aus Fäden, alle Einzelelemente von der „Gesamtbeleuchtung“ abhängig. Postdramatische Theater: Text der Inszenierung wird von einer veränderten Auffassung des Performance Textes her in eine neue Beleuchtung gesetzt. Dies ist aber nicht allein eine neue Art von Inszenierungstext, sondern ein Typ des Zeichengebrauchs im Theater, der alles durch den Performancetext umwühlt.Kennzeichen: Parataxis, Simultanität, Spiel mit der Dichte der Zeichen, Überfülle, Musikalisierung, visuelle Dramaturgie, Einbruch des Realen, Situation/ Ereignis

1. Parataxis/ Non-Hierarchie: 

= die Enthierarchisierung der Theatermittel= die Vermeidung von Verwirrung und die Herstellung von Harmonie und VerständlichkeitDie Elemente werden nicht eindeutig verknüpftH. Goebbels: ihn interessiert ein Theater, das nicht die Zeichen beständig vervielfacht, sondern wo alle Theatermittel ihre eigenen Kräfte behalten und zusammenwirken  und wo man sich nicht mehr auf die konventionelle Hierarchie der Mittel verlässt. Licht und Kostüm können eine eigene Sprache sprechen, so dass es nur sie gibt. Entfremdung auf der Bühne muss zu spüren ein. Er will eine Bühnenrealität erfinden. Außerdem will er einen non-hierarchischen Zeichengebrauch, der im Gegensatz zur etablierte Hierarchie: Augenmerk auf Sprache, Sprechkunst, Gestik und Unterordnung von visuellen Qualitäten, steht. Vergleich mit der Malerei: jede Einzelheit bekommt das gleiche Gewicht zugeschrieben – typische Zentrierung von Haupt- und Nebensache findet nicht statt, oft wird das Wesentliche sogar betont an den Rand gestellt = Chronikalische ÄsthetikElemente des Postdramatisches Theater, die auch in der Malerei auftreten:

Verschiedene Genres werden in einem gebunden (Tanz, Erzähltheater, Performance) Alle Mittel sind gleichgewichtig eingesetzt Spiel, Dinge und Sprache haben gemeinsam verschiedene Bedeutungen und zwingen

zu einem zugleich gelassenen und raschen Kontemplation  Wechsel der Einstellung auf Zuschauerseite Man versteht nicht sofort: an unerwarteten Stellen erwartet man Verbindungen,

Aufschlüsse und Korrespondenzen, die das Gesagte in einem anderen Licht stehen lassen, Bedeutung bleibt prinzipiell aufgehoben

1.  Simultaneität:

Geht mit dem Verfahren der Parataxis einher

Erfahrung des Simultanen (überfordert den Wahrnehmungsapparat – meist mit Absicht) und nicht wie im Dramatischen Theater: Anordnung bestimmter Signale, die im Zentrum stehen

Lesern und Zuschauern wird so viel zugleich „aufgepackt“, dass man es unmöglich verarbeiten kann, durch gemeinsame Sprachlaute, der Verwendung verschiedener Sprachen zugleich oder das sichtbare Bühnengeschehen wird unüberhörbar von einer 2. Realität aus Geräuschen, Musik, Stimmen und Lärmstruktur aller Art umgeben und ergänzt = 2. Auditive Bühne

Das Ausschnitthafte der Wahrnehmung wird zur unvermeidlichen Erfahrung gemacht macht oft die Konzentration auf den einen und die klare Registrierung des anderen unmöglich

Double Bind: man sollte das konkrete Einzelne und das Ganze wahrnehmen können Anstelle der organischen überschaubaren Ganzheit tritt der vergessene

Filmcharakter der Wahrnehmung im postdramatischen Theater Der Zuschauer hat die Wahl, auf was er sich konzentrieren möchte verbunden mit

der Frustration, nicht alles auf einmal und den begrenzten Charakter dieser Freiheit wahrzunehmen

Ausfall der Totalen ist kein Verlust, sondern befreiende Möglichkeit der Fort-Schreibung, Phantasie und Rekombination, die sich der Wut des Verstehens verweigert

1.  Spiel mit der Dichte der Zeichen:

Die etablierte Norm der Zeichen wird verletzt – entweder zu viel oder zu wenig. Theater reagiert so auch auf die Medienkultur. Die Dichte der Information hängt vom Kriterium der körperlichen/ sinnlichen Wahrnehmung ab. Alles Wissen, das nicht die Gestalt der Information annehmen kann, wird verschwinden. Fernsehbilder werden schon im Gegensatz zu Kinobildern auf der Bahn mentaler abstrakter Informationen eingeschränkt. Das Fernsehbild lässt die visuelle Wahrnehmung kaum zu. Postdramatisches Theater arbeitet mit der Strategie des Refus (- Ablehnung): es praktiziert eine als Askese erkennbare Sparsamkeit der Zeichenverwendung; betont einen Formalismus, der durch Repetition und Duration die Zeichenfülle reduziert. Dies lässt eine Neigung zu Graphismus und Schrift zu, die sich gegen optische Opulenz (=Überschluss) und Redundanz (=Überschneidung) zu wehren scheint.Kennzeichen (z.B. Wilson, Fabre, Théâtre du Radeau usw.)

Schweigen Repetition Langsamkeit Dauer Wenig Aktion Minimalistische Reduktion Große Pausen Theater des Verstummens und des Schweigens Riesige Bühnen werden provokant leergelassen Handlungen und Gesten werden auf ein Minimum beschränkt Leere und Absenz werden provokant eingesetzt

Entzug ist die Voraussetzung für neue Erfahrungen

 

1.  Überfülle:

Das Überschreiten und Unterschreiten der Norm führt zur entstaltenden Figuration ist. 2 Grenzen: unüberschaubare Erstreckung und labyrinthisch chaotische Anhäufung. Der Verzicht auf konventionelle Gestaltwahrnehmung und die Verweigerung der normalisierten Bildgestalt realisiert sich mit Vorliebe über die Extreme. Unüberschaubare Verzweigung und heterogene Verkoppelungen verhindern Synthesis (= Rhizom, Begriff nach Deleuze und Guattari). Die Bühnenzeit wird in Minimalsequenzen aufgelöst, dadurch Wahrnehmungsdaten vervielfältigt (einzelne Teile erscheinen größer als das Ganze). Fülle, Chaotik und Addition kleine Gageinheiten werden zum Stilmerkmal. J. Kruse: „Theater der Requisiten“ – Bühne in einer von Gegenständen, Schriften und Zeichen übersätes Spielfeld, erzeugt Chaos, Verwirrung, Ungenügen, Desorientierung, Trauer und horror vacui (Angst vor leeren Räumen)

1.  Musikalisierung:

Tendenz zur Musikalisierung, also nicht allein durch die Sprache. Musik ist zu einer eigenständigen Struktur des Theaters geworden – Theater als Musik! Auditive Semiotik: auch klassische Texte werden verwendet. Vor allem in den 70ern wurden Schauspieler verschiedener ethnischer Herkunft zusammengeführt, um die verschiedenartigen Sprachmelodien, Tonfälle, Akzente und Habitus beim Sprechen zu zeigen – eigene Musikalität. Es werden dadurch neue Klangkombinationen entdeckt. Durch elektronische Musik kann man die Parameter des Klangs beliebig manipulieren und so werden neue Dimensionen sichtbar. Die musikalische Ebene wird nicht mehr linear konstruiert, sondern z.B. durch simultane Überlagerungen von Klangwelten wiedergegeben. Beispiel: Eimuntas Nekrosius – Hamlet 

1.  Szenographie, visuelle Dramaturgie

Nach der Auflösung der Hierarchie muss anderen Elementen als dem dramatischen Logos und der Sprache die Rolle der Dominante zugewiesen werden, betrifft besonders die visuelle Dimension. Diese darf sich nicht dem Text unterordnen, sondern muss sich selbstständig entfalten können. Bedeutungen und Verständnis wird optisch definiert, es entsteht ein Theater der Szenographie.  4. Vorlesung – Szenische TransformationenWas sind Formelemente? Was sind Beispiele der Zusammenführung von Formen?1. Vom Text zur Szene (Ödipus)Ein dramatisches Werk ist die Trägersubstanz von Ideen, das in der Inszenierung zum Ausdruck kommt, durch Sekundärautoren und Gegenpositionen. Es existiert ein freier

Umgang mit dem Material, ob dieser Umgang qualitätsvoll oder nicht ist, entscheidet sich am Gegenstand selbst. Grundsätzlich gibt es eine Freiheit in klassischen Texten, die jedoch auch davon abhängt, wo das Stück aufgeführt wird und was man damit erreichen will. In England beispielsweise soll der Shakespeare Text ziemlich textgetreu wiedergegeben werden, da das Publikum die Texte kennt und auf einzelne Passagen direkt wartet. Liegt ein Vorwissen beim Publikum über den Text vor? Gibt es von dem Stück schon viele Inszenierungen, die dem Publikum bekannt sind? Man darf heute jedenfalls nicht mehr davon ausgehen. Wie immer muss das Publikum entscheiden, was nun wirklich Theater ist.Wo beginnt der künstlerische Prozess im Setzten von Formen?Er beginnt schon in der Übersetzung: Ödipus entstand in altgriechischer Sprache, daher existiert schon von vornherein eine gewisse Übersetzungsproblematik. In der Reclam Übersetzung beispielsweise, wird die Eröffnungsszene (Herrscher vor dem Palast, bittendes, krankes Volk fleht ihm an) anders als in Hölderlins Übersetzung interpretiert: Hölderlin verwendet offene Vokale in einem offenen Rhythmus und in der Reclam Übersetzung herrscht ein getrennter Klang. Versmaß bedeutet: wie sind die Wörter rhythmisch positioniert?n. Müller mit „auf Knien“ übersetztim Reclam: mit „Sitzend bittend“ übersetztHölderlin: mit „zustürmend“ übersetztMan kann in einer Übersetzung alles übersetzten, nur Wörter stehen lassen oder frei übersetzten und so den Inhalt trotzdem überliefern. Aristoteles kritisiert Sophokles in einer Hinsicht, nämlich dass Ödipus anscheinend sich nicht an den vorherigen König erinnern kann. Die Trennlinien sind da, um Abschnitte deutlicher zu machen oder neue Texte mit reinzunehmen. Inszenierung kann ein Problem oder eine Kluft bilden, wenn man bedenkt, dass ein Dramentext als ein Speichermedium für Inszenierung eigentlich ist. Inszenierung könnte sich distanzieren von dem Geschriebenen und viel ist auch schon inhaltlich vorgegeben (Konflikte). Inszenierung ist ein Spannungsfeld, da ein Transformationsprozess vorliegt. Wie z.B. in Ödipus gibt es den Text, das Drama, was man szenisch herausholt, ist jedoch nicht festgelegt. Elemente der Inszenierungsfragen: Raum/ Kostüme - Masken/ Sprache/ Chor, ÖdipusÖdipus Filmausschnitt I: 1985 in Köln, Übersetzung geht auf Hölderlin zurück. Eröffnungsszene: 

Raum: Man sieht auf der ziemlich leeren Bühne ein kleines Zelt, das den Palast darstellt, in dem sich Ödipus bis zum Hals befindet. 

Kostüme: Er trägt eine Maske, was das heroische Element der Figur abschwächt, und einfache weiße Tücher um den Leib gebunden. 

Sprache: Die Sprache ist sehr deutlich und verständlich.  Chor: Am Boden sitzen alte Priester (sonst Kinder) und klagen Ödipus zwar an,

fächern dem König mit Palmen jedoch Luft zu und sitzen auf Stufen, befinden sich also in einer unterlegenen Position. Ödipus wirkt sehr starr und unbeweglich in seinem Zelt; es scheint nicht, dass er etwas gegen die schlechte Situation des Volks tun kann. 

 Ödipus Filmausschnitt II: Eröffnungsszene: 

Raum: Der Raum wirkt wie ein Palast, der eine weniger verfremdende Wirkung haben sollte. Man erkennt, dass alle Elemente sehr modisch gestaltet sind. 

Kostüm: Die Darsteller tragen eine Art von antikisierenden Kostümen und sind stark geschminkt. 

Sprache: Die Sprache ist eine Alltagssprache und es existiert eine frontale Sprachsituation. 

 Ödipus Filmausschnitt III: 1962,München. Eröffnungsszene: 

Raum: Der Raum ist sehr spärlich, fast höhlenartig. Man erkennt nicht sofort, dass es sich um einen Palast halten soll. An den Wänden befinden sich Bänke, an denen der Chor aufgereiht sitzt.

Kostüm: Es ist alles sehr karg und priesterhaft, die Frisuren „topfartig“ und konvex. Des Ödipus Darstellers kantiges Gesicht wird durch diese Aufmachung nur noch betont. 

Sprache: langsames und starkes Artikulieren ermöglichen, dass ein Denkprozess beim Publikum stattfinden kann

Ödipus Filmausschnitt IV: Musiktheater von Stanislawski und Jean Cocteau 1926/ 1927 Man versucht das Drama total zu verdrängen, indem man eine japanische Erzählerin einbaut, dadurch wird die Tragödie „kälter gemacht“, archaisiert (altertümlich gemacht). Der Chor beginnt das Stück und durch wiederholen mancher Sätze wird das Gesagte unterstrichen und verstärkt. Ödipus singt die Tenorstimme, die schnell in die Höhen getrieben wird. Die Protagonisten wirken in Not, haben eine starke Rückbezüglichkeit.Raum: fast dieselbe Lösung wie im Text, sehr weiter Raum mit verschiedenen EbenenKostüm: alle haben über sich noch Masken, zwei Gesichter, die eigenen werden jedoch nicht versteckt. Die Hände sind größer gemacht, was eine verstärkte Mimik hervorbringt (dazu gebauter Kunstkörper).  René Pollesch und DiedrichsenDas purpurne Muttermal 2007 im Burgtheater: die Vorderbühne ist inszeniert, an die gesellschaftlichen Forderungen von Theater (zumindest äußerlich) angepasst, die Hinterbühne ist jedoch eine Sicherheit für die Schauspieler, in der sie sie selbst sein können. Somit entsteht eine Doppelung der Schauspieler. Der Screen, der die Vorgänge auf der Hinterbühne dem Publikum zeigen, ist eine Art Setting, die schon auf den Film verweist. Der lose Text ist ziemlich unverständlich, er ist eigentlich nicht dazu gedacht, nur als Literatur zu dienen. Pollesch räumt niemanden das Recht ein, den Text einfach „nachzuspielen“. Er baut von alten Texten immer wieder Elemente ein.

Die Eröffnungsszene Polleschs Texten ist ein Auszug aus dem Film Herbstsonate, die Thematik ist eine Frau, die von ihrem Mann beschrieben wird (Verweis auf Donna Haraway: White Capitalistic Heterosexual Patriachat). Der Text ist somit identifizierbar. Der Raum ist ein privates Hinterzimmer, in dem die Frau einen Brief an ihre Mutter schreibt. Der Transformationsprozess (nicht nur zitiert, sondern auch inszeniert) von Herbstsonate ist ein wichtiger Prozess der Identifikation und Definition. Ein Mann kann seine Frau beschreiben, hat dabei eine gönnerhafte Attitude Inspiration für Pollesch (Macht und Definition). Die Schauspieler wechseln ziemlich oft die (sehr große) Rollen, Theater konstituiert sich anders. Sophie beispielsweise, weiß weder wo sie herkommt, noch wann sie dran ist, sie kennt somit die 5W Fragen, die jeder Schauspieler in der Schauspielschule lernt. Hier stellt sich dann die Frage der Authentizität, der die Schauspieler des Pollesch Theaters nicht entrinnen können (Diedrichsen - 1. Verlorene Rolle). DiedrichsenWir spielen nicht immer Theater, sonst könnten wir zwischen einer Rolle und uns selbst unterscheiden. Erving Goffman: Leute empfanden sich als naturgegebenes Selbst, das durch Arbeit, Ausbildung und Gesellschaft eingeschränkt wird (unser kleines Ich kann mit all dem umgehen). Das andere Ich wäre dann die Rolle (=Einschränkung auf Sektion auf vom Skript bestimmte Verhaltensweisen). Heute jedoch sind Arbeiter auch körperlich nicht mehr so ausgepowert und stecken deshalb unsere überschüssige Energie in vorführende, darstellende Künste. Darstellende Kunst zeigt nicht das, was wir sonst machen, sondern das, woran uns die gesellschaftlichen Verhältnisse hindern. Performance Art = Theater ohne Rolle, entstand durch Transformation unter gesellschaftlichen DruckDiedrichsen: Wir müssen keine Rolle mehr spielen, sondern können ganz wir selbst sein, das heißt wir produzieren eigentlich permanent Performance Art und können uns nicht mehr hinter einer Rolle verschanzen. Was soll Theater dann heute noch zeigen?3 Auffälligkeiten in Pollesch Theater:

1. Das Thema der verlorenen Rolle: Wir haben mit unseren erzwungenen Rollen also auch die Hinterbühne verloren, wo wir uns zurückziehen können. Das Küchen- und Hinterbühnenpersonal spielt eigentlich eine große Rolle, da es sich zurückziehen kann. Die Vorderbühne hat gegenüber der Hinterbühne den Nachteil, dass man auf der Vorderbühne nicht taktische Operationen planen kann und somit ist die Hinterbühne von jeder Emanzipation als ganze, souveräne Personen ausgeschlossen. 

Figuren von Pollesch beklagen ihre verlorene Maske, ihre erzwungene Authentizität Die Figuren in Pollesch Theater können der Authentizität nicht entrinnen (Hoffnung in Entfremdung?). Pollesch geht mit seinem Theater weg von dem klassischen Subjektpositionen, Geschlossenheit, Verantwortung und existentieller Dringlichkeit  Kapitalismus definiert die Gegenden der Welt als außerökonomisch um sie anschließend ökonomisieren zu können. Dasselbe gilt für Kunst und Kultur: immer

wieder fliehen Einzelne in extraökonomische Welten, die dies natürlich nicht überprüfbar sind, aber für die Subjektivität ihrer Bewohner schon. Alltag, Lebenswelt, kommerzialisierter Underground und verkaufte Freiheit, von dem der Konsument einfach genug hat deshalb markiertes Leben (Schwule, Lesben, Sexarbeiter), stand aus dem neuen und fremden Leben heraus 

1. Die Idee des dritten Textes (ganz künstlich) der sich zwischen alter erzwungener und neuer erzwungener Rolle/ Authentizität schiebt. Der theoretische Text

Es existiert eine ganz fremde und künstliche Sprache akademischer Texte (3. Sprache). Das Milieu, das diese Texte lesen kann ist avancierter (Schicht der kulturellen, Symbole verarbeitenden Mittelschicht im Westen und deren Randgebieten, Subkulturen und Nebenkulturen)„Glutkern“ – es wird Licht auf individuelle Nöte geworfen; es gibt jedoch keine Rückkehr zur wahren Identität – erzwungene und Nicht-Authentizität der EntfremdungSelbstverwertung, man wird verarscht, kennt jeder, Selbstverwirklichung jedoch niemandPollesch Kern der Dramatik ist die Anwendbarkeit theoretischer Modelle im Alltag 

1. Frage der Produktion: wer spricht was, welches Verhältnis besteht zwischen den auf eine Gruppe von Darstellern verteilte Subjektposition(en) und empiristischen zeitgenössischen Subjekten? 

Neues Genre: es gibt keine erdachten Figuren mehr, aber auch nicht im eigenen Namen (Performance) Sie verweisen auch nicht distanzierend oder ironisch auf eigene Arbeit (wie Popmusikperformer) – „Backing Band“ Ensemble = Verhältnis des perfekten Kollektivs zu einer gesellschaftlichen Gruppe; es ist eine Band, die von sich spricht und in Bezug auf ihr eigenes Leben und ihnren Beruf (Schauspieler) Fragen inszeniert, die die Produktion, Analyse und Konsumption von Stimulanz und von Symbolen betreffenViele- Sein/ Viele Stimmen Einzelner: Selbstmodelle brechen zusammenIm Theater wird der Satz, der alltäglich, unbekümmert und ideologisch ist, keinen Platz mehr finden4-5 Figuren bei Pollesch, es sind unstabile Figurenformationen, sind eigentlich Gruppierungen, die flexibel zusammen und auseinander gestellt werden können (ortsunabhängig), vergleichbar mit JazzcombosKomponist und Interpret sind nicht identischEs existiert ein Selbstbezug auf das eigene Lebe, ist nicht expressiv auf eine Person, sondern in der Zustimmung und Ablehnung von vorgefundenen Beschreibungen durch den AutorSchlagwörter für den Text: Entfremdung, Authentizität, Markierung und Nicht- Markierung 

  1. Vorlesung – Die Form sehen: Bild und Bewegung

1. Theoretische KonstellationDer Übergang vom Theater zum Film: Grundannahme zur Debatte: Zitat Hulfelds „Wirklichkeiten und Sinnkonstrukte werden durch spezifische Formen der Kommunikation und Interaktion generiert.“ sollte auf die Filmwissenschaft so transformiert werden: „Wirklichkeiten und Sinnkonstrukte werden durch spezifische Formen  medialer Verfahren und Formen der Wahrnehmung generiert.“ Sinn ist nichts gegebenes, es braucht Techniken und Verfahren. Natürlich verhaltet sich Theater anders als Film, da man es schon von Grund auf mit anderen Materialien zu tun hat. Im Theater hat man einen fixen Raum, Schauspieler, eine direkte Kommunikation zwischen den Akteuren und dem Publikum, es ist einmalig und hat eine physische Wirklichkeit, man ist körperlich ausgesetzt (kann mit einbezogen werden).Im Film hat man ein gewisses Filmmaterial, Kamera, Schnitt und es herrscht eine indirekte Kommunikation. Man hat Zugriff auf den Film, so oft man will, man stellt also eine optisch und arkustische Wirklichkeit her, technisch vermittelte und reproduzierbare Bilder sind notwendig. Ein neues Medium und sein Sinnesorgan: „Das Bild weist auf etwas Unbegrenztes hin, aber es ist zugleich auch sehr beschränkt. Bild und Ton, das ist nicht alles. Wenn unser Körper nur aus Augen und Ohren bestünde, das würde nicht reichen. Also es ist wirklich sehr beschränkt. Dabei gibt dieses „Beschränkte“ aber einen Eindruck von Unbeschränktheit. Es geht dauernd von null bis unendlich.“ – Jean Luc Godard. Er weist auch auf die Erfahrung hin, alles was wir je gesehen haben spielt dabei eine Rolle.  Die bewegten Bilder, die das Kino anbietet, verflüssigen die anschauende Betrachtung. Es ist zwar „nur“ eine rechteckige Leinwand, auf die wir schauen, ist aber dennoch viel mehr als nur das. Es herrscht ein Wechselspiel aus Sehen und Unbeschränktheit in den Köpfen, es gibt keine verlässliche Substanz. Bilder im Kino machen Räume auf und bringen buchstäblich weiteres in Bewegung: die Gefühle, die Gedanken, die Zuschauer/Innen. Sie sind ein Fenster in die Welt und ein Spiegel, der den Menschen ein Bild von sich zurückwirft. Sie wandern in der Geschichte, die Geschichte durchwandert aber auch sie (Fortschritt der Technik ist sichtbar).Sie lassen, wie Godard meint, eine Spanne zwischen null und unendlich zu. Kurzum: die Bilder des Kinos sprechen nicht von einer Substanz, sie sprechen von Verhältnissen. Körperlich sitzen wir zwar ruhig im Kino, geistig sind wir jedoch sehr beteiligt. „Man sieht nicht die Bilder einer Begebenheit, sondern die Begebenheit besteht darin, dass man Bilder sieht.“, Bela Balazs. Es geht nicht nur darum, was man sieht, sondern die Begebenheit besteht darin, dass man Bilder sieht, es geht also nicht so sehr um die Inhalte, als um die Art des Präsentierens; des Erkennens und Erfahrens. Effekte der Verschiebung: mit Film wird ein neues Verhältnis zur Kunst greifbar, eine neue Wahrnehmung entsteht. Er ist mehr als eine einfache 2D Fläche. 

Das Auge im Kino: Filmausschnitt UN CHIEN ANDALOU, Regie: Luis Bunuel, Salvador Dali, F 1929„Nr. 123 Rückenaufnahme, Anschluss. Er beendet das Schärfen. Er lässt das Rasierleder los, geht mit dem Rasiermesser in der Hand zum Balkon und öffnet das Fenster.Nr. 124 Anschluss-Aufnahme, amerikanisch, frontal, des Mannes, der auf den Balkon tritt und sich auf die Brüstung stützt. Er atmet mit Genuss und richtet seinen Blick zum Himmel. Auf seinem Gesicht ein ganz leises Lächeln. Er schaut nach rechts. Dann wieder zum Himmel, als stelle er eine Verbindung her zwischen dem, was er oben, und dem, was er rechts sieht. Mit der Geste eines Malers streckt er den Arm nach rechts aus, bewaffnet mit dem Rasiermesser, das außerhalb des Bildes bleibt. Er schaut wieder auf zum Himmel, als fände er dort sein Modell, und versetzt seinen Arm in Schwung.Nr. 125 Der Mond in einem wenig besternten Himmel. Einige kleine, sehr leichte langgezogene Wolken nähern sich ziemlich schnell dem Mond. Eine davon zieht vor der Mitte des Mondes vorbei. (Diese und die vorige Nummer paarweise unterschneiden.) Nr. 126  Großaufnahme eines Auges.”  Dieser Film wurde nach dem Prinzip der Traumarbeit gedreht, er hat unbewusste Sprünge wie im Traum und ist bildstürmerisch. Er endet mit einem Schock, der uns psychisch mitnimmt. Dies ist ein Beispiel von avantgardistischem Gegenprogramm und Provokation aufs Sehen. Bildungsbürgerlichen Filme werden bei Seite geschoben und so wird das Publikum auf Probe gestellt. Inszenierungsformen:

1. Inszenierungsformen sind kulturell geprägt und variabel. - Das Auge kann unseres sein, da wir den Hang in uns tragen, das Private nach außen zu tragen.

2. Inszenierungsformen sind historisch abgeleitet und zeigen Prozesse an. – Sehen galt als Schwester der Macht und herrschaftsverbunden. Das Auge kann das Auge der Vernunft sein, kann ich das verstehen/ kontrollieren/ ordnen, wird in Frage gestellt, nichts ist mehr logisch.

3. Inszenierungsformen sind nicht genderneutral. - Geschlechtliche Interpretation: Frauenauge wird von einem Mann geschnitten. 

Das Auge ist also ein

Fenster in die Welt, man schaut hinaus Fenster in die Seele: man schaut hinein

Durch das Zusammenspiel von innen und außen ist das Fenster so wichtig geworden, da es ineinander übergeht und keine Grenzen gibt. Es sind viele Ebenen im Kino möglich, die Grenzen sind flüssig und die Räume ebenfalls. Das Kino tut etwas, es ruft Erinnerungen, Emotionen, geschichtliche Hintergründe usw. hervor.  

 

1. Begriffliches Handwerkszeug

Rahmen, Format und Fenster: Rahmen: Der Rahmen hebt das Abgebildete von den visuellen Erscheinungen der Wirklichkeit ab, isoliert es, löst es aus den Konstellationen heraus, die wir im Alltag als Fülle wechselnder Erscheinungen erleben. Der Rahmen betont das in ihm Gezeigte als etwas Zusammengehörendes. Er unterstreicht das kompositorische Element der Bilder. Was in der Realität als zufällig und ungeordnet erscheint, erhält durch den Rahmen eine innere Ordnung. Alle Elemente im Bild erhalten ihren Stellenwert aus der Bildgrenze, aus ihrem Verhältnis zu ihr. Bild wird durch den Rahmen bestimmt, er hebt es von der Wirklichkeit ab. Bildhaftigkeit ist durch eine Bildgrenze und –fläche bestimmt, hat ein Auge auf dich zeihende Wirkung. Das Gezeigte wird zu einer eigenen Welt. Der Innere Rahmen wird durch Türen, Fenster und Spiegel erzeigt, er schafft Atmosphäre der Beengtheit bzw. der Geborgenheit. Format: kommt aus der Malerei, kennt keine wirklichen Grenzen; in der Fotografie sind jedoch schon Grenzen festgelegt (durch Kamera), die aber durch Negativ – Positiv Verfahren noch durch Vergrößerung, Verkleinerung und eine zusätzliche Ausschnittwahl verändert werden.Kino: ist durch Projektionen und Kamera eingeschränkt Da die Apparatur genormt ist, reduziert sich das Filmformat in der Kinogeschichte auf wenige Größen. Als Normalformat etablierte sich in den zwanziger Jahren ein Bildformat mit einem Seitenverhältnis von 3:4, also 1:1,37. Dieses Verhältnis wurde durch die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zum Standard erklärt. Die Bilder werden zuerst komprimiert und dann wieder vierzerrt. Es war jedoch nie das einzige gebrauchte Format. Schon die Einführung des Tonfilms, der auf dem Filmstreifen Platz für die Tonspur brauchte, reduzierte das Bildformat auf eine fast quadratische Abmessung, die dann Anfang der 30er Jahre wieder auf das Verhältnis von 1:1,37 gebracht wurde. Ab den 50ern kamen Breitwandfilme hinzu, die eine ganz andere Ordnung haben. Sie wurden hauptsächlich durch Kaschieren eines Teils der Bildfläche erzeugt. Ein Teil des Filmmaterials blieb also unbelichtet. Dehnung des Formats bedeutet, dass sich die Person verlieren, man hat das Geschehen nicht voll im Blick. Cinemascope und Panavision= anamorphotische Verfahren (=Begriff nach der Renaissance entstanden, bei der starke Verzerrungen in der Zeichnung so angelegt waren, dass sie von einem bestimmten Standpunkt aus normal und entzerrt wirkten oder dass sie sich in einem gewölbten Spiegel als Normalbild spiegelten), das Bildformat wurde weitgehend ausgenutzt und das Geschehen durch besondere Objektive aufgenommen, die das in seiner Breite aufgenommene Geschehen komprimieren. Durch Objektiv im Projektor wird das Bild wieder entzerrt und so ein sehr breites Bild mit dem Seitenverhältnis 1:2,35 erzeugt. Unterschiedliche Formate erzeugen unterschiedliche Wirkungen, Anordnungen verändern sich. Dehnung des Formats Betonung von Panoramablicken und tendenzielle Monumentalisierung der Umräume. Figuren sind nur in Ausschnitten, Groß- und Nahaufnahme zu sehen, der Zuschauer hat das Geschehen nicht mehr

vollständig im Blick, sondern muss dem Bild der Leinwand folgen. Dies führt zu dem Eindruck größerer Nähe und stärkerer Miteinbeziehung des Zuschauers. In vielen Filmen werden Formate auch durch Kaschierung und Masken verändert. Am bekanntesten ist die kreisförmige Maske des expressionistischen Stummfilms, die den Eindruck einer Großaufnahme suggeriert und den Blick des Zuschauers auf ein Gesicht oder Detail lenkt. Bei Kaschierungen gilt, dass sie nur punktuell das Bildfeld verändern, für den Zuschauer bleibt das vorhandene Format weiterhin für seine Wahrnehmung bestimmend. Fenster: Zuschauerposition im Kino/ Grundsituation von „Rear Window“ – Hitchcock, durch Fenster nach außen verifiziert, man kann jedoch alles auch sehen, was innen passiert. Die visuelle Wahrnehmung wechselt zwischen einem weiten, panoramaartigem Überblick und einer Detailansicht. Durch das Fenster hat man als Zuschauer eine erhöhte und privilegierte Position ein, mit Distanz zum Geschehen. Geschehnisse ereignen sich unabhängig von der Beobachtung des Journalisten in Rear Window, jedoch bekommt man nie das frustrierende Gefühl von Ausgeschlossenheit. Die einzige Gefahr stellt das Durchschreiten von der äußeren Welt zur inneren Welt. Gemeinsamkeiten von Fenster und Rahmen: beide setzten das Bild als gegeben voraus und konzentrieren den Betrachter auf das Werk und seine Strukturen mit Ganzheit und Kohärenz betrachtet 

Kino bietet auf Auge bestimmten Zugang zu einem fiktionalen Geschehen an, Rechteckiger Durchblick, der der visuellen Neugierde des Zuschauers entgegen kommt

Reale 2D Bildfläche verwandelt sich im Akt des Betrachtens in einen imaginären 3D Raum als Bildausschnitt, der sich jenseits der Leinwand als Bildausschnitt eröffnet

Distanz (Entferntheit von den Vorgängen im Film) gestattet dem Zuseher ein sicheres Betrachten, durch die Dunkelheit im Kinosaal verstärkt Zuschauer wird nicht mit einbezogen, so wie z.B. im modernen Theater 

In der Konzeption von Kino als Fenster/ Rahmen ist das Kino okularspektakulär (=durch optischen Zugang bestimmt), transitiv (=etwas wird betrachtet) und entkörperlicht (=Distanz, der Zuschauer kommt nicht mit dem Geschehen in Berührung, nur der Augensinn ist körperlich beteiligt).

Thomas Elsaesser/Malte Hagener, Filmtheorie zur Einführung, Hamburg 2007, S. 24.

Unterschiede von Fenster und Rahmen: 

Liegt schon in der Sprache: man schaut durchs Fenster, aber auf einen Rahmen Das Fenster „vergisst“ man, es hat eine Transparenz und weist eher auf die offene

Filmform hin, räumlich und zeitlich unbegrenzt. Es weist eher auf das dahinterliegende hin, auf das außerhalbliegende. Fensterbilder sind eher langsamer gestaltet. Der Zuschauer ist ein Gast, man wird nicht gelenkt. Vertreter = Stoheim

Der Rahmen bleibt immer in Erinnerung, er ist extra für den jeweiligen Betreff angefertigt und eher für die geschlossene Filmform gemacht (es hat alles seinen

festen Platz) und ist zentripetal (weist auf die Mitte hin). Er existiert nur für den Zuschauer und endet mit der Filmszene – Rear Window: obwohl ein Fenster so wichtig für den Film ist, ist dies trotzdem ein Rahmen. Der Rahmen verweist also auf den Inhalt und auf sich selbst (Begriff der Komposition – Aufbau). Klassische Rahmen sind prunkvoll gestaltet und auffällig, haben somit auch einen ostentativen Zeigestatus. Sie werden vor allem im klassischen Kino verwendet und er löst das Abgebildete aus dem Zusammenhang heraus und isoliert es, er behauptet, es sei ein Bild. Die Zuschauer sind auf diesen Rahmen angewiesen, er führt uns an der Hand und wir sind immobil, können nicht darüber hinaus. Der Zuschauer ist also ein Opfer. Rahmenbilder sind eher schnell und hastig.

Historische Situierung der Begriffe: 

Rahmen: konstruktivistische Theorien: 1. Gruppe: Konstruktion einer eigenen Filmwelt durch Abweichung von und Veränderungen der realen Welt in den Mittelpunkt (durch Montage und Bildgestaltung oder durch Fehlen von Sprache und Farbe – Stummfilm). Vertreter: Béla Balázs, Arnheim

Fenster: realistische Theorien: 2. Gruppe: Möglichkeit zur Aufzeichnung und Wiedergabe der Realität und fürs bloße Auge nicht wahrnehmbare Phänomene und Momente. Vertreter: Bazin, Kracauer

Gemeinsames Ziel von 1. und 2. Gruppe: den Film kulturell aufzuwerten und ihn in die Etablierten Künste einzuführen. Beide sind stark auf das Sehen ausgerichtet und die Prozesse sind streng logisch. Die rationale Verarbeitung von Information ist das Ziel.

Es können in einem Film auch Rahmen und Fenster auftreten („Corner in Wheat“: am Feld = Fenster, in Börse = Rahmen) 

85 % der heutigen Filme sind Rahmenfilme

 

„Das Fenster steht im Zeichen der Transparenz, während man für den Rahmen den Begriff der Komposition stark machen könnte.“ Thomas Elsaesser/Malte Hagener, Filmtheorie zur Einführung, Hamburg 2007, S. 25.

Die Einstellung als Wahrnehmungseinheit: Die Einstellung organisiert unsere Wahrnehmung als Modell. EinstellungsmodelleDie Totale/ Plan d’ensemble/ Longshot: im Western oft verwendet, breite Übersicht bis zum Horizont und beginnt zu laufen, es wird etwas vorgestellt, was die Atmosphäre auf den Punkt bringtHalbtotale/ demi-en-semble/ Semi Long Shot/ Medium Long Shot: Menschentruppen oder körperbetonte Infos, näherer EinblickHalbnah/ plan moyen/ Mid Shot: gibt näheren Einblick in die Situation und genaueren Fokus auf die FigurTwo/ Three Shot oder Singular/ Pluralshot: mehrere oder einzelne Personenaufnahme 

American/ Medium Close Shot/ plan américain: Kopf bis Hüfte oder Knie (aus Western, damit die Pistole sichtbar ist), sehr beliebt im Hollywoodkino Aktionen sind sehr deutlichNaheinstellung/ premier plan/ Close Shot: Kopf und Oberkörper sichtbar, Gesten werden gut wahrgenommenGroßeinstellung/ Close up/ Big Shot: Großaufnahme, Kunst der Betonung – Publikum wird gesteuert (Essenz und Vorbehalt des Kinos), meistens Großaufnahme von Schlafenden. In dieser Einstellung ist viel vom Charakter und vom Gefühl erkennbar.Detailaufnahme: Spannungsfeld wird hergestellt z.B. Uhr Zeit, damit organisiert man das Verhältnis und schafft Nähe oder Distanz (Zusammenspiel von künstlichen Raum) 

1. Case Study/Fallstudie: A CORNER IN WHEAT von D. W. Griffith, USA 1909

   Das Konkrete des bewegten Bildes 

  Die Bildform

  Komposites Erzählen

Vorlesungsbegleitkurs:Kadrierung= Fachbegriff des Films, es heißt sich für ein Bild im Kino zu entscheiden oder sich auf bestimmte Szenen einzulassen. Das Bildfeld, das vom Bildformat eingeschlossen ist, heißt Kader, der Rahmen des Bildausschnitts Kadrierung. 24 Kader pro Sekunde bilden eine fließende Bewegung.Text der Filmtheorie: Film ist seit jeher verknüpft mit den Bewerben und Verkaufen von Waren (Werbung, Starsystem, Berührungspunkte mit anderen Unterhaltungsbranchen) und lässt sich als Schaufenster zur konsumistischen Warenwelt konzeptualisieren. Multiplexe: konsumorientierte Filme mit Einkaufszentrum, Fenster wird durch Computer und Displays zu einer kulturellen Leitmetapher. Geschlossene Filmform:

Keine anderen Elemente, als die, die absolut notwendig sind (Méliès, Hitchcock, Lang)

Alles hat einen unsichtbaren, ausgeklügelten Plan und seinen festen Platz Angewendet in Hollywoodproduktionen, Kino des Nationalsozialismus, des

sozialistischen Realismus, des italienischen Neorealismus und zeitgenössische TV-Movies

Zuschauer = unsichtbare Zeuge einer Geschichte (erkennt seine Präsenz nicht an)  Zuschauer besitzt als einziger den Überblick Zuschauer kann zwar nicht eingreifen, will sich aber auch nicht ausgeschlossen

fühlen und seine Wünsche und Handlungen ausagiert sehen in der erzählten/ diegetischen Welt durch einen Protagonisten/ Held

Rudolf Arnheim ( † 2007 mit 102 J.:) Formalist, Organ der undogmatischen überparteilichen Linken in der Weimarer Republik „Die Weltbühne“ – Magazin

Er erarbeitete die Differenzen, die zwischen Filmbild und Weltbild entstehen, also zwischen alltäglicher Wahrnehmung und der Art, wie der Film dem Zuschauer was darbietet. Der Film bietet partielle Illusion und es entsteht der Eindruck wirklichen Lebens, ist sehr bildmäßig (kann Theater nicht sein). Durch den Wegfall bunter Farben und des Raumeindrucks (durch Bühnenrahmen) ist Film natürlich. Die Voraussetzung dafür ist, Muster und Formen zu vervollständigen und aus äußeren Sinneswahrnehmungen eine innere Organisation im Sinne der Gestalttheorie zu schaffen. Arnheim gehört dem Mainstream der 20er und 30er an, er sieht den Film nicht als Möglichkeit der Wirklichkeitsbildung, sondern als Distanz zwischen realer Welt- und Filmabbildung. Die Kunstfähigkeit liegt darin, wo der Künstler kreativ eingreift und nicht im mechanischen Reproduktionsvermögen. Arnheim ist gegen den aufkommenden Tonfilm und äußerte sich ab den 30ern nur noch vage zum Fortschritt der Technik, gegen die er einen Abwehrkampf geführt hat. Sergej Eisenstein (1898 – 1948): KonstruktivistEr trennt nicht Theorie und Praxis, er ist der Meinung, dass sie einander bedingen. Man braucht kein klassisches Theoriegebäude, sondern ein vieldimensionales Denken, labyrinthartig aufgebaut. Rahmen ist die Begrenzung eines Bildes und der dargestellte Gegenstand ist eine produktive Spannung. Inspiriert von der Bildsprache und den Repräsentationsformen  japanischer Kunst (aus dem Ganzen wird ein Ausschnitt gewählt, Kamera erobert die ganze Welt, Wirklichkeitsausschnitt wird heraus gemeißelt). Die westliche Methode jedoch (Handlung für die Kamera, dessen Rahmen gegeben ist, gemacht) lehnt er ab. Der Begriff der Montage ist sehr verknüpft und oft widersprüchlich. Montage ist die Auswahl und Anordnung der Einstellungen (=ein abgeschlossener Teil, der im Ganzen eine spezielle Funktion erfüllt, eine Einstellung ist die Zelle, kein Element der Montage). Ihr Kennzeichen ist der Zusammenprall. Den Konflikt zweier verbundener Abschnitte „Montage der Attraktionen“, ist in kurze Fragmente geteilt, die auf die Zuschauer wirken sollen. Bestimmte Reize lösen bestimmte Reaktionen aus, die exakt erforschbar und wieder ident reproduzierbar sind (- nach Pawlow). So kann man den Zuschauer bearbeiten und in eine bestimmte Richtung lenken. Film ist nie nur eine Demonstration von Ereignissen, sondern eine tendenziöse Auswahl und Zusammenstellung von Ereignissen, die das Publikum adäquat bearbeiten.Es gibt 5 Montagetypen: (1-4 = Montage der Attraktionen)

1. Metrische Montage: rein temporales Maß, basiert auf den absoluten Längen der Montagestücken

2. Rhythmische Montage: setzt die abstrakt messbare zeitliche Länge einzelner Einstellungen ins Verhältnis zum Inhalt (Potemkin)

3. und 4. Tonale und Obertonmontage; bildet sich aus Bewegungen, Formen und Intensitäten. 

Schwankungen: Bildkomposition, Hellig- und Farbigkeit des Bildes, Kombination von Formen und emotionaler Gehalt einer Einstellung

1. Tonale Montage: bezieht sich auf die dominanten Qualitäten der Schwankungen

2. Obertonmontage: marginale oder mitschwingende Eigenschaften der Einstellung (sekundäre Tendenzen und Intensitäten). Die visuelle Obertonmontage sind Lichtreflexe usw. 

Eine Montagestruktur entsteht erst dann, wenn sie untereinander in Konfliktbezüge treten, wenn sie also nicht harmonisch zusammengefügt werden. 

1. Intellektuelle Montage: komplexe und abstrakte Strukturen, die mit Sprache erzeugt sind. Sie setzt auf gedankliche Leistung des Zuschauers. 

 André Bazin (1918 – 1958): Realist und vielmals Antipode Eisensteins ( Artikel Montage Interdit), war humanistischer Katholik Er erkennt, dass Kino als Massenmedium und Mobilisierungsmittel im nationalsozialistischen Deutschland, faschistischem Italien und in der stalinistischen Sowjetunion eine zentrale Rolle spielt. Bazin ist Anhänger des italienischen Neorealismus (= eine globale Beschreibung der Wirklichkeit mit einem globalen Bewusstsein) und will wieder Vertrauen in die realitätsabbildende und wirklichkeitsschaffende Kraft des Kinos schaffen („Schuldloses Kino“). Er will ein Kino, dass die Wirklichkeit abbildet, Trick und Schnitt sind zu  schuldbeladen. Film ist strukturell mit unserer Wahrnehmung verwandt und ideal, um alltägliche Erfahrungen auszudrücken. Die Themenwahl ist nicht so wichtig wie die geistige Haltung, Realität ist ein unteilbarer Block und Technik hat sich dem unterzuordnen (Eisenstein: nicht mehr Einstellung auf Realität).Die Bedeutung des Films entsteht einerseits aus der realitätsbezogenen Logik der Dinge und andererseits aus der Haltung des Regisseurs gegenüber dem Film. Der konventionelle, nichtneorealistische Film erschafft Dinge und Tatsachen, während der neorealistische Film sich diesen unterordnet. Im Idealfall bietet er ein Fenster auf die vorgefundene Realität, auf ein bestimmtes Milieu oder auf eine spezifisch historische Situation. Ein Film ist dann ein „Rahmenfilm“, wenn er die präexistente Wirklichkeit manipuliert. Durch die Verwendung des neorealistischen Films verschwindet die Künstlichkeit des Kinos (z.B. durch Echtzeitaufnahmen). Diese Gattung findet immer wieder Verwendung, z.B. in Spanien oder Brasilien. David Bordwell (1947 geb.): „Staging in Depth“ – in vielen Filmen erkennbar

Bildrahmen als Fenster hat keine ideologische Funktion, sondern soll Geschichte für Zuschauer erfahrbar machen

Raumtiefe und Tiefenschärfe erlauben, dass verschiedene Bildebenen gemeinsam oder gegeneinander wirken

Es gibt praktisch keine Alternative zur klassischen Darstellungsform, die den Bilderrahmen zentripetal (=was geschieht innerhalb des Rahmens) einsetzt

„Off-Screen Space“ – Raum jenseits des Bildfensters der Einstellung  Hatte kein Interesse an Avantgarde

    Zur Analyse des VisuellenDas audiovisuelle Bild ist

Materiell / immateriell Flüchtig (Fernsehbild) und fixiert (Magnetband, Computerspeicher) 2D, jedoch wenn fotografisch abgebildet von vorfilmischer Realität – 3D Traditionelles Bild: ortsgebundene Organisation der Dinge, ohne eine durch das

Material vorgegebene Zeitstruktur Bilder durch Erzählen und Erzählen durch Bilder verändert (Erzählen = Geschehen in

der Zeit)

 

1. Das Bild 

Ursprünglich stellte man das dar, was nicht da war – das Abwesende wird im Bild anwesend gemacht. Dies ist Beweis, der Existenz des Ungeschehenes: religiöse Bilder zum Beispiel werden durch die Darstellung glaubhaft gemacht. Das Abbild wird häufig als das Abgebildete selbst verstanden (wahr und lebendig). Die magische Wirkung des Bildes führt zur Annahme, es vertrete und beherrsche das Reale – Steigerung der Illusion durch Kunst. Illusionismus: es geht auch ums Verhältnis zwischen Abbildung und Abgebildeten (Bild und Realität). Das fotografische BildEs ist der unmittelbare Vorläufer des Films und Teil der Kinematographie und des Fernsehens. Es liefert vorgefundene bzw. arrangierte Realitätsausschnitte. Die Subjektivität des Künstlers wird eliminiert, obwohl sie Darstellungsweisen aus dem 19. Jahrhunderts und der Eindruck der Bewegung entsteht. Das fotografische Bild ruft unerwartete Emotionen hervor und beeindruckt. Das Festhalten des Bildes zeigt auch den Wunsch nach Entkommen des zeitlichen Vergehens, jedoch wird das Gegenteil erreicht, indem die zeitliche Differenz zwischen Aufnahme und Betrachtung wächst. Die unverstellte Darstellung der Realität erfolgt so durch die Technik – im 19. Jahrhundert bis heute existiert dieser Glaube.Das kinematografische Bild Durch das Streben nach Erzeugung bewegter Bilder entsteht der Film. Der Film ist bewegte Fotografie, es wird alles fotografiert, was sich bewegt hat bzw. bewegt ist. Nach Kracauer: kein Bild hat realistische Tendenz. Es hat jedoch das Registrierende (zeigen schon bekannter Sachverhalte) und Enthüllende (zeigen das, was man sonst nicht wahrnehmen kann). 4 Affinitäten, die das filmische Bild mit dem fotografischen Bild gemeinsam haben:

1. Zur ungestellten Realität: zum Nichtinszenieren der Wirklichkeit2. Zum zufälligen, zum Flüchtigen, z.B. auf den Großstadtstraßen

3. Zur Endlosigkeit, die sich gerade in der Unabgeschlossenheit wirklichen Geschehens äußert

4. Zum Unbestimmbaren, das sich nicht zuletzt in der Mehrdeutigkeit von Geschehen äußert

Nicht gemeinsam ist die Affinität des Films zum Kontinuum (zusammenhängendes Ganzes) des Lebens, der identisch mit dem abschlusslosen Leben ist.RahmenDas Bild wird bestimmt durch seinen Rahmen. Er hebt das Abgebildete von den visuellen Erscheinungen der Wirklichkeit ab, isoliert es, löst es aus den optischen Konstellationen heraus, die wir im Alltag als Fülle wechselnder Erscheinungen erleben. Der Rahmen isoliert das Abgebildete von der Realität. Die Bildhaftigkeit ist durch die Bildgrenze und die Bildfläche bestimmt. Die Bildgrenze hat eine „konzentrierende, das Auge auf das Bild lenkende und heftende Wirkung“. Der Rahmen erklärt das in ihm Gezeigte als etwas Zusammengehörendes. Die Funktion des Rahmens wird im Film häufig noch dadurch betont, dass in speziellen Situationen, in denen innerhalb des Filmgeschehens ein besonderer Teilbereich isoliert werden soll, ein innerer Rahmen (Fenster, Spiegel, Türen) geschaffen wird, der das Gezeigte je nach Kontext in eine Atmosphäre der Beengtheit, der Geborgenheit versetzt.FormatAls Normalformat etablierte sich in den zwanziger Jahren ein Bildformat mit einemSeitenverhältnis von 3:4, also 1,37, es war aber nie das einzig gebrauchte Format. Schon die Einführung des Tonfilms, der auf den Filmstreifen Platz für die Tonspur brauchte, reduzierte das Bildformat auf eine fast quadratische Abmessung, die dann Anfang der dreißiger Jahre auf das Verhältnis von 1: 1,37 wurde.Anfang der fünfziger Jahre kamen die verschiedenen Breitwandformate hinzu, die hauptsächlich durch Kaschieren eines Teils der Bildfläche erzeugt wurden.Cinematoskope und Panavision anamorphotische Verfahren entwickelt (=starke Verzerrung, die unter einem bestimmten Winkel „normal“ zu sehen ist)Anordnungen verändern sich: Die Dehnung des Formats führt zur Betonung von Panoramablicken und zu einer tendenziellen Monumentalisierung der Umräume. Die handelnden Figuren sind häufiger nur in Anschnitten, Groß- und Nahaufnahmen zu sehen, der Zuschauer hat, das Geschehen nicht mehr vollständig im Blick, sondern muss mit seinem Blick auf der Leinwand hin und her wandern (- Der letzte Kaiser).Zusätzlich können auch Bildformate durch Kaschierungen und Masken verändert werden, z.B. kreisförmige Maske des Stummfilms (Griffith, Godard usw.) – Blick wird deutlich wohin gelenkt.Das Normalformat wurde auch bestimmend für die Proportionen des Fernsehformates, die in anderer Weise noch fester vorgegeben sind als die Filmformate, nach Braunschen Röhre.Zukunft bringt einen Wechsel des Bildformates: HDTV, die Kinoproportion wird hier übernommen. Voraussetzend ist jedoch ein Tausch der Empfangsapparatur.     

Teil und Ganzes innerhalb des BildformatsIm Bildformat eingeschlossenes Bildfeld = Kader bezeichnetdie Kadrierung = die Begrenzung eines abgebildeten Geschehens durch den AusschnittZum einen ist das, was im Bild gezeigt; wird, eine in sich abgeschlossene Welt, die durch die Bildgrenzen ihr Ende findet, durch sie definiert wird, in der sich alles aufeinander bezieht. Zum anderen ist das Filmbild wie ein Fenster, durch das hindurch wir auf eine andere Welt sehen, die vor allem dann, wenn wir uns mit der Kamera zu bewegen beginnen, ein umfassenderes Ensemble sichtbar macht. Das Ausgegrenzte ist daher immer potentieller Teil des im Filmbild Gezeigten. Die Geometrie wird aufgehoben.KompositionDie Begrenzung des Bildfeldes strukturiert das Bildfeld selbst, setzt alle Teile zueinander in Beziehung. Das Bild hat eine Bildmitte, die nicht die grafische Bildmitte, sondern die optische Bildmitte ist, also der Punkt, auf den wir automatisch sehen, leicht über der wirklichen Bildmitte.Das Bild als strukturierte Fläche wird – unabhängig von allen räumlichen Vorstellungen, die es auslässt – durch Gliederungen charakterisiert. Die Gliederung erfolgt, auch im Filmbild nach den Regeln der Komposition, wie sie in statischen Bildern Anwendung finden. Kompositionselemente sind Linien, Formen, Flächen, Bewegungen.Formen sind sehr wichtig, vor allem die Formen der Zwischenräume. Zur Komposition gehört auch das Verhältnis von dunklen und hellen Flächen, die Verteilung der Farben im Bild. In Verbindung mit den Formen können solche Kompositionen Stabilität oder Instabilität suggerieren.Für die Komposition bedeutsam ist auch das Erzeugen von indirekten Kraftfeldern und -linien, die Beziehungen zwischen Menschen und Dingen im Bild herstellen.Die Komposition der Formen dient vor allem der Blicklenkung, der Hinführung des Zuschauerblickes. Durch sie werden Atmosphären mitbestimmt, durch ihren Wechsel werden Rhythmen geschaffen.Die Ordnung der Dinge im Bild und ihre BewegungDie Beziehungen und das Verhältnis zwischen den Abgebildeten zeigen sich oft in dargestellten Räumen. Wenn die gezeigte Person auf eigentümliche Weise mit den Formen der Umgebung verschmilzt wird dadurch eine intensive visuelle Wirkung erzeugt. Aber auch die Nähe und die Entfernung zwischen den abgebildeten Elementen sagt etwas aus.Es werden also soziale Verhältnisse sichtbar gemacht, die sich durch die Darstellung formulieren. Nicht erst die Bewegung macht die sozialen Beziehungen deutlich, sondern bereits das Gefüge der Figuren und Gegenstände zueinander. Das Präsentieren setzt bereits voraus, dass wir die Bedeutung des Präsentierten auch erkennen werden. Hierarchien zwischen den Figuren und ihre im Blick geübte Überwindung, soziale Distanz und Nähe, Konfliktkonstellationen, aber auch soziale Einordnung und historische Zuordnung durch Kleidung, Dekor, durch Physiognomie, Haltung des Körpers und Gestus.Vom Bild zur BilderfolgeDie Sukzession (=Nachfolge) der Bilder führt von der Darstellung von bewegten Dingen und Abläufen zum Erzählen als einer organisierten Abfolge von Handlungen.

Also vom Zeigen zum Erzählen. Die Lumière Brüder entdeckten diese Möglichkeiten um 1900 langsam. Indem aus einer Handlung eine andere erfolgt, sie also kausal verknüpft werden, die eine die andere bedingt, entsteht eine Geschichte. Das Kino diente nicht nur zur männlichen Selbstdarstellung, sondern auch zur weiblichen Grenzüberschreitung.

1. Kategorien zur Beschreibung des filmischen Bildes

Film, Fernsehen, Video stellen sich dem Betrachter als eine Abfolge von Bildern dar. Wir erwarten Einstellungswechsel, wenn man den weglässt, wird der Film als strapaziös empfunden. Der Zuschauer sieht, so legt es die Anordnungsstruktur der audiovisuellen Medien nahe, was die Kamera sieht, und was die Kamera zeigt, erscheint nur als Produkt des Zuschauerblicks.Der Kamerablick organisiert das Bild, er setzt den Rahmen, wählt den Ausschnitt, der von der Welt gezeigt wird, er bestimmt, was zu sehen ist.„Es sind also die Einstellung und der Blickwinkel, die den Dingen ihre Form geben, und zwar in so hohem Maße, dass zwei unter verschiedenen Blickwinkeln gezeichnete Bilder ein und desselben Gegenstandes einander oft gar nicht ähnlich sind. Das ist das charakteristischste Merkmal des Films. Er reproduziert seine Bilder nicht, er produziert sie. Es ist die „Art zu sehen“, des Operateurs, seine künstlerische Schöpfung, der Ausdruck seiner Persönlichkeit, etwas, das nur auf der Leinwand sichtbar wird.“Standpunkt, Bildrahmen und Objekt der Abbildung werden also zueinander in ein Verhältnis gesetzt, das Filmbild formuliert damit umgekehrt eine innere Haltung zum Abgebildeten, „jedes Bild“, so schreibt Belä Baläsz, zeigt „nicht nur ein Stück Wirklichkeit, sondern auch einen Standpunkt“.Größe der Einstellung als Nähe-Distanz-RelationUnterschieden werden acht Kategorien in der Größe der Einstellung

WEIT (W), Extreme Long Shot: Landschaft wird so weiträumig gezeigt, dass der Mensch darin verschwindend klein ist. Sie wird eingesetzt, um weite Wüsten, Berge, große Ebenen auszunehmen, oft von einen erhöhten Standpunkt aus, um den Zuschauer einen Überblick zu verschaffen.

TOTALE (T), Long Shot: Hier wird ein Handlungsraum bestimmt, in der der Mensch untergeordnet ist. Er sollte alle Elemente der Szene zeigen, die wir als Zuschauer kennen und lokalisieren müssen, um der folgenden Aktion folgen zu können.

HALBTOTALE (HT), Long Shots: Hier ist die menschliche Figur von Kopf bis Fuß zu sehen. Dies eignet sich für die Darstellung von Menschengruppen und körperbetonte Aktionen.

AMERIKANISCH (A): Benützt bei Western, um nicht nur das angespannte Gesicht zu zeigen, sondern auch wie die Hand zum Revolver greift. Wird nicht immer Verwendet.

HALBNAH (HN), Medium Shot: Als Halbnah bezeichnen wir eine Einstellung die den Menschen von der Hüfte an aufwärts zeigt. Sie ermöglicht noch eine Aussage über die unmittelbare Umgebung, stellt das Situative in den Vordergrund, zeigt vom Menschen zumeist den auf den Oberkörper und das Gesicht bezogenen Handlungsraum. 

Two Shot: zwei Personen im Dialog miteinander, oft Auge in Auge, während die Kamera sie im Profil zeigtThree Shot, Single Shot, Group Shot 

NAH (N), Medium Close up oder Close up: Der Mensch wird vom Kopf bis zur Mitte des Oberkörpers gezeigt. Mimische und gestische Elemente stehen im Vordergrund, Diskussionen und Gespräche sind gut zu erkennen.

GROSS (G), Close up oder Head and Shoulder Close Up: konzentriert den Blick des Zuschauers ganz auf den Kopf des Abgebildeten. Hier wird der mimische Ausdruck hervorgehoben, damit werden auch intime Regungen der Figur gezeigt, um auch die Identifikation des Zuschauers mit der Figur in den Vordergrund zu stellen.

GANZ GROSS oder DETAIL (D), Choker Close up: Vom Gesicht ist nur noch ein Ausschnitt zu sehen. Alles konzentriert sich auf den Mund, die Augen, aber auch Gegenstände können auf diese Weise dem Betrachter nahe gebracht werden. Nähe bedeutet Verkleinerung des Ausschnittes und Vergrößerung des Gezeigten. Der Wechsel zwischen Nähe erzeugenden und Distanzhaltenden Aufnahmen prägt deshalb den Film.

Es handelt sich um eine fiktive Nähe, da sich ja der reale Abstand des Zuschauers zur Leinwand ja nicht wirklich verändert. Der Wechsel der Einstellungsgrößen spielt eine große Rolle für die emotionale Steuerung, aber auch für die einfache Informationsvermittlung. KameraperspektivePerspektive der Kamera wird durch ihre Positionierung innerhalb des Handlungsraumes bestimmt.Normalsicht = die Augenhöhe der handelnden Figuren (eye-level angle)Die Aufsicht (Obersicht, Vogelperspektive) = gibt einen Blick von einem erhöhten Standpunkt auf das Geschehen, der Zuschauer wird damit erhöht, das Geschehen wirkt dadurch oft„überschaubar“. Solche Perspektiven können je nach Kontext der Geschichte auch bedrohliche Blicke nach unten darstellen.Untersicht (Froschperspektive) = nimmt das Gezeigte von unten her auf und erhöht es dadurch gegenüber dem Zuschauer lässt es größer wirken Ober- und Untersichten werden in Spielfilm häufig durch die Handlung motiviert, sie geben der Handlung eine besondere Spannung, werden häufig auch musikalisch überhöht.Bewegungen von Kamera und ObjektEs gibt die Bewegung vor der Kamera und die Kamerabewegung. Filmgeschichtlich war zuerst die Bewegung vor der Kamera. Die Objektbewegungen vor der Kamera können alle Richtungen einnehmen und mit unterschiedlicher Intensität auftreten, auch sind gegenläufige Bewegungen möglich, so dass der Eindruck eines strukturierten Durcheinanders entsteht. Die Kamerabewegungen orientieren sich an der Möglichkeit der menschlichen Blickveränderungen, die durch technische Vorgänge mehr leisten können als sonst.Beim Schwenk („panning“) bewegt sich die Kamera bei unverändertem Standpunkt um eine Achse (vertikal, horizontal, diagonal durch den Raum). Er Verschieb den Ausschnitt des Gezeigten und erweitert damit den Bildraum um das bis dahin Nichtgezeigte, aber zum Geschehen Dazugehörende.

Die Kamerafahrt („travelling“) ist die logische Fortsetzung des Schwenks und kann aus verschiedenen Einzelschwenks zusammengedacht werden. Mit der Fahrt verändern sich alle räumlichen Anordnungen und Sichtweisen. Häufig werden Fahrten benutzt, um parallel zu Figurenbewegungen diese im Bild zu halten, ihnen entgegen zu kommen, sie zu verfolgen oder von ihnen zurückzuweichen.BewegungsrichtungenDie Richtungen orientieren sich an der Blickrichtung des Zuschauers, dessen Blickachse im Ideal zur Bildebene im rechten Winkel steht. Handlungen die parallel stattfinden nimmt der Zuschauer distanziert war, er kann sie nicht ganz zuordnen. Die Bewegung von links nach rechts und die von rechts nach links ist gängiger. Sie sind kulturell unterschiedlich gewichtet: In Europa „Leserichtung“. Solche Umstände sind aus der Kompositionslehre für stehende Bilder bekannt, wonach Schrägen, die in die andere Richtung weisen, stärker als Bewegungen erscheinen, die gegen etwas anlaufen, die sich als widerständig erweisen.Bewegungen, die aus der Bildmitte in den Vordergrund gehen, haben den Nachteil, dass sich das Bewegungstempo weniger deutlich markiert als bei einer Bewegung parallel zur Bildfläche. Dennoch werden sie vom Zuschauer als aggressiver verstanden, denn Handlungs- und Blickachse treffen frontal aufeinander, der Zuschauer fühlt sich direkt in das Geschehen involviert.Es gibt Abschwächungen und Verstärkungen der Bewegungsrichtungen.Dynamik des BewegungsflussesEs entsteht eine Steigerung durch der Kombination von Objektbewegung und Kamerabewegung, vor allem in neueren Filmen. Die Kombination von Schwenk und Fahrt sowie gleichzeitige Bewegung der Figuren übergangslosen Bewegungsablauf, durch schnellen Schnitt verstärkt.Ziel ist die Überwältigung des Zuschauers, direkt einbezogen zu sein. Die Veränderung der Begriffe durch die TechnikDer Kamerablick unterscheidet sich jedoch gegenüber dem Zuschauerblick dadurch, dass er ein technisch produzierter ist und damit auch durch die Entwicklung der Technik bedingten Veränderungen unterworfen bleibt. Der Einsatz verschiedener Objektive (z.B. mit anderen Brennweiten) verändert die filmische Abbildung, nicht aber unbedingt auch die filmische Wahrnehmungskonstruktion. Weitwinkelobjektiv und Teleobjektiv verändern Ausschnittgröße und Abbildungsverhältnisse. Erst in dem Augenblick, wo es bei der Objektivwahl zu deutlich erkennbaren Verzerrungen innerhalb der Abbildung kommt, die von der Wahrnehmungserfahrung des Zuschauers abweichen, als bei Krümmungen der Horizontalen oder Vertikalen, bei der Reduktion der perspektivischen Verkürzungen, etc. werden sie als „künstliche“ oder „verfremdete“ Sichtweisen bemerkt, beim „Fischauge“ beispielsweise, oder bei der „extremen Teleaufnahme“.Die Einführung des Zooms, des die Brennweite beweglich verändernden Objektivs, wurde Anfang der siebziger Jahre als eine Verarmung des Kinos bezeichnet. Durch den bruchlosen Übergang verändert sich die Nähe-Distanz-Relation zum Abgebildeten, ohne dass die Kamera real im Raum bewegt wird. Die Entfernung zwischen Kamerastandpunkt, und gefilmten Objekt bleibt unverändert, nur die Proportionen des abgebildeten Raumes verändern sich: seine Tiefe verringert sich (Tele) oder vergrößert sich (Weitwinkel).

Die Bewegung von Fahrt und Zoom ist gleichlaufend und einander ergänzend, können aber auch gegenläufig benutzt werden und erzeugt ein sich entfernen.Auch der Zuschauerblick wird verändert und in neue technische Abbildverhältnisse transformiert. 

1. Bildraum, Architektur und Licht

Der „mechanische“ BildraumDie räumliche Wirkung im Bild wird verstärkt durch die in die Kameratechnik eingebaute zentralperspektivische Konstruktion, zum anderen dadurch, dass einige gestalterische Grundgewissheiten eingehalten werden. Unsere alltägliche Raumsituation muss im Film bestätigt werden (oben bleib oben, horizontal ist immer mit dem Horizont…). Der zentralperspektivische Punkt, auf den ein Geschehen ausgerichtet ist, steht in Abhängigkeit von der Bildmitte. Liegt er tiefer, haben wir den Eindruck eines hohen lufterfüllten Raumes, liegt er darüber, entsteht der Eindruck, dass unser Blick stärker auf den Boden gerichtet wird. Mit den Fluchtlinien und zentralperspektivischen Darstellung (und dies gilt natürlich auf für die Zwei- und Mehrfluchtperspektive) wird eine räumen Wirkung des flächig Abgebildeten erzeugt. Sie entsteht

1. Durch Größendifferenzen, wobei das Kleinere so verstanden wird, dass es sich tiefer im Bildraum befindet als das Größere;

2. Durch Überschneidungen der abgebildeten Körper, wobei auch hier wiederum die vorderen die hinteren tendenziell überdecken;

3. Durch eine daraus resultierende Gliederung des Abgebildeten in Vorder- und Hintergrund, wobei es zwischen diesen Ebenen immer Übergängen und Verschiebungen geben kann;

4. durch eine verstärkende Farbräumlichkeit gestützt werden, wobei sich die kräftigen Farben des Vordergrunds von den diffusen lichten Farben der Ferne abheben.

Räumlichkeit schafft auch die Bewegung von Objekten vor der Kamera, sie lässt den Raum zum Handlungsraum der Figuren, zum Aktionsbereich und Ort des Geschehens werden. Weniger ausgeprägt im Film sind Rückwärtsfahrten, sie lassen häufig das Gefühl der Angst entstehen.Natur und gebauter UmraumDer im Film gezeigte Raum wird als Handlungsraum der Figuren verstanden. Selbst dort wo Räume ohne Menschen gezeigt werden, erscheinen sie als potentielle Aktionsräume und Betätigungsfelder, als Projektionen und Vorstellungen und Träumen, stehen, nicht zuletzt durch den betrachtenden Blick des Zuschauers, in Beziehung zum menschlichen Handeln. Natur gilt im Film in der Regel und zu Unrecht als ahistorisch (der eigenen Gesichte nicht bewusst). Natur ist im Film gekennzeichnet durch das Bedeutungsfeld des Ursprünglichen, Urtümlichen, auch des Mythischen. Häufiger noch als Natur erscheint der umbaute Raum im Film.Architektur im Film lässt sich unterscheiden in die Abbildung der realen, außerfilmischen Architektur und die speziell für den Film hergestellten

Filmarchitektur im Studio. Filmarchitektur kann innerhalb des Films als Staffage ein eher dekoratives Moment darstellen, ihr werden aber auch strukturell innerhalb der Handlung Rollen übertragen. Sie vermag es „dem schlummernden Unterbewusstsein Stimmungen und Gefühlen (zu) vermitteln, die alptraumhafte Formen annehmen können“ und sie kann durch Proportionsverschiebungen und Stilisierung zum„Mitspieler“ werden. 2. Vorlesung (6. Vorlesung in „Theatrale und mediale Inszenierungsformen“In der Form reden: Montage und Raum

1. Montage Elementar:

Filmische Rede I: Kamera und Schnitt: Alles Gezeigte, egal wie voll oder leer es ist, wird im Film immer nur ein Ausschnitt, begrenzt, sein, wo die Welt doch unbegrenzt ist. Die Kamera trennt den Ausschnitt von der Welt heraus. Größe und Inhalt sind interpretatorische Nuancen. „Den Ausschnitt […] wählen, ist Kompositionsarbeit. Was wegbleibt, was hingehört, alles hat seine Bedeutung. Diese Bedeutung verleiht ausschließlich die Kamera dem Bild, und sie wirkt auf uns nur von der Leinwand herab. Es sind also die Einstellung und der Blickwinkel, die den Dingen ihre Form geben, und zwar in so hohem Maße, dass zwei unter verschiedenen Blickwinkeln gezeichnete Bilder ein und desselben Gegenstandes einander oft gar nicht ähnlich sind.“ Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37. Dies soll ein Hinweis auf Perspektive, den Ausschnitt und die Wahrnehmungseinheit sein. Beispiel Würfel: Wenn man den Blick nur auf die vordere Seite des Würfels lenkt, denkt man, es handle sich um ein Quadrat, der Blick ist also nicht charakteristisch gewählt. Es muss die Perspektive erst hinzukommen, damit die Wirklichkeit des Würfels herauskommt (Licht, Farbe usw.). Die Darstellung verlangt also nach einem gewissen Gefühl (das gut oder schlecht sein kann), es genügt nicht, eine mechanische Zuschreibung zu machen. Denn eine mechanische Zuschreibung würde bedeuten, dass man immer die Ansicht verwendet, die die größte Oberfläche hat. Somit haben ja Auge und Fotolinse einen bestimmten Standort, aus dem man schließen kann welchen Standpunkt ich zu ihm einnehme, welche Stellung ich ihm gebe.„Er [der Film] reproduziert seine Bilder nicht, er produziert sie. Es ist dies die ‚Art zu sehen‘, des Operateurs, seine künstlerische Schöpfung, der Ausdruck seiner Persönlichkeit, etwas, das nur auf die Leinwand projiziert sichtbar wird.“Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37.Der, der die Kamera führt, entscheidet das Sichtbare und das Körperliche. So können sie dem Film ihre persönliche Note geben und Dinge neu zeigen. „Die Sprache des Films ist ein ständiger Austausch zwischen der dinglichen Welt und der Kamera, die das Bild von der dinglichen Welt mit ihren Operationen überzieht.“ Hartmut Bitomsky, Einleitung. In: Béla Balázs, Der Geist des Films, München 1972, S. 32. Der „Schnitt. Er ist die letzte zusammenfassende schöpferische Arbeit am Film, die sich nicht auf den Verlauf der Aufnahmen stützt. Sie erzeugt jenen Rhythmus und

ideenverbindenden Vorgang, der schon allein darum nicht als reproduktiv angesehen werden kann, weil er überhaupt nicht von einem Original […] ausgeht […]. Der Schnitt (Montage) ist die bewegliche Architektur des Bildmaterials: eine ureigene und neue schöpferische Kunstform.“ Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37. Es gibt zwar wahrnehmungstypologische Regeln (man erkennt nicht aus einem Ausschnitt eines Menschen, dass es sich um denjenigen handelt), jedoch wird er sonst frei gemacht.Filmische Rede II: Raum und Zeit: „Wenn Inszenieren ein Blick ist, dann ist Schneiden ein Herzschlag. Voraussicht gehört zu beiden, aber was jenes im Raum vorauszusehen versucht, sucht dieses in der Zeit.“Jean-Luc Godard, Schnitt, meine schöne Sorge. In: Godard / Kritiker. Ausgewählte Kritiken und Aufsätze über Film (1950 – 1970), München 1971, S. 38.Raum und Zeit sind immer ineinander verstrickt. Film ist die Neustrukturierung von Raum und Zeit, sie können deutlich verglichen werden. Rudolf Arnheim gilt als Urgestein in der Film und Medientheorie, er wurde 103 Jahre alt. Er ist in die USA emigriert und war Anhänger der Gestaltungspsychologie. In den 20ern war er als Filmkritiker tätig und arbeitete für das einflussreiche Magazin „Die Weltbühne“. 1932: Film als Kunst – was ist das Spezielle des Films, welchen Zugang des Sehens praktizieren wir? „In der Wirklichkeit spielt sich für den einzelnen Beschauer jedes Erlebnis resp. jede Erlebniskette in einem geschlossenen räumlichen und zeitlichen Ablauf ab. Ich sehe etwa, wie zwei Menschen in einem Zimmer miteinander verhandeln. Ich stehe in vier Metern Entfernung. Ich kann die Entfernung ändern, ich kann näher herangehen, aber diese Änderung erfolgt nicht sprunghaft; ich kann nicht plötzlich nur noch in zwei Metern Entfernung sein sondern muss die Strecke zwischen vier und zwei Metern Abstand durchlaufen. Ich kann diesen Schauplatz verlassen, aber ich kann nicht plötzlich auf der Straße sein sondern muss dazu aus dem Zimmer gehen, durch die Tür die Treppe hinab. Ähnlich steht es mit der Zeit. Ich kann nicht plötzlich sehen, was diese beiden Menschen zehn Minuten später miteinander tun, sondern diese zehn Minuten müssen voll verstreichen. Es gibt in der Wirklichkeit für einen Beobachter keine Zeit- und keine Raumsprünge sondern eine raum-zeitliche Kontinuität.Nicht so im Film. Die gefilmte Zeitstrecke lässt sich an einem beliebigen Punkt abbrechen. Sofort darauf kann eine Szene vorgeführt werden, die zu völlig andrer Zeit spielt. Und ebenso lässt sich das Raumkontinuum unterbrechen.“ Rudolf Arnheim, Film als Kunst, Frankfurt am Main 1979, S. 34.  Filmische Rede beruht auf einem doppelten Auswahl- und Interpretationsverfahren. Den ersten Schritt setzt das Bild, den zweiten die Montage. Filmische Rede ist eine Neustrukturierung von Raum und Zeit. Filmische Rede bildet die Wirklichkeit nicht ab, sie erzeugt eine eigene Welt und eine eigene Wirklichkeit.

Der doppelte Griffith: „A Corner In Wheat“: Griffith (1875 – 1948) verwendet, nach der Konvention 1909, eine Frontalaufnahme aller Bilder und der Hintergrund ist immer parallel. Links ist das Bild immer offen, das Bild ist sehr symmetrisch (Mittelachsensymmetrie). Fluchtpunkt in der Todesszene ist die offene Tür (verweist auf Tod). Die zeitliche Einstellung in der Einstellung 15 ist ein stummes Bild: alle Personen scheinen völlig leblos und eingefroren: Schockmoment, Stillstand über das, was gerade passiert. Im 18. Jahrhundert stellte man in sogenannten Tableaus berühmte Gemälde nach. Der Ausdruck sollte sehr stark sein und sich aufs Höchste steigern. Die Szene beim Bäcker zeigt eine totale Ausdruckslosigkeit und Apathie (nicht wie Tableau). Die Erzählung scheint wegen der Ungeheuerlichkeit des Inhalts stocken. „A Corner In Wheat“ setzt Einstellungen nebeneinander, ohne die vorherigen zu neutralisieren.„Bei Griffith entsteht die filmische Erzählung durch ein Zusammenfügen von einzelnen Filmaufnahmen, welches zwischen diesen zeitliche, räumliche und gedankliche Beziehungen herstellt, die in ihrem intendierten Sinn verstanden werden in Wechselwirkung von Evidenz und sich bildender Konvention. So entsteht Erzählung, dargestellte Wirklichkeit aus einzelnen Aufnahmen.So entsteht sie auch nach jetziger Konvention; nur ist bei dieser eine Absicht, ein Wunsch hinzugekommen: Wirklichkeit soll entstehen, als entstünde sie nicht, entstünde nicht im Film und durch ihn, sondern als sei sie von sich aus vorhanden: die Illusion soll sich bilden, es würde nicht durch den Film eine Wirklichkeit dargestellt, hergestellt, sondern es sei eine Wirklichkeit für sich gegeben und gleichsam bloß gefilmt worden.“ Helmut Färber, A CORNER IN WHEAT von D.W. Griffith, 1909. Eine Kritik, München/Paris 1992, S. 82. Die Wirklichkeit soll also von sich aus vorhanden sein und nicht hergestellt (=kompositioniertes Erzählen). Der Film hat eigene Zeit und Raum und zeigt bewusst, dass er zusammengestellt ist, verweist also bewusst auf die konstruierte Wirklichkeit. 1915: „Birth of a Nation“ zeigt den doppelten Griffith. Es handelt sich zwar um einen erfolgreichen, aber durchaus rassistischen Film. Er war die Geburtsstunde des heutigen (v.a. amerikanischen) Kinos. Inhalt: ein Paar geht ins Theater und sieht sich ein Stück an. Auch der Präsident Lincoln ist anwesend und wird in einem Anschlag auf ihn ermordet. Die Unterschiede zu „A Corner in Wheat“ sind in der Vergrößerung der Linse, der Variation der Einstellungsgrößen und der Steigerung und Aufbau der Emotionen zu finden. Die Bilder bilden einen großen Organismus, also eine große organische Einheit in der Vielfalt der Erzählstränge. Privates und politisches und Kino und Theater werden zusammengeführt. Die Großaufnahme fügt sich in die Halbtotoale (gilt als ästhetischer) und ist als organisches Großes verschraubt. Was sehen die Amerikaner als große Nation – die Inszenierung ist sehr romanorientiert. Montage und Kamera stellen eine Geschichte in Dauerfluss her, man soll aber nicht sehen, dass sie hergestellt sind. Die Wirklichkeit jedoch ist von sich aus vorhanden. Es entsteht also Komposites (nicht mehr oft verwendet) und Organisches Erzählen (Kino schafft eigene Wirklichkeit, wird kommerziell). 

1. Montage richtungweisend

Zwei kinematografische Tendenzen: Rahmen und Fenster werden mit Montage in Beziehung gebracht. Nach Bazin: es gibt Regisseure, die an das Bild und welche, die an die Wirklichkeit glauben. Bild:

Rahmen „Unter Bild verstehe ich ganz allgemein alles, was die Repräsentation auf der

Leinwand dem repräsentierten Gegenstand hinzufügen kann“, André Bazin Einerseits durch die Gestaltung des Bildes (Schminke, Dekor, Stil des Spiels,

Beleuchtung, Bildausschnitt, der die Komposition abschließt = cadrage), andererseits durch Montage (=Organisation der Bilder in der Zeit)

- Amerikanische Montage des narrativen industriellen klassischen Kino der Vorkriegszeit: unsichtbare Montage, lenkt den Blick, bestimmt bis heute klassisches Hollywood (amerikanische Art des Hinzufügens). Das Bild ist über das höchste Maß emotional und auch manipulativ. Die Montage hat hier den Sinn, das Ereignis nach stofflicher oder dramatischer Logik die Szene zu analysieren. Der Verstand des Zuschauers geht mit den Blickpunkten mit, denn diese sind in der Handlung oder der Verlagerung des dramatischen Schwerpunkts begründet.- Sowjetische Montage: Bilder selbst haben keinen Sinn, bekommen den erst durch Montage, konstruktiver Raum (Pudowkin) gehen beide mit den Zuschauern an der Hand und zwingen dem Zuschauer eine Sicht der Wirklichkeit aufWirklichkeit:

Fenster „Die Montage spielt in ihren Filmen praktisch keine Rolle, abgesehen von einer

negativen, der unvermeidlichen Eliminierung in überreicher Realität. Die Kamera kann nicht alles auf einmal sehen, aber von dem, was sie aussucht, versucht sie nichts zu verlieren.“, André Bazin

Das Wesentliche ist das Zeigen und nicht der Schnitt Der Realität wird nichts hinzugefügt, sondern enthüllt Beispiel russischer Vertreter: Konstruktiver Raum

       Konstruktiver Raum: Pudowkin: In den 20er Jahren wollten Regisseure in der Sowjetunion partout nicht Emotion und fließende Handlungen erzählen. Sie wollten Sinn erzeugen und waren der Meinung, dass Montage diesen neuen Sinn hervorrufen kann, den die Einstellung nicht hat. 

Pudowkin  und Kuleschow: ExperimentGroßaufnahme eines Schauspielers: 

1. Bild vom Schauspieler und Teller Suppe2. Sarg mit toter Frau3. kleines Mädchen mit Puppe

Kuleschoweffekt: drei Kombinationen, Wirkung war ungeheuer und das Publikum war beeindruckt „Als wir diese drei Kombinationen einem Publikum, das nicht in unser Geheimnis eingeweiht war, vorführten, war die Wirkung ungeheuer. Die Zuschauer waren von der schauspielerischen Leistung Mosshuchins hingerissen. Sie bemerkten einen schwermütigen Gemütszustand angesichts des stehen gelassenen Tellers Suppe, waren gerührt und bewegt über die tiefe Trauer, mit der er die tote Frau ansah, und bewunderten das sanfte, glückliche Lächeln, mit dem er dem spielenden Mädchen zuschaute. Nur wir wussten, dass in allen Fällen der Gesichtsausdruck der nämliche gewesen war.“, Wsewolod PudowkinDas heißt, nicht der Wirklichkeitsbezug macht Sinn, sondern eine neue Anordnung, keine Emotionen bzw. immer neue Emotionen. Räume müssen konstruktiv montiert werden und Einstellungen werden bewusst gesetzt. „Der Sinn liegt nicht im Bild, er ist dessen durch die Montage in das Bewusstsein des Zuschauers projizierter Schatten.“, André BazinPhysischer Raum: Stroheim: Stroheim (1885 – 1957) war Wirklichkeitsanhänger und emigrierte in die USA, wo er das „von“ vor seinen Namen setzte und behauptete, ein ehemaliger Offizier adeliger Abstammung zu sein. 1924 „Greed“: Ein Mann ist auf der Flucht im Death Valley und wird dort von seinem Freund verfolgt. Das Geld hat alle Beziehungen vergiftet.  Der Film war Stroheims Monumentalprojekt, anfangs dauerte der Film neun Stunden und musste daher gekürzt werden. Er war verschollen und war dann wieder aufgetaucht und die bleibenden 130 Minuten gelten als Erbe Stroheims. Stroheim stellt nichts her: er geht wirklich in die Wüste und im Film ist die physische Wirklichkeit spürbar. Es gibt einen Raum fast ohne Horizont. Die filmische Rede, die an Wirklichkeit glaubt, kann auch erzählen und neue Sprache wird zerschlagen. „Er ist im Begriff das Kino seiner ersten Funktion zurückzugeben, er wird es wieder lehren zu zeigen. Er zerschlägt die Rhetorik und den Diskurs und lässt die Evidenz triumphieren […]. Sollte ich Stroheims Beitrag mit einem Wort, zwangsläufig nur annähernd, charakterisieren, ich sähe darin eine Revolution des Konkreten.“, André BazinIm Konkreten ist der Raum gemeint, es gibt Großaufnahmen usw. Die Diskontinuität ermöglicht die physische Zusammenfügung und Stroheim ist der Schöpfer, das gesamte Bild mit einzubeziehen – am Ende stehen nur mehr die Wüste und die Gier und lassen keinen Zweifel mehr am Geschehen. Bedingungen der Realität: Sonne, Landschaft, erschöpfte Körper. „Wenn auch Stroheims Erzählung aus offenkundigen technischen Gründen der Diskontinuität der Bilder nicht entgehen kann, ist sie doch zumindest nicht auf diese Diskontinuität gegründet, im Gegenteil, was er uns offensichtlich wieder herstellen will, ist die Gegenwärtigkeit gleichzeitiger Ereignisse im Raum, ihre nicht logische –

wie in der Montage – sondern physische, fleischliche oder materielle Abhängigkeit. Stroheim ist der Schöpfer einer virtuell kontinuierlichen kinematographischen Erzählung, die dazu tendiert, den gesamtem Raum vollständig einzubeziehen.“, André BazinVorlesungsbegleitkurs:Filmausschnitt Sergej Eisenstein – Oktober (1927)Es wird mit Bilderfolge experimentiert, ist kein sozio-realistischer Film und hat eine geschlossene Form.  Er wurde anlässlich des 10. Geburtstags der Revolution gedreht und ist bei den Machthabern gar nicht begeistert aufgenommen wurden. Die Figur des Ministers Kerensky wird als sehr bedrückter und zweifelnder Mensch dargestellt, der es nicht schafft, die Revolution durchzuziehen. Er muss sich an Napoleon orientieren, wird oft von unten gefilmt, um perspektivisch größer zu wirken. Er geht immer wieder auf die Stiege los, aber er kommt nie oben an. Die Ironie wird durch die Wiederholung und durch die Überschriften gesteigert, die jeweils einen Titel von ihm benennen: "Der Kriegsminister" beim Aufstieg. Kerensky wird also dargestellt und es geht sofort weiter, Eisenstein nimmt also das Bild und es folgt sofort ein nächstes. Das Statement „Für Gott und das Vaterland“ wird auch wieder durch die starke folgende Symbolik zerschlagen. Man sieht die Symbole der verschiedenen Religionen, die Kirchen, Statuen, Heidenbilder, ("Gott"), dann eine Menge von Georgkreuzen, Auszeichnungen aus dem ersten Weltkrieg ("Heimat"). Es geht nicht nur um den abstrakten Begriff der Religion, da dieser Ausschnitt Teil einer Montagebilderreihe ist, die auf den historischen Kontext hinweist. Es wurde versucht, die alte Ordnung zu restaurieren. Die abgestürzte Zarenstatue gelangt jetzt schnell an seinen Platz zurück. Es fliegen zuerst der erste Fuß, dann der zweite, dann der Körper und der Kopf von unten nach oben, dann der Reichsapfel und das Zepter, schließlich sogar der Adler auf das Fundament zurück. Das Unheimliche für uns an diesem Film ist die Geschwindigkeit des Schnitts, die uns aufscheucht und Sprünge in der Perspektive. Der Zuschauer wird an der Hand genommen und herumgeführt, der Spielraum geht jedoch in eine Richtung, die Tendenz der Bilder ist also klar, aber man kann alle nie ganz gleich von einer Meinung überzeugen (was der Film versucht und der Wunsch der sowjetischen Montage war). Auch die Bildinhalte und die Musikbegleitung machen den Film unheimlich.Texte:Arnheim – Weltbild und FilmbildFrage: ist Film Kunst, oder einfache Abbildung der Wirklichkeit (auch von Malerei gestellt). Man muss die elementaren Materialeigenschaften des Filmbilds einzeln charakterisieren und mit den entsprechenden Eigenschaften des Wirklichkeitssehbildes vergleichen, um diese Anschuldigung zu widerlegen.Projektion von Körper in die Fläche: Oben genanntes Beispiel mit dem Würfel und der Zuschreibung des Gefühls des Kameramannes.Verringerung der räumlichen Tiefe: Unsere Augen können nur Flächenbilder aufnehmen. Zwei Augen haben nicht die gleiche Abbildung, was eine Verschiebung der Perspektive bewirkt. Dies wiederum ermöglicht einen räumlichen Eindruck. Film: für eine Person wäre der Raumfilm wie beim Stereoskopapperat (ein Film für das rechte, einer fürs linke Auge). Für eine größere Zuschauermenge ist die

Raumwirkung der Filmbilder gering, dies wird durch die Raumtiefe im Film erhöht (durch Personen und Gegenstände), aber auf keinen Fall wird eine reale Welt abgebildet. Film ist daher kein reines Raumbild und kein reines Flächenbild, sondern beides (flächig und räumlich). Räumlich: der Zug fährt von vorn nach hinten, der 2. von hinten nach vornFlächig: vom unteren Bildrahmen zum oberen, der andere fährt von oben nach untenFortfall des räumlichen Eindrucks bringt eine stärkere Betonung der perspektivischen Unterscheidung: eindringliche Schnitte und Begrenzung wird sehr stark empfunden. Wegfall von

Größenkonstanz: lässt uns Korrektur der Entfernung berechnen, im Film funktioniert das nicht, da der vordere gezeigte Mensch immer größer und breiter wirkt. 

Formkonstanz: perspektivische Veränderungen werden unbewusst ausgeglichen

Beispiel Tisch: Netzhaut verwandelt den Tisch von einer Trapezform in ein Rechteck, Film kann das jedoch nicht. Das Filmbild ist daher unwirklich, Größen und Formen werden nicht in ihren objektiven Proportionen, sondern netzhautgemäß wiedergegeben, also perspektivisch verschoben. Der Wegfall von Farben und Beleuchtung: Der Wegfall von Farben wurde gar nicht als so realitätsabweichend empfunden, bis man am Farbfilm zu arbeiten begann. Helligkeit wurde oft falsch wiedergegeben, doch bald mit dem Negativmaterial ausgeglichen. Durch die partielle Illusion nimmt der Zuschauer es hin und hält es für real, dass Dinge die gleiche Farbe haben, die sonst verschieden sind. Der Hintergrund muss die richtige Position (Schatten/Licht) haben – inszenierte Beleuchtung.Bildbegrenzung und Abstand zum Objekt: Das Gesichtsfeld unseres Auges ist kreisförmig begrenzt und der Mittelpunkt ist die Gegend des schärfsten Sehens (wir übersehen also das kreisförmig begrenzte Feld), jedoch durch Bewegungen der Augen und des Kopfes fühlen wir uns nie beengt. Es wäre falsch, zu denken, dass die Leinwand das Abbild unseres unbegrenzten Sehfeldes in der Wirklichkeit ist. Das Filmbild ist nämlich begrenzt und diese Grenzen sind die Kunst des Films. Räumliche Verhältnisse müssen durch Vergleichsmaßstäbe einleuchtend gemacht werden. Größe des Teils hängt vom Abstand der Kamera und der Vergrößerung des fertigen Filmbilds ab. Die in der ersten Reihe sitzen, sehen das Bild größer als die in der letzten. Wegfall der räumlichen und zeitlichen Kontinuität (Beständigkeit): Siehe Raum und Zeit, Zitat ArnheimRegeln für zeitliche Sprünge im Film

regelmäßiger Zeitablauf: das was hintereinander gehört kommt auch hintereinander Zwischenszenen (Erinnerungen, Träume) können auch zeitlich eingeschoben werden Wiederholen ist eigentlich unsinnig Das zeitliche Nebeneinander der Personen wird am besten durch gleichzeitiger

Anwesenheit der Personen dargestellt Nebeneinander ganzer Szenen: beide Szenen werden hintereinandergestellt und aus

dem Inhalt muss das Nebeneinander erkennbar sein

Man kann auch ganze Szenen schneiden und sie abwechselnd zeigen

Keine Zeit darf ausfallen Zeit soll nur das notwendigste sein Szenen auf verschiedenen Schauplätzen: zeitlich zunächst indifferent Kulturfilme: kein zeitlicher, sondern ein sachlicher Zusammenhang muss bestehen

  Partielle Illusion: Schauspieler sollen natürlich, aber deutlich und gut zu verstehen sein (ist das noch natürlich?). Die Abweichung vom Natürlichen wird soweit stillschweigend hingenommen, als das die Technik des Schauspielers es erfordert. Film vermittelt also bis zu einem gewissen Grad den Eindruck wirklichen Lebens und ist aber auch stark bildmäßig Naturell des Films, er ist Schauplatz einer realen Handlung und flache Ansichtskarte. Film bildet Räume mit Hilfe einer Fläche ab, damit der Zuseher eine gewisse Raumillusion erhält. Montage: räumliche und zeitliche Disparates werden unmittelbar nebeneinandergestellt, zunächst nur technische Möglichkeit, doch da es sich nur um eine partielle Illusion handelt, wird dem Zuschauer nicht schlecht bei den Sprüngen, da der Film als Realhandlung und als Bild wirkt. Partielle Illusion kann nur eine Teilillusion sein. Beim Beobachten der Wirklichkeit begnügen wir uns mit dem Erfassen des Wesentlichen und wir bekommen einen subjektiven vollen Eindruck, sind damit zufrieden. Bei Film und Bühne ebenso und deshalb können wir Film als Wirklichkeit und als bloße Färbung der Projektionsfläche empfinden. Wegfall der nichtoptischen Sinneswelt: Augen funktionieren eigentlich mit den anderen Sinnesorganen im Körper. Beim Filmschauen jedoch bekommen wir keine direkten Reize und ist auf die Augen angewiesen. Wenn ich meine Augen bewege, ist der Raum ruhig. Im Film aber bewegt sich der Raum, jedoch wird der Eindruck unbewusst korrigiert. Das Filmbild hat einen begrenzten Rahmen und der Gesichtskreis unserer Augen ist praktisch unbegrenzt. Im Film haben wir also eine Relativierung der Bewegung und der Raumkoordinaten (oben, unten etc.). Niemand vermisst die akustische Begleitung, da die Zuschauer das Gefühl haben, dass ja alles nur ein Bild sei (ebenso der Geruch). Alle Eindrücke werden also über den Weg der Sehsphäre vermittelt.W. I. Pudowkin über die FilmtechnikFilmtypen statt SchauspielerPudowkin möchte in dem Text dem englischen Publikum russische Filme (des „Linken Flügels“) vorstellen. Er hatte vorerst die Einstellung, es handle sich bei Film nicht um Kunst, vor allem nicht um so genannten Kitsch Film (v.a. In Deutschland): primitive Geschichten, die das Publikum demoralisieren (hübsche Mädchen, siegreiche Burschen und am Ende ein Kuss). Er arbeitete mit Kuleschow zusammen, der der Meinung war, dass der Rohstoff der Filmarbeit aus Filmstücken und die Kompositionsmethode ihrer Zusammensetzung (=Montage) in einer bestimmten Reihenfolge war. Man erhalte ja je nach Zusammensetzung ein anderes Resultat. 

Versuch mit Schauspieler Mosjukhin: drei gleiche Großaufnahmen des unbewegten Gesichts, drei Situationen (siehe oben). Auch die Zeit ist von Bedeutung (rasch = erregende, lange = beruhigende Wirkung). Nach Pudowkin darf der Schauspieler nicht „theatralisch“ spielen, er muss echt sein und nicht stilwidrig sein, darf nicht spielen. Er glaubt an eine große Zukunft von zufällig aufgenommenen Situationen, die durch die Montage in den Film gebracht werden. Ebenfalls im Tonfilm sieht er große Chancen, jedoch nicht im synchronisierten Film, sondern durch dazu geschnittene Geräusche (statt Weinen Tropfen zu hören usw.). Der Film würde mit dem Ton international werden, die Sprachen übersetzt. André Bazin – Was ist Kino? Die Entwicklung der kinematografischen SpracheBestimmte Formen des Stummfilms lassen sich im Tonfilm wiederfinden. Der Stummfilm wurde also nicht völlig ersetzt und hat Gemeinsamkeiten mit dem Tonfilm. 1920 – 1930 gibt es Regisseure die an das Bild, und die die an die Wirklichkeit glauben. Amerikanische Montage siehe oben. Parallelmontage nach Griffith ermöglicht Gleichzeitigkeit zweier räumlich voneinander entfernten Aktionen zu zeigen, durch abwechselnde Einstellungen der einen und der anderen Aktion. Beschleunigte Montage: durch Vervielfachung immer kürzer werdender Ereignisse entsteht die Illusion der Beschleunigung (Abel Gance).Attraktionsmontage nach Eisenstein ist eine Verstärkung der Bedeutung eines Bildes durch die Gegenüberstellung mit einem anderen Bild, das nicht notwendigerweise zu demselben Ereignis gehören muss. Gemeinsamkeiten der drei Montagen: sie geben dem Bild einen Sinn, das es nicht obj

[unvollständig]

VO Theatrale & mediale InszenierungsformenBy Roman Roth on Thursday, January 20, 2011 at 3:41pm

VO Theatrale & mediale Inszenierungsformen 8.10.2009 These 1: Wechselwirkung von Begriffsbildung & Wahrnehmung. Sprachliche Begriffe und Beschreibungsmuster beeinflussen die Wahrnehmung und umgekehrt. These 2: Es gibt keinen Inhalt unabhängig ihrer spezifischen Formen. Formale Inhalte kommunizieren weitere Inhalte. Durch die Gewohnheit an die Formen kann dies in den Hintergrund, in die Vergessenheit geraten; z.B. Nachrichtensendungen Formen sind für Theater, Film & Medien sehr wichtig, aber nicht unbedingt in der sprachlichen Konversation darüber. These 3: Inszenierungsformen sind sozial geprägt. Erstellt für bestimmte Publika. Erwartungshaltungen des Publikums wird berücksichtigt. Gewisse gesellschaftliche Schichten bevorzugen bestimmte Formate. Buchtipp: Pierre Bourdieu: „Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft“, Suhrkamp, 2008  1. Formen & Räume der Interaktion Interaktion: Menschen sind körperlich präsent und haben in einem Raum ein gemeinsames Erleben.Raumbegriff: • dynamischer, durch Interaktion, durch die Handlungen der Akteure im Raum hervorgebracht• statischer, durch die räumliche Begrenzung gegeben; abhängig von räumlichen Verhältnissen • Kreis als Grundform theatraler Interaktion 

in allen Weltgegenden und zu allen Zeiten; nicht kulturspezifisch voraussetzungslos in der Bildung

 Eine Gruppe von Menschen agiert in einem Kreis; meist bei Festen oder religiösen Riten. 

Gleichheit der Menschen wird betont; jeder macht dasselbe, keiner kann sich hervorheben, anders als in Situationen, in denen klar ersichtlich Agierende und dem gegenüber Zuschauende auszumachen sind.

Kreis = agierende Raum, sonst Zuschauerraum Theatrum = Raum, in dem zugeschaut wird

Thea = Schau(spiel), Anschauen Position des Zuschauers und Agierenden nicht mehr wechselbar, ist fixiert;

Zuschauenden sind mental distanziert    • Guckkastenbühne Im 15. Jdht. Haben sich Humanisten wieder vermehrt auf Amphitheater konzentriert. Diese Beschäftigung damit führte zur Idee eines neuzeitlichen architektonischen Konzept, bei dem alle alles sehen konnten. Hatten aber keine Möglichkeit zur Durchführung dieser Konzepte, da der Adel das Sagen hatte und diese das Theater als Räume für die Elite nicht verlieren wollten. „Die Rahmung durch ein Proszenium trennt die Welt der Zuschauer von der Welt der Bühne und ist damit die Voraussetzung für die Schaffung einer Illusion“ Man blickt durch ein Fenster in einer andere Welt. • Totaltheater Tendenzen im Entwurf: - soziale Hierarchie der Zuschauer aufgehoben; jeder soll gleich gut sehen können - Theaterbühne soll variabel sein - Grenze zwischen Zuschauenden und Agierenden unterschwelliger oder ganz genommen  Begleitkurs 12.10.2009 Fragenliste: 

1. Welche Argumente sprechen dafür, den Kreis als Grundform theatraler Interaktion aufzufassen?

- Gibt es in allen Weltgegenden & zu aller Zeit- voraussetzungslos in der Bildung 

1. Differenz zwischen ländlichen Rundtanz ( Peter R. Rubens) und Moriskentanz (Dürer)?

    

            - Rundtanz: Partizipation aller; völlige Gleichheit; keiner kann sich hervorheben; alle machen dasselbe- Moriskentanz: Anordnung von Personen; klare Grenze zwischen Agierenden & Zuschauenden  

1. Warum finden Marvin Carlson, Manfred Pfister & Lars Kleberg zu einer jeweils unterschiedlichen Typologie von Theaterräumen? (Kotte)

 - resultiert aus unterschiedlichen Zielsetzungen;- Carlson: Overall-Typologie; gibt Besonderheiten keine Bedeutung- Pfister: Weltdramen; nur realisierte Formen, die für Dramen benutz wurden- Kleberg: auch Ästhetik thematisiert; auch Theaterformen 

1. Der Terminus Raum im theatertheoretischen Kontext mindestens 2 Bedeutungen – welche?

 - Voraussetzung für Aufführung- Produkt theatraler Vorgänge - relationale Anordnung von Gütern und Menschen 

1. Erklären Sie die Theaterraum-Typologie von Carlson hinsichtlich der Interaktionsmöglichkeiten (Kotte)

 1. Welche historische Entwicklungen prägen die heute noch vielerorts

existierenden Guckkasten- bzw. Rang- & Logentheater? 

1. Simultanbühne? - Schauplätze der Handlung nebeneinander aufgebaut; Zuschauer bewegt den Blick mit den Akteuren zusammen- Vorläufer war die englischen um das Publikum herum kreisförmig Wagenbühne 

1. Welche Besonderheit weist das Totaltheater-Projekt von Walter Gropius auf?

 - Variabilität (verschiedene Raumtypen während einer Aufführung)- Zurückfinden zur Kreisform 

1. Von welcher historischen Einschätzung geht der Totaltheater-Entwurf von Gropius/Piscator aus und welche formale Besonderheit weist er im Horizont der Entwicklung europäischer Bühnenformen aus?

   15.10.20092. Formen ostentativen Körpergebrauchs ostentativ = auffällig, demonstrativ, wirkungsvoll Körpergebrauch, der zur Schau dient Dabei betrifft das nicht nur professionelle Schauspieler sondern auch in alltäglichen Situation, z.B. wenn ein Kind etwas tut, das Aufmerksamkeit auf sich zieht, und das Kind diese erhöhte Aufmerksamkeit auf sich merkt und die Handlungen bewusst wiederholt ostentativer Körpergebrauch. 2. Text: so konkret wie möglich; berücksichtigt außereuropäische Stile; Grundfrage: Wie kann der Körper ostentativ werden? Die Fähigkeit, über ostentativen Körpergebrauch zu sprechen, ist in der westlichen Welt nicht sehr ausgeprägt; in Asien tut man sich da leichter 2.1. Menschenbilder & Darstellungsformen 2 Komponenten sind grundlegend, um verschiedene Stile zu definieren: 

1. das Menschenbild (mit welchen Fragen existenzieller Art werden Menschen konfrontiert und wie gehen sie damit um?)

2. die an den Formen abzulesende Haltung, die dazu künstlerisch eingenommen wird

  Bsp. Comic: existenzielle Fragen werden behandelt (1); Form dabei ist veristisch (2); Figuren sind idealisierte Typen, Mittelmaß Bsp: Familien-Bild: Familie als existenzielles Element (1); etwas Groteskes gibt dem eigentlich positiven Bild einen seltsamen Nebengeschmack (2); Figurenzeichnung ist extrem und übertrieben (2) Welche Regelen der Gesellschaft funktionieren für Personen problemlos, welche erfordern mehr Anstrengung? 

Beispiele: 

1. „Les enfants du paradis“ (1945; Marcel Carné): Paris im 19.Jhdt; Pantomime-Szene; weißes Kostüm, weiße Schminke; agiert zuerst nichts, ist träge; der Akteur auf der Bühne wirft den Blick zurück in das Publikum, wo die Aktion stattfindet; Imitations-Szene: komödiantisch, grotesk, ostentativer Körpergebrauch nach Tanzschema, Überhöhung in der Imitation

 1. Theateraufführung (2003): schwer, eine klare Bezeichnung für den Schauspiel-

Stil zu finden; große, gewichtige, existenzielle Fragen: Zerstörung der Natur für Tourismus und zur Gewinnung von Energie

Vorne 3 Heidus, im Hintergrund 3 Peters; ein Peter (Skifahrer) redet auf Heidis ein, die hören nicht hinUnter vielen anderen Spielementen ist ein rhetorischer Stil auszumachen.

1. Auffürung, Drama (2003): Prinzip: Person verkörpert B, während Person C zusieht; Gespräch fällt auf abwesende Person; Haltung: Menschen mit sich langsam entblätternden Innenleben; sind klare Individuen;

Veristischer Stil 2.2. Schauspiel-Stile 1. Komödiantischer Stil - basiert auf mittelaterlichen Stil (Tänzer, Gaukler etc.)- Jokulatoren (Spielmänner; Joker)- ab 16. Jdht. Zu größen Gruppen gewachsen Wandergruppen- von Oberitalien- viele Szenen mit Menschen mit elementaren Bedürfnissen, Triebe Triebbefriedigung steht im Mittelpunkt- durch Masken wird eine Bindung an andere Welt hergestellt; Figuren müssen daher auch nicht immer realistisch sein, können auch sehr artifiziell sein. 

Akteure als Maske oder Typus vor Publikum 

Verwandeln in Alles, Anverwandeln von Allem (Mimesis der „natura naturata“ und der „natura naturans“ bis hin zu Mimikry) 

Körper als Spielball existenzieller Bedürfnisse (Betonung der Körperöffnungen) und artistisch beherrschbares Instrument 

Formen des Körpergebrauchs und Ausdruckverhaltens sind unnatürlich, übertrieben, grotesk und akrobatisch.  2. Rhetorischer Stil 

- Gelehrte im antiken Griechenland begonnen, Theater zu spielen akademisches Theater- der Körper wurde so verstanden, dass er den Sinn der Rede verstärken kann; er tritt unterstützend hinzu- dieses antike Wissen über Rhetorik wurde in der Neuzeit wiederverwendet, die Regeln wurden im 16/17. Jdht. wieder aufgenommen für das akademische Theater- Körper ist immer auf Publikum gerichtet; der Blick kann schon mal schwenken, aber der Körper bleibt stets zum Publikum gerichtet 

Akteur als Interpret zwischen referierten Vorgängen/Inhalte und Publikum 

Akteur macht als Interpret seine Haltung zum Referiertem deutlich persuasio 

Kopf, Brust, Arm, Hand sind dem Status entsprechend und gemäß den Regeln repräsentativ eingesetzt 

Direkte Kommunikation: mehrheitlich frontales Adressieren, wobei Stimme, Gestik und Mimik sich ergänzen 

Würde & Anstand3. veristischer Stil - zentraler europäischer Stil- Gesicht & Auge am wichtigsten- will vergessen machen, dass gespielt wird Theater-Formen werden somit nicht betont Publikum & Darsteller sind sich in Europa deshalb möglicherweise weniger bewusst.29.10.20093. Formen des theatralen Präsentierens und Erzählens Kurze Geschichte zur Einführung in die VO  Roman von Luigi Pirandello - „Die Aufzeichnung des Kameramann Serafino Gubbio:„Man muss die Gewissheit haben, das, was man eigentlich tut, zu begreifen.“  Er steht vor seinem Arbeitsgerät, dem Apparat auf einem Stativ, während Gehilfen mit Stangen das Feld abstecken, in dem sich der Akt vollziehen wird und aus welchem er nicht „hinausfilmen“ darf.Dann schreit der Direktor „Wie viel m²?“. Kurz darauf heißt es „Achtung, Kurbeln!“.  Kurbeln: Bedienung der Kamera durch den Menschen; die Ersetzbarkeit des Menschen durch den technischen Fortschritt steht im Raum. Der Kameramann fragt sich nach dem Sinn seiner Arbeit und folglich nach dem Sinn von sich selbst. 

 Der Kameramann hat die Beobachterposition. Die innere Unsicherheit, verbunden mit seinem Beruf, kommt zum Ausdruck. Es besteht eine Art Hassliebe zwischen ihm und der Kamera - der Mensch verleiht der Technik Autonomie, während ihm durch die Verherrlichung des technischen Fortschrittes blüht, ersetzt zu werden.  

Theatrales und Literarisches Erzählen Theatrales Erzählen umfasst mehr als nur Bilder. Es lässt sich nicht allein auf die Bilderwelt reduzieren, denn auch die Körperlichkeit spielt eine wichtige Rolle, sowie andere Kompositionselemente wie z.B. das Licht. Die wesentliche Differenz zwischen literarischen und dem theatralen Erzählens ist, dassLiterarisches Erzählen über einen narrativen (erzählerisch) Weg und Theatrales Erzählenüber einen visuellen Weg geschieht.  

Formen des theatr. Erzählens und Präsentierens finden wir in 3 zeitl. Kategorien:

Prädramatik Dramaturgie: offene und geschlossene Form des Dramas Postdramatik

 Wobei eine genaue Einkategorisierung schwierig ist, da ein Geschichtsprinzip vorrangig ist. Prädramatik (~500 v. Chr.), Dramaturgie (mit der antiken Tragödie) und Postdramatik müssen eher im historischen Zusammenhang gesehen werden, weil die Begriffe nicht ganz klar sind. Dramatische Typen des Erzählens wie das Präsentieren haben eigentlich immer parallel existiert!So ist beispielsweise die Poetik von Aristoteles nicht durch neues Wissen ersetzbar, seine Gesetze der Tragödie sind allerdings heute noch wichtiger Bestandteil des Hollywood-Kinos. Die Strategie dabei ist die offene Form des dramatischen Erzählens. Andreas Kotte versucht die Bandbreite des Erzählens, mehr als 2000 Jahre, zu analysieren und schließt daraus eine Rückbildung der alten Literatur auf das Drama.  

MYTHOS Bsp.:Ein Mythos, der bis ins 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum bekannt war, war jener vom so genannten „Magnusstab“. Er sollte Schädlinge (Engerlinge, Mäuse) von den Feldern fernhalten. Ein Mönch reiste auf Bestellung durch ganz Schwaben, um den Menschen zu helfen, das Getier zu vertreiben (gegen Bezahlung). Er streifte durch die Felder, verfluchte

und beschwor die Schädlinge und segnete abschließend das Feld mit seinem silbernen Stab, dem Magnusstab. Dem Geschehen lag zusätzlich ein Ritus zugrunde, bei dem Gebete zwischen Priester und der Gemeinschaft gesprochen wurden.  2 wichtige Prinzipien dabei sind: 

Wechselrede/Wechselgesang: WIR ICH Wechsel zwischen Protagonist und Gemeinschaft in einer Rede („Ich werde…, aber wir werden nicht…, liebe Gemeinde“) Der Wechselgesang/die Wechselrede in der dramatischen Tragödie vorhanden, doch Aristoteles interessiert sich dafür nicht, er interessiert sich mehr für den Handlungsbogen. Mythen haben eine wichtige Funktion des Erzählens, weil sie Kräfte rational übersteigen, z.B. Heldenfunktion. Der Rationalist Aristoteles interessiert sich aber auch nicht für Kräfte, sondern mehr für Strukturen.  

Das Nummernprinzip: „und dann, und dann, und dann…“ Bsp.: Erklärung des Ablaufes einer Promotions-/Diplomfeier – „Zuerst werden Dekane die Diplomanten und Angehörigen begrüßen. Dann wird Musik gespielt. Und dann wird das Buffet eröffnet. Dann stellen sich die Diplomanten eine Reihe auf und bereiten sich vor. Und dann hält der Dekan eine Rede. Dann werden sie nach der Reihe aufgerufen. Und dann…“ Dieses Prinzip wird auch „Prinzip des bunten Abends“ genannt, da es ein bisschen an beispielsweise Hochzeitsfeiern erinnert, bei denen alle die wollen und auch alle, die nicht wollen, etwas präsentieren dürfen, oder besser gesagt müssen. Kann eine Nummer auch auf eine eigene Weise erzählen oder ist der Begriff „Erzählen“ dafür zu undefiniert, zu gering manifestiert? Bsp.: Kabarettnummer, USA, 1972 - „Money makes the world going wron.”. Es spielt zu Beginn er 30er Jahre. Berlin vor der Weltwirtschaftskrise, bevor die Nazis einmarschierten. Die Handlung verknüpft solche Nummern (in diesem Fall die Kabarettnummer) mit einem Moderator, der diese ansagt mit „Ladies und Gentlemen! Zuerst, und dann, dann, und dann,..“ 

DIE GESCHLOSSENE FORM DES DRAMATISCHEN ERZÄHLENS

  ARISTOTELES -POETIK 

Tragödie, Mimesis (S.19, Kap.6) Die Tragödie ist eine Nachahmung (mimesis) einer guten, in sich geschlossenen Handlung, die Jammer (eleos) und Schaudern (phobos) hervorruft und hierdurch eine Reinigung (katharsis) von derartigen Erregungszuständen bewirkt. Es gibt 6 qualitative Teile der Tragödie (Kap.6, S.21 f.): 

1. Mythos – Handlungsstruktur (wichtigster Teil lt. Aristoteles)2. Charaktere (ethos) – Beschaffenheit der Handelnden3. Erkenntnisfähigkeit (diainoia)4. Sprache (lexis) – Verständigung durch Worte in Versen oder Prosa5. Melodik (melogia) – Sprachklang, Sprachrhythmus, Musik6. Inszenierung (opsis) – kunstlosester Teil lt. Aristoteles katharsis ist nicht

auf opsisangewiesen.  

1.   Die Ganzheit und Geschlossenheit der Fabel (Kap.7, S.25)

 „Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat.“  

Peripetie (peripetia): Der Umschlag dessen, was erreicht werden soll, in das Gegenteil Bsp.: Ödipus verspricht zu ergründen, warum die Pest im Lande herrscht. Der Grund dafür ist, dass jeder vorrangige König erschlagen wurde. Bei den Nachforschungen erfährt Ödipus, dass er es selbst war.Umschlag, Peripetie = Prinzip der Tragödie.  

Wiedererkennung (anagnorisis): Umschlag der Unkenntnis in die Kenntnis Bsp.: Menschen finden sich nach langer Zeit wieder Eine Mutter erkennt ihren verloren geglaubten Sohn an einem Muttermal wieder. Aristoteles hält den Zusammenfall von Peripetie und Wiedererkennung für die perfekte Tragik.  

Katastrophe/Leid (pathos): Verderbliches Geschehen (Todesfälle, etc.)  Nach Aristoteles muss eine Tragödie immer in Leid münden.  

Kompositionsregeln der Fabel (13, S.37-47)  Die Beschaffenheit der Protagonisten: 

1. Man darf nicht zeigen, wie makellose Männer vom Glück ins Unglück geraten.2. Man darf nicht zeigen, wie Schufte vom Unglück ins Glück geraten.3. Man darf nicht zeigen, wie ganz Schlechte vom Glück ins Unglück geraten.4. Dazwischen steht der Held, der über sittliche Größe verfügt. Er darf trotzdem

aufgrund eines Fehlgriffes/einer Fehlentscheidung (harmatia) vom Glück ins Unglück geraten.

 weiter… 

Die Tragödie muss immer einen Umschlag der Fabel vom Glück ins Unglück haben, auch wenn das Publikum das Gegenteil wünscht. 

Schweres Leid zwischen Nahverhältnissen (z.B. Familie) sind ein Garant für Jammer und Schaudern.  

  Charaktere (15, S.47)

 Die Charaktere sollen…

tüchtig angemessen ähnlich (z.B. dem Publikum oder einem von Mythen überlieferten Helden) gleichmäßig

…sein. Sie basieren auf der normativen Vorstellung von Sozial- und Geschlechterrollen. Dabei ist die Idealisierungstendenz als wichtig zu erachten, denn selbst wenn Defekte einer Figur bekannt sind, muss der Tragödiendichter seine Figur doch mit Tüchtigkeit ausstatten.    

            

Andreas Kotte: Aristoteles hätte sich nur für das Deskriptive interessiert. „La pratique du théâtre“, 17.Jhdt. Erklärung, wie die Regeln des Aristoteles anzuwenden sind. Die Technik des Dramas wird dabei zur Form des Dramas.  

Kotte Übersicht (S.215)                         Analytische und Episierende Dramaturgie:  

Analytische Dramaturgie (geschlossenes Drama): Das Ende wird herausgenommen. Es kommt zur Frage „Wie konnte es soweit kommen?“.Bsp.: Ödipus - Ein Mord ist gegeben Die Handlung kommt in Gang. Man erkennt dieses Prinzip auch heute noch in Fernsehkrimis wie CSI, wo man am Anfang eine Leiche sieht und die Handlung erst dadurch einsetzt und das Ratespiel um den Mörder beginnt. 

Episierende Dramaturgie (offenes Drama): Es muss keine Haupthandlung im Zentrum stehen!Bsp.: Woizek Aufführungen - Die Akzentuierungen verändern die Reihenfolge unerheblich.   

Lehmann: Postdramatik „Theatersemiotik“ = wie im Theater Bedeutungszeichen und Bedeutungssysteme entstehen. Bsp.: Ein Stuhl auf der Bühne. Semiotik: Der Stuhl ist ein Zeichen, das auf ein anderes Zeichen hinweist. Der Stuhl ist also ein Stuhl, der eine Bedeutung trägt. Heute kann ein Stuhl aber auch einfach nur ein Stuhl sein.  9.11.2009 Begleitkurs Tragödie = Mimesis einer in sich geschlossenen Handlung, die Jammern & Schaudern hervorruft Anfang – Mitte – Ende (Aristoteles, S. 19) Kottes „herkömmliche Dramaturgien“: analytische, geschlossene (klassische), offene (Brecht) Aristoteles’ Hierarchie der Elemente: Mythos (als Handlungsstruktur) – Ethos (Figuren) – Erkenntnisfähigkeit – Sprache – Melodik – Inszenierung nur Aristoteles’ Sicht; muss nicht zwangsweise „unsere“ sein Können sich Bühnenmittel gegenseitig im Konflikt stehen? Hulfeld: Ja. Texte Lehmann: postdramatisch Auffälligkeit im Zeichengebrauch

 Prä-Post: keine chronologische Entwicklung; periodische Dominanzen sind aber sichtbar, die Ränder sind dabei aber zu betrachten Fabel = lat. Übersetzung von Mythos (Handlungsstruktur)Fabel = Handlung, aber immer nur der Haupthandlungsstrang12.11.2009 4. Die Form sehen: Bild & Bewegung Film = technisch reproduzierbares Medium Übergang von Theater zu Film Für Theater gilt: „Wirklichkeit und Sinneskonstrukte werden durch spezifische Formen der Kommunikation & Interaktion generiert“ Für den Film gilt diese Aussage nicht 100%ig. 1. Teil des Satzes: gilt auch beim Film Sinne müssen konstruiert werden2. Teil: die Methoden sind beim Film dabei aber anders Theater: direkte KommunikationFilm: indirekte Kommunikation; der gleiche Film kann weltweit zur gleichen Zeit gezeigt werden ( technische Reproduzierbarkeit) Theater: stellt physisch direkte Wirklichkeit herKino: optisch-akkustische Wirklichkeit Kino braucht technisch reproduzierbare Bilder Die Aussage, auf den Film gemünzt, lautet nun also folgendermaßen: „Wirklichkeit und Sinneskonstrukte werden durch spezifische Formen medialer Verfahren & Formen der Wahrnehmung generiert“  Das Besondere des Kinos: stützt sich auf technisch reproduzierbare Bilder, die sogenannten „Kader“ Jean-Luc Godard: „Das Bild weist auf etwas Unbegrenztes hin, aber es ist zugleich auch sehr beschränkt. Bild und Ton, das ist nicht alles. Wenn unser Körper nur aus Augen und Ohren bestünde, das würde nicht reichen. Also es ist wirklich sehr beschränkt. Dabei

gibt dieses „Beschränkte“ aber einen Eindruck von Unbeschränktheit. Es geht dauernd von null bis unendlich.“Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos, Frankfurt am Main 1984, S. 83 Wechselspiel von Beschränktheit & Unbeschränktheit   „Die bewegten Bilder, die das Kino anbietet, verflüssigen die anschauende Betrachtung. Sie machen Räume auf und bringen buchstäblich weiteres in Bewegung: die Gefühle, die Gedanken, die ZuschauerInnen. Sie sind ein Fenster in die Welt und ein Spiegel, der den Menschen ein Bild von sich zurückwirft. Sie wandern in der historischen Geschichte und die Geschichte durchwandert sie. Sie lassen, wie Godard meint, eine Spanne zwischen null und unendlich zu. Kurzum: die Bilder des Kinos sprechen nicht von einer Substanz, sie sprechen von Verhältnissen.“   Béla Balázs („Der Geist des Films“) „Man sieht nicht die Bilder einer Begebenheit, sondern die Begebenheit besteht darin, dass man Bilder sieht“  Als formästhetischer Filmtheoretiker stand für ihn nicht das „Was?“, also der Inhalt, sondern das „Wie?“, die Form, im Mittelpunkt. Film: „Un Chien Andalou“ (Luis Bunuel, Salvador Dali; F 1929) Angriff auf Auge: setzt ins Auge der kontrollierenden Herrschaft einen Schnitt. Brach mit allem bis dahin als logisch und gesetzmäßig Betrachtetem.   1. Sehen ist nicht voraussetzungslos: Inszenierungsformen sind kulturell geprägt und variabel. 2. Sehen steht in Verbindung zu Macht: Inszenierungsformen sind historisch abegleitet und zeigen Prozesse an. 3. Inszenierungsformen sind nicht genderneutral.  Auge = im Westen der Leitsinn; aber immer distanziert im Vergleich zu anderen Sinnen„Das Auge wird zum Fenster der Seele“

 Kino = Fenster der Welt Bild als Fenster & Rahmen Rahmen Der Rahmen hebt das Abgebildete von den visuellen Erscheinungen der Wirklichkeit ab, isoliert es, löst es aus den Konstellationen heraus, die wir im Alltag als Fülle wechselnder Erscheinungen erleben. Der Rahmen betont das in ihm Gezeigte als etwas Zusammengehörendes. Er unterstreicht das kompositorische Element der Bilder. Was in der Realität als zufällig und ungeordnet erscheint, erhält durch den Rahmen eine innere Ordnung. Alle Elemente im Bild erhalten ihren Stellenwert aus der Bildgrenze‘, aus ihrem Verhältnis zu ihr.Knut Hickethier, Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart/Weimar 1996. Hier:http://lbs.bw.schule.de/onmerz, S. 7. Das Abgebildete erhält durch den Rahmen eine innere Ordnung, erscheint nicht mehr zufällig und ungeordnet. Die Wahl des Formats ist beim Film eingeschränkt durch die Kamera und Projektion. Der in den 20ern etablierte Normalwert des Seitenverhältnisses ist 3:4 (1:1,37). Dieses Verhältnis wurde durch die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zum Standard erklärt. Gibt auch ein extrem weites Breitwandformat, das vermehrt in Western zur Anwendung kam, sich aber nie durchgesetzt hat.Durch Formate wird die Wirkung verändert. Monumentalisierung der Umräume. Fenster Bsp. Anfang von „Rear Window“ Spiel mit Fenster & Rahmen. Sehen wir äußere oder innere Bilder? Gemeinsamkeiten von Fenster & Rahmen: „Erstens bietet das Kino sowohl als Fenster wie auch als Rahmen einen besonderen, auf das Auge zentrierten Zugang zu einem (fiktionalen) Geschehen an – ein (in der Regel) rechteckiger Durchblick, der der visuellen Neugierde des Zuschauers entgegen zu kommen scheint.Zweitens verwandelt sich die reale zweidimensionale Bildfläche im Akt des Betrachtens in einen (imaginären) dreidimensionalen Raum, der sich jenseits der Leinwand als Bildausschnitt eröffnet. Und drittens gestattet die Distanz, die […] Entferntheit von den Vorgängen im Film, dem Zuschauer im Kino ein sicheres Betrachten, ein Gefühl, das durch die schützende Dunkelheit des Kinosaals noch befördert wird.“

Thomas Elsaesser/Malte Hagener, Filmtheorie zur Einführung, Hamburg 2007, S. 24.  Unterschiede „Das Fenster steht im Zeichen der Transparenz, während man für den Rahmen den Begriff der Komposition stark machen könnte.“Thomas Elsaesser/Malte Hagener, Filmtheorie zur Einführung, Hamburg 2007, S. 25. Man sieht durch das Fenster, aber auf den RahmenDer Rahmen verweist auf das Gezeigte. Beim Blick durch das Fenster vergisst man den Rahmen. Fenster: verweist auf offene Form Wirklichkeit könnte weitergehenRahmen: verweist auf geschlossene Form Fenster: Dinge gehen auch außerhalb des Fensters weiterRahmen bezieht sich auf die Konstruktion, die an der Grenze der Einstellung endet    Die Einstellung 

Totale (plan d’ensemble; long shot) Für bestimmte Handlungsräume, in denen der Mensch untergeordnet ist.Dient oft auch dazu, um Atmosphäre eines Films zu etablieren.    

Halbtotale (demi-ensemble; semi long shot; medium long shot) Für Menschengruppen oder Aktionen in größerer Distanz.            

     

Halbnah (plan moyen; mid shot) Aussage über unmittelbare Umgebung. Bei Figurenkonstellation; differenziert nach Zahl der gezeigten Figuren 2-shot: meistens bei Dialogen          

Amerikanisch (plan américain; medium close shot) Kopf bis Hüfte; angeblich aus Western (Pistole an Hüfte)Wird sehr oft verwendet          

Nah (premier plan; Close Shot) Kopf bis Mitte Oberkörper; Gestik & Mimik im Mittelpunkt           

Groß (gros-plan; Big Shot; Close Up) Expressiv   

Detail Konzentration auf Einzelnes; These: egal was, es bekommt ein Gesicht           Einstellungen stellen Nähe oder Distanz her. Zuseher dabei immer in gleicher Distanz19.11.2009 5. In der Form reden: Montage & Raum  1. Montage elementar- Filmische Rede I: Kamera und Schnitt- Filmische Rede II: Raum und Zeit- Der doppelte Griffith 2. Montage richtungweisend- Zwei kinematografische Tendenzen- Konstruktiver Raum: Pudowkin- Physischer Raum: Stroheim   Montage: mindestens 2 Bilder, die in einer Beziehung zueinander stehen; die zu reden beginnen 

Kamera und Schnitt Was die Kamera aufnimmt, was in einem Bild zu sehen ist, ist immer nur ein Ausschnitt Film ist durch die Kamera zunächst begrenzt. Diese Begrenzung ist es, aus der die filmische Rede ihre Grundform zieht. 

„Den Ausschnitt [...] wählen, ist Kompositionsarbeit. Was wegbleibt, was hingehört, alles hat seine Bedeutung. Diese Bedeutung verleiht ausschließlich die Kamera dem Bild, und sie wirkt auf uns nur von der Leinwand herab.Es sind also die Einstellung und der Blickwinkel, die den Dingen ihre Form geben, und zwar in so hohem Maße, dass zwei unter verschiedenen Blickwinkeln gezeichnete Bilder ein und desselben Gegenstandes einander oft gar nicht ähnlich sind“Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37 die Perspektive der Kamera geben den gefilmten Dingen ihre Bedeutung.Bsp. Würfel: Um ihn als Würfel erkennen zu können, braucht es eine bestimmte Perspektive.Die Kamera bringt die Gegenstände hervor. „Er [der Film] reproduziert seine Bilder nicht, er produziert sie.“ Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976,S. 37. Balàzs bezieht dies nicht nur auf die Kamera sondern auch auf den Kamermann/die Kamerafrau: „Er [der Film] reproduziert seine Bilder nicht, er produziert sie. Es ist dies die ‚Art zu sehen’, des Operateurs, seine künstlerische Schöpfung, der Ausdruck seiner Persönlichkeit, etwas, das nur auf die Leinwand projiziert sichtbar wird.“Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37. die Kamera zeigt Dinge anders bzw. neu„Der ‚Schnitt’. Er ist die letzte zusammenfassende schöpferische Arbeit, die sich nicht auf den Verlauf der Aufnahmen stützt [...] Der Schnitt (Montage) ist die bewegliche Architektur des Bildmaterials: eine ureigene und neue schöpferische Kunstform.“Béla Balázs, Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst, Wien 1976, S. 37. Die Filmische Rede beruht auf die Kamera und die Montage. 

Raum und Zeit „Wenn Inszenieren ein Blick ist, dann ist Schneiden ein Herzschlag. Voraussicht gehört zu beiden, aber was jenes im Raum vorauszusehen versucht, sucht dieses in der Zeit.“Jean-Luc Godard, Schnitt, meine schöne Sorge. In: Godard / Kritiker. Ausgewählte Kritiken und Aufsätze über Film (1950 – 1970), München 1971, S. 38. die Arbeit der Kamera und das Schneiden sind die Grundelemente der filmischen Rede = Neustrukturierung von Raum & Zeit 

„In der Wirklichkeit spielt sich für den einzelnen Beschauer jedes Erlebnis resp. Jeder Erlebniskette in einem geschlossenen räumlichen und zeitlichen Ablauf ab. Ich sehe etwa, wie zwei Menschen in einem Zimmer miteinander verhandeln. Ich stehe in vier Metern Entfernung. Ich kann die Entfernung ändern, ich kann näher herangehen, aber diese Änderung erfolgt nicht sprunghaft; ich kann nicht plötzlich nur noch in zwei Metern Entfernung sein sondern muß die Strecke zwischen vier und zwei Metern Abstand durchlaufen. Ich kann diesen Schauplatz verlassen, aber ich kann nicht plötzlich auf der Straße sein sondern muß dazu aus dem Zimmer gehen, durch die Tür die Treppe hinab. Ähnlich steht es mit der zeit. Ich kann nicht plötzlich sehen, was diese beiden Menschen zehn Minuten später miteinander tun, sondern diese zehn Minuten müssen voll verstreichen. Es gibt in der Wirklichkeit für einen Beobachter keine Zeit- und keine Raumsprünge sondern eine raum-zeitliche Kontinuität.Nicht so im Film. Die gefilmte Zeitstrecke lässt sich an einem beliebigem Punkt abbrechen. Sofort darauf kann eine Szene vorgeführt werden, die zu völlig andrer Zeit spielt. Und ebenso lässt sich das Raumkontinuum unterbrechen.“Rudolf Arnheim, Der Geist des Films, Frankfurt am Main 2002, S. 34.  Alltag: es wird auf eine raum-zeitliche Kontinuität gepocht; anders kann es nicht funktionierenFilm: bricht diese Kontinuität auf; hat eine raum-zeitliche Selbstständigkeit; hat eigene Zugangsweise zu Raum & Zeit und grenzt sich damit von der Wahrnehmung der Wirklichkeit und auch von Wahrnehmung im Theater abFilm bildet nicht ab sondern erzeugt eigene Wirklichkeit 3 Grundpunkte zur filmischen Rede 

1. Filmische Rede beruht auf einem doppelten Auswahl- und Interpretationsverfahren. Den ersten Schritt setzt das Bild, den zweiten die Montage.

 1. Filmische Rede ist eine Neustrukturierung von Raum und Zeit.

 1. Filmische Rede bildet die Wirklichkeit nicht ab, sie erzeugt eine eigene Welt

und eine eigene Wirklichkeit.D.W. Griffith (A Corner in Wheat; Birth of a Nation) Wie schaut es nun aus, wenn eine eigene Wirklichkeit erzeugt wird? Wie sind die Spielräume, die sich Regisseure/Regisseusen erfunden haben, um filmische Wirklichkeit herzustellen? Welche Formen an Bild & Montage wählen sie aus? Wie reden sie? Bsp. A Corner in Wheat (1909) 

Wie sieht die Umsetzung der filmischen Wirklichkeit aus? Wir wird Ausschnitt gewählt? Wie werden die Bilder gestaltet? Gibt es etwas Gemeinsames in der Bildform? Corner in Wheat Ja. Zunächst der Konvention von 1909 geschuldet: Alle Bilder sind frontal aufgenommen, die Kamera bewegt sich nicht, der Bildhintergrund ist stets Bildparallel – das Setting, auf dem fast alle Filmemacher 1909 gearbeitet haben. Griffith bringt aber auch eigenes dazu. immer ein Stück von rechter Seitenwand zu sehen, links nicht Bildform, die rechts geschlossen, links offen istGleiche Bildform bei Einstellungen im Freien mit Decor-Einstellungen verbunden 

Räumliche Besonderheit: Einstellung im Speicher; in der Szene, in der der Mann von den Körner „berieselt“ wird: außergewöhnlich stark ausgeprägte Mittelachsensymmetrie; ikonigraphische Besonderheit im Raum

Zeitliche Besonderheit: Menschen im Bäckerladen regen sich nicht, halten innen Zeit hält inne; Bild bleibt stehen; so eine Bildform gab es damals überhaupt noch nicht, es gab nicht VergleichbaresDeutung? Stopp der Zeit nicht, wie üblich, als Steigerung des Ausdrucks, sondern eher Betonung der Ausdruckslosigkeit, der Apathie; Erzählung stoppt wegen Ungeheuerlichkeit des Dargestellten; Stummheit der Menschen soll gleichsam zur Stummheit des Films werden „Bei Griffith entsteht die filmische Erzählung durch ein Zusammenfügen von einzelnen Filmaufnahmen, welches zwischen diese zeitliche, räumliche und gedankliche Beziehungen herstellt, die in ihrem intendierten Sinn verstanden werden in Wechselwirkung von Evidenz und sich bildender Konvention. So entsteht Erzählung, dargestellte Wirklichkeit aus einzelnen Aufnahmen.So entsteht sie auch nach jetziger Konvention; nur ist bei dieser eine Absicht, ein Wunsch hinzugekommen: Wirklichkeit soll entstehen, als entstünde sie nicht, entstünde nicht im Film und durch ihn, sondern als sei sie von sich aus vorhanden: die Illusion soll sich bilden, es würde nicht durch den Film eine Wirklichkeit dargstellt, hergestellt, sondern es sei eine Wirklichkeit für sich gegeben und gleichsam bloß gefilmt worden.“Helmut Färber, A CORNER IN WHEAT von D.W. Griffith, 1909. Eine Kritik, München/Paris 1992, S. 82. Komposites Erzählen: Wenn es nicht darum geht, eine Wirklichkeit zu produzieren; Filmische Rede, die ihre einzelnen Einstellungen in ihrer Eigenständigkeit belässt; dort wo auch ein räumlicher & zeitlicher Zusammenhang hergestellt wird, behält jede Einstellung, Aufnahme etwas von ihrer eigenen Zeit und etwas von ihrem eigenem Raum, d.h., dass die filmische Rede immer wieder darauf pocht, dass sie gemacht ist, dass es etwas zusammengesetztes ist, sie tut nicht so, als sei sie gleichsam eine Kopie der filmischen Wirklichkeit. Eine filmische Rede, die ihren Raum & Zeit-Bezug betont, gibt auch an, dass sie das Gemachte nicht verdeckt oder einebnet. Der „doppelte Griffith“ 

Der erfolgreichste Film der Stummfilm-Geschichte, ein Monumental-Epos zur Gründung und Selbstfindung der amerikanischen Nation, in dem Griffith unheimlich viele filmische Mittel erfindet, die später für das klassische Erzählkino, das Kino Hollywoods, ausschlaggebend wird:„The Birth Of A Nation“ (1915) Unterschiede zu „A Corner in Wheat“ sind sehr deutlich; ganz neue Bildtypen und ganze ander Verbindgungen untereinander; es gibt nun den Einschnitt der Großaufnahme; alternierende Parallelmontagen; verschiedene Einstellungsgrößen, die einander rhythmisch abwechseln; Räume wechseln; Blenden usw.alles Ingredienzien des Hollywoods Griffith erfindet ein Kino, indem die Bilder eines Films einen Organismus ergeben; die Bilder bilden eine große organische Einheit; diese Einheit kann man auf mehreren Ebenen sehen oder argumentieren; die Bilder ergeben eine dramaturgische Einheit: Einheit in der Vielfalt der Erzählstränge: Poltik, das junge Paar, Theater alles wirk kunstvoll ineinander gewoben, in Relation gebracht, das Private und Politische wird ineinander gemeißelt dramaturgisch läuft alles auf eine große Einheit hinausAuch Ästhetische Einheit: die Bildformen und das Ensemble treten immer wieder in eine direkte Beziehung;Film unterrichtet nicht nur über das Private im Theater sondern es geht um den großen Gründungsmythos Amerikas, es gibt immens viele Schlachten, Schlachtszenen, enorme Totalen gib Vermittlungsinstanzen zwischen Großaufnahmen bis hin zur TotaleIdeologische Einheit: Gesellschaftliche Teile wirken aufeinander ein; die Leute, die einfach ins Theater gehen, die hier plötzlich zusammengespannt sind mit der Elite, sie geraten in Konflikt; Amerika wird bedroht durch das Attentat; und am Ende, über alle soziale Schichten hinweg, über die ethnischen Schranken hinweg, wird sie doch geboren, die große amerikanische NationEinheit auf allen Ebenen Ausdrucksmittel, die Griffith verwendet (Parallelmontage, Großaufnahme, Rückblende usw) sich einen fließenden Fortgang der Geschichte unterordnen und dass sie sich an eine romanhaften Vorgangsweise orientieren.Arbeit der Kamera und der Montage werden eingesetzt, um eine unglaublich übergangsfreundliche Geschichte zu erzählen Kino erschafft eine Zweit-Wirklichkeit, der man nicht mehr ansehen soll, dass sie gemacht ist. Nicht mehr als Produkt der Kamera und Montag. Stattdessen entsteht der Eindruck, als ob die ... (Aufnahme vorbei)   Komposites Erzählen / organisches Erzählen Regisseure, die an Bild glauben (Rahmen) und solche, die an die Realität glauben (Fenster) 

„Unter Bild verstehe ich ganz allgemein alles, was die Repräsentation auf der Leinwand dem repräsentierten Gegenstand hinzufügen kann“André Bazin, Die Entwicklung der kinematografischen Sprache. In: ders., Was ist Kino? Bausteine zu einer Theorie des Films, Köln 1975, S. 28.   Unsichtbare Montage: lenkt den Blick unmerklich; der Schnitt fällt nicht auf;Sowjetische Montage: sinnbildend; 2 Bilder, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben Lew Kuleschow (1899 – 1970)Wsewolod Pudowkin (1893 – 1953) Experiment mit Schauspieler Mosshuchin: Ein Gesichtsausdruck mit 3 komplett verschiedenen Bildern in Verbindung gebracht 3 versch. Wahrnehmungen des GesichtsausdruckesKuleschow-Effekt Der Sinn liegt nicht im Bild, er ist dessen durch die Montage in das Bewusstsein des Zuschauers projizierter Schatten.“André Bazin, Die Entwicklung der kinematografischen Sprache. In: ders., Was ist Kino? Bausteine zu einer Theorie des Films, Köln 1975, S. 30. „Greed“ (Erich von Stroheim, USA 1924) Kaum Schnitte, lange Einstellungen; setzte alle in Extremsituation in der Hitze Dauer statt Hervorhebung26.11.2009 6 - Durch die Form ausdrücken: Körper und Geste 1. Den Körper lesen- Die Arbeit der Hände- Eine punktuelle Geschichte der Gesten- Histrionic Code und Verisimilar Code- Das Optisch-Unbewusste 2. Die Psyche entdecken- Die Hände Paul Orlacs- Die entgleitende Geste- Die Geste der Handschrift- Das mögliche Leben   

„Es kommt zu einer Handlung und zu einem Augenspiel.“Harun Farocki, DER AUSDRUCK DER HÄNDE, D 1997. fehlt etwas!! 

Punktuelle Geschichte der Geste Hand führt mitten hinein ins Feld der Gesten. Gesten erscheinen zunächst einfach, alltäglich. Schlichte Gesten sind aber eigentlich relativ komplexe Gebilde;

können Ausdruck von spontanen Gefühlen sein; können auch Konventionen geschuldet sein (z.B. Verbeugung vor anderem

Menschen); können Ausdruck des Unbewussten sein oder ein Bestandteil des sozialen Rollenspiels sein der Wunsch nach Selbstdarstellung äußert sich auch oft in Gesten

 Gesten fassen mehrschichtige Bilder zusammen oder geben Handlungen zu erkennen, in denen sich Sinnrichtungen kreuzen Gesten treffen wir an, wo Körper untereinander in Kontakt treten oder handeln. Die Geste gehört zum Körper, sie zeigt einen Ausdruck an und sie stellt eine soziale Beziehung her.Die Geste hat eine körperliche und eine sprachliche Seite. Frage der Geste hat sich in der Kulturgeschichte schon sehr lange gestellt. Kommt schon in der Antike, in den Rhetoriklehren vor in einem Spannungsgefüge zwischen Authentizität und Codierung, pendeln in ihrer Geschichte zwischen zwei gegensätzlichen Ansprüchen: Authentizität besagt, die Geste individualisiert; sie gibt ungeschminkt, direkt, nahtlos, den Blick auf den Charakter, das Wesen, die Seele eines Menschen frei.Codierung meint, wenn Gesten schon eine Sprache sind, dann lassen sie sich auch klassifizieren wie die Grammatik einer Sprache. Sie führen zu einer Lesbarkeit der Körper, die so universal wie eindeutig ist. Auf der einen Seite die spontane Geste, die ungeschminkt Aufschluss über den einzelnen Menschen gibt; dem gegenüber die Geste als reine Konvention, die den Körper den lesen lässt; die die Idee des ABC’s der Körpersprache wach hält. 17. Jhdt.: Die Rhetorik des Körpers, das ABC der Gesten, die konventionalisierte Sprache des Körper wurde geradezu trainiert. Gab viele Bücher, durch die man lernen konnte, wie man den Körper ganz eindeutig lesbar ausdrücken konnte.Fachwort dazu: eloquentia corporis: Beredsamkeit des LeibesMan glaubte, durch Kunstfertigkeit & Übung einen verbindlichen Gestenkanon entwickeln zu können und man glaubte die Gesten auf eine Stufe mit den Figuren der Wortsprache stellen zu können.

Diese Ausbildung eines strengen Gestencodes führte zwangsläufig zu einer Gegenbewegung: Seit dem 18. Jhdt., dem Jahrhundert der Aufklärung, äußert sich diese Gegenbewegung in einem Plädoyer für mehr Natürlichkeit.Die Gebärde (lat. Übersetzung von „gestus“) wird mit dieser Forderung entritualisiert, soll als unmittelbar und authentisches Körperzeichen verstanden werden. Kommunikativer Austausch zwischen Menschen soll keine Frage des Trainings sein sondern eine Frage der Spontaneität des Körpers. Man hoffte damals, Gesten zu einer Art „Herzenssprache“ zu machen. Im 19. Jhdt. verstärkt sich diese Tendenzen sogar noch. Autoren des späten 19. Jhdt’s wie Friedrich Nitzsche: Achtsamkeit gegenüber des KörpersMachen sich stark für eine physiognomische Kommunikation. Physiognomik ist der Versuch, das Wesen oder den Charakter einer Person aus ihren äußerlichen Merkmalen zu erschließen.Vom Äußeren soll auf das Innere, dem „Unsichtbaren Leben“, geschlossen werden. Dabei soll man auf Augen, nicht auf Sprache vertrauen.Autoren des 19. Jhdt. sind bemüht, den körperlichen Ausdruck vollständig von sprachlichen Strukturen und Regulierungen freizuhalten.Denn sie glauben, dass die Sprache der Worte, der Vielfalt des Menschen nicht gerecht werden kann. „So werden wir ermahnt, ‚daß wir überall, wo wir Bewegung im Leibe sehen oder errathen, wie auf ein zugehöriges subjektives unsichtbares Leben hinzuschließen lernen. Bewegung ist eine Symbolik für das Auge; sie deutet hin, daß etwas gefühlt, gewollt, gedacht worden ist’. Sie zeigt es unabhängig davon, ob diese Gefühle, Willen oder Gedanken sich durchsetzen konnten bis zur Repräsentanz in der Sprache des Ich.“Gert Mattenklott, Der physiognomische Leib, in: ders., Der übersinnliche Leib. Beiträge zur Metaphysik des Körpers, Reinbek bei Hamburg 1982, S. 31. Worte können lügen, Körperausdruck weniger bis nicht. Zum 20. Jdht. hin ist dieses Wissen schon allgemein geworden. Die Skepsis gegenüber der Sprache verstärkt sich noch. Sprache ist sehr stark in Misskredit geraten. Man glaubte, der Mensch könne gar nicht den Mund aufmachen, ohne sich zu komprimitieren. Man könne nur mit einer Stimme reden, dagegen begehrt der Körper auf, denn der Körper ist mehrsprachig und entsprechend komplex und widersprüchlich ist sein Ausdruck. Film fordert die physiognomische Fähigkeiten heraus. Kino kann zunächst ja nichts anderes, als die Sprache des Körpers sprechen zu lassen.Gesten finden im Kino eine besondere Heimstadt finden. All die Fragen, die sich mit dem Subjekt stellen, all die Widersprüchlichkeiten, die Gesten in sich aufnehmen, all die Eindrücke, die sich in Körpern äußern und all die Ausdrücke, mit denen Körper selbst zur Bedeutung gelangen finden im Kino einen ganz zentralen Raum wichtig! 

Histrionic Code / Verisimilar Code Filmbeispiel „Das Goldene Wiener Herz“ (A, 1911) - zweitältestes Dokument österreichischer Film-Fiction Der Moment von der Halbtotale zur Großaufnahme lässt das Raumgefüge aus den Fugen geraten. Der Fokus der Aufmerksamkeit wird dem Zuschauer vorbestimmt.Die Gesten des frühen Kinos kommen aus dem Theater und wurden, als das Kino erfunden wurde, herübergenommen und im Spiel der Körper hat der Film bis in den späten Stummfilm der 20er das theatrale Erbe keineswegs geleugnet sondern mit ihm gespielt. Im frühen Film 2 Richtungen der Geste: histrionic (theatralische) Code und der Verisimilar Code, den Wirklichkeitsgetreuen Code Theatralische Code: weist in die zweite Hälfte des 19. Jdht. zurück eben ans Theater; zeichnet sich dadurch aus, dass er in gewisser Weise selbstüberlegen auf einen theatralen Zusammenhang weist und nicht direkt auf die Gegebenheiten der realen Welt draußen klassische RahmengeschichteEs gibt einen gewissen vorgegebenen Gesten-Kanon. Man spielt eine Rolle und gibt nicht vor, eine andere Person zu sein. Das wissen Schauspieler, wie auch Zuschauer. Frage ist nicht: Ist es naturgetreu, echt? Sondern Wie gut beherrscht der Schauspieler den vorgegebenen Code? 5 Gestenbereiche ( Pearson; Text) 

1.    

1. Eingefrorene Bild (Corner in Wheat z.B.)2. Everyday Activity3. Conversation4. Immer wenns besonders aufregend, aktionsreich wird, müssen im

Stummfilm Gesten zu Tragen kommen.5. Gestische Selbstgespräche – Körper muss zeigen, was im Inneren

vorgeht Durch das Theater wissen wir, dass Gesten hergestellt sind und dass Gesten trotz aller Künstlichkeit, die eine Bühne oder Leinwandsituation mit sich bringt, authentisch wirken können.Das Theater lehrte, Authentizität nicht als Echtheit des Gefühls oder der Abbildung zu verstehen, vielmehr als Effekt. Authentizität ist immer ein Effekt, etwas Gemachtes.Diese Idee hat sich im 18. Jhdt. durchgesetzt, von Leuten wie Lessing od. Diderot. Diskutierten, ob Gefühle auf der Bühne natürlichen Ursprungs sein müssen oder ob

sie künstlich erzeugt werden. Was ist, wenn wir Gefühle sehen? Sollen wirs empfinden oder aus Technik heraus herstellen? Was auf einer Bühne natürlich wirkt, ist nicht unbedingt erfüllt, nicht natürlichen Ursprungs, vielmehr künstlich hergestellt. Diderot: Es braucht einen kühlen, distanzierenden Blicks seitens des Ausführenden, um Einfühlung in die Gefühle herzustellen. Geste im Kino oder Theater ist eine höchst artifizielle Technik und lässt etwas sichtbar werden, was den Eindruck einer authentischen Empfindung hervorruft.Kino nimmt dies auf. Auch hier: Authentizität ist etwas Hergestelltes, was wir als Authentisch empfinden. Die Künstlichkeit tut dem keinen Abbruch. Verisimilar Code: Offensichtliche Erbe des Theaters vermindert. Gesten sind weniger ausladend, wirken natürlicher. Kino kommt stärker als Realitätsmedium zum Tragen. Das standardisierte Repertoire der Gesten löst sich zunehmend auf. Verlieren an deutlicher ausgestellter Expressivität. Gesten werden ohne betonte Adressierung (Griff an Stirn z.B. deutliches Signal für Zuschauer) gesetzt; Körper fangen an zu sprechen, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass sie sprechen. Radikaler Szenenwechsel auf die Straße Gestenkanon ändert sich; es gibt plötzlich eine Art in die Tiefe gezogenes Bild, ein tiefenscharfes Bild, wo viele zufällige Dinge im Auge des Bilds kommen können. Zum Beispiel ein Hund, der durch das Bild läuft Indiz dafür, dass man nicht immer alles kontrollieren kann. Gesten nun zurückgenommener, noch nicht naturell, aber man merkt deutlich, dass sich hier eine Kamera in ihrer Anwesenheit kund tut und dass es das Auge der Kamera ist, das etwas über den Körper erzählen lässt. Wir sehen über das dritte Auge der Kamera und dieses von der Kamera nahegelegtes Sehen ist ein Sehen, das ständig und immer Physiognomie voraus setzt. Bilder des Kinos sind stumm und wir sind auf die Oberfläche der Dinge angewiesen. Wir sehen Körper und Räume und müssen uns die Bedeutung erschließen. Es ist nicht mehr so, dass über das Theater auf etwas zurückgegriffen wird, das man schon kennt und ist kein vorgegebener Gestenkanon sondern es ist die Kamera, die jetzt die Gesten ermacht, das Medium Film selber. Die Arbeit der Kamera besteht darin, dass es allein dadurch, dass es die Dinge auswählt, uns immer den Appell gibt, gucke alles, was du jetzt siehst, auch wenn es stumm ist so an, dass es dir deutlich signalisiert: Ich möchte dir eine Bedeutung mitteilen. Angewiesenheit auf Gesten des Stummfilms hat Bela Balazs euphorisch begrüßt. Wunderbar, dass wir uns nicht mehr über Worte ausdrücken, sondern die Geste das Grundelement des Ausdrucks ist. Film entspringt der Sehsucht, mit unserem ganzen Körper via selbst Mensch sein zu können. er greift Nietzsche auf, der gesagt hat „Glaubt nicht an die Worte, glaubt an diesen vielschichtigen Körper, der euch etwas über den Menschen mitteilen kann.“ Balazs nimmt dies ins Kino hinein. Hier haben endlich ein Medium, wo wir den Menschen in Bewegung sehen und wo wir und einen physiognomischen Blick entwickeln müssen. „Die poetische Substanz des Films die Gebärde.“Belá Balázs, Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films (1924), Frankfurt am Main 2001, S 25. 

Auch wenn Kino das thetrale Erbe nutzt, so bleibt es den Gesten treu. Sein Mittel ist Bewegtheit der Bilder, die Seelenschaften, das Spiel von Innen/Außen ausloten können. Für ihn auch die Technik des Films zentral. Kino hat nicht nur Welt entdeckt sondern: „Der Film ‚hat die fixierte Distanz des Zuschauers aufgehoben, jene Distanz, die bisher zum Wesen der sichtbaren Kunst gehört hat. [...] Die Kamera nimmt mein Auge mit. Mitten ins Bild hinein. Ich sehe die Dinge aus dem Raum des Films.“Belá Balázs, Der Geist des Films (1930), Frankfurt am Main 2001, S. 15. Der Film kann, dadurch dass er uns in seinen Raum hinein nimmt, vor allem durch die Großaufnahme von Gesicht und Hand uns sozusagen noch mehr zu sehen geben als es ein distanzierter Blick des Theaters z.B. kann. Kann uns auf die kleinsten Feinheiten hinweisen und uns damit immer neuen Stoff geben, Mimik, Gestik, Physiognomie zu lesen. Der geometrische Raum des Kinos ist keiner mehr, der wie unser klassischer Raum Länge, Breite, Höhe hat sondern er wird im Kino zu einem flüssigen Filmraum. Dieser ist derjenige, der den Gesten zuarbeitet, denn in diesem Raum können wir nicht mehr sagen, was ist innen, was außen, was groß, was klein sondern wir sind entweder den Dingen nahe oder bewusst den Dingen so fern gesetzt, dass wir diesen Bedeutungszusammenhang ständig uns neu erschließen müssen – wir sind permanent in diesem physiognomischen Zusammenhang etabliert, engagiert. 

Optisch-Unbewusste Kamera kann zum Registrator des Unbewussten werden, sie kann das Unsichtbare Leben erschließen. Bsp. Schweißhand: Man kann einer Person im Film nicht die Hand geben, aber man kann es so filmen, dass man sieht, ob er eine hat. Diese Fähigkeit, so nah ran zu gehen, dass man über die Schweißhand sehen kann, dass jemand aufgeregt ist, ist genau das, was das Kino zum Registrator des Unbewussten werden kann, im Gegensatz zum Theater, wo diese Detailanalysen nicht möglich sind. „Aber auch im derbhäßlichen Gesicht entdeckt die Kamera den kaum sichtbaren Zug von Zartheit und Güte. Sie durchleuchtet die Vielschichtigkeit der Physiognomie. Sie zeigt das Gesicht, das dahinter steckt. Hinter dem Gesicht, das man macht, das Gesicht, das man hat und nicht ändern noch kontrollieren kann.Die nahe Kamera zielt auf die unbeherrschten kleinen Flächen des Gesichts und kann das Unbewusste photographieren.“Belá Balázs, Der Geist des Films (1930), Frankfurt am Main 2001, S. 19. Das Unbewusste durch die Kamera ans Tageslicht und die Sprache der Körper wird vielschichtig und kann Unterschiedliches gleichzeitig aufnehmen. Optisch-Unbewusst: Wenn wir was ansehen, sehen das, was wir sehen und darüber hinaus auch, weil es eine Kamera ist und die Dinge rahmt, das, was im Inneren des Gegenstandes liegt.

Schöpfer dieses Begriffs ist Walter Benjamin. „Unter der Großaufnahme dehnt sich der Raum, unter der Zeitlupe die Bewegung in ihm. So wird handgreiflich, dass es eine andere Natur ist, die zu der Kamera als die zum Auge spricht. (Die fundamentale Differenz, dass etwas Aufgenommenes schon dadurch eine neue Wertigkeit erhält) Anders vor allem so, dass an die Stelle eines vom Menschen mit Bewusstsein durchwirkten Raums ein unbewusst durchwirkter tritt. (Im Kino sind wir immer mit einem Raum konfrontiert, der durch das Unbewusste strukturiert, durchwirkt ist.) Ist es schon üblich, dass einer vom Gang der Leute, beispielsweise, sei es auch nur im Groben, sich Rechenschaft ablegt, so weiß er bestimmt nichts mehr von ihrer Haltung im Sekundenbruchteil des Ausschreitens. (Man ist in U-Bahn, sieht Gang an, macht kleine Rückschlüsse, man kann im Groben etwas sehen, aber man kann nicht sehen, was im Sekundenbruchteil eines Ausschreitens passiert, wie es der Film zeigen kann)Ist uns schon im Groben der Griff geläufig, den wir nach dem Feuerzeug oder Löffel tun, so wissen wir doch kaum von dem was sich zwischen Hand und Metall dabei eigentlich abspielt, geschweige wie das mit den verschiedenen Verfassungen schwankt, in denen wir uns befinden.(In unterschiedlichen Gemütsverfassungen nehmen wir z.B. den Löffel nicht gleich. Oder Rückschlüsse darauf ziehen, wie jemand den Löffel nimmt.) Hier greift die Kamera mit ihren vielen Hilfsmitteln – ihrem Stürzen und Steigen, ihrem Unterbrechen und Isolieren, ihrem Dehnen und Raffen des Ablaufs, ihrem Vergrößern und ihrem Verkleinern ein. Vom Optisch-Unbewussten erfahren wir erst durch sie, wie von dem Treibhaft-Unbewussten durch die Psychoanalyse.“Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: ders., Gesammelte Schriften Band I, 2, Frankfurt/Main 1991, S. 461. Die Kamera ist eine soziale Psychoanalyse ihrer jeweiligen Zeit. Balazs: Die Dinge sind leichter zu photographieren als die Gefühle – Recht hat er. 

Die Hände Paul Orlacs Film: Orlac’s Hände (Robert Wiene, A 1924) Mischung aus Kriminalfilm & Psychothriller. Zentralfigur gespielt von Konrad Veit. Orlac braucht seine Hände als Liebender und Künstler. Sie sind sein Leben. Hat Unfall. Hände sind zerstört. Chirurg soll seine Hände retten. Der Arzt rettet ihn, die ersten Verbände werden gelöst. Doch mit seinen Händen stimmt etwas nicht, bleiben bandagiert. Orlac ist nervös. In seinem Gesicht zeigt sich seine innere Verfassung. Plötzlich taucht ihm ein fremdes Gesicht auf. Orlac verfolgen Bilder in seinen Träumen. Die dunkle Gestalt erscheint im Traum. Die Faust des Unbewussten ist

ausgefahren. Wieder spielt Schrift eine Rolle: Ein Toter ist Teil seines Körpers – ein Mörder. Orlac hat die Hände eines Mörders. Er ahnt, die Hände und der Körper gehen nicht mehr zusammen. Paul Orlac wird mit einem zweiten Ich leben müssen, das in seinem Bewusstsein Ansprüche stellt. Es ist nicht mehr das Ich, das die Gesten macht, vielmehr werden es die Gesten sein, die das Ich machen. Wer bestimmt das, was eine Geste an Bedeutung herstellt?Die rational hergestellte Geste ist jetzt nicht nur das Produkt eines Herstellungsprozesses, sie ist auch seine Erweckerin.Orlac gerät in ein psychische Spirale, dass er glaubt, der Mörder zu sein – das Gestische greift auf ihn über. Diese totmachenden Hände dürfen nie mehr einen Menschen berühren. Auch sein Flügel bleibt unberührt. Sein Heim wird zu einer Aura des Unheimlichen.Dann macht er eine Probe der Handschrift: Orlac kann das nicht als Indiz werten, dass er er selber ist, weil er sieht Unterschiede zwischen seiner neuen und alten Handschrift. Aber die Zuschauer wissen mehr, sie sehen die Verwandtschaft der Handschriften.         30.11.2009 Begleitkurs Sätze in Folien sollen nicht auswendig gelernt werden sondern verstanden werden. Anhang zur letzten Stunde: Körper bedeuten als Gesten.Trifft man die Körper im Kino wieder, sind sie in einen Raum gestellt; muss sie auch im Raum immer sehen und dieser Raum arbeitet dem Optisch-Unbewussten zu.Dreiklang, der Geste ausmacht: Seele, Gefühl und Ausdruck. Orlac hat Identität und somit dieses Zusammenspiel verloren und erlebt dies als Schrecken. Dies muss im Kino aber keinesfalls immer eine Bedrohung sein. Andere Regisseure, Schauspieler sehen darin eine Möglichkeit, sich selbst zu befragen. z.B. John Cassavetes; Sohn griechischer Einwanderer; gehört zu „New Hollywood“; ganz spezielle Auffassung vom Filmemachen: rigoros Gemeinschaftlichkeit; Geht ihm immer darum, zu testen, wie man sich selbst finden kann, und das immer durch Selbstauflösung; Er versucht, das Identitätskorsett aufzulösen. Schauspieler sollen

nicht nach einer Grammatik spielen, sondern sich auf eine Probe zu stellen; keine abrufbaren Codes verwenden. Was er überhaupt nicht mag, ist Virtuosität.Gena Rowlands, Gattin und Hauptdarstellerin in „Opening Night“ Gemeinschaftlichkeit, immer mit Freunden, z.B. Peter Falk „Opening Night“ (1977) Gena Rowlands spielt Schauspielerin in einer Identitäts-Krise; probt neues Stück und Körper und seine Zeichen lassen sich nicht mehr zusammenbringen, Grundelement, was man gestische Einheit nennen kann.Weg auf die Bühne – und dann wieder ins Leben wie soll das funktionieren?Reibungsflächen zwischen Theatralem und dem Leben beeinflussen Gesten, laufen aus dem Ruder. Man ist sich nicht mehr sicher, wen man vor sich hat, die Schauspielerin auf der Bühne, die Schauspielerin, die die Rolle spielt oder am Ende doch Gena Rowlands?Das stabile Subjekt gibt es in diesem Film nicht mehr, soll auch nicht. Das Subjekt, der Mensch als Motor des Gestischen ist an keinem Ort mehr aufgehoben. Für Cassavetes gilt: „Der Zusammenbruch ist der erste Schritt zum Durchbruch.“Premiere im Film wird Desaster, Gena ist sturzbetrunken, muss gestützt werden. Am Ende aber schafft sie es doch, aufgrund ihrer Ehrlichkeit zu sich selbst, das Publikum für sich zu gewinnen. Unsicher, wie haltbar das alles aber ist. „Der Körper ist dort, wo man den Boden unter den Füßen verliert.“ Sprachliche Seite der Gesten: in Rhetoriklehren, Gesten als Sprache zu verstehen. Erst im letzten Jahrhundert: Mensch zu komplex, um Gesten als Sprache zu verwenden.3.12.2009 7 – Über die Form einteilen: Dokument & Fiktion  1. Dokumentarische Wirklichkeit- Diskursiver Zusammenhang- Flahertys Protest 2. Dokumentarischer Querschnitt- Wahrnehmungsform Großstadt- Ruttmanns Sachlichkeit 3. Dokumentarische Reise- Durchstreifender Essay- Markers Zweifel   „Auch wenn man nicht behaupten kann, dass sie [Aktualitätenfilme, EB] die rohe, unberührte Wirklichkeit wiedergeben (einmal davon abgesehen, wie mythisch ein solcher Begriff ist), lässt sich feststellen, dass die Art und Weise, wie sie die Realität

formen und mit ihr ‚interferieren’, vor allem auf dem Akt des Schauens und der Beschreibung beruht.“Tom Gunning, Vor dem Dokumentarfilm. Frühe non-fiction-Filme und die Ästhetik der „Ansicht“. In: KINtop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films. Nr. 4. Basel/Frankfurt a. M. 1995, S. 116. Die frühen Filme, die man heute als dokumentarisch bezeichnen würde, haben die Welt angeschaut und versucht sie beschreiben. Der 1. Weltkrieg hat eine andere Form des Non-Fiction Films hervorgebracht: Er hat die Bilder instrumentalisiert, er hat den Bildern eine Redeweise zugeordnet, er hat sie einer Tendenz untergeordnet. versucht, das Non-Fiction Kino zu Propaganda-Zwecken zu benutzen.Relativ unbeholfen, aber mit deutlichen Absichten hier beginnt ein Bruch Merkmale schälen sich heraus, die man später unter dem Begriff Dokumentarfilm zusammenfasst, dennDokumentarfilm beschreibt nicht nur, er interpretiert bewusst. Gibt den Bruch an zwischen den Aktualitäten- und den späteren Dokumentarfilm. Jahre des 1. Weltkriegs haben Beginn des dokumentarischen Kinos ausgelöst. John Grierson (1898-1972) Begründer & Organisator der britischen Dokumentarfilm-Bewegung der 30er; haben soziale Brennpunkte aufgesucht und eine Welt in Bick gefasst und diese zu interpretieren versucht, die vorher im Film so nicht zu sehen war (z.B. Obdachlose, Leute mit Wohnungsprobleme = Sozial-Reportagen)1933 sehr einflussreichen Aufsatz, in dem er auch über Filme von Flaherty (1884-1951) behandelt; für dessen Filme setzt er zum aller ersten Mal die Bezeichnung des „Dokumentarfilm“ ein und will sie deutlich von anderen Filmen abgrenzen.Unterscheidet zwischen zwei großen Schulen: 

Die, die auf natürlichem Material beruhen, Wochenschauen, wiss. Filme, Lehrfilme, die beschreiben

Der Dokumentarfilm: Übergang non-fiction Film / Dokumentarfilm meint: „von einfachen (oder phantasievollen) Beschreibungen eines natürlichen Materials hin zu dessen Anordnung, Neuanordnung und kreativer Gestaltung“John Grierson, „First Principles of Documentary“. In: Hardy Forsyth (Hg.), Grierson on Documentary. New York 1947, S. 100. „Mein besonderer Anspruch für den Dokumentarfilm ist nur der, dass er bei der Darstellung des Lebens auch eine Gelegenheit zur schöpferischen Arbeit bietet. Dabei meine ich, dass die Wahl des Dokumentarfilm eine ebenso schwerwiegende Arbeit darstellt wie die Wahl der Poesie statt der Prosa.“

John Grierson, Grundsätze des Dokumentarfilms. In: Eva Hohenberger (Hg.), Bilder des Wirklichen. Texte zur Theorie des Dokumentarfilms. Berlin 1998, S. 103. Dokumentarfilm = eigene poetische Form, im Gegensatz zu anderen Formen, die nur aufnehmend, registrierend und beschreibend verfahren. Dokumentarfilm beschreibt eine somit Haltung zum Film: eine diskursive Haltung: man trägt Teile der Wirklichkeit hin und her, man legt sie ab, man bringt sie in neue Beziehungen, man überlegt, wie man einen Zusammenhang herstellt, um das, was man zeigt, überhaupt begreiflich zu machen. Das Dokumentarische geht weit über Bestandsaufnahme der vorgefundenen Wirklichkeit hinaus; präsentiert eine Sichtweise und stellt diese mittels der Bilder aus; verknüpft das Dokument mit einer Geschichte; entwickelt eine Poetik. 1.2. Flahertys Protest Grierson bewundert das Schöpferische in seinen Filmen und seiner Art der Arbeit. „Abgesehen von der Frage der Theorie und Praxis erläutert Flaherty besser als jeder andere die Grundsätze des Dokumentarfilms. 1. Er muss seinen Stoff (also was er machen will) an Ort und Stelle meistern und ganz und gar mit ihm verwachsen, um ihn zu beherrschen. Flaherty vergräbt sich ein paar Jahre lang und lebt unter den Leuten, bis sich die Handlung von selbst ergibt. 2. Er muss ihm in der Unterscheidung zwischen beschreibender und dramatischer Form folgen. Ich glaube zwar, dass es noch andere Formen des Dramas, oder richtiger gesagt: des Films gibt, als die von ihm gewählte, aber es ist wichtig, grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einer Methode, die nur die oberflächlichen Eigenschaften eines Gegenstandes beschreibt, und jener, die mehr mit plötzlicher Gewalt das wahre Wesen enthüllt. Man photographiert das natürlich gegebene Leben, aber man gibt auch durch die Nebeneinanderstellung der Details eine Erklärung dafür.“ (Man filmt nicht nur sondern schaut auch, wie sisch diese Wirklichkeit konstelliert, man versucht eine Erklärung für das, was sich als Wirklichkeit zeigt, zu geben)John Grierson, Grundsätze des Dokumentarfilms. In: Eva Hohenberger (Hg.), Bilder des Wirklichen. Texte zur Theorie des Dokumentarfilms. Berlin 1998, S. 104 Der Dokumentarfilm soll Zusammenhänge herstellen; es gilt, Wirklichkeit nicht nur abzufilmen sondern sie in ihren inneren Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, sie zu durchdringen. In 70ern formuliert Kluge: „Das Motiv für Realismus ist nie Bestätigung der Wirklichkeit, sondern Protest.“Alexander Kluge, Die schärfste Ideologie: daß die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft. In: ders., In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. hrsg. v. Christian Schulte. Berlin 1999, S. 128. 

es geht nicht darum, die Wirklichkeit zu wiederholen, bestätigen, sondern Protest kommt zustande, wenn man sich überlegt, wie sich konkrete Lebensbedingungen zusammensetzen, wie man Wirklichkeit nichts als etwas Vorgegebenes, dem man folgen muss, versteht; Wirklichkeit ist nicht Substanz (das Wesen) sondern ist ein Fabrikat. Film „Nanook Of The North“ (Robert Flaherty, USA 1922) Geschichte eines Einzelnen und gleichzeitig einer allgemeinen Lebensweise – wichtig; einer fremden Kultur und gleichzeitig einer der entwaffnenden Menschlichkeit.Das Allgemeine im Exemplarischen Flaherty’s Vorschläge für den Dokumentarfilm, um die Wirklichkeit als Protest auszuweisen: 

1. Dokumentarfilm braucht Dauer. Flaherty zw. 1910 & 1916 an Expeditionen in Antarktis teil. Entdeckt 1913 den Film als wissenschaftliche Aufzeichnungsmethode. Das Negativ des ursprünglichen Films wird zerstört, Film im Arsch. Flaherty sieht seine Fehler in der ersten Konzeption (reine Beschreibung, Aufzeichnung...). Man soll probieren, sie so zu filmen, wie sich selbst sehen. Lebt nun mit Eskimo-Familie.

2. Braucht sinnhafte Verankerung im Wirklichen. Eine Szene an andere zu fügen genügt nicht, um etwas über Kultur, Lebensweise zu erfahren. Dinge brauchen internen Bezug, einen verbindlichen Faden. Er macht Film über einen Eskimo, mit dem man sich dann auch identifizieren kann.

3. Geschichte braucht Forschergeist: Geduld & Neugierde. Müssen sich auf Thema einlassen. Wissen leitet sich von Sehen ab und nicht umgekehrt. Filmemacher braucht eine solide und wohldurchdachte technische Ausstattung.

4. Die Form(el?) einer Geschichte braucht Kommunikation. Flaherty hat nicht nur Kameras, auch Entwickler, Schneideausrüstungen und Projektionsgerät. Er zeigt die Aufnahmen Nanook und seiner Familie, sucht die Zwiesprache. Hält in seinen Erinnerungen fest, dass er bei keiner Vorführung kein so ein völliges Aufgehen mit dem Geschehen auf der Leinwand erlebt hätte wie bei den Eskimos.

5. Geschichte braucht Wahrheit, mein nicht sklavische Abbildtreue. Wahrheit ist vielmehr das Ergebnis von filmischer Konstruktion. Zeigt sich bereits bei Dreharbeiten: Eine Zeit des Wartens, des Beobachtens, des Auslotens der Atmosphäre in diesem kargen Eskimo-Land. Flaherty möchte so etwas herstellen wie Authentizität, greift aber oft ein in das Vorgefundene, ist teilweise aufs höchste fiktiv (z.B. als er die Eskimos einen unnatürlich großen Iglu bauen lässt, um darin auch filmen zu können). Viel in dem Film war falsch und extra für die Kamera gemacht, tut der Dimension eines Authentischen aber kaum einen Abbruch, es kann trotzdem Wahrheit über das Leben zeigen.

 Dokumentarfilm, der nicht nur Bilder des Lebens nebeneinander stellt, sondern der, der auch erklären möchte, wie sich die Wirklichkeit zusammensetzt, kommt nicht

umhin, Elemente des Erzählen, des Interpretierens in diese vermeintliche vorgefundene Wirklichkeit einzuführen.In diese Filme wird eine Geschichte „hinein geschmuggelt“; in jedem Dokumentarfilm steckt deutlicher fiktionaler Anteil Haltung des Filmemachers gegenüber der Welt bekundet ihren Zugang zur Welt mit. Man zeugt durch Montage, Bildauswahl immer eine Art Richtung, wie man das, was man vorfindet, interpretiert. All das schafft Fiktion.  „Man könnte Flahertys ‚leicht angedeutete Handlung’ einen interpretierenden Bericht nennen, der an Dichtung grenzt.Die unvermeidliche Folge seiner Lösung ist, dass sie das Publikum nicht zu so intensiver Beteiligung zwingt, wie es ein ausgesprochener Spielfilm zu tun vermöchte.“Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Frankfurt am Main 1985, S. 327. Wenn diese Art von angedeuteter Handlung funktionieren soll, können wir als Publikum immer noch in diesen Bilder herumwandern und uns wird nicht eine Sichtweise aufoktruiert. Genauso deutlich: Fiktion wird im Dokumentarfilm zu einem anderen Moment der Realität gaaanz wichtig! 2. Dokumentarischer Querschnitt Gegenpol zu „Nanook“: „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (Walter Ruttmann, D 1927)Ruttmann war Anfang 20er Filmavantgardist, hat Filme gedreht, wo nur tanzende Formen, Kreise auf Leinwand zu sehen waren.Berühmt, aber auch umstritten.

Macht innere Verwandtschaft zweier Wahrnehmungsmodelle sichtbar: der Großstadt und des Films – die Art, wie man Großstädte angeschaut hat, wie man gezwungen war, Großstädte zu sehen war ganz ähnlich, wie man im Kino angefangen hat, fragmentierte, zerstückelte Wirklichkeit anzuschauen. Form des großstädtischen Sehens ist in die Form des Sehens im Kinos eingeflossen.

Kommt aus der Epoche der „Neuen Sachlichkeit“: Versucht, die Wirklichkeit möglichst exakt, genau ohne viel emotionalem Zutun aufzuzeichnen. Diese Neutralität hat dem Film zugearbeitet, denn Kamera zeichnet ja erstmals alles ohne Zusatz auf. Kamera ist ein hochexaktes Medium, anders als ein Bild, das gemalt werden muss. „Es handelt sich um die Ding-Entdeckung nach der Ich-Krise (d.h. nach dem Expressionismus, der Epoche davor). [...] Nach den Ekstasen des Expressionismus suchte man die Nüchternheit des Blicks.Die Neue Sachlichkeit erscheint dagegen als der Versuch, in einer welthistorischen Stunde der Unsicherheit, nach den Zerstörungen eines Krieges, inmitten politischer, ökonomischer, sozialer und intellektueller Krisen, der augenscheinlichen Gestalt der Dinge aufs neue habhaft zu werden und sich an sie zu halten. Den Blick zu richten

auf das Hier und Heute, darum ging es, den Blick aus dem Fenster und auf den Alltag und den Asphalt vor dem Haus, den Blick auf die Gasse und in die Gasse, in die Fabrikhalle und in die Schiffswerft, in den Operationssaal und ins Bordell ...“Katalog zur Ausstellung „Neue Sachlichkeit“, 1925. Man muss raus aus dem großen expressiven, selbstbezogenem Ich-Moment, der die Wirklichkeit gestaltet, man muss einen ganz kühlen, klaren auf das werfen, was vor der Haustüre liegt. „Berlin“ gilt als ganz großer Vertreter.Und wird als „Querschnittsfilm“ bezeichnet. Zeigt einen ganzen Tag in Berlin aus einzelnen Mosaikteilen, legt also einen Querschnitt durch einen Tag in Berlin 1927. „Das ist eine neue Welt. Das ist das neue Milieu. Wir brauchen keine Studios mehr, keine Schauspieler, kein Atelier.“Die Idee zu einer Großstadtsinfonie, einem ‚Dokumentarfilm ohne Tendenz und ohne Handlung’, nimmt Gestalt an, Berlin vom Morgengrauen bis tief in die Nacht, wird Thema und einziger Hauptdarsteller dessen Films. Euphorisiert und dem damaligen Zeitgeist verbunden, skizziert Mayer: „Gigant Berlin! Aus dem Schlag sich reckend. An allen Orten, in allen Häusern, aus allen Straßen anwachsend zum Tag. Dieser Tag sollte es sein, vom Morgen – zum Morgen wieder. Ein Tag Berlins! Mit seinen millionenfach emporsteigenden Gesichten. Trubel der Weltstadt, in Bildern zueinander komponiert, was sonst aneinander vorbei lebt, rattert, rast...! Arbeit! Glanz! Elend! Licht! Leben! Tod! Eine Sinfonie des Wirklichen mit den ureigensten Mitteln des Films, Bewegung, Rhythmus, Einstellungen und Schnitt instrumentiert. Eine Sinfonie sollte es sein, den Besucher mitreißen [...] Ein Hohelied der Stadt, der Zeit, des Jahrhunderts – des Film!“Carl Mayer zitiert nach: Jeanpaul Goergen, Walter Ruttmann. Eine Dokumentation. Berlin 1989, S. 115. Ruttmann wollte mit diesem Film: 1. Konsequente Durchführung der musikalisch-rhythmischen Forderungen des Films, denn Film ist rhythmische Organisation der Zeit durch optische Mittel. 2. Konsequente Abwehr vom gefilmten Theater. (keine expressiven Gesten, Ausdrucksmomente, ausladende Körper usw.)3. Keine gestellten Szenen! Menschliche Vorgänge und Menschen wurden ‚beschlichen’. Durch dieses ‚Sich-unbeobachtet-glauben’ entstand Unmittelbarkeit des Ausdrucks. 4. Jeder Vorgang spricht durch sich selbst – also: keine Titel!“Walter Ruttmann zitiert nach: Jeanpaul Goergen, Walter Ruttmann. Eine Dokumentation. Berlin 1989, S. 79. Man dreht 18 Monate. Legende: Kein gefilmter Mensch soll Kamera wahrgenommen haben. Der Film und die Herangehensweise spaltet: Erfährt Hochachtung & Respekt, denn er bringt mit dieser kühlen klaren Art Neues und Eigenständiges. Viele Kritiker

bemängelten Bedeutungsleere; der Film droht, sich in seinen Formen zu erschöpfen; Aussagen, die sich vom Film ablesen lassen, sind auf keine gesellschaftlich relevanten Erkenntnisse zurückzuführen, führen auch zu keinen; Ruttmann bleibe bei einer formalen Haltung gegenüber der Realität; sei gar kein wirklicher Dokumentarfilm, denn er bestätige Wirklichkeit nur, durchdringe sie nicht.Kracauer nicht gemocht. „Statt den gewaltigen Gegenstand in einer Weise zu durchdringen, die ein echtes Verständnis für seine gesellschaftliche, wirtschaftlichte und politische Struktur verriete [...] lässt Ruttmann tausende Details unverbunden nebeneinander bestehen und schaltet höchstens frei ersonnene Überleitungen ein, die inhaltsleer sind. Allenfalls liegt dem Film die Idee zugrunde, dass Berlin die Stadt des Tempos und der Arbeit sei – eine formale Idee, die erst recht zu keinem Inhalt führt und vielleicht darum die deutschen Kleinbürger in Gesellschaft und Literatur berauscht. Nichts ist gesehen in dieser Symphonie, weil nicht ein einzig sinnvoller Zusammenhang von ihr aufgedeckt worden ist.Siegfried Kracauer, Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Frankfurt am Main 1984, S. 198.   Kracauer war großer Flaneur und hat sehr differenzierte Stadtbeobachtungen, kleine Mosaike, kleine Miniaturen geschrieben. In „Aus dem Fenster gesehen“ gibt Kracauer eine Idee vor, wie man zur Erkenntnis der Städte kommen könnte: „Die Erkenntnis der Städte ist an die Entzifferung ihrer traumhaft hingesagten Bilder geknüpft.“Siegfried Kracauer, Aus dem Fenster gesehen    3. Dokumentarische Reise Durchstreifender Essays – ein Essay, der so mäandert, herumgeht, eben streift. Traumhaft hingesagte Bilder gibt es natürlich auch im Kino: Film „Sans Soleil“ (Chris Marker, F 1982) Arbeitet mit dokumentarischen Bildern, die er auf Reisen aufsammelt. Führt nach Japan, Island, Ghana... und auch in virtuelle Welt des Cyberspace: Filmt auch Leute, die sich in diesem damals noch unentdecktem Raum des Computers aufhalten. „SANS SOLEIL ist kein ethnographischer Film, der uns zu unbekannten Ethnien führt, kein dokumentarischer Film, der uns unbekannte Sachverhalte erschließt, kein narrativer Film, der eine Handlungsfigur als einen Reisenden von einem Hier nach

einem Dort schickt. SANS SOLEIL ist ein Film-Reisen, ein Weg-Sein von der vertrauten Umgebung, ein Durchstreifen von Orten, Zeiten und Ideen.“Wolfgang Beilenhoff, Andere Orte: SANS SOLEIL als mediale Erinnerungsreise. In: Birgit Kämper, Thomas Tode (Hrsg.), Chris Marker. Filmessayist. München 1997, S. 110. Manche Rezensenten meinen, er sei ein Labyrinth und ein Faden gleichzeitig. Zugleich ist es ein Dokumentarfilm, der im Gegensatz zu Ruttmann niemals behauptet, objektiv zu sein. Spricht den Bildern, die eine Kamera aufzeichnet, generell ab, dass sie allgemein verbindlich sein können. Wird nie behaupten „so ist es gewesen“ oder „das ist Wirklichkeit“, sondern dieses „so ist es gewesen“ kann immer nur Teil eines Bildgehaltes sein, denn „Sans Soleil“ weiß eines: Technisch reproduzierte Bilder sind doppelgültig. Sie perfektionieren bestimmte Aspekte dessen, was sie auswählen, und unterschlagen dafür andere. Weiß auch: Kamera sehen besser als das Auge, Kameras weiten das Feld des Sichtbaren. Doch behauptete Objektivität ist eine Täuschung. Objektivität verdeckt das Bildhafte der Bilder, unterschlägt das kulturelle Konstrukt der Bilder. Bilder sind Vermittler zwischen uns und der Welt. Kinobilder sind für Marker Medien, Vermittlungsinstanzen, Durchgangsstationen. Da ist „Sans Soleil“ unnachgiebig, denn: Mit jedem Bild hat man eine Wirklichkeit, auf die man schaut, aber auch zugleich eine Erinnerungsspur, etwas woran sich dieses Bild sozusagen erinnert, man hat de Mosaik-Splitter eines Gedächtnisses. Dieses Gedächtnis ist immer instabil, denn jedes neue Bild schreibt dieses Gedächtnis wieder um und macht aus den vermeintlichen Dokumenten immer wieder Fiktion.Wie soll man den Film beschreiben bzw. was ist der Überbegriff? Der Überbegriff, der sich eingebürgert hat, ist der Begriff des „Essayfilms“.   Was ist ein Essayist? „Der Essayist, ein Navigator in unsicherem Gewässer, der seitliche Suchbewegungen mit der Arbeit an der fortlaufenden These zum Ausgleich zu bringen sucht.“Peter Sloterdijk Er hat natürlich eine Idee, weicht von dieser aber auch ab und geht verschiedenste Verzweigungen ein, geht verschiedenen Wegen nach, um Dinge immer wieder neue auszuprobieren, auszuloten. Adorno meint in „Der Essay als Form“: Essay meint in seiner Begriffsherkunft ursprünglich „Erwägen“, also man legt ab. 

Essay ist eine Art von Suchbewegung, die eine ganz besondere Art von Zeitlichkeit hat, denn: alles, was auf der Suche eingesammelt wird, behauptet nicht von sich „ich bin für die Ewigkeit gemacht“ sondern „alles, was vergänglich ist, ist das, was für mich wichtig werden kann und deshalb wird ich es auflesen“.

D.h. Essayfilme zielen nicht auf Abgeschlossenheit etwas Endgültiges, sondern es geht ihnen, um eine Art Kommunikation mit den Dingen und es geht nicht um den Besitz der Dinge und deren Festschreiben.

Essayfilme sind sehr persönliche Filme, man sieht in ihnen noch eine Art Handschrift. Was macht man, wenn man eine Handschrift in einen Film einbringen möchte? Man erfindet einen Begriff, was die Kameraarbeit tut. In den Essayfilmen wird die Kamera benutzt wie ein Kamera-Stylo, ein Kamera-Stift. Sie wird geführt wie der Schriftsteller seinen Stift benutzt, persönlich, literarisch versiert, relativ gebildet und auch mit den anderen Künsten immer wieder im Austausch. D.h. die Kamera muss gleichsam in die rechte Hosentasche passen, sie muss Platz lassen für imaginäre Welten und sie muss immer Aufzeichnungen oder Lesemaschine für eine persönliche Landschaft der Worte und Bilder werden. Bei Marker ist dies ganz stark der Fall.

Die Montag in diesem Film ist auch keine Montage, die sich der Chronologie verschrieben hat. Bei Nanook machen wir mit ihm die Reise durch ein Jahr, bei Essayfilmen verweigert sich die Montage diesem Linearen, sie ist assoziativ, sprunghaft, höchst interpretierend. Die Kamera legt immer wieder verschieden Schichten zueinander und übereinander. Die Kamera und v.a. die Montage schafft damit eine Art komponiertes Gewebe. Marker sagt auch, man soll in der Stadt Tokyo wie in einer Art Partitur lesen

Die Behandlung von Bild & Ton: Wir sind gewohnt, dass Bild & Ton sich ergänzen, dass Ton erzählt, was man ihm Bild sehen kann und dass die beiden sozusagen sich immer wieder die Bälle auf eine sehr direkte und unmittelbare Weise zuspielen. Marker schreibt dazu: „Der Text kommentiert die Bilder so wenig, wie diese den Text illustrieren. (d.h. bitte keine Bilder für Text wie man das in den Nachrichten z.B. kennt: der Text ist das Zentrale, die Bilder sind illustrativ) Es sind zwei Serien von Sequenzen, und es kommt freilich vor, dass sie sich kreuzen und sich Zeichen geben, aber der Versuch, sie zu konfrontieren wäre unnütz und ermüdend. Man nehme sie daher in der Unordnung in der Einfachheit und Verdoppelung, so wie es in Japan allen Dingen zukommt.“Chris Marker, Fremdland Ausschnitt, den wir gesehen haben: Immer in der Formel „He wrote“ Der Film hat in der gesamten Tonspur diese Idee des Briefes, also einer ist auf der Reise und bekommt Briefe und auf diesen Reisen vermischt sich dann das, was man sieht, mit dem, wie die Briefe etwas aus der Wirklichkeit kommentieren. Im Prinzip ganz raffinierte Verschachtelung von verschiedenen Wahrnehmungsweisen, die alle ihre Fäden zusammenspielen lassen in der Figur von Marker selbst.Die Leitfrage des Films: „Ich werde mich mein Leben lang danach fragen, wie Erinnerung funktioniert, die nicht das Gegenteil von Vergessen ist, vielmehr seine Kehrseite. Man erinnert sich nicht, man schreibt das Gedächtnis um, wie man die Geschichte umschreibt.“ Diese Form des Umschreibens der Geschichte hat Marker viele Jahre später, 1997, versucht, wieder aufzugreifen, indem er eine interaktive CD-

Rom gemacht hat, wo man selbst, das was man zusammenstellt immer wieder in neue Konstellationen bringt, und diese CD trägt den Titel „In Memory“.Was macht nun Sans Soleil, um diese Zeitlichkeit, diese Verschleierungstaktiken weiterzuführen? Wie versucht dieser Film, der Frage, was ist Erinnerung, die nicht Gegenteil von Vergessen ist, auf der Spur zu bleiben?Er macht es hauptsächlich über die Foren. Er findet und kommentiert die Bilder. Was für Bilder sind das? Er findet die Bilder für das nicht Lineare, das, was keine Kontinuität bringt. Aber Marker macht auch ganz andere Dinge. Versucht auch die Verdichtung der Zeit, auf die er immer wieder anspricht mit einem Bild oder Bildern umzusetzen. Er geht in eine Zone, diese Zone ist der virtuelle Raum. Darin ist jeder aufgerufen, sich ein eigenes Gedächtnis zu bilde, sich seine eigene Geschichte zu entwerfen. Geht sogar soweit, dass manche Japaner, die in der vermeintlichen Zone leben, sagen, dass, sobald sie ins Internet gehen, es kein Vorher und Naher für sie mehr gäbe. Das sei der permanente Traum, um eine andere Zeitlichkeit herzustellen. So verbindet Sans Soleil diese verschiedne Zeitkonzepte, einerseits des es Gedächtnisses, andererseits einer Zeit, die überhaupt nicht mehr chronologisch funktioniert.Ganz wichtig bei diesem Film ist: Ist sehr offen angelegt, er nimmt uns nicht so bei der Hand, dass er sagt, „diesen Weg geh jetzt mit mir“ er sagt auch niemals“ schau die Welt an, wie ich es tue“, sondern er setzt immer wieder Freiräume. Er sprengt das Lineare, sucht immer wieder Orte auf und versucht damit das, was er als Gedächtnis bezeichnet, umzuschreiben. Es ist ein Film, der etwa aufkommen lässt, was man als Zweifel bezeichnen kann. Denn was sind jetzt wirklich die dokumentarischen Bilder? Am Anfang hat es noch so ausgeschaut, als würden uns diese dokumentarischen Bilder in eine Welt mit hinein nehmen und etwas über die Wirklichkeit erzählen. Wenn wir aus Nanook rausgehen, haben wir und glauben es zu haben, einen Eindruck von der Welt eines Eskimos. Beim Berlin-Film wissen wir relativ wenig, wie Berlin strukturiert ist über das topgrafische hinaus, aber trotzdem gibt es so etwas wie “das ist Berlin, 1927“. Bei Sans Soleil kann man so was nur ganz schwer aufrecht erhalten. Man wird nicht sagen können „ich sehe jetzt wirklich Japan“ sondern man sieht einen Blick auf Japan. Dieser Zweifel, der im Dokumentarischen steckt, ist aber kein Dilemma, sondern er ist schon in den früheren Filmen immer wieder vorhanden, denn er gehört in gewisser Weise zum Dokumentarischen dazu. „Die ständige Unsicherheit darüber, ob dokumentarische Wahrheit möglich ist, oder ob sie von vornherein verworfen werden muss, der ständige Zweifel, ob das, was wir sehen, auch mit der Wirklichkeit übereinstimmt, stellen keinen Mangel dar, der verleugnet werden muss, sondern im Gegenteil das entscheidende Charakteristikum dokumentarischer Formen“Hito Steyerl, Die dokumentarische Unschärferelation. In: ders., Die Farbe der Wahrheit. Dokumentarismen im Kunstfeld. Wien 2008, S. 11. 10.12.2009 8 – Formen radikaler Autorschaft – Kino der Erfahrung 

Zum Thema Inszenierungsformen: Sind Ausdrucksformen; sie hängen davon ab, welche Eindrücke das Subjekt der Inszenierung vorher gesammelt hat. Genauer: Die Formen der Inszenierung stehen immer in einer dynamischen Beziehung zu den Formen unser Wahrnehmung. Unser Ausdruck ist immer eine verarbeitete Form dieser unserer Wahrnehmung. Die Inszenierung ist daher stets das Ergebnis einer Transformation, eben transformierte Wahrnehmung. Die künstlerische Arbeit besteht hier in der Verdichtung der Konzentration oder eben im Weglassen. Die Inszenierung ist der Aufbau eines Konstrukts. Das auch dokumentarische Verfahren auf Inszenierung angewiesen sind, haben wir bereits gelernt (Flaherty) – „creative treatment of reality“ (Grierson) Anfang der Entwicklung des deutschen Autorenfilms  „Alles, was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch; aber welche Gestalt es in diesem Kopf annimmt, hängt sehr von den Umständen ab.“Friedrich Engels Der Anfang wird Anfang der 60er datiert und ist verbunden mit dem Oberhausner Manifest 1962: Auf den Oberhausner Kurzfilmtagen im Februar 1962 haben 26 Regisseure das Manifest unterschrieben.War eine Kampfansage gegen das Kino der 50er: „Opas Kino ist tot!“Gab es wenige Jahre vorher schon in Frankreich mit der „Nouvelle Vague“, angeführt von u.a. Chabrol, Godard, Truffaut, Rivette. Die jungen Filmemacher in Deutschland, meisten wohnten in München und kannten einander schon gut haben irgendwann „À bout de souffle“ (Godard) gesehen und meinten „Das können wir auch“. War erstens also eine Art Nachahmungseffekt, sie wollten da gleichziehen. Die Franzosen waren alle eigentlich Kritiker, Autoren v.a. bei den „Cahiers du Cinema“ und haben schon in den 50ern vieles von dem, was sie danach filmisch umgesetzt haben, in der Auseinandersetzung mit v.a. amerikanischen Filmen wie Hitchcock gelernt. Diese Orientierung am amerikanischen Kino, an Hollywood hat es in Deutschland überhaupt nicht gegeben. „À bout de souffle“ ist also eine Art Ausgangspunkt für diese Art, Filme anders zu denken, ein anderes Kino zu entwerfen. Film der 50er: Heimatfilme, Forsterfilme, Adelsfilme, Militärfilme etc. Alles Formen, die in einem sich ähnlich, identisch waren: Sie verfolgten eskapistische Tendenz, waren nicht auf die Auseinandersetzung mit der sozialen Wirklichkeit ausgelegt, haben künstliche Parallelwelten entworfen. Hatten die Tendenz, die Menschen von der sozialen Wirklichkeit abzulenken, hing mit dem allgemeinen mentalen Klima der Nachkriegszeit zusammen, dass man sich sicht mit den Verbrechen des National-Sozialismus beschäftigen wollte. Wollte nur nach vorne. Hat vor allem den Heimatfilm, das dominante Genre, bestimmt: Immer die gleichen Plots, Darsteller, selben blöden Liebesgeschichten und soziale Wirklichkeit wurde immer runtergebrochen auf sehr archetypische Verhaltensweisen.Diese neue Generation hat genau dieser Haltung der Produzenten und Regisseuren den Krieg erklärt. Große Konfrontation in Oberhausen, weil die junge Generation

unverschämt waren, sie hatten nichts vorzuweisen, teilweise komplett ohne Regie-Erfahrung. Forderungen: 

Gründung von Filmausbildung. Hatte es bis dahin gar nicht gegeben. Dass man Film z.B studieren konnte. War eine Kernforderung. Kluge, Detten Schleiermacher und Edgar Reiz haben noch 1962 Römer Bau-Hausschule das Institut für Filmgestaltung gegründet und dort mehrere Jahrgänge von jungen Filmemachern ausgebildet. 

Geld. Gab keine Finanzierungsmöglichkeiten. Nur bereits erfolgreiche Regisseure hatten Möglichkeit, einen Film zu machen; man brauchte auch sehr gute Beziehungen. Um diese Finanzierungsdefizite beheben zu können, wurde 1965 das „Kuratorium junger deutscher Film“ gegründet. Wurde natürlich nur gemacht, weil das Kino, v.a. durch den neuen Konkurrenten Fernsehen, in einer Krise steckte. Die ersten dadurch entstandenen Filme fanden internationale Beachtung und mit Preisen ausgezeichnet. „politique des auteurs“ Autorenpolitik; Begriff, den die Franzosen der „Nouvelle Vague“ vorgegeben und geprägt haben.Darin ist die Autorenpolitik angesprochen worden, sagt etwas vom Ernst, der damit verbunden war. Also es geht auch um eine Haltung. Es ging auch immer um die Haltung, was ein „Autor“ eigentlich ist. Ein Autor ist 

Jemand, der etwas Selbständiges tut Zeuge und Bote

  Im Rahmen der „politique des auteurs“ ist der Autor Zeuge einer Erfahrung bzw. wie es bei Kluge heißt: Bote eine Nachricht, die so nur ihm zu Teil wurde und ihn motiviert, sie auch anderen mitzuteilen.Er muss für diese eigenen Erfahrungen dabei eine ebenso individuelle Ausdrucksform finden. Das geht in keinem Genre-Begriff. Die Genres sind etwas schon immer Verallgemeinertes, darin ist nichts Individuelles mehr möglich. Mainstream-Kino, dem Gegensatz zum Autorenkino, ist immer auf Konfektion und damit auf Konvention aus. Weiterer wichtiger Punkt ist der Zuschauer, der nicht mehr als bloßer Konsument sondern als Mitwirkender definiert wird.Der Zuschauer wird als Mensch mit eigenen Erfahrungen angesprochen. „Der Film muss die kritische Haltung des Zuschauers, den Anspruch des Zuschauers, als ein aufgeklärter Mensch behandelt zu werden, vorwegnehmen.“Alexander Kluge 

Nicht „der Film nimmt dem Zuschauer das Denken ab“, drückt ihm seine Perspektive der Welt auf. Sondern der Anspruch als aufgeklärter Mensch behandelt zu werden, das muss der Filmemacher ernst nehmen, da liegt das etwas des Autorenfilms. Er muss an der Emanzipation des Zuschauers und Emanzipation seiner Wahrnehmung mitarbeiten – wichtiger Punkt. Hier merkt man, dass der Begriff des politischen Sinn macht – politscher Anspruch, der Anspruch auf Emanzipation. 

Themen sollen sich an der sozialen Wirklichkeit abarbeiten. Die Orientierung an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, an politischen Fragestellungen. Wir verstehen unsere politische Situation der Gegenwart nur, wenn wir sie in ihrer Historizität, in ihrer Geschichtlichkeit begreifen.  Film „Brutalität in Stein“ (Kluge, Peter Schamoni, 1960) Die Bauwerke, die uns die Geschichte hinterlassen hat, zeugen vom Geist ihrer Erbauer und ihrer Zeit auch dann noch, wenn sie längst nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck dienen. Die verlassenen Bauwerke der national-sozialistischen Partei lassen als steinernen Zeugnisse der Erinnerung, die Erinnerung an jene Epoche lebendig werden, die in die furchtbarste Katastrophe der deutschen Geschichte mündet.Damit ist das Ziel des Films umrissen. Es geht darum, die ausgedienten Monumente der SS-Architektur nachträglich zum Sprechen zu bringen. Ort der Spurensuche ist das Nürnberger Parteitagsgelände, wo 1 ½ Jahrzehnte vorher noch die faschistische Idee der Volksgemeinschaft beschworen und in suggestiver Choreographie inszeniert wurde.Letztere ist in der symmetrischen Komposition der Bauten aufgehoben, deren ?? Oberfläche die Kamera durch erprupte Schwenkbewegungen, sogenannte Reißschwenks, und Fokussierungen einzelner Details aufzubrechen versucht.Doch (?nur? scheiß Husterei!!) durch eine schnelle Schnittfolge rhythmisierter Bilder zeigen nur reine Gegenwart. Die von Menschen verlassenen Ruinen aus einer Zeit, die sich im Bild schon nicht mehr vergegenwärtigen lässt. Ihre historische Tiefenschärfe, ihren Zeitkern erhalten die Bilder von der Tonspur. Eine Rede Hitlers wird eingeblendet, nur der kleinste Geist kann das Leben einer Revolution ausschließlich in der Vernichtung sehen, wir sahen es im Gegenteil in einem gigantischen Aufbau. Dass dieser Aufbau keinen menschlichen Zwecken diente sondern vielmehr Aufrüstung und Krieg bedeutet und schließlich in völliger Vernichtung gipfelte, dies macht der Schluss des Films deutlich: Zu sehen ist eine Trümmerlandschaft, die unterlegt ist von der pathetischen Erkennungsmelodie der Wochenschau und dem Geräusch aufeinander schlagende Steine.Kluge und Schamoni geben keinerlei didaktische Erklärung ab. Sie montieren stattdessen die überlieferten Dokumente der national-sozialistischen Vergangenheit, Originaltöne der Wochenschau, die Stimme des Nazirichters Freisler, Zitate aus den Erinnerungen von Höß an Auschwitz, Abbildungen von Hitlers architektonischen Machtfantasien in kleinen Modellanlagen. Diese Dokumente werden mittels der Montage verknüpft mit den Gegenwartsbildern des ehemaligen Parteitagsgelände.

Bilder und Töne konfigurieren einen geschichtlichen Erfahrungsraum, der den Zuschauer veranlasst, selbst darüber nachzudenken, in welchem Verhältnis seine eigene Zeit mit diesem in seiner Wirkung eben nicht beendeten Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte steht.„Brutalität in Stein“ leistet damit 1960 wirklich Trauerarbeit, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden hat. Die steinernen Zeugnisse wie sie in der Gegenwart präsent sind, dass sie die Erinnerungen an die Vergangenheit lebendig werden ließen (ja, der Satz macht keinen Sinn, I know..)Diese Verlebendigung vollzieht sich durch den fiktionalisierenden Eingriff der Ton-Bild-Montage. Der Blick auf diese Zeugnisse ist ein interessierter Blick. Er ist das Medium jener Transformation, die aus einem Eindruck einen Ausdrucks macht. Dieser Blick rechnet mit der Möglichkeit, dass die Bilder der Gegenwart die Stimmen der Vergangenheit durch den historischen Abstand hindurch hörbar machen können. Zu dieser Dialektik, das heißt im inneren Zusammenspiel von Dokument und Fiktion, von Eindruck und Ausdruck heißt es in Godards „Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos“ u.a.: „Sobald man sich interessiert, ist Fiktion im Spiel. Der Blick macht die Fiktion.“Jean-Luc Godard Dass sich Ausdrücke wie Authentizität und Fiktionalität nicht ausschließen, wird deutlich, wenn Kluge sagt: „Authentisch ist etwas, was ich mir als Teil der Wirklichkeit vorstellen kann, auch wenn es das so gar nicht gibt.“ Es hat was mit Vertrauensbildung zu tun. Dass etwas eine Evidenz hat. Eine Fiktion kann somit auch „wahr“ sein. Diese Grundüberzeugung, dass Dokument und Fiktion sich gar nicht trennen lassen, und dass es immer auch Inszenierung geht und im Film um eine Inszenierung des Blicks, diese Überzeugung teilen die radikaleren Vertreter des Autorenfilms, neben Godard und Kluge auch Vlado Kristl, Jean-Marie Straub und Danièlle Huillet. Aber auch ein Regisseur wie Claude Lanzmann, der in seinem Film „Shoa“ kein einziges historisches Dokument sondern nur Bilder der Gegenwart zeigt, ist diesem Ansatz verpflichtet.Wenn man die Vergangenheit thematisieren will, muss man die Gegenwart im Blick haben. Jede Geschichtsschreibung ist Konstruktion, jeder Historiker schreibt die Geschichte um, ob er will oder nicht. Und der tut dies auf Grundlage der Bedingungen seiner eigenen Zeit. Deshalb ist jeder Kostümfilm so ideologisch, weil er suggeriert „Die Vergangenheit hätte so und nicht anders ausgesehen.“   

Bruno Ganz als Hitler in „Der Untergang“, der Hitler von der menschlichen Seite zeigt. Kirk Douglas in „Spartacus“ das Bild, das Mitte des 20. Jahrhunderts mit Spartacus assoziiert wird und auf unabsehbar lange Zeit auch noch werden wird Rekonstrukion der Vergangenheit: Filmischer Historismus eine Strömung in der Geschichtsschreibung, die dominante Methodologie, eine Auffassung quasi in der Geschichtsschreibung des 19. Jhdts.Eine Maxime des Historismus: „Die Wahrheit wird uns nicht davon laufen“ (Gottfried Keller) Wir können über sie verfügen.Leopold von Ranke: „Jede Epoche ist gleich nah zu Gott.“ Meint im Grunde das Gleiche. Es ist auch immer das Problem geschlossener Diegese. Wenn man sich die klassische Kinematographie Hollywoods ansieht, wo es keine Durchbrechungen dieses Raum-Zeit-Kontinuums gibt. Alles muss zu allem passen. Es gibt nichts in diesen Filmen, was grundlos da wäre. Alles hat eine Funktion, ist Mittel zu einem Zweck, ist Requisite. Alles in diesen Filmen ist ausstaffiert bis ins letzte Detail. Es gibt keine Autonomie der Dinge, der Elemente. Alles ist für etwas gut. Es ist ein Tauschzwang innerhalb des Films, innerhalb der ganzen Materialien sozusagen, mit denen gearbeitet wird. Ullaf Kersting (??), Filmtheoretiker, hat das „dramaturgischen Inzest“ genannt. Es ist etwas sehr inzestuöses, wenn es keine Freiheit gibt, keine Nische, auch für die Wahrnehmung. Das hat nämlich Konsequenzen für die Wahrnehmung von uns Betrachtern im Kino. Dass da etwas mit uns gemacht wird. Wenn eine filmische Wirklichkeit so lückenlos uns präsentiert wird, wir haben genug Training im Kino, wir wissen, dass das Fiktion ist. Und trotzdem sind wir in diese 90 Minuten nicht bei uns. Und das ist eigentlich Diebstahl von Zeit, das produziert keinen Mehrwert, sozusagen für die Lebenszeit der Zuschauer. Da sollte man zumindest mal darüber nachdenken. Das ist ein Skandal, dass der Autorenfilm vielleicht erstmals in der Filmgeschichte, allen voran Godard, thematisiert hat. Zum Begriff Authentizität: Die entsteht dann, wenn die Form eines Kunstwerks, einer Inszenierung mit unserer Wahrnehmung, d.h. mit unserer Erfahrung kommuniziert. Ein Theologe hat das auf andere Dinge bezogen, er hat vom „Sitz im Leben“ gesprochen. Das Kunstwerk muss auch einen Sitz im Leben haben, es muss in einer gewissen Weise uns etwas zu sagen haben. Und wenn es und nur von uns weg führt, ist es auch etwas Fragwürdiges. Eine Film, der das aus meiner (Professor) Sicht paradigmatisch eingelöst hat, ist „Geschichtsunterricht“ (Danièle Huillet, Jean-Marie Straub, 1972) Regisseure sind ein Ehepaar, das es so nicht mehr gibt. Huillet ist gestorben. Der Film bezieht sich auf ein Romanfragment, an dem Brecht zwischen 1937 und 1939 im dänischen Exil gearbeitet hat, also zur Zeit des Faschismus: „Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar“

Ist keine Verfilmung, sehr material-ästhetischer (wichtiger Begriff) Film. Haben sehr eigenwilligen Umgang gepflegt mit literarischen Stoffen. Alle Filme beziehen sich auf literar. Vorlagen, teilweise auf zwei gleiche, sind immer Auseinandersetzungen.Film beschränkt sich auf die Gespräche eines jungen Historikers, die dieser im Zuge seiner Recherchen für eine Caesar-Biographie mit jenen Zeugen führt, die auf der fiktiven Ebene der Erzählung Caesar noch gekannt haben. Sie erzählen die Geschichte. Die Erlebnisse des Historikers und das historische Zeit-Kollorith werden im Film ausgeklammert. Das einzige, was an die Zeit Caesars erinnert, ist neben den Erzählungen der Zeugen ihre antike Kleidung. Man sieht die Kollision. Der Bankier aus der Zeit nach Caesar zeigt ein Gewandt aus der Zeit sozusagen, wäre aus der Sicht des Historismus authentisch gekleidet. Der junge Historiker trägt einen Nadelstreifenanzug. Das ist, wenn man so will, ein Kunstgriff der Regisseure. Was teilen sie uns damit mit? Es entsteht an keiner Stelle die Illusion, die uns in diese Diegese, in diese filmische Erzählung hineinzieht. Wir bleiben völlig draußen und können wie im Brecht’schen Theater entspannt im Sessel das verfolgen. Wir bleiben bei uns selbst. Wir haben Distanz zu dem Geschehen. Es gibt keine Illusion, weil eben auf Rekonstruktion verzichtet wird. Der Bruch und der Abstand zwischen den Zeiten wird im Bild selber, ist praktisch eine „innere Montage“, ausgestellt. Es gibt überhaupt keinen Versuch, den alten Ruhm irgendwie nahezukommen, sondern es werden Darsteller gezeigt, die in der Gegenwart Texte sprechen, die in der Zeit des Faschismus geschrieben wurden. Die Texte beziehen sich zwar auf die Zeit nach Caesars Tod, werden aber durch den Originalton der Szene, die Geräusche, die die Rede begleiten und durch die artifizielle Sprechweise der Laiendarsteller als gegenwärtig gesprochene Texte ausgewiesen.Alle Elemente des Films halten diesen Abstand zur Vergangenheit, die unmöglich eingeholt werden kann. Das ist das Thema eigentlich. Dass Vergangenheit sich nicht einholen lässt, filmisch schon gar nicht. Ist eigentlich ja auch eine Binsenwahrheit, wenn man darüber nachdenkt. Die Kamera kann sich ja nur jetzt auf etwas richten, was ja nur jetzt existiert. Sie ist ja keine Zeitmaschine, obwohl das Kino oft so beschrieben wird. Geschichte schreiben heißt immer auch, den Abstand zur Vergangenheit zu thematisieren, meint eben auch selbstreflexiv zu verfahren. Geschichtsschreibung im Film hat selbstreflexiv zu sein, oder sie gerät zumindest in die Gefahr eigentlich pornographisch zu werden.Weil sie dann, gewissermaßen, eine Direktheit, eine Unmittelbarkeit fingiert, die unmöglich irgendeiner Wirklichkeit entsprechen kann. Die antike Kleidung der Zeugen ist nicht als Symbolisierung zu verstehen, sie ist vielmehr selbst ein gestisches Element, dass die Distanz zwischen Gegenwart und Vergangenheit ins Bild setzt. Es ist also der Abstand selbst, der gezeigt wird, bereits in den ersten 4 Einstellungen: Zeigen Landkarten des römischen Reiches in seiner ursprünglichen Ausdehnung, sowie das Symbol dieser ehemaligen Größe, die Caesar-Statue im heutigen Rom, die umtost vom Autoverkehr ihre symbolische Aura verliert. Der konsequent durchgeführte Gestus des Zeigens, das sich ästhetisch auf Brecht berufen kann, ist auch ein epischer Gestus. Nennt man auch Deixe, deiktischer ?? das

Zeigen sozusagen, wenn der Schauspieler aus der Rolle heraustritt und sagt „Ich bin der Schauspieler so und so. Ich spiele den nur.“ Dann ist das diese Differenz, klärt den Zuschauer auf. Lässt sich beziehen auf das Kluge-Zitat vom Beginn: Der Zuschauer wird als aufgeklärter Mensch behandelt. Dieser Film teilt sich in mehrere Sequenzen und es gibt insgesamt 27 Minuten in etwa, die nur mit Autofahrten vom Rücksitz aus gefilmt gefüllt sind, und es wird einfach durch Rom gefahren, völlig ziellos. Das sind auch solche Unterbrechungen, drei lange Autofahrten, die hier eben auch, es gibt ja auch keine Handlung, es sind ja nur Dialoge, die diese Dialogsequenzen unterbrechen.Autofahrten haben keinen Anfang, kein Ende, kein Ziel, keine Verbindung völlige Autonomie Jean-Marie Straub: „Es ist so: Man weiß nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Da sind die Beziehungen frei. Man kann denken, bei der ersten Fahrt, er kommt vom Denkmalsockel runter, taucht in die Stadt ein und fährt zum ersten Mal zum Bankier, doch in Wirklichkeit fährt er gar nicht zum Bankier, er macht Entdeckungsfahrten.“Und das kann er sagen, weil wir als Zuschauer mit im Auto sitzen du wir entdecken das, was auf der Straße passiert.Eine Autofahrt im Film hat in der Regel eine vermittelnde Funktion: sie kann Orte verbinden, eine Handlung vorbereiten oder einen Übergang markieren. Also immer untersteht sie dem Sinngefüge der Narration, Bei Straub/Huillet ist das anders.Hier ist jede Fahrt das pur Dazwischen, nicht eigentlich die Strecke zwischen zwei Punkten, sondern die Erfahrung der Welt, die auf dem Wege liegt. Denn dass hier niemals jemand ankommt, die Fahrten nur abbrechen und anderswo wieder aufgenommen werden, gibt den Eindruck einer einzigen endlosen Fahrt, die gar kein Ziel außerhalb ihrer selbst hat. Plötzlich steht das Durchqueren eines Raumes als solches im Mittelpunkt, Rom im Jahre 1972. Ununterbrochenes Fahren durch die Stadt, die in ihrer Alltäglichkeit zu sehen und zu hören ist. Da passiert viel und auch wieder nichts, wenn man die Maßstäbe des Erzählfilms anlegt. Im Spielfilm wäre ein Aufenthalt durch einen einparkenden Wagen durch entgegenkommende Fahrzeuge in einer zu engen Straße ein Spannungsmoment oder ein komisches Element, nur nicht das, was es ist. Im Geschichtsunterricht ist es nur das, was es ist. Das ist die Stärke des Films, zu zeigen, was sich zeugen lässt und diese Darstellungsgrenze des Mediums Film selbst zum Bestandteil der Darstellung zu machen, eben selbstreflexiv zu verfahren. Und das wäre ein Kriterium hier auch für Authentizität.Die Fahrten können zunächst als Metapher für den perspektivischen Abstand zur Vergangenheit gelesen werden, einer Vergangenheit, die nicht zeitlich sondern räumlich getrennt von der Gegenwart aufgefasst wird. Aber diese Metaphorik wird dadurch zerstört, dass die Autofahrten ziellos sind, sie kommen nirgendwo an. Die erste Fahrt hätte z.B. zum Kolosseum führen können, zu einem Ort, an der Historiker den Bankier getroffen hätte. Dann hätte sich die Metapher in einem passenden Bild aufgelöst. Dass Straub die Metapher zerstört, ist in sofern notwendig, weil zwischen den Zeiten eine unaufhebbare Differenz besteht.An dem Film lässt sich lernen, dass man nicht die Distanz überwinden sondern die Different, eben die Different zwischen den Zeiten, begreifen kann. Es genügt sich auf die Bilder einzulassen, einfach hinzusehen, um zu verstehen, dass alles, worum es

geht, in den Bildern schon enthalten ist, weil außerhalb von ihnen keine Bedeutung liegt. Weil die Fahrten nur das zeigen, was sonst nicht zu sehen ist, den Raum zwischen den Orten, die durch sie verbunden werden. Und dadurch verlieren sie ihre verbindende Wirkung und gewinnen Autonomie, d.h. sie sind nicht länger Mittel zu einem Zweck. „Trennung der Elemente“ (B. Brecht) Eine Formulierung von Brecht. Ist, wenn man so will, die schärfste Kritik am Gesamtkunstwerk. Ist genau das Gegenteil von dessen, was Wagner tut, wenn er großes Musiktheater sehr synthetisch, sehr synthetisierend zu einem organischen Ganzen bildet. Das muss alles wieder aus den Verankerungen gelöst werden und als Einzelheiten sichtbar gemacht werden.Das, was der Film nicht kontrolliert, verhilft ihm zu Geschichtlichkeit (??)Wir haben es mit einem Dokument von 1972 zu tun, und davon, was es heißt, sich vor knapp 40 Jahren mit der Zeit nach Caesars Tod auseinanderzusetzen. Erst durch diese radikale Gegenwärtigkeit kann der Film Unterricht erteilen über den Zusammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit, denn „man muss den eigenen Standort kennen, um seiner eigenen Perspektive nicht bind zu unterliegen, sondern sie sich bewusst zu machen“. Die beiden besprochenen Filme arbeiten sich am Verhältnis zwischen Gegenwart und Vergangenheit ab. Sie thematisieren dabei mit unterschiedlichen Mitteln den Abstand zu früheren Epochen. Vlado Kristl Ist total auf die Gegenwart fixiert, eben weil er alles filmt, was vor der Kamera passiert. Er selektiert überhaupt nicht, weil es auch kein Drehbuch gibt und gibt es eines, hält er sich nicht daran.Gilt als der Erfinder des Nicht-Films. Und vertritt die Auffassung, dass Kunst in jeder Hinsicht unbrauchbar zu sein habe.Kam Anfang der 60er nach Deutschland, weil er in Jugoslawien (kommt aus Zagreb) nicht mehr arbeiten konnte. In München lernte er die Unterzeichner des Oberhausner Manifest kennen, darunter auch Detten Schleiermacher, der gemeinsam mit Kluge, Reiz am neu gegründeten Institut für Filmgestaltung lehrte. Schleiermacher produzierte Kristls ersten Langfilm, „Der Damm“ 1964. Also vor den großen bekannt gewordenen Debuts von Kluge und Reiz 66, 67. Durch die Freundschaft mit Schleiermacher und weil eben in Ulm am Institut die technische Ausrüsrung vorhanden war, wurden große Teile des Films dort gedreht. Und Michael Leiner, einer der damaligen Studenten, heute Rektor in einem Frankfurter Verlag, erinnert sich später an die Faszination, die von Kristls Haltungen und Arbeutsweisen ausgingen: „Wie künstlerisch Kristl vorging, hat, glaube ich, die Herren vom Filminstitut sehr gestört, denn es war ja ein ganz altmodischer Standpunkt. Erwar zwar Autor und Macher, aber seine Herangehensweise war künstlerisch. Er war genial und anarchistisch.“

 Das heißt, er hat sicher dieser puritanischen (?) Dokumentarfilmlogik, wie sie in Ulm propagiert wurde, nicht unterworfen. Dass Schleiermacher den Film produziert hat, war ein Manifest. Allerdings, und das war auch erwartungsgemäß, hat der Film nur 1500 Karten verkauft, war ein Riesenflop. Schleiermacher, der das Geld aus dem Budget des Instituts genommen hat, um den Film zu produzieren, auch weil er die anderen Kollegen überzeugen wollte, dass es noch eine andere Konzeption daneben geben muss, eben diesem doch sehr an dem Dokumentarischen-orientierten Arbeiten. Musste Konkurs anmelden und wanderte schließlich nach Kanada aus. „Ein voller Kinosaal bedeutet niedere Beweggründe.“Vlado Kristl Hat auch immer gesagt, er müsse höllisch aufpassen, dass ihm ein Film gelingt, dann hab ich was falsch gemacht, weil er da eben schon die Mediensozialisation von Zuschauern auch immer in Rechnung stellte und dass an gewissermaßen.. also wir müssen uns ja auch fragen, woher kommt das? Warum finden wir bestimmte Dramaturgien gut? Warum muss es immer einen roten Faden geben? Usw.Das hat Kristl permanent skandalisiert.Es gab große Kontroversen zwischen Kluge, Reiz auf der einen und Kristl auf der anderen Seite.Thomas Elsaesser hat die Haltung schön auf den Punkt gebracht: „Seine Ausfälle gegen die kommerzielle Filmindustrie wurden mit Desperado-haften Kreuzzügen gegen den jungen deutschen Film fortgesetzt. Er kultivierte Konfrontation und persönliche Gegnerschaft genau so erbarmungslos wie die Destruktion der filmischen Form und der filmischen Syntax.“ --Ausschnitt— Man merkt sofort: Ein Drehbuch wäre nicht nötig gewesen.Wir sehen zwei Männer um die Gunst einer schönen jungen Frau buhlen. Die Frau sitzt im Rollstuhl, gespielt wird sie von Petra Krause, einer damals bekannten Fernsehansagerin des NDR. Der eine Mann, dick und stämmig, wird verkörpert von einem Portier einer Münchner Bar, sein physiognomischer Antipol, ein dünner hagerer Mann, wird dargestellt von Kristl selbst.Bereits diese Konstellation suggeriert eine Dreiecksgeschichte, ein Narrativ, das der Film allerdings nicht durchführt sondern allenfalls andeutet. Das Entscheidende an diesem Film ist kein Plot sondern eben die Montage. Bild- und Tonebene stehen weitgehenden autonom nebeneinander. Und ebenso selbständig verhalten sich die einzelnen Segmente, auf jeder der beiden Ebenen zueinander. Leiner: „Der Damm ist die konsequente Abkehr von allen unfilmischen (??) Einflüssen.Aus einem Bildmaterial von einander unabhängigen Einstellungen lässt Kristl eine Abfolge von zwingenden Situationen entstehen, die distanzlos dem Zuschauer rein emotionales Erleben vermitteln. Die Schnittstellen transportieren keine Erzählung, sondern das Interesse des Zuschauers am Material. Durch den Verzicht auf Handlung erhöht sich die Suggestionskraft der Bildrealität, gleichfalls unkonventionell sind Geräusch und Sprache beziehungslos, direkt und hart geschnitten. Illusionen können

nicht auftreten. Wie es konkrete Literatur, konkrete Malerei du konkrete Musik gibt, so ist „Der Damm“ ein konkreter Film. Dazu trägt vor allem de Suspendierung einer kontinuierlichen Handlung zugunsten der additiven Anordnung von Einzelszenen bei, also das heißt nicht anderes, als das eine kontinuierliche Handlung, ein roter Faden erst gar nicht entsteht, erst gar nicht zugelassen wird. Und stattdessen die Einzelszenen zusammenhanglos aneinander gereiht werden.Auf der Ebene der einzelnen Einstellungen entsteht diese sinnliche Unmittelbarkeit vor allem durch die gegen jede Regel verstoßende Kartrierung (??), die mal die Figur am äußersten Bildrand anschneidet, während das übrige Bildfeld leer bleibt, oder der Figur gleich den Kopf abschneidet, sodass wir den schmächtigen sehen, wie er als kopfloser Sisyphos im Steinbruch herumturnt, während im Off eine Stimme über die perfekte Fotografie resümiert. Konkret in dem von Leiner angesprochenen Sinne sind aber vor allem die extremen Großaufnahmen einzelner Körperteile, vor allem von Gesichtspartien wie Mund, Auge, Kinn etc... Diese den menschlichen Körper fragmentierenden Aufnahmen weisen in ihrer Sinnlichkeit voraus auf das Spielfilm-Debut von Edgar Reiz, dem Film „Mahlzeiten“ von 1967, in dem der Körper von weiblichen Hauptfigur aus ähnlich ungewohnten Perspektiven gezeigt wird.Kristl trifft alle denkbaren Vorkehrungen, damit die Bilder nicht zu Klischees gerinnen. Klischees im Ablauf der Bilder sowohl wie Klischees in den Elementen des Ablaufs, also in jedem einzelnen Bild.Ewig langes Zitat... blabla   Lyrische Versatzstücke wie diese, die zum einen wiederholt werden, verweisen auf einen ernsten Grund, der aber nur für kurze Momente aufscheint und zugleich wieder an Boden verliert. Das Lachen gibt dem Drama keinen Raum. Und in jedem herkömmlichen Spielfilm wäre die Dreieckskonstellation des „Damm“ Stoff für ein fulminantes Drama. Bei Kristl gibt es Zuspitzungen nur als Interesse der Aktion, nicht als psychologisch determinierten Konflikt. So tauschen die beiden Männer Bücher hin und her, in die Abbildungen von nackten Frauen eingeklebt sind und sprechen dabei gegenseitig Empfehlungen aus, so lange bis die Interaktion nur noch als gestisches Ritual, tatsächlich als plastische Bewegung wahrgenommen wird. Und auf der Textebene sind es Nonsens-Dialoge, die zu rein phonetischen Signalen gerinnen.Die Bedeutung wegspielen, den Text in einen Körper verwandeln und ihn so „den erkennungs-dienstlichen Zugriff zu entziehen“. Das war eine Theaterutopie Heiner Müllers. In seinen besten Momenten ist Kristl dieser Utopie sehr nahe gekommen. Es handelt sich um reine Performanz. Die Figuren tun, was sie tun, und nicht mehr. Da ist keine Psychologie am Werk, die eine Handlung begründen könnte. Kristl lässt seine Darsteller sich ausagieren, er baut lediglich einen Rahmen, um die Handlungsbruchstücke herum, der aber nicht wirklich etwas bedeutet oder präsentiert. Jeder Verweis ist eingezogen bis auf denen eine, der berechtigt, die Filme

doch als Parabeln zu lesen, als allegorische Parabelen auf das Verhältnis des un....?? Einzelnen zum gesellschaftlichen Kollektiv, zum System.Kristl schiebt seine Figuren auf der Oberfläche des Sichtbaren so lange hin und her bis diese Proportion sich ergibt. Er tut dies weniger durch a priorische Festlegungen (Drehbuch, oder präzise Regieanweisungen z.B.) sondern vielmehr durch den Schnitt. Das Zerlegen des filmischen Materials in zahllose Einzelstücke und das Kollarieren (?) der Fragmente nicht zu einem Ganzen sondern zu einer filmischen Möglichkeit, die auch im Resultat noch daran erinnert, dass dieser Prozess ewig weitergehen könnte. Gleich ob Bilder oder Töne, Kristl denatoriert (?????) seine Materialien in dem Sinne, dass sie sich auf keinen Inhalt, keine Aussage festlegen lassen. Bedeutung wird buchstäblich zerrieben, der Ausdruck von Sinnzwang befreit. Kristls Absage an aufwändige Arrangements und kompositorische Finnessen zugunsten der Exponierung filmischer Materialwerte entsprach in vielen den Forderungen des Oberhausner Manifests. Detten Schleiermacher: „Ich bin für Kino, nicht für Filmkunst. Vlado Kristls Weg ist für mich eine der Möglichkeiten zum Kino. ... ?? Kinoform , wo etwas passiert auf der Leinwand, Aktion frisch und neu. Wir sollte aus den Lichtspielhäusern wieder Schaubuden machen. Die Filmwelt bis zur neuen Welle ist für Lichtspielhäuser erdacht. Kristls Film ist frei und direkt. Er passt ins Kino.“ Helmut Färber: „Kristl-Filme sind nicht für Snobs sondern für müde Büroangestellte und darum gehören sie schleunigst ins Kino.“Man versprach sich von dieser Ästhetik viel. Kristl Absage an das Drehbuch und die Schauspieler- und Kamera-Konzeption: Kristl zeitwer Abendfilm „Der Brief“. Wurde durch eine Prämium für das Kuratorium junger deutscher Film gefördert. Nachdem das Buch 1969 mit dem Karl-Maier-Preis als das beste, noch nicht realisierte Drehbuch ausgezeichnet worden war. Aber diese Vorlage war nur Mittel zum Zweck. Der fertige Film hatte nicht mehr viel damit gemein. Zitat: „Ich weiß überhaupt nicht, wozu ein Drehbuch dient. Das hat mir noch keiner offenbart. Das ist ein Geheimnis für mich geblieben. Aber diesmal diente es konkret dazu, eine Prämie zu bekommen, dazu ist es geschrieben worden.“Kristl unternahm alles, um die Fabel vergessen zu machen und sich aus dem engen Korsett der Vorlage, der Vorschrift zu befreien. Gefragt, was er gegen eine Fabel habe, antwortete er: „Weil mit der Fabel nichts mehr zu erfinden möglich ist. Die Fabel können Sie im Vornhinein erdenken. Sie fassen sie in diesem Rahmen (??) können sie alles tun, was sie wollen. Sie verantworten nichts mehr. Sie können die größten Lügen verkaufen und die größten Sentimentalitäten. Das Ende kennen Sie schon. Si wissen schon, wie man den dramatischen Höhepunkt macht. Wieso ist es da überhaupt notwendig, einen Film zu drehen? Da packt man seine Papiere und geht nach Hause. Aber wenn sie einen Film offen lassen und erwarten, dass etwas, was sie sich vorgestellt hatten, zerschellt, dass ihre Vorstellung sich teilt, damit das andere, was sie sich nicht vorstellen können, sich zeigt, ist das etwas wert oder nicht? Das ehre ich zehnmal mehr.“ 

Wie bereits in „Der Damm“ so gilt auch hier die Versuchsanordnung des Films, der Freisetzung von Potentialen, die sich für den Regisseur wie für die Darsteller in jeder Situation unterschiedlich darstellen, die unterhalb der eigenen Intentionalität darauf gewartet haben, herausgedrückt zu werden.Zitat: „Die Darsteller sollen die Nerven verlieren, um sich authentisch zeigen zu können. Es komme auf die Art und Weise an, wie der Darsteller die Vorstellung des Regisseurs zerstören und wie er sich dabei verändert. Kristl filmt aus dem Misstrauen gegenüber den eigenen Absichten heraus. Seine Arbeit hat stets auch den Charakter einer Selbstentlarvung. Der Film gilt ihm im wahrsten Sinne als Möglichkeit der Selbstkritik. Als Erprobung eines Weltbezugs ohne Kontrolle. Daher die Häufung unverbundener Aktionen & Situationen, die jeden vorgefassten Plot zermalmen. Jeder einzelne von ihnen wirf die Frage auf, was passiert, wenn man die Dinge geschehen lässt? Das Hineinstellen der Darsteller in absurde Situationen, in denen sie alleine gelassen werden, aber auch nicht funktionieren müssen, soll zu einer neuen Selbsterfahrung werden, soll selbstbestimmte Handlungsspielräume eröffnen, vielleicht die konsequenteste Umsetzung dessen, was Thomas Elsaesser „Kino der Erfahrung“ genannt hat.Es gehörte zu Kristls Regieanweisungen, dass die Kamera auf jeden Professionalismus verzichten sollte. Zitat: „Kameramann jetzt weg. Die Kamera soll alleine arbeiten und die Darsteller sollen Sorge tragen, dass die Einstellung etwas von ihnen erwischt.“ Die Negation von Produktionsnormen als Methode. Einen Prozess zu initiieren, in dessen Verlauf sich all das entäußern kann, was sonst im gesellschaftlichen Tabu steht, ein Prozess, in dem der Zwang sich zu verhalten ad-hoc außer Kraft gesetzt und durch spontane Interaktion ersetzt wird, diesen Prozess, in dem die Grenzen des Ausdrucks und Zeitsparens (??) strapaziert werden, hat Kristl gern im Bild einer Entdeckungsfahrt in extremen Gelände beschrieben. Zitat: „Aber ich tue doch alles, um die Botschaft zu vernichten, wenn sie sich zeigt. Wenn man sie erkennt, dann ist das schwach. Dann ist der Film begrenzt. Wenn sie als Botschaft einen nehmen, der den Nordpol entdecken geht, gut, wenn man den dann beleuchtet, so sieht man aus welchen Interessen er gehandelt hat, aber das einzige, was dennoch gut ist, ist, dass der den Nordpol entdecken ging.“  14.12.2009 Begleitkurs  Formen radikaler Autorschaft Folie Engels Zitat: „Alles, was die Menschen in Bewegung setzt, muss durch ihren Kopf hindurch; welche Gestalt es in diesem Kopf annimmt, hängt sehr von den Umständen ab.“ Hat Evidenz, erklärt sich fast von selbst.

An den ersten beiden Beispielen (Geschichtsunterricht & Brutalität in Stein): Das ganze Bildmaterial stammt aus der Gegenwart, keine historischen Dokumente, die zitiert worden sind. Bei „Brutalität“ nur auf der Tonebene. Das hat was damit zu tun. Dieser Satz bildet so etwas wie eine erkenntnistheoretische Folie. Man könnte sagen, das ist eine Form von Erkenntnistheorie der Wahrnehmung, sinnliche Erkenntnis. Alles, was wir erkennen können, muss durch unseren Kopf hindurch, durch unsere Sinne. „Hängt sehr von den Umständen ab“ hängt ab von der Situierung des Wahrnehmenden. Die Art und Weise, wie wir etwas malen, aus welcher Perspektive z.B., an welchem Punkt in Raum & Zeit. Das sind die Umstände. Gleichzeitig sind sie auch das, was wir in diese Wahrnehmungssituation mitbringen: unsere Prägung, unsere Erfahrung.All diese Parameter preformieren das, was wir dann Erkenntnis nennen. Folie „Was ist ein Autor?“ Ergänzungen? Unklarheiten? Frage: Könnten sie den ersten Punkt näher erläutern – jemand, der etwas Selbstständiges tut? – Mainstream-Kino: industrielle Fertigungsweise des Films, des Produkts, der Ware Film kennt in dem Sinne nicht wirklich Autorschaft. Es sind bestellte Autoren. Ein Autor wäre aber jemand, der etwas von sich investiert, der am Ausdruck seiner Erfahrung arbeitet, der eine Ausdrucksform sucht für das, was er selbst erfahren hat, was ihn selbst ausmacht. Es ist also undenkbar, so etwas auf Bestellung anzufertigen. Das ist der Kern des Autorenfilms. Frage: Inwieweit ist es für uns wichtig, den Autor auch als Künstler zu begreifen? Kaffe machen ist ja auch was Selbstständiges, aber erfüllt er eine künstlerische Tätigkeit, indem er Autor ist? Das sollten wir dazuschreiben. 

Da müsste man jetzt natürlich über den Kunstbegriff reden. Aber Kunst verstanden auch im Sinne Adornos. Seine Theorie ist sehr brauchbar, um dieses Verständnis von Autorschaft besser zu begreifen. Kunst für Adorno ist immer auch eine Individuation, etwas höchst Individuelles, das niemals in den Umlauf der Warenproduktion Eingang finden könnte.  Frage: Kann man den Autor nicht auch insofern als Künstler verstehen, das er sein Handwerk versteht? 

Das ist sicher eine sehr klassische, traditionelle Auffassung von Kunst, die im 20. Jdht. aber nur bedingt Geltung hat. Es gab in den 60ern einen Slogan, der hieß: „Kunst kommt nicht von Können“ Das war ne große Provokation. Und wenn man sich die Manifestation des Wiener Aktionismus z.B. ansieht, aber auch schon viel früher, das was die Dadaisten tun in den 10er, 20er Jahren. Da würde man ja nicht unbedingt auf die Idee kommen, dass das jetzt Ausdruck einer bestimmten Könnerschaft wäre, sondern da gibt es auch ein ganz starkes Bekenntnis zu dem Gegenbegriff, dem Dilettantismus. Also Handwerk, glaub ich, in einem konservativen Kunstverständnis

ist es auf jeden Fall noch ein Kriterium, aber ich glaube nicht, dass sich dieses Kriterium über das 20. Jdht. sinnvoll gerettet hat. Natürlich können wir bewundern, wenn jemand großartige technische Fertigkeiten hat, aber es ist kein Alleinstellungsmerkmal von Kunst. Frage: Bezüglich dem „Zeugen“: Man muss ja betrachten, dass Zeugen für sich allein stehen. Ich kann nur für mich selbst der Zeuge sein, aber sobald ich ein Zeuge für ein Geschehnis hab, das ich selbst nicht gesehen hab, da sind immer gewisse Barrieren, die man nur schwer oder gar nicht überwinden kann. Dinge, die ich einfach nicht so leben kann, wie er es lebt. Und ein Zeuge seines eigenen Traums wird diesen Traum zwar umsetzen können, aber keiner wird diesen Traum so erleben können, wie er ihm erlebt hat. Und in dem Zusammenhang wollt ich fragen, inwiefern die Botschaft dann einfach nur ein Film sein muss, obs ein Film sein muss oder ob das jede Form sein kann. 

Ich glaub, es kann sicher jede Form sein. Autorschaft gibt es ja in allen Bereichen und die Künstler, mit denen wir uns beschäftigen, vor allem Kluge: Der hat diese Betrachtungsweise sehr stark theoretisiert und da geht sehr stark um diese Individuation also der Zeugenschaft. Dass natürlich niemand meine Wahrnehmung so teilt und damit natürlich immer bei einem authentischen Ausdruck, bei einem authentischen Dokument dieser individuellen Zeugenschaft eine Differenz entsteht zu den Wahrnehmungen aller anderer. Da ist eben etwas Unverwechselbares, Individuelles zum Vorschein gekommen, was in unserer Verkehrssprache so eigentlich nicht nach vorn gibt. Das wäre nach Adorno sozusagen der Mehrwert der Kunst. Und dass sie hier radikal authentisch sein kann. Ich finde auch wichtig, z.B., dem Film an sich ?? als nur das, was ich dann auf der Leinwand sehe sondern auch Filmposter, die mündliche Kommunikation der Zusehenden und alles rundherum. Mir kommt vor, Film wird immer zu sehr auf sich selbst bezogen, sollte mehr allgemein...

Genau darum wird es auch gehen. Film ist gerade für jemand wie Kluge, der sagt „das ist nur der Rohstoff einer Erfahrung.“ Die Kinozuseher sind das eigentliche Medium, und das ist nicht der Film. Der Film ist auch ein Medium, aber eines, das etwas in Bewegung setzt, ein viel reichere und auch weit reichendere mediale Tätigkeit. Ein Medialisierungsprozess sozusagen. Das Gesehene fließt in ein die Mitteilungsketten der unmittelbaren Kommunikation. Etwas, was sich vervielfältig.... bla blumps bla... Frage: Für mich fehlt hier das Kreative. Also die Idee. Wenn man ein Drehbuch schreibt, steht am Anfang immer erst die Idee und das muss gar nicht unbedingt mit der Erfahrung zusammenhängen. Das kann oft auch eine spontane Idee sein. Die Kreativität bleibt hier weg. 

Aber was ist denn eine spontane Idee? Wo kommt sie denn her? Sie ist doch ohne Erfahrung gar nicht zu denken. Jede spontane Reaktion erfolgt doch auf der Grundlage einer Erfahrung. 

Was ist dann mit Brainstorming? 

Auch dann muss ja schon eine Idee da sein, eine Richtung. Man fängt an darüber zu diskutieren oder alleine vielleicht nachzudenken, man macht sich Notizen. Auch die kommen irgendwo her. Das ist das Engels Zitat eben. Alles, was Menschen in Bewegung setzt, das heißt ja auch geistlich in Bewegung setzt, muss ja irgendwie einen Grund haben. Wir sind ja keine leeren Blätter. Das ist oft ein Missverständnis. Also der Begriff des Kreativen. Als läge das in der Einzigartigkeit der künstlerischen Person und wird auch ein Wert geschaffen, ist ne Wertabstraktion. Das sind ja gesellschaftliche Wesen, Künstler lebt auch in der Gesellschaft und der hat Teil an den selben Erfahrungen, er äußert sie nur anders. Es findet einen anderen Ausdruck bei ihm als vielleicht bei einem Buchautor. Das wäre auch eine mögliche Prüfungsfrage. Ich würde dann aber nicht eine Definition erwarten sondern wirklich vielleicht in wenigen Sätzen dazu etwas zu sagen, einen Gedanken zu formulieren. Das sind dann eher Verständnisfragen. Frage: Ist ein Autor nicht auch einfach gesagt ein Geschichtenerzähler? 

Das schließt sich ja überhaupt nicht aus, natürlich. Haben sie vollkommen Recht. Geschichten sind ja geronnene (oder doch gewonnene??) Erfahrungen. Frage: Wo kommt das Wort Autor eigentlich her? 

Kommt von autoritas, also die Autorität ist da sehr stark auch mit anwesend, semantisch. Ein Autor ist also auch jemand, der etwas verantwortet, der das, was er tut gewissermaßen verantwortet, sprich auch die Konsequenzen für sein Tun übernimmt. Und das tut jemand, der im Auftrag ein Skript fertigt, nicht. Der ist ja nur bedingt haftungsfähig. Ist auch ein solitärer Standpunkt, ein bisschen. Der Autor ist stärker auf sich gestellt. Folie Kluge Frage: Auf bezieht sich das „vorwegnehmen“? Soll das heißen, dass der Film die kritische Haltung des Zuschauers vorwegnehmen muss?

So stehts da, ja. Und kann man das auch auf Kristl beziehen oder ist eben genau ein Gegenbeispiel dafür? 

Das ist ein kompliziertes Verhältnis gewesen, Kristl und Kluge. Aber ich würde sogar sagen, dass Kristl bestimmte Postulate des Kluge’schen Filmästhetik viel konsequenter eingelöst hat als Kluge selbst. Weil Kluge in vielen Punkten noch diskursiv arbeitet, auch im Film. Hat aber auch damit zu tun, dass er selbst eine Theorie entworfen hat, und manchmal hat man da das Gefühl, dass die Filme nur

Anschauungsmaterial für die Theorie sind. Manchmal bebildern sie nur Begriffe. Kristl hat diese Form überhaupt nicht betrieben. Frage: Wenn Kluge sagt „Der Autor muss die kritische Haltung des Zuschauers vorwegnehmen“, sitzt der Autor in einer Zwickmühle, weil er muss sein Publikum als aufgeklärt betrachten, ist aber vielleicht selber „aufgeklärter“ als seine Zuseher. Wie definieren wir jetzt die Aufgeklärtheit? Ergibt sich die aus dem Kontext des Films? Ist das jeweils eine spezifische Aufgeklärtheit? Oder gibt es einen Status Quo, wie wir sagen können „Das ist Aufgeklärtheit“? 

Sehr gute Frage, weil das wirklich auch ein Widerspruch ist, an dem sich die Theorie dann abzuarbeiten hat. Das Zitat beginnt aber mit dem Satz“ Der Film richtet sich an mündige und unmündige Menschen.“ Wie kann der Autor entscheiden, wer mündig und wer unmündig ist? Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass hier ein Autor spricht, der aus der Frankfurter Schule kommt, aus der kritischen Theorie kommt, der Schule Adornos. Über Mündigkeit und Unmündigkeit im Verhalten würde hier entscheiden, ob jemand die Notwendigkeit einer emanzipatorischen Praxis (60er Jahre! Dürfen wir nicht vergessen) ??? (Bitte Herr Professor: Zuerst den einen Satz beenden. Und dann den nächsten beginnen. Danke.) Innerhalb der eigenen Generation wurde das sofort verstanden. Eine Generation, die die eigenen Eltern nicht für mündig gehalten hat, weil sie geschwiegen haben zum Faschismus. Das ist hier immer im Hintergrund für diese Art von Reflexivität. Und mündlich wäre natürlich eine Form der Rezeption, die eben auch das, was auf der Leinwand zu sehen ist, in Frage stellen kann. Dass auch der Zuseher sich gegen das, was der Autor ihm zeigt, sich richtet. Der Film hat kritische Haltung vorwegzunehmen, heißt auch: der Film hat das Protestvermögen der Zuschauer mit zu aktivieren, auch wenn es sich dann vielleicht gegen den Autor oder den Film selber richtet. Das ist das Risiko. Frage: Ich fände es richtiger, wenn es heißen würde „Der Film kann die kritische Haltung des Zuschauers vorwegnehmen.“ 

So würden wir heute formulieren, glaub ich auch. Das ist halt sehr stark der Zeit und ihren Diskursen geschuldet. Folie Godard Frage: Man kann diesen Satz noch weiter ergänzen: „Sobald man andere für etwas interessiert, ist eine gemeinsame Fiktion im Spiel.“ Es bildet sich eine gemeinsame Welt, in der sich alle aufhalten. Die Blase, die im Kino über dem Zuschauer schwebt, quasi. 

Das ist vielleicht auch das, worüber wir gesprochen haben. Das, was der Film dann ja auch auslöst. Über das Medium Film interessiert der Autor andere Menschen für ein Thema, er löst ein Interesse aus. Meinen Sie es so auch ein bisschen? Deshalb würd ich sagen, ist dieses Zitat sich absolut auf den Autor bezieht. 

Das ist erstmal, glaub ich, auch sehr produktionsästhetisch, d.h. das es auf die Herstellungsebene des Film bezogen ist. Ich glaube, man muss es aber auch immer weiter denken und auch in der Perspektive der Rezeption und der Wirksamkeit oder der spezifischen Wirkung, die ein Film entfaltet, auch verstehen. Es ist ja der gleiche Prozess. Es ist nicht so verschieden. Ob der Autor sich für eine Wirklichkeitsausschnitt interessiert und gewissermaßen8 sich davon stimulieren lässt, darüber jetzt ein Bild zu schaffen, eine Szene zu drehen, einen Ausdruck zu finden, ist ja nicht so anders, als das, was im Kinosaal passiert, wenn wir plötzlich sagen „Wow, dieses Bild. Diese Einstellung, diese Großaufnahme“ Da macht es plötzlich Klick und wir nehmen es mit und erzählen es anderen. Und das, was wir dann sagen, ist genau die Legende zu diesem Blick im Kino, das ist wie eine Unterschrift, eine Entfaltung, sozusagen einer kleinen Situation, einer kleiner Wahrnehmung. Frage: Warum „interessiert? Und warum „der Blick“? Blick würd ich assoziieren mit ansehen und Kino usw. aber das „interessiert“ setzt Interesse voraus und das kann ich für viele Dinge haben, muss nicht unbedingt auf das Kino bezogen sein. Ich frag mich einfach, auf was er da jetzt anspielt. 

Das ist, glaub ich, ganz grundsätzlich gemeint. Natürlich denkt Godard da zu allererst ans Kino, aber das Kino ist doch auch nur eine Form genau dieser Transformation, von Wahrnehmung im Ausdruck. Er spricht auch von Eindruck und Ausdruck, zwei Seiten einer Medaille, Dokument und Fiktion also zwei Seiten ein und desselben Erfahrungssachverhalts. Und ich denke der Blick ist insofern natürlich geeignet, so mit dem Begriff Interesse kurzgeschlossen zu werden, weil der Blick etwas Intentionales hat. Wir können unsere Augen schließen, unsere Ohren können wir nicht schließen, da fällt alles erstmal rein. Aber wenn wir die Augen nicht schließen, richten wir sie automatisch auf etwas, wir fokussieren. Und diese Fokalisierung, die durch das Blicken permanent geschieht, ist immer korreliert mit einem Interesse. Frage: Sobald man sich interessiert, beginnt man zu reflektieren, zu philosophieren, um Wahrheit zu deuten und dadurch entsteht Fiktion, also nach dem Motto: Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben. Vielleicht kann man Wirklichkeit mit Perspektive ersetzen. Also es sowohl beim Regisseur als auch beim Betrachter so, dass je nachdem, wie er seine Perspektive auf die Wahrheit richtet, dadurch kreiert er seine eigene Fiktion. 

In dem Augenblick, wo man sich mit einem Wirklichkeitssauschnitt auseinander setzt, also sich für ihn interessiert, wird immer die Frage auftauchen „Warum ist das so und nicht anders?“. Also die Neigung, diese Wirklichkeit in den Konjunktiv zu übertragen. Das ist auch eine Art von Wunsch, ich würde es mir anders wünschen. Diese Fiktionalisierungen sind latent immer, ich glaube in jedem Augenblick, wo wir halbwegs bewusst mit irgendwelchem ??? auch präsent. Frage zur Autorschaft: Sie haben den Auftragsarbeiten die künstlerische Selbstständigkeit abgesprochen und somit der Künstler weniger künstlerisch arbeitet, aber ganz große Kunst wie in der Barockzeit oder der Renaissance, das waren ja auch

alles Auftragsarbeiten. Vielleicht ist die Quelle für die Inspiration gar nicht so entscheidend. 

Das war ja höfische Kunst. Man muss den gesellschaftlichen Bezugsrahmen mit reflektieren. Und in der Renaissance sind das natürlich Fürsten, die diese Aufträge vergeben, an Meister. Das ist sicher ein ganz anderer Kontext der Herstellung (??), auf Seiten des Malers Autonomie. Also keiner dieser Fürsten hätte das künstlerische Können auf die visionäre Kraft eines Malers angezweifelt. Das hat auch dazu geführt, dass in den einzelnen Kunstwerken oft auch ganz subtile Herrschaftskritik eingebaut wurde.Wenn wir uns so etwas vorstellen im Bezug auf den Film, ist der Rahmen ein industrieller. Das ist natürlich auch eine kapitalistische Produktionsweise, die man hier mit in Rechnung stellen muss. Da wird sehr viel Geld investiert für ein Produkt, das ein mehrfaches der investierten Summe wieder einspielen soll. Wenn man sich fragt: Wer ist der Autor des Film „Der Untergang“? Man würde sehr schnell auf Bernd Eichinger kommen, man würde sogar das richtige sagen, obwohl die Credits etwas anderes sagen. Eichinger ist der Produzent, der Geldgeber, und er hat einen Regisseur beauftragt dessen Name man nicht mal kennt. Man würde diesen unter keinen Umständen als Autor begreifen, weil er unter Kontrolle steht, bei dem was er tut. Er kann über keine Einstellung, über nichts selbst entscheiden. Da ist es wichtig geschichtlich das auch zu betrachten. In jeder Epoche gelten auch andere Produktionsbedingungen. Das ist ganz wichtig. Es gibt also nicht die künstlerischen Produktionen an sich. Frage: Würden Sie Produzenten künstlerische Charakter, künstlerische Fähigkeiten oder Möglichkeiten zusprechen? Also in wie fern ist der Produzent ein Künstler? 

Das kann man ja gar nicht allgemein betrachten, wenn der Künstler etwas Individuelles ist. Der Produzent ja doch nur eine Schablone darstellt, die darüber charakterisiert ist, dass sie das Geld für den Film bereit stellt. Aber das kann man natürlich nicht aussch

Einführung in das Studium TFM (2009/2010)By Julia Sauer on Thursday, January 20, 2011 at 6:27pm

1. Vorlesung – TheaterbegriffeEs geht um Gegenstände der Theaterwissenschaft und womit sie sich beschäftigen. Begriffserklärung: 

theasthai = schauen/ anschauen théa = Schau, Schauspiel theatron/-rum = orts-, zeit- und gewohnheitsabhängig theorí = Wahrer der Schau

Theater ist nicht nur Kunsttheater (nur heutiges Verständnis). „Anschauen“ ist selbstverständlich und alltäglich, verweist auf Erkennen und Erkenntnis (Form der Zu-/ Ordnung). „Zur Schau gestellt“ – das Zuschauen steht im Vordergrund. Der optische Sinn verknüpft die Bereiche Theater, Film und Medien.Historischer Ursprung des Begriffes: Es gibt keinen richtigen Ursprung. Der Begriff weist auf ein bestimmtes Bedürfnis des Menschen hin, Körper und Sinnlichkeit des Theaters kommen ins Spiel. In einer Schau werden Geist und Körper bearbeitet. Wir haben es im herkömmlichen Theater immer mit „Zuschauen“ zu tun, nicht in erster Linie mit Ratio. Griechische Antike: Theater hatte einen bestimmten Stellenwert, die Antike gilt als Modell für die politische Verfassung und Konstruktion eines Staats für Europa. Platons Werk „Politea“ gibt Hinweise zum Theater. Seine Lehre baut eine Idee des Musterstaates auf. Er geht von einer höheren Idee aus, der Theater entgegen läuft. Er war der Meinung, dass je weiter sich eine Nachahmung verschiebt, desto schlechter ist sie, desto falscher. Warum kann  Theater einem Staat gefährlich werden? – Platon war gegen das Theater, weil die Idee sich nicht als rein befindet, sondern nachgeahmt wird (mimesis). Das Scheinhafte wurde abgewertet. Die Idee ist nur dann rein, wenn sie vergeistigt und nicht sichtbar ist (z.B. christliche und jüdische Religion: das Nichtsichtbare ist wahr (Heilige Geist). Die körperliche Darstellung ist verfälscht und hat eine niedrigere Stufe der Erkenntnis als die geistige. Auch bei den Christen ist die Schauspielerei die Kunst, die am niedrigsten steht, aber es gibt Abstufungen (bei Plato nicht). Schauspielerei, Tanzen und Singen wurde dem Teufel zugehörig bezeichnet. Tertullian „De Spectaculis“ (Tertullian: Pantomime; Spectaculis: Wagenrennen)

Wagenrennen usw. wurden angeprangert Das zur Schau stellen des Körpers war ein Skandal Jede Form des Verkleidens, angedeutete Sexualität, Geschlechtertausch waren

Skandale „alles Nachgebildete ist eine Fälschung“ Schauspieler unterlaufen eine Wahrheit = Teufelsverehrung

Heute: Theater hat einen Bildungssinn, es geht um Bürger und Erziehung, Inszenierung usw. Erst im 18. Jahrhundert bekommt das Theater einen anderen Wert, als das Theater zu einem höheren Wert erhoben wird, es wird zu einer Bildungseinrichtung. Verantwortlich dafür ist die Politik, die noch immer bestimmte Bedürfnisse ausgrenzt. Nach der französischen Revolution wird im Theater erklärt, wie sich der Bürger richtig verhält. Theater wird zu einer moralischen Anstalt, wird anstrengend und widerstrebt dem, was man wirklich machen möchte: lachen, sich unterhalten (Grundbedürfnisse anthropologischer Konstanten: Jongleure, Zauberkünstler…). Im 18. Jahrhundert jedoch wurden Emotionen verdrängt. Theater weist auf ein menschliches Bedürfnis hin, zu begreifen, anfassen, umgehen können mit etwas, Spiel mit Leben und Tod als Unterhaltung (Pharaonische Zauberkünstler schlachteten Huhn, das dann wieder lebt), Magie (nicht Esoterik): Jongleur besiegt die Schwerkraft.Das menschliche Spiel wurde aus dem Wettkampf entwickelt und bis heute konsequenzvermindert dargestellt: Römische Antike – blutige Spiele zwischen Tieren und Menschen, Mittelalter: geregeltere Spiele, es wird mehr angedeutet, Boxkampf und CastingshowsSzenische Vorgänge sind die Vorgänge, die hervorgehoben werden, in Situationen, in denen Menschen hervortreten

1. Örtliche Hervorhebung: zwei Menschen, einer verhält sich örtlich different (oben oder unten), Kreis und Zentrum der Stadt wird hervorgehoben

2. Akustische Hervorhebung: einer redet lauter oder leiser3. Gestische Hervorhebung: verweist auf Gestikulieren, Gebärde, durch

Verletzung wird man mehr beachtet als sonst, Körperbewegungen müssen auffallen

4. Dingliche Attribute: Maske und Kostüm

Erzählung eines griechischen Herrschers Peisistratos: Große Frau, Phye, als Athene verkleidet (Dingliche Attribute und gestische Hervorhebung), auf einen Wagen gestellt (örtliche Hervorhebung), mit lautem Getöse in die Stadt gefahren (akustische Hervorhebung) und so die Stadt wiedererobert. Szenische Vorgänge erzeugen also eine andere Wirklichkeit, es geht um Täuschen, Lügen, Wahrheit vorspielen. Theater und Politik stehen in enger Verbindung, Politiker inszeniert Wirklichkeit. Theatermetapher:„Die ganze Welt ist eine Bühne“: Theater ist eine Widerspieglung der Welt, wir beschäftigen uns mit Differenzierungen. Neben szenischen Vorgängen gibt es auch spielerische (Brettspiel zu Hause). Ist der ganze Lebensprozess ein Schauereignis? – verweist auf die Eitelkeit der Menschen, va. im Barock: es besteht alles nur aus Schein und die Endlichkeit des Menschen soll nicht gezeigt werden. 

1. Situation: kleinste, kompakteste Einheit menschlicher Zusammenfügung2. Vorgänge: Vorgänge aus dem Alltag, szenische Vorgänge3. Spielvorgänge, z.B. Brettspiele

Texte: Kotte: Szenische VorgängeSituation und Vorgang wird begründet von Verhalten und Handlung.Verhalten 

alltägliche Beziehung von Tieren oder Menschen zu einander und ihrer Umwelt Produkt der Evolution in stetiger Wandlung Körperliche Reaktionen auf Emotionen (weinen, lachen, zittern)

Handlung (praxis griech., actio latein)

Bewusste planvolle Tätigkeit Menschliche Aktionen eher, die sich als komplexes ganzheitliches Geschehen sehen Beziehungsnetz, indem Verhalten sich durch subjektive Information auf Zwecke

ausrichtet Kann mit offener Kreativität gepaart sein, muss nicht nur zweckrational sein Verbesserte Anpassung an die Umwelt

Situation

Aktionen werden von verschiedenen Individuen aufeinander bezogen Grundlage fürs Theater Purer Lebensprozess mit eigener Spezifika Kleinste und kompakteste Einheit menschlicher Zusammenhänge, eine Beziehung zur

gleichen Zeit am gleichen Ort Es bilden sich Gruppen (evt. Zuschauer und Akteure) und sie stehen zu einer

bestimmten Konstellation zueinander, die als Situation oder Ausgangssituation bezeichnet werden kann

Szenische Realität auf einer Bühne Stehen meist im Zusammenhang (einzeln unbeachtet) Schaffung von Situation durch 5 W Fragen: wer, was, wann, warum, wo

Vorgeschlagene Situation

Schauspieltechnische Spezifika Kinderspielen (Vater, Mutter, Kind) Vorbereitungskurs für Bewerbungsgespräche Erzwingen variiertes Handeln Innere und äußere Bedingungen erzwingen szenische Vorgänge

Vorgang

Historisch konkret, weil an Individuen und Lebenszeit gebunden Innere und äußere Vorgänge: sind an Verhalten und Handlung gebunden Situationen können in Bewegungen und entstehende Handlungen sind Vorgänge Am besten am Anfang oder am Wendepunkt zu analysieren

Handlungen und Situationen sind selbst verhaftet. Interpretation der Situation gehören einer Ebene des Umgangs mit dem Geschehen an.

Wir verhalten uns stets von Situation zu Situation:

Spielerische Vorgänge befriedigen sinnliche und vitale Bedürfnisse. Produktive Vorgänge produzieren produktive Bedürfnisse. #

Handlung ist Geschehen (Autoherstellung). Vorgang bezeichnet Geschehen (speziellere Benennung eines Arbeitsschrittes). Leben und Theater unterscheiden sich in Vorgängen nicht, nur in ihrer Ausgestaltung, Konsequenzen und rezeptiven Horizonten.Brecht und Stanislawski: alle Vorgänge müssen real wirken.Es wirken Vorgänge in ihrer Gesamtheit: Gesagtes und Getanes. Was Theater ist, wird vom Publikum bewertet. Schema szenischer VorgängeAlltagsverhalten = unendlich viele zeitliche und örtliche fixierte Situationen und Vorgänge, durch ein natürliches und wenig beeinflusstes Verhalten bis zu zielgerechten Handlungen in der Produktion von Dienstleistungen und Waren gekennzeichnet. Mit dem Verhalten werden menschliche Bedürfnisse befriedigt, Pflichten erfüllt, die das Überleben sicherstellen oder der Selbstverwirklichung dienen. Ganzheitliches Spiel = totaler Zusammenfall von Spiel und alltäglicher Realität. Kein interaktives Handeln, wenn eine Seite entfällt oder erstarrt (Tod). S 46 GrafikTheaterbegriffePhänomene, die von den Zuschauern abhängen, bilden die Ebene der szenischen Vorgänge. Theater = Orts-, Zeit-, und gewohnheitsbedingte spezifische Beziehungen zwischen Agierenden und Schauspielern, die sich in medialen Vorgängen realisieren. Theater ist ein Name oder ein Titel, den Agierende und/ oder Zuschauer einem Geschehen zueignen. Eine Vergabe des Namens durch den Agierenden ist möglich, aber weder notwendig, noch hinreichend. Metzler Lexikon – TheatertheorieTheaterbegriffe: 

1. Historisches Theater: Schau umfasste Prozessionen, sportliche Wettkämpfe, Tänze mit Lied und Musikbegleitung. Platon und Aristoteles untersuchten den Theaterbegriff unter dem Gesichtspunkt des Wahrheitsgehalts bzw. der Wirksamkeit der Dichtung. Tertullian: heidnische und körperliche Verführungskraft, Mimus ist der Mittelpunkt

13. Jhd.: Thomas v. Aquin unterschiedet zwischen erbaulichen und schändlichen Spielen15. Jhd.: theatron wieder Zuschauerraum1. Hälfte des 18. Jhd.: Theater = Gebäude, Veranstaltungen oder örtlich hervorgehobene Plätze in Gärten. Theatrum = Hinrichtungsgerüst und Podest der Komödie2. Hälfte des 18. Jhd.: Versuchung der Literarisierung von Theater, Antike wurde langsam abgelöst19. Jhd: Zirkus, Varieté, Music Hall

20. Jhd: 2. Weltkrieg – natürlich inspirierte Forschungen, Frage nach dem Ursprung des Theaters70er: soziales Kommunikationsspiel und interaktionstheoretische Modelle, die konsequent den Handlungs-, Bewegungs-, und Verlaufsaspekt betonen80er und 90er: Diskussion, wie weit der Gegenstandsbereich des Begriffs Theater vor der Medienentfaltung zu fassen ist.   

1. Systematisches Theater: Gruppen oder Arten von Theater

1.  1. Die Agierenden oder Schauenden rücken in den Vordergrund2. Alltägliche Erscheinungen3. Historisch universell einsetzbar oder epochengebunden4. Induktiv versus deduktiv

 

1. Situation versus Bedeutung, solche, die Theater einen Titel geben und solche, die es vermeiden.

Literarische Tradition: der Theatertext wird erst in der Aufführung poetisch vollkommen. Mit Semiotik wird allgemeine Zeichenlehre aufs Theater ausgedehnt, sie konzentriert sich auf das Dargebotene.

1. Produktionsorientiert versus rezeptionsorientiert: zweite Hälfte des 18. Jhd. weniger aufs Sehen und Gesehen werden fokussiert, sondern auf das, was auf der Bühne gesagt und gezeigt wird. Fast alle Theater sind produktionsbezogen, rücken was wie gespielt werden soll in den Vordergrund. Manche sind jedoch auch rezeptionsorientiert: primäre Spieler im Theater ist nicht der Schauspieler, sondern der Zuschauer. 

2. Induktiv versus deduktiv: Theater kann von der Praxis alltäglichen Verhaltens induktiv gebildet werden oder aus verschiedenen Theorien abgeleitet werden. Zu Deduktion gehört die Vergleichbarkeit kulturell-künstlerischer Leistungen und die gezielte Positionierung Theaterschaffender. 

3. Universell versus zeitgebunden: verschiedene Personen bilden zu verschiedenen Zeiten andere Theaterbegriffe. Theaterbegriff: im 18. Jhd.: starker Mann auf dem Jahrmarkt, im 19. Jhd.: Stadttheater. Der Name Theater wird von den Zuschauern verliehen. Der Begriff ist abhängig von gesellschaftlichen Bestimmungen, vom Wissenshorizont und vom theaterhistoriographischen Verständnis der definierenden Personen. Sie können für konkrete Zeiträume anwendbar sein oder universell eingesetzt. 

Szenische oder theatrale Vorgänge bilden den maximalen Bereich, aus dem mittels Theaterbegriffen Phänomene herausgelöst werden und Theater genannt werden. Es existiert eine Situation, mehrere Menschen befinden sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort, es entsteht ein Vorgang. Trennen sich die Agierenden von den

Schauenden, werden die Körperbewegungen der Agierenden besonders hervorgehoben, es entsteht ein szenischer Vorgang, eine Hervorhebung (siehe oben). Dies ist nie zweckfrei und es verbindet Aktionen mit Reaktionen. 

1. Theater nach Kontexten und Forschungsfeldern: Begriff wird durch K. und FF. verändert, nicht nur subjektiv gebildet.

1. Theatralität und Theater: der Begriff Theatralität umfasst Theatralitätstheorien, Theater minus Text = Theatralität (nach Roland Barthes) Textzentriertheit wurde stark hinterfragt. Es ist ein erweiterter Begriff, umfasst eine Eigenschaft von Verhalten. Der enge Theaterbegriff umfasst nämlich meistens das Theaterverständnis des 19. Jahrhunderts: Stadt-, Staats-, Nationaltheater, Drama usw. 

2. Audiovisuelle Medien und Theater: der Theaterbegriff hängt von einem gewissen Medienverständnis ab, Frage, ob Theater ein Medium sei ist umstritten. 

3. Performance und Theater: cultural performances: Darstellen, Machen, Aufführen, Ausstellen, Herstellen eines Ereignisses; performance art: spezifische Theaterform, für Aktions- und Darstellungsformen vornehmlich bildender Künstler, besonders seit dem Ende der 1950er. Beide sind eher produktionsorientiert und müssen nicht live sein, direkte Kommunikation ist aufgehoben. 

4. Anthropologie und Theater: Theater lassen sich danach entscheiden, ob sie wenige oder zahlreiche szenische Vorgänge mit einbeziehen. Kernbereich: Aufführung nach dramatischen Vorlagen, von professionellen Ensembles in klassischen „Theatern“ wiedergegeben klare Abgrenzbarkeit des Gegenstandes. Theater haftet eine gravierende Alltagsnähe an. Es entstehen anthropologische Fragestellungen, wobei dies von Psychologie, Ethnologie, Soziologie  und den Kulturwissenschaften unterstützt wird. Theater vitalisiert und bietet sich als Machtsicherung mit Arbeit und Fest an. Es ist also an der Konstitution der Gesellschaft beteiligt. 

2. Vorlesung – Theaterformen ( es geht um verschiedene Schauereignisse und Unterhaltung)Das Burgtheater:Das Burgtheater ist steingewordenes Gebäude der bürgerlichen Werte zur Zeit Maria Theresias und Joseph II (im 18. Jahrhundert). Ursprünglich jedoch war es nur für den kaiserlichen Hof gedacht und nicht für die Bürger. Maria Theresia öffnete 1756 erstmals für nichtadelige Menschen die Türen des Burgtheaters (Zitat: „Das Volk braucht Spektakel, um regierbar zu sein“) die Herrscherin braucht Theater, um Politik machen zu können.Joseph II / Reformkaiser war ein Vertreter des Aufklärung, vor allem der deutschen Aufklärung, was natürlich eine schwierige Ansicht in einem kaiserlichen Herrscherhaus war. Aufklärung vermittelt das Prinzip der Légalité, Fraternité und Égalité. Das Theater spielt eine wichtige Rolle, um die bürgerlichen Werte dem Bürger (nicht dem Volk) zu vermitteln. Der Bürger soll den Adel ablösen und neue Werte entwickeln und somit dem Adel seine Legitimation wegnehmen. Joseph II

eröffnet das Burgtheater neu als Nationaltheater: das dynastische Denken (Herrscher kommt mehrere Generationen lang aus demselben Herrschergeschlecht) wird von einem nationalen Denken abgelöst.Joseph II will Gotthold Ephraim Lessing nach Wien holen, dieser will aufgrund den „Kunstsitten in Wien“ jedoch nicht kommen. Daraufhin beschließt der Herrscher, mithilfe von Joseph Freiherr von Sonnenfels, Lessings Dramaturgie im Burgtheater zu übernehmen. Joseph Freiherr von Sonnenfels: Theaterzensor, Chef der Dramaturgie, Jude (außergewöhnlich im Ende des 18. Jahrhunderts/ 19. Jahrhundert). Joseph II hat das Judentum bewusst gefördert und integriert, indem er schon bei der Gründung des Burgtheaters hohe Ränge an Juden vergeben hat, obwohl sich der Antisemitismus bald auch im Theater breitmacht. Diese Rangvergebung wäre in Deutschland z.B. undenkbar gewesen. So versucht Joseph II Werte der Gleichheit zu vermitteln (=identitätspolitischer Aspekt). Regelmäßige Schauspiele:

Wie muss sich der Bürger richtig verhalten?  Wie bändigt er seine Emotionen? – wie weint, lacht man Wie äußert er das Leibliche? Zeigen ein maßvolles Ideal / zeigen das Tugendhafte Aus dem Theater heraus sollen Bürger gebildet werden und es wird daraus ein

staatlich verordnetes Bildungsinstrument Vertreter: Lessing, Dichter wie Lessing wollen sich vor dem Adel beweisen und das

Unregelmäßige Stadtbild vertreiben, es lässt sich jedoch nicht so leicht vertreiben (Prater)

Regellose Schauspiele:

Stehgreif Komödien Figuren: Hanswurst (Wurstelfigur)/ Kasperl Obszön und politisch – zunächst nicht für Kinder geeignet Unterhalten Menschen im Theater, wird vom Nationaltheater in den Prater und in die

Vorstädte vertrieben Emil Mayer & Felix Salten - Wurstelprater

Der PraterIm 18. Jahrhundert gibt es in Wien drei verschiedene Stände:

Adel Bürger Volk: Armen und Ungebildeten

Joseph II integrierte die Bürger mit dem Burgtheater (um eine Revolution wie in Frankreich zu vermeiden) und gibt dem Volk einen Platz für Unterhaltung: der Prater. Der Prater war einst ein kaiserliches Jagdrevier (Jagd = kaiserliches Vergnügen, Privileg der Elite) und nur dem Adel zugänglich bis Kaiser Josef II. im Jahr 1776 das Areal den Wienerinnen und Wienern als Erholungsgebiet schenkte. Sofort wurde es gestürmt. Die ersten Errichtungen waren Gastronomie-Ständen (Konzessionen für

Essen und Trinken – am Leben erhalten) und es dauerte nicht lange, bis am Rande des einstigen Jagdreviers der Vorläufer des heutigen Wurstelpraters entstand. Dann erst kamen die Belustigungen:Das Karussell: Es war vorerst nur ein höfisches Vergnügen in der spanischen Hofreitschule für vornehme Damen, mittelalterliche Turniere wurden spielerisch nachgestellt. Für das Volk nahm man Pferde aus Holz, die sich im Kreis bewegten.Schießbuden: aus Jagd / Krieg / Soldaten – nur die Reichen haben die besten Waffen/ sind überhaupt bewaffnetEs entsteht eine Transformation von dem Adel vorbehaltenen Artefakten, die sich von nun an die Bürger und das Volk aneigneten. Der Adel jedoch ließ sich nicht vertreiben: der Prater teilte sich in das Vergnügungsareal (mit Fahrwerken und Gasthäusern) und in den Grünen Prater (mit dem Jagdschloss, dort repräsentiert sich der Adel). Ende des 19. Jahrhunderts vermischen sich schlussendlich Adel und Großbürgertum und das Volk schaut beim Repräsentieren der beiden Stände zu.Corsi = Ereignis, bei dem der Adel und das Bürgertum in reich geschmückten Kutschen auf und ab fuhren (Politik, Gesellschaft, Überleben). Der ZirkusDer Zirkus ist eine wichtige Form des nichtregelmäßigen Theaters.Zirkus verbindet man mit Tieren, Clowns, Artisten…, jedoch gibt es über den wirklichen Ursprung kaum Literatur dazu. Er verweist natürlich auf ein in der römischen Antike stattgefundenes Schauereignis, eine Tierhetze, hat aber eigentlich nichts damit zu tun. Legende: Ein englischer Offizier, Philip Astley, eröffnete 1768 nach dem Krieg eine Reitschule in England, an einem Platz, an dem vorher ein Theater stand. Es war rein für den Adel gedacht. Später führte er zu den Reitvorstellungen Clowns, Artisten, Seiltänzer, Jongleure und Schlangenmenschen ein, um die Vorstellung aufzulockern. Die Manege soll ebenfalls hier ihren Ursprung finden. Es findet wieder eine Transkription vom Adel zum Bürgertum statt, da bis zu diesem Zeitpunkt nur der Adel geritten ist. Die Kunstreiter führten das Wichtigste auf und bilden wie die Schauspieler eine eigene Klasse. Die Stellung der Frau ist im Zirkus ebenfalls eine andere als im „realen“ Leben: anstatt maßvoll soll sie nun maßlos sein, Dinge tun, die der normale Mensch nicht zu tun vermag. Der Zirkus gibt sich selbst die Form eines Nationaltheaters. Praterplan mit Zirkuswiese: Theatergrundbau aus Stein 1803, der „Circus Gymnasticus“ im Prater gilt als der eleganteste Zirkus in Europa. Er wurde unter Christoph de Bach (* 1768 in Kurland; † 12. April 1834  in Wien) errichtet. Dieser war ein Kunstreiter, zwar ohne Stand, jedoch mit der KK-Kunstreiterauszeichnung und hat davon auch gelebt. Der Zirkus ist eine Mischung aus Theaterbau und exotischem Palast mit Logen und Tribünen. Uniformierte Diener stehen am Einlass und sorgen für das Wohl der Besucher. Es handelt sich wieder um Dinge, die sonst nur dem Adel vorbehalten sind (Diener und Paläste) und auch die Künste wurden von den Artisten besser als vom Adel beherrscht. Der Adel kommt also in den Zirkus, um von den Darstellern zu lernen! Hetztheater für Tierhetzen oder Kunstreiter John Hyam, er bekam vorerst Auftrittsverbot von Maria Theresia, zwei Jahre später jedoch verlieh sie ihm das KK Privileg.

Berühmte Zirkusnummer von De Bach: er dressierte Hirschen (Symbol der europäischen Dynastien), lässt sie vor eine Kutsche spannen und fährt damit die Hauptallee auf und ab. Natürlich empfand dies der Adel als Provokation und ein Herzog kaufte De Bach die Hirsche teuer ab, um selbst damit zu repräsentieren. Utopien = „Nirgendland“, erträumtes, erdachtes Land (es öffnet sich etwas, es entsteht Freiraum)Text: Stefan Hulfeld: Unterhaltung (Theaterlexikon)

Unterhaltung = Wort: Austausch im Gespräch, Unterhalt im Sinne von am Leben halten (weitergehender als nur im Theater, reflektiert Lebensprozesse und macht sie begreifbar), seit zweiter Hälfte des 18. Jhdt. im heutigen Wortsinn gebräuchlich

Im europäischen Begriff meist dichotomisch/ ambivalent verwendet (= Aufteilung in zwei Strukturen oder Mengen, die nicht miteinander vereinbar bzw. einander genau entgegengesetzt sind)

Relationsbegriff zur Bewertung ästhetischer Phänomene Unterhaltungsformen sind nicht eindeutig theoretisierbar, da sie kaum objektivierbar

sind subjektiv (auch bei Begriffen wie Happy End, Emotionsgeladenheit, Schaueffekthaftigkeit)

 

1. Als Gegensatz von Wirkung verstanden und als Funktionsdominante vom rituellen Prozess zum Kunstwerk

1.   Ziel der Theaterentwicklung im neuzeitlichen Europa: Theater vom Kult und

von der Sphäre der Selbstinterpretation des Menschen im Universum zu trennen

Rekreation (Erholung) oder Unterhaltung beschreiben die eingeschränkte Funktion von Theater

Forderung Hédelins: Theater soll nur öffentliche Unterhaltung sein, nicht Akt der Religion

Es setzte sich parallel zur industriellen Revolution praktisch und theoretisch ein vergnügliches und kritisches Abbild profaner (alltäglicher) Lebenswelt durch

Durch Nivellierung des Festkreislaufes, Intensivierung und Regelung der Arbeitszeiten sowie Trennung von Andacht und Erholung ermöglichte Freizeit und damit die Realisierung von Theater als Unterhaltung nach getaner Arbeit die Mitwirkenden wurden zu konsumierenden Zuschauern eines von Berufsleuten produzierten Kunsttheaters

Freizeit = wie strukturieren Menschen ihre Frei-/ Zeit, wie Arbeitslose? Im 19. Jahrhunderts kam es zur Entstehung großer Theaterbetriebe v.a. in

westlichen Wirtschaftsmetropolen, die Massen zu erreichen versuchten großer Gewinn, galt daher aus bildungsbürgerlicher Sicht als Verrat der Theateridee der Aufklärung, Unterhaltung sei das Gegenteil von Kunst

In Kapitalismuskritik im 19. Und 20. Jahrhunderts wurde das bürgerliche Theater grundsätzlich abgelehnt – es konsolidiere (stärke) die Hegemonie

(Führung) der Bourgeoisie, es halte die Unterschichten unter einem bestimmten Niveau und daher das Gegenteil dessen, was auf die gesellschaftliche Veränderung einwirkt

Nach Schechner: Wirksamkeit und Unterhaltung sind nicht grundsätzlich Gegensätze, sondern miteinander verknüpft (Theaterexperimente, die sich z.B. durch Ritualisierung ihren Wirkungsanspruch über grundlegende Fragen ausdehnen und auf Rituale, deren Reproduktion außerhalb der traditionellen Kontexte den Unterhaltungsaspekt dominieren lassen)

 

1. Gegensatz von Belehrung (aus antiker Poetik) Horaz: Dichter sollen entweder belehren oder unterhalten, er selbst jedoch will

sowohl nützlich als auch unterhaltsam sein Antike Rhetorik bestimmt genaues Maß an Lehren, Erschüttern und sich

Unterhalten (nicht bei sehr Gebildeten notwendig) in einer Gerichtsrede  Renaissance: zur Unterhaltung, als auch zur Zerstreuung (antikes Denken wird

wiederaufgegriffen)  Von nun an immer theoretisches und dramaturgisches Problem, jedoch konnte

sich diese angestrebte Spielpraxis nur schwer etablieren, da sie zwischen dem Stehgreif und dem elitären Akademietheater steht

Bis zur Sittlichen Schaubühne (angestrebtes Theater) mussten vorerst viele andere neue Gattungen entwickelt werden

Unterhaltung ist für die Theaterreformer oft Mittel zum Zweck, damit das oft nicht aufgeklärte Publikum die bittere Moralpille schluckt

Es bilden sich zwei Genres:

a) das auf soziale Umbrüche formal und inhaltlich reagierende, Haltungen des Publikums hinterfragende Theater, überlebend durch staatliche Subventionen als Bildungseinrichtungb) Unterhaltungstheater: Mit einem spezifischen, oftmals musikalisch geprägtem Repertoire, privatwirtschaftlich gestützt

1.   Trotzdem existiert eine Utopie der Synthese von Unterhaltung und Lernen,

nach Brecht sollen die, die an den kulturellen Techniken arbeiten die im Theater abgebildete Gesellschaft zu kritisieren 

 

1. Unterschiedliche Theaterformen im breitem Unterhaltungs- und Freizeitspektrums des 20. Jahrhunderts werden thematisiert, das soziale Schichten und Lifestylegruppen aufgrund von Selbstinszenierung und Identifikation verschieden wahrnimmt

Geistlose/ Schändliche Vergnügen: lange Zeit Fußball, Glücksspiele, Tierhetze, Zirkus, Wirtshausbesuch Säulen der Hochkultur

Seit 60ern: Grenze zwischen Hoch- und Populärkultur wird zunehmend in Frage gestellt – Massenkultur der Unterschichten wurde von der Elite

angefeindet, deshalb prägte sich unter dem Paradigma „Erlebnisgesellschaft“ zunehmend die Unterhaltung von soziologischen schwerer erfassbaren Lifestylegruppen, wobei sich die Bildungsschicht Populärkultur in spezifischer Weise aneigneten (Kino, Rockmusik, Fußball, Fernsehshows…) bzw. der Unterschicht den Symbolwert mittels repressiver Toleranz wegnahm

Theater ließ allmählich seine Bedeutung wegen anderem Unterhaltungsgebot schwinden, Gegenwirkungen durch verschiedene Mittel wird versucht (z.B. Wahrnehmungspolitik n. Lehmann)

Es geht immer um Identitätssuche, sogar das billigste Vergnügen ist dann nicht wertlos

Text: Mattl und Schwarz – Utopia des „zeitlos Populären“ – WurstelpraterEnde des 19. Jahrhunderts: Wurstelprater oder amtliche Volksprater ist der Glanzpunkt einer ausgedehnten Vergnügungslandschaft im Südosten der Stadt für alle Stände (einzigartig in Europa und USA). Hauptalle war das exklusive Repräsentationsfeld der Aristokratie und Großbourgeoisie, Freudenau war der wichtigste Pferderennplatz für das Kleinbürgertum, die Intellektuellen und Professoren. Öffnung des kaiserlichen Jagdgebiets: 1770er.Saltens Text und Mayers Photographien: man tritt in eine andere Welt, wenn man durch die Brücke geht, eine Traumwelt, in der Technik, Natur und Architektur eine Stadtkante formen. Der Wurstelprater ist eine Abfolge von Einzeleinstellungen, die die Wahrnehmung fesseln. Er ist ein Marktplatz der Sprachkünstler, die die Attraktionen und Illusionen erst herstellen. Parks sind Räume der Moderne, Produkte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein Ableger liberaler urbaner Kultur, meist von den Kommunen finanziert und verwaltet. Sie fungieren als erweiterte Bühnen des öffentlichen Lebens. Um Jahrhundertwende Lunaparks: als industrielle Unternehmen organisiert, die die Eintrittsgelder steuern, technische Apparaturen und Maschinen rücken ins Zentrum. Urbane Öffentlichkeit wird bloßes Publikum. Ab 1873 Weltausstellung findet ein Modernisierungsprozess statt, neue medientechnische Attraktionen usw. Vereinigung von Nobelesse und Volkstümlichkeit. Im Prater waren auf engem Raum die diversen gesellschaftlichen Segmente der Stadt präsent und das Gelände diente als Versuchsfeld ökonomischer, technischer und gesellschaftlicher Neuerungen. Sport- und Freizeitaktivitäten:

Größte Reitschule Wiens Erstes Wiener Fußballmatch Flugversuche mit Ballon Schwimm-, Reit- und Turnplätze Klubsitze von Radfahr- und anderen Sportvereinen Hauptallee: Wettfahrten der Fiaker

Im Prater fehlten die Territorialisierungszeichen des Staates, Militär- und Polizeikonzernen, Exerzierfeld, kirchliche Einrichtungen oder religiöse Veranstaltungstraditionen. Riesenrad ist das zweite Wahrzeichen der Stadt. V.a. zwischen 1890-1911 wurde der Prater zum ausgelagerten Versuchsgebiet der Stadt für neue Massen-Technologien und exzentrische Kulturprodukte, neue Designs und

Zirkus-Busch. Er wurde also zum Standort einer höchst avancierten Massen-Kulturindustrie und seine Institutionen gerieten unter Adaptierdruck. Fünf Kinos, in denen frühe pornografische Filme gezeigt wurden. Welche Besucher gehen in den Prater? – keine „Bürger“, außer Gymnasiasten, die ihr erstes Liebesabenteuer suchen, Angehörige des Adels kommen nur in den Prater um Volk zu spielen, aber auch keine Arbeiter (nicht solche, die durch einen Beruf zu charakterisieren sind). Es ist eine Gesellschaft, die durch ihre Erscheinungen und Verhaltensweisen charakterisiert werden: „der Strizzi“, der „Fallot“ und der Trinker, außerdem Dienstmädchen und Soldaten dienende, aber nicht produktive Menschen. Sie sind vormoderne, vorbürgerliche Charaktere, die in der riesigen Stadt verloren gehen, keine Subjekte der Moderne, sondern deren Rohstoffe, sie sind frei von gesellschaftlichen Sittlichkeitsbegriffen und leben ihre Triebe jenseits bürgerlicher Moral. Sie versuchen dazuzugehören, imitieren die „Bürger“. Ihre Verwirklichung finden sie im Prater, sie behaupten sich mit ihrem Willen zum Leben gegen die Degeneration des modernen Großstadtlebens. Der Wurstelprater ist also ein utopischer Ort und seine Bewohner werden als imaginäre Verbündete sichtbar, es existiert ein protodemokratischer Kosmopolitismus (neue kulturelle Identität als Synthese der gemeinsamen Unzugehörigkeit). Es gibt keinen Nationalismus, keinen Klassenkampf und keinen bösartigen Antisemitismus. Text: Gerhard Tanzer – Die Herausbildung moderner FreizeitstrukturenDie Publikumsstruktur wandelt sichWien war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Schmelzpunkt für alle nennbaren theatralen Vorgänge. Seit dem 17. Jahrhunderts kamen Wandertruppen aus Italien, Deutschland und England und blieben oft über Monate, vor allem während der Marktzeit. Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch wurden die Theater „sesshaft“ durch Errichtung stehender Theater. Der Theaterbesuch war die hervorstechende Abendunterhaltung der oberen Schichten und gehörte zum guten Ton, vor allem seit der Einführung des französischen Theaters im Burgtheater. 1774/75 erreichen die abonnierten Logen ihren ersten Höhepunkt, doch die Besucherzahl steigt. Mit ihr steigt der Bedarf an Schauspielern. Eine entscheidende Rolle für die Verbreitung des Theaters spielt Joseph II, indem er das Theatermonopol 1776 aufhob (1728 begründet). Dies brachte einen Zustrom von Wandertruppen und die Errichtungen weiterer Theater hervor. Das „Hetzamphitheater“ auf der Landstraße bot 3000 Personen Platz. In den Zuschauerreihen gab es noch eine Ständetrennung, die sich in Preisunterschieden oder räumlicher Trennung zeigte. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte ein Wandel des Publikums ein: das Bürgertum entschloss sich für Formen des höfischen Theaters und es bildeten sich innerhalb der Ober- und Mittelschicht eine kulturelle Elite. Materielle Grundlagen und Geschmacksunterschiede in Besitz und Bildung verhinderten dass sich die Gesellschaft im Theater vermischen konnte: es gab eine strenge Ordnung im Theater, auch durch die Preisunterschiede hervorgerufen. Die Regierungspolitik unterstützte diese Beinahe-Ausschließung der unteren Klassen. Auch die Zeit der Aufführungen bildete eine Barriere: je stärker das Theater Richtung Abend verschoben wurde, umso stärker wurde es zu einer Freizeitform, die nicht für alle in Frage kam.Die Schauspielhäuser waren eine Domäne des Mittelstandes, was auch dem Anwachsen der Vorstädte zu verdanken ist. Durch Preiserhöhungen hatte der

„geringe Pöbel“ keine Chance auf einen Theaterbesuch. Manche Schaustellungen wurden als suspekt eingestuft, weil sie entweder ekelerregend oder lebensgefährlich waren. Alle Elemente des Jahrmarktes fielen nun den Behörden zum Opfer. Schändliche Schausteller, wie Taschenspieler, Gaukler, Menschen, die fremde Tiere oder Missgeburten zeigten, wurden ab 1801 von der Polizei festgenommen. 1809 wurden seltene Tiere ausgenommen und 1819 wurde das Verbot präziser: es galt für Bärentreiber, Affen- und Hundekomödianten, Riesen und Zwerge, wenn mit ihnen etwas Ekelhaftes verbunden ist, und Wachsfigurenkabinette wurden stärker kontrolliert (keine Mordszenen usw.). Erst mit den Schmierenkomödianten bekamen die unteren Klassen eine Chance auf Theater, da sie niedere Eintrittskarten verkauften. Die oberen Schichten distanzierten sich bewusst von diesem Theater. Nach der Schauspielfreiheit Joseph II stellte das Jahr 1794 einen wichtigen Einschnitt dar (Baron Peter von Braun erhält das Privileg über die Stadt. Die Inhalte wurden beschränkt und stärker kontrolliert.Bericht eines Schauspielers unter der Direktion Brodmanns 1776 – 1794Es gibt eine neue Verordnung, nämlich, dass die Schauspieler nur vier statt sechs Mal die Woche spielen, dass keine Ballette mehr aufgeführt werden und dass die Preise nach Plätzen geregelt ist. Durch die Anwesenheit des Kaisers bekommt das Theater mehr Besucher.Wahrnehmungsbrüche: vom Theater zum KinoDas Burgtheater wurde  zum österreichischen Nationaltheater, Joseph II schaffte einen Ort für Bildung für das Bürgertum. Das regelmäßige Trauerspiel: Hauptvertreter = Gotthold Ephraim Lessing, diese Theaterform setzt auf Regeln zur Bändigung der Emotionen der Bürger, des Auftretens, Verhaltensweisen, der Mode usw. Theater ist ein Schauereignis, das Körperliche steht im Mittelpunkt, das ist im frühen Kino noch genauso. Im späteren Film jedoch ist der Körper nicht mehr unmittelbar im Zentrum, es wird jedoch die Präsenz des Schauspielers gewünscht. Unterhaltung („am Leben erhalten“, bei Laune halten)  ist mit der Umstrukturierung der Gesellschaft verbunden: mit dem Beginn der Industrialisierung hat der Großteil Arbeit und die wenige Freizeit wird genau strukturiert. Das frühe Kino hat mit diesen Entwicklungen zu tun. Im Film findet sich der Körper als Schatten wieder ( Platons Höhlengleichnis: Schatten werden sichtbar gemacht, hat etwas mit Zauberei zu tun). Zauberkünstler führen Vorformen des Films auf.Theater an der Josefstadt: Ludwig Döbler, Zauberkünstler, mietete es und führt dort Filme mit einem optischen Apparat auf, erzeugt Bilder mit Lichteffekte. Diese Kinoereignisse galten als armes Schauereignis für die proletarische Masse. Das Unterhaltungstheater spielt für die Entwicklung des Kinos eine sehr große Rolle. Das Varieté z.B. war der wichtigste Ort in den Großstädten des 19. Jahrhunderts. Es gab auch Spezialtheater, die sich auf etwas Bestimmtes spezialisierten. Das Varieté war wie ein Zirkus organisiert, artistische Situationen, Kurzsketches, Minidramen und Tiersituationen waren in einem Programm zu finden. Dem liegt die Nummerndramaturgie (1-12) zugrunde.Am 1. November 1895 gab es eine spezielle Aufführung im Varieté Wintergarten in Berlin, ein so genanntes Rauchtheater von den Brüdern Skladonovsky. Neue technische Verfahren wurden als artistische Sensation dargebracht:

Italienischer Bauerntanz Komisches Reck Boxendes Känguru Jongleur Italienischer Bauerntanz Akrobatisches Potpourri 

Alle Kurzfilme wurden noch einmal als Schattenbilder gezeigt. Zuerst musste man sich erst an diese neue Art des Schauereignisses gewöhnen, später aber nahm man es als sensationelles Ereignis auf. Dies ist die früheste öffentliche Aufzeichnung von einem Filmprogramm jedoch NICHT der Start.Filmische Programme waren also lange Zeit fester Bestandteil in den Varietés  wobei der Fokus nicht auf die artistische Darstellung gelenkt wurde, sondern eher auf die Erfindung, Abbildung des Films selbst, die Sequenzen werden z.B. immer wieder wiederholt.Max und Emil Skladanowsky gehörten zur deutschen Erfinderdynastie und haben das Bioskop erfunden, das eben am genannten Abend erstmalig vorgeführt wurde, als Schlussnummer des Varietéprogramms. Man sah im Film, wie sie sich verbeugten und gleichzeitig waren sie auf der Bühne. Diese Darstellung wurde mit Apotheose verstärkt, man kann sie ja noch einmal erleben. Das Zeitalter der Medienapparate brachte zwei Verhältnisse mit sich:

1. Der filmische Gebrauch als Erweiterung der menschlichen Sinnestätigkeit (Fernrohr oder Mikroskop) macht Dinge, die sonst nicht sichtbar sind, sichtbar. Durch die Zeitlupe können Bewegungsabläufe besser wahrgenommen werden usw. Der Film kann also die Schau des Ereignisses räumlich und zeitlich trennen, entlegene und unbekannte Länder, Sportereignisse und Truppenbesuche des Kaisers werden dadurch beispielsweise gezeigt.

2. Medien führen zur Enteignung des menschlichen Sinnes indem sich das Abbild der Welt zunehmend vor die Wirklichkeit schiebt und empirische Wirklichkeit wird dadurch ersetzt (was wäre DSDS ohne Medien?) Medienwirklichkeit: was nicht auftaucht existiert nicht

Die Transformation ist eine entstehende Ausdrucksform der

1. Formierung2. Pointierung von Wahrnehmungsweisen 3. Entstehung von fiktiven Welten

Unterhaltung hat viel mit Umstrukturierung zu tun und mit am Leben zu erhalten, dient der Selbsterhaltung. Ab dem 19. Jahrhundert beginnt das öffentliche Interesse an Realität zu entstehen, auch durch die Erfindung des Fotoapparates und anderen kulturellen Formen und Praktiken. Im Kino entsteht eine andere Art der Selbstwahrnehmung und taucht dort auf, wo Bedarf existiert, zuerst am Jahrmarkt beim Proletariat und später in anderen gesellschaftlichen Klassen. Das kinetische Weltereignisses kommt mit dem modernen Leben in der Großstadt auf (Flaneur), der Film kommt genau darauf zurück. Auch

die Massenpresse wird wichtig, illustrierte Magazine kommen auf, die stärker visuell geprägt sind, als durch das Wort. Das Bild ist nur die visuelle Übersetzung/ Ergänzung, es gibt eine konkrete Vorstellung vom Geschehen (Enteignung der Sinne) und ist so die verbesserte Version des bloß Gedruckten. Als Louis Daguerre 1938 das erste vermarktbare fotografische Verfahren an den Staat für eine Lebensrente verkaufte, begann das fotografische Zeitalter. Es begann die optische Aneignung der Welt, die optische Ersetzung der tatsächlichen Welt, das Bild schiebt sich vor die empiristische Realität. Der „natürlichen Magie war eine Zwittrigkeit zugeschrieben: einerseits ist das neue Medium ein menschliches Produkt, Artefakt und andererseits ein Naturprodukt, eine 2. Naturabbildung.Der Staat Frankreich gab das Patent frei, weil man dachte, wenn man die Erfindung der Öffentlichkeit freigibt, entwickelt sich mehr, beschäftigen sich mehr Leute damit. Vieles wurde durch die Erfindung des Fotoapparats einfacher: Brockhaus musste nicht mehr die genauesten Zeichnungen anfertigen lassen, sondern konnte es einfach abfotografieren. Somit viel weg, dass das Bild subjektiv, voller Fehler und ungenau sei. Die Subjektivität fällt weg, das Licht ist der neue Künstler, ein von der Natur gezeichnetes Bild entsteht, „vom Himmel gefallener Abdruck“, „Werk von Gott“. Fotografie und Kunst erfährt so zunächst einmal keinen Kunststatus, da nur die neue Technik bewundert wird, es entsteht noch kein medienkritisches Verhältnis. Dies stand dem Medium lange Zeit im Weg.Am 22. März 1885 stellten die Lumiere Brüder ihre ersten Filme vor: Arbeiter verlassen die Lumiere Werke. Am 28. Dezember 1885 fand im Grand Cafe am Boulevard des Capucines in Paris die erste Filmvorführung Frankreichs vor zahlendem Publikum statt. Es kamen 35 Zuseher, die Presse war enthusiastisch. Die Fotografie hätte aufgehört und setze sich im Bewegungsapparat fort. Es kam auch der Gedanke auf, dass der  Tod aufhöre zu existieren, unsere Gewohnheiten werden aufgezeichnet und für künftige Generationen hinterlassen.  Absolute Illusion vom Leben. Ab 1907 kam es dann auf, dass es sich bei dem Medium Film um eine Kunstfähigkeit des Mediums geht, Realismus sei nur eine Abbildung von Zeichen. Der Kinematograf wurde auf der ganzen Welt vorgeführt und die Lumieres hatten nicht die Absicht, die Filme vorzuzeigen, sondern wollten anderen Reichen die Kamera verkaufen, sie erkannten das Potential nicht. Die Idee des Films ist aus dem Heimkino entstanden. Durch den Erfolg überrascht, führten sie den Kinematographen weiter verkaufen, die Mitarbeiter hielten Vorträge in der ganzen Welt und es wurde sehr darauf geachtet, dass die Technik nicht kopiert wurde. Die Operateure stellten sich auf die Kreuzungen der Stadt um die Menschen zu filmen und dies wurde am Abend gegen ein Entgelt gezeigt. Die Leute kamen also um sich selbst noch einmal zu sehen.In Wien war die erste Kinematographen - Vorführung 1896, man bezahlte 50 Kreuzer Eintritt und am 17. 4. schaute sich der Kaiser die Erfindung an.     Text: Kraft der Illusion – Hermann Kappelhoff

Film: „Die freudlose Gasse“, 1925: es gibt ein stummes, beeindruckendes Mienenspiel von Asta Nielson, darauf Bela Balazs: es existiert ein stummes, erotisches Verständnis. Es kündigt sich ein neuer Mensch an in der Visualität des Kinos, der die verlorene Einheit von Körper und Seele zurückgewinnt.Das Wunderbare der Filmkunst wird in Vergleich mit anderen Schauspieler und Spielweisen als der Ausdruck zum Ausdrucklosen beschrieben. Das Ausdruckslose ist die Ausdrucksbewegung jenseits des zeichenhaften Gestikulierens und Grimassierens meint die Illusion, dasselbe zu sehen, gleich zu leiden wie die FigurenNach Balasz: Lebendiger Ausdruck der SeeleSeit der Spätaufklärung: Psyche ist unmittelbar in der körperlichen Erscheinung wahrnehmbar, der Fokus in ästhetischen Konzepten empfindsamer Schauspielkunst. Balazs beschreibt die Illusion des lebendigen Ausdrucks und der Wahrnehmbarkeit der Gefühlsebene selbst. Film = Rückkehr des physiognomischen Denkens (äußere Erscheinung). Die alte Vorstellung von Sichtbarkeit der Seele in der körperlichen Erscheinung wird von der Utopie einer neuen Bildlichkeit des Kinos abgelöst. Kunst könne die Abstraktion des sprachgebundenen Geistes überwinden, in der Theorie des Kinos neu zu formulieren. Empfindsame Schauspielkunst:

1. Willkürliche, zeichenhafte, intentionale (=absichtlich) Geste 2. Unwillkürlicher Ausdruck der Gemütsbewegung (ist eigentlicher Schauplatz

aller Handlung), körperlich nur, wenn es durch seelische Vorgänge zum Ausdruck kommt 

Durch den Buchdruck ist die Seele fast unsichtbar geworden, Seele an antiken Bildhauereien jedoch auch am Rücken sichtbar (nach Herder). Und genau dieser Ausdruck ist im Film wiederzufinden. Geste, Tanz und Gesang sind die Sprache des Ursprungs = Kommunikation der Geschlechter, später eine Umwandlung von zweckgerichteter körperlicher Vereinigung in spirituelle Energie (vom sexuellen Interesse zur vergeistigten Erotik). Erst die Illusion der Kunst kann quasi eine Plattform für diese Ansichten bilden, vorher galt ein Denkproblem. Der Zuschauer kennt jedoch die Realität des Schauspielers, Empfindsamkeit war keine Naturgabe des Menschen, sondern kommt erst in der Kunst ganz zum Ausdruck. Ästhetik der Spätaufklärung: 4. Wand, Gestus empfindsamer Schauspielkunst, sentimentales Bild, das Kunstideal des Täuschenden Scheins der BewegtheitHogarth: das Lineament kann schön, graziös, gewellt oder geschlängelt sein, dann weckt es den begehrlichen Blick ( erotische Schleiertänzerinnen), die Wirkung ist der Effekt der Komposition. Pygmalion – Rousseau gilt als die Erfindung des Melodramas, also als Grundlage modernen Kunstverständnisses. Pygmalion verliebt sich in eine Statue, Venus erweckt sie zum Leben. Das Stück ist theaterwissenschaftlich sehr interessant, denn eigentlich wird die Position des Zuschauers vor der vierten Wand gespiegelt. Die Verlebendigung der Statue kann umgelegt werden auf die Verlebendigung des kalten Darstellungscodes der Schauspielkunst durch die heißen Herzen der Zuschauer. Es zeigt das Anwachsen der Illusion der Verwandlung vom künstlichen in einen echten Körper. Die Verwandlung vollzieht sich am Publikum. 

Die artifizielle Seele: das menschliche Gesicht ist primär als Bewegungsspiel der Mimiken zu verstehen, die ineinander übergehen. Die illusionäre Bewegtheit der künstlichen Seele verwirklicht sich als reale Innerlichkeit. Balazs: im Kino tritt das Sichtbarwerden eines neuen Menschen auf, die Erscheinungsweisen einer neuen Körperlichkeit, die unmittelbar dessen geistiges Sein zum Ausdruck bringen. Lorenz Engell – Sinn und IndustrieDie Fortsetzung des 19. Jahrhunderts mit anderen Mitteln: Geschichte des Brühwürfels ist von großer Bedeutung für das Verständnis der Filmgeschichte. Filmgeschichte besteht nicht in der chronologisch geordneten Auflistung einzelner Filme, sondern dazwischen, in derBeziehung des Zusammenhangs. Eine weitere Schwierigkeit der Filmgeschichte stellt die Dynamik der geschichtlichen Beziehungen und Komplexe dar, die der direkten Erfahrung unzugänglich sind. Das konkrete Erscheinungsbild einzelner Filme ist also durch historische Beziehungen bestimmt.Der zeitliche Abstand verändert den Blick, oft schon nach wenigen Jahren: wir sehen die Filme nicht mehr mit den Augen, für die sie gemacht wurden, sondern nur mit den gegenwärtigen. Die Beschreibung der Filmgeschichte geschieht somit nicht objektiv, sondern aus der Betroffenheit heraus. Die Filmgeschichte, die Beziehungen zwischen den Filmen, ihre Dynamik, die Prozesse um die Filme herum, all das ist nicht mehr herstellbar. Die Geschichtsschreibung versucht den Wandel zu erfassen und zu beschreiben, entwirft ein Bild der geschichtlichen Bewegung = Bewegungsbeschreibung oder Kinematographie. Unterschied zwischen Kinematographie und Geschichtsschreibung: Dimension und Modus der jeweils beobachteten Bewegung & in den Methoden. Die Geschichtsschreibung operiert auf ganz großen geschichtlichen Bewegungen, abstrakter, unanschaulicher Natur. Sie hat einen makroskopischen, elementaren und komplexen Bewegungsbegriff. Die Kinematographie widmet sich kleinen und kleinsten, äußerlich sichtbaren Bewegungen (Wellen, Blätter, Einfahrt eines Zuges). Sie hat also einen mikroskopischen, elementaren und konkreten Bewegungsablauf. Filmgeschichtsschreibung muss beide kombinieren. Zwei Wege: 

1. Betonung auf ästhetischer Entwicklung des Films: von Kleinen (Handlungen usw.) zum Großen (Filmgeschichte)

2. Filmgeschichte als Sozialgeschichte: wie der Film sich in die historischen Zusammenhänge einfügt

Es geht um die Überschneidung von Geschichten im Film und Geschichte des Films. In vielerlei Hinsicht, vor allem im technischen Fortschritt, erscheint das 20. Jahrhundert vom Nachhall der Entwicklungen des 19 Jahrhunderts erfüllt. Flugzeug, Kino, Telefon und Auto sind Ideenkinder des 19. Jahrhunderts, aber sie prägen die Zivilisation des 20. „Neuere“ Erfindungen, wie der Computer oder das Fernsehen“ sind im Vergleich zu den Erfindungen des 19. Jahrhunderts langsam. Die Geschwindigkeit nimmt in den letzten 100 Jahren nicht zu sondern ab. Beispiel: 1. Öffentliche Filmvorführung 1895, 1908 schon Massenmedium, Fernsehen brauchte doppelt so lange

Film ist Konsequenz der Industriellen Revolution und der Ausbildung des Hochkapitalismus im 19. Jahrhundert. Der Film ist Ausdruck der durch die Industrielle Revolution geschaffenen Verhältnisse einerseits, Beitrag zur Überwindung und Korrektur der Verhältnisse andrerseits. Er beruht auf bestimmten technischen sozialen und auch gedanklichen Voraussetzungen und kompensiert zugleich einen Mangel, der auf denselben Voraussetzungen beruht. Die Kinematographie ist nicht nur Produkt, sie ist auch Überlebensmittel der Industriegesellschaft. Der Industriekapitalismus bringt zwei wesentliche Schichten mit sich: das Proletariat, welche die Arbeitskraft besitzt und die Bourgeoisie, die die Produktionsmittel besitzt. Der Konsumententsteht, der industrielle Verbraucher und wird zum warenkonsumierenden Individuum. Speziell bei den Großstadtbewohnern des 19. Jahrhunderts tritt die Welt nicht mehr als Ganzes, sondern als ein Gebilde von Fragmenten auf mit neuen Regeln des Warenverkehrs und der Abstraktion.  Beispiel Brühwürfel: Extreme Umstellung der Nahrungsproduktion durch industrielle Revolution. Das portionierte, separierte Lebensmittel entsteht, es erfolgt ein Abstand vom Naturprodukt. So auch der Brühwürfel der 1895 von Maggi hergestellt wurde. Die Lebensmittel sind vom Naturprodukt zur Industrieware geworden. Brühwürfel ist zwar praktisch, aber zugleich irreal und abstrakt. Der Verlust von Zusammenhang geht einher mit dem Verlust an sinnlich wahrnehmbarer Wirklichkeit einher. Beispiel Flugzeug: keine Verbindung mehr zu dem Dazwischenliegenden, man kennt nur die zwei Punkte des Abflugs und der Landung. Filme werden gezeigt, um die Erfahrungslücke zu schließen. Beispiel Großstadt: zuerst Stadthaus sozialer Mikroorganismus, verschiedene Schichten wohnten in verschiedenen Etagen. Wende des 20. Jahrhunderts: Struktur aufgelöst, Bevölkerungsschichten wurden räumlich nach und nach getrennt. Die Städte wurden zu Verkehrsknotenpunkten, zwischen denen ein Austausch nicht zustande kam. Es geht um den Wirklichkeitssinn, dem Sinnverlust. Auch in der Medizin spielt Bewegungsforschung eine große Rolle in der Kinematographie. Marey: Pferd alle 4 Beine einen Moment lang in der Luft, Wette mit Millionär. Er machte den Beweis mit einem Fotoapparat, nicht aber mit einer Filmkamera, den Gedanken hatte er noch nicht. Jedenfalls nicht länger als 1-2 Sekunden, da es ihnen an gesellschaftlichen Geschick gemangelt hat.Die Zerstreuung, das Spiel und die Unterhaltung sind ein oft unterschätzter Faktor im sozialen Funktionsfeld der Industriegesellschaft, mit der Entstehung der geregelten Arbeitszeit entsteht Freizeit. Der Zusammenhang von Gelderwerb, Technik und Unterhaltung im 19. Jahrhundert als Grundbestandteil der entstehenden Kinematographie zeigt sich am besten an der Person Thomas A. Edison. Er verdiente ein Vermögen mit seinen mehr als 1100 Patenten (Telefon, Mikrophon, Glühbirne, Grammophon, Telegrafen, Elektromotor und Dynamo). Die Herstellung bewegter Bilder war gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon fast eine Obsession geworden. 1891 – erste Filmkamera der Welt. Außerdem  baute er die „Black Mary“, das erste Studio zur Aufnahme kleinster Filme mit aufklappbarem Dach und starken Scheinwerfern.  

Kinetograph (Filmkamera) konnte bis zu 30 Sekunden lang filmen, wodurch ein kleiner Handlungsablauf schon möglich war. Mit dem Kinetoskop konnte man nach dem Einwurf einer Münze den Film sehen. Er verkaufte die Apparaturen nicht, sondern vermietete sie nur. Er dachte nicht daran, die Filme mehreren Menschen zu zeigen, sondern immer nur einem nach dem anderen (Sackgasse und nur bedingt Vorläufer des Kinos). Es sind also Spielzeuge, die schon lange existieren (Wundertrommel) und auf die Illusion basieren. Vorläufer der soziologischen Bedeutung des Kinos kommt jedoch in den Jahrmärkten vor: Projektionen zeigen Geister- und Nebelbilder, durch Spiegelungen erzeugt, Aktualitäten (exotische Reiseberichte) und die Rekonstruktion historischer Ereignisse.4. Vorlesung - Ästhetiken des KinosDie Filmgeschichte beginnt mit A. und L. Lumière (Lyon), die am 28. 12. 1895 im gemieteten Pariser Salon Indien du Grand Café erstmals vor zahlendem Publikum zehn Filme gezeigt haben. Der Legende nach soll der Film „L’arrivée d’un train à la ciotat“ einen Schock bei den Zusehern ausgelöst haben. Die Lumière Brüder wollten das Leben auf frischer Tat ertappen und die Realität zeigen. Im Heimfilm wollten sie die Ähnlichkeit mit den im Raum vorhandenen Personen zeigen. Außerdem soll der Film wichtige Momente für die Nachgeborenen festhalten und kausale Ordnungen können durch den Film verstellt werden (Zeit rücklaufen zu lassen auf der Baustelle).Der tatsächliche Beginn ist jedoch mit „La Sortie d’usine“ (Arbeiter verlassen die Lumière Werke). Dieser Film ist inszeniert und konstruiert und nicht so zufällig wie er zu sein scheint (Menschen schauen neugierig in die Kamera, das Tor wird geöffnet…). Lumière wollten nur die Kamera verkaufen, deshalb schickten sie die Operateure in die Welt mit einem strengen Vertrag. Andere Erfinder haben fast zeitgleich an anderen Erfindungen gearbeitet, was auf das Bedürfnis der Menschen hinweist. Thomas A. Edison (1847 – 1931), der Erfinder der Glühbirne und des Grammophons, baute mit Dickson den ersten Kinematographen (1. Kamera), patentierte ihn und erfand auch das Kinetoskop (=Betrachtungsapparat). Die Filme wurden auf Zelluloidfilm mit 35mm Bildgröße aufgezeichnet.  Das Kinetoskop war eigentlich ein Münzapparat für eine Person in Cafés und Bars und es wurden wöchentlich die Filme gewechselt. Das frühe Kino war weder stumm, noch schwarzweiß (es wurde nach handkoloriert). Vor allem Boxfilme waren sehr beliebt, da sie in manchen Gebieten verboten waren. Edison wollte sehr früh Bild und Ton koppeln, jedoch setzte sich zunächst das Schwarz-Weiß Bild durch, da das bewegte Bild über dies hinwegtäuschte. Der Ton kam erst viel später hinzu, obwohl es Versuche gab, Bild und Ton zu komprimieren (1913). Edison hatte ein Filmstudio in der Nähe von Chicago (Black Maria), bei dem man die Dächer aufmachen konnte um mit Tageslicht zu drehen und es stand auf einer Drehscheibe. Auch die Skladanowsky Brüder machten fast zeitgleich Versuche. Sie erfanden das Bioskop, einen Projektionsapparat, der 54mm Film mit zwei Filmschleifen verwendete, ohne Perforation(=regelmäßige Lochung von fotografischen Filmen und Kinofilmen zum Zwecke von Transport und Positionierung. Beim Schmalfilm entfällt auf die Höhe jedes Einzelbildes ein Perforationsloch, bei Kleinbildfilm sind es auf die Breite jedes Bildes acht. Die Perforation von Rollfilm nutzte erstmals Dickson für seinen Kinematographen von 1893, wobei er längs halbierten 70-mm-Film horizontal

im Apparat durchlaufen ließ. Auch die Brüder Lumière setzten eine Perforiermaschine für ihren 35-mm-Film ein, sie ließen ihn jedoch vertikal durch den Apparat laufen.). Am 1. November 1895  zeigten die Brüder Skladanowsky ihre Filme erstmals im Wintergarten in Berlin im Anschluss an das Varieté-Programm. Diese Vorführung gilt als erste kommerzielle Kino-Vorführung in der Geschichte des Filmtheaters.  Drei Dinge machen eine Erfindung erfolgreich:

1. Technische Ausführung muss funktionieren: Größe, was kann sie…2. Know-How in der Ausbreitung des Produkts3. Geld: Lumière Brüder waren vermögend, die anderen vier nicht

der Kinematograph war der ausgereiftesteFilm muss im Kontext mit der Fotografie verglichen werden, denn die Technik basiert auf der Technik der Fotografie (Malteserkreuz verhindert, dass die Filme flimmern und ruckweise gezeigt werden). Verbesserung der Kamera durch Eadweard Muybridge und Lord Leland Stanford: Stanford wettete, dass es keinen Moment gäbe, in dem das Pferd mit beiden Beinen in der Luft ist. Muybridge bewies das Gegenteil mit einer fotografischen Anordnung eines Pferderennens, mit Reihenfotografie. Er erstelle auch Menschenreihen, auf denen die Gezeigten immer nackt waren, aus wissenschaftlichem Interesse.Étienne Jules Marey entwickelte die fotografische Flinte, um den Vogelflug zu studieren. Fotografische Bilder wurden so animiert und konnten Bewegungen darstellen. Die chronofotografische Flinte, der chronofotografische Projektor (1889) und Muybridges Zoopraxiskop (1879) gelten als unmittelbare Vorläufer zur Erfindung des Kinematographen. John Wesley Hyatt patentierte den Kunststoff Zelluloid. Dies waren endlos biegsame Bildstreifen, die notwendig waren, um die Bildstreifen aneinander zu reihen. Das Zeigen von Film für ein ganzes Publikum gilt als attraktiver als für die Einzelperson. Die Örtlichkeit des Kinos wird also angestrebt. Laterna Magica (vom 17. bis zum 20. Jahrhundert verbreitet, im 19. Jahrhundert Massenmedium): Es handelt sich um einen Kasten mit einer Öffnung, in dem sich eine Lichtplatte befindet. Glasplatten fungieren wie Glasdias, sie waren in den großbürgerlichen Kreisen sehr beliebt und die Inhalte waren einfache Bewegungsillusionen, frühe Versuche um Bilder zu animieren (Tag/Nacht). Außerdem gab es dazu einen Bilderklärer, der mit einer Geschichte die Bilder untermalte. Viele andere Spielzeuge erzeugen einen ähnlichen Effekt (Daumenkino). Die Nachbildwirkung ist hier von Bedeutung: die Trägheit des Auges (Goethe) erzeugt einen visuellen Effekt, eine Bewegung. Es stellt sich die Frage, warum sich das Kino erst 1895 durchsetzte, wenn die Technik bereits um 1870 bereit war. Es ist also nicht bloß die Technik ausschlaggebend, sondern auch der gesellschaftliche Bedarf. Kino ist eine soziale Maschine, für die der Zuschauer verantwortlich ist, er ist also ein Überlebensmittel der Industriegesellschaft. Modernität:

1. - moralisch politischen Sicht

- postreligiösen neutralen Welt- können in komplexen Diskursen mitbestimmt/herausgebildet werden

1. Herausbildung der instrumentellen Realität kognitives Konzept2. Sozioökonomische Zusammenhänge – Summe von technischen

Veränderungen (seit 1830 beschleunigt vollzogen, Industriealisierung)

Industriealisierung bringt:

1. Bevölkerungsexplosion durch Ernährung, Medizin und Hygiene2. Urbanisierung: anonymes und relativ homogenes Großstadtpublikum, die

Masse denkt in Bildern und Film ist das adäquate Medium der Zeit. Es entsteht eine große Landflucht und die Menschen arbeiteten in Fabriken, hatten keine Freizeit mehr – ein Vakuum entsteht und so auch ein Bedürfnis für Massenkultur. Die Urbanisierung ist die Voraussetzung für die Unterhaltungsbranche. 

3. Veränderung der Wirtschaftsordnung: es entstehen durch Fließbandarbeit Fabrikarbeit und somit Freizeit- und Arbeitszeit (keine Heimarbeit mehr). Die freie Zeit will gestaltet werden, es wird ein völlig neuer Menschentypus hervorgebracht, (C. Chaplin – Modern Times) der gewohnt ist, sich ständig unter einem bestimmten Rhythmus zu unterwerfen. Man sieht nicht mehr, was man herstellt, hat keine Verbindung zum Endprodukt und somit geht auch der Sinn verloren.

4. Technikboom: Das Kommunikations- und Transportwesen hat sich sehr verändert, die Eisenbahn ist attraktiver geworden (Vernichtung der Zeit und Eroberung des Raums). Im Kino sieht man oft die Eisenbahnszenen noch einmal. Auch in der Kommunikation gibt es Fortschritte: der Telegraph verbreitet in Echtzeit Nachrichten, es gibt viele Zeitungen, die drei Mal täglich erscheinen, das Telefon wird erfunden usw. Visuelle Medien werden durch Druck weiterentwickelt, sie bewegen sich weg von der bloßen Wortkommunikation zur Bildkommunikation, es gibt Bilder zur Nachricht. 

5. Gesamtgesellschaftlicher Prozess: das Nervenleben wird gesteigert, zunehmende Visualisierung, moderne Wirkung auf den Wahrnehmungsapparat – das Individuum ist nicht mehr Gegenstand des Erkennens, sondern des Erlebens. Laute Städte und Gestank stellen die Menschen vor ungeahnte Herausforderungen.

Kino bietet etwas, was die Menschen aus ihrem Alltag kennen, die Gewaltwahrnehmung liegt noch in der Struktur und nicht im Inhalt: Plötzlichkeit, rascher Rhythmuswechsel usw. Es werden auf kleinem Raum in kurzer Zeit viele unzusammenhängende Bilder gezeigt. Kino kommt dem körperlichen und psychischen Bedürfnis nach. Zoologische Gärten: das Entfernteste wird verfügbar gemacht. Kaufhaus: man hat die unterschiedlichsten Waren auf engstem Raum beisammen – Untergang des Kleingewerbes.Weltausstellung: exotische Länder werden vorgeführt, die Welt wird verfügbar gemacht und räumlich zusammengehalten – man flaniert

Es entwickelt sich eine neue Dramaturgie und zunehmende optische Effekte sind wichtiger als der dramatische Text. Das Bedürfnis von schneller Unterhaltung ist also gegeben, die Voraussetzung für das Kino. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die visuelle Kultur hervorgebracht und erzeugt, neue Bedürfnisse wurden kreiert und das Kino hilft der neuen Gesellschaft, sich zurechtzufinden und zu überleben. Es kann im Kino stellvertretend gelebt werden (narratives Kino).Georg Lukacs – Gedanken zu einer Ästhetik des Kinos: Kino wird immer mit Theater verglichen, obwohl es eine neue Schönheit ist, es ist ein großer Irrtum, dass Kino je zu Theater wird und umgekehrt, da das Theater dann alles Momentane verliert, jedoch in der Gegenwart ist.Das Fehlen der Gegenwart ist das Kennzeichen des Films, Film ist nur eine Bewegung von Menschen und Taten, aber keine Menschen selbst, sie werden phantastisch. Er verändert sich ständig, ist durch nichts beschränkt – alles ist wahr und wirklich, alles ist gleich wahr und gleich wirklich. Kino ist eine neue homogene, harmonische, einheitliche und abwechslungsreiche Welt. Theater ist eigentlich auf Seelen und Schicksale begrenzt (noch eher antike Darstellung), äußere Erscheinung ist zu viel. Kino stellt jedoch bloß Handlungen dar, Ereignisse, keine Schicksale.Im Kino ist die Frage Wie? von Bedeutung und gewöhnliches Treiben (z.B. Autos) bekommt eine Poesie. Die Naturwahrheit des Kinos ist nicht an unsere Wirklichkeit gebunden. Kino kann auch rein mechanisch phantastisch werden, z.B. rückwärtslaufend. Tom Gunning – Das Kino der Attraktionen: „Text führte zu historischer Umwertung von Szenarien, stellt Verbindung zu volkstümlichem Jahrmarktskino und Avantgarde her: exhibitionistische Konfrontation statt diegetischer (erzählter) Versunkenheit“Kennzeichen des Kinos von 1906: Nutzbarmachung des Visuellen, man wollte die Bilder sichtbar machenFrühe Moderne: Futuristen, Dadaisten und Surrealisten – Enthusiasmus fürs neue Medium und dessen Möglichkeiten und Enttäuschung über Versklavung durch traditionelle Kunstformen (Theater und Literatur). Erkennen der Heterogenität, neue Erkennung der FilmgeschichteFrühes Kino: Méliès, Porter, Smith Film als erzähltes Medium (narrativer Film: Szenario, Erzählung hat zwar keine Bedeutung, aber Vorwand für Trickeffekte) oder als Tatsachen Reportage (nicht narrativer Film, actualités) – in USA 1906 mehr Tatsachenfilme (-Lumière)Gemeinsamkeit: Präsentation ist eine Serie von Ansichten, Faszination für die Zuschauer in ihrer Exotik und illusionistischen Kraft – gemeinsame Basis des Zuschauers, die sich nach 1906 von dem am Zuschauer orientierten Verhältnis im narrativen Film unterscheidetKino der Attraktionen = das Nicht Narrative, es geht mit der Dominanz des Narrativen in den Untergrund, verschwindet aber nicht. Heute taucht es noch in bestimmten Avantgardeformen, als Komponente des narrativen Films und in bestimmten Genres (Musical) aufKino der Attraktion:

Die Fähigkeit, etwas zu zeigen Es ist ein exhibitionistisches, kein voyeuristisches Kino

Anderes Verhältnis zum Zuschauer: direkter Blick vom Schauspieler in die Kamera (später Realismus Illusion) – zur Kontaktaufnahme mit dem Publikum

Stellt seine Sichtbarkeit zur Schau und bricht geschlossene fiktive Welt auf, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erreichen

Vertreter: Zauberer, Komiker Erotische Filme mit völliger Nacktheit wurden in den Untergrund getrieben fordert die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf direkte Weise, da sie die visuelle

Neugier erweckt und Vergnügen bereitet, es ist für sich interessant verwendet keine Figuren mit psychologischer Motivation oder individueller

Persönlichkeit, es bedient sich fiktionaler und nichtfiktionaler Attraktionen

Beispiel: „The Bride Retires“ zeigt den Konflikt zeigt den Konflikt zwischen exhibitionistischer Tendenz des frühen Films und der Schaffung einer fiktionalen Diegese (=Erzählten), Frau führt „uns“ Striptease vor, Mann sieht es nicht, Frau zwinkert uns zu.Schausteller übten beträchtliche Kontrolle über Vorführungen aus, sie schnitten Filme um, sprachen Kommentare ein (krasseste Form: wie Eisenbahnwagen angeordnet) – erinnert eher an RummelattraktionenAnfänge des Filmevorführens: Kino selbst ist eine Attraktion, Menschen kamen um Attraktion Kino zu sehen und Maschinen zu bestaunen und nicht, um sich Filme anzusehen (es lockten der Kinematograph, der Biograph und das Vitascop). Der Effekt der Vergrößerung wird nicht zu narrativen Interpunktion genutzt, sondern als Attraktion für sich gesehen. Begriff der „Attraktion“: Sergej Eisenstein: Einwirkung auf die Sinne oder Psyche auf aggressive Weise dem Zuschauer gegenüber, Attraktion gehört begrifflich zum Rummelplatz („Amerikanische Berge“). Der Enthusiasmus für die populäre Kunst kommt davon, dass es eine Befreiung der populären Unterhaltung zu Beginn des Jahrhunderts war. Marinetti – Variety Theater: über die Ästhetik des Staunenmachens und die visuellen Reize und die Tatsache, dass ein neuer Typ von Zuschauern hervorgebracht wird, der dem traditionellen Kino gegenübersteht, er nimmt daran teil, singt und lacht. Kino war damals im Vaudeville (=französisches volkstümliches Singspiel) integriert: nichtnarrative und unzusammenhängende Abfolge von Auftritten (variety), löst ungesunde Nervosität aus1907-1913: Narrativisierung des Kinos, Kino orientierte sich mehr an herkömmlichen Theater und stellte berühmte Schauspieler in berühmte Stücke.Griffith: kinematografische Signifikanten stehen mit dem Erzählen von Geschichten und dem geschlossenen diegetischen Universum in Verbindung (Blick in die Kamera ist ein Tabu, Elemente des dramatischen Ausdrucks und Einblicke in die Psyche von Figuren).20er: System der Attraktion bleibt weiterhin bestehen (durch Wochenschau, Zeichentrick usw.). Verfolgungsjagdfilme 1903 / 1906: Entstehung von Attraktion und Narration, Modell für Kausalität und Linearität und grundsätzliche SchnittkontinuitätVorbild: Personal – Biograph 1904, 2 Varianten:

1. Kompletter Film

2. Separate Aufnahmen: jedes einzelne Bild der Damen auf der Jagd ohne anregende Zwischenfälle und narrativen Abschluss (pure Aktion)

Diverse Features im Hollywoodkino zeigen mächtiges Element der Attraktion, der unter Narration wirksam ist. Die direkte Attacke auf Zuschauer und die narrative Kontinuität haben wir vom frühen Kino übernommen. Spektakel Kino (Spielberg) haben Wurzeln am Rummelplatz und Achterbahn. Der Effekt sind gezähmte Emotionen. Marinetti intensiviert diese durch Klebenbleiben am Stuhl, Eisenstein will Feuerkörper unter den Stühlen befestigen. Der Zuschauerraum als Kollektiv: Londoner Behörden wollen das Treiben durch Hygienevorschriften, Ausschanklizenzen und Feuerwehrmaßnahmen unterbinden. Man wollte das Kinoerlebnis von den Filmen selbst abkoppeln, war schon eine Marotte. Welche Verbindung hat das Publikum mit dem imaginären Bild- und Projektionsraum ist in den frühen Filmen selbst zu finden. Die Funktion der Großaufnahme gehört zum Zeigegestus, dient zum Zweck, wichtige Details hervorzuheben. Im konspirativen Blick in die Kamera (oft Männer, bevor sie sich Damen nähern) ist das besondere Verhältnis zu den imaginären Zuschauern sichtbar, sie stellen sich physisch das im Saal präsente Kollektiv als Publikum vor. Diese Art des Films macht uns heute verlegen. Ab den 70ern gibt es eine ganz andere Fassung des Films.Prinzip von Action Replay: in Sportübertragung sichtbar – kommentierte Wiederholung von HöhepunktenFrühe Filme: Geschehnisse und Handlungen werden nach dem Zeigen der Filme durch Programmerklärer und Kinobetreiber erläutert.Wie der frühe Film zum Erzählkino wurde – Edgar ReitzBrauchen wir noch Kinos, wenn man Filme überall sehen kann? Das Kino, also das Publikum mit Bühne und Vorgang ist ein Relikt aus der alten Welt. Das Publikum wird mobiler, die Räume des Kinos der Zukunft sind noch nicht erfunden. Kino ist heute keine Sensation mehr, überall laufen ständig Bilder, jedoch ohne Geschichten.Reitz‘ Voraussagen stützen sich auf technische Veränderungen (Digitalisierung der Bilder und Verbreitung des Internets). Der Zuwachs von Besuchern von Erstaufführungskinos, seit Blockbuster und Hollywood den Markt beherrschen, ist vor allem bei jüngeren Zuschauern (durch Jurassic Park, Titanic…) durch neue Technologien und Spezialeffekte hervorgerufen. Negative Veränderungen:

1. Kommerzialisierung der Filme in Kaufhäusern und Spielwarenläden (Harry Potter), Vermarktung von Literatur und Geschichte

2. Man geht nicht nur wegen dem Film ins Kino, sondern um zusammen zu sein (v.a. junge Leute) man macht es sich dort gemütlich ungezwungenes Verhalten im Kino

3. Hollywood hat das Erzählen verlernt, es geht nur um den Nervenkitzel. Vorlust und Frust werden angeheizt (durch Pornos oder Flugsimulator – Top Gun). Es entstehen andere Sehgewohnheiten

Allegorien des körperlichen Sehens: Das frühe Kino ist eigentlich dem Hollywoodkino als dem klassischen Erzählkino, da es weniger Film und mehr

Kinogeschichte aufweist. Die Hollywoodnorm wäre nicht ohne die industrielle Revolution entstanden. Frühes Kino: Jahrhundertwende – „Uncle Josh Filme“: Zuschauer griffen nach der Leinwand, hielten einfahrenden Zug für normal. Ist das jedoch nur inszenierte Legende? Das Anliegen der Massen ist das Lebhaftmachen der Dinge in der Form des Abbilds. Historischer Grund: technische Lösung (Kino) wird ermöglicht und nötig gemacht durch den Fetischcharakter der Ware, der den Widerspruch von Nähe und Distanz prototypische inszeniert. Als das Publikum das Greifen verlernte: Bilder lernten laufen und es gibt einen anderen Gesichtspunkt, da das Greifen in Uncle Josh Filmen z.B. lächerlich gemacht wurde. Frühes Kino:

Grundform „theatral“, „szenisch – gestisch“ Performativ: eine mit einer sprachlichen Äußerung beschriebenen Handlung Kino des Zeigens – showing Kino der Attraktionen

Klassisches Kino (ab 1917/ 19):

Kino des Erzählens – telling Narrativ Transparent – illusionistisch  Die aristotelische Poetik im Handlungsaufbau und der Personenkonstruktion folgend

gekennzeichnet Kino der narrativen Integration+

2 Theorien nach Gunning:

1. Entwicklung von theatralen zum Filmstil zu narrativen Stil (hat sich daraus entwickelt)

2. Wegbewegen von theatralen zu filmischen Formen des Umgangs mit Erzählstoff

Beide Räume sind grundsätzlich voneinander getrennt (müssen nicht erst gelernt werden) und sind aufeinander bezogen. Durch neue Technik (Dolby Stereo Soundtracks) soll man die Illusion haben, im Bild zu sein. Zuerst musste dem Publikum das ruhige Sitzen gelernt werden, da die Filme vorher in Kneipen gezeigt wurden. Man dachte immer der Stummfilm war stumm, jedoch wurde er mit Musik, Kommentaren oder Geräuschkulisse begleitet. Außerdem wurde das Geschehen immer als Ganzes vorgeführt und nicht durch Montage verändert  und es arbeitete mit Überraschung und nicht mit suspense. Vor 1915 war die Beziehung des Zuschauers zum Bild wie im Theater oder im Varieté, da die Projektion in Lebensgröße wiedergegeben wurde. Danach sollte jedoch ein ganz eigenes Raumgefühl entstehen, wobei das wichtigste Moment die Konstruktion einer einzigen Perspektive für alle Zuschauer war, unabhängig von der Platzierung im Saal. 

Zentrierung des Blicks auf dem Weg zur Erzählung: Beispiel „Arbeiter verlassen die Lumière Werke“ – Lumière Brüder haben das Gefühl der Fokussierung des Blicks in ihre Filme gelegt, indem sie immer wieder Arbeitsprozesse und Fertigungswesen darstellen und haben die Handlung so angeordnet, dass die dargestellte Handlung den Prozess des Darstellens selbst reflektiert. Um dem Zuschauer einen kausalen Zusammenhang zu ermöglichen müssen Raum und Zeit zuerst getrennt und dann wieder als variable Größen getrennt erfahrbar gemacht werden. Es ist zu entscheiden, ob die Bilder für den Zuschauer verständlich sind, ein kausaler Zusammenhang, ein filmischer Raum müssen geschaffen werden um Realität zu erlangen (z.B. durch Montage). Choreografie der Blicke im frühen deutschen Film: Im Gegensatz zum gemalten Bild sieht man im Film „Des Pfarrers Töchterlein“ eine wahrhaftige Dramaturgie oder Choreografie der Blicke, die schließlich im Tod der Protagonistin endet. Das Kino zeigt zuerst schon bekannte Dinge, später wird es jedoch gezwungen, eine eigene Autonomie zu entwickeln. Die Hinwendung des Kinos zum Narrativen erscheint also als Konsequenz und nicht als kausale Ursache einer Umwandlung des Publikums in individualisierte Zuschauer, die durch eine andere Körper-Selbsterfahrung in das Dargestellte eingebunden werden. Die Ware Aufmerksamkeit: Krieg zwischen Kinobetreibern und Produzenten, Kinobetreiber kann nicht mehr selbstständig beschließen, was gezeigt wird und Kino als physischen Ort der Erfahrung und des Erlebnisses wird durchgesetzt. Heute entwickelt sich das Kino weg vom Monopol der Interpretation hin zu Marketing und Merchandising, obwohl sie quasi außerhalb der Texte liegen. Es ist die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Konsumgesellschaft. Der Kinobetreiber braucht den Film nicht mehr, da er den Umsatz mit Popcorn und Getränken macht, aber die Mode, Musikindustrie und Werbung hingegen schon. Die Filmfirmen kontrollieren bis ins Letzte, wer ihre Markenartikel auf den Markt bringen darf und wie – alles wird mitgeliefert, auch Tageszeitungsrezessionen. Nie hätte ein Autorenfilmer je eine solche Kontrolle über ein Produkt träumen lassen wie Disney oder Warner Brothers. 5. Vorlesung: Zuschauerverhältnisse: Sensation, Attraktion, EmotionWarum setzt sich das Kino nicht schon 1985 durch? Das Kino setzt sich erst dann durch, wenn der gesellschaftliche Bedarf danach besteht. Es war ein Produkt der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts und wurde zum Lebensmittel (- Lorenztext). Der Film war also die Konsequenz der industriellen Revolution, des Lebens in der Großstadt, dem dortigen Chaos, Arbeit und Konsum. Die literarische Kultur wird langsam von einer visuellen zurückgedrängt. Die Kinematographie ist also nicht nur Produkt, sondern Überlebensmittel der Industriegesellschaft. Neben dem Habhaftwerden von Dingen wird auch das Nervenleben gesteigert (=Rezeptionstraining). Das Kino macht den Menschen in der Großstadt das möglich, was sie im Alltag nicht haben, oder was sie sich wünschen. Der spätere narrative Film bringt dem Kino wieder einen Zusammenhang, der im fragmentartigen Kino verloren geht. Das Kino bietet den Menschen eine Struktur (- Hansen) durch Aneinanderreihen von heterogenen Bildern. Das Filmprogramm tut also ähnliches, wie das Großstadtleben.

Der Film versucht die Menschen auf das Großstadtleben vorzubereiten, er ist ein ungefährliches Wahrnehmungstraining und kommt einem körperlicher Empfindung entgegen. „Rollercoster“ Beispiel: ist ein körperliches Trainingsgelände für technische Mittel in der Großstadt, die Menschen haben Angst vor dem Verkehr und dem Chaos in der Großstadt. Zoologische Gärten, Weltausstellung und Kaufhäuser machen exotische Dinge, Tiere und Menschen verfügbar und greifbar. Die Menschen entwickelten so den Genuss von Flanieren. Kino erweckte den Genuss des Sehens, des Habhaftwerdens der großen weiten Welt über dem Blick. Diese bildlichen Entwicklungen fanden auch im Theater statt, es entsteht eine neue Dramaturgie und das literarische Bildungstheater wird zu einem Unterhaltungstheater, das auf optische Effekte und Schauwerte zielt. Das Melodram kommt aus dem musikalischen Theater zu den Zeiten der französischen Revolution und richtet sich an den bildlichen und nicht klassischen Ausrichtungen aus. Welches alte Medium wird mit dem Medium Kino verdrängt?Es wird immer wieder behauptet, das Kino hätte das Theater verdrängt. Beide bedienen jedoch etwas Unterschiedliches und sie existieren immer noch nebeneinander. Eine Form des Theaters wurde tatsächlich verdrängt:Panorama: es erlaubt eine Rundumsicht und ist vor dem Auftreten des Kinos ein populäres Medium, dann verschwindet es plötzlich. Man kann alles sehen, was man will, eine dreidimensionale Räumlichkeit wird erstellt und die Menschen waren begeistert, da sie nicht mit Bildern vertraut waren. Es wurde die Künstlichkeit als aller Wirklichkeit genommen, das Panorama muss also ganz geschlossen sein und die Realität darf den Raum nicht durchbrechen. Es kam auch der Gedanke der französischen Revolution auf: alle haben den gleichen Blick, einen Zentralblick und der König hat nichts Besseres.Kaiserpanorama: alle schauen in einen Apparat rein und sehen die Bilder in einem gleichen Rhythmus. Es funktioniert mit stereophonen Aufnahmen und hat einen 3D Effekt. Das frühe Kino schließt an andere Formen an (z.B. laterna magica).Was war die Funktion des frühen Kinos? Im frühen Kino geht es hauptsächlich um die Befriedigung von Schaulust, die narrative Schlüssigkeit hat nicht oberste Priorität. Es werden Attraktionen, ferne Länder (Wasserfälle, Sehenswürdigkeiten, Straßen…), berühmte Persönlichkeiten, kurze Geschichten und magische Kameratricks gezeigt. Man kann also sagen, dass in den ersten 15 Jahren ca. den Menschen etwas gezeigt und nicht erzählt wird. Später kommt dann das Kino der Funktion dazu, die langweilige, monotone Fließbandarbeit kann mit dem Kino vergessen werden, kann zum Träumen anregen. Kino der Attraktionen (nach Gunning): Zuseher kamen vorwiegend wegen der Apparatur ins Kino; Menschen wurden aus dem Umfeld gefilmt um die Ähnlichkeit zur Realität zu zeigen und damit die Zuseher dies auch selbst überprüfen können. Die Inhalte waren nur Mittel zum Zweck. Sogar auf den Plakaten wurden die Apparaturen gezeigt und damit geworben. Auch dieser Hype um die neuen Geräte ging vorbei und so wurde das Interesse auf den Film selber, die visuellen Medien und kleine Geschichten gelenkt. Es ging um die Befriedigung der Schaulust und die Fähigkeit,

nicht nur etwas dokumentarisch zu zeigen, sondern auch etwas zu erzählen, den fiktionalen Film betreffend. Art des Spielens: mit dem Blick in die Kamera wurde der Akt des Ausstellens betont. Diese Spielweise wird im Realismus wieder abgelehnt und ist heute, bis auf den pornografischen Film, verpönt. Der Realismus will also zerstören, dass wir im Film drinnen sind. Feuerwehrfilme sind eine Mischung zwischen dokumentarischen und fiktiven Filmtypen. Dieser Unterschied zwischen gestellt und nicht war schwer zu erreichen. Die Feuerwehr kommt schon in der „Laterna Magica“ vor und auch oft im frühen Kino. Das Erzählen ist in den Filmen unwichtig, da es den Machern um den Einsatz der Feuerwehr geht und nicht um die Geschichte. 

1.  Williamson, 1901 – „Fire“

Es werden mehrere Einstellungen gezeigt und der Film hat viele groteske Fehler: zuerst tragen die Männer die Leiter weg, dann kommen sie mit einem Springtuch, um den Menschen im Haus zu retten

1.  Porter für Edison, 1903 – “Life of an American fireman”

Der Film hat keine Spannung oder Beschleunigung, sondern zelebriert das Zeigen des Wagens. Es wird keine räumliche oder zeitliche Kontinuität angestrebt, deshalb gibt es extreme Sprünge. Die Geschichte wird wiederholt mit einer anderen Perspektive erzählt – zuerst wird die Szene im Inneren des Hauses gezeigt und dann aber noch einmal von außen. Es bleibt offen, ob alle gerettet sind und das Haus ganz gelöscht wird, was aber auch unwichtig für den Film ist. Diese Wiederholung des Rettens ist sehr auffällig, heute würde man mit Crosscutting oder Parallelmontage arbeiten (einmal außen gezeigt, einmal innen). Das nacheinander Gezeigte wird also als Gleichzeitigkeit verstanden. Es kommt also zu einer zeitlichen Überlappung, wenn man draußen anfängt, geht die Zeit wieder zurück. Lange galt die Version als die Rohfassung, bis es sich erwies, dass dies die Rohfassung war. Georges Méliès Filme: „Reise zum Mond“: 3x gezeigt, immer gleiche zeitliche Abfolge, andere Perspektive. „Reise ins Unmögliche“: einmal fährt das Auto in eine Mauer, einmal sieht man es aus der Mauer des Gasthauses kommen. = zeitlicher Überlappung

1.  1903, George Albert Smith – „Mary Jane’s Mishap“: Gestus des Zeigens wird auch in fiktiven Filmen angewandt. Der Film hat eine ziemlich moderne Einstellung, zuerst sieht man die totale, dann die Großaufnahme. Sie blinzelt in die Kamera bevor sie sich selbst in die Luft jagt verbrüdert sich so mit dem Zuschauer. Der Film hat typisch englischen Humor – „rest in pieces“ steht auf ihrem Grabstein.

2. „La fée aux fleurs“ (schablonenkoloriert) Frankreich 1905: der frühe Film war häufig farbig und nachkoloriert und dieser zeigt, was die Kamera alles kann, Blumen tauchen plötzlich auf und verschwinden wieder. Der

Darstellungsgestus ist sehr stark ausgeprägt, denn die Dame verbeugt sich vor ihren Zuschauern. 

3. „That fatal Sneeze“, 1907: in dem Film ist keine Linearität erkennbar, der Raum wird bloß aneinandergereiht. Der Bildkader wird zuerst immer geleert, dann kommt ein neuer leerer Bildkader, der dann wieder gefüllt wird (leer, voll, leer, leer2, voll, leer2, leer3…), also eine Aneinanderreihung von Tableaus, die für sich stehen. Die Verfolgung des Niesers ist ein einziges Durcheinander und die Kamera wackelt mit, um eine stärkere Betonung zu erzielen. 

4. „How it feels to be run over“: zuerst Kutsche, dann Wagen Kritik an der Technik

Die Komik in den Filmen wird nicht durch das Erzählen, sondern durch groteske Elementeaufgebaut. 

1. „L’homme orchestré“, Méliès führt Zauberstücke vor und zeigt sich verdoppelt. Der Gestus des Zeigens ist dominierend. George Méliès wollte Kamera von den Lumière Brüder kaufen, bekam sie jedoch nicht, so kaufte er sie wenig später bei Smith. Méliès war Magier und nutzte den Film für die magische Kunst.

Bis ca. 1905 ist der Anteil an nichtfiktionalen Filmen deutlich höher als an fiktionalen. Was wollen wir an Kino verstehen?Die Kinogeschichte beginnt früher als mit dem ersten offiziellen Film. Der Filmaspekt in einer Vorstellung war nur ein Teil, häufig wurden am Jahrmarkt, Varieté oder im Gasthaus, Zusatzleistungen angeboten, weil der Film stumm war. Er wurde z.B. kommentiert, musikalisch untermalen oder durch einen Schauspieler synchronisiert. Über diese Zusatzleistungen weiß man heute noch sehr wenig. Wo wurden die Filme gezeigt?Bis 1906 stellten fahrende Schaukünstler ihr Equipment auf und zeigen Filme, die sie gekauft haben, sie waren demnach nicht so aktuell. Das Wanderkino dagegen war für die Popularisierung des Kinos zuständig, sie zeigten die Filme bis keiner mehr gekommen ist. Nach 1910 ist jedoch kein fahrendes Kino mehr nachweisbar, was mit den 1905 fest installierten Kinoerrichtungen zu erklären ist. So wird das ambulante zum Ladenkino, zum ortsfesten Kino. Das Ortskino war sehr aktuell, die Filme wurden alle zwei Wochen gewechselt. Mit ihm wurde der Bedarf nach Film gedeckt und die Menschen wollten immer neue Filme, die Zuschauerzahl in Deutschland pro Woche ging bis zu einer Million. Deshalb fing man an fiktionale Filme zu machen, sie sind wirtschaftlicher und billig herstellbar. 

1.  Edison, 1901, „The Countryman and the Cinematograph“, zeigt, wie das Kino selbst zum Kino steht, wie die Zuschauer (Landtrottel) zu es aufnehmen – erschrecken sich vor dem Zug – zuerst wird im Film das Zeigen gelehrt, dann das Erzählen. 

 

Text: M. Bratu – Hansen: Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden: Kino als Ort der Gewaltwahrnehmung bei Benjamin, Kracauer und SpielbergSpielberg 1993 Jurassic Park: vom Inhalt nicht viel anders als King Kong, neu ist jedoch das Verhältnis zu den Sequenzen und die psychologische Diskontinuität, damit der Film weitergehen kann, va. die Kinder (zuerst Gejagte, dann staunende Zuseher) macht den Film zu einem „späten“ oder post – klassischen Hollywoodfilm, hat Dramaturgie der episodischen Highlights. Auch Kino der Attraktionen (Gunning) = diskontinuierliche direkte Bombardierung des Zuschauers mit Sensation und Attraktion (wie am Jahrmarkt) in Jurassic Park der Millionär, der es vom Flohmarktzirkus zum Dinosaurierpark geschafft hatProblematik der Gewaltwahrnehmung in und durch Kino: durch vielleicht unbeabsichtigte Momente der Diskontinuität (auch dilettanter Stilbruch) kommt das Problem der medienspezifischen Sensation zum Ausdruck. Selbstpromotion erfolgt durch den Millionär und die Spielzeugdinos. Film hat die strukturelle Möglichkeit, Phänomene zur unmittelbaren Darstellung zu bringen, die im Realen nicht möglich wärenVoraussetzung dafür: Trennung des räumlich/ zeitlichen Bereichs von Dargestellten vom räumlich/ zeitlichen Bereich des Zuschauers. Menschen und Dinos werden in den gleichen zeitlichen Raum gesetzt und leugnen die Grenze der Illusion, sie behaupten es als Realität (durch special effects). Welcher Zusammenhang besteht bei Kino, Gewalt und visueller Wahrnehmung?Hierfür muss die Frühgeschichte des Films mit einbezogen werden! Das Problem ist nicht nur ein filmspezifisches: der Begriff des Erhabenen in seinen verschiedenen Ausprägungen zu dramatischen Diskussionen um Katharsis oder Mit- Leiden (Lessing) oder zum Topos des Medusenhauptes muss mit einbezogen werden – die Inszenierung von Gewalt ist eine Antwort auf die historische Erfahrung mit Schock und Trauma im Zuge technisch – industrieller Modernisierung und gesellschaftlicher Umwälzung („Ästhetik des Schreckens“). Die Darstellung von Gewalt hat eine ganze Spannbreite unterschiedlicher Phänomene: die Faszination ekelerregender Anblicke, Grenzsituationen von Schmerz, Leiden und Tod und zerstörerische Prozesse eher Mechanischer Art (verbunden mit Druck und Stoß, Geschwindigkeit und Plötzlichkeit).Es existieren frühe Filme über nachgestellte Exekutionen von Menschen und einer echten eines Elefanten, die eine große Sensation um 1900 waren. Es besteht also eine uralte Lust am Sehen von Gewalt (Richtplatz, Scheiterhaufen, Turniere, Enthauptungen…). Heute entsteht ein Wiederaufflackern der barbarischen Schaulust, eine Rückkehr des Archaischen in der Moderne (gesteigerte Wahrnehmungsintensität). Das Format früherer Filme war das „variety format“, es war also diskontinuierlich und auf den größtmöglichen Kontrast zwischen den einzelnen Filmen selbst aus. Durch Schnitt und Montage werden gewohnte Raum- und Zeitkoordinaten aufgehoben, was zu einer Entgrenzung des Natürlichen führt, der gewohnten Kerkerwelt. Bald versucht man jedoch die diskontinuierliche Filmwahrnehmung durch narrative Motivation zu neutralisieren. Die Gewalt liegt im Schnitt, wird durch Stop Motion (Anhalten der Kamera), oder unsichtbaren Schnitt (substitution splice) erzeugt. Dies erzeugt einen Bruch der Einstellung. Der Zuschauer sucht eventuell die Art affektiver Überwältigung

und fiktiver Selbstzerstörung. Frühe Filme enthalten mehr Masochismus als narrative Filme. Legende: „L’Arrivée d’un train à Ciotat“ Lumière Film 1896 : Menschen sprangen erschreckt von den Sitzen, hat einen wahren Kern : gängige Praxis, den Film zuerst als Bild zu zeigen, das plötzlich losrastSchreckerfahrung beruht auf Platzierung des Zuschauers an einen unmöglichen Ort, der sinnlichen Identifikation mit der Kamera (die muss ja in dem Moment der Gefahr mit der Kamera präsent gewesen sein). Dies ist die Bedingung der Möglichkeit und die Grenze der Wahrnehmung von Gewalt. Es gibt Filme, in denen sich der Zuschauerblick unweigerlich mit dem Kamerablick identifiziert, was ein Gefühl des Ausgeliefertseins und Verschlungenwerdens mit sich bringt. Im frühen Film wurde ein fiktionaler Raum konstruiert (=Diegese) und der unsichtbare und geschützte Zuschauer bekommt in Diegese einen optischen Einblick, die Grenze zwischen Darstellung und Vorführung ist noch porös. Daher hängen die Darbietung gewaltsamer Phänomene oft mit einer spielerischen Reflexion auf die Strukturen der Darstellung und der Rezeption von Gewalt zusammen. 1) Benjamin: Begriff des Schocks und der Beziehung zwischen Schockabwehr und der Komplex zur ästhetischen Entfremdung bzw. Selbstentfremdung. Schockdefinition (nach Freud und Baudelaire)= er hebt die Funktion des Reizschutzes ab und schafft sich einen permanenten Panzer gegen gewaltsame und plötzliche Situationen. Zunahme von technisch-industriell induzierten Schocks bringt den Verfall von Erfahrung, die Fähigkeit, Wahrnehmung mit Erinnern und Reflexion zu verbinden, Zusammenhänge zu sehen und zu fühlen („Fließbanddressur“). Selbstentfremdung = Spaltung von visueller Wahrnehmung und körperlichem Objekt sowie beider von (aktiver) Handlung. Unter den massenmedialen Inszenierungen verliert sich die Frage politischen Handelns und nach dem Objekt und Telos der Darbietung wir sehen die Prügel an Donald Duck, damit unsere eigenen weniger wehtun. 2) Benjamin: Innervation (mit Nervenreizen versorgen, anregen) und Idee der therapeutischen Funktion des Films in Bezug auf industriell- technologisch erzeugte Massenpsychose (Mickey Mouse) – Gegenmodell zu 1)Leib- und Bildraum dringen tiefer ein für ein Massenpublikum (unter Bedingung der Kollektivrezeption). Technische Medien bringen mit den Schockerlebnissen die Chance zu einem anderen Zugang mit Technik und dies kann eine therapeutische Funktion für technisch – industriell induzierte Massenpsychosen haben (Disneyfilme bewirken eine therapeutische Sprengung des Unbewussten). Mickey Mouse Punkte: 

1. Mickey bringt den Körper ins Spiel:

durch eigene Hybridität (Zwittrigkeit): weiblich, männlich; Mensch, Tier durch metamorphotischen Ausdruck mit Dingwelt und Technik durch Reaktion der Zuschauer in Verknüpfung mit visuell – akustischer 

1. Mickey bringt den Körper ins Spiel: Spielform, in der mit Gewalt umgegangen wird, wird betont = Problemhandeln im Geiste, das ein Ausagieren der Gewalt in der Praxis erübrigt

3) Kracauer: Vorstellung vom Kino als Anstalt zwischen spielerisch erfahrbarer, psychologischer Schocks, Möglichkeit der Ichentgrenzung in der Materie und die öffentlichen Auseinandersetzungen mit dem gewaltsamen Tod. Tendenz zum Anästhesieren (Taubmachen), zur Isolation des Betrachters  von den psychologischen Folgen der dargestellten Gewalt. Individueller Tod wird in die Öffentlichkeit des Kollektivs hineingedrängt, Profitgeier kennen keine Grenzen. Marseiller Entwürfe Kracauers adressieren sich an den Menschen als an das materiell – körperliche Wesen. Kino greift den Zuschauer direkt an. Das Ich ist in ständiger Auflösung begriffen, wird ständig von materiellen Phänomenen gesprengt. Groteske / Slapstick comedy (C. Chaplin, Sennett…): konfrontiert systematisch die menschliche Intentionalität (=Vermögen des Bewusstseins, sich auf etwas zu beziehen) mit dem materiellen Leben in seiner gröbsten Form. Handlungen beruhen auf den materiellen Bewegungen der Schockregion. Die Groteske ist also ein Spiel mit der Gefahr, sie wendet die Katastrophe im letzten Augenblick durch Zufall (=winziges Tor) ab (wie im Märchen). Dies ist eine Möglichkeit, Leiden darzustellen, ohne die Tatsache des Leidens aufzuheben.  Text: Siegfried Kracauer – Kult der Zerstreuung, über die Berliner LichtspielhäuserLichtspielhäuser Berlins…

Paläste der Zerstreuung: mehr als in Provinzen, Hang zur Zerstreuung bringt pure Äußerlichkeit

Haben „gepflegten Prunk der Oberfläche“ und sind Kulturstätten des Vergnügens Meidet stilistische Ausschreitungen Großartige Darbietungen: Haupttheater ist nach amerikanischem Prinzip

geschlossen, der Film fügt sich als Teil eines größeren Ganzen ein, wird zu einem „Gesamtkunstwerk der Effekte“, verliert aber so seine mögliche Wirkung

Optisches und akustisches wird mit Körperhaftem in Szene gesetzt (Musik und Tanz) Vergnügungen haben ein Ablaufdatum (soll vermittelt werden), verfehlt jedoch die

Wirkung Lichtspielhäuser sehnen sich wieder nach Theater zurück, was sie nicht dürfen, wenn

sie ein eigenes Kunstgewerbe sein wollen

Lichtspielhäuser in der Provinz…

Erlaubt den Massen nicht sich geistig in den Maß zu befriedigen, wie es in ihrer Größe und realen sozialen Bedeutung entspräche

Arbeiter zu stark beansprucht, bekommen Abfall der Oberklasse Weniger „Zerstreuungssucht“ Wollen das Versäumte nachholen, Kino soll das Publikum an die Peripherie fesseln,

damit es nicht versinkt

„Die Medien und die Künste“  Theater: lat. Theatrum

 Roland Barthes: Was ist Theater – Theaterdefinition.

Theater ist ein mathematisches und geometrisches Verfahren des Blickes z.B. Beleuchtung, …

Es ist ein Ort der Reflexionen der Gefühle Ein Museum von menschlichen Gefühlen und Haltungen. Theater ist historisch. Theater als kalkulierender Platz um Hinblicke zu konstruieren

 Die drei Eigenschaften des Theaters (dahingehend mit dem Medium „Media“):

Theater kann unmittelbar im selben Raum und Zeit des Zuschauers ablaufen (durch das technische Aufnahmemittel, wie Rekorder, kann dieser auch an einen anderen Ort und zu anderen Zeit abgespielt werden).

Es ist flüchtig. Vielstimmung polyphon.

 Filmausschnitt (aus dem TV): „Eugéne Labiche“ – Die Affaire in der Rue LourcineRegie: K. M. GrüberSchaubühne, Berlin 1989 TV ruiniert durch den Schnitt die theatrale Inszenierungsform, durch das schnelle Wechseln von den verschiedenen Einstellungen) Medium: „Das in der Mitte Befindene“ „the medium is the message“

Aspekt des Informationsträgers, Kanal, Bote, … Prägt, formt, verleiht eine Gestalt Botschaft wird betont NICHT der Inhalt.

 Walter Benjamin (1936): „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“Druck, Photografie, Film, … weiters sagt er: „Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihre Sinneswahrung. Die Art und Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert – das Medium, in dem sie erfolgt – ist nicht nur natürlich, sondern auch geschichtlich bedingt.“ Formierung unserer Sinneswahrnehmung. Das Medium hat eine historische Bedeutung Kulturgeschichte (z.B. Rauchzeichen) 

In der Zeit kam auch ein Übergang von der Oralität zum schriftlichen. Heute gibt es noch vereinzelt schriftlose Generationen und Kulturen (z.B. in Afrika)Sprichwort: „Wenn ein alter Mensch stirbt so stirbt mit ihm eine ganze Bibliothek“ Durch den Druck entstand eine neue Art des Denkens.Zirkulierende Information, jeder konnte sich ein gedrucktes Exemplar kaufen (und sich somit weiterbilden und informieren) – da der Preis billiger war, als der eines Kopisten (siehe Gutenbergbibel). Medienrevolution nach der Schrift und Typografie:Mitte des 19Jh. die Fotografie, danach Film, Rundfunk und TV und heute digitale Netze. Fotografie (=Lichtschrift) hat die Möglichkeit die Wirklichkeit getreu wiederzugeben.Filmische Ereignisse: Diese konnten Aussagen treffen, die kein anderes Medium machen konnte bewegte Bilder. Peter Kubelka: Erfinder des „Invisible Cinema“Film = Verdichtung (von Dichter) „Ich habe aus 1 Tonne Verdichtung 1 Gramm Poesie gewonnen“ Film kann durch die technischen Mittel Zeit anhalten und umkehren, früher war dies ein Skandal (göttliche Macht) heute ist das Gang und Gebe. Der FilmEckstein: „Der Film ersetzt Gott völlig.“

Film befreit die Malerei vom Abbildungswunsch und bringt eine neue Art der Weltanschauung

Der Film kann räumlich verdichten (durch die Kameraeinstellung) anderes sehen wird ermittelt.

Tonfilm: zwischen Augen und Ohr verdichten Es entsteht eine Verdichtung dem entsprechend für das man sich interessiert. Wegfallen von Sachen die für einen uninteressant erscheinen (ausblenden). Der Film galt früher dem menschlichen Auge überlegen. Die Kamera hat einen anderen Blick der Welt Der Schnitt kann die Welt neu anordnen und zerlegen.

 Unterschied von Film und Theater:

Der Film ist technisch reproduzierbar und kann somit überall und zu jeder Zeit abgespielt werden.

Durch die Kamera wir ein neuer Raum erzeugt Theater ist körperlich, Film ist entkörperlicht

 Erwin Panofsky

„On movies“ – 1936 „Style and Medium in the motion Pictures“ (dt. Stil und Medium im Film) – 1947

 Kunsthistoriker sagen, dass

der Film eine Dynamisierung des Raumes darstellt. Die Montage eine neue Art der Bildkomposition und Erzählung ist. Die Kamera zum menschlichen Auge wird.

 Radio brachte ein neues Medium des Journalismus.  Filmausschnitt aus der Harald Schmidt Show: Durch die Montage entsteht eine neue Sichtweise Art der Verdichtung.  Die Montage entstand durch den Filmriss. Das FernsehenWas gab uns das Fernsehen? (z.B. Talkmaster, Direktübertragungen, …)In den 1950 – 60er Jahren kam es zu einen Karriereknick durch den Computer.

Das Fernsehen war die nachhause geliefert Welt.  Anfangs noch der Kinoersatz (Gesellschaftliches Ereignis z.B. Fernsehabende) später

nicht mehr kollektiv sondern vereinzeltes Entertainment-Programm. Die Erzeugung von einen Fluss an Bilder, Tönen und Zeichen (= Information) und das

24/7 und x Kanälen (eigentliches Wesen des TVs liegt in der Werbung) Das Fernsehen brachte Live-Sendungen (heute nur mehr bestimmte Ereignisse).

 Ende des 19. Jahrhunderts entstand der Wunsch in die Ferne zu sehen, man wollte praktisch das Fernsehen, bekam aber das Kino (=abgefilmtes Theater). Erst mit dem Fernsehen und der Talkshow wurde dieses Bedürfnis befriedigt. TV gilt als zeitvernichtende Maschine, da ein ununterbrochener Fluss herrscht, der nur mittels Fernbedienung gesteuert werden kann – durch das Umschalten und Wegschalten schaffen wir uns Pausen/Lücken, die für die Informationsverarbeitung nötig ist sonst Zerstreuung.Durch das viele Umschalten mit der Fernbedienung wird die Aufmerksamkeit geringer. Im Kino herrscht die halbe Zeit Finsternis durch eine Verrichtung des Vorgangs (Malteserkreuz) – wichtig für die Informationsverarbeitung. Film ist nur bei Tageslicht produzierbar, es nimmt sich also die Aufmerksamkeit der Zuschauer völlig heraus.  Nam June Paik: „If too perfekt, liebe Gott böse! “ 

Als Mitglied von Fluxus trat er in den frühen 1960er Jahren mit diversen Performances auf, gelangte auf diesem Weg zur experimentellen Kunst und schließlich zur Arbeit mit Fernsehern als Kunstobjekten. Zunächst arbeitete er nicht mit Video, sondern manipulierte Fernseher, so dass sie das vorhandene Fernsehprogramm verändert und verzerrt wiedergaben. Er baute auch Klanginstallationen mit experimentell modifizierten Schallplattenspielern und Tonbandgeräten. Nachdem Sony in den späten 1960er Jahren erschwingliche Videokameras und -rekorder auf den Markt brachte, ging er dazu über, auch Videobänder zu produzieren. Bei einem „24 Stunden-Happening“ zusammen mit Joseph Beuys in der Galerie Parnass in Wuppertal am 5. Juni 1965, bei dem Paik Robot Opera aufführte, verkündete Paik: „Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert, jetzt schlagen wir zurück“. Weitere Teilnehmer waren Bazon Brock, Rolf Jährling, Ute Klophaus, Charlotte Moorman, Eckart Rahn, Tomas Schmit, und Wolf Vostell.  Gemeinsam mit dem japanischen Ingenieur Shuya Abe entwickelte er einen analogen Videosynthesizer, mit dem Fernseh- und Videobilder technisch – z.B. mit Farbveränderungen – manipuliert werden konnten. Die mit dem Videosynthesizer manipulierten Bilder wurden Grundlage seiner Videoinstallationen und Videobänder. Sein Video „Global Groove“ von 1973 nahm die Ästhetik von Musikvideos vorweg. Der bekennende Buddhist Paik ironisierte 1974 seinen Glauben mit »TV Buddha«, einer Closed Circuit Video-Installation mit einer Bronzefigur von Buddha, der gegenüber einem Bildschirm sitzt und über seine live-Aufnahme meditiert, die allerdings ein seitenrichtiges Abbild zeigt TV ist eine soziale Technologie die universellen Konsens herstellt.  Soziale Funktionen des Fernsehers: terminologisch (Programm) Filmausschnitt: Gilles Deleuze „Brief an Serge Daney“ Cyberspace: Netzkultur mit Widersprüchen:Cybertime = ist an die 24h des Tages gebunden, Cyberspace unendlich groß fürchterliches Verhältnis, das sich auf die Psyche schlägt Filmausschnitt: Dsiga Wertow „Der Mann mit der Kamera“ kritische Selbstreflexion auf das Medium Film, wie wird der Film gesehen? Intermedialität:  Bezüge/ Relation zwischen den Medien und den Wirkungen

1. Reflexion des Verhältnis zwischen den Medien2. Selbstreflexion des jeweiligen Mediums

Das Theater musste sich erst entwickeln, um zum Film zu kommen (zuerst einheitliche Dramaturgie wird zur Nummerndramaturgie) = frühe intermediale Inszenierung. 

Transmedialität:  trans = über/ hinweg, etwas existiert über die Medien hinweg, z.B. ein Romanstoff, der fürs Theater oder für den Film adaptiert werden kann, also eine Drift, der Wechsel von einem Medium in ein anderes (Hörspiele)Multimedialität: mehrere Medien, Dinge die nicht zusammengehören werden zusammengeführt Cover von Maske und Kothurn = Kluge führt ein Interview mit Meliès. Das TV vereinigt also alle früheren Medien, nimmt sie auf: Opernbühne und Film werden im Fernsehen vereinigt. Filmausschnitt: A. Kluge – Film ist Norma – Eine Frau wie ein VulkanEr verwendet Elemente des Stummfilms (Zwischentitel) und treibt die Handlungen voran, da die Zuschauer zum Lesen gezwungen sind. Dies erhöht die Aufmerksamkeit und hilft den Zusehern über das langweilige Interview zu kommen. Anfang: Schrifttafel mit einer Frage, bei der wir nicht wissen, worauf sie sich bezieht. Setting:

1. Interview mit Sängerin2. Schrifttafel3. Opernausschnitt4. Interview mit Musikleiter: der Hintergrund ist ein Opernhaus, das durch Blue

Box erstellt wurde und wir sehen die Leute im Hintergrund die Bühnenarbeit machen

5. Interview mit Sängerin und Schrifttafel

 Kluge will dem TV seine ästhetische Funktion zurückgeben und ist so wie ein Partisan im Feindesland. Es gibt nach Roland Barthes drei Arten von Lektüre:

1. Die Lektüre, die bei jedem Wort stehen bleibt, die die Lust am Lesen erweckt = erotische Lektüre

2. Die Lektüre, die ans Ende kommen will, der Text will verschlungen werden (Krimi) = Lektüre der Jagd, des sich einverleibens

3. Die hinzufügende Lektüre: man unterstreicht und macht sich Notizen, manchmal werden die Marginalien sogar schon mit gedruckt = Initiation selbst zu schreiben

 Das Zeichen im Theater – Umberto EcoEs ist vorerst kein Autor vermerkt. Umberto Eco ist ein berühmter Romanschreiber, der ein Institut für neue Medien in Bologna gründete. Er öffnete die Definition der Semiotik „was kann ein Zeichen alles sein?“ Der Vortrag wurde 1965 gehalten, also in einer Epoche der Jugend, des Aufbruchs, der Rockmusik, des Vietnamkrieges und der Massenmedien in ihrer Expansion.  

Es gibt zwei Arten von Umgang mit den Massenmedien:

1. Traditionellen Umgang: Wunsch, selbst senden zu können und ein Fernsehintendant zu werden. Dies scheitert jedoch, da man auch als Fernsehintendant nichts ändern kann.

2. Am Ort des Empfangs die Macht zu nehmen: Sender, Sendegerät, Code, irgendwann geht die Macht verloren. Am Ort des Empfangs kann man kritisch mit der Materie umgehen und sie ironisieren. Diese Strategie entstand Mitte der 60er und erwies sich als sehr erfolgreich.

 Eco gibt uns, obwohl er vorausschickt keine Ahnung von Theater zu haben, eine genaue Definition davon nämlich beschreibt er Theater als die „künstlerischste Kommunikationsform“. Er ist zerstreut, freut sich jedoch als Testperson für die Veranstaltung zu stehen.   Averroes auf der Suche: arabischer Philosoph, geboren in Cordoba 1126, gestorben in Marrakesch 1198Er beschäftigte sich mit Aristoteles Werken und verfasste zu jedem einen Kommentar. Er spürt zwar in seiner Studierkammer die Schönheit des Lebens draußen, doch selbst in der Not vermag ihm die vom Leben angebotene Hilfe nicht zu erkennen: er sucht Zuflucht in den Büchern, ist jedoch unfähig zu erkennen, was Theateraktion ist, obwohl die Kinder vor seinem Fenster Rollenspiele spielen und ein Kaufmann bei einem Gastmahl von Theater erzählt. „Averroes auf der Suche“ ist eine Kurzgeschichte von Borges, 1949 verfasst. Sie versucht die Konzepte der Tragödie und Komödie zu klären. Seine Schwierigkeit liegt darin, diese Begriffe in Arabisch zu erklären, da es keine Worte dafür gibt. Der Autor Borges vergleicht sich selbst mit Averroes, er weiß auch nicht so recht, was Theater ist. Er fühlte sich selbst vom Schreiben verachtet und ausgespottet.  „Das Tun der Narren übersteigt die Voraussicht des Vernünftigen.“ Verfremdung = ästhetisches Verfahren, das eine enthüllende Distanz erzeugen kann, um besser wahrzunehmen. Der Begriff ist im Text deutsch, was heißt, dass die Zuhörer sich mit der Materie auskennen (Theaterkritiker). Warum nimmt Eco Zuflucht in der Verfremdung? Weil es ihm eine bessere Ansicht gibt und er sich objektiv der Materie gegenüberstellen will. So sucht er in den elementarsten Formen mit der Semiotik die Antwort auf:

1. Welche Probleme die bloße Existenz einer elementaren Theaterszene dem Zeichentheoretiker stellt

2. Welche Probleme die Zeichentheoretiker so weit herausgearbeitet und geklärt haben, dass sie dem, der sich für Theater interessiert, Informationen geben kann. 

 

Arten der Zeichen:Ikonische Zeichen: Sanders Peirce Zeichen der Ähnlichkeiten (z.B. Notausgangszeichen, Treppenzeichen), ein Bild dessen, was es darstellen will, befindet sich in einer Relation der ÄhnlichkeitIndexikalische Zeichen / Indexe: befinden sich in tatsächlicher Nähe (hinweisende, besitzanzeigende Fürwörter) und durch zeitliche, räumliche oder kausale Hinweise verbunden (Pfeil ist richtungsweisend).Symbolische Zeichen: Symbol für etwas (Herz – Liebe) – steht immer in einer Relation der Konvention. Das größte symbolische Zeichensystem ist die Schrift (frühe Schriften hatten noch eine Beziehung dazu, wir nicht mehr).  Warum verweist Eco nun auf Formen der ikonischen Zeichen im Theater?weil Dinge, die wir auf der Bühne sehen, in der Wirklichkeit in Relation sind. Außenräume der verwegenen Art, Wohnzimmer… sie haben alle etwas Ähnliches, sie stehen also in der Relation zur Wirklichkeit. Wenn jemand auftritt und spricht werden die ikonischen Zeichen oft überdeckt. Theatersituation: Mensch wird mit seinen alltäglichen Gesten und sichtbarsten Eigenschaften ausgestellt um etwas zu repräsentieren. Er gibt uns Zeichen, wie er gebaut ist. Bezeichnung der Theateraktion: Darstellung/ Vorstellung im Sinne von Repräsentation, betont Zeichencharakter jeder Aktion auf dem Theater, wo etwas aufgeführt wird oder nicht, fiktional oder nicht, Show = Moment der Zurschaustellung, Spiel = spielerische und fiktionalen Züge, Performance = ausführenden und gestalterischen Momente. Ein Zeichen stellt immer für jemanden oder etwas in gewisser Hinsicht etwas anderes dar, es ist nie zufällig. Theater tut jedoch so, als sei es kein Zeichen und damit hält es die Illusion aufrecht und zieht uns ins Spiel. Theater ist v.a. Fiktion weil es vor allem Zeichen ist. Das primäre Element der Theatervorstellung wird durch einen menschlichen Körper gegeben, der auftritt und sich bewegt, also etwas Reales, eventuell als Objekt für mögliche Zeichen.Beispiel: der reale Betrunkene steht für die Klasse der Betrunkenen und ist ein Signifikant    Drei Arten prinzipielle Bemerkungen:

1. Ein Zeichen muss nicht absichtlich von jemandem ausgehen und künstlich dafür konstruiert sein, es kann auch nur eine Konvention (Bestimmung) existieren, die etwas als Zeichen zu interpretieren erlaubt.

2. Das Zeichen ist von jemandem bewusst ausgestellt worden und als Kunstwerk produziert. Verweis auf Readymade – Duchamp: Gegenstände werden aus dem industriellen Produktionsprozess gerissen, z.B. ein Pissoir und in einem Kunstraum ausgestellt (va. Elemente des städtischen Lebens oder Artefakte der Natur). Man nimmt Objekte vom Fließband, es muss keinen Zweck haben.

3. Zeichen ist mehrdeutig: Betrunkenheit kann mehrdeutig interpretiert werden, ist aber auch zu persuasiven Zwecken notwendig. Dies ist vor allem kulturell geprägt: Im italienischen Originaltext heißt es „ich bin glücklich, weil ich betrunken bin“, im Deutschen „Ich bin unglücklich…“. Anlass ist vielleicht der Unterschied. Es gibt einfach andere kulturelle Konventionen und der Übersetzer nahm diese auf.

 Ein Objekt, das zum Zeichen gemacht ist, fungiert als solches nur dank einiger weniger Eigenschaften, die anderen spielen dabei keine Rolle und somit ist das Zeichen bereits ein reduziertes Modell, ein semiotisches Konstrukt. Bewegungen des Schauspielers könnenungewollt oder gewollt passieren. Muss ergänzt werden mit dem Maß, in dem der Sender will, dass der Empfänger ihm eine Intention zuschreibt, also ein Missverständnis (warum lügst du indem du sagst du fährst nach Kracau, damit ich glaube du fährst nach Lamberg, während du in Wirklichkeit nach Kracau fährst?!) – Komödie.Betrunkener torkelt um glauben zu machen, er spielt einen Betrunkenen, er könnte aber wirklich betrunken sein.  Drei Felder der semiotischen Forschung:

1. Kinesik: Sie studiert die Bedeutung der Gesten, der Gesichtsausdrücke, der motorischen Verhaltensweisen, der Körperhaltungen usw. 

2. Paralinguistik: studiert die Modulationen der Stimme, die Bedeutung des Akzentes, eines Flüsterns, eines Zögerns, einer Tonfärbung usw., alle sprachlichen Anteile werden untersucht

3. Proxemik: Daten des Instinktes: z.B. der Raumdistanz zwischen zwei Menschen (auch kulturell bedingt)

 Bootsmann und Grammatiker haben beide unverzichtbare Fähigkeiten. Text hat oft Konvention im Inhalt und oft „nehmen wir an“! Günther Anders – Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der industriellen RevolutionDer Text ist an die Konsumenten (Hörer und Zuschauer) adressiert, und nicht an die Fachleute.Massenkonsum findet solistisch statt, jeder Konsument ist ein unbezahlter Heimarbeiter für die Herstellung des Massenmenschen. Vor den Radios gingen die Menschen kollektiv ins Kino, um die stereotype Ware als Masse zu konsumieren. Den Absichten der Massenproduktion war die Konsumsituation, in der mehrere oder zahlreiche Konsumenten eine Ware gleichzeitig genießen, zuwider. Mit der Erfindung von TV und Rundfunk wurden auch noch die für den Konsum des Programmes zusätzlichen Geräte verkauft, an fast jeden.  Die Menschen gingen also nicht mehr zusammen in die Kinos, sondern saßen alleine oder en famille in ihren Wohnzimmern, um die Welt zu

„empfangen“. Konsument wird als Massenmensch, als unbestimmter Artikel behandelt und alle bekommen das Gleiche geliefert und sind somit alle gleich und doch alleine. Sie wollen keinen Moment der Welt versäumen. Der Massenmensch wird dadurch produziert, dass man ihn Massenware konsumieren lässt, was bedeutet, dass der Konsument der Massenware durch seinen Konsum zum Mitarbeiter bei der Produktion des Massenmenschen bzw. zum Mitarbeiter bei der Umformung seiner selbst in einen Massenmenschen wird. Jeder ist also als Heimarbeiter angestellt und beschäftigt. Er konsumiert also ein Maximum an Freizeitprodukten, und nicht wie der klassische Heimarbeiter, der Produkte hergestellt hatte um sich ein Minimum an Konsumgütern und an Freizeit zu sichern. Das Paradoxe ist, dass der Massenmensch auch noch dafür zahlen muss, dass er sich selbst verkauft. Die Menschen werden zu einem Niemand gemacht, indem man ihnen Freiheit der Persönlichkeit und das Recht der Individualität diskret vorgaukelt.  Er bemerkt, dass das Fernsehen die Welt nach Hause liefert und er dafür dreifach bezahlen muss  Jean Baudrillard – Jenseits von Wahr und Falsch oder die Hinterlist des BildesB. möchte in dem Text die Perversität behandeln, die das Verhältnis des Bildes zu seinem Referenten, dem unterstellten Realen, bestimmt. Kritisch beachtet muss das Prinzip der Referenz des Bildes, also die List, so zu tun als handle es sich immer um eine reale Welt. Gerade dort, wo das Bild der Realität am ähnlichsten zu sein scheint, ist es am teuflischsten. Viele Menschen vertrauen dem vorgegaukelten Realismus und folgen den Zielvorstellungen („Zelig“ – Woody Allen). Wir, die Konsumenten, sind nicht im Stande, sich dagegen zu wehren und so wird unser Sinn, unsere Wahrnehmung ausgelöscht. Es gibt weder eine Pädagogik des Bildes, noch eine Dialektik von Bild und Realem. Wir können nicht mehr zwischen dem Bild und dem Realen unterscheiden, glauben wir sind in einem Film. Die Huldigung der Stars ist nicht mediengesteuert, sondern eine mystische Transformation im Kino. Die Stars sind ein drastisch realisiertes Ideal und verkörpern die Leidenschaft zum Ideal. Sie sind der Effekt der Verdichtung, der Kontiguität  (sie sind ansteckend) und sie besitzen die Materialisation des Begehrens. Die primäre Lust des Bildes ist also anthropologisch und unmoralisch. Film ist nicht mehr eine Art der Sinnproduktion (wie Malerei oder Theater) und des Traumes oder des Imaginären, sondern er ist ein Ort, an dem Sinn und Repräsentation verschwinden und an dem das Reale und das Realitätsprinzip verleugnet werden. Das Bild besitzt keine Finalität, sondern setzt sich mit fortwährender Kontiguität fort, es ist exponentiell und unkontrollierbar. Es gibt keine wirkliche Bestimmung für das Bild als das Bild selbst.  Konfusion zwischen Realität und Bild seit 400 – 500 Jahren, seit der Renaissance, relevant. Die definitive Ununterscheidbarkeit der Wirklichkeit läuft nach dem Drehbuch der Medien ab (Fürstenhochzeiten).  André Bazin – Ontologie (=Lehre des Seienden) des fotografischen Blicks

Schön alten Ägypter wollten den Körper unvergänglich machen. Herstellung des Bildes hat ihre Notwendigkeit verändert: es handelt sich nicht mehr um das Überleben des Menschen, sondern um die Schaffung eines idealen Universums nach dem Bild der Wirklichkeit. Malerei muss das Gleichgewicht zwischen dem Symbolismus und den Realismus der Formen ausbalancieren. Mit der Erfindung der Perspektive (ca. 15. Jhd.) kann der Künstler die Illusion eines dreidimensionalen Raumes, in dem sich Gegenstände so befinden, wie wir sie in der Wirklichkeit sehen, schaffen. Zwei Richtungen der Malerei im 15. Jhd.:

1. Ausschließlich ästhetische Richtung als Darstellung spiritueller Wirklichkeit, Modell wird durch Symbolismus der Form transzendiert. 

2. Richtung, die ganz psychologisch eine Kopie der Außenwelt macht

Wahre Künstler bringen beide Richtungen in ihre Bilder. Langer Streit über Realismus in der Kunst. Erlöser von dem Ähnlichkeitswahn der Bildenden Künste: Lumière und Niepce, Erfinder der Fotografie. Die Fotografie und der Film können das Verlangen nach Realismus endgültig befriedigen. Dir Eigentümlichkeit der Fotografie im Unterschied zur Malerei besteht also in ihrer Objektivität. Das Bild der Außenwelt entsteht automatisch, ohne kreatives Eingreifen des Menschen und die Malerei kann niemals so eine getreue Abbildung hervorbringen. Einbalsamieren ist eine wesentliche Ursache der bildenden Kunst, Sieg über Zeit. Geschichte der Nachahmung/ des Realismus: modernen Malern wird moderne Nachahmung überlassen, Fotografie und Film sind die bewegende Mumie.  Hans Magnus Enzensberger – Bewusstseinsindustrie, 1964Jeder denkt, dass das eigene Bewusstsein überlegen sei, selbstständig und diese Illusion wird streng verteidigt (auch in einer totalitären Herrschaft). Der Satz „Das Bewusstsein ist von vornherein schon ein gesellschaftliches Produkt und bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren“ datiert sich selbst. Früher war das vermittelte Bewusstsein etwas selbstverständliches, unsichtbares, erst mit industriellen Maße wird die Vermittlung von Bewusstsein zum Problem („Bewusstseins- Industrie“). Der Begriff Kultur, Kulturindustrie, -kritiker usw. weisen darauf hin, dass Bewusstsein nicht produziert werden kann. Die Bewusstseinsindustrie ist in ihrer Vielfalt noch gar nicht erforscht und begriffen, vor allem, dass sie sich noch stärker ausbreiten wird, sie ist die eigentliche Schlüsselindustrie des 20. Jahrhunderts. Wo auch immer es zu einer Revolution oder einen Umsturz kommt: das neue Regime bemächtigt sich zuallererst den Sendern, Druckereien und Fernmeldeämtern, nicht den Straßen und der schwerindustriellen Zentren, Funktionäre der Bewusstseinsindustrie werden unverzüglich ausgewechselt. 

Vier Bedingungen der Bewusstseinsindustrie:

1. Aufklärung (philosophische Voraussetzung): auf mündigen und unmündigen Menschen angewiesen und auf der ganzen Welt gegeben (nach dem Erlöschen der tibetanischen Theokratie).

2. Proklamation, nicht Verwirklichung, der Menschenrechte (politische Voraussetzung): dies gilt besonders für Gleichheit und Freiheit. Durch die Französische Revolution, die Oktoberrevolution und die Befreiung vom Kolonialismus wurde dies gefordert. Erst dieser Grundgedanke macht das Bewusstsein des Einzelnen zum Politikum.

3. Primäre Akkumulation nach Marx (ökonomische Voraussetzung): Akkumulation = Vermehrung von Kapital, solange Arbeiter und Bauern von ihrem Ertrag ums nackte Überleben fristen, ist Bewusstseinsindustrie nicht notwendig. Erst wenn die Grundstoffindustrie aufgebaut ist und die Massenherstellung gesichert ist, kann sich die Bewusstseinsindustrie entfalten = höhere Ausbildungsgrad und Mehrheit aller Bürger = steigender Lebensstandart = sinkende Arbeitszeit = erweitertes Bewusstsein (gefährlich für Herrschende)

4. Technologische Voraussetzungen (bringt der ökonomische Prozess der Industriealisierung): historische Verspätung der Funk-, Film-, Phono-, und Fernsehtechnik geht vom ökonomischen Prozess aus (Bedürfnis, technische Voraussetzung war schon gegeben).

Die politischen und ökonomischen Bedingungen sind nur in den mächtigsten Teilen der Erde erfüllt, aber ihre Verwirklichung steht überall bevor. Kritiken an der Bewusstseinsindustrie würden den Rückgang der Industrie vorbringen, vor allem geht sie gegen die Massenmedien und die Reklame, va. deren kommerziellen Charakter. Dabei geht es in der Bewusstseinsindustrie gar nicht mehr um Waren, sondern um Meinungen, Urteile, Vorurteile, also alles Bewusstseinsinhalte. Die Bücher usw. sind nur materielle Substrate, die immer mehr in den Hintergrund treten, also desto abstrakter sie geliefert werden, desto weniger lebt die Industrie davon. Sie haben überhaupt keinen Preis und sind mit dem Begriff des Kommerziellen nicht zu fassen. Der gesellschaftliche Auftrag ist es, Herrschaftsverhältnisse zu verewigen und Bewusstsein nur induzieren, um es auszubeuten = immaterielle Ausbeutung, v.a. des Proletariats in allen Ländern. Wer Herr und wer Knecht ist, entscheidet sich nicht mehr mit Besitz, sondern wer über das Bewusstsein der anderen verfügen kann. Jede Herrschaft ist prinzipiell ungesichert. Die Bewusstseinsindustrie ist nie total kontrollierbar.Strategie: Die Bewusstseinsindustrie muss ihren Konsumenten erst immer zuerst das einräumen, was sie ihnen dann wieder abnehmen will.  Bewusstseinsindustrie sagt viel über Konzept, das Bewusstsein ist industriell verfertigt und bei jedem Kopf selbst. Mode, Tourismus, Demoskopie, Erziehung… sind alles Elemente der Bewusstseinsindustrie. 3 Blöcke der Bewusstseinsindustrie: Bedingungen, Wirkungen und Strategien. Wirkungen: immaterielle Ausbeutung, das Resultat politischer

Habenichte. Strategien: Rückzug ist ausgeschlossen, man muss sich darauf einlassen Roman Jakobson – Motor signs for yes and noGesten und Kopfbewegungen umfassen eine weitere Umgebung, als sprachliche Kennzeichen. Marinetti (Italiener) besuchte den russischen Maler Larinov und obwohl sie einander nicht verstanden, unterhielten sie sich durch Gesten. Marinetti verstand aber nicht die Geste („sich einen Drink in den Kragen hauen“). Es gibt immer wieder Missverständnisse durch kulturell verschiedene Gesten, die aber auch übernommen werden können. „Unser“ Codesystem für Gesten ist das von ganz Europa. Obwohl die Gesten so verschieden sein können, manche sind überall verständlich. Kopfnicken nach vor = Ja, das willkommen heißtKopf zurück = nein, Zeichen der AblehnungDie wirkliche Aussage liegt jedoch in den Wangenknochen,  Augen und Brauen, die Kopfbewegung ist nur begleitend. Überraschung ist weder negativ, noch positiv und äußert sich durch Kopfschütteln, meistens von links nach rechts. Schulterzucken zeigt Zweifel. Wenn man den Winkel zwischenKopf und Schulter reduziert, zeigt man Zweifel und Überraschung.  Argumente einer naiven Vorstellung von Universalität, Gesten haben eine unglaubliche Reichweite. Grenzübergang erfolgt durch andere Sprachen, doch durch Gesten haben wir Verständnis, wir glauben unsere Gesten haben universelles Verständnis, doch dies ist ein Irrtum!  Pierre Lévy – AnthropologieAnthropologischer Raum = ein System der Nähe (Raum), das der Welt der Menschen (anthropologisch) eigen ist und in Abhängigkeit von menschengeschaffenen Techniken und Bedeutungen, von Sprache, Kultur, Konventionen, Vorstellungen und Emotionen besteht. 

1. Raum der Erde: Heute öffnet sich ein neuer anthropologischer Raum, der Raum des Wissens, der sich dem Raum der Erde unterordnet. Die Erde war der erste große Bedeutungsraum, den sich unsere Art eröffnet hat. Der Kontakt mit der Natur ist in diesem Raum extrem eng. Die Formen von Wissen dieses Raumes sind Mythen und Riten. Die Erde gibt uns zuerst den Namen

2. Raum des Territoriums: Sesshaft werden der Bauern durch Aufkommen von Ackerbau, Stadt, Staat und Schrift. Reichtümer werden nicht mehr über das Sammeln und Jagen erworben, sondern durch das Besitzen und Bestellen von Feldern. Die dominierende Form des Wissens ist die Schrift. Das ist der Beginn der Geschichte. Noch heute sind Territorien sichtbar: Adresse, Bürohierachien…

3. Raum der Waren /Ökonomie: Ab der ersten Öffnung eines Weltmarktes. Das Organisationsprinzip ist der Fluss: von Energien, Rohstoffen, Waren, Kapital, Arbeitskraft, Informationen. Territorien werden hier untergeordnet. Wissensform: moderne experimentelle Wissenschaft. Es ist also der Raum des Berufs.

4. Raum des Wissens/ der kollektiven Intelligenz: Intelligenz, Wissen und Fähigkeiten des Menschen bildeten immer das Herz sozialer Funktionen (sapiens). Neu sind hier die Geschwindigkeit der Evolution des Wissens, die Anzahl der Menschen, die neues Wissen erwerben und produzieren und der Entwicklung neuer Werkzeuge (Cyberspace). Am sinnvollsten wäre es nun, die geistigen Kräfte zu bündeln und eine kollektive Intelligenz, kollektive Einbildungskraft zu schaffen. Die Digitalisierung muss den Menschen unterstützen und nicht verdrängen. 

       Alexander Kluge – Ausdruck „Medien“, „Neue Medien“Kulturelle Gefüge werden durch neue Medien umgewälzt. Ein Kind lernt z.B. indem es die Mutter als Vorbild nimmt. Ich gewinne also Erfahrung, indem ich eine Distanz zu meinen Erlebnissen schaffe, das geht nur über Sympathie und Apathie. Es ist von der Natur gegeben, dass es keine primären Monologe geben kann, sondern immer aus zahllosen Dialogen entsteht (Robinson trägt ganz London auf der Insel mit sich herum). Kino (griech.) = Bewegung, Bilder bewegen sich, die Szenen bringen mich in Bewegung. Neue Medien können in einer nichtmenschlichen Weise schneller und umfassender mobilisieren, als es Menschen untereinander und unmittelbar täten. Beispiel Telefon: das telefonische Medium verändert die originäre Kommunikationsstruktur nicht. Das Fernsehen  zeigt unmittelbare Dokumentation, eine Übertragung. Sie ist aber gar nicht unmittelbar, sondern zeitlich beschnitten. Weder auf der Seite der Anstalt, noch auf der der Zuschauer findet irgendein individueller Verkehr (außer bei Pannen) statt. Computergeschwindigkeiten kann der Mensch gar nicht aufnehmen. Das Medium Fernsehen ist zwittrig: es ist einerseits konservativ, da man etwas nur einmal sieht, andererseits versucht es die neuen Medien zu moderieren und seinen Programmwillen durchzusetzen. Elementare Ratschlag Kleist: wenn man selbst nicht auf etwas draufkommt, sollte man den nächsten danach fragen. Dies ist bei öffentlichen-rechtlichen Fernsehanstalten nicht leicht zu befolgen. Das Programmschema lässt nicht zu, dass ich rede wie ich will. Nach Fernsehdiskussionen z.B. geht die Diskussion lebhaft weiter und einer der nichts gesagt hat, sagt plötzlich etwas. Dass die Dauer nicht beschnitten wird, ist wichtiger als jeder Inhalt.Also ein anderer Begriff von Zeit als der im Fernsehen muss eine Chance haben.  „Die erstickte Perspektive ist Plüsch fürs Auge“, Benjamin

Medien sind Instrumente, über die sich mittelbare Erfahrung überträgt. Ein Buch ist dann authentisch, wenn es eine verfolgbare Quellenangabe hat. Ich kann es nicht selbst erfahren haben – mittelbare (indirekte) Erfahrung. Neue Medien sind Unternehmen zur Bildung von neuem Eigentum. Unmittelbare (direkte) Erfahrung: Gewitter dementiert meine Idee, das Heu noch zu retten oder umgebende Gemeinschaft. Im städtischen Leben vermindert sich die unmittelbare Erfahrung. Es entsteht in den vier Wänden ein Bedürfnis nach unmittelbarer Erfahrung.  1. VorlesungHardware: 2 oder 3 Gründe, warum Medienreflexion ein populäres Vergnügen ist und Lust macht:

1. Medienreflexion der Hardware2. Medienreflexion der Software

… betonen die kulturellen, sozialen und politischen Dimensionen der Mensch-Maschine-Interaktion (Interface)Magnet TV - Nam June Paik 1965 macht den blinden Fleck im Mediengebrauch sichtbar:Im Fernsehkonsum blenden wir  das Medium „Fernsehen“ aus.  Magnet TV macht die materielle Seite des Fernsehens zum Gegenstand der künstlerischen Intervention.Die Medienreflexion ermöglicht uns überhaupt erst, Medien als Medien wahrzunehmen. Dazu ein Beispiel: beim Fernsehen wollen wir gewöhnlich die gewählte Sendung ansehen. Wenn der Fernseher eine Empfangsstörung hat, werden wir in der Regel versuchen, diese zu beheben, um weiter fernsehen zu können. Wir nehmen das Rauschen am Bildschirm als Störung wahr, die unseren Fernsehkonsum behindert und andererseits bemerken wir erst durch die Störung, dass der Fernseher ein Übertragungsmedium ist.Die Störung ermöglicht uns also die Wahrnehmung des Fernsehers als Medium. Im Bildrauschen macht sich das Medium selbst, die Hardware, bemerkbar. Wir sind auf die technischen Bedingungen des Fernsehens zurückgeworfen. Der blinde Fleck des Mediengebrauchs zeigt sich – in seinem Rauschen.Künstler wie Nam June Paik versuchen diese Störungen, mit denen das Medium in Erscheinung tritt zum eigentlichen Thema zu machen. Genauso auch die Medienreflexion, die genau das, was üblicherweise ausgeblendet wird; zum Thema macht.Stuart Hall, Encoding/Decoding (1980), Gegen den Strich lesen/ Oppositionelles LesenUnterschiedliche Arten des oppositionellen Lesens: Oppositionelles Lesen meint nach Stuart Hall: die gängige, übliche Bedeutung ablehnen, einen gegensätzlichen Bezugsrahmen aufgreifen und gegen den Strich lesenIm Anschluss an die Medienkritik des Computers durch Friedrich Kittler, Bernhard Vief und Michel Serres steht HARDWARE immer noch für das unbekannte Wesen der digitalen Informations- und KommunikationstechnologienDen Computer oppositionell lesen heißt folglich: Medienreflexion als Reflexionsraum zu nutzen, um damit den blinden Fleck von Macht und Herrschaft sicht- und sagbar zu machen. 

Medientechnologien (Hardware): Medientheoretiker wie Friedrich Kittler sehen Userinnen und User als Computeranalphabeten, die dem Medium Computer mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind. Sie können die Codes und Programme der Computer weder lesen noch schreiben und sind auf visuelle Analogien und Ikonen angewiesen. Kittler illustriert dies am folgenden Beispiel: Der Benutzer wirft Ikonen, die einem Ordner oder Blatt ähneln in einen gleichfalls ikonischen Papierkorb, anstatt mit einer UNIX-Kommandozeile die entsprechenden Dateien zu löschen. Auf diese Weise wird seines Erachtens die Trennlinie zwischen Produzent und Konsument, zwischen Hersteller und Benutzer, zementiert. „Kommandozeile“ (Hardware): Heute ist die „Kommandozeile“ in den meisten Betriebssystemen durch graphische Benutzeroberflächen fast verdrängt worden. Kittler erinnert uns daran, dass alle Kulturtechniken Prozesse von Datenverarbeitung sind. Aus dem Rahmen von Kultur fällt heraus, was nicht verschaltet wurde. Wenn die User aber nicht mehr über die Codes verfügen können, dann haben wir eine Situation, in der "zivile Anwender in eine undurchschaubare Simulation" verwickelt werden: Die 'User' werden mittels Maus, Cursor und graphischer Oberfläche dumm gehalten! Hardware versus Software: Die theoretische Betonung der Materialkultur des Computers (Hardware) hat es verabsäumt, die soziale Alltagspraxis der User/innen zu berücksichtigen – so der Vorwurf von Netztheoretiker/innen, die versuchen, die Perspektive des Gebrauchs aufzuwerten.Softwarediskurse beschäftigen sich mit der Praxis vor der Computer Screen versus Kulturkritische Hardwarediskurse verachten die User/innen als „kulturelle Deppen“ (cultural dopes) der Kulturindustrie und beschäftigen sich mit Rechenoperationen hinter dem Interface. Beide Diskurspositionen beschränken sich jedoch mehr oder weniger auf abstrakte Verallgemeinerungen, pauschale Vereinfachungen und tendieren zu einer oppositionellen Argumentation.z.B.: Hardware determiniert soziale PraxisSoftware ermöglicht eine autonome Selbstverwirklichung Eine der Auswege dieses oppositionellen Denkens kann es sein, diese Blickweise umzukehren und die kulturellen Praktiken und Institutionen immer auch im Kontext von gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu sehen. Die Vorstellung von einem autonomen Individuum, das in seiner angeblichen Mächtigkeit entscheidet, aus dem Netz auszusteigen, scheint ebenso illusorisch zu sein wie das apokalyptische Szenario von seinem Ausgeliefertsein. Zwischen diesen Polen situieren sich die Selbstpraktiken der Amateure, die vor der Herausforderung stehen, sich selbst in ihrem Vernetzt sein zu reflektieren. 

Medienreflexion verhindert vorschnelle Reflexe: weder Unterdrückung noch Freiheit Medienreflexion lenkt die Aufmerksamkeit auf die Zwischenräume, die Ambivalenzen,

die Widersprüche.

Einerseits wird der 'ungezwungene' Zugang zum Netz mit einem missionarischen Eifer von Freiheitstechnologen proklamiert. Andererseits schafft der kreative Web-

2.0-Imperativ (Facebook, YouTube) neue Abhängigkeiten und Ungleichheiten in der Netzöffentlichkeit.In dieser Hinsicht sind die Aneignungspraktiken der User/innen nicht als ein Ausdruck eines autonomen und individuellen Befreiungsaktes zu begreifen, sondern verweisen vielmehr auf einen nicht-determinierten Prozess von Subjektivierung und Entsubjektivierung.Friedrich Kittler: Hardware, das unbekannte Wesen, in: Sybille Krämer (Hg.), Medien Computer Realität. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2000,  S. 119-132.Friedrich Kittler - Hardware, das unbekannte WesenFriedrich Kittler ist einer der einflussreichsten und bedeutendsten deutschen Medientheoretiker und Begründer der "Berliner Schule" (der Medienwissenschaft). Er steht für einen neuen Ansatz der Medientheorie, der ab den 1980er Jahren zunehmend populär wurde und von dentechnischen Medien ausgeht.Der Name Friedrich Kittler steht wie kein anderer für einen medientheoretischen Ansatz, der in diesem Sinn die Materialität von Kommunikation zum nicht hintergehbaren Ausgangspunkt nimmt.Zentrale Fragen:

Wie organisiert eine Kultur ihre Diskurse?  Welche Mechanismen sorgen für ihre Organisation?

Was ist eine grafische Benutzeroberfläche?Eine grafische Benutzeroberfläche ist eine Software-Komponente, die dem Benutzer eines Computers die Interaktion mit der Maschine über grafische Symbole erlaubt. Synonyme Bezeichnungen sind die Abkürzung GUI (engl. „Graphical User Interface“) und dessen wörtliche Übersetzung grafische Benutzerschnittstelle. Im Gebiet der Software-Ergonomie werden stattdessen die Begriffe „grafische Benutzungsschnittstelle“ oder „Mensch-Maschine-Schnittstelle“ verwendet.Computeranalphabetismus: Kittler vergleicht die graphischen Benutzeroberflächen mit Armenbibeln: Codes „hinter dem User-Interface“ können nur von einer kleinen Minderheit gelesen werden. Was wird eigentlich ausgeblendet, wenn wir im Internet surfen, uns bei Facebook einloggen, bei Amazon shoppen, Videos bei Youtube uploaden etc.?Hardware: Was heißt eigentlich Materialität der Kommunikation? „Es ist in den heutigen Tagen viel die Rede von Immaterialisierung und Virtualität der Medien. Dabei wird jedoch meist eine andere Seite vergessen. Denn das, was man als immateriell oder virtuell bezeichnet, beruht auf einer spezifischen Struktur von materiellen Bedingungen, die in den Diskussionen um Cyberspace, Virtual Reality und global community gerne vergessen wird und auf eine seltsame Art und Weise ausgeblendet bleibt. Was ist unter dem Begriff von Materialität zu verstehen? 

1. Die Frage nach der Materialität von Bildsystemen lenkt die Aufmerksamkeit des Beobachters auf die (selbst nicht sinnhaften) Voraussetzungen, Träger, Orte und Kontexte der Bedeutungsgenese von Bildsystemen.

2. Mit der Frage nach den Materialitäten wird die Aufmerksamkeit für die Tatsache geschärft, dass sämtliche Kommunikationssysteme wie Sprache,

Schrift, Bild, Ton, Film, Video oder Computernetze eines spezifisch materiellen Trägers bedürfen sowie eines spezifischen Ortes und einer spezifischen Zeitstruktur. 

„Die Hardware, zumal von Computern, scheint in unseren Vorstellungen von Wirklichkeit nicht vorzukommen. Das liegt nicht nur an ihrer buchstäblich unvorstellbaren Komplexität, die es Benutzern geraten sein lässt, ausschließlich mit Software umzugehen. Nur ist diese Unkenntnis nicht vom Himmel gefallen, sondern selber Effekt von Programmierungen. Eine famose, nämlich marktbeherrschende Softwareschmiede hat kürzlich die Parole ausgegeben, in naher Zukunft würden und sollten Computer so unauffällig wie Waschmaschinen werden - Black Boxes also, deren Innereien besagte Endbenutzer nichts mehr anzugehen brauchen.“ Friedrich KittlerMedientheoretiker wie Friedrich Kittler sehen Userinnen und User als Computeranalphabeten, die dem Medium Computer mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind. Sie können die Codes und Programme der Computer weder lesen noch schreiben und sind auf visuelle Analogien und Ikonen angewiesen. Kittler illustriert dies am folgenden Beispiel: Der Benutzer wirft Ikonen, die einem Ordner oder Blatt ähneln in einen gleichfalls ikonischen Papierkorb, anstatt mit einer UNIX-Kommandozeile die entsprechenden Dateien zu löschen. Auf diese Weise wird seines Erachtens die Trennlinie zwischen Produzent und Konsument, zwischen Hersteller und Benutzer, zementiert. Eine Anekdote: Ich war einmal auf einer elektronischen Kunstausstellung in Chicago, direkt am See, am schönen großen Michigansee. Die Medienkunst bestand im Wesentlichen aus Photoshop-Anwendungen, mit einer rühmlichen, aus Hamburg stammenden Ausnahme, die war fantastisch gut. Die Künstler programmieren in HTML oder einer den Maschinen unendlich fernen Sprache irgendwelche Bildchen und dann kommen die jungen Professoren und Professorinnen und schreiben ihnen Artikel, was das für tolle Kunst sei. Ich habe sie alle nach ihrer Programmiersprache gefragt und sie haben ehrlich zugegeben, dass sie HTML benutzen - und diese rühmliche Ausnahme aus Hamburg: “in plain C”, war seine Antwort, in einfachem C, nicht mal in C++.“Wer seinen Computer noch nie aufgeschraubt hat, dem traue ich einfach nicht!„ (Friedrich Kittler)Nach Kittler wäre so also eher der Programmierer der Effekte im "Titanic"-Film der Künstler, welcher die maschinellen Algorithmen der physikalischen Realität näherbringt – und weniger der Medienkünstler, der jene Maschinen anwendet, um Algorithmen der Kommunikationsmedien zu visualisieren und zu reflektieren. Künstler wären dann eher der Mathematik und Informatik kundige Tüftler, die selbst in simpler Programmiersprache wie "C" erreichten, dass eine Gitarre ganz allein innerhalb eines Tages das Blues-Spielen lernt.HTML: Hypertext Markup Language (HTML) ist die Beschreibungssprache für Dokumente im World Wide Web. Um die Komponenten, die Hierarchie und die Verknüpfungspunkte der Dokumente zu beschreiben, benutzt HTML diverse Codes.HTML kann die Hypertext-Verbindungen über die ganze Welt ausdehnen. Sie kann die Informationen an die jeweilige Benutzeroberfläche anpassen und bildet eine Experimentierplattform für Hypermedia. HTML kann für die Darstellung von Menüs

benutzt werden, aus denen Optionen gewählt werden können, ebenso zur Darstellung von Ergebnissen von Datenbankabfragen, zur Dokumentation und für Online-Hilfstexte.Kittler erinnert uns daran, dass alle Kulturtechniken Prozesse von Datenverarbeitung sind. Aus dem Rahmen von Kultur fällt heraus, was nicht verschaltet wurde. Wenn die User aber nicht mehr über die Codes verfügen können, dann haben wir eine Situation, in der "zivile Anwender in eine undurchschaubare Simulation" verwickelt werden: Die 'User' werden mittels Maus, Cursor und graphischer Oberfläche dumm gehalten! Vereinfachend könnte man Kittlers Thesen dahingehend zusammenfassen, dass unser Wissen (und das was wir für wahr halten) in entscheidender Weise von den von uns benutzten Kulturtechniken abhängen.Er begreift das Interface, die graphischen Benutzeroberflächen, als kulturelle Apparate, die unser Wissen und Denken organisieren. Bezeichnend für den Siegeszug des Code ist das Kurzschließen von Herrschaftsform und/als Herrschaftsmittel.Stichwort: Data Mining, Data Surveillance, Behavorial Targeting Aus dieser Kernprämisse wird abgeleitet, dass mit diesen Infrastrukturen letztlich keine „neutralen“ Daten „gefunden“ werden können, sondern nur solche, die bereits mit einer spezifischen, für den Benutzer nicht hintergehbaren Interpretation verarbeitet wurden. Wissensinfrastrukturen auf Hardware-Basis organisieren und prägen bis zu einem gewissen Grad das Wissen einer Gesellschaft, was jedoch für andere Kommunikationsmedien wie Sprache und Schrift bereits ebenfalls gilt.Für die Theorie der Wissensstrukturen ist Wissen somit abhängig von der ordnenden und darstellenden Weise eines Medienverbundes, der als Einheit von Computer, Schnittstelle und Netzwerk verstanden wird.Es ist bereits die Ebene der Hardware, wo die „Normen und Standards elektronischer Kommunikation“ (Kittler) festlegen, was wir im Medienverbund – z.B. mittels einer Webcam – zu sehen bekommen und wie genau die Mustererkennung zum Beispiel bei der Bildverarbeitung funktioniert. Thesen:

Strukturelle Dominanz der Hardware gegenüber der Software („Nur was schaltbar ist, ist überhaupt“, Kittler)

Reduktionismus von Kultur: Kultur ist auf technische Strukturen und Gesetze zurückführbar

Hardware, technische Speichermedien, das Funktionieren von Schaltplänen entscheiden über kulturelle Aussageordnungen und kulturelle Äußerungen

Materialität der Kommunikation (Grundoperationen von Verarbeiten, Speichern, Übertragen)

Jenseits von Texten aber wird im Ausgang des Industriezeitalters auch die Welt des Symbolischen zunehmend zur Welt der Maschine. Das ist relativ neu und rechtfertigt die Rede von einer technischen Medienkultur, in der nicht mehr die Menschen, sondern die Techniken „selber schreiben oder lesen“ (Kittler 1993: 8). Ihr Charakteristikum wäre, dass technische Standards und Schaltungen – durch automatische Übertragung, Speicherung und Informationsverarbeitung –  bestimmen, was der Mensch ist. 

Sie öffnen neue (berechnete) Räume, in denen Kommunikation oder Sprache, und folglich menschliches Verstehen von ‚Sinn‘, nicht länger die Funktionsgrundlage bilden. Zitat: „Historisch begann Programmierbarkeit, so sie denn von Kalkülisierung unterschieden werden darf, wohl erst zu jener Zeit, als die Technologie von Werk

Zusammenfassung KOTTEBy Julia Sauer on Sunday, January 23, 2011 at 11:34pm

Zusammenfassung, Kotte 

1. szenische vorgänge

1.1 Situation, VorgangVerhalten und Handlung begründen Situationen und Vorgänge.Verhalten = Produkt der Evolution in stetiger WandlungHandlung = bewusste, planvolle Tätigkeit (menschliche Aktionen im Vordergrund), die sich meist als ganzheil. H. Schaffen Beziehungsnetz, indem Verhalten sich durch subjektive Intentionen auf Zwecke ausrichtet. Sobald Absichten dahinter stecken → Handlung hat FunktionAber: Nicht immer Zweckbezogen.Zweckbezogenheit gibt es auch mit offener Suchbewegung (Brainstormin, Impsovisation).Handeln also als psychisch reguliertes Verhalten zu verstehen.Speziell für Theater nicht nur Bewegungsprozesse wichtig, sondern „alle psychischen Funktionen“ (z.B.: Wahrnehmungs-, Denk-, Emotions-, und Motivationsprozesse)Handeln im beisein anderer Personen → Beziehungsgeflecht = Situation Situation:Verhaltensweisen und Handlungen offen.S. Auch ohne techn. Hilfsmittel Grundlage für Theater. Also purer Lebesprozess mit einigen SpezifikaS. ist kompakteste u verstehbare Einheit menschl. Handlungszusammenhänge (eine Beziehung zwischen Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Ort) Vorgang: Innere und äußere Vorgänge.Äußere Vorgänge: and Verhalten und Handlung gebunden (ihnen gilt Aufmerksamkeit d. TheWi)Innere Vorgänge: kann nur durch äußere Vorgänge zurückgeschlossen werden.

geraten Situationen in Bewegung → entstehende Komplexe sind Vorgänge

 Wir verhalten uns stets. Meist begeben wir uns handelnd von Situation zu Situation.Handlung IST Geschehen, Vorgang BEZEICHNET Geschehen. In den Vorgängen selbst unterscheiden sich Leben und Theater nicht, nur in ihrer Ausgestaltung, rezetiven Horizonten und Konsequenzen. 

1.  1. Varianten der Hervorhebung:

1.2.1 Örtlich1.2.2 gestisch 1.2.3 akustisch  1.2.4 mittels dinglicher AttributeHervorhebung als Kriterium: Hervorhebung von Körperbewegungen heißt ö./g./a./m.d.A. Eine Verhaltensdifferenz gegenüber Zuschauenden herzustellen.Es kann sich in unterschiedl. WeiseAufmerksamkeit durch sich gelenkt werden, um Gang der Dinge zu beeinflussen → durch Abhebung von anderen wird ihr Tun hervorhehobenes Geschehen. Hervorgehobenes Handeln beruht auf Hervorhebung der Körperbewegungen im SozialprozessHervorgehobenes Handeln korrespondiert mit „Ausstellen des Tätigens“. Enthält Bedingung einer Trennung von Agierenden und Zuschauenden.Hervorheben von Körperbewegungen schließt neben Aktion auch Reaktion ein.Durch Perspektivenwechsel wird die Verbindung von sinnlichen Körperbewegungen und sinnfälligmachung in der Hervorhebung erfasst.Aus dem Wechsel in der Perspektive in der Wahrnehmung entsteht die Wirkung des Vorgangs. 

1.  1. Varianten des Spiels:

Bisher beschriebenes Verhalten ist zielgerichtet.Dieser in den Phänomenen offensichtliche Aspekt des Handelns bringt in Kombination mit Hervorhebung die Wirkung hervor, die von Sympathiegewinn und Überzeugungskraft erscheint.Überlegung: Spielerische Beschäftigung hat „Ziel in sich selbst“ contra „Spiel bildet generell Fähigkeiten aus“, ob dies das Spielende Individuum will oder nicht.Über Spiel zu sprechen verlangt nach der Folie des Nicht-Spiels.Im normalen Berufsleben, in dem man Pflicht nachkommt um die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedeigen, tritt Spiel zurück oder entfällt.

1.  1.  

1. Konsequenzen des Handelns2. Konsequenzminderung des Handelns

  1.4 Schema szenische VorgängeAlltagshandeln besteht aus vielen zeitl. u. Örtl.Situationen u. Vorgängen. Natürliche/wenig bewusstes Verhalten bis zu zielgerichtetem Handeln (Prokuktion,Dienstleistungen,Waren).→ durch Verhalten u Handeln werden menschl. Bedürfnisse befriedigt, Pflichten erfüllt, die überleben sichern oder Selbstverwirklichung dienen.Spielerische Ereignisse werden im ganzheitlichem Spiel erzeugt, die als besondere Situation über ganzheitliches Sipel hinausgehen. → Gewinnen Attraktivität aus dem

je unterschiedlichen Verhältnis zw. Hervorhebung von Körperbewegung und dem jew. Grad der Konsequenz d. Handelns. 1.5 GrenzbereicheAusgangspunkt von Hervorhebung und die Kosequenz von Vorgängen im ganzheitlichem Spiel.Erst wenn Hervorhebung und die Konsequenz tatsächlich in Erscheinung treten, kann von szen. Vorgängen gesprochen werden.Der allgem. Ansatz Huizingas deshalb als Referenzgröße erwähnt, weil er über Darstellung von etwas nach neuen Erkenntnissen mit dem ästhetisch-kulturwissenschaftl. GedankengebäudeMimesis verbunden ist. Mimesis Früher: Nachahmung (vgl. Original-Fälschung, Vorbild-Reproduktion), verliert mit der Übersetzung als Darstellung diese Differenz zw. Original u Kopie.Nachahmendes Verhalten braucht Vorbild, darstellendes Handeln wird auch Rückbezug erhalten, erschöpft sich aber nicht darin. Der subjektive, persönl. Anteil an Handlungen wird stärker berücksichtigt.Die Reanimation u Simulation v. Bildern geschieht auf techn. Weg durch einfache Vervielfachung (Film od. Digitalisierung in elektr. Medien). Konsequenz, dass dem Bild das Spiel fehlt, enthält Schnittpunkt zwischen Theater- u- Medienwissenschaft. Für Film, sowie elektr. Medien werden szen. Vorgänge zu Bildern umgewandelt, bevor sie technolog. Eine neue Handlungskomponente erhalten, durch die sie wieder in Bewegung geraten. 1.6 Varianten von VorgängenHervorhebung und Konsequenz ruft vier verschiedene Varianten von Vorgängen hervor, die mittels Beziehung zum ganzheitl. Spiel Übergänge vom Lebensprozess zu Theater erfassen:#1: weder hervorgehoben noch konsequenzvermindert (normal. ZB Essen einer Mahlzeit. Zweckbezogen zB Hunger stillen o.a.)#2: hervorgehoben aber nicht konsequenzvermindert (zB Feuerwehreinsatz. Feuerwehrmänner sind Gaffern gestisch (präzis. Bewegungen, akustisch (Kommandos), örtl (oft Absperrung) sowie durch dingliche Attribute hervorgehoben, Handeln hat Konsequenzen, ob sie Brand löschen oder nicht.#3: nicht hervorgehoben aber konsequenzvermindert (zB Schach/Kartenspiel: Alle haben gleiche dingl Attribute, gehen ernst der Beschäftigung nach, etwickeln strategien die durchkreuzt werden können, sind gleich berechtigt)#4: hervorgehoben und konsequenzvermindert (→ nur dieses bezeichn. Szen. Vorgänge) Gemeinsames Schachspiel od. Mahlzeit kennen normal keine Hervorhebung, der Feuerwehreinsatz keine Verminderung d. Konsequenz. Entfällt ein Kriterium oder tritt eines hinzu, ändert sich grundsätzl. Jeder Vorgang und es entsteht ein neuer. Veränderung kann durch eine oder mehrere Personen ausgelöst werden - im Theater „Auftritt“. Dort unterscheidet sich Vorgang insofern von Handlungskomplexen, das er 'gesetzt' werden kann, d.h. Regie kann das Ende eines Vorgangs beschleunigt oder verzögert herbeiführen, kann Vorgangswechsel unterdrücken oder betonen.

Während die Hervorhebung innerhalb der Interaktion naturgemäß nur einer Seite zukommt, sonst wäre es keine, können in Szenischen Vorgängen beide Seiten oder nur die eine Seite konsequenzvermindert handeln.Hervorhebung ist auf Interaktives Handeln beschränkt, währen Konsequenzverminderung schon im ganzheitlichen Spiel auf der Ebene von Verhalten auftreten kann. Wenn beide Merkmale zusammentreffen, konsequenzvermindert und spielerisch, handelt es sich um szenische Vorgänge im Lebensprozess. Hierbei fungiert das konsequenzverminderte Handeln als notwendige, das Wahrnehmen der Hervorhebung in der Situation oder im Vorgang als hinreichende Bedingung. Agieren bewirkt hinschauen sowie eine Bewertung: agieren- schauen- urteilen. In der Hervorhebung verbindet sich sinnliche Körperbewegung mit Sinnfälligmachung, d.h. Eine Handlung kann in der Hervorhebung über sich hinausweisen. Die Aufmerksamkeit der Zuschauenden wechselt dabei von den Körperbewegungen  der Agierenden zur Wahrnehmung des Spielerischen im Hervorgehoben selbst. Sie wechselt vom „was geschieht?“ zum „wie geschieht es?“ Ein physischer Handlungsablauf und eine Kette von Handlungsmodi werden zugleich wahrgenommen. Daraus entsteht Wirkung. Das ist vergleichbar mit der synchronen Existenz des Ablaufs eines Filmes und seinen starren Einzelbildern. Szenische Vorgänge werden unaufhörlich und in größter Mannigfaltigkeit im Lebensprozess hervor gebracht. Sie existieren als ein kontinuierlich gespieltes, unaufhörliches Potential, das soziale Phantasie freisetzt. Die Übergänge vom Lebensprozess zu Theater beschäftigten die Theaterwissenschaft deshalb so intensiv, weil Theaterleute sie immer wieder selbst thematisieren. Agosto Boal tat dies Mitte der 50er Jahre zuerst in Brasilien, dann in Europa mit seinem Theater der Unterdrückten, das den politischen Dialog ins Zentrum rückt. Unter 'autoritär' versteht Boal dabei auch didaktisches Theater und Theater als Propaganda, alle Formen, in denen „der Künstler mehr weiß und kann, als der Zuschauer wissen kann und darf“, denen eine Subjekt-Objekt-Relation zugrunde liegt wie Lehrer-Schüler, Bühne-Publikum, Sender-Empfänger, passiv-aktiv, lebendig-tot.“ In Boals Straßentheater am Rande von Sao Paulo, später in Argentinien, sollten alle gemeinsam lernen. Im Unsichtbaren Theater in Zugabteilen oder in Reisebussen, auf der Straße, im Kaufhaus, auf einer Fähre initiierten Schauspieler Diskussionen mit Fahrgästen und Passanten, um gesellschaftliche Zustände durchschaubar zu machen und Anstöße zur Veränderung zu geben. In diesen Vorgängen, auch als „Theater der realen Aktion“ bezeichnet, findet eine spielerische Auseinandersetzung mit der jeweiligen Situation statt, denn die beabsichtigten Bögen der Diskussion können zwar voher bestimmt, schriftlich fixiert und geprobt werden, doch die Beiträge und Reaktionen der jeweiligen Zielgruppe, die nicht erfährt, dass sie auf Schauspieler trifft, sind unvorhersehbar. Es muss improvisiert werden. Es wird gespielt, Hervorhebung entfällt.Wenn hingegen vor einer feierlichen Opernpremiere in Buenos Aires im Foyer ein hagerer, bescheiden gekleideter Mann, Schauspieler Boals Truppe, vor Hunger ohnmächtig zu Boden sinkt und andere Mitglieder der Gruppe, dasunter ein ,Arzt' mit den wohlhabenden Theaterbesuchern eine Diskussion darüber entfachen, ob man nicht die Eintrittskarten spenden sollte, wie viel Fleisch, Salat, Eier und Milch man für eine Karte kaufen könnte, dann ist der Ohnmächtige zwar gegenüber den Besuchern hervorgehoben, dennoch bleibt der Vorgang auch hier ganz und gar dem

Sozialprozess verhaftet, weil weder die vorher geplante Diskussion noch der Ohnmachtsanfall für das „Publikum“ als konsequenzvermindertes Handeln erkennbar wird.Zitat Boal über angeführte Szene: „Die Mehrzahl der Anwesenden spenden nichts, aber wenigstens sehen sie sich bloßgestellt.“Alle Reaktionen der Opernbesucher bleiben wirkliche Äußerungen zu realem Geschehen, sofortige Handgreifliche Stellungnahme zu sozialen Widersprüchen, da scheinbar eine reale Chance besteht, einem leidendem Menschen zu helfen – anders, als wenn sich derselbe Vorgang auf einer Bühne abspielte. Boals Experimente spielern mit der Hervorhebung und der Konsequenz des Handelns. Dass er selbst die verschiedenen von ihm praktizierten Theaterformen sehr unterschiedlich benennt, als Volkstheater, Pädagogisches Theater, Zeitungstheater, Unsichtbares Theater, stärkt die in Kapitel 2 zu erörternde These, dass Theater ein Name für bestimmte Zusammenhänge von Vorgängen ist. „Die Schauspieler spielen ihre Rolle genau wie im Konventionellen Theater, aber nicht im Theater und vor Zuschauern, die nicht wissen, dass sie Theaterzuschauer sind.“Dennoch behauptet er: „Unsichtbares Theater ist Theater.“ Boal zeigt damit, dass sogar explizit als Theater bezeichnete Vorgänge hinter die Einzüge von Peistratos und Cloots tiefer in den Lebensprozess zugleich als hervorgehoben und konsequenzvermindert erkannt zu werden. In den beschreibenen Beispielen handelt es sich nicht um szenische, wohl aber um theatrale, durch Boals Theaterbegriff betrachtete Vorgänge. An ihnen kann genau die Situation bestimmt werden, in der sie szenische Vorgänge würden: Hervorhebung undKonsequenzverminderung müssten manifest werden, und zwar für alle Beteiligten. Der Spezialfall Boal – von zahlreichen skandinavischen Theatergruppen in der 70er Jahren des 20.Jh als Aktionstheater adaptiert – macht eine Grenze deutlich, die bezüglich der Performance Kunst, die ebenfalls zuweilen ohne Hervorhebung operiert, noch einmal aufschneiden wird und andeutet dass mit normativen Bestimmungen derKomplexität des Phänomenens Theater nicht beizukommen ist.Soll Theater aus dem Lebensprozess heraus erstellt werden, ist vorab alltägliches Verhalten und Handeln zu untersuchen.