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Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilit at U. Raich, G. Sammer, J. Stark Elektromobilitat weist eine hohe Akzeptanz sowohl in der Bevolkerung als auch unter verkehrspolitischen Entscheidungstragern auf. Das Institut fur Verkehrswesen an der Universitat fur Bodenkultur Wien untersuchte, wie die nationalstaatlichen Ziele einer Erhohung der Marktdurchdringung und Nutzung der Elektroautos erreicht werden konnen und ob sie – okologisch und gesamtwirtschaftlich betrachtet – sinnvoll sind. Schlu ¨ sselwo ¨ rter: Elektromobilitat; Elektroautos; gesamtwirtschaftliche Bewertung Macroeconomic Assessment of Electric cars. Electromobility has a high acceptance among the population and among decision makers. The Institute for Transport Studies at the University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna, analyzed how the national goals of increasing market penetration and use of electric cars can be achieved and whether these make sense from an environmental and macroeconomic point of view. Keywords: electromobility; electric vehicles; macroeconomic assessment Eingegangen am *. **, angenommen am 6. Februar 2012 Ó Springer-Verlag 2012 1. Einleitung Die technische Entwicklung im Bereich von Elektroautos reicht mehr als 130 Jahre zuruck, wurde dann durch den Siegeszug der Ver- brennungskraftmotoren zuruckgedrangt und erfahrt infolge der De- batte uber die fossilen Energietrager seit einigen Jahren wieder großere Aufmerksamkeit. Der Einsatz von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen wird europaweit staatlich propagiert, technologisch gefordert und wirtschaftlich beworben. Das politische Ziel der For- cierung der Elektromobilitat ist es, die Potenziale des Elektroantriebs zugunsten eines nachhaltigen und umweltfreundlichen Gesamtver- kehrssystems einschließlich der Reduzierung der Abhangigkeit der Mobilitat von fossilen Treibstoffen zu nutzen. Elektroautos sollen gemaß nationaler Regierungsplanungen sukzessiv Fahrzeuge mit Verbrennungskraftmaschinen ersetzen (Bundesregierung Deutsch- land, 2009; Dorda, 2010). Unberucksichtigt bleibt in der Regel die gesamtwirtschaftliche Perspektive. Im Rahmen des vom osterreichischen Klima- und Energiefonds in der Forderschiene „Neue Energien 2020 unterstutzten Projekts „Smart Electric Mobility (SEM) wurde vom Institut fur Verkehrswe- sen an der Universitat fur Bodenkultur Wien eine Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Aspekte der Elektromobilitat durchgefuhrt (Leitinger et al., 2011). 2. Das Bewertungsverfahren Die Abschatzung der kunftigen Marktdurchdringung von Elekt- roautos und der dadurch auf Elektroautos verlagerten Ver- kehrsleistungen 1 bildet die Grundlage fur die Bewertung der volkswirtschaftlichen Kosten von Elektromobilitatsmaßnahmen und Einflussfaktoren im Verkehrssektor. Sie erfolgte mit Hilfe eines logis- tischen Verkehrsmodells fur das individuelle Kauf- und Verkehrsver- halten, das anhand der Daten einer Stated Preference-Befragung entwickelt und kalibriert wurde. Das komplexe Kaufnachfragemodell ermoglicht die Abschatzung der Marktanteile von Elektroautos am Neuwagenmarkt in Abhangigkeit von verschiedenen Einflussgroßen, wie den Nutzerbedurfnissen in Bezug auf Reichweite, Kaufpreis, Betriebskosten Treibstoffkosten, der Fahrzeugeigenschaften in Abhangigkeit der Technologieentwicklung und sozio-demogra- fischer Kennwerte (Sammer, Meth, Gruber, 2008; Leitinger et al., 2011). U ¨ ber eine Variation der Eingangsvariablen (z. B. Fahrzeugei- genschaften, Kostenvariablen) sowie durch Definition von Rahmen- bedingungen (z. B. Entwicklung der Treibstoffpreise) ist es moglich, verschiedene Szenarien zu definieren (Kapitel 3). Die mit Hilfe des Modells ermittelten Nachfragekennwerte fließen dann in eine ge- samtwirtschaftliche Bewertung ein. Das Bewertungsverfahren ermittelt einen formalen Prufwert mit Hilfe von Kriterien und Indikatoren auf Basis einer Wertsynthese. Dieser Prufwert gibt Auskunft uber die gesamtwirtschaftlich zu erwartenden Kosten, berucksichtigt die dafur benotigten Investi- tions- und Betriebskosten sowie eventuelle Verbesserungseffekte der Umweltauswirkungen. Bei der Ermittlung der Wirkungsmengen, also den Auswirkungen auf die Nachfrage und den damit in Zusammen- hang stehenden Indikatoren wie beispielsweise Schadstoff- emissionen, Energieaufwand oder Reisezeiten, gehen sowohl monetarisierbare als auch nicht monetarisierbare Wirkungen ein. Die relevanten Kriterien zur Erstellung des Wirkungsmengengerusts basieren im Wesentlichen auf den Empfehlungen der neuen RVS 02.01.22. Das Bewertungsverfahren berucksichtigt die Wirkungskomponen- ten Investitionskosten, Fahrzeugbetriebskosten (einschl. Treibstoff- kosten) sowie Umweltkosten (einschl. Klimakosten). Reisezeit-, Raich, Ulrike, Dipl.-Ing., Sammer, Gerd, O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Stark, Juliane, Dipl.-Ing. Dr., Universitat fur Bodenkultur Wien, Institut fur Verkehrswesen, Department fur Raum, Landschaft und Infrastruktur, Peter-Jordan-Straße 82, 1190 Wien, O ¨ sterreich (E-Mail: [email protected]) 1 Datenbasis fur Verkehrsleistungen: Herry, 2007; Snizek, 2010; Verkehrsprognose O ¨ sterreich, 2009. 162 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik Elektrotechnik & Informationstechnik (2012) 129/3: 162–166. DOI 10.1007/s00502-012-0096-y ORIGINALARBEITEN

Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

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Page 1: Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

Gesamtwirtschaftliche Bewertungvon Elektromobilit€atU. Raich, G. Sammer, J. Stark

Elektromobilit€at weist eine hohe Akzeptanz sowohl in der Bev€olkerung als auch unter verkehrspolitischen Entscheidungstr€agern auf.Das Institut f€ur Verkehrswesen an der Universit€at f€ur Bodenkultur Wien untersuchte, wie die nationalstaatlichen Ziele einer Erh€ohungder Marktdurchdringung und Nutzung der Elektroautos erreicht werden k€onnen und ob sie – €okologisch und gesamtwirtschaftlichbetrachtet – sinnvoll sind.

Schlusselworter: Elektromobilit€at; Elektroautos; gesamtwirtschaftliche Bewertung

Macroeconomic Assessment of Electric cars.

Electromobility has a high acceptance among the population and among decision makers. The Institute for Transport Studies at the

University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna, analyzed how the national goals of increasing market penetration and use of

electric cars can be achieved and whether these make sense from an environmental and macroeconomic point of view.

Keywords: electromobility; electric vehicles; macroeconomic assessment

Eingegangen am *. * *, angenommen am 6. Februar 2012� Springer-Verlag 2012

1. Einleitung

Die technische Entwicklung im Bereich von Elektroautos reicht mehr

als 130 Jahre zur€uck, wurde dann durch den Siegeszug der Ver-

brennungskraftmotoren zur€uckgedr€angt und erf€ahrt infolge der De-

batte €uber die fossilen Energietr€ager seit einigen Jahren wieder

gr€oßere Aufmerksamkeit. Der Einsatz von elektrisch angetriebenen

Fahrzeugen wird europaweit staatlich propagiert, technologisch

gef€ordert und wirtschaftlich beworben. Das politische Ziel der For-

cierung der Elektromobilit€at ist es, die Potenziale des Elektroantriebs

zugunsten eines nachhaltigen und umweltfreundlichen Gesamtver-

kehrssystems einschließlich der Reduzierung der Abh€angigkeit der

Mobilit€at von fossilen Treibstoffen zu nutzen. Elektroautos sollen

gem€aß nationaler Regierungsplanungen sukzessiv Fahrzeuge mit

Verbrennungskraftmaschinen ersetzen (Bundesregierung Deutsch-

land, 2009; Dorda, 2010). Unber€ucksichtigt bleibt in der Regel die

gesamtwirtschaftliche Perspektive.

Im Rahmen des vom €osterreichischen Klima- und Energiefonds in

der F€orderschiene „Neue Energien 2020� unterst€utzten Projekts

„Smart Electric Mobility� (SEM) wurde vom Institut f€ur Verkehrswe-

sen an der Universit€at f€ur Bodenkultur Wien eine Bewertung der

gesamtwirtschaftlichen Aspekte der Elektromobilit€at durchgef€uhrt

(Leitinger et al., 2011).

2. Das Bewertungsverfahren

Die Absch€atzung der k€unftigen Marktdurchdringung von Elekt-

roautos und der dadurch auf Elektroautos verlagerten Ver-

kehrsleistungen1 bildet die Grundlage f€ur die Bewertung der

volkswirtschaftlichen Kosten von Elektromobilit€atsmaßnahmen und

Einflussfaktoren im Verkehrssektor. Sie erfolgte mit Hilfe eines logis-

tischen Verkehrsmodells f€ur das individuelle Kauf- und Verkehrsver-

halten, das anhand der Daten einer Stated Preference-Befragung

entwickelt und kalibriert wurde. Das komplexe Kaufnachfragemodell

erm€oglicht die Absch€atzung der Marktanteile von Elektroautos am

Neuwagenmarkt in Abh€angigkeit von verschiedenen Einflussgr€oßen,

wie den Nutzerbed€urfnissen in Bezug auf Reichweite, Kaufpreis,

Betriebskosten Treibstoffkosten, der Fahrzeugeigenschaften in

Abh€angigkeit der Technologieentwicklung und sozio-demogra-

fischer Kennwerte (Sammer, Meth, Gruber, 2008; Leitinger et al.,

2011). Uber eine Variation der Eingangsvariablen (z. B. Fahrzeugei-

genschaften, Kostenvariablen) sowie durch Definition von Rahmen-

bedingungen (z. B. Entwicklung der Treibstoffpreise) ist es m€oglich,

verschiedene Szenarien zu definieren (Kapitel 3). Die mit Hilfe des

Modells ermittelten Nachfragekennwerte fließen dann in eine ge-

samtwirtschaftliche Bewertung ein.

Das Bewertungsverfahren ermittelt einen formalen Pr€ufwert mit

Hilfe von Kriterien und Indikatoren auf Basis einer Wertsynthese.

Dieser Pr€ufwert gibt Auskunft €uber die gesamtwirtschaftlich zu

erwartenden Kosten, ber€ucksichtigt die daf€ur ben€otigten Investi-

tions- und Betriebskosten sowie eventuelle Verbesserungseffekte der

Umweltauswirkungen. Bei der Ermittlung der Wirkungsmengen, also

den Auswirkungen auf die Nachfrage und den damit in Zusammen-

hang stehenden Indikatoren wie beispielsweise Schadstoff-

emissionen, Energieaufwand oder Reisezeiten, gehen sowohl

monetarisierbare als auch nicht monetarisierbare Wirkungen ein. Die

relevanten Kriterien zur Erstellung des Wirkungsmengenger€usts

basieren im Wesentlichen auf den Empfehlungen der neuen RVS

02.01.22.

Das Bewertungsverfahren ber€ucksichtigt die Wirkungskomponen-

ten Investitionskosten, Fahrzeugbetriebskosten (einschl. Treibstoff-

kosten) sowie Umweltkosten (einschl. Klimakosten). Reisezeit-,

Raich, Ulrike, Dipl.-Ing., Sammer, Gerd, O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Stark,

Juliane, Dipl.-Ing. Dr., Universit€at f€ur Bodenkultur Wien, Institut f€ur Verkehrswesen,

Department f€ur Raum, Landschaft und Infrastruktur, Peter-Jordan-Straße 82, 1190

Wien, Osterreich (E-Mail: [email protected])

1 Datenbasis f€ur Verkehrsleistungen: Herry, 2007; Snizek, 2010; Verkehrsprognose

Osterreich, 2009.

162 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

Elektrotechnik & Informationstechnik (2012) 129/3: 162–166. DOI 10.1007/s00502-012-0096-yORIGINALARBEITEN

Page 2: Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

Unfall- und L€armkosten bleiben unber€ucksichtigt, weil zu erwarten

ist, dass sie sich f€ur herk€ommliche Pkw und Elektroautos nicht

wesentlich unterscheiden werden (Sammer, Klementschitz, 2011;

Bickel et al., 2006; Helmers, 2010). Die gesamtwirtschaftliche Be-

wertung erfolgte f€ur den Zeitraum von Anfang 2010 bis Ende 2025

in Jahresschritten. Hybridfahrzeuge wurden nicht untersucht.

Im Ergebnis zeigt das Bewertungsverfahren auf, welchen gesamt-

wirtschaftlichen Nutzen die Elektromobilit€at unter Einbeziehung

der €okonomischen und €okologischen Wirkungen in monet€arer

Weise in den untersuchten Bewertungsszenarien stiftet. Folgende

Kenngr€oßen werden berechnet:

– die monet€ar dargestellte gesamtwirtschaftliche Nutzen-Kostendif-

ferenz verschiedener Untersuchungsszenarien (ausgedr€uckt in

Form des Barwertes f€ur das Basisjahr gegen€uber einem Referenz-

szenario als Vergleichsbasis);

– die gesamtwirtschaftliche Kostenwirksamkeit der Treibhaus-

gaseinsparung durch Elektromobilit€at (ausgedr€uckt durch den

Nutzen je durch Elektromobilit€at eingesparter Tonne an emittier-

ten Treibhausgasen gegen€uber einem Referenzszenario);

– die gesamtwirtschaftliche Kostenwirksamkeit der mit dem Elekt-

roauto zur€uckgelegten Entfernung (ausgedr€uckt durch den Nut-

zen je zur€uckgelegtem Kilometer gegen€uber einem

Referenzszenario) sowie

– die Kostenbilanz der Elektromobilit€at aus Nutzersicht (aus-

gedr€uckt in Nutzerkosten inklusive Abgaben, Steuern und

Kaufpr€amie je im Elektroauto zur€uckgelegten Kilometer im Ver-

gleich zu benzin- und dieselgetriebenen Pkw).

Durch eine Interpretation der Ergebnisse kann die Zweckm€aßigkeit

der in den Bewertungsszenarien beinhalteten Elektromobilit€ats-

maßnahmen bewertet werden. Zus€atzlich lassen sich Handlungs-

empfehlungen f€ur einen gesamtwirtschaftlich effizienten Einsatz

der Elektromobilit€at f€ur den motorisierten Individualverkehr ableiten.

Das Bewertungsverfahren zeigt auch die Effizienz der Treibhaus-

gaseinsparung mit Maßnahmen der Elektromobilit€at auf.

3. Untersuchte Bewertungsszenarien

Das Szenario einer mittleren technologischen Entwicklung entspricht

etwa den Vorstellungen der Autoindustrie.2 Es geht von einer

Marktverf€ugbarkeit der Kompaktklasse ab 2013 aus; die Mittelklasse

ist ab 2016 am Markt verf€ugbar. Die Reichweite der Elektroautos

erh€oht sich im Betrachtungszeitraum um 50%, der Kaufpreis sinkt

von 100% f€ur 2010 auf 70% im Jahr 2025. Basispreis f€ur Elekt-

roautos ist der 2,2-fache Kaufpreis von benzin- und dieselgetriebe-

nen Pkw. Dieses Szenario ergibt f€ur 2025 einen Anteil von

Elektroautos am Neuwagenkauf von knapp 6%, was einer Durch-

dringung des gesamten Pkw-Bestandes von etwas mehr als 2%

entspricht und damit weit unter den Vorstellungen der€osterreichischen Bundesregierung gem€aß „Nationalem Einf€uhrungs-

plan Elektromobilit€at� liegt (Dorda, 2010).Das Szenario einer starken technologischen Entwicklung liegt

€uber den erwartbaren Vorstellungen der Autoindustrie. Es geht von

einer Marktverf€ugbarkeit der Kompaktklasse ab 2012 und der Mit-

telklasse ab 2014 aus. Die Reichweite der Elektroautos verdoppelt

sich im Betrachtungszeitraum, der Kaufpreis sinkt von 100% f€ur

2010 auf 60% im Jahr 2025. Der Basispreis f€ur Elektroautos ist der

2,2-fache Kaufpreis von benzin- und dieselgetriebenen Pkw. Das

Szenario einer starken technologischen Entwicklung ergibt f€ur

2025 einen Anteil von Elektroautos am Neuwagenkauf von 13%

und entspricht einem Anteil von deutlich unter 5% am gesamten

Pkw-Bestand. Dieses technologische, heute als unwahrscheinlich zu

erreichende Szenario liegt in Bezug auf den Bestand an Elektroautos

um mehr als 10% €uber den Erwartungen der €osterreichischen

Bundesregierung.

Das Szenario einer niedrigen Kaufpr€amie von D 1.000,- Zu-

schuss pro Elektroauto bewirkt in Verbindung mit der mittleren

technologischen Entwicklungserwartung wenig: Der Anteil des Elekt-

roautos am Neuwagenkauf steigt lediglich von 5,7 auf 6,1% an,

am gesamten Pkw-Bestand von 2,2 auf 2,4% im Jahr 2025. Dem-

entsprechend €andern sich auch die absoluten Werte nur wenig.

Das Szenario mit einer f€unff-fach so hohen Kaufpr€amie von

D 5.000,- Zuschuss pro Elektroauto bewirkt in Verbindung mit der

mittleren technologischen Entwicklungserwartung deutlich mehr,

allerdings noch immer viel weniger als eine starke technologische

Entwicklung: Der Anteil des Elektroautos am Neuwagenkauf steigt

von 5,7% ohne Kaufpr€amie auf 8,1% an, beim gesamten Pkw-

Bestand von 2,2 auf 3,2% bis zum Jahr 2025. Dementsprechend€andern sich auch die absoluten Werte deutlich, dennoch wird das

Ziel der €osterreichischen Bundesregierung trotz sehr hoher

Kaufpr€amie nicht erreicht und zeigt die geringe Effizienz solcher

Subventionsmaßnahmen.

Die Szenarien mit einer moderaten fossilen Treibstoffpreisstei-

gerung um 50% bewirken in Verbindung mit der mittleren tech-

nologischen Entwicklungserwartung relativ wenig: Der Anteil des

Elektroautos am Neuwagenkauf steigt von 5,7 auf 6,9% an, am

gesamten Pkw-Bestand von 2,2 auf 2,6% bis zum Jahr 2025.

Dementsprechend €andern sich auch die absoluten Werte des Szena-

rios mit mittlerer technologischer Entwicklung und des Szenarios mit

niedriger Kaufpr€amie relativ wenig. Das Ziel der €osterreichischen

Bundesregierung wird verfehlt.

Die Szenarien mit einer starken fossilen Treibstoffpreissteige-

rung um 150% bewirken in Verbindung mit der sehr wahrscheinli-

chen mittleren technologischen Entwicklungserwartung nahezu so

viel wie eine starke, aber aus heutiger Sicht unwahrscheinliche

Steigerung der technologischen Entwicklung f€ur Elektroautos: Der

Anteil des Elektroautos am Neuwagenkauf steigt von 5,7 auf fast

11% an, am gesamten Pkw-Bestand von 2,2 auf fast 4% bis zum

Jahr 2025. Damit wird das Ziel der €osterreichischen Bundesregierung

nahezu erreicht.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Erwartungen und

zugleich die Zielsetzung der €osterreichischen Bundesregierung bez€ug-

lich der Entwicklung der Elektromobilit€at nur mit einer derzeit nicht

absehbaren Beschleunigung der technologischen Entwicklung er-

reichbar erscheinen. Alternativ beim Eintreffen einer laut Autoin-

dustrie wahrscheinlichen technologischen Entwicklung ist dieses

Ziel nur mit einer deutlichen Erh€ohung des Treibstoffpreises f€ur den

Pkw-Nutzenden erreichbar. Dies setzt z. B. eine in den n€achsten

14 Jahren schrittweise auf 150% des heutigen Treibstoffpreises

anwachsende reale Treibstoffpreissteigerung voraus, die durch eine

Treibhausgasabgabe und/oder Treibstoffpreissteigerung aufgrund

der Produktionskosten oder Rahmenbedingungen des Energie-

marktes bewirkt werden kann. Kaufpr€amien wirken sp€urbar erst ab

einer H€ohe von etwa 5.000,- pro Elektroauto und sind in dieser H€ohe

politisch kaum zu argumentieren und nur schwer zu finanzieren.

4. Kostenbilanz der Elektromobilit€at aus Nutzersicht

Die Nutzerkosten setzen sich aus den Kosten f€ur die Ladeinfrastruk-

tur und den Fahrzeugbetriebskosten zusammen. Gem€aß

(Schuster, Leitinger, 2010) sind der Ort der Wohnung und der

Arbeitsplatz die wichtigsten Ladepunkte f€ur Elektroautos. Dies hat

sich auch durch die Nutzerbefragung im Rahmen des Forschungs-

projekts best€atigt (Leitinger et al., 2011). Unter der Annahme, dass

2 Gem€aß Autohersteller Magna und Ford wird der Anteil an Neuzulassungen im

Jahr 2025 mit 10 bis 25% f€ur teilweise oder voll elektrisch betriebene Autos am

Gesamtmarkt prognostiziert (Stand Juni 2011). Der Anteil an reinen Elektroautos

wird bei den Prognosen der Fahrzeugindustrie mit einem Drittel angegeben

(Leitinger et al., 2011)

Mai 2012 | 129. Jahrgang © Springer-Verlag heft 3.2012 163

ORIGINALARBEITENU. Raich et al. Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilit€at

Page 3: Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

die Ladeinfrastruktur zu Hause von den Nutzer/innen zur G€anze

selbst getragen wird, werden die Kosten f€ur die Schaffung der

Ladeinfrastruktur anteilig mit 50% angesetzt. Die Nutzerkosten pro

Fahrzeug-Kilometer gewichtet €uber die j€ahrliche Fahrleistung f€ur ben-

zin- und dieselgetriebene Pkw betragen 0,38D /km, mit moderater

Treibstoffpreissteigerung von þ 50% 0,40D /km und mit starker

Treibstoffpreissteigerung von þ150% 0,45D /km. F€ur Elektroautos

liegen diese Kosten zwischen 0,35D /km und 0,40D /km.

Die Nutzen-Kostenbilanz der Elektromobilit€at zeigt f€ur Verkehrs-

nutzer/innen, dass Elektromobilit€at gegen€uber dem benzin- und

dieselgetriebenen Pkw monet€ar bewertet heute (noch) nicht kon-

kurrenzf€ahig ist. Wenn sich jemand f€ur ein Elektroauto entscheidet,

so liegt das an subjektiven Liebhaber- oder Imagegr€unden, ein um-

weltfreundlicheres Auto zu besitzen und zu benutzen (Sammer,

Meth, Gruber, 2008).

Zu beachten ist, dass in die Betriebskostenberechnung die Markt-

verf€ugbarkeit der Fahrzeugkategorien von Elektroautos unmittelbar

eingeht. H€ohere Fahrzeugkategorien f€uhren zu h€oheren Fahrzeug-

betriebskosten. Da in der Elektroautoproduktpalette je nach Bewer-

tungsszenario zu Beginn des Betrachtungszeitraums ausschließlich

Kleinwagen verf€ugbar sind und erst nach und nach die Kompakt-

klasse und die Mittelklasse auf den Markt kommen, sind die Fahr-

zeugbetriebskosten in den Referenzszenarien niedriger als f€ur den

benzin- und dieselgetriebenen Pkw, f€ur den im gesamten Betrach-

tungszeitraum Fahrzeuge aller Fahrzeugkategorien (Kleinwagen,

Kompaktklasse, Mittelklasse, Oberklasse und Sonderklasse) zur

Verf€ugung stehen. Bei Betrachtung der gleichen Fahrzeugkategorien

f€ur benzin- und dieselgetriebene Pkw und f€ur Elektroautos sind die

Fahrzeugbetriebskosten f€ur Elektroautos in den Referenzszenarien

h€oher. Deutlich zeigte sich, dass eine hohe Kaufpr€amie f€ur Elekt-

roautos die Kilometerkosten mit –8% deutlich unter jene

herk€ommlicher Pkw dr€uckt. Die Betriebskosten liegen auch in den

Szenarien f€ur eine Treibstoffpreiserh€ohung mit –11% deutlich

g€unstiger f€ur Elektroautos. Abgesehen von der Verf€ugbarkeitsprob-

lematik aus technologischer Sicht wird Elektromobilit€at erst bei

hohen Kaufpr€amien und starken Treibstoffpreissteigerungen f€ur den

Nutzer/die Nutzerin wirtschaftlich interessant.

5. Gesamtwirtschaftliche Kostenbilanz

der Elektromobilit€at

In Tabelle 1 sind die gesamtwirtschaftlichen Nutzen- und Kosten-

komponenten der untersuchten Bewertungsszenarien abz€uglich je-

ner der Referenzszenarien aufgelistet. Das Ergebnis zeigt, dass f€ur

die Ladeinfrastruktur gesamtwirtschaftliche Kosten anfallen,

w€ahrend f€ur die Schadstoff- und Klimawirkungen durch die

Elektromobilit€at ein Nutzen anf€allt, der die Kosten deutlich

€ubersteigt. Bei den Fahrzeugbetriebskosten ergibt sich ein ambiva-

lentes Bild: Je nach technologischer Entwicklung und den damit

verbundenen Annahmen sinken die Fahrzeugbetriebskosten

haupts€achlich durch die h€oheren Investitionskosten f€ur das Elektro-

auto sehr unterschiedlich. Deutlich zeigt sich der Unterschied in den

Bewertungsszenarien der Treibstoffkostensteigerung: Erfolgt die

Steigerung €uber Produktionskosten, so entsteht ein gesamt-

wirtschaftlicher Nutzen durch Elektroautos, da gegen€uber dem Re-

ferenzszenario eine Einsparung durch weniger Treibstoffverbrauch

bewirkt wird. Erfolgt die Treibstoffpreissteigerung mit einer gesamt-

wirtschaftlich neutralen Abgabe, so entf€allt dieser Einsparungseffekt

aus gesamtwirtschaftlicher Sicht.

Die gesamtwirtschaftlichen Kosten f€ur Investition und Betrieb

der Ladeinfrastruktur von Elektroautos der untersuchten Bewer-

tungsszenarien abz€uglich jener der jeweiligen Referenzszenarien im

Betrachtungszeitraum sind direkt proportional zur Marktdurchdrin-

gung, da die Investitionen der Ladeinfrastruktur von der Menge der

in Betrieb befindlichen Elektroautos abh€angen. F€ur den benzin- und

Tabelle 1. Gesamtwirtschaftliche Nutzen- und Kostenkomponenten in Millionen Euro, dargestellt als Differenz der Ergebnisse der Bewertungs-szenarien und der zugeh€origen Referenzszenarien, diskontiert €uber den Betrachtungszeitraum 2010 – 2025 (Barwert 2010); positive Werteentsprechen einem Nutzensaldo, negative Werte einem Kostensaldo (TE – technologische Entwicklung der Elektroautos)

Ladeinfra-strukturkosten1

Fahrzeugbe-triebskosten2

Schadstoff-kosten

Klimakosten

[Mio. D /(2010–2025)]

Kosten der Bewertungsszenarien zur Ermittlung der Effekte unterschiedlicher technologischer Entwicklung abz€uglich jener desReferenzszenarios „Fortschreibung Ist-Zustand�mittlere technologische Entwicklungder Elektroautos

–15,4 –47,0 27,3 61,2

starke technologische Entwicklungder Elektroautos

–35,7 11,0 69,0 169,3

Kosten der Bewertungsszenarien zur Ermittlung der Effekte unterschiedlicher Kaufpr€amien abz€uglich jener des Referenzszenarios „keineKaufpr€amie mit Fortschreibung Ist-Zustand�niedrige Kaufpr€amie, mittlere TE –17,0 –50,8 29,8 66,9hohe Kaufpr€amie, mittlere TE –24,7 –69,5 42,3 94,8

Kosten der Bewertungsszenarien zur Ermittlung der Effekte unterschiedlicher Arten von Treibstoffpreissteigerungen (Erh€ohung €uberProduktionskosten bzw. Erh€ohung €uber Abgaben) abz€uglich jener des Referenzszenarios moderate bzw. starke Treibstoffpreissteigerungmoderate Treibstoffpreissteigerung €uberProduktpreis, mittlere TE

–19,0 0,6 33,9 76,1

starke Treibstoffpreissteigerung €uberProduktpreis, mittlere TE

–30,2 225,7 54,5 122,4

moderate Treibstoffpreissteigerung €uberAbgaben, mittlere TE

–19,0 –28,1 33,9 76,1

starke Treibstoffpreissteigerung €uber Abgaben,mittlere TE

–30,2 –45,2 54,5 122,4

1Investitionskosten einschl. Finanzierungskosten, Re-Investitionen, Betriebs- und Unterhaltungskosten f€ur Schaffung von Ladeinfrastruktur.2s€amtliche Fahrzeugnutzerkosten.

164 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

ORIGINALARBEITEN U. Raich et al. Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilit€at

Page 4: Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

dieselgetriebenen Pkw-Verkehr wurden keine Investitionen ange-

setzt. Erwartungsgem€aß sind in den Szenarien mit einer st€arkeren

Marktdurchdringung f€ur Elektroautos die Kosten h€oher als in den

anderen Szenarien.

Die gesamtwirtschaftlichen Fahrzeugbetriebskosten zeigen eine

dominante Abh€angigkeit von den Treibstoffkosten f€ur Benzin und

Diesel und vom Kaufpreis der Elektroautos. Hinsichtlich einer Stei-

gerung der Treibstoffpreise €uber eine €offentliche Abgabe, z. B. einer

Treibhausgasabgabe pro Liter Treibstoff, zeigt sich, dass der Staat die

Einnahmen der CO2-Abgabe lukriert, w€ahrend Pkw-Nutzer/innen die

anfallenden Kosten bezahlen oder diesen Mehrkosten durch Um-

stieg auf Elektromobilit€at ausweichen. Vergleicht man den Treib-

stoffpreisanstieg infolge einer Steigerung der Produktionskosten

oder der Preissituation am Treibstoffmarkt mit jenen z. B. durch eine

CO2-Abgabe, so zeigen sich große Unterschiede im Ergebnis: Die

gesamtwirtschaftlichen Einsparungen sind im ersten Fall durch die

Elektromobilit€at viel gr€oßer, weil eine Abgabe als Transferleistung

wohl eine Kosteneinsparung gegen€uber dem Vergleichsszenario der

mittleren technologischen Entwicklung der Elektroautos erh€oht bzw.

die Kosten senkt. Da die Abgabe als Transferleistung eine Umvertei-

lung vom Nutzer/von der Nutzerin zum Staatsbudget bewirkt, kom-

men die Einsparungen volkswirtschaftlich kaum zum Tragen.

Eine Erh€ohung der Marktdurchdringung von Elektroautos f€uhrt zu

steigendem Nutzen der Umweltauswirkungen durch eine Reduktion

der Emissionen. Je h€oher der Anteil an Elektroautos am Pkw-Bestand

ist, desto h€oher wird der Umweltnutzen. Grunds€atzlich gilt, dass die

Schadstoff- und Klimakosten mit zunehmender Fahrleistung fossiler

Pkw-Antriebe steigen und umgekehrt mit zunehmender Markt-

durchdringung und Fahrleistung der Elektroautos abnehmen. Auf-

grund der f€ur das Bewertungsverfahren angesetzten Einheitskosten

f€ur Treibhausgas- und Abgasemissionen ist der Nutzen der

Elektromobilit€at aus der Klimakomponente h€oher als aus den ande-

ren Emissionen. Es ist aber festzuhalten, dass dies stark vom Mix

der Stromerzeugung aus klimaneutralen oder kalorischen Kraftwer-

ken abh€angt. Die vorliegenden Ergebnisse bauen auf dem€osterreichischen durchschnittlichen Erzeugermix mit seiner hohen

Komponente aus umweltfreundlicher Wasserkraft auf (Okostrom-

bericht 2011).

6. Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Elektromobilit€at

Die errechnete Nutzen-Kostendifferenz zeigt, dass die

Elektromobilit€at aus gesamtwirtschaftlicher Sicht im Vergleich zur

Fortschreibung des Ist-Zustandes in allen untersuchten Bewertungs-

szenarien einen Nutzen abwirft. Der positive Nutzen ergibt sich vor

allem durch die Reduktion der Abgasemissionen und der Treibhaus-

gase. Unter Einrechnung der gesamtwirtschaftlichen Kosten der

Treibhausgase von 245,-D /t CO2 ergibt sich f€ur alle untersuchten

Bewertungsszenarien ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen. Der gr€oßte

Nutzen entsteht durch die Einsparung der Treibstoffkosten durch

Elektromobilit€at, wenn die Treibstoffpreise aufgrund steigender Pro-

duktionskosten bzw. Marktkosten stark ansteigen, gefolgt vom Sze-

nario einer starken bzw. raschen technologischen Entwicklung der

Elektromobilit€at. Unter der Voraussetzung einer mittleren technolo-

gischen Entwicklung, die als sehr wahrscheinlich einzusch€atzen ist,

kann der gesamtwirtschaftliche Nutzen nur durch eine Treibstoffab-

gabe auf den Treibstoffpreis maximiert werden. Wenn diese Einnah-

men zur Forschungsf€orderung verwendet werden, k€onnte damit ein

Synergieeffekt erreicht werden, der wiederum die technologische

Entwicklung antriebe.

6.1 Treibhausgasreduktion durch Elektromobilit€at

Einen besseren Aufschluss €uber den gesamtwirtschaftlichen

Nutzen bzw. Kosten erh€alt man, wenn die CO2-Kosten f€ur die

Kostenwirksamkeitsbetrachtung der Treibhausgaseinsparung infolge

Elektromobilit€at nicht in Rechnung gestellt werden; dadurch wird

sichtbar, wie teuer gesamtwirtschaftlich die Einsparung einer Tonne

CO2-Emission mittels Elektromobilit€at kommt. Die Ergebnisse erhal-

ten ihre bildliche Interpretation dadurch, wenn man sie in Vergleich

mit den Kosten einer Tonne an CO2-Zertifikaten und andererseits

mit den gesch€atzten Schadenskosten einer Tonne CO2 setzt.

Wenn der Wert einen unter Beachtung des Vorzeichens gr€oßeren

Wert als den Zertifikatpreis von derzeit etwa –20,- D /t CO2 hat, lohnt

es sich gesamtwirtschaftlich, Treibhausgaseinsparungen durch

Elektromobilit€at umzusetzen. Dies ist derzeit bei einem so niedrigen

Preis der CO2-Zertifikate nur f€ur die Szenarien starke technologische

Entwicklung der Elektroautos, starke Treibstoffpreissteigerung €uber

Produktionskosten oder Abgaben sowie moderate Treibstoffpreis-

steigerung €uber Abgaben zweckm€aßig. Das heißt, dass nur eine

starke technologische Entwicklung sowie stark gestiegene Treib-

stoffpreise aufgrund der Produktionskosten gesamtwirtschaftlich der

Umsetzung der Elektromobilit€at einen Sinn geben. Das €andert sich

allerdings, wenn die Zertifikatpreise steigen.

Alle untersuchten Szenarien weisen einen gr€oßeren Wert als ein

Schadenspreis von etwa –245,- D /t CO2 auf, d. h. gesamtwirtschaft-

lich gesehen lohnt es sich, Treibhausgaseinsparungen durch die

F€orderung der Elektromobilit€at umzusetzen. Es ist allerdings hervor-

zuheben, dass es eine Reihe von Maßnahmen gibt, wie z. B. die

F€orderung des nichtmotorisierten Verkehrs oder einer CO2-Abgabe

auf fossile Treibstoffe, die eine bessere Kosteneffizienz bringen.

Zu beachten sind dar€uber hinaus die deutlichen Unterschiede

bei den einzelnen Szenarien: Unter der Voraussetzung einer

moderaten technologischen Entwicklung inklusive Kaufpr€amien

haben die Treibhausgaseinsparungseffekte durch Elektromobilit€at

eine relativ geringe Kostenwirksamkeit. Sie wird nur durch

eine starke Treibstoffpreissteigerung deutlich angehoben. Will

man die technologische Entwicklung steigern, erweisen sich

Treibstoffpreisteigerungen durch eine zweckgebundene Treibstoff-

preisabgabe als zweckm€aßig. Eine Kaufpr€amie ist gesamtwirtschaft-

lich nicht sinnvoll.

6.2 Gesamtwirtschaftliche Kostenwirksamkeit der mit dem

Elektroauto zur€uckgelegten Entfernung

Die gesamtwirtschaftliche Kostenwirksamkeit, ausgedr€uckt als Nut-

zen je im Elektroauto zur€uckgelegtem Kilometer, zeigt im Prinzip

dasselbe Ergebnis wie zuvor: Steigende Nachfrage nach

Elektromobilit€at f€uhrt zu einem h€oheren Nutzen der im Elektroauto

zur€uckgelegten Entfernung. Je nach Bewertungsszenario schwankt

der gesamtwirtschaftliche Nutzen von 0,6 Euro-Cent/km bis zu

4,7 Euro-Cent/km €außerst stark, was einem Faktor von etwa 8

entspricht. Auch hier sind dieselben Schlussfolgerungen zu ziehen,

dass Elektromobilit€at unter bestimmten Rahmenbedingungen

gesamtwirtschaftlich sehr effizient sein kann: Darunter fallen eine

deutliche Beschleunigung des technologischen Fortschritts sowie

eine starke Steigerung des Treibstoffpreises, sei es durch gestiegene

Produktionskosten fossiler Treibstoffe oder durch zweckgebundene

Abgaben. Es ist allerdings festzuhalten, dass der spezifische Nutzen

der Elektromobilit€at in Relation zu dem amtlichen Kilometergeld

oder den spezifischen Betriebskosten im g€unstigsten Falle nur etwa

ein Zehntel ausmacht.

7. Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens

zeigen, dass bei einer Nachfrage nach Elektroautos bis zu 13% des

Neuwagenmarktes und einem Anteil am Kfz-Bestand bis zu 5% am

Ende des Betrachtungszeitraums im Jahre 2025 die Ziele der€osterreichischen Bundesregierung gem€aß dem „Nationalen Einf€uh-

rungsplans Elektromobilit€at� nur mit einer derzeit nicht absehbaren

Beschleunigung der technologischen Entwicklung oder durch eine

Mai 2012 | 129. Jahrgang © Springer-Verlag heft 3.2012 165

ORIGINALARBEITENU. Raich et al. Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilit€at

Page 5: Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilität; Macroeconomic Assessment of Electric cars;

drastische Erh€ohung des realen Treibstoffpreises erreicht werden

k€onnen.

Aus Nutzersicht ist im n€achsten Jahrzehnt nicht zu erwarten, dass

die Betriebskosten eines Elektroautos unter Einrechnung der Investi-

tionen mit dem herk€ommlichen Pkw konkurrieren k€onnen. Eine

Senkung der Betriebskosten unter das Niveau herk€ommlicher Pkw

ist nur mit einer hohen Kaufpr€amie von mindestens D 5.000,- und/

oder bei starken Treibstoffpreissteigerungen von mehr als 100% zu

erwarten.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist der Nutzen der Elektro-

mobilit€at eindeutig positiv. Der positive Nutzen ergibt sich vor allem

durch die Reduktion der Abgasemissionen und der Treibhausgase,

also infolge von Sekund€areffekten und nicht durch die Elektro-

autotechnologie an sich. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bringt

eine Reihe von anderen Maßnahmen, wie z. B. die F€orderung des

nichtmotorisierten Verkehrs, eine bessere Kosteneffizienz. Die

F€orderung der Elektromobilit€at bedeutet einen teuren Beitrag zum

Umweltschutz.

Die Berechnungen zum gesamtwirtschaftlichen Nutzen zeigen

die starke Abh€angigkeit von der Technologieentwicklung der

Elektromobilit€at und vom Treibstoffpreis. Ein rascher Durchbruch der

Elektromobilit€at im Sinne der verkehrspolitisch formulierten Ziele

ben€otigt deshalb bedeutend mehr staatliche F€orderung und/oder die

Umsetzung einer deutlichen Verteuerung der Pkw-Nutzung, wie es

durch eine CO2-Abgabe oder einer Straßenben€utzungsabgabe f€ur

Pkw mit fossilem Antrieb m€oglich, aber unwahrscheinlich ist.

Literatur

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Snizekþ Partner Verkehrsplanung. (2010): S1 Wiener Außenring Schnellstraße

Schwechat-S€ußenbrunn. Im Auftrag von Asfinag Bau Mangagement, Wien.

Autoren

Ulrike Raich

wurde 1973 in Wien geboren. Studium

Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der

Universit€at f€ur Bodenkultur Wien. 1997 bis

2009 Arbeit in einem Zivilingenieurb€uro f€ur

Bauwesen. Seit 2009 Forschungsassistentin

am Institut f€ur Verkehrswesen, Department

Raum, Landschaft und Infrastruktur an

der Universit€at f€ur Bodenkultur Wien.

Arbeitsschwerpunkte: Mobilit€atsverhaltens-

und -einstellungsforschung, Kosten-Nutzen-Analysen und€okonomische und €okologische Auswirkungen des Verkehrs.

Gerd Sammer

wurde 1944 in Graz geboren. Studium des

Bauingenieurwesens, Promotion und Habi-

litation an der Technischen Universit€at Graz.

Von 1970 bis 1995 Universit€atsassistent am

Institut f€ur Straßenbau und Verkehrswesen

an der Technischen Universit€at Graz. Seit

1987 Leiter des Zivilingenieurb€uros Sammer

& Partner Verkehrsplanung. Seit 1996 Or-

dentlicher Universit€atsprofessor und Leiter

des Instituts f€ur Verkehrswesen, Department Raum, Landschaft und

Infrastruktur an der Universit€at f€ur Bodenkultur Wien. Arbeits-

schwerpunkte: Verkehrsplanung, Verkehrsplanungsmethoden und

Verkehrsverhalten, €okonomische und €okologische Auswirkungen

des Verkehrs, Verkehrsprognosen und Maßnahmenkonzepte.

Juliane Stark

wurde 1981 in G€ustrow geboren. Studium

Landeskultur und Umweltschutz an der

Universit€at Rostock. 2004 bis 2005 wis-

senschaftliches Weiterbildungsstudium

Modul Europ€aische und Internationale Um-

weltpolitik an der Fernuniversit€at Hagen.

Von 2004 bis 2008 Forschungsassistentin,

seit 2008 Senior Scientist, 2010 Promotion

am Institut f€ur Verkehrswesen, Department

Raum, Landschaft und Infrastruktur an der Universit€at f€ur Bodenkul-

tur Wien. Arbeitsschwerpunkte: Mobilit€atsverhaltensforschung und

Kosten-Nutzen-Analysen.

166 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

ORIGINALARBEITEN U. Raich et al. Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Elektromobilit€at