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Mitteilungsblatt des' Bergischen Geschichtsvereins Abt. Remscheid - Hückeswagen - Radevormwald - Wermelskirchen GESCHICHTE & HEIMAT VH) September 2002 _ Nr. {6 / 69. Jahrgang · BitbnmanvkimtzaDik (Pferdestam « ‘M .... , - »- „_. Garten der ' Eine Monatsbeilage des rga. · Das Kloster Altenberg nach einem Stich von Johann Jakob Sartor (Köln) aus dem Jahre 1707. Entnommen aus: „Der Altenberger Dom . Geschichte und Kunstf‘ von Dr. Annette Zurstraßen, mit freundlicher Genehmigung des Schnell & Steiner Verlag, München. Als die Klöster untergingen BUCH . LVR—Forschungsprojekt zur „Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland“ _ndächtige Stille musste dem Gewerbefleiß wei- chen, neben den immer noch imposant wirken— den Säulen des einstigen Gottes- hauses stehen schlichte Fässer, statt eines Kruzifixes hängen leuchtend bunte Stoffbahnen im Gewölbe: Die ehemalige Kirche, vermutlich eines aufgehobenen Klosters oder Stifts im Rheinland, » beherbergt nun eine Färberei. so Zeigt es das Ölgemälde eines un- bekannten Künstlers um 1835, das heute im Historischen Zent— rum Wuppertal hängt. Zu sehen ist dieses Bild nun auch auf dem Titel der neuen Publikation des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) „Klosterkultur und Säkula- risation im Rheinland“. Eine passende Illustration,- denn nach der Säkularisation von 1802/03, der Aufhebung von Or- den, Klöstern und Stiften zu- nächst im linksrheinischen und dann auch im rechtsrheinischen Deutschland, ereilte so manchen Sakralbau ein weltliches, oft un- rühmliches Schicksal. Und nicht immer nahm es ein so gutes Ende wie beim Altenberger Dom oder dem ehemaligen Minoritenklos- ter in Remscheid-Lennep. Trikotagen statt Gebet 1641 hatten die aus dem Fran- ziskanerorden hervorgegangenen Minoriten der Kölner Ordenspro- vinz von Herzog Wolfgang Wil— - helm die Genehmigung erhalten," sich in Lennep niederzulassen- Ein Jahr später kamen die ersten Patres. Zwischen 1677 und 1681 wurde das neue Minoritefikloster gebaut. 1696 wurde die Kloster- kirche vollendet und vier Jahre später durch den Abt des Klosters Altenberg geweiht. Doch auch in Lennep endete das Wirken der Minoriten, nach- dem der damalige Landesherr, Kurfürst und Herzog Maximilian Joseph von Bayern, mit Verfü— gung vom 12. September 1803 alle Klöster im Herzogtum Berg aufhob. 1810 erwarb der Kauf— mann Johann Daniel Fuhrmann vom Staat ehemaligen Klosterbe— ' sitz: Okonomiegebäude, Klosterj haus, Friedhof, Schulhaus und ein Drittel des Klostergartens. Bis 1868 blieb die Klosterkirche noch Pfarrkirche, 1887 kaufte dann der Fabrikant Carl Müh- ljnghaus die ehemalige Kirche, das Klostergebäude und den Hof- raum und baute das einstige Got— teshaus zu einer Trikotagenfabrik aus. Bis 1975 wui'de dort produ- ziert, danach drohte der Abriss. Dank des großen Engagements von Bürgern, die sich zu dem Ver- ein Klosterkirche zusammen- schlossen, konnte die frühere Mi— noritenkirche jedoch gerettet wer- den: Im September 1987 wurde das Kultur- und Bürgerzentrum Klosterkirche eröffnet. Nicht weniger wechselvoll ver- lief der Weg des Altenberger Doms: Bis 1803 gehörte die \Kir- che zu dem gleichnamigen Klos- ter, das Zisterzienser 1133 ge— gründet hatten. Nach 1803 schien die von der heimischen Bevölke- rung liebevoll „Bergischer Dom" genannte Kirche von ihren wech- selnden Besitzern zunächst dem Verfall preisgegeben, bis sich die preußische Königsfamilie Mitte. der 1830er Jahre ihrer annahm.

GESCHICHTE&HEIMAT · Mitteilungsblattdes'BergischenGeschichtsvereins—Abt.Remscheid- Hückeswagen- Radevormwald- Wermelskirchen GESCHICHTE&HEIMAT VH) September2002_Nr. {6/ 69

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Mitteilungsblatt des' Bergischen Geschichtsvereins — Abt. Remscheid - Hückeswagen - Radevormwald - Wermelskirchen

GESCHICHTE & HEIMATVH)

September 2002 _ Nr. {6 / 69. Jahrgang · BitbnmanvkimtzaDik

(Pferdestam «

‘M...., - »-„_. Garten der '

Eine Monatsbeilage des rga. ·

Das Kloster Altenberg nach einem Stich von Johann Jakob Sartor (Köln) aus dem Jahre 1707. Entnommen aus: „Der Altenberger Dom — .Geschichte und Kunstf‘ von Dr. Annette Zurstraßen, mit freundlicher Genehmigung des Schnell & Steiner Verlag, München.

Als die Klöster untergingenBUCH . LVR—Forschungsprojekt zur „Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland“

_ndächtige Stille musstedem Gewerbefleiß wei-chen, neben den immernoch imposant wirken—

den Säulen des einstigen Gottes-hauses stehen schlichte Fässer,statt eines Kruzifixes hängenleuchtend bunte Stoffbahnen imGewölbe: Die ehemalige Kirche,vermutlich eines aufgehobenenKlosters oder Stifts im Rheinland,

» beherbergt nun eine Färberei. soZeigt es das Ölgemälde eines un-bekannten Künstlers um 1835,das heute im Historischen Zent—rum Wuppertal hängt. Zu sehenist dieses Bild nun auch auf demTitel der neuen Publikation desLandschaftsverbandes Rheinland(LVR) „Klosterkultur und Säkula-risation im Rheinland“.

Eine passende Illustration,-denn nach der Säkularisation von

1802/03, der Aufhebung von Or-den, Klöstern und Stiften zu-nächst im linksrheinischen unddann auch im rechtsrheinischenDeutschland, ereilte so manchenSakralbau ein weltliches, oft un-rühmliches Schicksal. Und nichtimmer nahm es ein so gutes Endewie beim Altenberger Dom oderdem ehemaligen Minoritenklos-

ter in Remscheid-Lennep.

Trikotagen

statt Gebet

1641 hatten die aus dem Fran-ziskanerorden hervorgegangenenMinoriten der Kölner Ordenspro-vinz von Herzog Wolfgang Wil—

- helm die Genehmigung erhalten,"sich in Lennep niederzulassen-Ein Jahr später kamen die erstenPatres. Zwischen 1677 und 1681

wurde das neue Minoritefiklostergebaut. 1696 wurde die Kloster-kirche vollendet und vier Jahrespäter durch den Abt des KlostersAltenberg geweiht.

Doch auch in Lennep endetedas Wirken der Minoriten, nach-dem der damalige Landesherr,Kurfürst und Herzog MaximilianJoseph von Bayern, mit Verfü—gung vom 12. September 1803alle Klöster im Herzogtum Bergaufhob. 1810 erwarb der Kauf—mann Johann Daniel Fuhrmannvom Staat ehemaligen Klosterbe— 'sitz: Okonomiegebäude, Klosterjhaus, Friedhof, Schulhaus und einDrittel des Klostergartens.

Bis 1868 blieb die Klosterkirchenoch Pfarrkirche, 1887 kauftedann der Fabrikant Carl Müh-ljnghaus die ehemalige Kirche,das Klostergebäude und den Hof-raum und baute das einstige Got—

teshaus zu einer Trikotagenfabrikaus. Bis 1975 wui'de dort produ-ziert, danach drohte der Abriss.Dank des großen Engagementsvon Bürgern, die sich zu dem Ver-ein Klosterkirche zusammen-schlossen, konnte die frühere Mi—noritenkirche jedoch gerettet wer-den: Im September 1987 wurdedas Kultur- und BürgerzentrumKlosterkirche eröffnet.

Nicht weniger wechselvoll ver-lief der Weg des AltenbergerDoms: Bis 1803 gehörte die \Kir-che zu dem gleichnamigen Klos-ter, das Zisterzienser 1133 ge—gründet hatten. Nach 1803 schiendie von der heimischen Bevölke-rung liebevoll „Bergischer Dom"genannte Kirche von ihren wech-selnden Besitzern zunächst demVerfall preisgegeben, bis sich diepreußische Königsfamilie Mitte.der 1830erJahre ihrer annahm.

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Das weitere Schicksal des Alten-berger Doms von der Säkularisa-tion bis hin zur simultanen Nut-zung beschreibt Annette Zurstra-.ßen in dem oben genannten wis-senschaftlichenSammelband, derjetzt zu einem Forschungsprojektdes LVR zur Säkularisation vor200 Jahren erschienen ist.

Wissenschaftler aus Universi-täten, Archiven und anderen For-schungseinrichtungen beleuchtenin insgesamt 25 neuen Beiträgenauf breiter inhaltlicher und me-.thodischer‘ Basis die zahlreichenreligiösen, sozialen, politischen,wirtschaftlichen und kunsthisto—rischen Aspekte der außerge-

« wöhnlich reichhaltigen rheini-schen Kloster- und Sfiftsland-schaft im 18. Jahrhundert und ge-hen den Folgen des epochalenUmbruchs im Zuge der Säkulari-sation von 1802/03 nach. Dennmit der Aufhebung fast aller Klös-ter und Stifte ging diese Land-schaft, die sich im Laufe vielerJahrhunderte entwickel; hatte,mit einem Schlag unter.

suche nach

den Wurzeln

»Es gibt kulturgeschichtlichebeziehungsweise kulturpolitischeThemen, die erst dann ihren vol-len Reiz gewinnen, wenn mansie in einem größeren Zusam—menhang betrachtet", so Dr. GertSchönfeld. „Die Menschen wollenwieder zunehmend wissen, wo-her sie kommen, mehr über ihrkulturelles Fundament erfahren",erläutert der Kulturdezement desLVR das Engagement des Land-'schaftsverbandes. Und dieseWurzeln des Rheinlandes liegenauch in der Vielfalt der Klöster.

Das methodisch Innovativeund inhaltlich Neue an der Publi-kation sei die Neuausrichtungund Erweiterung der For-schungsperspektive, beschreibtder Historiker Wolfgang Rosen,

wissenschaftlicher Mitarbeiterdes LVR und einer der Herausge-ber des Buches, das Konzept. DieKlöster und Stifte werden erst-mals nicht nur aus der Sicht ihrerAuflösung betrachtet, sondern ih-re Lage und Entwicklung im ge—samten 18. Jahrhundert wird un-voreingenommen analysiert.

Evangelische Kirchemit im Blick ’

Dieser Perspektivwechsel ma-che deutlich, über welche erheb-lichen geistlichen, kulturellen undpersonellen Potenziale die geistli-chen Institute auch vor der Säku-larisation noch verfügten. Rosen:„Es gab keinen zwangsläufigenVerfall in diese Richtung.« GroßenRaum finden Aspekte der wirt-schaftlichen Entwicklung: „Vielen?Klöstern ging es noch sehr gut.”

Wie ging es für die Betroffenennach der Säkularisation weiter?Wer profitierte von ihr? Regte sich- speziell in der bergischen Be—völkerung — Widerstand? Diesenund vielen anderen Fragen gehendie Forschungsbeiträge nach.Auch die evangelische Kirche, dievon den Ereignissen ebenfallsnicht ganz unberührt blieb, wirdmit in den Blick genommen. Derumfangreiche Sammelband istdabei in vier Abschnitte geglie-dert: Kloster und Stiftskultur imRheinland, Frömmigkeit und Kir-che, wirtschaftliche und sozialeAspekte sowie Kunst und Litera-tur. Nicht weniger spannend alsdie beiden kunsthistorischen Bei-träge zur Umwidmung sakralerKunstgegenstände ist der litera-turhistorische Aspekt, der dar-stellt, wie die Säkularisation alsErzählmotiv von den großenSchnftstellem des 19. Jahrhun-derts - Eichendorff, Kleist, Goetheund Heine — übernommen wurde.

Das Werk bietet darüber hin-aus erstmals einen quantitativentabellerischen Überblick zu allenKlöstern und stiften im Gebiet

Georg MöiichJoachim ()rpcnWolfgang Rosen (! lg.)

Wim «- )WNEMATH-

Klosterkultur und

Säkularisation

im Rheinland

Zu einem

LVR-For—

schungspro—jekt ist jetztdieser um-

fangreicheSammelband

„Klosterkul-

tur und Sä-kularisation“erschienen.

Der ursprüngliche Zustand der Klosterkirche in Remscheid—Lennep,die von den Minoriten einsching in Anklängen an die spätgotikerrichtet worden war, wurde weitgehend hergestellt. Auch einen-—Dachreiter erhielt sie wieder.

des alten Erzbistums Köln mitden jeweiligen Gründungs- undAufhebungsdaten. Zwei farbigeKarten mit den Kölner Stiften,Klöstem und Pfarreien ermögli-chen eine Gegenüberstellung derKölner Kirchenlandschaft vor undnach der Säkularisation. Außer-dem liegt dem Buch eine CD beimit allen Daten des großen Edi-tionsprojektes über die Säkulari-sation und die Mediatisierung inden vier linksrheinischen Depar—tements von 1803 bis 1813.

DATEN UNDFAKTEStationen auf dem Weg zur Aufhebung der Klöster und Stifte

14. Juli 1789Französischen Revolution

1794

französische Truppen

9. Februar 1801

Staates

15. Juli 1801und der katholischen Kirche

9. Juni 1802Aufhebung der Klöster und Stifteim Rheinland

1803

25. Februar 1803 Reichsdeputarionshauptschluss

1814/15 «

Archivfoto: Karlheinz Jardner

Noch einmal zurück zum Ti—telbild des Buches: Die Heraus-geber hoffen nun darauf, dass ih-nen der eine oder andere Lokal-historiker bei der Suche nach dembisher rheinischen Künstler wei-terhelfen kann. Andrea Kargus

» Georg Mönch-Joachim Oe-pen/Wolfgang Rosen (Hrsg).:„Klosterkultur und Säkularisa-tion im Rheinland”, Klartext-Verlag, Essen 2002, 440 Seiten,Abbildungen, Karten, CD—ROM, 38 Euro

„Sturm auf die Bastille": Beginn der

Einnahme des LinkSrheinischen durch

Friede von Lunéville: Die 4 rheinischenDepartements werden Teil des französischen

Konkordat zwischen dem französischen Staat

Beschluss der französischen Konsuln:

Beginn der Nationalgüterverkäufe (bis 1813)

Räumung des Rheinlandes durch dieFranzosen, Besitzergreifung durch Preußen

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„Geist der itzigen höllischen Zeiten« -EINSCHNI'IT ' Rheinische Kloster- _und Stiftsiandschaft ging mit einem schlag verloren

m Jahre 1802 erfolgte dieAufhebung nahezu sämtli-cher Klöster und stifte imlinksrheinischen Gebiet.

Vorangegangen war ein Be-schluss der französischen Kon-suln, an der spitze Napoleon Bo-naparte, der das Ende dieser geist—lichen Institutionen sowie die Na-tionalisierung (Verstaatlichung)ihres Besitzes vorsah. Davon wa-ren die so genannten vier rheini-schen Departements Roer (Rur),Rhein-Mosel, Saar und Donners-berg betroffen. Sie erstrecktensich links des Rheins ungefährvon der heutigen niederländi-schen Grenze im Norden rund350 Kilometer bis zur französi-schen Grenze im Süden.

. Frieden von

Lunéville

Doch wie konnte es zu einersolchen» radikalen Anordnungkommen? Der Eroberung des lin-ken Rheinufers durch französi-sche Truppen 1794 folgten immerneue Verordnungen, Gesetze undVemaltungsorganisationen, dievor allem seit 1798 auf die Integ-ration in den französischen staatabzielten. Wie für den Adel wur-den insbesondere für die Geist-lichkeit jahrhundertealte Rechteund Privilegien immer weiter ein-geschränkt und beschnitten.

Die letzten Hindernisse räum-ten 1801 zwei große Vertrags-werke aus dem Wege. Mit demFrieden .von Lunéville gehörtendie vier, nach französischemMuster eingerichteten rheini-schen Departements auch Völker-und staatsrechtlich endgültig zuFrankreich; in dem von Papst Pi—

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us VII. und Napoleon abge—schlossenen Konkordat sanktio-nierte der Papst die in Frankreichbereits erfolgte säkularisation(Enteignung geistlichen Besitzesdurch den staat) nachträglich undsicherte stillhalten zu für künfti eNationalisierungen von geis ·-chen Gütern in den neuen fran-zösischen Gebieten.

Die eigentliche Aufhebung derKlöster und Stifte erfolgte im wei—teren Verlauf des Jahres 1802. Obbeispielsweise beim Kölner Dom-stift, dem Bonner Münsterstift,der Benedilctinerabtei Maria

Säkularisation eine wechselvolle Geschichte erlebt

Blick in die Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Köln.

Hauptbahnhofs waren nach dem

Laach oder dem Benediktinerin-nenkloster St. Irminen in Trier:Die eigens ernannten Kommissa-re gingen sehr rasch, effektiv undgründlich vor. Innerhalb wenigerTage wurden Besitz und Personalder jeweiligen Einrichtung erfasstsowie sämtliche Räume, Türenund Schränke versiegelt. Un-schwer lässt sich ausmalen, dassdie Kloster— oder Stiftsangehöri-gen dieses Vorgehen als höchstunangenehm empfanden. DieNonnen im Kölner Maximinen-kloster unweit des heutigen

Der „Bergische Dom“ in Altenberg, der bis 1803 zur gleichnamigen Abtei gehörte, hat nach der

Archivfoto: Herbert Draheim

Foto: Ludger Ströter / LVR

Bericht des Mülheimer Hoflcam-merrates Bertoldi ,,höchst nieder-geschlagen. Gott, welch harte Zei-ten und welch unglücklichesSchicksal für so viele Menschen,die theils wegen Unvermögenssich nicht mehr helfen können".

Kirchliche Kunst

als Trödeigut

Die Konventsrnitglieder der sä-kularisierten Einrichtungenmussten binnen kurzer Frist dieHäuser verlassen. Die als Aus-gleich gezahlten Pensionen warenoft unzureichend, zumal die au-ßerhalb von Frankreich, also imRechtsrheinischen gebotenenKloster- und Stiftsmitglieder na-hezu leer ausgingen.

Am Ende waren etwa in denlinksrheinischen früheren Erzbis-tümem Trier und Köln mehr als160 bzw. 200 geistliche Institutio—nen aufgehoben worden, davonfast 70 in der Stadt Köln. Nurwenige Klöster, die sich der Kran-kenpflege oder dem Schulunter-richt widmeten, blieben bestehen.Damit war im Rheinland mit ei-nem Schlag eine außergewöhn-lich reichhaltige Kloster— undstiftslandschaft untergegangen,die sich im Laufe eines Jahrtau-sends konstituiert hatte.

Doch die Folgen griffen nochtiefer: Kirchliche Kunst- und Kul-turgüter standen plötzlich als Trö-delgüter zur Disposition und ge-langten keineswegs alle in dieHände der staatlichen Authe-bungskommissare. Vielmehrwurde der Grundstock zu man-cher privaten Kunstsammlung ge-legt, wie etwa die der Brüder Bois-serée, welche später in die AltePinakothek in München gelangte.

„Dr

'

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Immerhin blieben manche derprächtigen Kloster- und Stiftskir—chen erhalten, indem die Pfarrge-meinden diese übernehmen undihre kleineren, bisweilen unan-sehnlichen Pfarrkirchen aufgebenkonnten. Mit dem Fortfall der oftumfangreichen Klosteranlagenänderte sich gleichwohl manchesrheinische Stadtbild. Schließlichbot der französische Staat insge-samt 17000 der ehemals geistli-chen Güter zum Kauf an, wo-durch das Rheinland eine gewal-tige Besitz- und Vermögensum-schichtung erlebte. Zudem wur-den die wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen strukturen des 19.und gar des 20. Jahrhunderts ent-scheidend beeinflusst.

Was passierte irnRechtsrheinischen?

Die Säkularisation blieb jedochkeineswegs auf linksrheinischeGebiete beschränkt: Am 25. Feb-ruar 1803 wurde der Reichsde-putationshauptschluss verab-schiedet, der auch im rechtsrhei-nischen Deutschland die Aufric-bung von Klöstem und stiftenermöglichte. Nicht zuletzt solltedadurch solchen Territorialher-ren, die in Folge der französischenEroberung linksrheinischer Ge-biete Verluste erlitten hatten, Ent-schädigungen zukommen. Nochvor der Ratifizierung des Reichs-deputationshauptschlusses durchKaiser Franz II. wurde die Säku-larisation vielerorts in Gang ge—setzt. Andererseits verlief imrechtsrheinischen Deutschlanddie Aufhebung von Klöstem undstiften in verschiedenen Phasenoder verzögerte sich bisweilen umJahre und Jahrzehnte.

In der historischen Forschunghat sich für die Aufliebung vonKlöstern und stiften der Begriff„Vermögenssäkularisation“

· durchgesetzt. Davon zu unter-scheiden ist die ebenfalls durchden Reichsdeputationshaupt-schluss bewirkte „Herrschaftssä-kularisation": die Auflösung dergeistlichen staaten in Deutsch-land, welche die Landkarte biszum Beginn des 19. Jahrhundertswie ein Netz überzogen.

Eine vorurteilsfreie Beurteilungdes vielschichtigen Prozesses derSäkularisation ist schwierig undwar in der Vergangenheit oft ge-nug von antifranzösischen Res-sentiments geprägt. Tatsächlichist aber im Laufe der GeschichteKirchengut immer wieder ver-staatlicht worden. So hatte noch1782 der katholische Kaiser Jo-seph II. in den österreichischenErblanden aus dem Geist der Auf-klärung heraus die Enteignungvon 700 Klöstem verfügt. Bereits1773 war ferner von Papst Kle-mens XIV. die Aufhebung des Je-suitenordens gestattet worden.

Die Maßnahmen des Jahres1802 wird man zwar als antiklös-terlich, jedoch nicht als antikirch-lich bewerten können. Der fran-zösische staat wollte mit der Na-tionalisierung kirchlicher Güterin erster Linie seine Finanzen sa-nieren und konnte tatsächlich beiden Verkäufen im Rheinland 66Millionen Francs erwirtschaften

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Das romanische'Haus als Bestandteil des Gebäudeensembles rund

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‚esum St. Suitbert in Kaiserswerth. Es wurde in der Mitte des 13.

Jahrhunderts als Haus eines Stiftsherrn erbaut. Foto: Ströter / LVR

(zum Vergleich: Der Lohn einesTagelöhners betrug seinerzeit einFrancs täglich). Widerstand derZeitgenossen gegen die Aufhe-bung der geistlichen Institutionenwird kaum vermeldet, wohl Trau-er oder Lethargie. Auch Skrupel,etwa beim Ankauf der ehemali-gen Kirchengüter, sind nicht be-kannt —- ehemalige Mönche oderKanoniker traten sogar als pro-fessionelle Vermittler von Natio-nalgütern auf.

Kirche nutzte Umbruch

zu einer Regeneration

In den letzten Jahrzehnten hatdie historische Forschung gefragt,welche Veränderungen die säku—larisation für Religiosität undFrömmigkeit, in Wirtschaft undGesellschaft,Handeln der Menschen bewirkthat, welche Modemisierungspro-zesse sie in Gang gesetzt hat. sol-che Wirkungen sind paradoxer—weise auch für die Kirche fest-stellbar, wenn man etwa an ihrestärkere Verbürgerlichung nachdem Ende der Adelskirche denkt.

Die katholische Kirche konnteden mit der Säkularisation ver-bundenen Umbruch zu einer Re—generation nutzen, deren Stärkekaum einer vorhersah. In man-cherlei Hinsicht sind gar die Wur-zeln des im 19. Jahrhunderts sichforrnierenden so genannten ,,ka-tholischen Milieus« und des poli-

im Denken und·

tischen Katholizismus in dieserZeit zu suchen. Damit ist auchfür das katholische Deutschland,für das die Säkularisation einmarkanter Einschnitt war, nichtnur eine Negativbilanz zu ziehen.Uber die Herrschaftssäkularisaktion formulierte der frühere Köl-ner Erzbischof Joseph KardinalHöffner sogar einmal pointiert:„Aus der heutigen Sicht war eskein Unglück, dass (. . .) dern Köl-ner Erzbischof das Schwert ausder Hand genommen wurde unddieser sich fortan mit demKrummstab begnügen musste."

Eine abschließende Gesamt-schau steht noch aus, doch istunstrittig, dass die Ereignisse desJahres 1802 für das Rheinlandeinen epochalen Einschnitt be-deuten. Deutlich wird dies auchim Bericht vom September 1802über einen Besuch Bertoldis imKölner Karmel (heute st. Mariavom Frieden): „Dort waren noch13 Normen und drei Leyen-schwestem. Unsäglich rein undandachtstimmend war alles, waswir sahen und dahero für jedenKrist um so empfindlicher, dassder Geist der itzigen höllischenZeiten diese frommen seelen aus-einander treibt. Die Nonnen sol-len am 13. dieses ausziehen."

Joachim Oepen, Historiker beimHistorischen Archiv des Erzbis-tums Köln und Mitherausgeberdes Buches „Klosterkultur undSäkularisation"

PROGRAMMDES BGV

RemscheidSamstag, 19. Oktober: DerVortrag von Professor Van-ja, Direktor des MuseumsEuropäischer Kulturen, derfür 15 Uhr in der Rem-scheider Stadtbibliothekeingeplant war, fällt aus.Die Veranstaltung wird aufeinen noch unbestimmtenTermin verschoben.Infos zum laufenden Pro-gramm bei Claudia Holt—schneider, F 0 21 91/5 91 22 43 oder Jürgen Brü—ninghaus, @ 02191 I.-38 60 51.

WermelskirchenSamstag, 5. Oktober: Mon-tanhistorische Wanderungzur Grube Danielszug beiWipperfürth-Kupferberg —auf den Spuren des bergi—schen Kupferbergbaus.Treffpunkte sind um 13.30Uhr am Loches-Platz (Fahr—gemeinschaften möglich)und um 14 Uhr am Parkplatzgegenüber der Bushaltestel—le in Kupferberg. Führung:Reinhard Baade, Dauer: et-wa zwei Stunden. Infos beiW. Saure unter @ 0 21 96/47 31.

Montag, 14. Oktober: Vor--trag: „Mit dem Musterbuchunterwegs zu Kunden —Handelsreisen in vorigenJahrhunderten. Referent:Dr. Hans-Ulrich Haedecker,Museumsdirektor aus So—lingen. Der Vortrag findetum 19.30 Uhr im Hotel zurEich, Wermelskirchen, statt.

Samstag, 19. Oktober-stam-« führung in Wermelskirchen,Treffpunkt um 15 Uhr vorder Stadtkirche. Leitung:Hans-Wemer Bisterfeld.Führungsgeld: 1,50 Euro.Informationen zum laufen-den Prograrnm bei Wolf—gang Motte, @ 02195/70 40.

RadevormwaldFreitag, 11. Oktober:Vortrag „Schlösser im Ber-gischen Land“ um 19.30Uhr im Haus Burgstraße 8von Hans Euler.Informationen zum laufen-den Programm bei Wolf—gang Motte, @ 0 21 95/70 40.

HuckeswagenFreitag, 18. Oktober: Vor-trag im Heimatmuseum. Nä-here Infos zum Thema beiKarl Reiner Illgen, »@02192/73 81.

Die nächste Beilage „Geschichte& Heimat“ erscheint am Sams-tag, dem 26. Oktober 2002.

Druck und Verlag: ‚| . F. Ziegler KG. RemscheidVerantwortlich: Dr. Anne-Kathrin Reif