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Unternehmen schaffen es immer seltener für ihre Kunden und Mitarbeiter glaubwürdig zu sein und sie zu begeistern. So engagieren sich nur 13% der Arbeitskräfte weltweit für ihr Unternehmen, fast doppelt so viele wollen ihm sogar schaden. Es fällt den Unternehmen immer schwerer auf zunehmende Dynamik und Unsicherheit adäquat zu reagieren, wie schwerwiegende Fehleinschätzungen und Insolvenzen zeigen. In einem derartigen Umfeld braucht das Unternehmen jedes Ohr am Kunden, den Technologien, der Gesellschaft, etc. Die gesamte kollektive Intelligenz ist gefordert, so intelligent die einzelnen Führungskräfte auch sein mögen. Diese Erkenntnisse sind keineswegs neu. „Thank god its Monday!“Es gibt mittlerweile jedoch auch praktische Beispiele, wie klare Struktur und Dynamik kein Widerspruch mehr sein müssen: Im Softwarebereich ist agile Entwicklung etabliert und Selbstorganisation funktioniert auch in anderen Unternehmen reibungslos innerhalb herkömmlicher hierarchischer Strukturen. Unternehmen wie die Commerzbank haben erkannt, dass sie selbst zu starr sind und gründen deshalb Inkubatoren bzw. Acceleratoren, stehen dann aber vor der Herausforderung, die von dort stammende Innovation in die alte Organisation einzuführen. Einige Organisationen in Europa und Nordamerika wie Gore, FAVI, Morning Star und das 1963 gegründete Wiener Technikunternehmen Tele-Haase wenden seit Jahren erfolgreich hierarchiefreie Konzepte der Selbstorganisation an. Bei Gore sind alle Mitarbeiter aufgerufen ihren „sweet spot“ zu finden. Das ist jener Ort, wo sich ihre Fähigkeiten, Passion und die Geschäftsanforderungen treffen. Die Mitarbeiter bei Tele-Haase organisieren sich selbstständig in den Kernprozessen Sales, Produktion und Vertrieb. Geschäftsführer und Eigentümer sind im Supportprozess Regie aktiv. Ihr Vetorecht gegen die Entscheidungen der Mitarbeiter haben sie noch nie genutzt. Starre, auf Visitenkarten festgeschriebene Hierarchie und Statusdenken werden ersetzt durch gesunden Hausverstand, Kollaboration und kompetenzbasierte Führung. Vorteile sind ein wesentlich stärkeres Commitment und Engagement der Mitarbeiter, mehr Kundennähe, weniger „Jammerei“ und ein höherer Innovationsgrad. Ein zentraler Nachteil, dass man dafür Menschen braucht, die bereit sind zur Selbstständigkeit. Warum ändert sich trotzdem kaum etwas an den dominanten Grundannahmen über Organisation und daran wie Unternehmen gesteuert werden? Warum wird nicht zumindest in jenen Teilbereichen, wo Flexibilität und Innovation essentiell sind, das traditionelle Pyramidendenken ersetzt durch dynamische Strukturen der Selbstorganisation? Hypothese 1: Diese Konzepte widersprechen fundamental den Grundannahmen dessen, was wir schon seit der Schule über Zusammenarbeit gelernt haben: „Tu das, was Dir angeordnet wird, um durchzukommen.“ Das es auch ganz anders geht, ist fast unvorstellbar. Deshalb werden ad-hoc-Vorurteile zur schnellen Aburteilung dieser neuen Ansätze der Selbstorganisation herangezogen: „Chaos“, „ewiges Diskutieren“, „Basis-Demokratie“, „führungslos“, „für Profit-Unternehmen ungeeignet“, „es gibt eine Hierarchie, aber eine geheime“, … Hypothese 2: Mitarbeitern wird nicht zugetraut folgenschwere Entscheidungen zu treffen. Doch im Privatleben sind sie dazu beispielsweise bei ehrenamtlicher Tätigkeit oder dem Hausbau in der Lage. Viele von ihnen wären bereit, auch in der Arbeit volle Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen statt sich über Managemententscheidungen zu beklagen. Hypothese 3: Führungskräfte befürchten, ihre hart erkämpfte Position zu verlieren. Sie haben noch kein Bild davon, welche Identität auf sie nach der Hierarchie warten könnte. Bei dem französischen Unternehmen FAVI ist der frühere Geschäftsführer heute gemeinsam mit anderen ehemaligen Führungskräften in der Expertenposition für Produktionsmitarbeiter tätig. So können sie ihr Know-how produktiv einsetzen. Bei Entscheidungen dürfen und sollen sich jedoch alle beteiligen. Die ehemaligen Untergebenen fühlen
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Eine Vorversion ist erschienen als: Starre Status-Strukturen sind ein Anachronismus, ManagementStandard, 26. Sept. 2015, S. M6, http://www.pressreader.com/austria/der-standard/20150926/282759175473936/TextView
Gesunder Menschenverstand statt Statusdenken
Richard Pircher (richard-pircher.net)
Unternehmen schaffen es immer seltener fr ihre Kunden und Mitarbeiter glaubwrdig zu sein und
sie zu begeistern. So engagieren sich nur 13% der Arbeitskrfte weltweit fr ihr Unternehmen, fast
doppelt so viele wollen ihm sogar schaden. Es fllt den Unternehmen immer schwerer auf
zunehmende Dynamik und Unsicherheit adquat zu reagieren, wie schwerwiegende
Fehleinschtzungen und Insolvenzen zeigen. In einem derartigen Umfeld braucht das Unternehmen
jedes Ohr am Kunden, den Technologien, der Gesellschaft, etc. Die gesamte kollektive Intelligenz ist
gefordert, so intelligent die einzelnen Fhrungskrfte auch sein mgen. Diese Erkenntnisse sind
keineswegs neu.
Thank god its Monday!
Es gibt mittlerweile jedoch auch praktische Beispiele, wie klare Struktur und Dynamik kein
Widerspruch mehr sein mssen: Im Softwarebereich ist agile Entwicklung etabliert und
Selbstorganisation funktioniert auch in anderen Unternehmen reibungslos innerhalb herkmmlicher
hierarchischer Strukturen. Unternehmen wie die Commerzbank haben erkannt, dass sie selbst zu
starr sind und grnden deshalb Inkubatoren bzw. Acceleratoren, stehen dann aber vor der
Herausforderung, die von dort stammende Innovation in die alte Organisation einzufhren. Einige
Organisationen in Europa und Nordamerika wie Gore, FAVI, Morning Star und das 1963 gegrndete
Wiener Technikunternehmen Tele-Haase wenden seit Jahren erfolgreich hierarchiefreie Konzepte
der Selbstorganisation an. Bei Gore sind alle Mitarbeiter aufgerufen ihren sweet spot zu finden.
Das ist jener Ort, wo sich ihre Fhigkeiten, Passion und die Geschftsanforderungen treffen. Die
Mitarbeiter bei Tele-Haase organisieren sich selbststndig in den Kernprozessen Sales, Produktion
und Vertrieb. Geschftsfhrer und Eigentmer sind im Supportprozess Regie aktiv. Ihr Vetorecht
gegen die Entscheidungen der Mitarbeiter haben sie noch nie genutzt. Starre, auf Visitenkarten
festgeschriebene Hierarchie und Statusdenken werden ersetzt durch gesunden Hausverstand,
Kollaboration und kompetenzbasierte Fhrung. Vorteile sind ein wesentlich strkeres Commitment
und Engagement der Mitarbeiter, mehr Kundennhe, weniger Jammerei und ein hherer
Innovationsgrad. Ein zentraler Nachteil, dass man dafr Menschen braucht, die bereit sind zur
Selbststndigkeit.
Warum ndert sich trotzdem kaum etwas an den dominanten Grundannahmen ber Organisation
und daran wie Unternehmen gesteuert werden? Warum wird nicht zumindest in jenen Teilbereichen,
wo Flexibilitt und Innovation essentiell sind, das traditionelle Pyramidendenken ersetzt durch
dynamische Strukturen der Selbstorganisation?
Hypothese 1: Diese Konzepte widersprechen fundamental den Grundannahmen dessen, was wir
schon seit der Schule ber Zusammenarbeit gelernt haben: Tu das, was Dir angeordnet wird, um
durchzukommen. Das es auch ganz anders geht, ist fast unvorstellbar. Deshalb werden ad-hoc-
Vorurteile zur schnellen Aburteilung dieser neuen Anstze der Selbstorganisation herangezogen:
Chaos, ewiges Diskutieren, Basis-Demokratie, fhrungslos, fr Profit-Unternehmen
ungeeignet, es gibt eine Hierarchie, aber eine geheime,
Hypothese 2: Mitarbeitern wird nicht zugetraut folgenschwere Entscheidungen zu treffen. Doch im
Privatleben sind sie dazu beispielsweise bei ehrenamtlicher Ttigkeit oder dem Hausbau in der Lage.
Eine Vorversion ist erschienen als: Starre Status-Strukturen sind ein Anachronismus, ManagementStandard, 26. Sept. 2015, S. M6, http://www.pressreader.com/austria/der-standard/20150926/282759175473936/TextView
Viele von ihnen wren bereit, auch in der Arbeit volle Verantwortung fr ihr Tun zu bernehmen
statt sich ber Managemententscheidungen zu beklagen.
Hypothese 3: Fhrungskrfte befrchten, ihre hart erkmpfte Position zu verlieren. Sie haben noch
kein Bild davon, welche Identitt auf sie nach der Hierarchie warten knnte. Bei dem franzsischen
Unternehmen FAVI ist der frhere Geschftsfhrer heute gemeinsam mit anderen ehemaligen
Fhrungskrften in der Expertenposition fr Produktionsmitarbeiter ttig. So knnen sie ihr Know-
how produktiv einsetzen. Bei Entscheidungen drfen und sollen sich jedoch alle beteiligen. Die
ehemaligen Untergebenen fhlen sich wertgeschtzt, weil sie kollaborativ die besten Lsungen fr
die gemeinsame Zielsetzung entwickeln knnen anstatt das Opfer von Chefentscheidungen zu sein.
Das Unternehmen konnte sich nach der Umstellung aus einer Schrumpfungsphase befreien,
expandiert und behauptet sich nun mit hheren Preisen qualitativ gegen minderwertige Konkurrenz
aus Asien.
Im driven by my mission, not by a manager (Mitarbeiter bei Morning Star)
Resmee:
In der hochgradig vernetzten und dynamischen Wirtschaft eines Hochlohnlandes sind starre, an
Status ausgerichtete Strukturen ein nicht mehr vertretbarer Anachronismus. Er produziert zu viel
verschwendetes Know-how, permanenten Change-Druck, freudlose Gefolgschaft bei Zuckerbrot und
Peitsche und berforderung der Vorgesetzten. Eine Restrukturierung jagt die andere. Die
Unternehmen werden zunehmend zwischen dynamischem Umfeld und interner Starrheit zerrissen.
Wirkliche Abhilfe wird nicht durch Symptombehandlung geschaffen, sondern nur durch ein
Hinterfragen der eigenen Grundannahmen. Die Konzepte der Selbstorganisation lassen sich risikolos
erleben und ausprobieren, wie es sich evolutionatwork.org zum Ziel gesetzt hat. Dadurch knnen
Unternehmen die Vor- und Nachteilen fr die eigene Organisation identifizieren. Durch die Erfahrung
kompetenzbasierter Fhrung und sinnstiftender Wirkung in der Welt kommen wieder gesunder
Hausverstand, Motivation und Begeisterung in das Unternehmen.
Richard Pircher ist FH-Professor und Studiengangsleiter an der Fachhochschule des bfi Wien und baut
aktuell ein Theorie-Praxis-Transferzentrum Responsive Organization fr Unternehmen auf.
Kontakt: [email protected]
Am 12.11.15 wird das Future LAB fr Fhrungskrfte Forget Pyramids Start Next Organizing als gemeinsame Veranstaltung von Hernstein, dwarfs and giants, evolution at work, Beratergruppe Neuwaldegg stattfinden
Kontakt:
Prof. (FH) Dr. Richard Pircher, Mobile: ++43/(0)699-100 294 85, ++43/(0)650 720 12 03
[email protected] richard-pircher.net at.linkedin.com/in/richardpircher
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