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GEWALTIGES POTENZIAL Frequenzumrichter: Energiesparen mit System Nicht zuletzt die aktuelle Entwicklung der Energiepreise bringt das Thema der Energieeinsparung bei vielen Unternehmen auf die Tagesordnung, zumal die Strompreise aller Voraussicht nach weiter steigen werden. Großes Potenzial liegt im Bereich der elektrischen Antriebstechnik. Hier gilt es, das Gesamtsystem zu betrachten. Autor Dr.-Ing. Meinhard Schumacher , Product Management Geared Motors and AC Drives, SEW-Eurodrive I n den letzten Jahren haben sich die Energiepreise für elektrischen Strom nahezu verdoppelt – der Gesamtver- brauch ist gleichzeitig angestiegen. Erste Anzeichen, dass dennoch der spezifische Verbrauch gesunken sein könnte, lässt sich aus Aussagen des VDEW (Verband der Elektrizitätswirtschaft) ableiten. Demnach ist der Stromverbrauch bezo- gen auf das Bruttosozialprodukt um fast 2 % im Jahr 2006 gesunken. Dieser Ef- fekt beruht sicher nicht alleine auf der Ef- fizienzsteigerung in der Antriebstechnik – hier kommen auch andere Faktoren zum Tragen, wie beispielsweise die Wit- terung und das Heizverhalten. Der VDEW spricht jedoch in diesem Zusammenhang von der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschafts- wachstum. Diese Entkopplung ist aber nur dadurch zu erreichen, indem vielfäl- tige technische Möglichkeiten zur Effi- zienzsteigerung genutzt werden. Das Po- tenzial im Bereich der elektrischen An- triebstechnik liegt nach einer Studie des ZVEI von 2006 bei rund 28 Mrd. Wh, was ungefähr 5 % des Gesamtverbrauchs in Deutschland entspricht. Dieses Potenzial anzugehen, lohnt in doppeltem Sinne: Auf der einen Seite steht ein immenser Gesamtbetrag von 2,2 Mrd. Euro Ein- sparpotenzial, der unter Berücksichti- gung der Strompreisentwicklung inzwi- schen noch einmal angestiegen sein dürf- te, auf der anderen Seite wird die Umwelt nachhaltig geschont. Die Anwendung entscheidet Entscheidend bei der Umsetzung ist für die Unternehmen in den meisten Fällen die kurze Amortisierung der Investition. Die Amortisierungsdauer hängt dabei neben der Höhe der Investition sehr stark von der Art des Einsatzes und der An- wendung ab. Die Applikation entscheidet über sinnvoll oder nicht. Zwar ist es prin- zipbedingt richtig, dass der Einsatz einer energieeffizienten Antriebskomponente den Stromverbrauch senkt, wird aber durch die Applikation die erforderliche Die direkte Energienutzung zwi- schen der Fahr- und Hubachse ei- nes Regalbediengeräts (RBG) ist ein typisches Beispiel für den Systemgedanken ANTRIEBSTECHNIK Anlagenbau Chemie Pharma Ausrüster Planer Betreiber Einkäufer Manager CHEMIE TECHNIK · April 2008 50 Quelle Fachzeitschrift www.chemietechnik.de

GEWALTIGES POTENZIALspiele nach FEM 9.851 (Fédération Europé enne de la Manutention), die den Mittelwert der pro Stunde technisch möglichen Aus- und Einlagerungen spe-zifizieren

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Page 1: GEWALTIGES POTENZIALspiele nach FEM 9.851 (Fédération Europé enne de la Manutention), die den Mittelwert der pro Stunde technisch möglichen Aus- und Einlagerungen spe-zifizieren

GEWALTIGES POTENZIAL Frequenzumrichter: Energiesparen mit System Nicht zuletzt die aktuelle Entwicklung der Energiepreise bringt das Thema der Energieeinsparung bei vielen Unternehmen auf die Tagesordnung, zumal die Strompreise aller Voraussicht nach weiter steigen werden. Großes Potenzial liegt im Bereich der elektrischen Antriebstechnik. Hier gilt es, das Gesamtsystem zu betrachten.

Autor Dr.-Ing. Meinhard Schumacher, Product Management Geared Motors and AC Drives, SEW-Eurodrive

I n den letzten Jahren haben sich die Energiepreise für elektrischen Strom nahezu verdoppelt – der Gesamtver-

brauch ist gleichzeitig angestiegen. Erste Anzeichen, dass dennoch der spezifische Verbrauch gesunken sein könnte, lässt sich aus Aussagen des VDEW (Verband der Elektrizitätswirtschaft) ableiten. Demnach ist der Stromverbrauch bezo-gen auf das Bruttosozialprodukt um fast 2 % im Jahr 2006 gesunken. Dieser Ef-fekt beruht sicher nicht alleine auf der Ef-

fizienzsteigerung in der Antriebstechnik – hier kommen auch andere Faktoren zum Tragen, wie beispielsweise die Wit-terung und das Heizverhalten.

Der VDEW spricht jedoch in diesem Zusammenhang von der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschafts-wachstum. Diese Entkopplung ist aber nur dadurch zu erreichen, indem vielfäl-tige technische Möglichkeiten zur Effi-zienzsteigerung genutzt werden. Das Po-tenzial im Bereich der elektrischen An-triebstechnik liegt nach einer Studie des ZVEI von 2006 bei rund 28 Mrd. Wh, was ungefähr 5 % des Gesamtverbrauchs in Deutschland entspricht. Dieses Potenzial anzugehen, lohnt in doppeltem Sinne: Auf der einen Seite steht ein immenser Gesamtbetrag von 2,2 Mrd. Euro Ein-

sparpotenzial, der unter Berücksichti-gung der Strompreisentwicklung inzwi-schen noch einmal angestiegen sein dürf-te, auf der anderen Seite wird die Umwelt nachhaltig geschont.

Die Anwendung entscheidet Entscheidend bei der Umsetzung ist für die Unternehmen in den meisten Fällen die kurze Amortisierung der Investition. Die Amortisierungsdauer hängt dabei neben der Höhe der Investition sehr stark von der Art des Einsatzes und der An-wendung ab. Die Applikation entscheidet über sinnvoll oder nicht. Zwar ist es prin-zipbedingt richtig, dass der Einsatz einer energieeffizienten Antriebskomponente den Stromverbrauch senkt, wird aber durch die Applikation die erforderliche

Die direkte Energienutzung zwi-schen der Fahr- und Hub achse ei-nes Regalbediengeräts (RBG) ist ein typisches Beispiel für den Systemgedanken

ANTRIEBSTECHNIK

Anlagenbau Chemie Pharma Ausrüster ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ Planer Betreiber Einkäufer Manager ✔ ✔ ✔ ✔ ✔

CHEMIE TECHNIK · April 200850

Quelle Fachzeitschrift www.chemietechnik.de

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Energieverbrauch für alle Einzelspiele des RBG Energieverbrauch für alle Einzelspiele mit Nutzung der freiwerdenden Energie durch Movodrive und Movi-PLC

Betriebsdauer oder der zugehörige Be-triebspunkt gar nicht angefahren, kann es vorkommen, dass eine solche Investiti-on sich nur auf sehr lange Zeit oder gar nicht amortisiert. Als Beispiel mag hier dienen, dass ein Antrieb, der nur sehr sel-ten und dabei nur sehr kurz betrieben wird, wie etwa ein Torantrieb, insgesamt nur einen sehr geringen Energiebedarf aufweist.

In den überwiegenden Fällen laufen elektrische Antriebe in der industriellen Anwendung jedoch bei einer hohen Ein-schaltdauer, so dass der Verbrauch an elektrischer Energie ein nicht zu unter-schätzender Kostenfaktor darstellt. Die Art der Anwendung und die Einsatz-bedingungen verlangen jedoch ange-passte Lösungen; die Pauschallösung zum Energiesparen in der Antriebstech-nik gibt es nicht. Je nach Applikation va-riieren die optimalen Lösungen und häu-fig ist eine Einzelmaßnahme nur subopti-mal. Die besten Ergebnisse werden durch die Kombination von sinnvollen Einzel-bausteinen – Stichwort Energiesparbau-kasten – zu einem effizienten Gesamtsys-tem erzielt.

Die Elemente des Energiesparbaukas-tens sind für sich genommen Einzelkom-ponenten, die hinsichtlich des Energie-verbrauchs optimiert sind, wie etwa

Energiesparmotoren der Baureihe DRE in Kupferdruckgusstechnologie. Dazu gehören aber auch Bausteine wie die Umrichterbaureihe vom Typ Movidrive, effiziente Getriebe der 7er Baureihe oder das mechatronische Antriebssystem Mo-vigear, um nur einige zu nennen.

Kollektivlösungen betrachten Zur Auswahl der optimalen Komponen-ten werden für die Applikation das Last-kollektiv und Drehzahl- bzw. Geschwin-digkeits-Profil ermittelt. Aus diesen An-forderungen ergeben sich vorgefertigte sinnvolle Lösungen, die hinsichtlich ih-res Energieverbrauchs untersucht wer-den und die bestmögliche Lösung ermit-telt wird. Eine daraus resultierende typi-sche Lösung, die den Systemgedanken verdeutlicht, stellt das Beispiel der direk-ten Energienutzung zwischen der Fahr- und Hubachse eines Regalbediengeräts (RBG) dar. Ein wesentliches Leistungs-kriterium des RBG ist die Anzahl der pro Stunde möglichen Einzel- und Doppel-spiele nach FEM 9.851 (Fédération Europé enne de la Manutention), die den Mittelwert der pro Stunde technisch möglichen Aus- und Einlagerungen spe-zifizieren. Der dabei erzielbare Durchsatz ist abhängig von der Nutzlast, von der Regalgeometrie wie Länge und Höhe und

ENTSCHEIDER-FACTS Für Anwender � Das Energieeinspar-Potenzial im Bereich

der elektrischen Antriebstechnik liegt bei rund 28 Mrd. Wh, was ungefähr 5 % des Gesamtverbrauchs in Deutschland entspricht.

� Die Art der Anwendung und die Einsatz-bedingungen verlangen jedoch ange-passte Lösungen.

� Die Einspareffekte werden nicht primär durch Einzelkomponenten bewirkt, son-dern durch die sinnvolle Kombination von effizienten Komponenten zu einem Gesamtsystem, das auf die Applikation abgestimmt ist.

� Energiesparen mit System aus dem Bau-kasten führt somit zu wesentlich bes-seren Ergebnissen als nur die Optimie-rung von Einzelwirkungsgraden.

von den maximalen Geschwindigkeiten der RBG-Achsen.

Hochleistungs-RBG sind dabei auf maximale Doppelspiele optimiert, der Energieverbrauch tritt zunächst in den Hintergrund. Da in den meisten Fällen ei-ne chaotische Lagerverwaltung einge-

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setzt wird, sind die tatsächlichen Spielzei-ten von den jeweiligen zufällig ermittel-ten Fachpositionen abhängig – der Mit-telwert für ein Spiel stellt sich erst nach einem genügend langem Beobachtungs-zeitraum ein. Es ist daher auch nicht möglich, durch eine einfache Rechnung den typischen Energieverbrauch pro Doppelspiel anzugeben. Durch die Kom-bination aller möglichen Fahrten lassen sich jedoch die Einzelverbräuche ermit-teln und daraus ein Mittelwert für ein ty-pisches Spiel ermitteln. In Bild 2 ist für ein RBG mit einer Nutzlast von 1 000 kg und einer Ganglänge von 80 m bei einer Gerätehöhe von 20 m der Energiever-brauch der Fahr- und Hubachse für jede Einzelfahrt zu einem Fach und zurück dargestellt – dies entspricht allen mögli-chen Einzelspielen (betrachtet wurde der Fall 1 nach FEM 9.851).

Betrachtet man die Hubbewegung für sich alleine (Fahrstrecke X = 0), ergibt sich eine ansteigende Gerade, d. h. der Energieverbrauch ist direkt proportional zur Hubhöhe. Die Fahrbewegung für sich alleine (Hubhöhe Z = 0) betrachtet zeigt, dass der Energieverbrauch im Nah-bereich zum Ein- bzw. Auslagerpunkt proportional zur Fahrstrecke zunächst stark ansteigt. Anschließend ist die Zu-nahme pro gefahrenem Meter flacher. Die Ursache liegt darin, dass für die Be-schleunigung mehr Energie bezogen auf die Fahrstrecke benötigt wird als nach Er-reichen der Endgeschwindigkeit, da dann

nur noch Beharrungswiderstände über-wunden werden müssen.

In der Darstellung aus Bild 2 wird da-von ausgegangen, dass bei Abwärtsfahrt und beim Verzögern des Fahrwerks die überschüssige Energie in einem Brems-widerstand in Wärme umgewandelt wird, was der üblichen RBG-Technik ent-spricht. Die freiwerdende Energie kann aber durch geeignete Maßnahmen auch effizient wieder verwendet werden – quasi recycled.

Dazu werden die Umrichter vom Typ Movidrive von Fahr- und Hubachse in ihren Zwischenkreisen zusammen-geschaltet. Dadurch wird ermöglicht, dass freiwerdende elektrische Energie di-rekt wieder von der zweiten Achse ver-wendet werden kann. Das alleinige Zu-sammenschalten würde aber dazu füh-ren, dass das Recycling mehr oder weni-ger nach dem Zufallsprinzip funktionie-ren würde, denn die Fahr- und Hubbe-wegungen sind auf geringe Spielzeiten optimiert und nicht auf das Teilen von freiwerdender Energie. Dies wird durch die überlagernde Steuerung realisiert. Fahr- und Hubachse werden dabei so an-gesteuert, dass die kürzest mögliche Ge-samtzeit nicht verlängert wird und gleichzeitig aber innerhalb des zur Verfü-gung stehenden Zeitfensters die Fahr- und Hubachse energieoptimiert betrie-ben wird. Beispielsweise können da-durch Situationen auftreten, bei der eine kurze Hubbewegung erst beginnt, wenn

das Fahrwerk schon in seiner Verzöge-rungsphase ist. Vereinfacht könnte man sagen: Was der eine gibt, nimmt der an-dere. Der Gesamtenergieverbrauch wird dadurch je nach Regalgeometrie und Ge-räteparametern um bis zu 25 % redu-ziert, wie in Bild 3 verdeutlicht wird. Für identische Geräteparameter erreicht das Gerät die gleiche Anzahl an Einzel- bzw. Doppelspielen bei verbesserter Energie-bilanz. Besonders wirksam ist das System dann, wenn sowohl in x-Richtung als auch in y-Richtung gefahren wird.

Intelligente Lösungen Innerhalb des Baukastensystems für Energiesparlösungen übernimmt die Steuerung Movi-PLC die zusätzliche Ko-ordinationsaufgabe. Die Hardware – also die eigentliche Gerätesteuerung – ist oh-nehin ein Bestandteil des RBG. Der Ein-satz als so genanntes Applikationsmodul ist neben den Steuerfunktionen pro-blemlos möglich, so dass die beschriebe-ne Lösung nahezu preisneutral zu akti-vieren ist. Der Aufwand gegenüber ande-ren Lösungen wie beispielsweise Ener-gierückspeisungen oder Matrixumrich-tern ist minimal und vermeidet übliche Nachteile wie starke Netzrückwirkungen oder den großen Platzbedarf in der ohne-hin schmalen RBG-Gasse.

KONTAKT www.chemietechnik.de Weitere Infos CT 607

CHEMIE TECHNIK · April 200852

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