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Gewerberaummiete @ Vertragsgestaltungen zur Anpassung oder Erhöhung der Miete von RAin FAinMuWR Simone Engel/RA Broder Bösenberg, Hannover* Eine Immobilie ist nur so viel wert wie der ihr zugrunde liegende Mietvertrag. Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei naturgemäß dem Mietzins zu. Insbesondere in gewerblichen Mietverträgen sollte hier die Entwick- lung des Mietzinses für die Zukunft festgelegt werden. Keine oder unwirksame Regelungen im Mietvertrag kön- nen zu einer schleichenden Entwertung der Immobilie führen. Daher werden die Möglichkeiten der Regelung von Mietanpassung und -erhöhung im Folgenden dar- gestellt. Ist von den Parteien eine Anpassung oder Erhöhung der Miete gewollt, bieten sich zumindest im Gewerbemiet- recht entsprechende Vertragsgestaltungen an. Da die §§ 557 ff. BGB für das Wohnraummietrecht umfänglich die Mieterhöhungsmöglichkeiten regeln, verbleibt den Parteien hierdeutlich weniger Verhandlungsspielraum. I. Staffelmieten Eine Möglichkeit stellen Staffelmietvereinbarungen dar. Unter den Maßgaben des § 557a BGB sind solche Ver- einbarungen auch in Wohnraummietverhältnissen mög- lich. Bei derartigen Vereinbarungen legen die Parteien von vornherein fest, innerhalb welcher Zeiträume sich die Miete in einer bestimmten Höhe ändern soll. Bei Wohnraum muss die Höhe der Änderung grundsätzlich in einem Geldbetrag angegeben werden. Hierbei kann die neue Miethöhe oder aber auch der reine Erhöhungs- betrag angegeben werden. Im Gewerberaummietrecht reicht hingegen auch eine Prozentangabe aus. Beraterhinweis: Gerade bei langen Laufzeiten besteht die Gefahr, dass die bei Vertragsschluss vereinbarten Staffelungen immer weiter von der tatsächlichen Miet- entwicklung abweichen. Staffelmieten können daher auch als „Wette auf die Zukunft‘‘ bezeichnet werden. Sinnvoll können solche Regelungen insbesondere dann sein, wenn dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses als „Starthilfe‘‘ ein unter der ortsüblichen Miete liegen- der Mietzins zugestanden wurde und die Parteien eine kurzfristige Angleichung über die Staffelung erreichen wollen. Derartige Regelungen sind in Bezug auf die tat- sächlichen Entwicklungen am Markt allerdings unflexi- bel, da sie auf einer Prognoseentscheidung der Parteien bei Vertragsschluss beruhen. Von übermäßig langen Laufzeiten kann daher nur abgeraten werden. Wichtig ist, dass zugleich eine Regelung getroffen wird, wie sich die Miete nach Ablauf der Staffelung weiterentwickeln soll. J II. Umsatzmieten Im Gewerbemietverhältnis können die Parteien auch eine sog. Umsatzmiete vereinbaren. In solchen Vereinbarun- gen wird die Miethöhe direkt an die Umsätze des Mieters gekoppelt. Der Vermieter partizipiert dadurch unmittel- bar am geschäftlichen Erfolg – aber eben auch am ge- schäftlichen Misserfolg des Mieters, weshalb sein Risiko hier erheblich ist. Vorteil für den Mieter ist, dass das Verhältnis der auf- zuwendenden Miete immer im gleichen Verhältnis zu seinen tatsächlichen Umsätzen steht. Zwar ist eine solche Vereinbarung im Gewerbemietrecht in der Regel zulässig und wegen der Üblichkeit auch in Formularverträgen grundsätzlich nicht als überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB anzusehen. 1 Dennoch ist eine solche Verein- barung im Einzelfall, z.B. bei Apotheken mit Blick auf §8 Satz 2 ApothekenG, unzulässig 2 (im Falle eines Pachtverhältnisses über eine Apotheke hingegen greift das Verbot an der Umsatzbeteiligung nicht 3 ). Bei der Vereinbarung solcher Umsatzmieten muss ganz konkret dargestellt werden, welche Umsätze die Parteien für die Berechnung der Miete heranziehen wollen. Unbe- dingt sollten die Parteien auch klare Regelungen dazu treffen, wie der Mieter seine Umsätze offenzulegen hat. Hierzu sollte vorgesehen werden, dass der Vermieter oder ein von ihm beauftragter und zur Berufsverschwie- genheit verpflichteter Dritter im Einzelfall berechtigt ist, in die Unterlagen des Mieters Einsicht zu nehmen. Für den Fall einer Steuerprüfung sollte ebenfalls dahin- gehend eine Regelung aufgenommen werden, dass ggfls. abgeänderte Umsatzzahlen auch zu einer Anpassung der Miete führen. Darüber hinaus ist zu vereinbaren, dass über das jeweilige Mietobjekt gesondert Buch zu führen ist. Anderenfalls sieht sich der Vermieter der Gefahr aus- gesetzt, dass die Umsätze des Mieters verschleiert wer- den. Letztlich ist zu beachten, dass mit der Vereinbarung einer Umsatzmiete keine Betriebspflicht einhergeht. 4 Dem Mieter sollte daher unbedingt vertraglich eine solche auferlegt werden. Beraterhinweis: Um für beide Parteien die Risiken überschaubar zu halten, sollte unbedingt ein fester So- ckelbetrag in Form einer Mindestmiete und einer Höchst- ˚%!0—… 8/2009 MietRB-Beratungspraxis 243 * Simone Engel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der ausschließlich auf das Immoblienrecht spezialisierten Kanzlei bethgeundpartner|im- mobilienanwälte in Hannover. Broder Bösenberg ist Rechts- anwalt in derselben Kanzlei. 1 Lindner-Figura in NZM 1999, 492. 2 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB 2004, 138 = NZM 2004, 190. 3 Lindner-Figura in NZM 1999, 492. 4 von Brunn in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohn- raummiete, 3. Aufl., III., Rz. 22.

Gewerberaummiete - immobilienanwälte · lichgenutzterRäumegleicherArtundLage.Umden vomPreisklauselgesetzgeradenichtgewollten„Schwun …

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Gewerberaummiete

Vertragsgestaltungen zur Anpassung oder Erhöhung der Miete

von RAin FAinMuWR Simone Engel/RA Broder Bösenberg, Hannover*

Eine Immobilie ist nur so viel wert wie der ihr zugrundeliegende Mietvertrag. Eine entscheidende Bedeutungkommt dabei naturgemäß dem Mietzins zu. Insbesonderein gewerblichen Mietverträgen sollte hier die Entwick-lung des Mietzinses für die Zukunft festgelegt werden.Keine oder unwirksame Regelungen im Mietvertrag kön-nen zu einer schleichenden Entwertung der Immobilieführen. Daher werden die Möglichkeiten der Regelungvon Mietanpassung und -erhöhung im Folgenden dar-gestellt.Ist von den Parteien eine Anpassung oder Erhöhung derMiete gewollt, bieten sich zumindest im Gewerbemiet-recht entsprechende Vertragsgestaltungen an. Da die§§ 557 ff. BGB für das Wohnraummietrecht umfänglichdie Mieterhöhungsmöglichkeiten regeln, verbleibt denParteien hier deutlich weniger Verhandlungsspielraum.

I. Staffelmieten

Eine Möglichkeit stellen Staffelmietvereinbarungen dar.Unter den Maßgaben des § 557a BGB sind solche Ver-einbarungen auch in Wohnraummietverhältnissen mög-lich. Bei derartigen Vereinbarungen legen die Parteienvon vornherein fest, innerhalb welcher Zeiträume sichdie Miete in einer bestimmten Höhe ändern soll. BeiWohnraum muss die Höhe der Änderung grundsätzlichin einem Geldbetrag angegeben werden. Hierbei kanndie neue Miethöhe oder aber auch der reine Erhöhungs-betrag angegeben werden. Im Gewerberaummietrechtreicht hingegen auch eine Prozentangabe aus.

Beraterhinweis: Gerade bei langen Laufzeiten bestehtdie Gefahr, dass die bei Vertragsschluss vereinbartenStaffelungen immer weiter von der tatsächlichen Miet-entwicklung abweichen. Staffelmieten können daherauch als „Wette auf die Zukunft‘‘ bezeichnet werden.Sinnvoll können solche Regelungen insbesondere dannsein, wenn dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnissesals „Starthilfe‘‘ ein unter der ortsüblichen Miete liegen-der Mietzins zugestanden wurde und die Parteien einekurzfristige Angleichung über die Staffelung erreichenwollen. Derartige Regelungen sind in Bezug auf die tat-sächlichen Entwicklungen am Markt allerdings unflexi-

bel, da sie auf einer Prognoseentscheidung der Parteienbei Vertragsschluss beruhen. Von übermäßig langenLaufzeiten kann daher nur abgeraten werden. Wichtigist, dass zugleich eine Regelung getroffen wird, wie sichdie Miete nach Ablauf der Staffelung weiterentwickelnsoll.

II. Umsatzmieten

Im Gewerbemietverhältnis können die Parteien auch einesog. Umsatzmiete vereinbaren. In solchen Vereinbarun-gen wird die Miethöhe direkt an die Umsätze des Mietersgekoppelt. Der Vermieter partizipiert dadurch unmittel-bar am geschäftlichen Erfolg – aber eben auch am ge-schäftlichen Misserfolg des Mieters, weshalb sein Risikohier erheblich ist.Vorteil für den Mieter ist, dass das Verhältnis der auf-zuwendenden Miete immer im gleichen Verhältnis zuseinen tatsächlichen Umsätzen steht. Zwar ist eine solcheVereinbarung im Gewerbemietrecht in der Regel zulässigund wegen der Üblichkeit auch in Formularverträgengrundsätzlich nicht als überraschende Klausel i.S.d.§ 305c BGB anzusehen.1 Dennoch ist eine solche Verein-barung im Einzelfall, z.B. bei Apotheken mit Blick auf§ 8 Satz 2 ApothekenG, unzulässig2 (im Falle einesPachtverhältnisses über eine Apotheke hingegen greiftdas Verbot an der Umsatzbeteiligung nicht3).Bei der Vereinbarung solcher Umsatzmieten muss ganzkonkret dargestellt werden, welche Umsätze die Parteienfür die Berechnung der Miete heranziehen wollen. Unbe-dingt sollten die Parteien auch klare Regelungen dazutreffen, wie der Mieter seine Umsätze offenzulegen hat.Hierzu sollte vorgesehen werden, dass der Vermieteroder ein von ihm beauftragter und zur Berufsverschwie-genheit verpflichteter Dritter im Einzelfall berechtigt ist,in die Unterlagen des Mieters Einsicht zu nehmen. Fürden Fall einer Steuerprüfung sollte ebenfalls dahin-gehend eine Regelung aufgenommen werden, dass ggfls.abgeänderte Umsatzzahlen auch zu einer Anpassung derMiete führen. Darüber hinaus ist zu vereinbaren, dassüber das jeweilige Mietobjekt gesondert Buch zu führenist. Anderenfalls sieht sich der Vermieter der Gefahr aus-gesetzt, dass die Umsätze des Mieters verschleiert wer-den.Letztlich ist zu beachten, dass mit der Vereinbarung einerUmsatzmiete keine Betriebspflicht einhergeht.4 DemMieter sollte daher unbedingt vertraglich eine solcheauferlegt werden.

Beraterhinweis: Um für beide Parteien die Risikenüberschaubar zu halten, sollte unbedingt ein fester So-ckelbetrag in Form einer Mindestmiete und einer Höchst-

8/2009 MietRB-Beratungspraxis 243

* Simone Engel ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Miet-und Wohnungseigentumsrecht in der ausschließlich auf dasImmoblienrecht spezialisierten Kanzlei bethgeundpartner|im-mobilienanwälte in Hannover. Broder Bösenberg ist Rechts-anwalt in derselben Kanzlei.

1 Lindner-Figura in NZM 1999, 492.2 BGH v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, MDR 2004, 439 = MietRB

2004, 138 = NZM 2004, 190.3 Lindner-Figura in NZM 1999, 492.4 von Brunn in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-

raummiete, 3. Aufl., III., Rz. 22.

miete zur Vermeidung des Erreichens der Wuchergrenzevereinbart werden.

III. Indexmieten

Indexmieten koppeln die Miete je nach vertraglicherAusgestaltung direkt oder zumindest mittelbar an dieEntwicklung eines von den Parteien vereinbarten Be-zugsindexes. Sie können daher der reinen Wertsicherung,aber auch der gezielten Renditesteigerung dienen.Indexmieten können relativ flexibel den Bedürfnissender Parteien angepasst werden. Dies gilt sowohl mitBlick auf den Verwaltungsaufwand der Parteien als auchbezüglich des Risikos der Parteien.

Beraterhinweis: Die verschiedenen Mietanpassungs-möglichkeiten können im Gewerbemietrecht auch kom-biniert werden. Hierbei ist allerdings höchste Sorgfalt ge-boten, da klar und deutlich ersichtlich sein muss, wannwelche Klausel gilt und auf welche Ausgangsmiete sieBezug nimmt.

IV. Preisklauselgesetz

Da § 557b BGB ausdrücklich nur auf Wohnraummietver-hältnisse anwendbar ist, richtet sich die Frage der Inde-xierung der Miete für andere Objekte, wie Gewerberaumoder aber auch Garagen oder dergleichen ausschließlichnach dem Preisklauselgesetz5, das seit dem 14.9.2007 inKraft getreten ist. Vollständig abgeschafft wurde das Ge-nehmigungserfordernis. Die Wirksamkeit einer Klauselkann und muss daher allein aus dem Gesetz überprüftwerden. Neu ist, dass die Klauseln nach § 8 PrKlGgrundsätzlich zunächst schwebend wirksam sind. EinVerstoß gegen das Preisklauselgesetz führt erst durchrechtskräftiges Urteil zur Unwirksamkeit der Klausel.Der Vermieter kann also zunächst bis zur rechtskräftigenFeststellung der Unwirksamkeit der Klausel seine Forde-rungen geltend machen. Rückforderungsansprüche desMieters sind damit ausgeschlossen. Allerdings eröffnet§ 8 PrKlG auch die Möglichkeit einer Vereinbarung,nach der die Unwirksamkeit auf einen früheren Zeit-punkt zurückwirkt. Aus Mietersicht ist eine derartigeVereinbarung unbedingt zu empfehlen, da der Eintritt derRechtskraft durch ein entsprechendes Prozessverhaltendes Vermieters durchaus nachteilig beeinflusst werdenkann (Prozessverzögerung und Einlegen von Rechtsmit-teln).Das neue Recht ist auf alle Preisklauseln anwendbar, de-ren Genehmigung nicht vor dem 13.9.2007 beantragtwurde. Alte Klauseln, die der Genehmigungsfiktion des§ 4 PrKV unterlagen, sind auch nach dem Preisklauselge-setz zulässig. Bereits genehmigte Klauseln bleiben wirk-sam.Nicht unter das Verbot fallen gem. § 1 Abs. 2 PrKlGLeistungsvorbehaltsklauseln, Spannungsklauseln, Kos-tenelementeklauseln und (reine) Ermäßigungsklauseln.

1. Leistungsvorbehaltsklauseln

Unter einer Leistungsvorbehaltsklausel versteht maneine Klausel, die bezüglich des Ausmaßes der Änderungeinen Ermessensspielraum zulässt. In diesem Fall ändertsich die Geldleistung (Miete) gerade nicht automatisch,

sondern es bedarf eines gesonderten Akts der Neufest-legung bzw. Änderung der Geldleistung. Dieser kann da-rin liegen, dass eine der Vertragsparteien das Recht hat,die Änderung nach billigem Ermessen festzusetzen oderaber in einem schlichten Anspruch auf (Neu-) Verhand-lung.Wichtig ist bei derartigen Klauseln, dass sich eindeutigergibt, unter welchen Bedingungen eine Änderung vor-genommen werden kann. Eine Festlegung des konkretenIndexes ist hierbei unabdingbar. Im Rahmen der Fest-legung der Änderung bzw. der Neuanpassung muss denParteien ein Handlungsspielraum verbleiben.

MusterformulierungDie Parteien vereinbaren, dass bei einer Veränderungdes Verbraucherpreisindexes für Deutschland ummehr als 10 % nach oben oder unten jede Partei dasRecht hat, die Anpassung der Miete zu verlangen.oderDie Parteien vereinbaren, dass bei einer Veränderungdes Verbraucherpreisindexes für Deutschland ummehr als 10 % nach oben oder unten jede Partei dasRecht hat, eine Neufestsetzung der Miete zu verlan-gen.

Beraterhinweis: Gleichzeitig sollte bereits für denStreitfall vorgesorgt werden. Um diesen sachgerecht vonden Verhandlungen abzugrenzen, sollten die Parteien zu-nächst eine Zeitschiene vereinbaren, innerhalb derer eineEinigung herbeizuführen ist. Die Parteien können sichergänzend verpflichten, die Entscheidung (z.B. einesSachverständigen der Industrie- und Handelskammer) zuakzeptieren.

MusterformulierungSollten sich die Parteien nicht innerhalb von 4 Wochennach Zugang der Änderungserklärung beim Erklä-rungsempfänger über die Miethöhe einigen können,wird die Miethöhe durch einen einvernehmlich fest-zulegenden Sachverständigen festgelegt. Die Kostendes Sachverständigen tragen die Parteien je zur Hälf-te.

Beraterhinweis: Unbedingt zu beachten ist, dass dieÄnderung des Mietzinses aufgrund eines solchen Vor-behalts als wesentliche Änderung des Vertragsinhaltesanzusehen ist. Daher ist bei einer vereinbarten Vertrags-laufzeit von über einem Jahr gem. § 550 BGB auch dies-bezüglich das Schriftformerfordernis zu wahren.

2. Spannungsklauseln

Bei Spannungsklauseln wird als Wertmesser für die Ver-änderung (Anpassung) der Geldleistung eine gleichartigeoder zumindest vergleichbare Leistung angegeben.6 Gän-gig ist hierbei eine Kopplung an das Mietniveau gewerb-

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Gewerberaummiete

5 Siehe hierzu Tietzsch, MietRB 2008, 280.6 Schulz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-

raummiete, 3. Aufl., III., Rz. 237; BGH v. 14.4.1986 – VIIIZR 60/85, MDR 1986, 842 = WuM 1986, 912 .

lich genutzter Räume gleicher Art und Lage. Um denvom Preisklauselgesetz gerade nicht gewollten „Schwun-gradeffekt‘‘ zu vermeiden, dürfen die in Bezug genom-menen Mietverhältnisse ihrerseits nicht durch sog. echteGleitklauseln gesichert sein.Technisch gesehen sind Spannungsklauseln vom Verbotdes § 1 Abs. 1 PrKlG nicht umfasst, da sie die Verände-rung der Geldleistung an die Wertentwicklung der Ge-genleistung bzw. einer mit dieser vergleichbaren Leis-tung koppeln. Sie können auch ohne Verstoß gegen dasPrKlG lediglich eine Erhöhungsmöglichkeit einräumenund damit eine einseitige Wirkung haben.Ein praktisches Problem ist es hierbei oft, einen geeig-neten Vergleichsmaßstab zu finden bzw. die erforderli-chen Daten hierfür verlässlich zu ermitteln.

3. Kostenelementeklauseln

Hier wird die Geldschuld von der Entwicklung der Preiseund Werte für Güter und/oder Leistungen abhängig ge-macht, welche die Selbstkosten des Gläubigers bei derErbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen(§ 1 Abs. 2 Ziff. 3 PrKlG). Dies können z.B. die Kostenfür Instandhaltung bzw. Instandsetzung sein.Zu beachten ist, dass keine Kostenelementeklausel vor-liegt, wenn sich der Preis (die Miete) um den Prozentsatzerhöhen soll, um den sich ein bestimmter Kostenfaktorerhöht hat. Da in einem solchen Fall die prozentuale Er-höhung auf den Gesamtpreis unabhängig davon durch-schlägt, ob auch bei den übrigen Kostenfaktoren eineVerteuerung stattgefunden hat, kommt dem jeweiligenKostenfaktor in einer solchen Klausel die Funktion einesautomatischen Wertmessers zu.7 Auch hier liegt die prak-tische Schwäche darin, einen passenden „Wertmesser‘‘zu finden, bei dem die erforderlichen Daten auch zu-gänglich sind.

4. Ermäßigungsklauseln

Klauseln, die eine reine Ermäßigung der Miete ermögli-chen, sind nach dem Preisklauselgesetz ebenfalls zuläs-sig. Sie gefährden das Ziel der Inflationsbekämpfungnicht. Aus Vermietersicht bringen derartige Klauselnnichts.

5. Echte Gleitklauseln

Die Zulässigkeit sog. echter Gleitklauseln richtet sichnach den Ausnahmevorschriften des Preisklauselgeset-zes. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die zu leistendeGeldschuld dergestalt an eine Vergleichsgröße (z.B. Ver-braucherpreisindex) gekoppelt ist, dass es bei Verände-rungen der Vergleichsgröße auch automatisch und ohneErmessensspielraum der Parteien zu einer Änderung derMiete kommt.In § 3 PrKlG wird festgelegt, auf welchen Index über-haupt zurückgegriffen werden darf. Auch der Verbrau-cherpreisindex für Deutschland (VPI) fällt hierunter undwird in der Regel auch der einzige in Frage kommendeBezugsindex sein.

Die Laufzeit des Vertrages muss mindestens 10 Jahre be-tragen. Dies kann auch dadurch erreicht werden, dass derMieter den Vertrag per Optionsrecht einseitig auf10 Jahre verlängern kann oder aber zumindest vermieter-seitig das ordentliche Kündigungsrecht für mindestens10 Jahre ausgeschlossen ist.

Beraterhinweis: Wegen des Erfordernisses der mindes-tens 10-jährigen Laufzeit ist auf die Einhaltung derSchriftform nach § 550 BGB zu achten!

Die Klausel darf den Vertragspartner nicht unangemes-sen benachteiligen. Nach § 2 Abs. 3 PrKlG liegt ins-besondere dann eine unangemessene Benachteiligungvor, wenn

einseitig ein Preis- oder Wertanstieg eine Erhöhung,nicht aber umgekehrt ein Preis- oder Wertrückgangeine entsprechende Ermäßigung des Zahlungs-anspruchs bewirkt,nur eine Vertragspartei das Recht hat, eine Anpas-sung zu verlangen, oderder geschuldete Betrag sich ggü. der Entwicklungder Bezugsgröße unverhältnismäßig ändern kann.

Verstöße gegen die Regelbeispiele aus § 2 Abs. 3 PrKlGführen zwangsläufig zu einem Verstoß gegen das Preis-klauselgesetz .

6. Vereinbarung einer Gleitklausel

a) Schwellenwert

Durch die Vereinbarung eines Schwellenwerts kann eineMindestschwankung des Indexes vereinbart werden. Soschlägt sich nicht mehr jede Veränderung des Index di-rekt auf die Miethöhe nieder.Wie hoch dieser ist, wird regelmäßig Verhandlungssachesein. Durchaus üblich sind Schwellenwerte i.H.v. 5, 10oder 15. Es macht hierbei einen erheblichen Unterschied,ob die Parteien den Schwellenwert durch eine Prozent-angabe oder eine Punkteangabe festlegen.

Beraterhinweis: Ohne Vereinbarung eines Schwellen-wertes ändert sich die Miete mit jeder Änderung des Be-zugsindexes. Dies führt zu einem erhöhten Verwaltungs-aufwand, da die Parteien die Miete im Prinzip monatlichanpassen und neu berechnen müssen. Alternativ könnendie Parteien auch vereinbaren, dass sich die Miete immerzu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. jeweils zum 1. Ja-nuar eines Jahres) ändert. Möglich ist auch eine Kom-bination aus beiden Alternativen.

Musterformulierung... ändert sich der Verbraucherpreisindex für Deutsch-land um mehr als 10 Prozent, so wird die Miete je-weils zum 1. Januar des darauf folgenden Jahres ent-sprechend der prozentualen Indexveränderung ange-passt.

b) Prozent- oder Punkteregelung

Sofern die Parteien einen Schwellenwert vereinbaren,muss geregelt werden, ob die Änderung der Miete von

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Gewerberaummiete

7 BGH v. 27.6.1973 – VIII ZR 98/72, MDR 1973, 927 = NJW1973, 1498 f.

einer prozentualen Änderung des Bezugsindexes odervon einer Veränderung in Punkten abhängen soll.Zu berücksichtigen ist, dass eine Veränderung nachPunkten im Ergebnis zu einer häufigeren Anpassung derMiete führt, als eine entsprechende Anpassung nach Pro-zenten. Bei einem Indexstand von beispielsweise 150Punkten entspricht eine Änderung von 10 Punkten nurnoch 6,67 %.Zudem ist für die Punkteregelung jeweils das Basisjahrentscheidend, da der Schwellenwert sich auf dieses be-zieht. Das Statistische Bundesamt legt allerdings i.d.R.alle 5 Jahre ein neues Basisjahr fest (derzeit 2005 = 100).Nach einer solchen Neufestlegung muss das Basisjahrdes Vertrages umbasiert werden. Bisher konnte dies überentsprechende Musterrechnungen bzw. Tabellen des Sta-tistischen Bundesamtes durchgeführt werden. Seit derUmstellung auf die Basis 2000 = 100 gibt es derartigeHilfen des Statistischen Bundesamtes allerdings nichtmehr. Da diese Umstellung erst 2003 erfolgte, stehen dieletzten Werte bis Dezember 2002 zur Verfügung. Prak-tisch bedeutet dies, dass bei einem späteren Berech-nungsbeginn nicht mehr auf Werte des Statistischen Bun-desamtes zurückgegriffen werden kann.Nach erfolgreicher Umbasierung kann ein einfacher Ab-gleich mit den veröffentlichten Indexwerten durchgeführtwerden. Um die Mietanpassung zu berechnen, ist es al-lerdings wiederum erforderlich, diese Änderung anhandder Indexzahlen in Prozente umzurechnen. Nur so kanndie verhältnismäßige Änderung auf die Miete übertragenwerden.Eine sich an der prozentualen Veränderung orientierendeIndexierung bedarf hingegen keiner entsprechenden Um-basierung. Sie ist daher weniger verwaltungsintensiv.Im Rahmen einer Prozentregelung kann relativ unproble-matisch das Erreichen des Schwellenwertes überprüftwerden, da der alte und der neue Indexstand lediglich insVerhältnis zu einander gesetzt werden müssen.

Beispiel

alter Indexstand: 85

neuer Indexstand: 105

Schwellenwert: Erreichen von 10 %

Als Formel gilt: ((neuer Indexstand/alter Indexstand) x 100) – 100((105/85) x 100) – 100 =

Da die Veränderung hier mit 23,529 % über dem Schwellenwertvon 10 % liegt, könnte die Miete entsprechend angepasst werden.

c) Höhe der Anpassung

Die Parteien können darüber hinaus auch konkret fest-legen, in welcher Höhe sich die Anpassung auswirkensoll.

Musterformulierung...so ändert sich der Mietzins um jeweils 70 % der ein-getretenen Indexveränderung.

Vorsicht ist allerdings geboten, wenn nicht Bezug auf dieIndexveränderung genommen wird, sondern eine direkteVeränderung der Miete vorgegeben wird.

Es besteht hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungs-verbot nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 PrKlG, da die Möglichkeiteiner unverhältnismäßigen Veränderung besteht. Ändertsich der Bezugsindex beispielsweise um 2 %, ist die Än-derung des Mietzinses um 6 % überproportional.

d) Wirksamwerden der Mieterhöhung

Ein Aufforderungsschreiben ist bei echten Gleitklauselngrundsätzlich nicht erforderlich. Auch wenn die Parteiendie Erhöhung nicht anzeigen oder geltend machen, än-dert sich die Miethöhe.8 Dies kann schnell zu erhebli-chen Nachforderungen oder Überzahlungen führen.Nachforderungen bzw. Rückforderungen können hierbeigrundsätzlich bis zur Verjährungsgrenze (3 Jahre mit Ab-lauf des Kalenderjahres, in dem die Forderungen entstan-den sind) geltend gemacht werden. Nur unter ganz engenVoraussetzungen ist eine Verwirkung der Ansprüche an-zunehmen. Es bedarf hier neben eines gewissen Zeit-ablaufs immer auch eines sog. Umstandsmoments. Dasbedeutet, es müssen besondere Umstände vorliegen, diedarauf schließen lassen, dass die begünstigte Partei dieForderung nicht geltend machen will. Dafür reichtschlichtes „Vergessen‘‘ der Geltendmachung nicht aus.9

Allerdings können die Parteien vereinbaren, dass eineÄnderung der Miete bzw. zumindest die Fälligkeit desgeänderten Mietzinses davon abhängt, dass eine Parteidie Änderung „geltend macht‘‘.Auch hier kann die Fälligkeit von vornherein durch einevertragliche Bestimmung festgelegt werden.

Musterformulierung... die geänderte Miete ist jeweils ab dem auf die Erhö-hung folgenden Monatsersten zur Zahlung fällig.

e) Unwirksame Klausel

Zu beachten ist, dass die meisten Mietverträge als sog.allgemeine Geschäftsbedingungen dem AGB-Recht un-terfallen. Grundsätzlich dürfen Klauseln im Rahmen vonallgemeinen Geschäftsbedingungen nicht überraschend,intransparent oder für den Vertragspartner unangemessenbenachteiligend sein.Preisindexklauseln sind durchaus üblich und weit ver-breitet, weshalb sie in Formularverträgen regelmäßignicht als überraschende Klauseln angesehen werden10.Sofern es sich mieterseitig um einen Unternehmer i.S.d.§ 14 BGB handelt, muss die Klausel bei wirksamer Ein-beziehung in den Vertrag lediglich der Inhaltskontrolledes § 307 BGB standhalten. Die Anforderungen entspre-chen dabei den Anforderungen des § 2 PrKlG.Ein Verstoß gegen das Preisklauselgesetz wird nach § 8PrKlG erst durch die rechtskräftige Feststellung der Un-

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Gewerberaummiete

8 BGH v. 10.10.1979 – VIII ZR 277/78, MDR 1980, 223 =NJW 1980, 589.

9 OLG Düsseldorf v. 23.10.1997 – 10 U 47/97, MDR 1998, 274= NZM 1998, 480; OLG Rostock v. 2.6.2006 – 3 U 113/05,ZMR 2006, 773.

10 Schulz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-raummiete, 3. Aufl., III., Rz. 219.

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Wohnungseigentum

wirksamkeit der Klausel relevant. Vorher wirkt die Klau-sel wie eine wirksame Klausel.

7. Indexentfall

Relevant ist die Frage, wie im Falle des Wegfalls des inBezug genommenen Indexes bzw. Teilindexes vorzuge-hen ist. Dies ist nach wie vor insbesondere bei Altmiet-verträgen ein Problem.Sofern einer der entfallenden Indizes vereinbart wurde,weisen die Verträge zunächst eine Lücke auf. Ist für die-sen Fall nicht vereinbart, dass ein anderer Index an dieStelle des nicht mehr erhobenen tritt und ist in den Ver-trag auch keine individualvertragliche salvatorischeKlausel aufgenommen worden, muss versucht werden,diese Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zuschließen.Man wird davon ausgehen können, dass redliche Ver-tragspartner den weggefallenen Index durch einen fort-geführten Index ersetzen würden. Dies wird regelmäßigder Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI)11 sein.Bezieht sich der Vertrag auf den Preisindex für die Le-benshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland, istim Wege ergänzender Vertragsauslegung der VPI anzu-wenden, da der alte Index dem VPI entspricht. Ist ein an-

derer Index vereinbart, hat jede Partei zumindest einenAnspruch auf Umstellung des Vertrages auf den Verbrau-cherpreisindex für Deutschland, da dieser die Altindizesersetzt.12 Unter Umständen kann auch hier bei entspre-chender Regelungslücke die ergänzende Vertragsausle-gung ergeben, dass der Verbraucherpreisindex fürDeutschland zugrunde gelegt werden sollte.13

Die sicherste Alternative ist jedoch die Vereinbarung ei-nes Nachtrages. Hierzu ist allerdings die Mitwirkung bei-der Parteien erforderlich.

Beraterhinweis: Inhaltlich hat sich durch das neuePreisklauselgesetz für die Vereinbarung von Preisklau-seln nichts geändert. Der Wegfall des Genehmigungs-erfordernisses vereinfacht die Vereinbarungen von Index-klauseln einerseits, bürdet den Parteien aber andererseitsauch das Risiko der Unwirksamkeit der Klauseln auf. Zubeachten ist, dass nach § 8 PrKlG ein Verstoß gegen dasPreisklauselgesetz erst durch die rechtskräftige Feststel-lung der Unwirksamkeit der Klausel relevant wird.Bei Neuvereinbarungen von Preisklauseln sollten dieParteien bezüglich der Schwellenwerte ausschließlichProzentregelungen treffen. Punkteregelungen sind ver-waltungsintensiv und werden auf absehbare Zeit nichtmehr berechenbar sein. Eine Berechnung, die nach De-zember 2002 beginnen soll, ist nicht mehr möglich.In Altverträgen sollten die Parteien durch Nachtragsver-einbarungen Punkteregelungen durch Prozentregelungenersetzen. Es wird hierbei dem Parteiwillen entsprechen,wenn ein vereinbarter Schwellenwert i.H.v. 10 Punktendurch einen Schwellenwert i.H.v. 8 % ersetzt wird.

11 Aktuell in der jeder Ausgabe des MietRB in „MietRB‘‘

12 Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 2. Aufl.,Rz. 503.

13 Bartholomäi in Lindner-Figura/Oprée-Stellmann, Geschäfts-raummiete, 2. Aufl., Kap. 10, Rz. 141.