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Gisela Lenzeder Achtsamkeit und ihre Bedeutung für das Wohlbefinden Eine explorative Studie Diplomarbeit Geisteswissenschaft

Gisela Lenzeder · 2017. 4. 6. · 2 .2 .4 .3 S hap iro , C a rlson , A stin und F reed m an s M ode l o f M ind fu lne ss ... 2 .5 G e sc h le ch tss pe zifisc he A spe kte de r

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  • Gisela Lenzeder

    Achtsamkeit und ihre Bedeutung für dasWohlbefinden

    Eine explorative Studie

    Diplomarbeit

    Geisteswissenschaft

  • Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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    Impressum:

    Copyright © 2009 GRIN Verlag, Open Publishing GmbHISBN: 9783640584963

    Dieses Buch bei GRIN:

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  • Gisela Lenzeder

    Achtsamkeit und ihre Bedeutung für das Wohlbefinden

    Eine explorative Studie

    GRIN Verlag

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  • Achtsamkeit und ihre Bedeutung für das Wohlbefinden

    - Eine explorative Studie –

    Diplomarbeit

    zur Erlangung des Magistergrades an der Naturwissenschaftlichen Fakultät

    der Universität Salzburg

    Eingereicht von Gisela Lenzeder

    Salzburg, im August 2009

  • 2

    Danksagung

    Ganz besonders danken möchte ich meiner Familie, die mich während meiner

    achtjährigen Studiendauer unterstützt hat, obwohl es nicht immer einfach war.

    Einen ganz speziellen Dank möchte ich meiner Mutter aussprechen, ohne die

    mir das Studium neben Beruf und Kind nicht möglich gewesen wäre. Ich

    möchte ihr danken für die zahlreichen Stunden, die sie sich für meinen Sohn

    Jan während dieser acht Jahre mit besonderer Geduld gewidmet hat und somit

    ihre eigenen Interessen in den Hintergrund rückte, damit ich mein Ziel des

    Studienabschlusses erreichen konnte. Danke euch Jan, Hans-Peter, Erwin und

    Barbara!

    Auch jenen möchte ich danken, die mich beim Erstellen dieser Diplomarbeit

    geistig unterstützt haben und ihren Lauf interessiert verfolgt haben. Danke Heidi,

    Konny, Sigi, Doris und Michael!

    Meinen Dank möchte ich schließlich an Herrn Ass.-Prof. Dr. Anton-Rupert

    Laireiter aussprechen, der mich die zwei Jahre mit seinen wertvollen Anregun-

    gen und Denkanstößen, speziell in der statistischen Auswertung, begleitet hat.

    Gewidmet sei diese Diplomarbeit allen, die gern mehr über die Bedeutung der

    Achtsamkeit auf das Wohlbefinden erfahren wollen und sich näher – vielleicht

    auch kritisch – damit befassen möchten.

    Lenzing, im August 2009

  • 3

    I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

    ABSTRACT …………………………………………………………………………………………. 8

    I. THEORETISCHER TEIL ……………………………………………………………………….. 9

    1. EINLEITUNG ……………………………………………………………………………………. 10

    2. ACHTSAMKEIT ……………………………………………………………………………….... 15

    2.1 Der Ursprung der Achtsamkeit und die Entwicklung der Achtsamkeit in der

    westlichen Wissenschaft …………………………………………………………………….. 15

    2.1.1 Achtsamkeit in der humanistischen Psychologie ………………………………………. 18

    2.1.2 Achtsamkeit in der Verhaltenstherapie ………………………………………………….. 19

    2.1.3 Achtsamkeit in der Positiven Psychologie ………………………………………………. 20

    2.2 Begriffsbestimmung, theoretische Modelle ………………………………………………… 21

    2.2.1 Das buddhistische Modell der Achtsamkeit ……………………………………………… 23

    2.2.2 „Klassische“ Definition der Achtsamkeit nach Kabat-Zinn ……………………………... 25

    2.2.3 Facetten der Achtsamkeit ………………………………………………………………….. 26

    2.2.4 Modelle der Achtsamkeit …………………………………………………………………… 27

    2.2.4.1 Modell der Achtsamkeit nach Langer …………………………………………………... 27

    2.2.4.2 Sternberg’s Images of Mindfulness …………………………………………………….. 29

    2.2.4.3 Shapiro, Carlson, Astin und Freedman’s „Model of Mindfulness“............................ 29

    2.2.4.4 Zwei-Komponenten-Modell der Achtsamkeit (Bishop et al.) ………………………… 31

    2.2.4.5 Goleman: Achtsamkeit als Grundlage der Emotionalen Kompetenz ………………. 33

    2.3 Instrumente zur Erfassung von Achtsamkeit ……………………………………………… 34

    2.3.1 Cognitive and Affective Mindfulness Scale ……………………………………………... 36

    2.3.2 Five Facets Mindfulness Questionaire ....................................................................... 36

    2.3.3 Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit ................................................................... 37

    2.3.4 Kentucky Inventory of Mindfulness Skills .................................................................. 38

    2.3.5 Mindfulness Attention Awareness Scale .................................................................... 40

    2.3.6 Mindfulness Questionaire .......................................................................................... 40

    2.3.7 Toronto Mindfulness Scale ........................................................................................ 41

    2.4 Achtsamkeit als Intervention ........................................................................................ 42

    2.4.1 Mindfulness-Based Stress Reduction ....................................................................... 43

    2.4.1.1 Achtsamkeitsübung ................................................................................................. 44

    2.4.1.2 Sitzmeditation ......................................................................................................... 45

  • 4

    2.4.1.3 Body Scan .............................................................................................................. 45

    2.4.1.4 Yoga ....................................................................................................................... 46

    2.4.1.5 Gehmeditation ........................................................................................................ 47

    2.4.1.6 Ein Tag voller Achtsamkeit .................................................................................... 47

    2.4.2 Mindfulness-Based Cognitive Therapy .................................................................... 48

    2.4.2.1 Doing Mode ........................................................................................................... 50

    2.4.2.2 Being Mode ……………………………………………………………………………… 51

    2.4.2.3 Das Acht-Sitzungen-Programm nach Segal et al. ………………………………….. 52

    2.4.3 Dialektisch-Behaviorale Therapie ………………………………………………………. 53

    2.4.3.1 Therapiephasen ………………………………………………………………………… 53

    2.4.3.2 Fertigkeitentraining ……………………………………………………………………... 54

    2.4.4 Acceptance and Commitment Therapy ………………………………………………… 55

    2.4.5 Wirksamkeitsstudien zum MBSR-Programm ………………………………………….. 57

    2.4.6 Wirksamkeitsstudien der MBCT ………………………………………………………… 60

    2.4.7 Achtsamkeit und geistige Übungen …………………………………………………….. 61

    2.4.7.1 Aktuelle Forschungen im Bereich der geistigen Übungen …………………………. 61

    2.4.7.2 Relevante Studien ………………………………………………………………………. 62

    2.5 Geschlechtsspezifische Aspekte der Achtsamkeit ……………………………………… 64

    3. EMOTIONALE INTELLIGENZ ………………………………………………………………. 65

    3.1 Historischer Abriss ………………………………………………………………………….. 65

    3.2 Überblick über das Konstrukt ……………………………………………………………… 65

    3.3 Modelle der emotionalen Intelligenz ……………………………………………………… 67

    3.3.1 Modell der emotionalen Intelligenz von Mayer, Salovey und Caruso ………………. 67

    3.3.2 Modell der emotionalen Intelligenz von Bar-On ……………………………………….. 68

    3.3.3 Modell der der emotionalen Intelligenz nach Goleman ……………………………….. 69

    3.3.4 Das Meta-Mood-Konzept …………………………………………………………………. 70

    3.4 Achtsamkeit und emotionale Intelligenz ………………………………………………….. 71

    4. SELBSTWERT UND SELBSTWERTGEFÜHL ……………………………………………. 74

    4.1 Überblick über das Konstrukt des Selbstwert ……………………………………………. 74

    4.2 Achtsamkeit und Selbstwert ……………………………………………………………….. 79

    5. OFFENHEIT FÜR ERFAHRUNGEN ………………………………………………………… 80

    5.1 Überblick über das Konstrukt der Offenheit ……………………………………………… 80

    5.2 Achtsamkeit und Offenheit ………………………………………………………………… 81

  • 5

    5.2.1 Achtsamkeit und Offenheit im Buddhismus …………………………………………… 81

    5.2.2 Achtsamkeit und Offenheit in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion ………. 82

    5.2.3 Zusammenfassung der Beziehungen Offenheit – Achtsamkeit ……………………. 83

    5.2.4 Relevante Studien ……………………………………………………………………….. 84

    6. PHYSISCHE UND PSYCHISCHE GESUNDHEIT ………………………………………. 85

    6.1 Definitionen von Gesundheit ……………………………………………………………… 85

    6.2 Lebenszufriedenheit als Aspekt der psychischen Gesundheit ……………………….. 87

    6.2.1 Abgrenzungen bzw. Überschneidungen zu anderen Konstrukten …………………. 88

    6.2.1.1 Subjektives Wohlbefinden …………………………………………………………….. 89

    6.2.1.2 Lebensqualität…………………………………………………………………………… 90

    6.2.1.3 Glück (Happiness) ……………………………………………………………………… 91

    6.2.2 Achtsamkeit und Lebenszufriedenheit …………………………………………………. 92

    6.3 Modell der Salutogenese ………………………………………………………………….. 93

    6.4 Gesundheit aus der Perspektive des Buddhismus …………………………………….. 94

    6.5 Achtsamkeit und Gesundheit …………………………………………………………….. 95

    6.5.1 Relevante Befragungsstudien ………………………………………………………….. 95

    6.5.2 Relevante Interventionsstudien ………………………………………………………… 98

    7. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG FÜR DIE WEITERE

    FORSCHUNG…………………………………………………………………………………. 99

    II. EMPIRISCHER TEIL ………………………………………………………………………… 103

    8. FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN …………………………………………… 104

    8.1 Achtsamkeit und emotionale Intelligenz ……………………………………………….. 104

    8.2 Achtsamkeit und Selbstwert …………………………………………………………….. 106

    8.3 Achtsamkeit und Offenheit für Erfahrungen …………………………………………… 107

    8.4 Achtsamkeit und Gesundheit …………………………………………………………… 109

    8.5 Achtsamkeit und Unterschiede in geistige Übungen ………………………………… 111

    8.6 Achtsamkeit und Geschlechtsunterschiede …………………………………………… 112

    8.7 Zusätzliche explorative Fragestellungen ………………………………………………. 113

    8.7.1 Kann Achtsamkeit die Gesundheit fördern? …………………………………………. 114

    8.7.2 Hat das Praktizieren geistiger Übungen einen Einfluss auf die

    weiteren untersuchten Konstrukte? ………………………………………………….. 114

  • 6

    8.7.3 Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den anderen

    untersuchten Konstrukten? ……………………………………………………………… 115

    8.7.4 Gibt es Interaktionseffekte (Geschlecht x geistige Übungen) ………………………. 115

    9. VERSUCHSPLAN UND METHODIK ……………………………………………………… 115

    9.1 Versuchsplan und geplante statistische Auswertung ………………………………….. 115

    9.2 Untersuchungsdesign ……………………………………………………………………... 117

    9.3 Stichprobe und Kriterien des Samplings ………………………………………………… 118

    9.4 Messinstrumente …………………………………………………………………………… 118

    9.4.1 Vorüberlegungen zur Auswahl der Verfahren ………………………………………… 118

    9.4.2 Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R) ……………………………………………. 119

    9.4.3 Gießener Beschwerdebogen (GBB) ……………………………………………………. 120

    9.4.4 Kentucky Inventory of Mindfulness Skills (KIMS) …………………………………….. 121

    9.4.5 Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS) ………………………………………….. 121

    9.4.6 NEO-Persönlichkeitsinventar (NEO-PI-R) ……………………………………………… 123

    9.4.7 Skalen der psychischen Gesundheit (SPG) ……………………………………………. 124

    9.4.8 Trait Meta Mood Scale (TMMS) …………………………………………………………. 125

    9.4.9 Angaben zur Person ……………………………………………………………………… 126

    9.5 Versuchsplanung – Drehbuch …………………………………………………………….. 126

    9.6 Ethische und juristische Gesichtspunkte ………………………………………………… 127

    9.7 Kritische Würdigung der Versuchsplanung ……………………………………………… 130

    9.8 Versuchsdurchführung …………………………………………………………………….. 131

    10. ERGEBNISSE ……………………………………………………………………………… 132

    10.1 Stichprobenbeschreibung ………………………………………………………………. 132

    10.1.1 Verteilung des Geschlechts ………………………………………………………… 133

    10.1.2 Altersaufteilung ………………………………………………………………………. 133

    10.1.3 Schulabschluss ………………………………………………………………………. 133

    10.1.4 Berufsgruppen ……………………………………………………………………….. 134

    10.1.5 Familienstand ………………………………………………………………………… 134

    10.1.6 Kinder …………………………………………………………………………………. 135

    10.1.7 Aktuelle psychische Krankheiten ………………………………………………….. 136

    10.1.8 Aktuelle Medikamenteneinnahme ………………………………………………….. 136

    10.1.9 Aktuelle Psychotherapie …………………………………………………………….. 137

    10.1.10 Teilnahme eines Kurses geistiger Übungen ………………………………………. 137

    10.1.11 Praxis geistiger Übungen …………………………………………………………… 137

  • 7

    10.2 Hypothesenbezogene Fragestellungen …………………………………………………. 138

    10.2.1 Achtsamkeit und emotionale Intelligenz ………………………………………………. 138

    10.2.2 Achtsamkeit und Selbstwert ……………………………………………………………. 139

    10.2.3 Achtsamkeit und Offenheit für Erfahrungen ………………………………………….. 140

    10.2.4 Achtsamkeit und Gesundheit ………………………………………………………….. 142

    10.2.5 Achtsamkeit und Unterschiede in geistigen Übungen …………………………….... 145

    10.2.6 Achtsamkeit und Geschlechtsunterschiede ………………………………………….. 146

    10.3 Weitere explorative Fragestellungen ……………………………………………………. 147

    10.3.1 Kann Achtsamkeit die Gesundheit fördern? …………………………………………. 147

    10.3.2 Hat das Praktizieren geistiger Übungen einen Einfluss auf die

    weiteren untersuchten Konstrukte? ………………………………………………….. 148

    10.3.3 Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den anderen

    untersuchten Konstrukten? ……………………………………………………………… 149

    10.3.4 Gibt es Interaktionseffekte (Geschlecht x geistige Übungen) ………………………. 149

    11. ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION ……………………………………………. 149

    11.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ……………………………………………………. 149

    11.2 Generalisierbarkeit der Ergebnisse ……………………………………………………. 151

    11.3 Korrelation mit den Achtsamkeitsfacetten …………………………………………….. 152

    11.4 Achtsamkeit und emotionale Intelligenz ……………………………………………….. 155

    11.5 Achtsamkeit und Selbstwert ……………………………………………………………. 156

    11.6 Achtsamkeit und Offenheit für Erfahrungen ………………………………………….. 156

    11.7 Achtsamkeit und Gesundheit ………………………………………………………….. 158

    11.7.1 Achtsamkeit und psychische Gesundheit ………………………………………….. 158

    11.7.2 Achtsamkeit und Lebenszufriedenheit …………………………………………….. 160

    11.7.3 Achtsamkeit und somatische Beschwerden ………………………………………. 160

    11.8 Achtsamkeit und Unterschiede in geistigen Übungen ……………………………….. 162

    11.9 Achtsamkeit und Geschlechtsunterschiede …………………………………………… 163

    11.10 Methodische Einschränkungen der Studie …………………………………………… 163

    11.11 Implikationen für die Praxis und Forschung ………………………………………….. 165

    12. LITERATURVERZEICHNIS ………………………………………………………………. 167

    ANHANG A – Fragebogenkatalog ……………………………………………………………. 192

  • 8

    ABSTRACT

    Achtsamkeit (mindfulness) - basierend auf buddhistischen Erkenntnissen - wird

    definiert als absichtsvolle, nicht wertende Aufmerksamkeit auf das bewusste

    Erleben im gegenwärtigen Moment (Kabat-Zinn; 2003b). In den letzten drei

    Jahrzehnten wurde Achtsamkeit immer mehr in die empirisch-orientierte

    klinische wie auch Gesundheitspsychologie einbezogen.

    Die vorliegende Arbeit hat den Hintergrund, Zusammenhänge zwischen

    Achtsamkeit und Wohlbefinden bei der Normalbevölkerung herzustellen bzw.

    relevante Studien zu erhärten. Weiters sollen Unterschiede bei Praktizierenden

    von geistigen Übungen wie auch zwischen Männern und Frauen geprüft werden.

    Die Daten wurden mittels Fragebogen der zu untersuchenden Konstrukte

    Achtsamkeit, emotionaler Intelligenz, Lebenszufriedenheit, Selbstwert, Offenheit

    für Erfahrungen und Gesundheit (psychisch wie körperlich) an einer Stichprobe

    der Normalbevölkerung (N = 147) erhoben.

    Die Hypothesen der Zusammenhänge aller untersuchten Konstrukte haben sich

    bestätigt. Die Ergebnisse zeigen, dass Achtsamkeit wichtige Verbindungen zu

    allen untersuchten Konstrukten eingeht, wie sie auch das Wohlbefinden fördert

    bzw. schützt. Weiters wurden Unterschiede zwischen Praktizierenden von

    geistigen Übungen wie auch des Geschlechts untersucht. Für AnwenderInnen

    von geistigen Übungen zeigte sich ein Einfluss der Achtsamkeit auf das

    Wohlbefinden wie auch emotionaler Intelligenz, Selbstwert und der Offenheit für

    neue Erfahrungen. Für den bis jetzt beinahe gar nicht untersuchten Bereich der

    Geschlechterdifferenzen war kein Unterschied zwischen Männern und Frauen

    zu finden.

    Es konnten innerhalb dieser Arbeit nicht alle mit Achtsamkeit

    zusammenhängenden Konstrukte untersucht werden. Diese Arbeit demonstriert

    den enormen Umfang des Konstruktes Achtsamkeit mit Wohlbefinden und soll

    (neue) Hinweise liefern, in welche Richtung die Forschungen zukünftig führen

    sollen, Achtsamkeit bzw. Wohlbefinden zu steigern.

  • 9

    I. THEORETISCHER TEIL

  • 10

    1. EINLEITUNG

    Achtsamkeit (mindfulness), eine absichtsvolle, nicht wertende Aufmerksamkeit

    auf das bewusste Erleben im gegenwärtigen Moment (Kabat-Zinn; 2003b), wird

    eine immer größer werdende Aufmerksamkeit von Seiten der Psychotherapie

    gewidmet. Achtsamkeit findet ihren Ursprung in der Philosophie des Buddhis-

    mus, der Achtsamkeit als das Kernstück der Lehren des Buddhas bezeichnet

    (Gunarantana, 1992; Hanh, 1999; Nanamoli und Bodhi, 1995). In der

    Psychotherapie wird sie sogar laut Hayes (2004, S. 5) als „dritte Welle“ der

    Verhaltenstherapie bezeichnet. Seit über 20 Jahren werden Achtsamkeits-

    Interventionen in der Klinik mit Erfolg angewandt.

    Die Anzahl der Studien, begannen in den 1990er Jahren mit weniger als 90

    Untersuchungen und erhöhten sich exponentionell auf über 600 (Stand: Okto-

    ber 2006) (Brown, Ryan & Creswell, 2007). Geprägt durch die mit Erfolg

    angewandten achtsamkeitsbasierenden Interventionen stieg das Interesse der

    Forschung und das Thema Achtsamkeit wurde auch in den Popularmedien

    immer beliebter. Dieses verstärkte Interesse an der Eigenschaft Achtsamkeit

    liegt nach Kabat-Zinn (2003a, b) darin begründet, dass durch die Forschung auf

    diesem Gebiet Erkenntnisse über die Interaktionen von Körper und Geist und

    somit neue Therapieansätze für die Behandlung von körperlichen und psychi-

    schen Erkrankungen gefunden werden können.

    Achtsamkeit schafft neue Potenziale, um Situationen zu meistern, behauptet

    Fleur Wöss, eine Buddhismus-Expertin am traditionellen Marketing-Forum am

    24. Oktober 2008 im Linzer Design-Center (Haas, 2008). Auch im Wirtschafts-

    leben könnten durch Achtsamkeit schwierige Situationen anders betrachtet und

    Probleme gelassener und besser gelöst werden.

    Die Erforschung der Achtsamkeit und ihrer Effekte ist eine Herausforderung für

    unsere westliche Grundhaltung und auch für einige etablierte Paradigmen in der

    Psychologie, die die Wichtigkeit des Ichs oder des „constructed self“ (S. 211)

    als entsprechende Triebkraft des menschlichen Verhaltens in den Vordergrund

  • 11

    stellen (Brown et al, 2007). Achtsamkeit hat ihren Erfolg mit „quiet the

    ego“ (Heppner & Kernis, 2007; Niemiec, Ryan & Brown, 2008). Dies bedeutet,

    dass eine achtsame Person nicht nach möglichst hohem Selbstwert trachtet,

    sondern sich ihre Handlungen wohl überlegt (Brown & Ryan, 2003a).

    Brown und Ryan (2003a) haben darauf hingewiesen, dass die generelle Veran-

    lagung, achtsam zu sein, mit anderen Konstrukten zusammenhängen kann, die

    relevant sind für psychische Gesundheit und Wohlbefinden, körperliche

    Gesundheit, Selbstkontrolle und interpersonelles Verhalten (Brown et al, 2007).

    Brown und Ryan (2003a) zeigten in Studien, dass dispositionale und State-

    Achtsamkeit selbstregulierendes Verhalten und positive emotionale Zustände

    voraussagen. Es wird im Bereich der achtsamkeitsbasierenden Therapie-

    ansätze bzw. Achtsamkeitstrainings viel geforscht, jedoch gibt es wenige Unter-

    suchungen in Richtung eines natürlich auftauchenden Charaktermerkmals. Man

    erkennt zwar, dass fast jeder die Kapazität der inneren Achtsamkeit besitzt und

    sich dieser auch bewusst sein kann, jedoch differieren die Menschen hier sehr

    in ihrem Willen oder in ihrer Neigung, sich achtsam zu verhalten und dies auch

    einzusetzen (Brown & Ryan, 2003a).

    Achtsamkeit geht mit erhöhter Gesundheit, Lebensqualität und

    Lebenszufriedenheit einher (Buchheld & Walach, 2001). Damit kann die Vielfalt

    der Konstrukte des Wohlbefindens mit Achtsamkeit verknüpft werden. Um die

    Bedeutung dieser Bewusstseinsform auf das psychologische Wohlbefinden zu

    untersuchen, müsste man die Forschung in den Bereichen des Sozialen, der

    Persönlichkeit und Gesundheit vorantreiben.

    Brown und Ryan (2003a) leiteten, auf erste Hypothesen aufbauend, empirische

    Verbindungen zwischen Achtsamkeit und Wohlbefinden her. Um den Beweis zu

    erbringen, dass Achtsamkeit selbstregulierendes Verhalten bewirkt, wurde

    zuerst untersucht, ob diese mit größerer Bewusstheit innerer Zustände einher-

    geht. Dabei ging man davon aus, dass Achtsamkeit wie ein Prädiktor zwischen

    impliziten und expliziten Indikatoren von emotionalem Wohlbefinden wirkt.

    Zusätzlich untersuchten die Autoren Verbindungen der Mindfulness-Attention

  • 12

    Awareness Scale (MAAS) mit Messinstrumenten der Selbstkontrolle und des

    Wohlbefindens. Weiters wurde mittels eines Interventionsbeispiels getestet, ob

    bei Krebspatienten Veränderungen in der Stimmung bzw. im Stress vor und

    nach einem Achtsamkeitstraining auftraten (Brown & Ryan, 2003a).

    Ruth Baer und KollegInnen (2004, 2006) griffen dieses Thema in ihren Studien

    ebenfalls auf. Ihre Hauptaspekte lagen auf der psychischen Dimension mit

    einem Spektrum an Kriterien wie Lebensqualität, Depressionen, Ängste,

    Coping-Stile u.a. Weitere Betrachtungsweisen bezogen sich auf die physische

    Dimension wie körperliche Symptome, Schmerzen, körperliches Wohlbefinden,

    etc. (Baer et al., 2004, 2006). Baer verwies auf diverse andere Autoren, die

    behaupten, dass die Fähigkeit der Achtsamkeit mit anderen Techniken als nur

    der Meditation erlernt werden kann (Baer et al., 2004). Auch sprechen verschie-

    dene Autoren davon, dass Achtsamkeit eine Eigenschaft sei, die bei jedem

    Menschen in unterschiedlicher Ausprägung vorkäme.

    Goleman (1995), der sich mit emotionaler und sozialer Intelligenz befasst, be-

    tont, dass Achtsamkeit die fortwährende Wahrnehmung der eigenen inneren

    Zustände kennzeichnet. Das heißt, auch in turbulenten Situationen bewahren

    achtsame Menschen eine neutrale Einstellung, sprich die Fähigkeit zur Selbst-

    reflexion. Für ihn ist Achtsamkeit im Hinblick auf die Emotionen eine grund-

    legende emotionale Kompetenz, auf der andere wie z.B. die emotionale Selbst-

    kontrolle aufbauen (Goleman, 1995).

    Die oben erwähnten Studien von Brown und Ryan (2003b) bzw. von Baer und

    KollegInnen (2004, 2006) bilden die Grundlage dieser Diplomarbeit. Die Ziel-

    stellung der vorliegenden Arbeit liegt zum einen auf einer Zusammenfassung

    der bis jetzt erbrachten Befunde im Zusammenspiel von Achtsamkeit mit

    Wohlbefinden und den damit assoziierten Konstrukten wie emotionale Intelli-

    genz, Selbstwert, Offenheit für Erfahrungen sowie psychische und physische

    Gesundheit. Im empirischen Teil wird anhand eines Fragebogens an der

    Gesamtbevölkerung untersucht, ob Menschen, die generell innerlich achtsamer

    sind, die Eigenschaften von emotionaler Intelligenz, Offenheit für Erfahrungen,

  • 13

    Selbstwert sowie Gesundheit in einen höheren Maß aufweisen. Sie soll die

    empirischen Verbindungen zwischen Achtsamkeit und Wohlbefinden im Sinne

    der oben erwähnten Studie herstellen. In der Folge ergab sich, dass in dieser

    Arbeit alle Subskalen der einzelnen Konstrukte mit den einzelnen Achtsamkeits-

    facetten korreliert werden. Hier soll untersucht werden, ob bestimmte Sub-

    skalen die Verbindungen der Achtsamkeit zu den untersuchten Konstrukten des

    Wohlbefindens vermindern oder erhöhen.

    Des Weiteren wird in dieser Arbeit erforscht, ob das Ausmaß, in dem jemand

    meditative Übungen betreibt, einen Einfluss auf dieses Zusammenspiel der

    einzelnen Konstrukte mit der Achtsamkeit hat. Nicht ganz ein Viertel der Stich-

    probe aus der Normalbevölkerung besteht aus Praktizierenden von geistigen

    Übungen. Hier soll untersucht werden, ob diese Personen höhere Zusammen-

    hänge aufweisen.

    Die Genderthematik, welche im Gesundheitsbereich von Jahr zu Jahr an

    Bedeutsamkeit gewinnt, soll in dieser Diplomarbeit ebenfalls berücksichtigt

    werden. Es wird untersucht, ob sich Unterschiede zwischen Frauen und

    Männern bei den oben angeführten Zusammenhängen zwischen Achtsamkeit

    und den damit verknüpften Konstrukten des Wohlbefindens finden.

    Diese Arbeit ist so aufgebaut, dass nach dem Abstract und der Einleitung im 1.

    Kapitel, im 2. Kapitel auf die Achtsamkeit sehr spezifisch eingangen wird, begin-

    nend vom Ursprung der Achtsamkeit, der im Buddhismus begründet liegt und

    die Entwicklung der Achtsamkeit in der westlichen Wissenschaft, , im speziellen

    in der humanistischen und Positiven Psychologie wie auch in der Verhaltens-

    therapie. In den nachfolgenden Unterkapiteln der Achtsamkeit werden die

    verschiedenen Modelle und Begriffsbestimmungen der Achtsamkeit vorgestellt,

    von der Sichtweise des Buddhismus bis hin zur kognitiven Perspektive. Die

    weiteren Unterkapitel beschäftigen sich mit den Instrumenten zur Erfassung der

    Achtsamkeit, in dem die bis jetzt vorhandenen acht wichtigsten Fragebögen

    beschrieben werden. Im folgenden Unterkapitel wird über Achtsamkeit als

    Intervention mit den vier wichtigsten Programmen, der Mindfulness-Based

  • 14

    Stress Reduction (MBSR), der Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT),

    der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) sowie der Acceptance and

    Commitment Therapy (ACT) wie auch über die bedeutendsten Wirksamkeits-

    studien zum MBSR-Programm, MBCT als auch über Achtsamkeitsmeditation

    und den aktuellen Forschungen in diesem Bereich informiert. Das letzte

    Unterkapitel geht auf die geschlechtsspezifischen Aspekte der Achtsamkeit ein.

    Die folgenden Kapitel 3 - 6 befassen sich mit den in dieser Arbeit untersuchten

    Konstrukten. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über das einzelne Kon-

    strukt selbst, danach werden die Verbindungen zur Achtsamkeit in den dazu

    relevanten Studien näher erläutert. Dies erscheint im Rahmen der Arbeit auf-

    grund der vielen Verbindungen sinnvoll. Zum Abschluss des theoretischen Teils

    folgt im 7. Kapitel die Zusammenfassung und kritische Diskussion des

    Forschungsstandes.

    Im empirischen Teil werden im 8. Kapitel die Fragestellungen und die dazu

    entsprechenden Hypothesen aufgestellt. Das 9. Kapitel gibt einen Überblick

    über den Versuchsplan, das Untersuchungsdesign, die Zusammensetzung der

    Stichprobe und deren Kriterien, die Verwendung der Messinstrumente, die Ver-

    suchsdurchführung und eine kritische Stellungnahme dazu.

    Das 10. Kapitel umfasst die Ergebnisse zu den einzelnen Hypothesen wie auch

    die Zusammenfassung dieser.

    Die Diskussion folgt im 11. Kapitel, in der es zum einen um die Generalisierbar-

    keit der Ergebnisse geht und zum anderen werden die Ergebnisse aus dem

    Gesichtspunkt der Achtsamkeitsfacetten wie auch den untersuchten Konstruk-

    ten des Wohlbefindens beleuchtet. Den Abschluss bilden das

    Literaturverzeichnis wie im Anhang der verwendete Fragebogenkatalog.

  • 15

    2. ACHTSAMKEIT

    2.1 Der Ursprung der Achtsamkeit und die Entwicklung der

    Achtsamkeit in der wissenschaftlichen Forschung

    Buddha sprach in einer seiner Lehrreden von den „Grundlagen der Achtsam-

    keit“ und sah durch diese „rechte Achtsamkeit“ einen Weg aus der inneren und

    äußeren Bedrängnis. Rechte Achtsamkeit ist die unerlässliche Grundlage für

    rechtes Leben und Denken, um größere innere Kraft und größeres, reineres

    Glück zu entwickeln. Eine Lebensweise, die heute ebenso gangbar ist wie vor

    2500 Jahren, ob westliche oder östliche Tradition, für den Geschäftsmann wie

    für den Mönch. Das letzte Ziel des Weges rechter Achtsamkeit ist die endgül-

    tige Leidaufhebung durch die gänzliche Überwindung von Gier, Hass und Wahn.

    Dieser Weg wurde von Buddha klar und deutlich durch den „Edlen Achtfachen

    Pfad zur Leidaufhebung“ gewiesen. (Nyanaponika, 1993)

    Wenn wir das Wort Meditation im weiteren Sinne als Bewusstseinserhellung

    und -erhöhung verstehen, dürfte die Satipatthana-Methode von Buddha (d.h.

    die Ausbildung in Rechter Achtsamkeit) für uns westliche Menschen der geeig-

    netste Zugang zur Meditation sein (Nyanaponika, 1993). Es ist eine Methode,

    die aber auch außerhalb des Buddhismus angewandt wird, nämlich um tief ins

    eigene Innere zu schauen, um sich selbst und die Art unseres Bestehens zu

    erforschen. (Kabat-Zinn, 1990).

    Auch in der Tradition des Zen-Buddhismus vermittelt die sitzende Meditation,

    genannt „Zazen“, die ursprünglichste und intensivste Erfahrung von Achtsam-

    keit. Ursprung und Wesen der Achtsamkeit wurzeln im Zen, einer Welt- und

    Lebensanschauung, die mit einer sehr dezidierten Körper-Geist-Schulung

    einhergeht, deren Ziel „Satori“ ist, was Erleuchtung bedeutet (Bohus & Huppertz,

    2006). Der Zen-Buddhismus ist ein Teil der buddhistischen Tradition und ent-

    stand im 5. und 6. Jahrhundert nach Christus in China als Reformbewegung

    des Buddhismus. Der Zen-Buddhismus betont die Meditation und rückt die

  • 16

    dogmatischen und ethischen Aspekte in den Hintergrund. Im Westen wurde der

    Zen-Buddhismus erst durch Schopenhauer im 19. Jahrhundert bekannt. Doch

    es dauerte weitere 120 Jahre, bis man in unserem Kulturkreis anfing, sich mit

    dieser Form des Buddhismus zu beschäftigen. Die ersten Veröffentlichungen

    über Zen erfolgten in Deutschland 1923, in den USA durch Daisetz Suzuki 1927.

    Wirklich bekannt wurde die Zen-Tradition jedoch erst ab den 50er Jahren, als

    die Psychotherapie begann, die Zen-Tradtion für sich zu erschließen. (Bohus &

    Huppertz, 2006).

    Eine wichtige Brücke vom Zen zur humanistischen Psychologie ergaben die

    Kontakte von C.G. Jung und Erich Fromm mit Daisetz Suzuki in den späten

    zwanziger Jahren. Besonders Erich Fromm sah im Zen eine Möglichkeit,

    Verdrängungen durch intensive Beschäftigung mit dem eigenen Selbst beseiti-

    gen zu können (Bohus & Huppertz, 2006). Ein weiterer Zen-Pionier in den USA,

    Alan Watts, kooperierte mit der emigrierten Charlotte Selver, die aus der so ge-

    nannten „Ausdrucksgymnastik“ in den vierziger Jahren die „Sensory Aware-

    ness“-Arbeit entwickelte, welche das menschliche Wachstumspotential durch

    umfassende achtsame Wahrnehmung im Hier und Jetzt entfalten konnte.

    Durch den Kontakt mit dem „Sensory Awareness“-Training integrierte Fritz Perls

    dieses Wahrnehmen im Hier und Jetzt zu einem zentralen Element in die

    Gestalttherapie. Ab den 60er Jahren verband sich östliche Spiritualität mit

    humanistischer Psychologie über das kalifornische Esalen-Institut, wo Selver

    und Perls Seminare abhielten (Bohus & Huppertz, 2006).

    In den vergangenen 40 Jahren hat die buddhistische Tradition der Meditation in

    Rechter Achtsamkeit bis zu einem gewissen Grad auch im Westen Fuß gefasst

    (Batchelor, 1994; Fields, 1992). Mehrere Generationen von Menschen im

    westlichen Kulturkreis üben diese Methoden in ihrem eigenen Alltagsleben täg-

    lich bis hin zu intensiven, von Meditationslehrern angeleiteten

    „Retreats“ (Rückzug aus dem Alltagsleben), die von einem Wochenende bis zu

    drei Monaten oder länger dauern können (siehe z.B. Goldstein, 2002; Walsh,

    1977, 1978). Dieses Phänomen weist auf kulturelle Veränderungen hin (Kabat-

  • 17

    Zinn, 2006). Ende der 70er Jahre entstanden in den USA erste

    psychotherapeutische Verfahren, die auf Achtsamkeit basieren und anfangs zur

    Behandlung von Depressionen, Schmerzerkrankungen und Borderline-Störun-

    gen genutzt wurden (Hacker, 2006).

    Kabat-Zinn (2003a) nimmt an, dass der allerwichtigste Grund für das stärker

    werdende Interesse an Achtsamkeit in Studien, Dissertationen, klinischen

    Anwendungen etc. der ist, dass neue Dimensionen von therapeutischen Vortei-

    len erwachsen und daraus neue Einsichten in die Interaktion von Geist und

    Körper entstehen. Es werden neben der von ihm entwickelten MBSR (Mindful-

    ness-based stress reduction)-Therapie auch bei spezifischen affektiven Störun-

    gen spezielle Therapieformen wie die Mindfulness-based Cognitive Therapy

    (MBCT; Segal, Williams und Teasdale, 2002), die Dialektische-Behavoriale

    Therapie (DBT; Linehan, 1993a) sowie die Acceptance and Commitment Thera-

    pie (ACT; Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis, 2006) entwickelt, die im Kapi-

    tel 5 näher beschrieben werden.

    In jüngster Zeit werden Achtsamkeitsinterventionen immer mehr in

    verhaltenstherapeutische bzw. –medizinische Ansätze integriert und auf

    internationaler Ebene rezipiert (Heidenreich & Michalak, 2003). Überlegungen

    von Germer (2005) weisen darauf hin, dass klassische psychotherapeutische

    Ansätze und Behandlungen Prinzipien enthalten können, die dem

    Achtsamkeitsprinzip mehr oder weniger stark ähneln. Als Beispiel führt er

    Freuds „gleichschwebende Aufmerksamkeit“ (vgl. Michal, 2004) und die

    „Präsenz“ der modernen Gesprächspsychotherapie (Bundschuh-Müller, 2004)

    an. Weiters finden sich auch in der verhaltenstherapeutischen Arbeit viele

    Analogien zum Achtsamkeitsprinzip (Heidenreich & Michalak, 2003). Ein Bei-

    spiel sei die Instruktion während einer Exposition „alle Erlebnisse ohne Vermei-

    dung“ zu erfahren, also nicht kognitiv zu vermeiden (Germer, 2005). Germer

    (2005) teilt Ansätze der Achtsamkeit in zwei gegensätzliche Richtungen ein:

    Den deutlichsten Bezug zur historischen Achtsamkeitstradition sind für Germer

    (2005) die achtsamkeitsbasierenden Ansätze. Achtsamkeit ist ein grundlegen-

  • 18

    des Therapieprinzip in der Behandlung mit regelmässig integrierten

    Meditationsübungen, wo andere Inhalte zusätzlich ergänzt werden. Hier er-

    wähnt Germer (2005) die Mindfulness Based Stress Reduction nach Kabat-Zinn

    (1990) und die Mindfulness-based cognitive therapy nach Segal, Williams und

    Teasdale (2002). Das Hauptziel der achtsamkeitsinformierenden Ansätze in der

    Psychotherapie ist nicht der Aufbau der Achtsamkeit, sondern Achtsamkeits-

    elemente werden im Rahmen eines multimodalen Behandlungssettings auch

    mit anderen Behandlungselementen zusammengeführt. Zum Beispiel wird bei

    der Dialektisch-Behavorialen Therapie von Linehan (1993a, 1993b) im Rahmen

    eines Fertigkeitentrainings die Achtsamkeit zwar gefördert, ausgedehnte

    Meditiationsübungen werden jedoch keine durchgeführt (Germer, 2005)

    2.1.1 Achtsamkeit in der humanistischen Psychologie

    Die Wurzeln dieser Psychologierichtung reichen zurück in die Zeit zwischen

    Erstem und Zweitem Weltkrieg, die von zahlreichen humanistischen

    Reformbewegungen in psychologischen und pädagogischen Arbeitsfeldern ge-

    prägt war, wie Völkerverständigung, allgemeine Menschenrechte und einer

    sittlichen Grundsätzen verpflichteten moralischen Erziehung.

    Der bedeutendste Repräsentant der humanistischen Psychologie ist die von

    Carl Rogers in den vierziger Jahren gegründete Personenzentrierte (oder:

    Klientenzentrierte) Psychotherapie, deren Grundlage ein Menschenbild ist, das

    Selbstentwicklungsfähigkeit, Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung

    hervorhebt. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen TherapeutIn und

    KlientIn (Bundschuh-Müller, 2004).

    Achtsamkeitsnahe Prinzipien finden sich sowohl in den klassischen

    Basisvariablen von Rogers, wie „unbedingte positive Wertschätzung“, „empathi-

    sches Verstehen“ und „Kongruenz“ als auch das bei modernen Ansätzen zu

    findende Phänomen „Präsenz“ (Geller & Greenberg, 2002). Des Weiteren wird