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Gerhard Baus Der Stirlingmotor wurde vor rund hundert Jahren weitestgehend von Otto-, Diesel- und Elektromotoren verdrängt. Nun, angesichts knapper Energieressourcen, wird die Idee die- ser Wärmekraftmaschine wieder in- teressant. Dabei werden auch Detail- probleme neu betrachtet - und gelöst. So bei einem neu entwickelten 0,5 kW-Stirling-Motor, in dem Kunst- stoffgleitlager eingesetzt werden. Hierdurch erst wurde ein ölfreier Be- trieb des Motors möglich (Bild 1). Umweltfreundlicher Betrieb einfach realisierbar Am Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten Gottlieb Daimler, Nikolaus Otto, Rudolf Diesel, Wilhelm Maybach und andere an der Optimierung der von ihnen erfundenen und stetig verbesserten Motoren. Otto- und Dieselmotoren waren damals eine Innova- tion. „Stand der Technik“ waren andere An- triebstechnologien - zum Beispiel der Stir- lingmotor. Rund 250 000 dieser Wärme- kraftmaschinen gab es zu jener Zeit. Sie ka- men z. B. als Antriebe von Wasserpumpen und Kleingeräten zum Einsatz; größere Mo- toren versorgten Privathaushalte und kleine Handwerksbetriebe mit mechanischer En- ergie. Mit der zunehmenden Verbreitung von Otto- und Dieselmotoren auf der einen und Elektromotoren auf der anderen Seite wurde der Stirlingmotor in ein Nischenda- sein verdrängt. Entwickelt wurde dieser Motor zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem schottischen Pfarrer Robert Stirling (Bild 2). Das Grund- prinzip ist ähnlich dem des bekannten Ver- brennungsmotors: In einem Zylinder be- wegt sich ein Kolben, der in Bewegung ver- setzt wird und dadurch ein Schwungrad antreibt. Die Bewegung wird jedoch nicht durch Verbrennungsvorgänge im Innern des Motors, sondern durch Temperaturun- terschiede im Arbeitsgas erzeugt. Das hat unter anderem den Vorteil, dass intern kei- ne Abgase entstehen. Außerdem kann die Energie, die man für die externe Erhitzung benötigt, umweltneutral z. B. durch Bio- masse oder sogar durch konzentrierte Son- nenwärme erfolgen. Da keine Verbren- nungs- bzw. Explosionsvorgänge auftreten, läuft der Motor sehr ruhig und leise. Die ab- geschlossene Bauweise schafft die Voraus- setzung für eine lange Lebensdauer. Der Wirkungsgrad eines gut konstruierten Stir- lingmotors entspricht übrigens dem eines sehr guten Dieselmotors. 2 antriebstechnik 10/2004 GLEIT- UND WÄLZLAGER Was den Ölscheich Pleite macht Ölfreier Betrieb von Stirlingmotoren durch Kunststoffgleitlager Autor: Gerhard Baus leitet den Bereich Kunststoff- gleitlager bei der igus GmbH in 51147 Köln 1: Bei dem ölfreien Stirlingmotor wurden Axiallagerung der Verdrängergestänge, Gleitbeläge des Kolbens und Kolbenringe aus dem Gleitlagerwerkstoff iglidur W 300 von igus gefertigt Inzwischen gibt es wieder eine sehr lebendige Entwicklungsszene 2: Bauformen von Stirlingmotoren

GLEIT- UND WÄLZLAGER Was den Ölscheich Pleite … · Bauanleitung (und damit die Lizenz) eines 0,5 kW-Stirlingmotors erwerben, den Dieter Viebach entwickelt hat. ... fern ideal,

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Gerhard Baus

Der Stirlingmotor wurde vor rund hundert Jahren weitestgehend von Otto-, Diesel- und Elektromotoren verdrängt. Nun, angesichts knapper Energieressourcen, wird die Idee die-ser Wärmekraftmaschine wieder in-teressant. Dabei werden auch Detail-probleme neu betrachtet - und gelöst. So bei einem neu entwickelten 0,5 kW-Stirling-Motor, in dem Kunst-stoffgleitlager eingesetzt werden. Hierdurch erst wurde ein ölfreier Be-trieb des Motors möglich (Bild 1).

Umweltfreundlicher Betrieb einfach realisierbar

Am Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten Gottlieb Daimler, Nikolaus Otto, Rudolf Diesel, Wilhelm Maybach und andere an der Optimierung der von ihnen erfundenen und stetig verbesserten Motoren. Otto- und Dieselmotoren waren damals eine Innova-tion. „Stand der Technik“ waren andere An-triebstechnologien - zum Beispiel der Stir-lingmotor. Rund 250 000 dieser Wärme-kraftmaschinen gab es zu jener Zeit. Sie ka-men z. B. als Antriebe von Wasserpumpen und Kleingeräten zum Einsatz; größere Mo-toren versorgten Privathaushalte und kleine Handwerksbetriebe mit mechanischer En-ergie. Mit der zunehmenden Verbreitung von Otto- und Dieselmotoren auf der einen und Elektromotoren auf der anderen Seite wurde der Stirlingmotor in ein Nischenda-sein verdrängt.

Entwickelt wurde dieser Motor zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem schottischen

Pfarrer Robert Stirling (Bild 2). Das Grund-prinzip ist ähnlich dem des bekannten Ver-brennungsmotors: In einem Zylinder be-wegt sich ein Kolben, der in Bewegung ver-setzt wird und dadurch ein Schwungrad antreibt. Die Bewegung wird jedoch nicht durch Verbrennungsvorgänge im Innern

des Motors, sondern durch Temperaturun-terschiede im Arbeitsgas erzeugt. Das hat unter anderem den Vorteil, dass intern kei-ne Abgase entstehen. Außerdem kann die Energie, die man für die externe Erhitzung benötigt, umweltneutral z. B. durch Bio-masse oder sogar durch konzentrierte Son-nenwärme erfolgen. Da keine Verbren-nungs- bzw. Explosionsvorgänge auftreten, läuft der Motor sehr ruhig und leise. Die ab-geschlossene Bauweise schaff t die Voraus-setzung für eine lange Lebensdauer. Der Wirkungsgrad eines gut konstruierten Stir-lingmotors entspricht übrigens dem eines sehr guten Dieselmotors.

2 antriebstechnik 10/2004

GLEIT- UND WÄLZLAGER

Was den Ölscheich Pleite machtÖlfreier Betrieb von Stirlingmotoren durch Kunststoffgleitlager

Autor: Gerhard Baus leitet den Bereich Kunststoff -gleitlager bei der igus GmbH in 51147 Köln

1: Bei dem ölfreien Stirlingmotor wurden Axiallagerung der Verdrängergestänge, Gleitbeläge des Kolbens und Kolbenringe aus dem Gleitlagerwerkstoff iglidur W 300 von igus gefertigt

Inzwischen gibt eswieder eine sehr lebendige

Entwicklungsszene

2: Bauformen von Stirlingmotoren

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Für den Physikunterricht prädestiniert

Auch wenn dieses Antriebskonzept ein Ni-schendasein führt: Es gibt inzwischen (wie-der) eine sehr lebendige Entwicklungssze-ne! Auch Serienmotoren verschiedener Leistungsklassen sind verfügbar. Die zu-mindest in Deutschland bekannteste Appli-kation stammt von dem schwäbischen Mo-torenhersteller Solo, der ein Blockheizkraft-werk mit einem 9,6 kW-Stirling-Antrieb an-bietet.

Seit jeher war der Stirlingmotor auch für sehr kleine Leistungsbereiche interessant: Anfang des 20. Jahrhunderts fand er z. B. häufi g als Antrieb von Tischventilatoren Verwendung, und im (fortgeschrittenen) Physikunterricht kann man durchaus funk-tionsfähige „Konservendosenmodelle“ ei-nes solchen Motors bauen. Man kann es aber auch professioneller angehen und die Bauanleitung (und damit die Lizenz) eines 0,5 kW-Stirlingmotors erwerben, den Dieter Viebach entwickelt hat.

Mehr als hundert dieser Motoren sind in-zwischen gebaut worden - und sie laufen einwandfrei mit hoher Effi zienz. Neben dem reinen Motor mit der Bezeichnung ST 05 G hat Dieter Viebach auch eine Version mit einem ins Gehäuse integrierten Gene-rator entwickelt. Die Nutzung der Wärme-kraftmaschine zur Stromerzeugung ist inso-fern ideal, als der Stirlingmotor ein typi-scher „Konstantläufer“ ist.

Motor als TrockenläuferDieter Viebach und sein Sohn Stefan haben sehr viel Berechnungsarbeit investiert, um den Motor optimal auszulegen. Sie haben sich intensiv auch mit konstruktiven Details befasst. Dabei lag es gerade bei einem klei-nen Antrieb nahe, die Anzahl der verwen-deten Komponenten zu reduzieren und so einfach wie möglich aufzubauen. Norma-lerweise muss man bei Stirlingmotoren ei-ne aufwendige Trennung des ölgeschmier-ten Kurbeltriebs vom Zylinder bzw. vom Kolben vorsehen, um zu verhindern, dass das Arbeitsgas schleichend durch Ölreste verunreinigt wird. Dies geschieht im Allge-meinen durch Rollmembranen.

Geringer Verschleiß Viebach legte aber Wert auf einen ölfreien Betrieb des Motors, um auf diese Dichtun-gen verzichten zu können. Realisiert wurde dies durch den Einsatz von mehreren Kunststoff gleitlagern. Nach umfassenden Versuchen mit verschiedensten Gleitpaa-rungen erwies sich hier iglidur W 300 von igus als die beste Lösung. Sowohl die Gleit-beläge des Kolbens als auch die Kolbenrin-

ge werden aus diesem Hochleistungs-Kunststoff gefertigt, der in der breiten Palet-te der iglidur-Werkstoff e als der „Dauerläu-fer“ gilt und sich zudem durch eine hohe Temperaturfestigkeit auszeichnet: iglidur W 300 kann bei bis zu 180 °C eingesetzt wer-den. Der „eingebaute“, das heißt dauerhaft ins Polymer eingelagerte Schmierstoff stellt zugleich günstige Reibwerte sicher - das ist nicht nur Voraussetzung für geringen Ver-schleiß, sondern auch ein wichtiger Faktor für einen günstigen Wirkungsgrad.

Ein weiterer Vorteil, der für Viebach wich-tig war: Er legte Wert darauf, dass außer ei-nem Satz von 13 Gussteilen sämtliche Kom-ponenten als Norm- oder Lagerteile schnell verfügbar sind, damit die Lizenznehmer wenig Probleme mit der Beschaff ung und der Montage haben. Auch das triff t auf igli-dur W 300 zu: Das igus-Programm umfasst zahlreiche Katalogteile aus diesem Werk-stoff , die ab Lager verfügbar sind und inner-halb von 24 Stunden versandt werden.

Ölfreier BetriebDurch den Einsatz der Kunststoff gleitlage-rung kann Viebach bei seinem überaus um-weltfreundlichen Motor auf umweltbelas-

tende Schmierstoff e verzichten. Und als bei den ersten Modellen seines Motors ein Ver-schleißproblem auftrat, konnte er auch dies mit iglidur 300 lösen: Die durch den Ar-beitskolben geführte Verdrängerkolben-stange, die den Verdrängerkolben mit der Kurbelwelle verbindet, wird nun axial durch ein iglidur-Gleitlager entlastet.

Mit dem ST 05G hat Dieter Viebach einen Stirlingmotor entwickelt, der sich durch einen günstigen Wirkungsgrad auszeichnet und ei-nen ölfreien Betrieb mit langer Lebensdauer verbindet. Sein Sohn Stefan Viebach hat sich auch für diese umweltfreundliche Antriebs-technik begeistert und arbeitet daran, sie für die industrielle Produktion nutzbar zu ma-chen. Dabei hat er neben dem Einsatz als Mo-tor zur Strom- und Wärmeerzeugung (Bild 3) ein Anwendungsfeld im Blick, in dem Stirling-motoren seit jeher eine Rolle spielen: die Tief-temperatur-Kältetechnik im Kryo-Bereich von -80 bis -260°C. In einem Unternehmen, das Stirlingmotoren für beide Anwendungs-bereiche baut - der Sunmachine Gesellschaft für Stirlingmotoren mbH in Nürnberg - ver-vollkomment Stefan Viebach zurzeit die ers-ten Modelle eines 3,0 kW-Stirlingmotors, auch dieser größere Motor ist mit iglidur-Gleitlagern ausgestattet.

Anmerkung der RedaktionWeitere Informationen über die Stirlingmo-toren von Viebach, die Produkte von Sun-machine und die Gleitlager von igus mittels der entsprechenden Kennziff er.

VIEBACH 000

SUNMACHINE 000

IGUS 000

antriebstechnik 10/2004 3

Phase 1: Der Kompressionskolben ist auf dem Weg nach oben. Er drückt kaltes Gas (blau dargestellt) in den heißen Arbeitszylinder

Phase 2: Das Gas wird im Arbeitszylinder erhitzt (rot dargestellt), dehnt sich aus und drückt den Arbeits-kolben nach unten.

Phase 3: Das heiße Gas strömt über den Regenera-tor und Kühler in den Kompressionszylinder und wir dabei abgekühlt.

Phase 4: Der Arbeitskolben ist wieder auf dem Weg nach oben. Das Gas wird weiter vom Arbeits- in den Kompressionszylinder gedrückt. Hat der Arbeits-kolben den oberen Totpunkt erreicht, beginnt der Prozess von Neuem. Eine spezielle Kopplung der Kolbenstangen steuert dabei das Zusammenspiel der Kolben.

Arbeitsprinzip eines Zweizylinder-StirlingmotorsI N FO

GLEIT- UND WÄLZLAGER

Die Tieftemperatur-Kälte-technik ist eine Domäne des

Stirlingmotors

3: Mikro-Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung der Firma Sunmachine

English Summaries: Our readers will fi nd an english summary of this report under www.vfmz.de/summaries