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GR Ä SER LAND express DAS grüne GOLD Sommer 2014 Gräsige Fussballweisheiten Am 12. Juni geht es endlich los und die Fussballweltmeisterschaft in Brasilien beginnt. Während eines ganzen Monats können wir zu heissen Sambarhythmen und kaltem Bier mit Freunden im kleinen Kreis oder mit Fremden im public viewing 64 unterschiedliche Matches verfolgen. Von der Schweizerischen UNESCO- Kommission als «Aktivität der Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung» anerkanntes Projekt. http://www.dekade.ch Was tanke ich heute Biotreibstoffe die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Zuckerrüben oder Raps stammen, sind gesamtheitlich be- trachtet selten besser für die Umwelt als herkömmliche Treibstoffe. Seite 12 Wir ernten die Welt In den letzten 300 Jahren haben sich die landwirtschaftlichen Anbaugebiete weltweit immer weiter ausgebreitet und deren Nutzung intensiviert. Seite 7 Ernährung ab Seite 2 Foodwaste – Nahrungsmittelverluste und wie man diese vermeiden kann Ein Fussballfeld pro Familie! Wes Brot ich ess, des Lied ich sing Brotreisen und deren Folgen Können Lebensmittel schon bald zu Hause gedruckt werden? Es wird eng Vegetarisch essen ist gesünder Wir ernten die Welt Gräserkrankheiten, die Geschichte schrieben Teff, das kleinste Getreide der Welt Energie und Rohstoffe ab Seite 10 Photovoltaik-Anlagen anstatt Graslandschaften? Gras, ein Rohstoff mit Zukunft Was tanke ich heute? Biotreibstoffe – Nahrung im Tank Kulturgeschichte ab Seite 14 Zuckerrohr – süsse Droge Papyrus – Beschreibstoff der Antike Vom Urmais zum Hybridmais Anhalonium – ein Projekt zur Erhaltung von Maisvarietäten Woher kommt der Weizen? Gerste – für Bier und Whisky Bambus – Superfaser aus der Natur Grünraumgestaltung ab Seite 22 Gräser-Bestimmungs App „iGräser“ Gestalten mit Gräsern Entwicklung der Drifts Drei ausgewählte Gräser für den Balkon Vielfalt der Insekten in Wiesen Blickdichte Blütenpracht am laufenden Meter Gräser in der Landwirtschaft «Gras oder nicht Gras?» Die Entwicklung des Grüns

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GräserlandexpressDas grüne GolD

Sommer 2014

Gräsige FussballweisheitenAm 12. Juni geht es endlich los und die Fussballweltmeisterschaft in Brasilien beginnt. Während eines ganzen Monats können wir zu heissen Sambarhythmen und kaltem Bier mit Freunden im kleinen Kreis oder mit Fremden im public viewing 64 unterschiedliche Matches verfolgen.

Von der Schweizerischen UNESCO-Kommission als «Aktivität der Welt dekade Bildung für nach haltige Entwicklung» anerkanntes Projekt. ht

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Was tanke ich heute Biotreibstoffe die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Zuckerrüben oder Raps stammen, sind gesamtheitlich be-trachtet selten besser für die Umwelt als herkömmliche Treibstoffe. Seite 12

Wir ernten die WeltIn den letzten 300 Jahren haben sich die landwirtschaftlichen Anbaugebiete weltweit immer weiter ausgebreitet und deren Nutzung intensiviert. Seite 7

Ernährung ab Seite 2

• Foodwaste – Nahrungsmittelverluste und wie man diese vermeiden kann

• Ein Fussballfeld pro Familie!• Wes Brot ich ess, des Lied ich sing• Brotreisen und deren Folgen• Können Lebensmittel schon bald zu

Hause gedruckt werden?• Es wird eng• Vegetarisch essen ist gesünder • Wir ernten die Welt• Gräserkrankheiten, die Geschichte

schrieben• Teff, das kleinste Getreide der Welt

Energie und Rohstoffe ab Seite 10

• Photovoltaik-Anlagen anstatt Graslandschaften?

• Gras, ein Rohstoff mit Zukunft• Was tanke ich heute?• Biotreibstoffe – Nahrung im Tank

Kulturgeschichte ab Seite 14

• Zuckerrohr – süsse Droge• Papyrus – Beschreibstoff der Antike• Vom Urmais zum Hybridmais• Anhalonium – ein Projekt zur Erhaltung

von Maisvarietäten• Woher kommt der Weizen?• Gerste – für Bier und Whisky• Bambus – Superfaser aus der Natur

Grünraumgestaltung ab Seite 22

• Gräser-Bestimmungs App „iGräser“• Gestalten mit Gräsern• Entwicklung der Drifts• Drei ausgewählte Gräser für den Balkon• Vielfalt der Insekten in Wiesen• Blickdichte Blütenpracht am

laufenden Meter• Gräser in der Landwirtschaft• «Gras oder nicht Gras?» • Die Entwicklung des Grüns

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2 Sommer 2014 / GräserLandexpressErnährung

Foodwaste – Nahrungsmittelverluste und wie man diese vermeiden kannIn Ländern, wo Nahrungsmittel knapp sind, wird kaum Essen entsorgt oder bereits auf dem Feld aussortiert.

Doch reiche Länder wie die Schweiz sind viel sorgloser im Umgang mit Lebensmitteln: Rund ein Drittel des hier produzierten Essens landet nie auf einem Teller. Eine Studie der ETH Zürich schätzt, dass fast die Hälfte die-ser Verluste bei uns zu Hause entsteht, weil wir das Essen nicht richtig lagern oder zu viel eingekauft und gekocht haben. Pro Jahr werden allein in der Schweiz rund zwei Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen. Oder anders ausgedrückt: Pro Tag landet für jeden Schweizer und jede Schweizerin eine Mahlzeit im Abfall. bape

C. Beretta et al., Quantifying food losses and

the potential for reduction in Switzerland, Waste

Management, Volume 33, Issue 3, March 2013,

Pages 764–773

Waste – undercovering the global foo scandal.

Tristram Stuart, 2009. Penguin Books.

Tipps, um Essensabfälle zu vermeiden

Machen Sie einen Menüplan – kaufen Sie gezielt ein. Verwerten Sie Resten – drei Ideen für Resten-Menüs finden Sie in dieser Zeitung!Vertrauen Sie Ihrer Nase – viele Lebensmittel sind auch nach dem Ablaufdatum noch essbar.Sorgen Sie vor – frieren Sie zu viel eingekaufte Lebensmittel wie Brot oder Fleisch rechtzeitig ein.

Viele weitere Tipps finden Sie auf

www.foodwaste.ch

◀ Etwa ein Drittel der in der Schweiz produzierten Lebensmittel werden weg-geworfen. (Quelle: www.foodwaste.ch)

Bekanntlich dauert ein Fussball-spiel 90 Minuten beziehungsweise 2 ∆ 45 Minuten. Die beiden Halbzeiten sind durch eine viertelstündige Pause unterbrochen. Da ab dem Achtelfinale im sogenannten K.o.-System gespielt wird, kann es – bei Unentschieden nach 90 Minuten – zu einer Verlän-gerung von 2 ∆ 15 Minuten kommen. Zwischen den beiden Verlängerungs-halbzeiten gibt es wiederum eine Pau-se. Und wenn nach der Verlängerung immer noch kein Sieger fest steht, ent-scheidet – wieder nach einer kleinen Pause – ein Elfmeterschiessen.

Fussball besteht also nicht zu Letzt auch aus Pausen. Statt sich während dieser Spielunterbrüche mit Werbe-spots zu berieseln, kann die Zeit auch genutzt werden, um bei Freunden oder Fremden mit folgenden Fakten aufzutrumpfen: Stadionrasen besteht in unseren Breiten vor allem aus drei Grasarten: Englischem Raigras (Lolium perenne), Rotschwingel (Festuca rubra) und Wiesenrispe (Poa pratensis). Damit diese Gräser die Strapazen eines Fuss-ballspiels und die Bedingungen eines Fussballstadions aushalten, werden immer speziellere Sorten dieser Arten

gezüchtet. Um spieltauglich zu sein, muss ein Fussballrasen täglich gemäht werden. Die Schnitthöhe wird dabei auf 26 bis 28 Millimeter eingestellt.

Die typische Bänderung eines Stadionrasens beziehungsweise sein Mähmuster, welches auch auf den Fernsehbildschirmen gut erkennbar ist, wird durch die Richtung des Mä-hens hergestellt. Wird der Rasen in Mährichtung betrachtet, sieht er hel-ler aus als aus der entgegengesetzten Perspektive. Begründungen, wie etwa, dass die Musterung von zwei verschie-denen Grassorten mit unterschiedli-chem Farbton oder unterschiedlichen Schnitthöhen her rühren, sind falsch.Entsprechende Bänderungen sind in Hausgärten kaum hinzukriegen. Die Greenkeeper in den Stadien mähen mit Spindelmähern, bei welchen die Messer nicht um eine vertikale, wie die herkömmlichen Heimmäher, son-dern um eine horizontale Achse dre-hen – analog zu den alten Handrasen-mäher. Und ausserdem verfügen die Stadion-spindelmähern über Walzen, durch deren Gewicht die Grashalme dauerhaft verbogen (nicht aber ge-knickt!) werden.

Im Lauf der Zeit haben sich die Greenkeeper immer verrücktere Mäh-muster für die Spielfelder ausgedacht. Daher sah sich die FIFA 2004 zur Reg-lementierung der Bänderung gezwun-gen. Seither müssen die Grenzen zwi-schen Hell und Dunkel exakt durch die Mittel-, die Strafraum- und die Fünfmeterlinie laufen. Dieses Mäh-muster unterstützt zudem die Linien-richter, Verstösse gegen die Abseitsre-gel zu erkennen.

Spiele werden nicht selten auch über die Rasenqualität entschieden. In modernen Fussballstadien herrschen für die Gräser eher lebensfeindliche Bedingungen. Um dennoch eine stra-pazierfähige Spielunterlage bereitzu-stellen, sind Stadionrasen ausgiebig zu düngen und zu bewässern. Als Ersatz für das Sonnenlicht, kommen in den Ecken, wo oftmals Ganztagsschatten vorherrscht, Beleuchtungseinheiten auf fahrbaren Gestellen zum Einsatz.

Vor dem Hintergrund der intensi-ven Pflege von Stadionrasen wird seit einigen Jahren der Einsatz von Kuns-trasen in Sportstadien diskutiert. Das Öko-Institut hat hierzu 2008 eine Öko-bilanz von Kunst- und Naturrasen er-

Gräsige Fussballweisheiten (Fortsetzung)

stellt. Dabei schneidet der Naturrasen hinsichtlich der meisten Umweltaus-wirkungen deutlich günstiger ab als der Kunstrasen. Neben fussballästhe-tischen gibt es also auch ökologische Gründe, um auf diese sterilen Kunst-rasen zu verzichten.

Im Rahmen eines aktuellen For-schungsprojektes an der ZHAW wird untersucht, inwiefern das Greenkee-ping von Sportrasen – inkl. Düngung – nach Bio-Suisse Richtlinien erfolgen kann (vgl. www.grünstadt.ch). Wenn es nach den Forschenden geht, fin-den die nächsten Fussballweltmeis-terschaften auf einer Unterlage mit Bio-Knospe-Zertifikat statt. Dagegen spricht einzig, dass die WM 2018 vom selben Land ausgetragen wird, das auch schon die olympischen Spiele dieses Winters organisierte – also in Russland. Die ökologische Sensibilität der dortigen Regierung ist ja spätes-tens seit Sotschi hinlänglich bekannt.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Freiraummanagement: Reto

Hagenbuch, [email protected]

LANDWIRTScHAFT

20 % Ernteverluste auf dem

Feld

Aussortierte Waren (Fingerige Karotten, missför-mige Kartoffeln, Jumboäpfel

usw.)

HANDEL UND VERARBEITUNG

30 % Verarbeitungsverluste (nicht normgerechtes Getreide, Molke als

Nebenprodukt der Käse-herstellung, Teigreste usw.)

Zu lange gelagerte Produkte

(Joghurts über dem Verkaufsdatum usw.)

Transportverluste (Eierpackung mit einem

beschädigten Ei)

KoNSUM

50 % Abgelaufene Ware

Überschussproduktion (Reste vom Salatbuffet,

Reisreste usw.)

Speisereste

Kochüberschüsse

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Ernährung 3Sommer 2014 / GräserLandexpress

Ein Fussballfeld pro Familie!Es wird immer enger auf unse-rem Planeten. Aktuell werden zwar theoretisch genügend Kalorien produziert, um alle Menschen zu ernähren, doch dies wird mit steigenden Bevöl-kerungszahlen immer schwieri-ger. Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Menschen Fleisch essen.

Aktuell werden theoretisch genügend Kalorien produziert, um die gut sieben Milliarden Menschen zu ernähren. Durch das anhaltende Wachstum der Bevölkerung, wird es jedoch in Zukunft eine grosse Herausforderung sein, ge-nügend Nahrung zu produzieren. Er-schwerend kommt hinzu, dass immer mehr Menschen Fleisch essen – dafür braucht es viel Land. Ursprünglich wurden Nutztiere von Hausratsabfäl-len ernährt oder auf Weiden gehalten, welche sich nicht als Ackerland eignen. Somit stand die Produktion von Fleisch und Milch nicht in Konkurrenz mit der Getreideproduktion. Doch heute wird

fast die Hälfte der Getreideernte an Tiere verfüttert. Währende es lediglich 4 m2 braucht, um ein Kilogramm Brot (ca. 2000 kcal) herzustellen, sind für ein Kilogramm Rindfleisch (ca. 1500 kcal) gut 27 m2 Land nötig. Zudem ist der Fleischkonsum schlecht für die Um-welt, da rund ein Fünftel der Treibh-ausgase von Nutztieren generiert wird. Und die Nutztierhaltung ist im Amazo-nasgebiet heute der Hauptgrund für die Abholzung des Waldes. In Europa stag-

niert der Fleischkonsum nun, doch fast alle anderen Gebiete holen auf, so dass sich der Fleischkonsum bis in 30 Jahren verdoppeln soll.

Mehr Gemüse und wenn mehr Fleisch, dann aus Weidehaltung zu essen, ist somit ein Beitrag an die Ge-sundheit unserer Umwelt! bape

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Geography of Food: Dr. Deborah

Scharfy, [email protected]

▲ Pro Jahr isst eine vierköpfige Familie in Europa Lebensmittel, welche auf der Fläche eines Fussballfeldes produziert wird. Auf rund einem Zehntel der Fläche wird Gemüse, obst, Kartoffeln und Brot angebaut. Ein weiterer Zehntel wird in Form von Bier, Wein, Kaffee und Tee kon-sumiert, ein Drittel braucht es für Snacks wie Schokolade, Guetzli und Junkfood, und fast die Hälfte des Fussballfeldes braucht es zur Produktion von Fleisch und Milchprodukten.

Gemüse, obst, Brot, Kartoffeln

Bier, Wein, Kaffee, Tee

Schokolade, Guetzli, Junkfood

Fleisch, Milch-produkte

Wachsende Weltbevölkerung

Die aktuelle Zunahme der Welt-bevölkerung kann hier mitverfolgt werden: www.worldometers.info

Wes Brot ich ess, des Lied ich singDer Mensch lebt nicht von Brot allein – aber ohne Brot lebt kaum ein Mensch. Von der Baguette über Vollkornbrot, Zopf, Toast-brot, Foccacia, Tortilla, Pita, Roti bis zum Knäckebrot. Jede Kultur hat eigene faszinierende Wege gefunden, Brot herzustellen und zu backen. Brot ist das Grund-nahrungsmittel für rund die Hälfte der Weltbevölkerung.

Brot, das ist Mehl, Wasser und Salz. Diese drei Zutaten reichen, um ein dichtes Fladenbrot zu erhalten. Brote mit luftiger Krume, so wird der innere weiche Teil des Brotes genannt, benö-tigen zur Lockerung ein Treibmittel wie Hefe oder Sauerteig. Jedenfalls sind dies die einzigen Zutaten, wenn Brot auf traditionelle Weise hergestellt

wird. «Slow-Baking» heisst der modi-sche Begriff dazu: das langsame Ba-cken, fern vom industriellen Zeitdruck: Die Zutaten werden gemischt und der Vorteig wird eine Nacht ruhen gelas-sen, damit sich während dieser Gär-phase die Geschmacksstoffe ausbilden. Zwischen den weiteren Verarbeitungs-schritten werden dem Teig die nötigen Ruhephasen gegönnt, die er für seine optimale Entwicklung braucht.

Damit auch unter dem Zeitdruck der industriellen Massenfertigung lockere, luftige Brötchen entstehen, erlaubt die Lebensmittel-Verordnung verschiedene Zusatzstoffe. Die Zusätze machen möglich, dass die Misch-, Kne-tezeit und Teigruhe stark abgekürzt werden kann, bis hin zu den «No-Time-Verfahren», die einen praktisch unun-terbrochenen Teigfluss ermöglichen. Vitamin C lässt das Mehl und den Teig

schneller reifen. Cystein macht den Teig besser maschinell verarbeitbar. Und Lezithin hilft, den Teig besser zu binden. Das Brot geht stärker auf, krü-melt weniger und bleibt länger frisch.

Die meisten luftigen Gebäcke wie Gipfeli oder Semmeln enthalten zusätz-lich beigefügte Enzyme. Enzyme sind Eiweissstoffe, die in jedem Lebewesen vorkommen und dort biochemische Prozesse ermöglichen und kontrollie-ren. Auch im Getreidekorn kommen Enzyme natürlicherweise vor, aber oft nicht in den gewünschten Mengen. Backwaren aus der Tiefkühltruhe sind immer mit künstlichen Enzymen an-gereichert, da sie sonst beim Aufbacken nicht richtig aufgehen würden.

Was sonst noch alles im Brot ent-halten sein kann, regelt die Zusatzstoff-verordnung (www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20121974/index).

Brot ist somit nicht mehr einfach Mehl, Wasser und Salz, sondern ein richtiges High-Tech Produkt. Beim Ein-kauf erkennt die Konsumentin selten, welche Zusatzstoffe die Brote enthalten. Enzyme müssen nicht deklariert wer-den, da sie im Endprodukt nicht mehr wirksam sind. Ihre Struktur wird durch den Backvorgang zerstört. Andere Zu-satzstoffe müssen nur auf abgepackten Broten (Toastbrot, gewisse Sauerteig-brote) deklariert sein. Die meisten Brot-waren sind jedoch im Offenverkauf er-hältlich, bei welchem keine schriftliche Deklarationspflicht besteht. Hingegen sollte sie in einer anderen Form Aus-kunft erhalten, zum Beispiel mündlich. Probieren Sie es aus.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Nachhaltigkeitskommunikation:

Dr. Urs Müller, [email protected]

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4 Sommer 2014 / GräserLandexpressErnährung

Brotreisen und deren FolgenJedes zweite in der Schweiz gegessene Brot, wird mit im-portiertem Weizen gemacht. Und dies obwohl in der Schweiz Getreide im grossen Stil, näm-lich auf einer Fläche, welche dem Kanton Luzern entspricht, angebaut wird.

Flächenmässig stellt Getreide in der Schweiz die wichtigste Ackerkul-tur dar, trotzdem reicht das Getreide nicht aus, um die Schweizer Bevölke-rung zu versorgen. Zwei Drittel davon werden als Futtermittel und somit indirekt für die Fleisch- und Milch-produktion verwendet. Es kommt dazu, dass in den letzten Jahren die Anbauflächen für Brot und Futter-getreide und somit auch die Erträge stetig abgenommen haben. Um den wachsenden Bedarf zu decken ist die Schweiz zunehmend auf den Import angewiesen: Jährlich werden knapp eine halbe Million Tonnen Weizen als Nahrungs- und Futtermittel in die Schweiz eingeführt.

Diese starke Konzentration des Getreideexports hat weitreichende Folgen. Aufgrund einer Jahrhun-dertdürre im Jahr 2010 sanken die Weizenerträge in Russland auf fast die Hälfe der Vorjahre zusammen. Der daraus resultierende Exportstopp führte zu einer massiven Steigerung der Weizen- und Brotpreise weltweit – mit schwerwiegenden Folgen für Länder, in denen ein Grossteil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben wird.

Die hohe Abhängigkeit vieler Län-der von Getreideimporten birgt ein Risiko, was zum einen die Ernäh-

▲ Wegen einer Jahrhundertdürre sind die Weizenerträge im 2010 gesunken. Als Folge haben sich die Weizenpreise zwischen Juli 2010 und August 2011 hat sich der Preis fast verdoppelt (Preise in USD pro Tonne). (Quelle: http://data.worldbank.org/data-catalog/commodity-price-data)

▲ Getreideanbau und Import in der Schweiz in Tonnen. In der Schweiz wird Getreide auf einer Fläche welche dem Kanton Luzern entspricht angebaut. Diese Fläche hat in den letzten Jahren stetig abgenommen. Heute wird die Hälfte unseres Getreidebedarfs durch den Import gedeckt. (Quelle: Swissgranum)

▲ Weizen gehört zu den wichtigsten Importprodukten der Schweiz. Der Grossteil kommt hierbei aus den Nachbarländern Deutschland (40 %), Frankreich (20 %) und Österreich (10 %). Aber auch Kanada (20 %) und USA (5 %) gehören zu den wichtigsten Lieferanten für unse-ren Weizenkonsum. (Quelle: FAOSTAT)

rungssicherheit, aber auch die poli-tische Stabilität betrifft. In Ägypten, dem weltweit grössten Weizenim-porteur, schossen die Brotpreise 2010 in die Höhe. Dies mündete in einer Krise, welche letztendlich zum politi-schen Umsturz und dem «Arabischen Frühling» führte.

Die Förderung inländischer Pro-duktion, vor allem in den sogenann-ten Entwicklungsländern, ist daher ein wichtiger Schritt für eine nach-haltige Entwicklung. Doch wie ver-hält es sich in der Schweiz? Auch wir sind auf grosse Getreideimporte an-gewiesen. Aufgrund der beschränk-ten Landressourcen ist ein Ausbau der Anbaufläche schwierig. Zwar konnten die Erträge pro Fläche, wel-

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Zwischen 1 und 10 %

Zwischen 10 und 25 %

Zwischen 25 und 100 %

◀ Meist importierte Landwirtschafts-produkte der Schweiz (2011) in Ton-nen. Getreide oder Getreideprodukte dunkel. (Quelle: FAOSTAT)

che in der Schweiz im Vergleich sehr hoch sind, noch gesteigert werden, jedoch sind auch hierbei natürliche Grenzen gesetzt. Eine Möglichkeit ist die Reduktion der Anbauflächen für Futtergetreide zugunsten von Brot-getreide. Dies setzt, sofern man eine Verschiebung der Importe vermei-den möchte, eine Senkung des inlän-

dischen Fleischkonsums oder eine Reduktion der Milchexporte voraus. Individuelle Verhaltensänderungen und politische Massnahmen wären hierfür erforderlich.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Geography of Food, Isabel Jaisli,

[email protected]

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Ernährung 5Sommer 2014 / GräserLandexpress

Können Lebensmittel schon bald zu Hause gedruckt werden?

Das dreidimensionale Drucken hat schon lange den Weg aus den Science Fiction Filmen in die Realität gefunden. Seit meh-reren Jahrzehnten wird diese Technologie in der Industrie angewandt. Durch einen neuen Hype und viel Innovation sind die Drucker nun auch für Bastler und Hobby-Designer erschwing-lich. Mit diesen Geräten und dem richtigen Material lassen sich Gegenstände herstellen, die mit anderen Verfahren nicht möglich sind.

Dreidimensional Drucken? Das funk-tioniert, in dem man das Objekt Schicht für Schicht aufbaut. In einem Pulverdrucker wird das Objekt durch punktuelles Schmelzen oder Verkle-ben mit einem Bindemittel aufgebaut. Sehr ähnlich funktioniert die Ste-reolithographie, wo eine Flüssigkeit durch einen Lichtstrahl ausgehärtet wird. Eine andere Methode ist eine Art gesteuerte Heissleimpistole, wel-che in die Höhe baut.

Projekte an der ZHAWAuch die ZHAW forscht an der Ent-wicklung der 3D-Drucker mit. Am In-stitut für Lebensmittel- und Getränk-einnovation werden Methoden zum

◀ Beim 3D-Metalldrucken wird eine dünne Schichte Puder aufgetragen. Ein La-ser schmilzt dieses an den richtigen Stellen. Dieser Prozess wird wiederholt, bis das ganze zu druckende objekt Schichtweise aufge-baut wurde. (Quelle: www.photoshape.ch)

▲ Lassen sich mit dem 3D-Drucker, wie hier dem ‹MakerBot Replicator 2› in Zu-kunft nicht nur solch komplexe Figuren, sondern auch ganze Pizzas drucken? (Quelle: www.urbantimes.co)

Druck von Lebensmitteln erprobt, be-gonnen mit Zucker. Ziel ist es schluss-endlich, Foodwaste, also Lebensmit-telabfälle wie z. B. fein vermahlenes Altbrot mit diesem Verfahren wieder lecker aussehen zu lassen. Essen Sie Insekten? Nein? Und wenn Insekten-proteine mit anderen Nährstoffen in einer einzigartigen Form auf einmal doch appetitlich aussehen? In einem weiteren Projekt werden nachhaltige Rohstoffe gesucht, um die Umwelt-belastung durch 3D-Modelle aus der Architektur zu minimieren. Auch in der Medizin findet die 3D-Technologie Einzug oder im Leichtbau von tech-nischen Komponenten für Fahr- oder Flugzeuge. Wir sind gespannt, was sich in den nächsten Jahren noch al-les aus dieser Technologie entwickelt!

Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation:

Philipp Aus der Au, [email protected]

Es wird engWir verfügen über 148 000 000 km 2 Land auf dieser Welt, wovon etwa ein Zehntel landwirtschaftlich genutzt wer-den kann. Davon gehen jährlich 5 bis 10 Millionen Hektaren we-gen Verstädterung, Bodenerosi-on und Verwüstung verloren.

Allein in der Schweiz reduziert sich die Land- und Alpwirtschaftsfläche pro Sekunde um 1.27 m2. Grund dafür ist vor allem die wachsende Bevölkerung mit ihren Wohnungen, Einkaufszent-ren und Sportanlagen. Auch weltweit ist die Abnahme von landwirtschaftli-chem Land oft auf die Ausbreitung der Wohnfläche zurückzuführen.

Trotz dieser Verluste ist die Welt-ernährungsorganisation FAO zuver-sichtlich. Zwischen 1960 und 1990 sei

die Fläche an Kulturland um ledig-lich 11 % gestiegen, während sich die Bevölkerung verdoppelt habe. Doch gleichzeitig sei auf weniger Fläche mehr Ernte erzielt worden, so dass die Lebensmittelpreise gesunken und die Ernährung besser geworden sei. Damit diese hohen Erträge auch in Zukunft, unter erschwerten klima-tischen Bedingungen, gewährleistet sind, braucht es weitere Forschung und sinnvolle gesetzliche Rahmenbe-dingungen. bape

Bericht der FAO (englisch):

http://www.fao.org/docrep/004/y3557e/y3557e08.

htm#TopOfPage

Zahlen des Bundesamtes für Statistik zur regelmäs-

sig durchgeführten Arealstatistik:

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/the-

men/02/03/blank/data/gemeindedaten.html!

▲ Bodennutzungswandel in m2 pro Se-kunde 1979 / 85 – 1992 / 97. (Quelle: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/the-men/02/03/blank/data/gemeindedaten.html)

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Kurznachrichten

Weniger Europäer, Russen und ChinesenDie UNO geht davon aus, dass im Jahr 2100 fast 11 Milliarden Menschen le-ben werden. Doch während die Be-völkerung in Entwicklungsländern wächst, nimmt die Zahl der Menschen in Europa ab – von heute 742 Millionen auf 639 Millionen. Die Schweiz macht diesen Trend nicht mit. Hier wird mit fast 13 Millionen Menschen im Jahr 2100 gerechnet! Das grösste Wachstum findet in Af-rika statt: von heute 1.1 Milliarden Menschen auf knapp 4.2 Milliarden Menschen 2100. Chinas Bevölkerung stagniert, Indiens wächst und Japans und Russlands Bevölkerungszahlen schrumpfen – doch ob Wachstum oder Rückgang, beide Szenarien bringen grosse gesellschaftliche Herausforde-rungen mit sich. Tagesanzeiger, Datenblog

Rezepte mit altem Brot

PANZANELLA – ITALIENIScHER BRoTSALAT

6 reife, aromatische Tomaten

1 gelbe Peperoni

½ Salatgurke, geschält

4 bis 5 Scheiben altes Brot

1 Zwiebel

1 Knoblauchzehe

einige Basilikumblätter

8 Esslöffel olivenöl

4 Esslöffel Rotweinessig

Salz & Pfeffer

Wahlweise: 1 Esslöffel Kapern, einige schwarze

oliven, Ruccola, Sardellenfilets

Rinde vom Brot abschneiden, wür-feln, in eine Schüssel geben und mit wenig kaltem Wasser befeuchten. Tomaten, Peperoni und Gurken in mundgerechte Stücke schneiden. Zwiebeln würfeln, Knoblauch durch Presse drücken, Basilikum in Streifen schneiden. Alles zum Brot geben, Olivenöl & Rotweinessig darüber giessen, mit Salz und Pfeffer ab-schmecken und alles gut mischen. Wahlweise einige Kapern, Oliven, Ruccolablätter oder kleingeschnitte-ne Sardellenfilets beigeben. Vor dem Servieren etwa 30 Minuten ziehen lassen.

Power

Power desposition Laser desposition

Laser

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6 Sommer 2014 / GräserLandexpressErnährung

Vegetarisch essen ist gesünder für die UmweltEssen verursacht fast ein Drittel der Gesamtumweltbelastung einer durchschnittlichen Privatperson in der Schweiz. Denn bis die Gemüsela-sagne auf dem Tisch steht, muss ein Bauer Gemüse und Getreide anbauen, muss düngen und die Pflanzen vor Insekten und Krankheiten schüt-zen. Die Ernte wird transportiert, zu Teigwaren verarbeitet oder direkt in den Laden gebracht. Und dann muss die Lasagne noch gekocht werden. Wenn man alle diese verschiedenen Faktoren einrechnet, so ist die Ge-samtumweltbelastung eines Rinds-schmorbraten (ca. 10 000 Umwelt-belastungspunkte*) fast viermal so hoch, wie die der Gemüselasagne (ca. 2700 Umweltbelastungspunkte).Ganz allgemein kann man sagen, dass

Umweltbelastungspunkte

In einer Ökobilanz werden alle Stoff- und Energieflüsse und damit die Belastungen für Boden, Wasser und Luft bestimmt. Diese ver-schiedenen Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen müs-sen entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet werden, damit sie direkt miteinander verglichen werden können. Alle diese gewichteten Belastungen zusammen werden in der vom Bundesamt für Umwelt veröffentlichten Methode der ökologischen Knappheit 2006 als «Umweltbelastungspunkte» (UBP) bezeichnet. Dank dieser einzelnen Kennzahl, können die verschie-denen ganz unterschiedlichen Umweltbelastungen miteinander verglichen werden.

Fleisch- und Fischmenüs die Umwelt deutlich stärker belasten als vegetari-sche Menüs. bape

Wenn Sie bei Ihrer Ernährung auch auf die

Umwelt achten wollen, so essen Sie ab und zu

vegetarisch und vermeiden Sie Produkte, welche

mit dem Flugzeug transportiert werden. Damit

erreichen Sie die grössten Einsparungen!

Stucki M., Jungbluth N. und Flury K. (2012): Ökobi-

lanz von Mahlzeiten: Fleisch- & Fischmenüs versus

vegetarische Menüs. In: 6. Ökobilanzplattform

Landwirtschaft: Ökologische Bewertung von Fleisch.

ESU-services GmbH, Uster.

Wie stark belastet mein privates Konsumverhal-

ten die Umwelt und wie kann ich die Belastung

verringern? Eine Studie derselben Firma beant-

wortet diese Fragen:

Jungbluth N., Itten R. und Stucki M. (2012):

Umweltbelastungen des privaten Konsums und

Reduktionspotenziale. ESU-services Ltd. im Auftrag

des BAFU, Uster.

http://www.esu-services.ch/fileadmin/download/

jungbluth-2012-Reduktionspotenziale-BAFU.pdf

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Erneuerbare Energien: Matthias

Stucki, [email protected]

Rindsschmorbraten Burgunderart mit Pommes FritesBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

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Andere 27010106

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5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

Rindsschmorbraten Burgunderart mit Pommes Frites

Treibhausgasemission: 5.1 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Bern, 127 km)

Lachsfilet mit Salzkartoffeln und Gurkensalat

Treibhausgasemission: 3.2 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Basel, 84 km)

◀ Ökobilanz verschiedener Gerichte in Umweltbelastungspunkten (UBP) (blau = Bodenschadstoffe, Grün = Luftschadstoffe, gelb = Wasserschadstoffe, rot = Ressourcen, violett = Andere. Illustrationen: Lars Baggenstos)

Pouletschenkel mit Zucchetti und PommesBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

400016207602760

Andere 2209360

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

Pouletschenkel mit Zucchetti und Pommes

Treibhausgasemission: 2.9 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Glarus, 72 km)

Gemüsecurry mit ReisBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

1510650320490

Andere 1303100

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

Gemüsecurry mit Reis

Treibhausgasemission: 1.7 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Frauenfeld, 40 km)

Gemüselasagnemit Salzkartoffeln und Gurkensalat

Treibhausgasemission: 1.3 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Zug, 30 km)

RisottoBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

1620650320270

Andere 1302990

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

GemüselasagneBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

1570430320430

Andere 1102860

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

RisottoBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

1620650320270

Andere 1302990

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

Pouletschenkel mit Zucchetti und PommesBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

400016207602760

Andere 2209360

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

RisottoBodenschadstoffeLuftschadstoffeWasserschadstoffeRessourcen

1620650320270

Andere 1302990

0

2750

5500

8250

11000

Bodenschadstoffe LuftschadstoffeWasserschadstoffe RessourcenAndere

Risotto mit Parmesan

Treibhausgasemission: 1.6 kg co 2 -Äquivalent (entspricht einer Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Frauenfeld, 40 km)

Kurznachrichten

Aus Hirten und Händler werden Bauern

Nomadische Hirten haben entlang der Seidenstrasse bereits 2800 Jahre vor Christus Handel getrieben und wurden dabei langsam zu Bauern. Die Seidenstrasse ist somit mehr als 2000 Jahre älter als bisher angenommen und spielte eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Getreide zwischen

China und Südwestasien. Dies konn-ten Forschende einer Universität in Missouri zeigen. Im Hochland von Kasachstan fanden sie Körner von Weizen und Hirse, welche aus dem Zeitraum um 2800 – 2300 vor Christus stammten.Quelle: Nature

Alltagstipps

«Vermeiden Sie Pro-dukte, die mit dem Flugzeug in die Schweiz kommen. Diese be-lasten die Umwelt viel stärker, als alle anderen Produkte!»

Sprichwörter und Volksmund

Der Vegetarier altert beruhigt. Wenigstens weiss er, wie man ins Gras beisst.

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Ernährung 7Sommer 2014 / GräserLandexpress

Rezepte mit altem Brot

ToRTA DI PANE – TESSINER BRoTToRTE

1 Handvoll Sultaninen

1 kg Brotreste

1 l Milch

100 gr Zucker

1 Päckli Vanillezucker

100 g Schokoladenpulver

1 Handvoll Pininekerne

Zesten von 1 Biozitrone

1 Schnapsglas Grappa

Sultaninen für 2 bis 3 Stunden im Grappa einweichen. Brot in Würfel schneiden und in eine grosse Schüssel geben. Milch mit Zucker und Schokoladenpulver glattrühren und zusammen erhitzen. Die heisse Schokoladenmilch über die Brotwürfel giessen. Sultaninen (zusammen mit Grappa), die Pinienkerne, die fein geschnittenen Zitronenschalen dazugeben und alles gut verrühren. 2 h ziehen lassen. Eine Tortenform mit Butter einfetten. Die Masse hineingeben und bei 180 bis 200°C im vorgeheizten Backofen, auf der untersten Rille, während ca. 60 Min. backen. Ab und zu mit der Messerspitze kontrollieren, ob die Torte noch weich ist. Tipp: Torte schmeckt am besten am folgenden Tag.

▲ Zunahme in Prozent der Landnutzung für Acker-und Weideland von 1700 bis 2000 (Bild- und Textquelle: Bill Rankin mit den Daten von Navin Ramankutty and Jonathan Foley, 2011 – aus: Food: An Atlas; www.guerilliacartographie.net)

Während den letzten dreihundert Jahren, hat sich die Landwirtschaft immer weiter ausgebreitet und wur-de immer weiter intensiviert. Zudem wurden verschiedene neue Anbauge-biete erschlossen, welche vorher noch unberührt waren: die grossen Prärien der USA und Kanada Ende neunzehn-tes Jahrhundert, Argentinien im frü-hen zwanzigsten Jahrhundert und, in den letzten Jahrzehnten, Südbrasilien und Zentralindien. Ein Rückgang der Landwirtschaft ist zwar selten, doch konnte dieser im Osten von China, in Nordfrankreich oder im Süden der USA nach dem zweiten Weltkrieg be-obachtet werden.

Daraus lassen sich zwei wichtige Folgerungen ziehen: Erstens, die Re-volution, welche durch neue Trans-portmöglichkeiten ausgelöst wurde, ist noch lange nicht abgeschlossen. Grosse Zonen in Afrika, Südamerika und Südostasien könnten in Zukunft als Kulturland genutzt werden. Um diese Regenwald-Gebiete zu schützen, ist die Intensivierung der Landwirt-schaft auf den bereits kultivierten Flächen unumgänglich. Zweitens, da bereits in vielen Gebieten das Land zu 100 % agrarisch genutzt wird, wäre eine Einteilung nach Art und Inten-sität der Nutzung sinnvoller als eine Unterscheidung von urban und länd-lich. Zudem könnte man analog wie in Städten auch in der Landwirtschaft neue Verdichtungsstrategien analy-sieren.

Wir ernten die Welt1700

0% 25% 50% 75% 100%

1800

1900

2000

1850

1950

Zitat im Abfalleimer

Für die Produktion der Lebensmittel, die vom Feld bis zum Teller ver­loren gehen, wird mit Schweizer Produktionsver­hältnissen eine Fläche von rund 3500 km2 benötigt, was zwei Mal die Fläche des Kan­tons Zürich aus­macht.

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8 Sommer 2014 / GräserLandexpressErnährung

Gräserkrankheiten, die Geschichte schriebenNicht nur heute, sondern seit langer, langer Zeit spielen Pflan-zenkrankheiten in der Geschich-te der Menschheit eine wichtige Rolle. Besonders auch Krank-heiten auf Getreide prägten unsere Entwicklung.

Erste schriftliche Erwähnungen von Getreidekrankheiten finden sich schon um 1700 v. Chr. im sumerischen Bauernalmanach. Auch im alten Tes-tament in Amos 4:9 sind Brandpilze erwähnt: « ‹Ich plagte Euch mit dürrer Zeit und mit Brandkorn…; dennoch be-kehrt ihr euch nicht zu mir› , spricht der Herr». In dieser Zeit wurden Pflanzen-krankheiten also noch als eine Strafe Gottes angesehen; diese weitverbrei-tete Ansicht verschwand erst Jahr-hunderte später. In der römischen Kultur wurden den Rostpilzen auf Getreide eigene Gottheiten gewidmet; Robigus und Robigo. Die Robigalia war eine Zeremonie in der römischen Kultur, um Getreide vor Krankheiten zu schützen. Diese wurde während rund 1700 Jahren praktiziert. Doch nicht nur Götter sollten den Pflanzen helfen gesund zu bleiben, sondern auch Heilige sind stark mit Pflanzen-krankheiten verbunden.

In diesem Zusammenhang steht sicher Sankt Antonius der Grosse im Zentrum. Im Mittelalter wurde die Bevölkerung vielfach durch Epide-mien von Mutterkorn drangsaliert. Dieses Pathogen führt nicht nur zu ei-nem Ertragsverlust (v. a. bei Roggen), sondern produziert sehr potente Toxi-ne, wie z. B. das Ergotamin, ein Stoff, welcher dem LSD entspricht. Dieses

Gift führt nicht nur zu Halluzinatio-nen, sondern in höheren Dosen auch zu einem extrem starken Brennen am ganzen Körper. Im schlimmsten Fall können auch ganze Körperteile, wie z. B. die Arme oder Füsse abfallen. Dieses Brennen wird auch Antonius-feuer genannt. Dem oben erwähnten Heiligen Antonius zu Ehren wurde im Jahre 1095 der Antoniusorden ge-gründet. Die Aufgabe dieses Ordens war, sich um die am Heiligen Feuer Erkrankten zu kümmern. Zu diesem Zwecke wurden Hospitäler errichtet, in denen die Erkrankten aufgenom-men und versorgt wurden. In diesen Spitälern wurden die Patienten mit Mutterkorn-freien Essen versorgt, so dass viele wieder gesund wurden. Nach einer knapp 700 jährigen Ge-schichte mit rund 370 Hospitälern in seiner Blütezeit, wurde dieser Orden in den Johanniterorden inkorporiert. In vielen Kirchen sind Abbildungen des heiligen Antonius und die durch Mutterkorn verursachten Gebrechen zu finden: was ziemlich schauerlich aussieht. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Isenheimer Altar aus den Jahren 1506 bis 1515. Doch nicht nur die direkten Krankheiten führten zu durch Mutterkorn verur-

sachte Tote. Mittlerweile wird ange-nommen, dass Hexenverbrennungen ursächlich auch auf kontaminiertes Getreide zurück zu führen sind. Nach einem Jahr schlechter Witterung war der Roggen, welcher die Hauptnah-rungsquelle der armen Bevölkerungs-schichten war, stark mit Ergotami-nen (LSD) verseucht. Dadurch waren ganze Talschaften buchstäblich lan-ge Zeit auf dem Trip. Dies führte bei vielen Personen zu verschiedensten Erscheinungen, was in einem Hexen-verfolgungswahn enden konnte. Es wurde auch schon diskutiert, ob die Gotteserscheinungen der heiligen Jo-hanna von Orleans durch Mutterkorn verursacht sein könnte; diese Theorie hat aber nicht sehr viele Anhänger. Ein kleines Beispiel eventuell durch Mutterkorn verursachten Hexen-verfolgungen bilden die Hexenpro-zesse von Salem im Jahr 1692. Diese bildeten den Beginn einer Reihe von Verhaftungen, Anklagen und Hin-richtungen wegen Hexerei in Neu-england. Im Rahmen dieser Prozesse wurden 20 Beschuldigte hingerichtet, 55 Menschen unter Folter zu Falsch-aussagen gebracht, 150 Verdächtigte inhaftiert und weitere 200 Menschen der Hexerei beschuldigt. Die Bedeu-

tung von Mutterkorn reicht bis in die heutige Zeit hinein, und zwar durch die Entdeckung des LSD zu medizini-schen Zwecken im Jahre 1943, durch den Schweizer Chemiker Albert Hof-mann. So wurde in der Anfangszeit dieses Medikaments und Droge in der Schweiz im Vertragsanbau Mut-terkorn für die chemische Industrie angebaut.

Auch heute noch führen Getreide-krankheiten zu schweren Schicksals-schlägen. In den 90er Jahren traten in den USA schwere Epidemien mit Getreidefusariosen auf. Aufgrund der daraus folgenden schweren ökonomi-schen Verluste begingen zahlreiche Farmer Selbstmord. Fusarium auf Ge-treide ist v. a. wegen der Produktion von Mykotoxinen ein grosses Prob-lem. Diese Gifte führen zu Erbrechen und zu einer Schwächung des Im-munsystems.

Seit einiger Zeit treibt ein neuer Stamm von Schwarzrost auf Getrei-de sein Unwesen. Dieser Stamm trat erstmals im Jahre 1999 in Uganda auf und heisst deshalb Ug99. Dieser Stamm breitet sich rasend schnell in Afrika und dem nahen Osten aus. Das Problem von Ug99 ist, dass nur die we-nigsten lokalen Sorten resistent gegen dieses Pathogen sind und deshalb die Ernährungssicherheit in den betrof-fenen Ländern nicht mehr gewähr-leistet ist. Es wird erwartet, dass sich dieses Problem weiter verschärfen wird, falls sich dieser Stamm weiter ausbreiten sollte (z. B. nach Indien).

Es gab auch Pläne Getreidekrank-heiten militärisch zu nutzen. So wur-de z. B. von den USA im Jahre 1953 eine Bombe gebaut, welche rund 250 kg Sporen von Schwarzrost enthielt. Dieses militärische Programm wur-de erst 1957 gestoppt. Die Angst, dass Pflanzenkrankheiten als Terrorwaf-fen benützt werden könnten ist in den USA, besonders seit den Anschlägen vom 11. September, immer noch vor-handen. Aus diesem Grunde wurde sehr viel Geld in die phytopathologi-sche Forschung gesteckt.

Doch Getreidekrankheiten haben nicht nur negative Effekte. Immerhin gibt es in einem Falle auch positives zu berichten; der Maisbeulenbrand kann kulinarisch verwendet werden.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Phytomedizin: Matthias Lutz,

[email protected]▲ Mutterkorn. (Illustriert von Margaret Senior, Quelle: www.dpi.nsw.gov.au)

▲ Detail des Isenheimer Altars – ein am Antoniusfeuer Leidender. (Quelle: Wikipedia)

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Ernährung 9Sommer 2014 / GräserLandexpress

TeffDas kleinste Getreide der Welt hat eine lange Geschichte

Es sieht aus wie ein Futtergras, mit seinen feinen Halmen und feinsten Ähren, so dass ich es vermutlich sel-ber als Getreide nicht erkannt hätte. Als mir eine junge Äthiopierin in der Nähe von Bahir Dar die Samen in die Hand streute, musste ich unwillkür-lich an den Arbeitsaufwand denken, den dieses kleinstsamige Getreide, eine Hirse, mit sich bringen muss, um das Fladenbrot herzustellen, das zu fast jeder Mahlzeit in Äthiopien gegessen wird. «Injera» wird dieses gesäuerte Fladenbrot genannt und die Hauptbestandteile sind Teffmehl und Wasser. In Europa, wo Teff nicht an-gebaut wird, ersetzt man ihn in äthi-opischen Restaurants mit Weizen, Roggen und zum Teil mit normaler Hirse. Teff schmeckt aber besonders, nussig und etwas herb und hat den grossen Vorteil zu den glutenfreien Getreiden zu gehören. Dies macht Teff auch für Zöliäkie-Geplagte in unseren Breiten interessant und hat in letzter Zeit auch Einzug in hiesige Bioläden gefunden.

Aber die Glutenfreiheit ist nicht der Grund für seine Beliebtheit in ganz Äthiopien. Teff ist in Äthiopien geboren, d.h. der geographische Ur-sprung von Eragrostis tef liegt genau hier (Harlan, 1975). Es wird vermutet, dass Teff schon 4000 Jahre v. Chr. in Kultur genommen wurde und damit zu einer der ersten domestizierten Ackerbaukulturen gehört. Angebaut als Tierfutter wird es zwar auch in angrenzenden ostafrikanischen Län-dern, jedoch nur in Äthiopien wer-den Teff-Samen als Nahrungsquelle für Menschen verwendet (Stewart & Getachew, 1962). Dabei gibt es weiss- bis rotsamige Sorten. Bei einem Tau-sendkorngewicht von 140 bis 400 mg kann man sich vorstellen, dass es für

ein Fladenbrot mehrere zehntausend Samen braucht. Warum also wurde im Laufe der Zeit nicht auf grössere Samen gezüchtet? Eine Vermutung ist, dass die Kleinheit der Samen für eine halbnomadische Lebensweise in Äthiopien sogar von Vorteil ist: Eine kleine Menge der Samen reicht aus, um die Felder anzusäen. Wenn man weite Strecken zu Fuss zurücklegen muss, sind Samen-Schwergewichte eher hinderlich. Gleichzeitig blüht und reift Teff in einer kurzen Zeit von drei Monaten, was bei unregelmässi-gen Regenfällen und ohne Bewässe-rungsmöglichkeit ein weiterer Vorteil der Kleinsamigkeit ist.

Für die äthiopischen Bauern ist Teff nach mehreren tausend Jahren heute noch eine der wichtigsten Kulturen, die sie zu einem guten Preis verkaufen können, da auch die Stadtbevölkerung nach wie vor das traditionelle Korn gegenüber Reis oder Mais bevorzugt.

Auch der Anbau hat sich praktisch nicht verändert. Nach wie vor werden der Anbau manuell und die Vermeh-rung von den Bauern selbst vorgenom-men. Einzig einen vermehrten Trend von den rot- zu den weisssamigen Sorten hat man in den letzten zehn Jahren festgestellt (Minten, Tamru, Engida, & Kuma, 2013). Teff und Inje-ra gehören also untrennbar zur Ge-schichte und Kultur von Äthiopien.

Harlan, J. R. (1975). Geographic patterns of variation

in some cultivated plants. Journal of Heredity, 66(4),

182-191.

Minten, B., Tamru, S., Engida, E., & Kuma, T. (2013).

Ethiopia's value chains on the move: The case of

teff. ESSP II Working Paper.

Stewart, R. B., & Getachew, A. (1962).

Investigations of the nature of inje-

ra. Economic Botany, (16.2), 127-130.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Geography of Food: Deborah

Scharfy, [email protected]

▲ Mit seinen feinen Halmen und Ähren sieht Teff eher aus wie ein Futtergras als wie ein Getreide. (Bild: Deborah Scharfy)

▲ Teff-Produkt aus dem Detailhandel (Bild: Dani Burkart)

▲ Teff wird in Äthiopien zu einem gesäuerten Fladenbrot verarbeitet, welches Teil fast jeder Mahlzeit ist. (Bild: Deborah Scharfy)

Alltagstipps

DIE 5 REGELN FÜR EINE NAcHHALTIGE ERNÄHRUNG

Essen Sie weniger tierische und mehr pflanzliche Lebensmittel.

Bevorzugen Sie regionale Pro-dukte aus umweltschonendem Anbau.

Achten Sie auf Gemüse und Früchte aus dem Freilandanbau und orientieren Sie sich daran, was gerade Saison hat.

Geniessen Sie Alkohol, Kaffee und Schokolade bewusst.

Kaufen Sie nur so viel, wie Sie auch brauchen.

Restaurant mit PioniergeistFrau und Herr Schweizer werfen im Jahr rund 100 kg Lebensmittel in den Abfall – meist unnötigerweise. Nun gehen einzelne Gastrobetriebe neue Wege bei der Abfallvermeidung: Im Bistro Dreieck in Zürich kommen fast ausschliesslich Biolebensmittel in den Kochtopf, die in den Geschäf-ten sonst im Abfall landen würden – weil die Verpackung beschädigt, das Gemüse etwas schrumpelig oder das Ablaufdatum knapp darüber ist. Das Dreieck will den Gästen zeigen, was aus Lebensmittelüberschüsse alles gemacht werden kann. Auch sonst zeigt sich das «Dreieck» Pioniergeist, das Essen zum Mittnehmen gibt es nur im Mehrweggeschirr und die Ser-vietten bestehen aus Stoffresten. trrr

www.buffetdreieck.ch

Gipfeli «frisch von gestern»So das Motto der Äss-Bar in Zürich. Die Äss-Bar holt in umliegenden Bä-ckereien Produkte vom Vortag ab und verkauft diese stark verbilligt in ihrem neuen Laden im Nieder-dorf. Im Unterschied zu Projekten in Deutschland und Frankreich verkau-fen sie auch sämtliche Produkte, wel-che die Bäckereien nicht verkaufen konnten, also auch Salate und Sand-wiches. trrr

www.aess-bar.ch

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Energie und Rohstoffe10 Sommer 2014 / GräserLandexpress

Photovoltaik-Anlagen anstatt Graslandschaften?Während die Schweiz im Som-mer Strom exportiert, muss im Winter etwa dieselbe Menge Strom importiert werden. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird einen zusätzlichen Pro-duktionsbedarf von Strom im Winterhalbjahr verursachen. Für die Energiewende sind deshalb erneuerbare Energien gefragt, welche einen möglichst hohen Anteil des Stromes im Winter erzeugen können. Dies spricht grundsätzlich für den Einsatz von Biomasse- und Windkraft-werken, aber auch für Photovol-taik im Gebirge?

Photovoltaik im Gebirge bringt hohen Anteil WinterstromPV-Anlagen im Schweizer Mitteland erzeugen etwa einen Drittel der Jah-resproduktion im Winter. Doch An-lagen im Gebirge erzeugen aufgrund von Reflexionen im Schnee, tiefen Temperaturen und fehlendem Hoch-nebel fast mehr Strom im Winter als im Sommer. Deshalb wird in der So-larbranche die Produktion von Strom mit grossen Photovoltaik-Anlagen im Gebirge diskutiert. Von weitem sichtbare Anlagen können den Cha-rakter von Landschaften ändern, was je nach Standpunkt positiv oder negativ beurteilt wird. Die Auseinan-dersetzung um geplante PV-Anlagen abseits von Gebäuden – sogenannte Freiflächen-PV-Anlagen – verläuft denn auch in der Regel emotional und wenig differenziert.

Tool zur Beurteilung der Nach-haltigkeit von Standorten für PV-Anlagen

Um diese Diskussionen zu versach-lichen, entwickelte die Forschungs-gruppe Erneuerbare Energien der ZHAW in Wädenswil einen Kriterien-katalog zur Beurteilung der Nachhal-tigkeit von PV-Anlagen. Damit kön-nen verschiedene Standorte in Bezug auf diverse Kriterien der Nachhaltig-keit miteinander verglichen werden. Die Kriterien beinhalten insbesonde-re ökologische, aber auch ökonomi-sche und soziale Aspekte. Der Anwen-dungsbereich umfasst PV-Anlagen auf freien Flächen, auf Gewässern, an Felswänden, aber auch an bestehen-der Infrastruktur (z. B. Lärmschutz-wände, Staumauern, Lawinenverbau-ungen, Skilifte).

Ziel: Standortwahl steuern anstatt ausgearbeitete Projekte bekämpfen

Behörden und Projektentwickler sollen das Tool bereits in einem frü-hen Stadium einsetzen, so dass die Nachhaltigkeitsbewertung bereits die Standortwahl und den Projektie-rungsprozess beeinflusst. Dadurch sollen aus der Sicht der Nachhaltig-keit ungünstige Standorte dank dem Tool gar nicht erst projektiert wer-den. Besser geeignete Projekte sollen mit Hilfe des Tools in Bezug auf die Nachhaltigkeit optimiert werden. Anhand von Netzdiagrammen wird dargestellt, in welchen Bereichen Verbesserungspotential besteht. Die untenstehenden Diagramme zeigen eine solche Beurteilung am Beispiel des Standortes Gräserland. Aufgrund

der Schwächen in den Bereichen Winterenergieanteil des Stromes und Sonneneinstrahlung macht ein Projekt auf der freien Fläche an die-sem Standort keinen Sinn.

Letztendlich können durch die Anwendung des Tools sowohl die Na-tur als auch die Wirtschaft profitie-ren: Die Projektentwickler ersparen sich den Aufwand für chancenlose Projekte und die Naturlandschaft bleibt eher vor störenden Eingrif-fen verschont, weil primär optimale Standorte und Projekte geplant und realisiert werden.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, For-

schungsgruppe Erneuerbare Energien: Jürg Rohrer,

[email protected]

▲ Als Beispiel hier der Solarpark Vogtsburg mit einer Fläche von 14 Hektaren (Quelle: Wikipedia)

▲ Im Bereich Raumentwicklung ergeben sich wenige Konflikte (links). Bei den technischen Aspekten der Nachhaltigkeit weist der Standort Gräserland gravierende Schwächen auf. Er eignet sich insbesondere wegen dem tiefen Winterstrom-Anteil und der nur durchschnittlichen Sonnenstrahlung nicht für eine Photovoltaik-Anlage auf der freien Fläche. Dieser Standort wird sinnvollerweise für andere Zwecke genutzt (Mitte). Schutz der Umwelt: Durch den Bau einer PV-Anlage würde fruchtbarer Boden belegt. Die teilweise Sichtbarkeit der Anlage beeinflusst die Qualität der Landschaft (rechts).

Kommunale Planung

Bundesplanung

Überortliche Planung

Auswirkungen auf Tourismus

Konflickte mit Ortsbildschutz

Konflikte mit Naherholung

Auswirkungen auf Wohnqualität

Wirkung auf Siedlungsgebiet

Landbeanspruchung

Infrastrukturbündelung

Gefährdung durch Naturgefahren und Witterung

Installationseignung Untergrund

Zufahrbarkeit Enfernung Netzanschluss

Winterenergieanteil

Gesamtfläche Solarmodule

Sonneneinstrahlung

Gewässerschutzbereich

Bodenschutz

Grundwasserschutz

Beeinträchtigung Flora

Beeinträchtigung Fauna

Wertvolle Biotope

Beeinträchtigung wertvoller Landschaften

Sichtbarkeit

Kommunale Planung

Bundesplanung

Überortliche Planung

Auswirkungen auf Tourismus

Konflickte mit Ortsbildschutz

Konflikte mit Naherholung

Auswirkungen auf Wohnqualität

Wirkung auf Siedlungsgebiet

Landbeanspruchung

Infrastrukturbündelung

Gefährdung durch Naturgefahren und Witterung

Installationseignung Untergrund

Zufahrbarkeit Enfernung Netzanschluss

Winterenergieanteil

Gesamtfläche Solarmodule

Sonneneinstrahlung

Gewässerschutzbereich

Bodenschutz

Grundwasserschutz

Beeinträchtigung Flora

Beeinträchtigung Fauna

Wertvolle Biotope

Beeinträchtigung wertvoller Landschaften

Sichtbarkeit

Kommunale Planung

Bundesplanung

Überortliche Planung

Auswirkungen auf Tourismus

Konflickte mit Ortsbildschutz

Konflikte mit Naherholung

Auswirkungen auf Wohnqualität

Wirkung auf Siedlungsgebiet

Landbeanspruchung

Infrastrukturbündelung

Gefährdung durch Naturgefahren und Witterung

Installationseignung Untergrund

Zufahrbarkeit Enfernung Netzanschluss

Winterenergieanteil

Gesamtfläche Solarmodule

Sonneneinstrahlung

Gewässerschutzbereich

Bodenschutz

Grundwasserschutz

Beeinträchtigung Flora

Beeinträchtigung Fauna

Wertvolle Biotope

Beeinträchtigung wertvoller Landschaften

Sichtbarkeit

Nachhaltigkeit: Raumentwicklung Nachhaltigkeit: Technik Nachhaltigkeit: Umweltschutz

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Energie und Rohstoffe 11Sommer 2014 / GräserLandexpress

Gras, ein Rohstoff mit ZukunftGras ist nicht nur Futter für Kühe. In Gras stecken wertvolle Rohstoffe wie cellulose-Fasern, Zucker, Aminosäuren und Milchsäure. Der weltweite Be-darf an Fasern steigt rasant an. Bestimmte Grasarten bergen ein Potential für Fasern, wel-ches auch hier in der Schweiz erschlossen werden kann.Moderne Biotechnologie kann aus den anderen Fraktionen der Gräser wichtige Rohstoffe und Energie gewinnen, – die chemi-sche Fabrik der Zukunft.

Das Prinzip ist recht einfach: Gras oder Silage wird mechanisch aus-gepresst. Aus diesem Presskuchen werden Fasern für technische Zwe-cke, z. B. Dämmmaterialien gewon-nen. Qualitativ hochwertige lange Fasern wie sie der Faserlein (Linum usitatissimum) aufweist, können zu spinnbarem Garn und schlussend-lich zu Textilien weiterverarbeitet werden. Enzyme helfen die Fasern zu reinigen, um eine Faserqualität zu erhalten, die der Baumwolle gleicht. Die beim Prozess anfallenden Rest-stoffe können in einer Biogasanlage

▲ 100 % ökologische Dämmplatten aus Gras. Ausgangsstoff ist Schweizer Wiesengras (Quelle: www.gramitherm.ch)

Grasraffinerie an der ZHAW

Die Fachstellen Umweltbiotech-nologie (Projektleiter Prof. Dr. Urs Baier, Dr. Rolf Warthmann, Lona Mosberger) und Ökotechnologie (Dr. Marianne Leupin, Dr. Frank Hartmann) der ZHAW untersuchen in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Fachhochschule Furtwangen in Deutschland (Projektleitung Prof. Dr.-Ing. D. Ringer) das Poten-tial der Grasraffinerie. Das Projekt «Bioraffinerie Regio Bodensee – Wertstoffe aus regionaler Biomas-se» wird von der Internationalen Bodensee Hochschule IBH mit 200 000 € gefördert. Schwerpunkte der Untersuchungen sind nachhal-tige, biotechnologische Verfahren und Produktionsmethoden von chemischen Grundstoffen und Faserprodukten, die sich durch eine hohe Energieeffizienz und sehr niedrigen Schadstoffausstoss auszeichnen.

▲ Biochemische Zusammensetzung des Grassaftes (Quelle: OÖ Bioraffinerie Forschung- und Entwicklung GmbH)

Milchsäure (35 %)

Aminosäu-re (28 %)

Zucker (20 %)

Asche (17 %)

Aminosäuren Milchsäure

Saftproduktion

Ionenaustauscher Elektrodialyse

Membranprozesse

ElementarfaserØ 4 – 10 nm

Technische Faser Ø 10 – 20 μm

BastfaserbündelØ 50 – 60 μm

FlachsstängelØ 2 – 3 mm

Bast

Holz

zu energielieferndem Methan ver-gärt werden. Der flüssige Presssaft, bis zu 500 Liter pro Tonne Grassila-ge, enthält die gelösten Substanzen (vor allem Zuckerarten, Milchsäure, Proteine und Aminosäuren), die che-misch getrennt werden können. Die-se Produkte finden in der Nahrungs-mittelherstellung, in Futtermitteln, der chemischen Industrie und in der Kosmetikherstellung ihre Ab-satzmärkte. Gelöste Substanzen, die nicht genutzt werden können, finden ebenfalls in einer Biogasanlage eine energetische Verwertung.Die gesamte Wertschöpfung der so genannten «Grasraffinerie» ist we-sentlich höher, als wenn man das Gras nur zur Tierfütterung verwen-det. Ein wichtiger Punkt der Grasraf-finerie ist die Nachhaltigkeit: Es wer-den keine fossile Ressourcen benötig, es fallen kaum giftige Emissionen an und nach Abzug des Eigenverbrauchs kann noch überschüssige, erneuer-bare Energie verkauft werden. Der ökologische Fussabdruck ist hervor-ragend!

Institut für Biotechnologie, Fachstelle Umweltbio-

technologie: Dr. Rolf Warthmann, rolf.warthmann@

zhaw.ch

▲ Abbildung zum Aufbau von Pflanzenfasern. (Quelle: Wikipedia)

▲ chemisch-technische Trennung von Aminosäuren und Milchsäure in Grassaft. (Quelle: OÖ Bioraffinerie Forschung- und Entwicklung GmbH)

GRASWELTEN

BBc-DokumentarfilmePlanet Erde Staffel 2 von Alastair Fothergill

Die Grasflächen der Erde ernähren mehr Wildtiere als jede andere Pflanze: seien es riesige Karibuher-den, die durch die arktische Tundra streifen, mongolische Gazellen oder Blutschnabelweber, die wie ein Heuschreckenschwarm über die afrikanische Savanne herfallen.Der Film folgt ausserdem Yaks über die tibetische Hochebene und zieht mit Tausenden von Bisons durch die nordamerikanische Prärie. Zu den Höhepunkten der Dokumen-tation gehört die Beobachtung eines grossen Löwenrudels in der afrikanischen Savanne. trrr

Zitat im Abfalleimer

Würde auf der Fläche, auf der heute überschüssi­ge Lebensmittel für den Abfall pro­ duziert werden, Bäume angepflanzt, so könnten diese theoretisch alle aus fossilen Energie­quellen stammen­den Treibhausgase kompensieren.

Alltagstipps

«Essen Sie öfters vegetarisch. Fleisch essen belastet die Umwelt.»

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Energie und Rohstoffe12 Sommer 2014 / GräserLandexpress

Was tanke ich heute – Benzin oder Bioethanol?Der Verkehr verursacht in der Schweiz 44 % der co 2 Emissio-nen. Deshalb ist die Idee, nach-wachsende Rohstoffe im Tank zu verbrennen, auf den ersten Blick attraktiv.

Doch zeigt sich, dass Biotreibstoffe der ersten Generation, also solche, die aus Nahrungsmitteln wie Raps, Mais oder Zuckerrüben stammen, gesamt-heitlich betrachtet selten besser sind als konventioneller Treibstoff. Zwar sind wie erwartet die Treibhausgas-Emissionen bei Biotreibstoffen zum Teil deutlich geringer, betrachtet man jedoch die gesamte Umweltbelastung wie die Überdüngung und Versaue-rung des landwirtschaftlichen Bo-dens oder der Biodiversitätsverlust wegen der Brandrodung von Regen-

waldflächen, zeigt sich, dass Biotreib-stoffe nicht besser sind für die Umwelt als herkömmliche Treibstoffe.

Allerdings gibt es grosse Unter-schiede in Bezug auf den Landver-brauch von verschiedenen Biotreib-stoffen. Mit einer Hektare Gras kommt man 72 000 Kilometer weit, doch mit Mais sind es nur 45 000 Ki-

Beispiele von Biotreibstoffen

Biodiesel ist ein Treibstoff, welcher aus dem Öl von Raps, Sonnenblu-men oder Soja oder in Südostasien aus Palmöl in einer chemischen Reaktion hergestellt wird. Dabei entsteht so genannter Methylester. In geeigneten Motoren kann gar di-rekt Pflanzenöl verwendet werden. Bioethanol entsteht aus von Hefen vergorenen Zuckern. Dieser wird vorwiegend aus stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzen wie Mais, Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Zuckerrohr hergestellt. Der gewonnene Alkohol wird anschlies-send in einer Destillation gereinigt. BTL-Kraftstoff (biomass to liquid) werden im Gegensatz zu Biodiesel und Bioethanol aus Biomasse, zum Beispiel aus Holz oder Stroh, und nicht aus Lebens-mitteln hergestellt. Sie sind somit Biotreibstoffe der ‹2. Generation›. Allerdings sind diese Verfahren heute noch nicht konkurrenzfähig und müssen noch weiter entwickelt werden. Biogase sind alle energetisch nutz-baren Gase, welche aus Biomasse hergestellt werden. Diese entste-hen bei der Vergärung von organi-schem Material wie Pflanzen, Gülle, Siedlungsabfälle, Klärschlamm oder Speisereste.

Neue Möglichkeiten

Einem Forschungsteam aus Texas ist es gelungen, eine Hefe so zu verändern, dass sie sehr erfolg-reich Zucker und Stärke in Fette umwandelt. Während Hefen unter speziellen Bedingungen bis jetzt maximal die Hälfte ihres Gewichtes in Form von Fett speichern konn-ten, so produzieren diese neuen Hefen bis zu 90 % Fett. Dieses Fett können die Forschenden leicht ernten und in einen Biotreibstoff ähnlich wie Biodiesel aus Soja umwandeln. Dies ist zwar ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu neuen, umweltver-träglicheren Biotreibstoffen, doch werden diese Hefen weiterhin mit Zucker gefüttert und stehen des-halb in direkter Konkurrenz zu un-serer Ernährung. Vielleicht gelingt es in Zukunft Hefen zu züchten, welche mit Stroh wachsen?

lometer. Wenn man alle Faktoren, welche eine Auswirkung auf die Umwelt haben, in Form einer Öko-bilanz einrechnet, also zum Beispiel auch mitberücksichtigt, dass Mais mehr Dünger benötigt als Gras, so ergibt sich ein ähnliches Bild: Mit Gras fahren ist sinnvoller als eine Benzinfahrt, während Ethanol aus

20 000 km/ha

40 000km/ha

60 000km/ha

80 000km/ha

100 000km/ha

120 000km/ha

200 UBP/km

400UBP/km

600UBP/km

800UBP/km

1000UBP/km

1200UBP/km

Elektro-Auto (Photovoltaik)

1 326 000 km/ha

208 UBP/km

Bio-Ethanol (Gras)

72 000 km/ha

235 UBP/km

Bio-Ethanol (Mais)

45 000 km/ha

757 UBP/km

282 UBP/kmBenzin

Bio-Gas (Silagemais)

62 000 km/ha

416 UBP/km

PflanzenölBio-DieselBio-Ethanol

Biogenes Methan

Kohlen-wasser-stoff/Ethanol

BTL- Verfahren

Pflanzliche Öle Zucker Ligno-Zellulose

▲ Biotreibstoffe werden aus verschiedenen Rohstoffen und mit unterschiedlichen Verfahren hergestellt.

◀ Energiebilanz: Kilo meter Leistung pro Umweltbelastungs- punkte (UBP) und Kilometer pro Hektare mit Biotreibstoffen im Vergleich zu konventionellem Treibstoff.

Mais die Umwelt gut dreimal mehr belastet als Benzin. In der Schweiz gelten deshalb strenge Vorschriften für Biotreibstoffe. Diese müssen vom Anbau bis zum Verbrauch mindes-tens 40 % weniger Treibhausgasemis-sionen erzeugen als fossiles Benzin, sie dürfen die Umwelt nicht erheb-lich mehr belasten als fossiles Ben-zin und der Anbau der erneuerbaren Rohstoffe darf die Erhaltung der Re-genwälder und der biologischen Viel-falt nicht gefährden. bape

Pressung, Extraktion

Alkoho-lische Vergärung

Vergärung

Veresterung(mit Methanol)

Reinigung/ co2-

Abtrennung

a) Vergasungb) Synthesegas- verflüssigung

Destillation

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Energie und Rohstoffe 13Sommer 2014 / GräserLandexpress

Biotreibstoffe – Nahrung im TankEigentlich sollte der Einsatz von Biotreibstoffen helfen, die hoch gesteckten Klimaziele zu errei-chen. Doch neue Studien zei-gen, dass Biotreibstoffe weniger nachhaltig sind als erwartet und sogar mitverantwortlich sind für die steigenden Preise von Grundnahrungsmitteln.

Weltweit wird heute bereits ein be-achtlicher Anteil der globalen Ge-treideproduktion für Biotreibstoffe eingesetzt. In den USA landet gar fast die Hälfte der gesamten Maisernte im Tank, welche deshalb nicht als Futter oder Nahrung zur Verfügung steht.

Neue Studien konnten zeigen, dass sich ein Viertel der Preissteigerungen bei den Lebensmitteln auf die Kon-kurrenz durch Biotreibstoffe zurück-führen lässt. Die dadurch erhöhten Lebenskosten treffen besonders die Menschen hart, welche fast ihren ge-samten Lohn für Nahrungsmittel aus-geben müssen. bape

▲ 7 % der weltweiten Getreideproduktion wird für Biotreibstoffe eingesetzt. (Quelle: OECD FAO Agricultural Outlook 2011 – 2020)

2001: cHF 0.80

2011: cHF 2.00

2011: cHF 1.60

Definition Biotreibstoffe

Biotreibstoffe sind nicht-fossile Brennstoffe, welche Energie aus organischem Material speichern. Biotreibstoffe können flüssig oder gasförmig sein und kommen in Verbrennungsmotoren zum Einsatz. Ausgangsstoffe sind nachwachsende Rohstoffe wie Ölpflanzen, Getreide, Zuckerrüben oder Holz.

Quellen angepasst: Green Facts und Wikipedia

Bericht des Bundesrates zu Biotreibstoffen:

http://biblio.parlament.ch/e-docs/366095.pdf

FAO Food Outlook, November 2012:

http://www.fao.org/docrep/016/al993e/al993e00.pdf

Cotula, L. et al., The global land rush, 2011:

http://pubs.iied.org/pdfs/17098IIED.pdf

Biofuel and Food-Commodity Prices, Agriculture

2012, 2, 272 – 281.

Ernährung48 %

Futter36 %

Biotreibstoff7 %

Anderes9 %

Rezepte mit altem Brot

APPENZELLER BRoTSUPPE

ca. 100 g altes Brot,

am besten dunkles oder Schwarzbrot

20 g Butter

1 grosse Zwiebel

1 Knoblizehe

1 Stängel Lauch

ca. 60 g Appenzeller Käse

7 dl Kräftige Bouillon

½ l Halbrahm

Pfeffer, Muskatnuss

Kümmel ganz oder gemahlen

Wahlweise: 40 g Speckwürfeli

Brot in 2 bis 3 cm grosse Würfel schneiden. Zwiebeln und Knoblauch schälen und hacken. Eine kräftige Bouillon bereitstellen. Lauch halbieren, waschen und in sehr feine Streifen schneiden. Appenzeller Käse raffeln. Brotwürfel in Suppentopf bei schwacher Hitze zunächst ohne Butter anrösten. Dann die Butter stückweise dazu-geben bis die Brotwürfel leicht Farbe annehmen. Die Speckwürfel beigeben, kurz mitdünsten. Lauch, Zwiebeln und Knoblauch dazugeben, andünsten, aber keine Farbe annehmen lassen. Mit der Bouillon auffüllen. Kümmel und Pfeffer nach belieben beigeben. Einmal Aufkochen lassen, vom Herd nehmen damit sich das Brot vollsaugen kann (ca. 10 min.). Mit Schneebesen kräftig durchmischen. Aufkochen, Rahm dazugeben. Abschmecken. Anrichten, mit Appenzeller Käse bestreuen.

Zitate im Abfalleimer

Die Menge Wasser, welche zur Produk­tion der weggewor­fenen Nahrungs­mittel eingesetzt worden ist, würde ausreichen, um den täglichen Wasserbe­darf (rund 200 l pro Person) von 9 Mil­liarden Menschen zu decken. Dies entspricht der Welt­bevölkerung, welche erwartungsgemäss im Jahr 2050 auf unserem Planeten leben wird.

▲ Biotreibstoffe tragen zu Preiserhöhungen bei Nahrungsmitteln bei. Zahlenbeispiel: Hätten wir im 2001 einen Stapel Tortillas noch für 80 Rappen kaufen können, so kostet dieser im 2011 bereits 2 Franken. ohne den Verbrauch von Mais als Biotreibstoff müssten wir nur 1.60 Franken für die Tortillas bezahlen.

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14 Sommer 2014 / GräserLandexpressKulturgeschichte

Zuckerrohr − süsse DrogeNoch vor rund 150 Jahren war Zucker den wohlhabenden Gesellschaftsschichten vorbe-halten. In den letzten Jahren hat sich der Zuckerkonsum auf das Zwanzigfache gesteigert und steht mittlerweile als‹ moderne Volksdroge› unter Kritik.

Zuckerrohr stammte ursprünglich aus Neuguinea und gelang im 5. Jahrhun-dert n. Chr. nach Indien und Persien. Den Arabern gelang es, ein dem heuti-gen Zucker ähnelndes Produkt herzu-stellen und brachten die Produktion um 600 n. Chr. in den Mittelmeerraum.

Um 1000 n. Chr. diente Zucker in Mitteleuropa vorerst als Gewürz und Medikament. Er wurde in die Augen geträufelt, auf offene Wunden ge-streut und als Allerheilmittel einge-nommen. Die Königs- und Fürsten-häuser würzten ihre Speisen bereits mit Zucker, während die Bevölkerung weiterhin mit Honig süsste. 1 kg Zucker hatte damals den Wert von 100 kg Weizen.

Vom Sklavenhandel zum Grund-nahrungsmittelEnde des 15. Jahrhunderts brachte Christoph Kolumbus aufgrund der stei-genden Nachfrage das profitträchtige Zuckerrohr auf die Karibischen Inseln.

Im tropischen Klima wuchs die Pflan-ze optimal. In der Folge wurde Zucker-rohr in riesigen Plantagen angebaut und nach 9 bis 13 Monaten in strenger Handarbeit geerntet. Danach wurde der Saft aus den Stängeln ausgepresst und über grosse Feuerstellen eingedickt. Hunderttausende afrikanische Sklaven schufteten im 17. und 18. Jahrhundert unter unmenschlichen Bedingungen auf den Zuckerplantagen Mittel- und Südamerikas. Dafür war Zucker in Mit-teleuropa nun in grösseren Mengen erhältlich und die gehobenen Gesell-schaftsschichten begann damit Ge-tränke wie Kakao, Kaffee und Tee mit Zucker zu süssen, was zu einer völlig neuen Geschmackskultur führte, die bis heute anhält.

Erst durch die Entdeckung des Zu-ckergehalts der Runkelrübe 1747 durch den Chemiker und Apotheker Andreas Sigismund Marggraf entwickelte sich Zucker zum günstigen Alltagsgut. Seinem Schüler Achard gelang es, die ‹Runkelrübe› durch gezielte Züchtung in eine ‹Zuckerrübe› zu wandeln und

um 1800 wurde die erste Zuckerrüben-fabrik in Schlesien errichtet.

Und heute?Heute stammen vier Fünftel der Welt-zuckerproduktion vom Zuckerrohr und ein Fünftel aus der Zuckerrübe. Beide Zuckersorten sind chemisch identisch. Die Weltzuckerproduktion betrug 2013 rund 180 Millionen Tonnen. Das aktuell führende Anbauland ist Brasilien.

Als Restprodukt der Zuckerge-winnung bleibt die «Bargasse» übrig. Diese wird als Brennstoff, Werkstoff, Papiergrundstoff oder Viehfutter ge-nutzt. Aus Zuckerrohr gewonnener Alkohol dient heute auch als Kraft-stoff für Autos und wird als Bioetha-nol gehandelt, was soziale und ökolo-gische Folgen hat.

In der Schweiz werden durch-schnitt 44 kg Zucker pro Jahr konsu-miert, dass sind rund 120 g Zucker pro Tag. Die Weltgesundheitsorgani-sation (WHO) empfiehlt 50 g Zucker pro Tag, da Zucker unter anderem zu Fettleibigkeit und den damit verbun-

Zuckerrohr (Saccharum officina-rum) gehört zur Familie der Süss-gräser, wird bis zu 6 m hoch und kann durch Stecklinge vermehrt werden. Im Halminnern der Pflanze sind 9 bis 16 % kristallisations-fähiger Zucker gespeichert. Die Pflanze gedeiht in subtropischen und tropischen Gebieten bei einer gleichmässigen Wärme von 25 bis 28°C. Nach dem Abschneiden der Rohre wächst die Pflanze nach und kann so mehrmals geerntet werden.

▲ Zuckerrohrfeld auf Madeira. (Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sugar_cane_madeira_hg.jpg)

denen Herz- Kreislauf-Erkrankungen führt. Zucker ist heute omnipräsent nicht nur in Süssgetränken und Back-waren sondern auch in Wurstwaren, Fertigsaucen, Beutelsuppen und Ge-würzmischungen. Ganz auf Zucker verzichten, ist bestimmt nicht nötig, aber es macht Sinn den Konsum et-was bewusster zu gestalten. Vielleicht helfen dabei folgende Hand-lungsideen: •Zuckerangaben auf den Packungen

konsultieren. •Zuckerfreie Wochen einplanen. •Früchte, Dörrobst, Gemüse als Zwi-

schenverpflegung.•Andere Süssungsmittel wie Honig,

Agavendicksaft, Palmzucker oder Stevia ausprobieren.

Die Weltgeschichte der Pflanzen, Wolfgang Seidel

Genussmittel, ein kulturgeschichtliches Handbuch,

Th. Hengartner, Ch. M. Merki

Zwiebel, Safran, Fingerhut − 50 Pflanzen, die unsere

Welt verändert haben, Bill Laws

TERRA WZG-Online, Ernst Klett-Verlag

www.isosugar.org

IMPRESSUM

HERAUSGEBERIN AG Gräserland, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW Wädenswil (Projektleitung: Regula Treichler); [email protected] Petra Bättig (bape), Flavia da Costa (daco), Reto Hagenbuch (habu), Axel Heinrich (hnal), Daniel Hepenstrick (hepe), Isabel Jaisli (jais), Thomas Kimmich (kimm), Matthias Lutz (lutm), Urs Müller (murr), Matthias Riesen (rima), Jürg Rohrer (rohu), Deborah Scharfy (scaf), Regula Treichler (trrr), Moritz Vögeli (voem), Rolf Warthmann IBT, Philipp Aus der Au ILGIGRAFIKEN Daniel Burkart, Stefanie Jakob, Erich StutzLAyoUT Erich StutzDRUcK CO2-kompensiert auf 100 %-Recyclingpapier, Theiler Druck AGAUFLAGE 1000

Sprichwörter und Volksmund

Auf dem Weg den viele gehn, wächst kein Gras.

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15Sommer 2014 / GräserLandexpress Kulturgeschichte

Papyrus − Beschreibstoff der AntikeFelsmalereien geben Hinweise über das Leben der damaligen Menschen, aber erst die Erfin-dung der Schrift und eines Be-schreibstoffes ermöglichten den Übergang von der Vorgeschich-te zur schriftlich überlieferten Geschichte.

Für die alltägliche Verwaltungsarbeit des Staates entwickelten die Ägypter parallel zur kunstvollen Hierogly-phenschrift eine Kursivschrift. De-ren Anwendung erforderte eine gut beschreibbare und in grossen Men-gen zur Verfügung stehende Schreib-grundlage. Alle diese Anforderungen erfüllte der Papyrus (Cyperus papyrus), welcher damals üppig in den Sumpf-gebieten entlang des Nils wuchs.

Die Herstellung von PapyrusUm Papyrus herzustellen, wurden Streifen aus dem Mark der Pflanzen-stängel geschnitten und kreuzweise übereinander gelegt. Die Lagen wur-den mit einem Tuch abgedeckt und

mit einem Schlegel gequetscht. Der dabei austretende Stärkesaft verkleb-te die einzelnen Streifenlagen. Nach dem Trocknen wurde der Papyrus zu-geschnitten und mit Steinen glattge-schmirgelt. Für längere Texte wurden mehrere Papyrusblätter mit dem Pflan-zensaft verklebt und zu Papyrusrollen aufgewickelt. Die grösste Sammlung von Papyrus-Buchrollen befand sich in der königlichen Bibliothek von Alexan-dria. In den über 700 000 Papyrusrollen war ein Grossteil des gesamten Wis-sens der griechischen und ägyptischen Antike aufgeschrieben. Papyrusblätter zählten zu den wichtigsten Grabbei-gaben und sind heute deshalb noch in gutem Zustand erhalten.

ExportgutPapyrus war auch ausserhalb Ägyp-tens sehr beliebt und wurde neben dem Getreide zu einem wichtigen Exportgut. Die Produktion und der Handel zählten zu den Monopolen des königlichen Schatzhauses bis Papy-rus im 2. Jahrhundert v. Chr. durch Pergament ersetzt wurden.

Wusstest du, dass... ... die längste heute noch erhaltene Pa-pyrusrolle 41 m misst und sich im Briti-schen Museum in London befindet? bape

www.schuelerlexikon.de

Zwiebel, Safran, Fingerhut − 50 Pflanzen, die unsere

Welt verändert haben, Bill Laws

Papyrus (Cyperus papyrus) gehört zur Gattung der Zypergräser. Das Sumpfgras wird etwa 2 bis 5 m hoch. Die heute in Ägypten fast ausgerottete Art prägte das Bild der altägyptischen Flusslandschaft von der Südgrenze bis zur Nilmün-dung.

▲ Papyrus (cyperus papyrus) am Naturstandort. (Quelle: www.intermountainbiota.org)

Kurznachrichten

Papyrus zur WasserreinigungIn vielen Entwicklungs- und Schwel-lenländern gelangen Gifte und Ab-wässer ungefiltert in Flüsse und Seen. So auch in Uganda, was das Ufer des Viktoriasees stark verschmutzt ist. Felder aus Papyrus-Pflanzen bieten sich als kostengünstige Alternative zu Kläranlagen an, wie ugandische For-scher schreiben. Die Pflanzen können über ihre Wurzeln Giftstoffe und or-ganische Rückstände aus Abwässern filtern. natürlich 7/2013

Redewendungen und Metaphern

«Ins Gras beissen»Mit dem Soldatentod auf dem Schlachtfeld hat die heute salopp für «sterben» gebrauchte Redensart ins Gras beissen zu tun. Sie findet sich auch in anderen Sprachen, allerdings ersetzt hier das jeweilige Wort für Staub oder Erde das im Deutschen vorhandene Gras: im Französischen heisst es mordre la poussière, im Italie-nischen bzw. Spanischen ist mordere la terra bzw. morder la tierra gebräuchlich. Nur im Englischen heisst es sowohl to go to grass als auch to bite the dust. Ursprünglich – im 13. Jahrhundert – galt die deutsche Redensart harm-losen Schafen, die Gras frassen; erst im 17. Jahrhundert ist die übertragene Bedeutung «sterben» belegt. Die Her-kunft ist nicht vollständig zu klären, aber neben Ansätzen, die von einer Verwandtschaft des Wortes beissen mit dem mhd. beizen ausgehen, das so viel wie «(vom Pferd) absteigen» und damit auch «unterliegen» bedeutet, gibt es auch Deutungen, die die Be-deutung der Wendung mit dem Ver-halten sterbender Soldaten erklären, die im Todeskampf Erde oder Gras mit dem Mund berühren und quasi hin-einbeissen. trrr

Herkunftswörterbuch wissen.de

Kurznachrichten

Gras?Das deutsche Wort Gras geht auf die sehr alte indogermanische Silbe ghr zurück, deren Bedeutung wachsen sich noch heute im englischen to grow wiederfindet. Auch lateinische gramen und altgriechisch grastis – Futterkraut sowie die Bezeichnung der Farbe Grün sind darauf zurückzuführen. trrr

Kurznachrichten

Fliegen mit Sonne, Luft und WasserForschende der ETH Zürich haben aus Wasser und CO2 nur mit Hilfe von Sonnenenergie einen flüssigen Treibstoff hergestellt, welcher als Ke-rosin von Flugzeugen genutzt werden könnte. In einer nächsten Phase wird der Prozess weiter optimiert und das Potential für eine industrielle An-wendung untersucht. Doch auch wenn dieser Prozess noch effizienter wird, müsste eine Solaranlage von einem Quadratkilometerfläche fast eine Woche Energie produzieren, um genügend Kerosin für einen Flug von Zürich nach New York herzustellen! Allerdings – wenn dazu CO2 aus der Luft gewonnen wird, wäre der Flug fast CO2 neutral.

Alltagstipps

«Konsumieren Sie Kaffee, Tee und Alkohol bewusst. Es braucht viel Land und Wasser, um diese Genuss-mittel zu produzieren.»

Alltagstipps

«Kreieren Sie ein neu-es Restengericht. oder probieren Sie einmal den italienischen Brotsalat (Rezept siehe S. 5). So tra-gen Sie dazu bei, dass in der Schweiz nicht weiter 17.5 kg Brot pro Person im Jahr im Abfall landen.

Zitat im Abfalleimer

Weltweit leiden eine Milliarde Menschen an Mangelernäh­rung. Mit weniger als einem Vier­tel, der in Euro­pa und den USA weggeworfenen Nahrungsmittel, könnten diese Menschen er­nährt werden.

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16 Sommer 2014 / GräserLandexpressKulturgeschichte

Vom Urmais zum HybridmaisGeschenk der GötterDer Ursprung von Mais liegt im südmexikanischen Balsas-Tal. Dort wurde Mais bereits vor mehr als 7000 Jahren angebaut. Gemäss dem heili-gen Buch der Mayas war Mais ein Ge-schenk der Götter, dem die Menschen ihre Existenz verdankten. Denn als die Erde noch menschenleer war, formten die Götter aus Mais den Men-schen: Mayas – Menschen aus Mais.

Teosinte – der Ursprung von MaisLange Zeit war unklar, von welcher Pflanze der heutige Mais abstammte. Teosinte, der wahrscheinlichste Kan-didat, sieht wie ein herkömmliches Wildgras aus und trägt wenige har-te Körner. Die Körner sind so wider-standsfähig, dass sie sogar nach dem Gang durch den Verdauungstrakt ei-nes Vogels noch keimen können. Erst die Untersuchung der Gene bestätig-te, dass sich Mais aus Teosinte entwi-ckelte. Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Veränderung von nur fünf Genen für diese markanten Erscheinungsunterschiede verant-wortlich ist.

Hybridmais Als die Siedler nach Nord-Amerika kamen, war der indianische Mais be-reits weit verbreitet. Die neuen Bau-ern schätzen den Mais und probierten neue Kreuzungen. Auf verschiedenen Maisschauen wurden diese neuen

▲ Teosinte im Gräserland . (Bild: Regula Treichler)

▲ Reife Teosintesamen (Bild: Dani Burkart)

Kreuzungen mit den schönsten und grössten Maiskolben prämiert. Die prämierten Pflanzen wurden an-schliessend weiter gezüchtet – oft mit Inzucht. Doch dies machte die Mais-pflanzen unförmig und lieferte im-mer weniger Ertrag. Wurden solche Inzuchtlinien mit anderen Inzucht-linien gekreuzt, wuchsen daraus wieder gesunde gleichmässige Pflan-zen mit grossen Kolben und fantasti-schem Ertrag.

Mais normalerweise fremdbestäubtMais macht normalerweise keine Inzucht. Im Gegenteil, jedes einzel-ne Korn wird von irgendeiner Nach-barspflanze bestäubt. Allein der Wind entscheidet, wer als Vater wirkt. Um Inzuchtlinien zu erhalten, werden die männlichen Blütenstände entfernt

und die weiblichen Blüten künstlich von Hand bestäubt. Durch dieses Ver-fahren werden die Pflanzen genetisch immer einheitlicher. Die positiven wie auch negativen Merkmale sind dadurch in doppelter Ausführung vor-handen. Die positiven Eigenschaften dominieren jedoch oftmals und über-decken die negativen Eigenschaften.

Deshalb sind Hybriden vitaler und leistungsfähiger.

… und die KehrseiteDie hohen Erträge der Hybridpflanzen ergeben sich nur in der ersten Gene-ration. Behält der Bauer Saatgut von seinen Hybridpflanzen zurück, um dieses wieder anzubauen, muss er im nächsten Jahr mit bis zu einem Drit-tel Ertragsverlust rechnen.

Zu Beginn der Hybridzüchtung ging man davon aus, dass Bauern weiterhin selbstständig Hybridsaat-gut aus ihren Inzuchtlinien herstel-len würde. Doch ist diese Züchtung mittlerweile so komplex, dass nur noch Agrokonzerne diese herstellen können und die Bauern somit jährlich neues Saatgut kaufen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Entdeckung dieses sogenann-ten Hybridmais gelang amerikani-schen Züchtern erstmals um 1917 und bereits um 1945 war mehr als die Hälf-te des angebauten Mais eine Hybrid-maissorte.

Die Hybridzucht hat die Landwirt-schaft weltweit revolutioniert und industrialisiert. Heute sind praktisch alle Kulturpflanzen als Hybridsorten erhältlich, was zum einen die Sorten-vielfalt infrage stellt und unsichere Abhängigkeitsverhältnisse schafft, doch andererseits die Erträge stark ge-steigert hat. bape

▲ Die Kreuzung von zwei reinerbigen Inzuchtlinien führt zu einer kräftigen Hybridpflanze.

Bachelor-Studium UmweltingenieurwesenMit der globalen Herausforderung zur nachhaltigen Entwicklung entstehen neue und spannende Berufsfelder, auf die das Studium Umweltingenieurwesen vorbereitet. Im Zentrum stehen dabei der schonende Umgang und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, der Respekt sowie die ganzheitliche Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt. Das Studium kombiniert naturwissenschaftliche Fächer mit ingenieur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftli-chen Disziplinen. Nebst grundsätzlichem Interesse für Pflanzen, Natur und Umwelt sind Kommunikationsfähigkeiten, Technikverständnis, wissenschaftliches Arbeiten, Kreativität und vernetztes Denken gefragt.

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17Sommer 2014 / GräserLandexpress Kulturgeschichte

Kurznachrichten

Duftende Gräser

Als Windbestäuber sind duftende Blüten bei Süssgräsern ohne Bedeu-tung. Trotzdem gibt es sie – und wie! Ein wahres Dufterlebnis, das zwi-schen süssem Honig (junge Blüten) und streng würzigem Koriander bei älteren Blüten liegt. Bei warmem Wetter eine Wucht. Auch aufgrund seiner Blütenstände, die lieblich über dem Laub schweben, ist ist das Tau-tropfengras Sporobolus heterolepis, in jedem Präriegarten, die Art stammt aus Nordamerika, willkommen.

Verborgener aber nicht weniger charaktervoll ist der Kumarin-Duft von verschiedenen Gräsern. Erst beim Welken der Blätter entwickelt sich das vom Waldmeister bekannte Aroma beim Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) und beim Mariengras (Hi-erochloe odorata), zwei einheimischen Gräsern. Letzteres wird in Nordame-rika als Räucherpflanze geschätzt und war bei uns Bestandteil der Ma-rienverehrung, wo es an Festtagen vor die Kirchentüren gestreut wurde. Diese Verehrung soll schon auf die Göttin Freya zurückgehen.

Eine ganz andere Art der Verehrung dieses Grases findet man in Polen. Dort wird damit der Büffelgras Wodka (Żubrówka), aromatisiert und pur oder mit Apfelsaft getrunken. Beides lohnt ein Versuch, auch wenn der duftende Bestandteil, das Kumarin, in grösseren Mengen giftig ist. Aber der sorgfältige Umgang damit sind wir ja bereits von der Maibowle und den Zimtsternen her gewohnt. voem

Anhalonium – ein Projekt zur Erhaltung von MaisvarietätenSeit diesem Jahr ist die AG Gräserland Mitglied im Mais-keim-Klub von Anhalonium. Anhalonium setzt sich für die Erhaltung und Entwicklung von Maisvarietäten im biologischen Landbau ein.

In ihrer Eco-Farm in der französi-schen Region Bresse baut Martin Hä-feli hunderte, teils vom Aussterben bedrohte, Maisarten und Sorten an. Seit 1997 kultiviert und dokumentiert

▲ ANHALoNIUM Ferme Bio Eco Pflanzensammlungen. (Quelle: www.anhalonium.com © ADD NAEF Atelier Digital Design Zürich)

Anhalonium eine Sammlung aus regi-onalen und weltweiten Mais-Ressour-cen mit teilweise verschwundenen und einzigartigen Maisvarietäten. Seit ca. 90 Jahren sinkt die Vielfalt und genetische Diversität der Maisva-rietäten aus verschiedenen Gründen – durch Mechanisierung der Land-wirtschaft, Hybridisierung, Techni-sierung und Biotechnologien sowie Monopolisierung von Forschung und Saatgutproduzenten. Der Mais wird hierzulande oft als Ackerpflan-ze, Viehfutter oder Düngerschlucker

verkannt. Die einmalige Kultur- und Nutzpflanze Mais bietet jedoch mehr – nicht nur als dekorative Gartenpflanze und sinnlich beein-druckendes Nahrungsmittel, son- dern auch als geerbtes Kulturgut.

Als Mitglied im Maiskeim-Klub haben wir die Möglichkeit, Saatgut vieler rarer Sorten zu beziehen und dem Publikum im Gräserland zu zeigen. trrr

Saatgut und Informationen über Mais:

www.anhalonium.com

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18 Sommer 2014 / GräserLandexpressKulturgeschichte

Woher kommt der Weizen?Dass Weizen vor nur 10 000 Jah-ren noch ganz anders ausgese-hen hat, ist heute wenig bekannt. In dieser kurzen Zeit hat sich der Weizen so verändert, dass sich aus einem unscheinbaren Wildgras eines der Grundnah-rungs- und Hauptfuttermittel der heutigen Welt entwickelt hat.

Der Ursprung liegt im Gras verborgenUnd wie beginnt die Geschichte der Entwicklung vom wilden Gras zum heutigen Weizen? In Mesopotamien zogen vor rund 10 000 Jahren Jäger und Sammler durchs Land und sammelten unterwegs Samenkörner von Wild-gräsern. Einige keimfähige Samen

sind dabei wohl auf dem Abfallhau-fen gelandet. Da die Samen dort ideale Wachstumsbedingungen vorfanden, wuchsen sie besonders gut. In dieser Zeit wurden die Jäger und Sammler langsam sesshaft. Wieso sich die da-maligen Menschen zur Sesshaftigkeit entschlossen, ist bis heute nicht ein-deutig belegt, dass sie damals schon Sa-menkörner von Gräsern assen, schon.

Während Wildgräser bei kleins-ter Berührung ihre Samen verlieren, haben Menschen bevorzugt Pflanzen gesammelt, bei denen die Samen an der Ähre bleiben und so viel einfacher geerntet werden konnten. Diese neue Eigenschaft vermehrte sich mit Hilfe der Menschen sehr rasch. In der Natur wäre diese Eigenschafte ungünstig für die Pflanze, denn die Samen können nicht mehr so einfach verbreitet wer-den.

Etwa 8000 v. Chr. gab es bereits die ersten Übergangsformen zwischen dem Wildeinkorn und Kulturformen des Einkorns. Danach folgte der Em-mer, welcher durch seine höheren Er-träge sehr gefragt war. Das Einkorn hat das Genom AA und ist diploid, das heisst, es hat 2 ∆ 7 = 14 Chromosomen (Der Mensch hat ebenfalls einen diplo-iden Chromosomensatz, mit 2 ∆ 21 = 42 Chromosomen). Der Emmer dagegen ist tetraploid und hat 4 ∆ 7 = 28 Chro-mosomen. Das Genom ist AABB. Dies entstand vermutlich aus einer Addi-tion zweier Wildgetreidearten, wel-che spontan erfolgt ist. Während das A-Genom eindeutig aus dem Einkorn stammt, ist der Ursprung des B-Ge-noms nicht definitiv bekannt. Vom Einkorn zum heutigen WeizenEtwa 5000 v. Chr. gelangten das Ein-korn und der Emmer aus dem heuti-gen Irak kommend über Griechenland und den Balkan oder über Italien nach

Mitteleuropa. Zur etwa gleichen Zeit taucht erstmals der Dinkel auf. Dessen Ursprung liegt aber im südlichen Kau-kasus. Dinkel war durch seine hohen Erträge kombiniert mit Robustheit und Anspruchslosigkeit im Vorteil und verdrängte durch seine höhere Er-tragskraft Emmer und Einkorn. Dinkel hat das Genom AABBDD. Das bedeutet, es hat 6 ∆ 7 = 42 Chromosomen und ist daher hexaploid. Dies entstand durch eine weitere zufällige Addition von Arten aus der Emmer-Reihe mit dem Gänsefussgras. Auch die heute ge-bräuchlichen Weich- und Saatweizen sind hexaploid und haben ähnliche Vorfahren.

Um etwa 3000 v. Chr. sind die ers-ten grösseren Anteile an Nacktweizen zu finden, z.B Hartweizen. Der Vorteil von Nacktweizen oder freidreschen-dem Weizen ist, dass die Arbeit beim Dreschen verringert wird. Hartweizen ist eine Mutation von Emmer, die auch heute noch ab und zu in einem Feld ge-funden wird. Um das Jahr 0 sind erst-mals Reinkulturen von Nacktweizen in Mittel- und Nordeuropa zu finden. Dies vor allem dank der Römer.

Die Ziele und Ansprüche der Wei-zenzüchtung haben sich nur leicht verändert, denn noch immer soll der Weizen möglichst viel Ertrag bringen, soll Schädlingen und schlechtem Wet-ter widerstehen und schmackhaftes Brot liefern. Doch wurden die Verfah-ren der Züchtung in den letzten Jah-ren verändert. Noch immer basiert der Hauptteil der Züchtung auf Kreuzung und Auslese, doch stehen heute moder-ne Methoden zur Verfügung, welche die Züchtung präziser und schneller machen. Seit kurzer Zeit sind die Erb-informationen des Weizens vollstän-dig entschlüsselt. Zwar wird noch kein gentechnisch veränderter Weizen kommerziell auf dem Markt angebo-ten, doch werden in Europa und vor

Weizen Weizen ist der Oberbegriff für verschiedene Süssgräserarten der Gattung Triticum. Am häufigs-ten wird Weichweizen (Triticum aestivum) angebaut, dessen Deck-spelzen an den Ähren keine oder nur kurze Grannen haben. Auch Dinkel, Hartweizen, Einkorn und Emmer sind bekannte Weizenarten.

Kulturgeschichte des Brotes

Schon früh konnte man aus zähem Getreidebrei auf heissen Steinen Fladenbrot backen. Doch für das Herstellen von gebackenem Brot brauchte es die Erfindung des Ofens, der in den bronzezeitlichen Hochkulturen, zu denen auch Ägypten zählt, entwickelt wurde. Der Verzehr von gebackenem Brot war vorerst der wohlhabenden Oberschicht vorbehalten und damit ein wichtiges soziales Unterschei-dungsmerkmal. So blieb es bis in die frühe Neuzeit: Der grosse Teil der Bevölkerung ass bis ins 18. Jahrhundert Getreide vor allem als Brei, während die Herrschaften die Luxusspeise Brot kosteten. Das Brotbacken wurde in Europa erst Mitte des 17. Jahrhunderts üblich. Kuchen kamen erst im 18. Jahr-hundert auf, als allmählich Zucker zu erschwinglichen Preisen auf den Markt kam.  

allem in den USA viele Feldversuche durchgeführt.

Das Zusammenspiel von Mensch und Natur ist am Beispiel des Weizens besonders eindrücklich. Während die Additionen der Genome von Einkorn zu Emmer und zu Weizen zufällig und ohne direkten Einfluss des Men-schen vonstatten gegangen sind, hat der Mensch die anspruchsvolleren Pflanzen gehegt und gepflegt und die-se rascher verbreitet, als es in der Natur möglich gewesen wäre. Flurina Bertschinger

Die Weltgeschichte der Pflanzen, Wolfgang Seidel

Zwiebel, Safran, Fingerhut − 50 Pflanzen, die unsere

Welt verändert haben, Bill Laws

FAO Statistik

Kurznachrichten

Ernterückgang bei Weizen in neuen Klimaszenarien

Kurznachrichten

Erneut Gentech-Weizen Feldversuch in Reckenholz

Die Kernbotschaft des Weltklimarates von 2014 lautet, dass die Auswirkun-gen des Klimawandels bereits spürbar sind, dass diverse Anpassungsmass-nahmen die Risiken aber begrenzen können. Projektionen gehen davon aus, dass die Weizenerträge in den kommenden Jahren um bis zu 2 % pro zehn Jahre sinken könnten. Zudem

müsse man davon ausgehen, dass die Getreideerträge von Jahr zu Jahr in vielen Regionen stark schwankten. Es werde zwar einzelne Regionen geben, die dank der Klimaerwärmung von längeren Wachstumsperioden profi-tierten, doch seien die negativen Aus-wirkungen in der Überzahl. Weltklimabericht 2014, www.ipcc.ch

Forschende der Universität Zürich haben 2014 erneut gentechnisch ver-änderten Weizen auf dem Versuchs-gelände der Forschungsanstalt Agro-scope in Reckenholz angebaut. Der ausgesäte Weizen soll besser vor der Pilzkrankheit Mehltau geschützt sein als herkömmlicher Weizen. Zudem ist das Feld rund um die Uhr bewacht.

▲ Ein erster Weizenfeldversuch in Reckenholz wurde 2008 von Aktivisten zerstört. (Quelle: Mario Waldburger, ART)

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19Sommer 2014 / GräserLandexpress Kulturgeschichte

Woher kommt der Weizen?Zuchtformen Ährenspindel fest

WildformenÄhrenspindel brüchig

T. monococcumEinkornSpelzweizen

T. dicoccumEmmerSpelzweizen

T. ae. vulgareBrotweizenSpelzweizen T. ae.

compactumNacktform T. ae.spelta

DinkelSpelzweizen T. ae. sphaerococcum

Spelzweizen

Triticum boeoticumWildes Einkorn(A Genom)

Triticum searsiiUnkraut(B Genom)

Triticum dicoccoides(AB Genom)

Triticum tavschiiUnkraut(D Genom)

T. durumHartweizenNacktform

Gezielte Züchtung durch Menschen

Spontanes Ereignishexa

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T. aestivum(ABD Genom)

Die Entwicklung des Weizens aus drei Wildgräsern

GEoKoMPAKT No 38: DAS GEHEIME LEBEN DER PFLANZEN

Mit DVD

«Der grüne Planet» –

Wie sehr Pflanzen unsere Erde prägen

Ein Team der BBC hat sich daran gemacht, die

Erfolgsgeschichte der Pflanzen nachzuzeichnen.

In diesem Film berichten die Reporter in drei

Kapiteln aus dem geheimnisvollen Leben der

Gewächse. Im ersten Teil schildern sie deren

Evolution, die Entstehung von Wurzeln und

Blättern sowie das Wettrüsten der Pflanzen mit

ihren Fressfeinden. Der zweite Schwerpunkt ist

der Blüte und den Früchten gewidmet, also der

Fortpflanzung. Der dritte Abschnitt schliesslich

rückt Gewächse ins Zentrum, die zwar un-

scheinbar wirken, aber dennoch die modernsten

und derzeit erfolgreichsten auf Erden sind: die

Gräser. trrr

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20 Sommer 2014 / GräserLandexpressKulturgeschichte

Gerste − für Bier und WhiskyDie aus ostasien stammende Gerste ist wahrscheinlich das älteste angebaute Getreide. Vor allem als Grundzutat für die Bierherstellung ist sie seit über 10 000 Jahren von Bedeutung. Im angelsächsischen Raum wird Gerste zudem zur Whiskyher-stellung verwendet. Als Backge-treide wurde Gerste weitgehend verdrängt und wird heute in der Schweiz vorwiegend als Futter-getreide angebaut.

Gerste und Hopfen gibt guten TropfenDas Bierbrauen wurde bereits in den Hochkulturen der Sumerer und der Ägypter praktiziert und hatte eine wichtige Funktion: Es war eine Kul-turtechnik, um Wasser länger ge-niessbar zu machen, weil frisches Trinkwasser bis Ende des 19. Jahr-hunderts kaum verfügbar war. Durch den Gärungsprozess wurde das Was-ser konserviert. Auch die Vergärung von Honig zu Met und von Trauben zu Wein war bereits in der Frühan-tike bekannt, doch Gerste war leich-ter verfügbar und Getreidebier daher alltäglicher. Die Gerstensäfte wurden mit verschiedenen Zusätzen wie Rin-den, Kräutern, Wurzeln und Honig gewürzt. Der in Nordwesteuropa weit

verbreitete Gagelstrauch war lange der gängigste Bierzusatz, doch auch Rauschmittel wie Bilsenkraut oder Stechapfel wurden verwendet. Erst im Hoch- und Spätmittelalter setz-te sich Hopfen als Bierzusatz durch. Schliesslich legte man im Reinheits-gebot 1516 fest, dass Bier nur aus ho-phin, malcz und wasser bestehen darf, da man erkannt hatte, dass viele To-desfälle auf die Zusätze von Gagel und Bilsenkraut zurückzuführen waren.

Da ist Hopfen und Malz verlorenFür die Bierherstellung, werden die Gerstenkörner zuerst zu Malz verarbei-tet. Das Mälzen besteht aus drei Schrit-ten: Zuerst werden die Körner einge-weicht, dann keimen diese einige Tage und schliesslich wird das ‹Grünmalz› gedarrt (schonend getrocknet). Danach wird das geschrotete Malz mit warmem Wasser zur Maische angesetzt. Dabei entsteht aus Getreidestärke Malzzucker, welcher bei der späteren Gärung mit-hilfe der Hefe in Alkohol umgewandelt wird. Nach dem Filtern wird Hopfen bei-gefügt. Der durch Aufkochen entstan-dene Sud wird geklärt, gekühlt und mit Hefe versetzt. Die tagelange Vergärung zu Alkohol beginnt. Beim Bierbrauen kann einiges schief gehen und dann ist eben ‹Hopfen und Malz› verloren!

Gerste in hochprozentiger FormEs gibt ein weiteres bedeutendes Gerstenprodukt nämlich den schotti-schen Whisky. Klassischerweise wird Whisky aus gemälzter Gerste, schotti-schem Quellwasser und Hefe zuberei-tet. Zum Darren wird Torf verwendet, dessen Rauch wie die andern Zutaten Geschmacksnoten hinterlässt. Auf die Gärung im Gärtank folgt die zweifa-che Destillation. Dabei entsteht ein hochprozentiges ‹New Make›, das mit Wasser verdünnt wird und danach für mindestens drei Jahre in Eichen-fässern reift.

Wussten Sie, dass ... ... man Rollgerste durch Schleifen der Gerstenkörner erhält. Die Körner wer-den in der Graupenmühle solange ge-rollt, bis die Spelzen abgeschmirgelt sind.... Gerste früher die Grundlage für ei-nige Längenmasse und Gewichte war.... der Gerste auch Heilwirkung zuge-sprochen wird. Gerstenwasser, auch Tisane genannt, war im 19. Jahr-hundert ein beliebtes Getränk für Kranke. Schösslinge wirken fieber-senkend.

Die Weltgeschichte der Pflanzen, Wolfgang Seidel

FAO Statistik

Gerste (Hordeum vulgare) ist viel-gestaltig und formenreich. Es gibt Sommer- und Wintergerste und Übergangsformen. Die Gerstenäh-ren haben fast immer lange Gran-nen, die sich im reifen Zustand neigen. Die eiweissreiche Winter-gerste wird vor allem als Tierfutter verwendet und die eiweissarme Sommergerste als Braugerste für die Bierherstellung.

Gräser fürs Büchergestell

Am Anfang war das KornEine andere Geschichte der Menschheit

Hansjürg Küster

C.H. Beck Verlag 2013

ISBN 978-3-406-65217-2

CHF 39.90

Hansjörg Küster lehrt uns in die-sem Buch einen anderen Blick: Der Mensch ist, was er sät und erntet. Kultivierung ist der Akt der Mensch-werdung schlechthin. Um Kulturpflan-zen anzubauen, wurden Menschen sesshaft ...

▲ Gerstenfeld im Mai. (Quelle: www.wikipedia.org)

Fürs Büchergestell

GerstengrassaftVerjüngungselixier und naturgesunder Power-Drink

Barbara Simonsohn

Windpferd Verlag 2012

ISBN 978-3-8938-5432-5

CHF 15.20

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21Sommer 2014 / GräserLandexpress Kulturgeschichte

Bambusgewächse (Bambusoideae) zählen zur Familie der Süssgräser (Poaceae). Weltweit gibt es mehr als 1300 Bambusarten. Mit Ausnahme der Antarktis und Europas kommt Bambus auf allen Kontinenten natürlich vor. Die Pflanze gedeiht auf Meereshöhe im feuchtheissen Klima der Tro-pen und Subtropen wie auch an den Hängen der Anden. Sichtbar sind die Halme, Zweige, Blätter und sporadisch die Blüten der Bambuspflanzen. Die Halme bestehen aus Internodien und Nodien, die mit dünnen Scheidenwänden (Diaphragma) versehen sind. Die Zellen der Halme enthalten eine grosse Menge Lignin und sind entsprechend hart. Aus diesem Grund weisst Bambus Materialeigenschaften auf, die denen von Holz in vielerlei Hinsicht entsprechen. Unterirdisch bildet Bambus ein dichtes Wurzelgeflecht (Rhizom), das sich schnell und unbegrenzt verbreitet. Aus einem Rhizom kann schnell ein Bambushain oder gar Wald wachsen. Von allen Landpflanzen wächst Bambus am schnellsten, was ihn zu einer der nachhaltigsten Nutzpflanzen der Welt macht. Dementsprechend ist das verholzende Riesengras seit Jahrhunderten ein wichtiger Rohstofflieferant. Die Anwendungsvielfalt von Bambus reicht dabei von der Verwendung als Nahrungsmittel über die Nutzung als Baumaterial für Möbel und Häuser, für die Produktion von Textilien bis hin zur Nutzung von Pflanzenauszügen bei der Herstellung von Kosmetik- und Pflegeprodukten um nur einige zu nennen. Einer Schätzung zufolge gibt es mehr als 1500 Anwendungsmög-lichkeiten für Bambus.

Bambus – Superfaser aus der Natur Hart wie Eichenholz, reissfest wie Stahl und doch elastisch – Bambus «Öko-Baustoff» der Zukunft? Bis vor kurzem wurde Bambus in Europa als Baustoff kaum wahrgenommen. Dabei wurden in Süd-, Südost- und ostasien jahrhundertelang Häu-ser, Brücken und ganze Städte aus Bambus errichtet.

In Burma und Bangladesh sollen rund 50 Prozent der Häuser aus Bam-bus errichtet sein. Durch den Einfluss westlichen Fortschritts wurde er je-doch verdrängt und durch moderne Baustoffe wie Stahl und Beton ersetzt. Bambus degradierte zum Baustoff für arme Leute. Nun werden die vielen Vorzüge von Bambus als Baumaterial wiederentdeckt.

In Sachen Nachhaltigkeit und Um-weltverträglichkeit ist Bambus gera-dezu ein Musterkind. Keine andere Pflanze produziert in so kurzer Zeit so viel Biomasse wie der Bambus. In zwanzig Jahren kann eine einzige Pflanze bis zu 10 000 Laufmeter Hal-me hervorbringen. Bambusbestände können jedes Jahr um zehn Prozent ausgelichtet werden, ohne damit den Bestand zu gefährden. Demnach ver-mag der schnell nachwachsende Roh-stoff grosse Mengen CO2 zu binden und erzeugt mehr Sauerstoff, als die meisten anderen Pflanzen. Als Bau-

stoff besticht Bambus nicht nur durch seine schlichte Schönheit, sondern auch durch seine aussergewöhnli-chen Materialeigenschaften. Der Här-tegrad vom Bambus entspricht dem von Eichenholz, er «arbeitet» nicht so stark wie andere Hölzer und neigt we-niger zum Quellen. Durch die Hohl-kammern (Internodien) und die harte Rindenschicht sind Bambushalme besonders zug- und druckfest. Ferner

▲ Baugerüst aus Bambus. (Quelle: www.20min.ch)

besitzt Bambus aufgrund der Nodien (feste Knoten) eine besonders hohe Biegefestigkeit.

Deshalb wird er gerne als Baustoff in Erdbebengebieten eingesetzt, da Bambusgebäude bei Erdbeben viel be-ständiger sind als Backsteinhäuser. Und durch seine feine Faserstruktur eignet sich Bambus zur Herstellung von allem Denkbaren und Undenkba-ren. daco

Die Bambus-Blüte

Wussten Sie, dass manche Bambus-arten höchst selten blühen. Einige Arten blühen im Abstand von 60, 90 oder gar 120 Jahren. Wodurch die Blüte gesteuert wird und wieso man-che Arten so selten blühen, ist bisher noch nicht ausreichend erforscht. Es wird angenommen, dass die selte-ne Blüte dazu beiträgt, die Samen zu schützen, da sich auf diese Weise kei-ne Tiere auf ihren Verzehr spezialisie-ren können. daco

RiesensprossKnackiges, hellgelbes Fleisch, meist in dünnen Scheiben geschnitten und ungewürzt ziemlich fade! Die Rede ist von jungen Bambussprossen, die als gekochtes Gemüse in der fernöst-lichen Küche besonders beliebt sind. Mit schuppig überlappenden, dunkel-braunen Blättern bedeckt, schiessen sie aus dem Boden, bevor sie zum Ver-zehr gestochen werden. Geniessbar sind die Schösslinge jedoch erst nach-dem sie geschält und in Salzwasser gekocht wurden, da sie giftige Blau-säureglykoside enthalten, die durch den Kochvorgang hydrolysieren und schliesslich verdampfen. daco

Bambus BeautyIn China steht Bambus als Symbol für ein langes Leben, in Japan ist es ein Symbol für Reinheit. Kein Wunder hat auch die Kosmetikindustrie den Bambus entdeckt und nutzt verschie-dene Extrakte in Cremes, Shampoos oder Haarspülungen. Kohlenhydrate, Mineralsalze und Aminosäuren aus Bambus sollen die Spannkraft und Elastizität von Haut und Haar verbes-sern, erste Zeichen der Alterung ver-mindern und für neuen Glanz sorgen. Zudem hat das immergrüne Gras ei-nen erfrischenden Duft. Übrigens soll gegen die Frühjahrsmü-digkeit auch eine Massage mit einem breiten Bambusstab nützen! bape

▲ Zwei von zahlreichen Kosmetikproduk-ten aus Bambus.

Haben sie Bambus schon beim Wachsen zugesehen?

Der schnellwüchsige Bambus kann in einem Tag unter optimalen Bedin-gungen bis zu 1.20 Meter wachsen. Dies entsprich einem Wachstum von 1 Millimeter pro Minute! daco

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22 Sommer 2014 / GräserLandexpressGrünraumgestaltung

Gräser- Bestimmungs-App «iGräser»

Mit iGräser kann man die 111 häufigs-ten einheimischen Wald- und Frei-land-Grasarten (Poaceae) der Schweiz sowohl im nicht-blühenden als auch im blühenden Zustand einfach, schnell und zuverlässig bestimmen. Die Be-stimmung erfolgt über individuell ge-wählte Merkmale aus den Bereichen (unter Einbezug der Verbreitungsdaten via GPS-Ortung):1. Standort2. Wuchsform3. Wuchshöhe4. Vegetative Merkmale (Blätter)5. Generative Merkmale (Blüten)6. Gattung (Systematik)

Die einzelnen Arten sind ausführlich beschrieben (Merkmale, Zeigerwerte, Verbreitung in der Schweiz) und die für die Bestimmung relevanten Merkmale mit Fotos illustriert. Auf ähnliche Ar-ten und Verwechslungsmöglichkeiten wir explizit hingewiesen. Fundorte von seltenen Arten lassen sich via Or-tungsfunktion einfach speichern. hepe

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, For-

schungsgruppe Vegetationsanalyse: Prof. Dr. Bertil

O. Krüsi, [email protected] und Daniel Hepen-

strick, [email protected]

Gestalten mit GräsernFiligrane Ähren die sanft durch den Wind streichen und das Sonnenlicht einfangen, um es dann in goldenen Strahlen zu reflektieren. Wer will schon auf diese harmonische Stimmung im eigenen Garten verzichten? Hinzu kommen ein linearer Aufbau und die schier endlos wirkende Wiederholung auf-rechter Halme die fast trans-parent im Wind wiegen. Diese einzigartigen Bilder und Textu-ren können nur Gräser erzeu-gen und machen sie deshalb unverzichtbar in jedem Garten ja sogar im kleinsten Beet oder Balkonkasten.

Gräser stehen im Garten dort am bes-ten, wo sich die Linearität gut abhebt oder Kontraste setzt − etwa vor Ge-bäudewänden, Skulpturen oder in der Nähe von Pflanzen mit grossen runden Blättern oder horizontal schwebenden Blütentellern. Kontrastreiche Pflan-zungen entstehen, wenn man Gräser zu Sommerblumen und opulenten Blü-tenstauden pflanzt. Die wirren, sich scheinbar auflösenden Blütenrispen vieler Gräser passen sehr gut zu den runden Blütentellern vieler Dolden-gewächse und Korbblütlern. Ihre ein-zigartige Schönheit erlangen Gräser, wenn ihre Blüten und Samenstände das Tageslicht einfangen und zu leuch-ten beginnen. Perfektioniert wird die Wirkung, wenn sie vor einem dunklen Hintergrund stehen. Zum Beispiel vor einer Gruppe von Nadelgehölzen oder einem dunklen Gebäude. Mit ihrem hellen, luftigen Habitus wirken sie beruhigend in bunten Beeten. Mit Grä-sern lassen sich deshalb grössere Bee-te rhythmisieren oder man kann mit straff aufrecht wachsenden Arten Li-nien ziehen, ohne die Transparenz auf die bunten Blüten zu stören. Schwach-wüchsige Gräser sind hervorragende Bodendecker, die in grösseren oder kleineren Gruppen gepflanzt werden können. Markante Gräser können ein-zeln als Blickpunkt gepflanzt werden. Neben der Grösse kann auch die Farbe der Blätter oder der Habitus die Blicke auf sich ziehen. Gräser gehen mit ih-rer ganzen Schönheit in den Winter. Wenn Frost sie in Eisskulpturen ver-wandelt, entstehen zauberhafte Bilder im sonst so tristen Winter.

RückschnittDeshalb sollten Gräser erst im Spät-winter zurück geschnitten werden.

Immergrüne Arten, häufig aus der Familie der Sauergräser, bringen will-kommene Abwechslung in die grauen Farben des Winters. Bei ihnen vergil-ben nur einzelne Blätter. Die braunen Blätter werden dann einzeln ausge-zupft oder mit einem Rechen vorsich-tig ausgekämmt, aber niemals ganz zurück geschnitten. Genauso behan-delt man die filigranen zarten Stipas und Nasellas, die leider immer wieder einem totalen Rückschnitt zum Opfer fallen und sich danach kaum noch er-holen.

Gräser kommen in den unter-schiedlichsten Lebensräumen vor. Seggen und Simsen leben im Wald, andere Arten harren auf verdichteten und nassen Böden aus. Viele bläuliche Gräser wiederum stammen aus Step-pen oder wachsen im Sand auf Dünen und trotzen dem Wind und der sen-genden Sonne.

Am richtigen Standort gepflanzt können sie dann jahrelang, problem-los und mit minimaler Pflege wach-sen. Krankheiten oder Schädlinge spielen dann bei den Gräsern keine Rolle.

Vermehrung und VerjüngungBei beetstaudenähnlichen, hohen Gräsern verkahlen die Horste nach einigen Jahren im Zentrum und das Grössen- und Breitenverhältnis zu den Nachbarstauden ist nicht mehr ideal. Sie müssen dann im Frühjahr ausgegraben und geteilt werden. Die-se Arbeit erledigt man am besten mit stabilem Werkzeug. Mit einer Axt und einem Schlegel können die Hors-

te erst einmal aufgehackt werden, danach kann man mit einem Spaten den Horst in mehrere kleiner Stücke zerteilen und anschliessend neu aus-pflanzen. Die alte Pflanzstelle sollte vorher mit frischer Erde aufgefüllt werden. Im gleichen Stil werden Grä-ser vermehrt. Gräser können nur im Frühjahr geteilt und vermehrt wer-den, nur dann bilden sie neue Wur-zeln. Zu anderen Jahreszeiten reagie-ren sie empfindlich auf Störungen im Wurzelbereich. Deshalb sollte man auch nur im Frühjahr pflanzen.

Düngung und BodenvorbereitungDer Nährstoffbedarf der verschiede-nen Gräsergruppen ist sehr unter-schiedlich. Selbst die hohen beetstau-denähnlichen Gräser die einen hohen Nährstoffbedarf haben, brauchen auf unseren lehmigen, nährstoffreichen Böden keine zusätzliche Düngung. Hier ist eine Düngung sogar schäd-lich, da sie die Standfestigkeit stark be-einträchtigt und viele Gräser ihre ty-pische Farbe verlieren. Höchstens auf sehr mageren sandigen Böden sollten sie zum Austrieb mit 50 – 80 g / m2 einen organischen Dünger geben.

Bei sehr schweren Böden und bei allen Steppengräsern sollte grober Splitt und Sand eingearbeitet werden, um die Durchlüftung und Wasser-durchlässigkeit zu fördern. Ansons-ten verfaulen sie im Winter. kimm

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Pflanzensammlungen Thomas

Kimmich, [email protected]

▲ Vorsommerliches Wechselspiel von Stauden und Gräsern. (Bild: Erich Stutz)

7Newsletter TRANSFER | 3-2012 | www.lsfm.zhaw.ch

Institut für Umwelt und natürliche Ressourcenund Institut für Angewandte Simulation

iPhone App «iGräser» – Gräserbestimmen leicht gemacht

Alle, die beruflich oder in der Freizeit mit .h.d ,nebah nut uz )eaecaoP( nresärG

Botaniker, Ökologen, Naturschützer, In-genieurbiologen, Begrünungsfachleute sowie natürlich Landwirte und Förster, dürfen sich freuen. Das Bestimmen von Gräsern wird ab sofort einfacher. Die neue iPhone-App «iGräser» ist ein inno-vatives und benutzerfreundliches Be-stimmungs- und Nachschlage-Werkzeug.

Die Funktionen im Überblick – Gräserlexikon A – Z: Die 111 häufigsten Wald- und Freiland-Arten in Wort und Bild.

– Bestimmungs-Tool: Damit kann auch der interessierte Laie die 111 häufigsten einheimi-schen Grasarten der Schweiz im nicht-blü-henden und blühenden Zustand rasch und zuverlässig bestimmen.

– Sichtungs-Tool: zum Notieren eigener Funde (mit GPS-Ortung).

– Glossar als informationstechnische Ergän-zung.

Gräserlexikon A – ZIm Gräserlexikon sind ausführliche Portraits zu den 111 häufigsten Grasarten aus allen Lebens-räumen und Höhenstufen der Schweiz zu fin-den. Es gibt detaillierte Informationen zu Stand-ort, Wuchsform, Blättern und Blüten, viele Fotos mit Legenden, Hinweisen auf ähnliche Arten (Verwechslungsmöglichkeiten), Verbrei-tungskarten (Schweiz) und Links zu Wikipedia.

Bestimmungs-ToolInnovativ an «iGräser» ist insbesondere das Bestimmungs-Tool. Mit den traditionellen Be -stimmungsbüchern sind auch viele Hochschul-Biologen überfordert – vor allem wenn Blüten fehlen, was meistens der Fall ist. Ein kleiner Fehler, ein Merkmal, das man nicht richtig

kennt, oder eines, das beim zu bestimmenden Exemplar schlecht ausgeprägt oder noch gar nicht zu sehen ist, und man kommt nie mehr ans Ziel. Mit der iGräser-App ist das anders: – Man gibt die Merkmale ein, die einem auffal-

len, und zwar in beliebiger Reihenfolge. – Es lassen sich Merkmale aus den Bereichen «Standort», «Wuchsform», «Wuchshöhe blü-hend», «vegetative Merkmale (Blätter)», «gene-rative Merkmale (Blüten)» und «Gattung (Sys-tematik)» frei kombinieren, z. B. 1.5 m hohes Waldgras mit grossen Öhrchen, unterseits glänzenden Blättern und langen Grannen.

– Auch das Fehlen eines Merkmals kann einge-geben werden, z.B. dass die Blattspreite keine Skispur hat.

– Wenn ein Merkmal eingegeben ist, sieht man sofort, wie viele Arten noch «im Rennen» sind.

– Via GPS-Ortung zeigt iGräser an, welche Arten dort, wo man sich gerade befindet, schon gefunden worden sind und welche nicht.

– Irren ist menschlich. iGräser ist Fehler-tolerant. Jedes eingegebene Merkmal kann jederzeit wieder einzeln entfernt werden. Falls keine Art alle eingegebenen Merkmale aufweist, zeigt «iGräser» jene Arten an, die am besten pas-sen. Dabei werden einfache und stabile Merk-male stärker gewichtet als variable oder sol-che, die erfahrungsgemäss von vielen Nut-zern nicht korrekt angesprochen werden. Schliesslich gibt es bei jeder Art eine direkte Verknüpfung zu ähnlichen Arten, mit welchen die Art verwechselt werden könnte.

Im Rahmen des Projektes wurde auch ein nachhaltiges Software-Framework sowie ein effizienter Bestimmungs-Algorithmus erarbeitet, welche eine wertvolle Grundlage für die Ent-wicklung weiterer, ähnlich strukturierter Apps bieten.

Forschungsprojekt

iGräser – Gräserbestimmen mit dem iPhone

Leitung: Bertil O. Krüsi, Prof. Dr. sc. nat. ETH

Projektdauer: 2007 bis 2012

Partner: Info Flora (Verbreitungsdaten), huonder + elmer (Grafik)

Förderung: CSPC-eLearning der ZFH, Strategiefonds ZHAW, Anschubfinanzierung ZHAW

Projektvolumen: Gratis-Arbeit von B. O. Krüsi

Nicht alle Gräser sind so leicht zu erkennen wie das Federgras (Stipa pennata) mit seinen auffälligen, ca. 25 cm langen, federartig behaarten Grannen.

Prof. Dr. Bertil O. Krüsi, Dozent Vegetations-analyse, IUNR, [email protected]

M.Sc. Dipl. Inform. Petra I. Lustenberger, wissenschaft-liche Mitarbeiterin, IAS, [email protected]

Ab sofort im App StoreMit der Gratis-Version «iGräser Lite» können alle Funktionen der App in Ruhe getestet werden, sie enthält 20 Arten. Die Voll version «iGräser» mit aktuell 111 Arten ist zum Preis vonCHF 25 erhältlich.

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23Sommer 2014 / GräserLandexpress Grünraumgestaltung

Gräser fürs Büchergestell

Filigrane LeichtigkeitAussergewöhnliche Gräsergärten entdecken

Philippe Perdereau und Didier Willery

Ulmer Verlag 2012

ISBN 978-3-8001-7772-1

CHF 43.90

originelle und ausgefallene Gestal-tungsideen mit Gräsern und Auswahl von robusten, bewährten und pflege-leichten Gräsern.

Entwicklung der Drifts

Nachdem wir im Mai 2013 die neue Staudenbepflanzung «experimentelle Drifts» angepflanzt haben, gesellten wir im Oktober noch viele Zwiebel-pflanzen dazu. Verschiedene Wildtul-pen und Sorten der Viridiflora-Gruppe, die elegante weisse Sommer-Knoten-blume sowie kleine Zierlauch-Arten, welche der Bepflanzung schon ab dem

Frühjahr farbige Akzente verleihen sollten.

Der Gesamtcharakter der Bepflan-zung soll heiter wirken und eine gewisse Leichtigkeit haben. Die so-genannten Drifts, die unterschied-lich langen geschwungenen Bänder, unterstützen mit ihren fliessenden Formen den Rhythmus der Pflan-

zung. Die wallartige Aufschüttung der Pflanzbeete mit Humus erwies sich für das Gesamtbild als Segen. Im sonst vorwiegend flachen Garten bildeten die aufgeschütteten Beete einen opti-schen Abschluss und gaben dem Grä-serland den nötigen gestalterischen Zusammenhalt und Rahmen.

Insgesamt haben sich die Stauden und Gräser im ersten Pflanzjahr gut entwickelt und bereits eine erstaun-liche Pflanzenmasse hervorgebracht. Enttäuschend waren einige Fehlliefe-rungen von Sorten, die natürlich im-mer ärgern. Beispielsweise Echinacea pallida, ein Sonnenhut mit schmalen hängenden blassrosa Blütenblättern, der sich plötzlich als profaner rosa Sonnenhut mit wagrechten Blüten-blättern herausstellte und dem das ge-wisse «Etwas» einfach fehlte.

Im allgemeinen haben wir festge-stellt, dass wir die Drifts besser etwas grosszügiger und weniger kleinteilig anpflanzen sollten, damit diese flies-senden Linien besser zur Geltung kom-men – ein Fehler, den wir wahrschein-lich im Fieber des Pflanzen Auslegens mit einem nötigen kritischen Auge hätten vermeiden können. Mal sehen, wie sich das Gesamtbild in dieser 2. Saison entwickelt oder ob wir noch ein paar Korrekturen machen müssen.

Ein wahrer Glücksfall sind einige Gräserarten wie zum Beispiel das Pen-nisetum thunbergii 'Red Buttons', das mit seinen lustigen Blütenständen eine Heiterkeit verbreitete, welche den Besuchenden sofort ein «Smile» ins Gesicht zauberte. Auch die drei Sorten Ruten-Hirsen sind ein sicherer Wert und gehören für unsere Klima- und Bo-denverhältnisse zu den standsicheren Sorten mit ganzjährig hohem Zierwert. Zur gleichen Kategorie gehört auch der Palmlilien Mannstreu, dessen charak-teristische, leicht bizarre Wuchsform und die grünen Igelblüten für ein opti-sches Highlight sorgten. Die im ersten Standjahr zwar noch nicht übermässig gross gewordenen rotblättrigen Sedum-Sorten 'Purple Emperor' und 'Karfun-kelstein', gaben der Bepflanzung die nötige gestalterische Tiefe und Boden-ständigkeit, ohne die luftigere Stauden wie beispielsweise das Lanzen Eisen-kraut (Verbena hastata 'Pink Spire') dane-ben nicht auftrumpfen könnten. Letz-tere zieht übrigens Heerscharen von Schmetterlingen an und sollte öfter in Gärten angepflanzt werden. trrr

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Nachhaltigkeitskommunikation,

Regula Treichler, [email protected]

▲ Die experimentellen Drifts im Gräserland im November 2013. (Bild: Erich Stutz)

Haben wir Sie «gluschtig» gemacht auf eine ähnliche Bepflanzung, die Sie in Ihrem Garten in kleinem Massstab realisieren möchten? Dann fangen Sie doch mit einem Beet von mindestens 4 bis 5 m2 Grösse an. Die folgenden Staudenarten und Sorten werden Sie bestimmt nicht enttäuschen und sind auch für Einsteiger robust genug und werden Ihnen viel Freude bereiten. Nehmen Sie nicht zu viele verschiedene Staudenarten für den Anfang, dafür von jeder Art genügend Stück, damit sie in einer gewissen Masse wirken können. Das Kunststück ist auch, nicht zu dicht, aber auch nicht zu locker zu pflanzen, so dass Sie schon schnell ein Ergebnis sehen und nicht jahrelang auf ein Bild warten müssen. Wir empfehlen Ihnen dafür je nach Pflanzen-grösse (im ausgewachsenen Stadium) zwischen 5 bis 8 Pflanzen pro m2. Ein gutes Sortiment an qualitativ hochwertigen Stauden gibt es in allen Staudengärtnereien und grösseren Gartencentern zu kaufen. Staudengärt-nereien besorgen Ihnen auch gerne spezielle Sorten aus anderen Fachbe-trieben, falls sie diese nicht vorrätig haben.

Gräser fürs Büchergestell

Enzyklopädie der Gräser

Rick Darke

Ulmer Verlag 2010

ISBN 978-3-8001-5764-8

CHF 118.80

In wunderschönen Bildern behandelt dieses umfangreiche Grundlagen-werk sämtliche Süss- und Ried-gräser sowie Binsen-, Restio- und Rohrkolbengewächse. Zahlreiche Anleitungen zu Auswahl, Pflanzung, Vermehrung und Pflege geben Hilfe-stellungen für die Praxis. Ausserdem wird die Rolle der Gräser in der Natur und in den künstlichen Landschaften unserer Umgebung beleuchtet.

Unser Tipp!

▲ Vorsommerliches Wechselspiel von Stauden und Gräsern. (Bild: Erich Stutz)

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24 Sommer 2014 / GräserLandexpressGrünraumgestaltung

Drei ausgewählte Gräser für den BalkonMan braucht nicht unbedingt einen Garten, um sich mit der luftig filigranen Schönheit von Gräsern zu umgeben. Hier drei Tipps für Gräser, die man auf einem Balkon kultivieren kann und die Ihnen sicher Freude machen werden.

Japan-GoldbandgrasHakonechloa macra 'Aureola'

Das Japan-Waldgras ist eins der leuchtendsten gelbbunten Ziegrä-ser und eignet sich bestens für den schattigen Balkon. Es stammt aus der Gegend vom Berg Hakone auf Japans Hauptinsel Honshu und wächst dort auf feuchten Felsen. Seine elegan-te Erscheinung verdankt es seinem wunderbar überhängenden, bambus-artigen Laub, das sich wasserfallartig über die Töpfe ergiesst. Mit seinen leuchtenden Blättern erhellt es selbst die dunkelsten Ecken eines Balkons. Der Austrieb und die Herbstfärbung sind leicht rötlich. Der Rückschnitt des alten Laubes erfolgt im Frühjahr.

Standort & Pflege Das Japanische Berggras und seine farblich va-riierenden Sorten sind vielseitig verwendbar in ausreichend feuchten, lockeren und nährstoffreichen Sub-straten in absonniger bis halbschat-tiger Lage. Da das Gras sehr langsam wächst, empfehlen wir für einen Topf von ca. 30 cm Durchmesser drei Pflanzen zu setzten. Eine Draina-ge aus Tonscherben oder Kieseln verhindert stehendes Wasser im Topf und Sauerstoffmangel an den Wurzeln. Eine gute Drainage ist für alle Balkonpflanzen, die im Freien in Kübeln überwintern wichtig, denn Eis sprengt jedes Gefäss. Da der De-potdünger auch in guten Substraten rasch verbraucht ist, muss während der Saison bis Mitte August nach-gedüngt werden. Dazu eignen sich flüssige Grünpflanzendünger, die es unterdessen auch in Bio Qualität gibt.

Begleiter Da das sommergrüne Gras sehr spät austreibt, empfiehlt sich die Kombination im Topf mit kleinen Frühjahrsblühern wie beispielsweise Wildnarzissen, Narcissus cyclami-neus oder N. triandrus 'Hawera'.

ZitronengrasCymbopogon citratus

Das ursprünglich aus Südindien und Sri Lanka stammende Zitronengras ist in der asiatischen Küche ein uni-verselles Grundgewürz wie bei uns etwa der Lorbeer und wird dort in fast jedem Garten kultiviert. Auch hier schätzt man unterdessen sein erfrischendes Zitronenaroma mit der leicht pfeffrigen Note. Das mehrjähri-ge, bei uns nicht winterharte Süssgras duftet bei Berührung herrlich nach Zitrone und wird ihre Küche auf jeden Fall bereichern.

Standort & Pflege Als Topfpflanze ist Zitronengras leicht zu halten und steht am liebsten am wärmsten und sonnigsten Platz auf Ihrem Balkon. Am besten gedeiht er in durchlässi-ger Dachgartenerde mit einem hohen Tonanteil. In den Sommermonaten muss er regelmässig gedüngt und allgemein feucht, aber ohne Staunäs-se, gehalten werden – schliesslich stammt er ja aus tropischen Klima-zonen mit hohen Temperaturen. Im Topf werden die Zitronengräser etwa 70 cm hoch und entwickeln an der Basis viele junge Seitensprosse, die entweder gegessen oder wenn der Büschel zu dick wird, geteilt werden können. Zur Überwinterung nehmen Sie den Topf am besten in ein helles Treppenhaus.

Küche Wird er roh gegessen, nimmt man nur die zarten inneren Blätter, die man entweder fein schneidet oder zu einer Paste zerreibt. Für die asiati-schen Gargerichte wird der Stängel gequetscht, um die Aromastoffe freizu-setzten und dann im Topf mitgekocht. Zitronengras ist wichtige Zutat für viele Suppen und Gewürzmischungen. Die Stängel dienen manchmal auch als Spiesschen für Garnelen, Poulet oder Satay (auch Saté), einem typischen in-donesischen Grillgericht, das in Asien über dem Holzfeuer gegrillt wird. Gesundheit Zitronengras wirkt dank der ätherischen Öle verdauungsför-dernd, antibakteriell und schweisstrei-bend und wird wegen seiner magen-entspannenden Wirkung oft auch als Tee getrunken. In Indien wird es auch für die Produktion von Zitronengrasöl angebaut, welches in der Parfümindu-strie eingesetzt wird.

Kleines FederborstengrasPennisetum setaceum 'Hameln'

Das ursprünglich aus Ostasien und Nordafrika stammende Lampenput-zergras eignet sich vorzüglich für den Balkon. Das etwa 60 cm hohe Gras bil-det schmale, sattgrün glänzende, bo-gig überhängende Blätter, die sich im Herbst golden färben. Meist beginnt die Blüte im Spätsommer mit anfangs zartrosa überhauchten Blütenständen, die dann eine gelbbraune bis rotbraune Färbung annehmen. Im Herbst, wenn die feinen Tröpfchen des Morgentaus in den Blütenständen hängen, sieht das Gras richtig verzaubert aus. Lassen Sie das Federborstengras im Winter unbedingt stehen, denn wenn der Rau-reif die Blütenwalzen überzieht, ergibt das einen wunderbaren Winteraspekt.

Standort & Pflege Das Federbors-tengras gedeiht am liebsten in voller Sonne, in durchlässigem, aber nährstoffreichem Substrat. Bitte wählen Sie für Ihre Balkonpflanzen keine billigen Blumenerden, die womöglich schon monatelang an der prallen Sonne gelagert wurden und je nach Preis und Anbieter sogar noch Torf enthalten. Gute Qualitätserden für Balkonpflanzen sind entweder Kübelpflanzenerden oder Dachgar-tenerden. Sie enthalten nebst einem grossen Anteil an Landerde noch Rin-denkompost, gebrochener Blähton und Torfersatz aus Holzfasern und verfügen über eine gutes Wasserhal-tevermögen. Ein anderes entschei-dendes Kriterium für das Gedeihen ist die Grösse des Pflanzgefässes. Lieber etwas grösser als zu klein – lautet hier der Grundsatz. Ausserdem vermeiden Sie sich den Giessstress und die Gräser können sich ein paar Jahre optimal entfalten.

Begleiter Da es im Frühling eine Weile dauert, bis das Pennisetum wie-der einen stattlichen Horst gebildet hat, lassen sich die Töpfe mit den Lampenputzergräsern ideal mit frü-hen Zwiebelpflanzen ergänzen. Zum Beispiel mit kleinen Wildtulpen wie Tulipa turkestanica oder die purpur-farbenen Tulipa humilis.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Nachhaltigkeitskommunikation

Regula Treichler, [email protected]

Zitronengras Cymbopogon citratus

Japan-Goldbandgras Hakonechloa macra 'Aureola'

Kleines Federborstengras Pennisetum setaceum 'Hameln'

Zitat im Abfalleimer

Die 1.3 Milli­arden Tonnen Lebensmittel, welche wir weltweit weg­werfen, würden kalorienmässig ausreichen, um rund 3.5 Milliar­den Menschen zu ernähren.

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25Sommer 2014 / GräserLandexpress Grünraumgestaltung

Vielfalt der Insekten in Wiesen

Schmetterlinge und Schweb fliegen auf Magerwiesen

Anzahl Tagfalter Anzahl Heuschrecken

▲ Der Schachbrettfalter ist eine typische Schmetterlingsart in Magerwiesen. (Bild: Jürg Schlegel ZHAW)

▲ Das Tier des Jahres in seinem Lebensraum. Bunte Blumenwiesen sind das Zuhause der Feldgrillen. (Bild: Pro Natura / Fabian Biasio)

▲ Mittlere Anzahl von Heuschrecken- und Tagfalterarten in intensiv genutzten Wie-sen, extensiv genutzten Wiesen und Weiden in Grindelwald (weiss) und im Tujetsch (grau) in den Schweizer Alpen. (Quelle: Hohl, M. (2006): Spatial and temporal variation of grasshopper and butterfly communities in differently managed semi-natural grasslands of the Swiss Alps. Ph.D. thesis no. 16624, Swiss Federal Institute of Technology, Zurich)

Öffentliche Führungen im GräserlandMöchten Sie das Gräserland unter kundiger Führung unserer Expertinnen und Experten entdecken?Wir führen regelmässig öffentliche Führungen und Vorträge durch. Für Gruppen machen wir auf Anfrage Spezialführungen, auf Wunsch im ganzen Gräserland oder mit Fokus auf ein einzelnes Gebiet. Zudem bieten wir Führungen für Schulklassen an.

Melden Sie sich bei uns unter [email protected] oder über die Website www.iunr.zhaw.ch/graeserland

Wir freuen uns über Ihr Interesse!

Heuschrecken in extensiv genutzten Wiesen

Magerwiesen sind trockene und sehr nährstoffarme Wiesen. Sie sind in den letzten Jahrzehnten durch die Inten-sivierung der Landwirtschaft und den Nutzungsdruck stark zurückgegan-gen. So sind rund 90% der mageren Wiesen in den letzten rund 100 Jahren in Fettwiesen umgewandelt, aufge-forstet oder überbaut worden. In vie-len Regionen sind sie meist nur noch an Bahnböschungen oder Strassen-rändern anzutreffen. Das reiche Pflan-zenangebot zusammen mit den lücki-gen Stellen in der Vegetation wird von vielen Insektenarten genutzt. Gerade Schmetterlinge und Schwebfliegen profitieren vom reichhaltigen Blüten-angebot dieser Wiesentypen. Viele Ar-ten der Magerwiesen sind heute stark gefährdet. Auch neu angelegte Mager-wiesen stellen bei sorgfältiger Pflege wichtige Ausgleichsflächen dar und leisten einen wichtigen Beitrag zur re-gionalen Biodiversität.

Pro Natura hat die Feldgrille zum Tier des Jahres 2014 gekürt – und dies nicht ohne Grund! Sie bewohnt son-nige, trockene und extensiv bewirt-schaftete Wiesen und Weiden. Dieser Lebensraum ist jedoch nicht nur ein idealer Ort für Heuschrecken, sondern auch für viele andere Tier- und Pflan-zenarten. Auch wenn die Feldgrille gesamtschweizerisch noch nicht als gefährdet gilt, ist das Zirpen vielerorts verstummt. Die intensive Landwirt-schaft verdrängt die blumenreichen Wiesen und die Flächen werden immer kleinräumiger. So konnte in einer Stu-die gezeigt werden, dass die mittlere Anzahl Arten und die mittlere Indivi-duenzahl von Heuschrecken in exten-siv bewirtschaften Wiesen deutlich hö-her ist als in intensiven Flächen. rima, schj

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen,

Forschungsgruppe Umweltplanung: Jürg Schlegel,

[email protected], Matthias Riesen, matthias.

[email protected]

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26 Sommer 2014 / GräserLandexpressGrünraumgestaltung

Blickdichte Blütenpracht am laufenden Meter Hecken aus verschiedenen Stauden und Gräsern sind eine willkommene Alternative zu den seit Jahren vorkommenden immergrünen Gehölzhecken. Seit 2007 werden im Grüental mehrere Kombinationen von Staudenhecken auf ihre Eignung getestet. Die Idee bestand darin, auf 80 Zentimeter schmalen Bändern lineare, raumbildende, pflegearme und gut designte, funktionale Vegetationssysteme zu entwickeln, diese zu doku-mentieren und altern zu lassen.

Die schmalen Hecken sind in den verdichteten Stadträumen ideal, um platzsparend und dennoch vielfältig einen Sichtschutz zu bilden. Stauden-hecken erfüllen mit ihrem opulenten Grün während der ganzen Sommer-saison ihre Sichtschutz-Funktion und beleben durch ihre Blüten den Garten-raum.

Das Neue daran – das StrategiedenkenFür die Konzipierung der Staudenhe-cken wurden hohe Beetstauden ge-wählt, weil diese untereinander kon-kurrieren. Die Beetstauden werden an ihr leistbares Optimum geführt und auf diesem energetischen Leistungs-niveau über Jahre gehalten. Die Frage: Ist das schon das neue Design? Dann wäre nur ein alter gärtnerischer Zopf abzuschneiden - das wäre dann doch zu wenig.

Neues Design bedeutet, die Beet-stauden extrem dicht zu pflanzen, sie linear zu kombinieren und entspre-chend dem Strategietyp des Wettbe-werbs (der sogenannten C-Strategen, siehe Box) um Platz, Sonne, Nährstof-fe, Wasser – also um alle naturgege-benen Ressourcen – für das definierte Verwendungsbild zu optimieren.

Das Prinzip ist aus den höheren Prärien Nordamerikas abgeschaut, in denen eine Vielzahl aufrecht wach-sender Schaftstauden in Anpassung an den engen Stand, gedeihen. Dies mit bis zu 100 verschiedene Stauden pro Quadratmeter und ohne lästigen «Unkrautdruck». Dort gedeihen sie

meistens horstbildend, straff aufrecht und tief wurzelnd - wenn das kein Vorbild ist!

Andersherum: Konkurrenz be-lebt das Geschäft. Das heisst – haben die Grossstauden etwa Stress durch Mangel oder weil der Standort bei-spielsweise ungedüngt ist, sind die Pflanzen extrem standfest und pfle-geleicht. Verbessert wird dieses, wenn keine Düngung, kein Wässern und kein Hacken erfolgen. Somit ist die normale gärtnerische Pflege in der Regel tabu.

Pflegestrategie: Unkräuter sind kein tabu Wachsen Unkräuter in Staudenhe-cken, ist ihre Höhe entscheidend. Denn, wachsen die Stauden höher als das «Un- oder Beikraut», werden die Stauden diese in der Regel überwach-sen. Und genau das konnte mit den Staudenhecken in Wädenswil bewie-sen werden. So konnten die mannsho-hen Wasserdoste lästige Acker-Disteln vollkommen verdrängen. Diese wur-den in den ersten Jahren vor dem Blü-hen «im Vorbeigehen» gezogen. Von landwirtschaftlichen Standorten ist das als alte Bauernweisheit bekannt. Die lästigen C-Strategen sind durch zweimaligen Komplettrückschnitt oder dem sogenannten Distelziehen gut zu schwächen und nach zwei, spätestens drei Vegetationsperioden haben die gepflanzten C-Strategen den Standort erobert. Gleiche Erfah-rungen wurden mit den Brennnesseln gemacht. (Als Tipp: Auf diese Weise

Was sind Strategietypen?

Zwar sind Pflanzen enorm vielfältig, trotzdem lassen sich einige immer wiederkehrende verhaltensmus-ter oder Strategien erkennen, mit denen sie an verschiedenen Orten und im Wettbewerb mit anderen Pflanzen überleben und sich ver-mehren können. Pflanzen reagieren ganz unterschiedlich auf Stress, wie zum Beispiel zu wenig Nah-rung, und Störungen. Die typischen Reaktionen wurden von Grime 1979 in einem Dreiecksmodell der Strategietypen zusammengefasst:

R-(Ruderal)-Strategen: Störungstolerante Pflanzen

Es sind oft kurzlebige meist kraut-artige Pflanzen mit hoher Samen-produktion. Wegen ihrer Kurzle-bigkeit und geringen Höhe sind sie langelbigen Arten oft unterlegen.

c-(competitive bzw. Konkurrenz)-Strategen: Konkurrenzstarke Pflanzen

Dies sind langlebige Arten, welche an günstigen Standorten ohne Stressbedingungen wachsen. Die Pflanzen haben oft Speicherorgane aber eine geringe Samenpro-duktion. Es sind meist Stauden, Sträucher oder Bäume.

S-(Stress)-Strategen: Stresstolerante Pflanzen

Diese Arten können unter extre-men Bedingungen leben. Sie sind oft sehr langlebig, vermehren sich dafür nur selten. Typische Vertreter findet man in Trockengebieten oder im Hochgebirge.

▲ Staudenhecke im Gräserland. (Bild: Axel Heinrich)

lassen sich auch zu grosse Miscan-thus- und Solidago-bestände aus Gär-ten binnen Jahresfrist entfernen – 4 bis 5 Mal pro Saison abmähen oder von Hand mit der Heckenschere runter-schneiden und sie sind im Herbst ver-schwunden.)

So fielen seit 2010 keine zusätzli-chen Pflegezeiten an – der winterliche Rückschnitt erfolgte witterungsab-hängig zwischen Mitte Januar und Mitte Februar vor dem Austrieb der Zwiebelpflanzen und dauert für das gesamte 28 Meter lange Staudenhe-ckenband drei Minuten. Am aufwän-digsten ist die Abfuhr der ganzen Bio-masse.

Was geschieht an den (Beet)Rändern? Die Randstreifen sind bekannter-massen die Problemzonen jeder Pflanzung. Es sind die sogenannten Schleppenstauden, die am Rande je-des Weges, jeder Rasen- oder Wiesen-fläche den Unkrautdruck aufhalten. Entlang jeder Englischen Staudenra-batte wird dieses Prinzip angewen-det. Die Schleppenstauden mit ih-rem Potential zur Abschottung sind äusserst funktional und dürfen nicht abgeschnitten werden, sondern müs-sen übers Beet hinaus hängen dürfen, um das Beet und die Pflanzen darin schützen zu können.

Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, For-

schungsgruppe Pflanzenverwendung: Axel Heinrich,

[email protected]

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27Sommer 2014 / GräserLandexpress Interview

Zwei Heckenvarianten – Erfahrungen zum Nachahmen

Früh austreibende schmale Hecke

Hier untersuchten wir die früh raumbildende Heckenstruktur mit Calamagrostis ∆ acutiflora 'Karl Foerster'. Sie ist dem europäischen Vegetationstyp, den «Cool-Season-Pflanzen» zuzuordnen. Zwei Varianten wurde getestet - eine lineare und ein naturhafte Variante, beide Ansätze überzeugen. Der Vorteil liegt auf der Hand, denn die Calamagrostis errei-chen Ende Mai ihre Endhöhe von 180 Zentimetern und schirmen so die Gartenräume an ersten warmen Tagen optimal ab. Bewährt haben sich die Kombinationen mit spät austreibenden und spät blühenden Grossstauden, so dass die frühe Herbstfärbung der Calamagrostis als Farbkontrast inszeniert wird.

Späte Heckenvariante mit seitlicher Dimensionierung

Dem gegenüber verhalten sich die Chinaschilf (Miscanthus) als «Warm-Season-Pflanzen» anders. Sie treiben erst zum Zeitpunkt der voll raumwirksamen Calamagrostis im Mai aus und entfalten im Hochsommer ihre Pracht. Spät kommt die besonders standfeste Sorte 'Morning Light' in die Vegetationsphase. Dies mit dem ungeheuren Vorteil, dass sie fast nicht blüht und sich so nicht versamen kann. Bis in den Dezember bleibt ihre Biomasse hellgrün, was an späten war-men Herbsttagen optisch nicht zu unterschätzen ist. Das dürfte auch der Grund sein, dass von 'Morning Light' keine Blätter durch Wind abgerissen und so durch die Gärten und Anlagen verfrachtet werden. Ihr kugeliger, dennoch optisch weicher, im Alter ausladender Habitus ist ideal als Gegenpol für architektonische Anlagen.

Gräser in der LandwirtschaftAndreas Kunz bewirtschaftet zusammen mit einem Kollegen rund 36 Hektaren Land in Uster. Er betreibt einen gemischten Betrieb mit Mutterkuhhaltung und baut Gerste, Mais, Weizen und Gras an. Die Gerste wird vor allem an die Schweine verfüttert. Zurzeit sind es nur neun Schweine, doch sollen bald wieder zehn weitere dazu kommen. Etwas Gerste bekom-men auch die Kälber. Die 55 Kühe dagegen fressen vorwie-gend Gras: Im Sommer direkt auf der Weide mit Blick auf den Greifensee!

Andreas Kunz, Sie produzieren auf ihrem Hof vor allem Fleisch, in Zukunft wahrscheinlich als sogenannt ‹Grasland-basiertes Fleisch‘. Was bedeutet das?Bei der Graslandbasierten Fleisch-produktion ist vorgeschrieben, dass mindestens 75 % des Futters aus Gras besteht und maximal 10 % aus Kraftfutter. Das ist nicht immer ganz einfach. Bis jetzt konnte ich in einem schlechten Sommer das fehlende Futter mit Silomais kompensieren. Mais ist praktisch, da ich dort den Mist aus dem Stall wieder als Dünger einsetzen kann. Wegen den starren Vorschriften der graslandbasier-ten Fleischproduktion werde ich in Zukunft weniger Mais anbauen und dafür ab und zu Heu aus Süddeutsch-land einführen. Das ist ökologisch wahrscheinlich nicht sinnvoller. Im

Berggebiet macht dieses Programm wohl etwas mehr Sinn.

Auch Weizen bauen Sie nach speziel-len Richtlinien an. Was ist ‹Extenso Weizen›?Beim Weizen setzen wir keine Pilz-schutzmittel und auch keine Mittel gegen Insekten ein. Wir spritzen nur gegen Unkräuter. Da ist man etwas gefordert, wenn es feucht wird! Wir haben gute Sorten in der Schweiz, welche auf Resistenzen ge-züchtet sind, doch produzieren diese Sorten kein Ertragsmaximum. Da wir für Extenso Getreide vom Bund eine Unterstützung von 400 Franken pro Hektare bekommen und keine teuren Spritzmittel brauchen, stehen

▲ Andreas Kunz von Uster am Greifensee. (Bild: Petra Bättig-Frey)

wir finanziell meist gleich gut da, wie Bauern, die intensiv produzieren. Die Qualität der Weizen ist etwa gleich.

Wie sieht denn so ein Weizenjahr aus?Nach der Maisernte, müssen wir sehr gut pflügen, damit wir beim Weizen keine Probleme mit Pilz-krankheiten bekommen. Dann wird im Oktober der Winterweizen gesät. Anfangs März machen wir eine erste Stickstoffdüngung und eine Grunddüngung mit Phosphor, Kali und Magnesium. Sobald das Unkraut gekeimt ist, führen wir die Herbizid-behandlung durch. Danach, so im April, gibt es eine weitere Stickstoff-gabe. Je nachdem wird dann noch ein oder zweimal gedüngt. Ende Juli oder

anfangs August wird der reife Weizen geerntet.

Und was passiert danach auf dem Feld?Wir haben eine regelmässige Frucht-folge. Nach dem Weizen wird Gerste angebaut, im Jahr danach Kunstwie-se und dann wieder der Mais.

Graslandbasiertes Fleisch, Extenso-Weizen und eine grosse Solaranlage auf dem Stall - Ihnen ist eine nachhaltige Bewirtschaftung wichtig! Ist die Land-wirtschaft heute ökologischer als vor 20 Jahren, als Sie hier angefangen haben?Der Hof gehörte vorher meinen Eltern – ich konnte praktisch Traktor fahren, bevor ich laufen konnte! Seit da hat sich einiges verändert. Es ist sicher bürokratischer geworden. Ob wir heute ökologischer wirtschaften ist schwierig zu sagen. Zwar spritzte man früher beim Mais noch bis zu 10 kg Atrazin (einem Photosynthese hem-mendes Herbizid) pro Hektare. Später in den 90er Jahren hat man dann nur noch 1 kg Atrazin eingesetzt und heute ist es verboten. Aber ob wir bei allem ökologischer sind … Oft ist es ja Ansichtssache, was nun besser für die Natur sei. Ich fände es sinnvoll, wenn wir eine massvolle Landwirtschaft hätten, in der Familienbetriebe eine Chance haben und wo unsere Pro-dukte geschätzt werden. Wir sollten im Einklang mit der Natur Nahrung nachhaltig produzieren - dazu braucht es keine starren Regeln sondern vor al-lem den gesunden Menschenverstand. Das Interview mit Andreas Kunz führte Petra Bättig-Frey

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Botanik & Grünraum-gestaltung

Flächenvergleiche 1 kg Nahrungsmittel

Energie und Rohstoffe

Kultur-geschichte

Kilo

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tbel

astu

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Pavillon

zur Verfügung stehende Kulturfläche pro Person

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Ernährung

Ernährung

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Entwicklung Mais

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Aktuelle Informationen und die vollständigen Pflanzenlisten finden sie unter:

www.iunr.zhaw.ch/graeserland

DAS GRÄSERLAND DER ZHAW IN WÄDENSWIL

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