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Grundlagen der plastisch-chirurgischen Verorgung von Defekten im Schädel- und Geschtsberrich (Erläuterungen zum Referate)

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Page 1: Grundlagen der plastisch-chirurgischen Verorgung von Defekten im Schädel- und Geschtsberrich (Erläuterungen zum Referate)

Arch. Oto-Rhino-Laryng., 216, 477--499 (KongreBbericht 1977) �9 by Springer-Verlag 1977

II. Tell: Sitzungsberieht

Erl/iuterungen, Diskussionsbemerkungen und SchluBworte zu den Referaten

E. Haas (Karlsruhe): Grundlagen der plastiseh-ehirurgisehen Versorgung von De- fekten im Seh~idel- und Geslehtsbereleh (Erl/iuterungen zum Referat)

Basic Techniques of Plastic Surgical Repair in Defects of the Skull and Face

John Conley stellte dem ersten Kapitel seines Buches ,,Concepts in Head and Neck Surgery" sinngem/if3 fo!genden Satz voran: ,,Heutzutage kann die Zahl der erzielten 5-Jahresheilungen als Kriterium f/Jr eine erfolgreiche Behandlung von Krebsen der Kopf- und Halsregion nur dann akzeptiert werden, wenn gleichzeitig eine zufriedenstellende/isthetische und funktionelle Rehabilitation erreicht worden ist".

Wir haben gelernt, ausgedehnte Karzinome mit einer fr/iher unbekannten K/ihn- heir und Zuversicht anzugehen, und die daraus resultierenden verbesserten Heilungs- ziffern best/itigen die grunds~itzliche Riehtigkeit dieser, die Grenzen der Radikalitgt erreichenden Konzeption. Die erzielten Fortschritte sind aber nur dann sinnvoll und ethisch vertretbar, wenn wir mit der gleichen Zielstrebigkeit die Qualit/it des Weiter- lebens verbessern. Ein Fortleben um den Preis eines verstfimmelnden, den Patienten in die Isolation treibenden Defektes kann nicht als ,,Leben", bestenfalls als ,,Weiter- existieren" bezeichnet werden. Damit aber wird die plastisch-rekonstruktive Chirur- gie zwangsl/iufig zu einem essentiellen Bestandteil der operativen Malignombehand- lung im Kopf- und Halsbereich und muB zum R/istzeug eines jeden tumorchirur- gisch t/itigen Oto-Rhino-Laryngologen geh6ren.

Hinsichflich der Frage des Zeitpunktes f/Jr rekonstruktive Mal3nahmen nach ausgedehnten Karzinomresektionen im Sch/idel-Gesichts-Bereich argumentieren die Gegner einer friihen WiederhersteUung, deren Zahl zunehmend kleiner wird, mit dem Hinweis auf die schlechtere oder verzSgerte Erkennung evtl. Rezidivein dem rekonstruierten Gebiet. Solche Bedenken sind insbesondere bei infiltrativ wachsen- den Basalzellkarzinomen im Bereich des Augenwinkels, der Schl~ife und der Nasola- bialregion nicht unberechtigt. Grunds~itzlich aber soUen nach Ansicht Conleys (1976) wiederherstellende Maf3nahmen zum friihestm6glichen Termin vorgenommen werden. Auch wir beffirworten unter der Voraussetzung einer histologisch gesicher- ten Geschwulstentfemung im Gesunden eine der Resektion sich m6glichst bald an- schliel3ende Rekonstruktion, insbesondere dann, wenn sie eine funktionelle Rehabili- tation zum Ziele hat. Aber selbst in prognostisch fragwiirdigen F/illen kann eine sofortige Wiederherstellung vertretbar sein, was am Beispiel der intraoralen Karzi- nome erl~iutert werden soU. Bei dort lokalisierten Tumoren betr/igt die Oberlebensra- te 35% Von den anderen 65%, bei denen mit einem Rezidiv oder mit Metastasen zu

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rechnen ist, k/Snnen hfchstens weitere 5% durch neuerliche Therapiem~nahmen dauerhaft geheilt werden. Es erscheint yon daher aber nicht gerechtfertigt, den 95%, die entweder durch den Ersteingriff bereits geheilt sind oder infolge ihrer Krankheir ohnehin den Keim des Todes in rich tragen, eine plastisch-chirurgische Rehabilita- tion vorzuenthalten, nur um 5% der Patienten vieUeicht zus~itzlich retten zu k6n- nen.

Die Bef'tirwortung fr~ihzeitiger Wiederherstellungsmal3nahmen nach Malignom- operationen erhfht den Stellenwert der versehiedenen Verfahren der Nahlappenpla- stik, die oft Voraussetzung f'tir eine sofortige Defektdeckung sind und rich gegeniiber einer Defektversorgung durch freie Hauttransplantation in ~isthetischer und funktio- neller Hinsicht als deutlich iiberlegen erweisen. Erg~inzend zu dem Referat, in dem aus Grfinden der Didaktik und der Kostenersparnis eine Beschr~inkung auf Schema- zeichnungen geboten erschien, sollen nachfolgend anhand klinischer Fallbeispiele einige Nahlappenverfahren im Rahmen der operativen Malignombehandlung de- monstriert und empfehlenswerte, bisher abet nut vereinzelt zur Anwendung kom- mende Techniken etwas n~iher erl~iutert werden.

Fiir den Ausgleich kleinerer quadratischer oder rechteckiger Defekte eignen sich insbesondere Verschiebelappen in U- oder H-Form (vgl. Abb. 16 und 17 des Refera- tes). Rhombische Defekte lassen sieh hingegen gut mit einem Lappen nach Limberg oder Dufourmentel schliei3en. Der Limberg-Lappen (Abb. 1) wird in Verl~ingerung der kurzen Defektachse (bd) gebildet, und die Entfernungen ,,bd" und ,,de" find einander gleich. Damit eignet sich dieser Lappentyp insbesondere for 60~ Bei der von Dufourmentel angegebenen Modifikation (Abb. 2) verlaufen hingegen obere Lappenbegrenzung (de) und kurze Defektachse (bd) in einen Winkel zueinan- der, differieren auch l~ingenmiii3ig und ermdglichen damit den Verschlul3 rhombus- f'6rmiger Defekte von 60-90 ~ Voraussetzung fiir einen Limberg- oder Dufourmen- tel-Lappen ist eine ausreichende Hautverschiebbarkeit, da der dreieckf'6rmige Ent- nahmedefekt ,,def" prim~ir geschlossen werden tourS. Die daraus resultierende Narbe wird nur dann wenig st~Srend sein, wenn bei der Lappenplanung darauf geachtet wurde, dab die ,,Linie grdf3ter Dehnung" (line of maximal extensibility = line) in etwa senkrecht zu den Spannungslinien der Haut verl~iuft (Novak, 1976).

Zu den bevorzugten Lappenbildungen for den Verschlui3 runder, 2 -3 cm mes- sender Defekte im Mittelgesichts- und Nasenbereich gehdren die subkutan gestielten Insellappen, die in erster Linie von der GlabeUa, der pr~iaurikul~iren Region, dem Nasolabialfaltenbereich sowie dem submentalen Dreieck entnommen werden (Abb. 3). Eine schonende Priiparation des Blut- und Lymphgef'~il3e sowie nervale Elemente enthaltenden subkutanen Stieles, dessert L~inge eine spannungslose Verlagerung des inself'6rmigen Hautteils gew~ihrleisten mul3, ist f'tir dessert ~rberlebensf'~.higkeit unab- dingbar. Die Integration einer anatomisch definierbaren gr~SBeren Arterie verleiht einem solchen Insellappen ein sonst nicht erreichbares MaB an Mobilit~it, geh6rt abet nicht zu den unverziehtbaren Voraussetzungen dieses Lappentyps.

Die Hautverschiebung in Bogenform hat eine weitreichende Schnittf'tihrung und eine ausgiebige Unterminierung zur Voraussetzung. Ist infolge ungeniigender L~inge des Rotationslappens eine spannungslose Defektdeckung nieht mdglich, dann kann durch ,,cut back", d. h. durch einen die Subkutis intakt lassenden Hautschnitt im Bereieh der Lappenbasis, das RotationsausmaB um 15--20% gesteigert und damit ein vollst~indiger Defektausgleich erzielt werden (vgL Abb. 24 des Referates).

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Abb. la u. b. Verschlut3 eines rhombusf'6rmigen Defektes durch einen Limberg-Lappen (nach Novak); (vgl. Tex0

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Abb. 2a u. b. Verschlu8 eines rhombusf'6rmigen Defek'tes nach der yon Dufourmentet modifizierten Technik (hath Novak); (vgl. Text)

In Regionen mit schleeht verschieblicher Haut, wie z. B. im Skalpbereich, bietet sich zur Deckung gr613erer Defekte eine aus zwei oder mehr Rotationslappen beste- hende Technik an (vgl. Abb. 26 des Referates). Die gute Verschiebbarkeit der Wan- genweichteile und der angrenzenden Halshaut erm6glicht demgegen/iber einen De- fektausgleich durch eine einfache Lappenrotation. Solche Wangenrotationslappen (vgl. Abb. 25 des Referates) reichen auch zur Deckung yon Defekten, die auf die

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Abb. 3. Bevorzugte Entnahmeregionen Ftir Insellappen (nach Novak)

Nasenwand fbergreifen, aus. Doch soUte man in diesen F/illen dem Prinzip der ,,esthetic units" Rechnung tragen und den Nasendefekt gesondert, z. B. durch einen medianen Stirniappen, versorgen.

W/ihrend die einfache Lappentransposition in vielerlei Modifikationen breite An- wendung gefunden hat, kommt die von Esser erstmals 1918 beschriebene, der Form eines Schmetterlings/ihnelnde, zweifache Lappenverlagerung bisher noch relativ sel- ten zur Durchf'dhrung (vgI.' Abb. 28 des Referates). Amerikanische Autoren haben in jfngster Zeit wiederholt auf die Vorteile des ,,bilobed flap" hingewiesen (Morgan, 1973), der einen spannungslosen Ausgleich insbesondere von Nasenspitzen-, abet auch von Ober- und Unterlippendefekten gestattet, der dutch prim/ire Wundnaht oder eine einfache Lappentransposition nicht m~glich w/ire. Oblicherweise betr/igt der Winkel zwischen den beiden, fiber einen gemeinsamen Stiel verffgenden Lappen 90 ~ kann abet auch 30-120 ~ messen. W/ihrend der an die Defektregion angrenzen- de Lappenteil in etwa der Defektgr613e entspricht, wird der defektferne Lappen im allgemeinen kleiner dimensioniert und soll zur Erm6glichung eines Prim/irverschlus- ses seines Entnahmebereiches aus einem gut versehieblichen Hautareal gebildet wer- den.

Zu den Nahlappenplastiken im weiteren Sinne geh~Jren auch die regionalen Transpositionslappen, die Voraussetzung ffr eine erfolgreiche operative Behandlung ausgedehnter Geschwiilste im Kopf-Hals-Bereich sind und zu den entscheidendsten Fortschritten der letzten 30 Jahre z/ihlen. Ihre unmittelbare Verfiigbarkeit ohne vor- angehende Lappenautonomisierung hat fiir die operative Malignombehandlung neue Mal3st~ibe gesetzt. Sie erm6glichen die sofortige WiederhersteUung der Luft- und Speisewege, die Protektion der grol3en Halsgef/il3e sowie die definitive Deckung ausgedehnter Wundgebiete. Ffr diese Aufgaben stehen im Bereich yon Brust, Schul- ter, Hals, Stirn und Skalp nahezu 1000 cm 2 Haut zur Verffgung, so dab zeitlich

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aufwendige Rundstiellappen, die gelegentlich erst unter Einschaltung eines Zwi- schentr~igers in den Defekt transportiert werden kfnnen, im Rahmen der Ge- schwulsttherapie nur noch ausnahmsweise zur Anwendung gelangen. Eingeschriinkt wird die Verwendung nicht autonomisierter Regionallappen allerdings durch schwe- re Organerkrankungen, einen stark reduzierten Ern/ihrungszustand und hohes Alter des Patienten sowie eine ausgepdigte aUgemeine Gef'~i/3sklerose. Auch vorangegan- gene Strahlenbelastung und Narbenbildungen im vorgesehenen Entnahmebereich mfissen bei der Lappenplanung in Rechnung geStellt werden und lassen, ebenso wie bei der Entnahme ~iberlanger Lappen, eine vorherige Autonomisierung zweckm/il3ig erscheinen.

Das L~ingen-Breiten-Verh~iltnis yon Regionallappen h/ingt wesentlich yon der Art ihrer Blutversorgung ab und kann bei Lappentypen, in die z. B. die Temporalar- terie oder mehrere Aste der A. mammaria interna integriert sind, bis 5 : 1 betragen. In der Regel wird man sich aber auf ein L/ingen-Breiten-Verh/iltnis von 2 : 1 beschdin- ken, um die einzige ernsthafte Komplikation bei grol3en Regionallappen, n~imlich eine Lappennekrose, die von Conley (1976) in 4% seiner F~ille gesehen wurde, sicher zu vermeiden. Kleinere Randnekrosen kommen h~iufiger vor, sind aber ohne Bedeu- tung f'dr die Gesamtkonzeption und k6nnen entweder der Sekund/irheilung/iberlas- sen oder durch eine erg/inzende Lappenbildung korrigiert werden.

In der postoperativen Nachsorge liegt - wie bei jeder Lappenplastik -- der Schwerpunkt in der Vermeidung bzw. Frfiherkennung eines H/imatoms, das seiner- seits die Gefahr der Sekundiirinfektion und der Drucknekrose beinhaltet. Exakte intraoperative BlutstiUung ist deshalb eine ,,conditio sine qua non", die durch Anlage einer Redovac-Saugdrainage wirksam unterstiitzt werden kann.

Im Rahmen der zur Verftigung stehenden Zeit k6nnen nur einige Beispiele regio- naler Lappenbildungen demonstriert werden. Im/ibrigen abet mul3 auf das 1976 im Thieme-Verlag ersehienene Bueh yon Conley ,,Regional Flaps of the Head and Neck" verwiesen werden.

Gezeigt wird die Versorgung eines groi3en Halsweichteildefektes nach Entfer- nung eines voroperierten und vorbestrahlten Karzinomrezidivs durch einen Brust- hautlappen (vgl. Abb. 36 des Referates). Mit diesem Lappentyp stehen dem Opera- teur 250 cm 2 gut ern~ihrten Hautmaterials ohne vorangehende Autonomisierung so- fort zur Verf/igung. Die kombinierte Anwendung eines seitlichen Halshautlappens in Verbindung mit einem oberen horizontalen Brusthautlappen wird am Beispiel einer Wangendefektplastik demonstriert (vgl. Abb. 45 des Referates). Steht im Brustbe- reich nicht geniigend Hautmaterial zur Verf~gung, dann kiSnnen regionale Transpo- sitionslappen auch von der hinteren Thoraxwand entnommen werden, was am Bei- spiel eines Skapulalappens veranschaulieht wird. Die von Converse (1976) angege- bene parieto-occipitale Lappenbildung (Abb. 4) stellt ebenfalls eine Alternative bei nicht m6glicher Entnahme eines Brust- oder Deltopektorallappens dar und ist zur Rekonstruktion ausgedehnter Defekte der Ohr-, Parotis- und Wangenregion geeig- net. Auch der yon McGregor propagierte temporal gestielte Stirnhautlappen geh6rt zu den regionalen Lappenbildungen und wird vorwiegend zur intraoralen Defektdek- kung verwendet (vgl. Abb. 48 des Referates). Selbst bei ligierter A. carotis externa kann der Stirnlappen ohne vorangehende Autonomisierung verwendet werden, wenn man die seitliehe Lappenbasis auf 10-11 cm verbreitert und damit Skalpgef'~ifSe in die Lappenern~ihrung einbezieht (Conley, 1976) (Abb. 5).

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\ Abb. 4. Parieto-occipitale Lappcnbildung (naeh Converse) zum Versehlufl grol3er Defekte der Ohr-, Parotis- und Wangenregion

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POSTIRIOR AU|ICULAS A.

LIGAT|D TIIK POSAI, A.

' L,~ \ 16CM a f stn.tllrtclal, / 1 TsaPOIIAL a.

~ EXYIHINAL CARO'rlD A.

Abb. 5. Planung eines Stirnlappens mit verbreiterter Lappenbasis, wodurch dessen sofortige Verwendung.bei ligierter A. carotis externa erm6glieht wird (aus: J. Conley: Regional flaps of the head and neck. Stuttgart: Thieme 1976)

Wie schon erw/ihnt, wird durch die Regionallappenplastik die Anwendung von defektfern entnommenen Rundstiellappen im Rahmen wiederhersteUender Mal3nah- men naeh Tumoroperationen zwar entseheidend eingesehr/inkt, aber nicht g/inzlich aufgehoben. So kann die Anlage eines Rundstiellappens dann empfehlenswert oder gar unum#inglieh sein, wenn die alternativ zur Bildung yon Regionallappen in Frage kommenden Hautareale strahlengesch/idigt sind und deshalb die Gefahr einer gr613e- ren Lappennekrose besteht. Ferner bietet eine Rundstiellappenplastik die Mfglichkeit, das Fettmaterial des f'tir die eigentliehe Defektdeckung nicht benftigten Lappenteiles gestielt und somit weniger resorptionsgef'~ihrdet transplantieren zu k6nnen (vgl. Abb. 69 des Referates).

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Plastisch-clairurgische Versorgung von Defekten im Sch~idel- und Gesichtsbereich 483

Auf3erhalb der Malignomtherapie hat die Rundstiellappenplastik auch heute noch einen gr56eren Anwendungsbereich. Sie gestattet n~imfich die Heranschaffung des zum Defektausgleich ben6tigten Ersatzmaterials yon einer defektfernen Region und vermeidet so die Hinterlassung kosmetisch beeintr~ichtigender Narben, wie sie bei tier Bildung kollarer, thorakaler oder frontaler Regionallappen toleriert werden mils- sen. Insbesondere bei jilngeren weibliehen Patienten bietet sich deshalb in erster Linie die Abdominal- und Flankenregion zur Rundstiellappenbildung an. Dort ent- nommenes Hautmaterial filgt sieh mit der Zeit farblich ilberrasehend gut in das Gesicht ein und ist seines Fettreiehtums wegen speziell f'tir den Wangenersatz geeig- net.

Den entscheidenden Vorteil der Fernlappenplastik, n~imlich die Vermeidung yon Narben an sichtbarer Stelle, mit der sofortigen Verfilgbarkeit regionaler Lappen kombinieren zu k6nnen, gait lange Zeit als Wunschtraum, ist aber inzwischen Rea- lit~it geworden. Denn Anfang der 70er Jahre wurde yon verschiedenen Arbeitsgrup- pen die M6gfichkeit der freien Obertragung eines den Stiellappen entsprechenden Hautlappens durch mikrochirurgische GefEif3anastomisierung aufgezeigt und damit eine neue )~ra der plastischen Chirurgie eingeleitet. Neben dem von Harii u. Mitarb. zur Wiederherstellung yon Gesichtsdefekten beschriebenen freien Deltopektorallap- pen (vgl. Abb. 86 des Referates) und dem yon O'Brien u. Mitarb. zur Versorgung yon Nasendefekten angegebenen freien Stirnhautlappen (vgl. Abb. 87 des Referates) verdient der ,,groin flap" unser besonderes Interesse. Diese der Iliofemoralregion entstammenden Lappen wurden bisher yon Daniel u. Taylor (1973), von O'Brien u. Mitarb. (1973) sowie von Rigg (1975) bei Defekten im Bereich der unteren Extre- mit~it mit Erfolg eingesetzt und bieten yon ihrer Struktur her gute Voraussetzungen auch im Gesichtsbereich, z.B. als Wangenersatz, Verwendung finden zu k6n- nen.

Die zur Anastomisierung eines ,,groin flap" geeigneten Arterien kommen aus der A. femoralis: Nach kranial zu den oberfl~ichlichen Schichten der Bauchdecke zieht die A. epigastrica superficialis und lateralw~irts, parallel zum Ligamentum inguinale vefl~iuft die A. circumflexa ilium superficialis, jeweils begleitet yon gleichnamigen Venae comitantes (Abb. 6). Die Tatsache, daf3 der Iliofemorallappen yon ober- fliichlich verlaufenden Arterien und Venen und nicht yon muskulokutanen Gef~igen aus der Tiefe versorgt wird (Abb. 7), erleichtert deren Pr~iparation bei der Lappen- entnahme und ist einer der Grilnde filr die Vorzugsstellung dieses Lappentyps (Taylor u. Mitarb., 1975).

Die Verfilgbarkeit eines ad~iquaten Gef'~if3anschlusses in der Defektregion ist Voraussetzung filr das Gelingen der auf mikrochirurgischer Gef~if3anastomisierung basierenden freien Lappenfiberpflanzung. Nicht selten hat allerdings die in Frage kommende Arterie der Empf'~ingerregion k'eine geeigneten Seiten~iste, so daf3 eine End-zu-End-Anastomose nicht mfglich ist. Als Alternative kommt in solchen F~illen nach dem Vorschlag yon Rigg (1975) eine End-zu-Seit-Anastomose in Betracht.

Im Referat wurde bereits erw~ihnt, daf3 die mikrovaskul~ire Anastomosierung auch ffir den Bereich der Knochentransplantation yon Relevanz werden kann. Auf einen weiteren Anwendungsbereich haben kilrzlich Fujino u. Mitarb. (1975) auf- merksam gemacht: Sie verwendeten zum Brustaufbau bei einem jungen M~idchen einen 400 g schweren freien Derma-Fett-Muskellappen vom Ges~if3 und anastomo- sierten die oberen Glutealgef'~if3e mit der A. und V. thoracalis lateralis. Durch den

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Abb. 6. Gef~if3versorgung des Iliofemorallappens [aus: R. K. Daniel, G. I. Taylor: Distant transfer of an island flap by microvascular anastomosis. Plast. reconstr. Surg. 52, 111 (1973)]

M U S C U L O C U T A N E O U S

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Abb. 7. Mfglichkeiten der arteriellen GeFdBversorgung freier Hautlappen (vgl. Tex0[aus: G. I. Taylor, R. K. Daniel: The anatomy of several free flap donor sites. Plast. reconstr. Surg. 56, 243 (1975)]

sofortigen intraoperativen Gef~BanschluB blieb der sonst obligatorische postoperati- ve Volumenschwund aus.

Mit der mikrochirurgischen Anastomosentechnik haben sich ffir aIIe Bereiche der plastischen Chirurgie neue Wege er6ffnet. Wir, die mit mikrochirurgischen Ope- rationsverfahren vertrauten Hals-Nasen-Ohreniirzte, sind - soweit plastisch-chirur- giseh t~itig - in besonderem MafSe aufgefordert, diese Wege zu beschreiten. Unser oft wiederholter Anspruch auf Wahrnehmung plastisch-chirurgischer Belange im Kopf-Hals-Bereich wird unglaubhaft, wenn wir die uns jetzt gebotene Chance nicht wahrnehmen, und ein weiterer Terrainverlust wfire die unausweichliche Folge einer solchen Unterlassung.

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Spezielle Rekonstruktionsverfahren im Gesichtsbereich

Literatur

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Conley, J.: Regional flaps of the head and neck. Stuttgart: Thieme 1976 Daniel, R. K., Taylor, G. I.: Distant transfer of an island flap by microvascular anastomosis. Plast.

reconstr. Surg. 52, 111 (1973) Fujino, J., Harashina, T., Aoyagi, F.: Reconstruction for aplasia of the breast and pectoral region by

microvascular transfer of a free flap from the buttock. Plast. reconstr. Surg. 56, 178 (1975) Morgan, B. L.: Advantages of the bilobed flap for closure of small defects of the face. Plast. reconstr.

Surg. 52, 35 (1973) Novak, A. J.: Special facial flaps. In: J. Conley: Regional flaps of the head and neck. Stuttgart: Thieme

1976 O'Brien, B. M., MacLeod, A. M., Hayhurst, J. W., Morrison, W. A.: Successful transfer of a large island

flap from the groin to the foot by microvascular anastomosis. Plast, reconstr. Surg. 52, 217 (1973)

Rigg, B. M.: Transfer of a free groin flap to the heel by microvascular anastomoses. Plast. reconstr. Surg. 55, 36 (1975)

Taylor, G. I., Daniel, R. K.: The anatomy of several free flap donor sites. Plast. reconstr. Surg. 56, 243 (1975)

E. R. Kastenbauer (Miinehen): SpezieUe Rekonstruktionsverfahren im Gesichtsbe- reich (Erl/iuterungen zum Referat)

Special Methods of Reconstructive Surgery in the Facial Region

Die Traumatologie und Tumorchirurgie stellt uns nahezu t~glich vor rekonstruk- tive Aufgaben im Gesichts- und Kopfbereich, so daJ3 ohne Kenntnis der Standard- methoden der Wiederherstellungschirurgie eine optimale Versorgung unserer Patien- ten nicht m6glich ist.

Rekonstruktive Maflnahmen im Bereieh der Stirn

Ist es bei ausgedehnter Pneumatisation im Stirnh6hlenbereich bei Infektion oder nach Traumen nicht m6glich, die Stirnh6hlenvorderwand dutch entsprechende osteo- plastische Mal3nahmen zu erhalten, so entstehen nach deren Entfernung entstellen- de Defekte im Stirnbereich. Ffir die sekumd/ire Rekonstruktion solcher Defekte bie- ten sich in erster Linie autogene Knochen- und Knorpeltransplantate und in zweiter Linie k6rpervertr/igliche Kunststoffe, wie Silastik an. Der Stirnbereich stellt f/Jr die Kunststoffimplantation keine ungfinstige Empf/ingerzone dar, da diese Irnplantate breitfl/ichig unter einem sicheren Weichteilmantel mit dem Empf/ingerlager Kontakt finden und abgesehen von einer gewissen Sdrnmotorik ein relativ ruhiges Implantat- lager haben. Die Implantation dieser Ersatzmaterialien erfolgt yon Inzisionen, die entweder knapp hinter die Haargrenze oberhalb der Stirn, in die Regio temporalis oder in den Brauenbereich gelegt werden. Bei der Versorgung ausgedehnter Stirn- beindefekte empfiehlt sich der bitemporale BiJgelschnitt.

Versorgung yon Stirnweichteildefekten

Mediane Stirnweichteile lassen sieh in der Regel mit der H-Plastik gut versorgen. Lateral liegende Stirnweichteildefekte k6nnen je nach Lokalisation mit einem Trans-