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Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/2015 1 Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 (c) Sebastian Voll, Universität Jena

Grundlagen der Wirtschaftspolitik - wipo.uni-jena.deGrundlagen+Wirtschaf… · • Mancur Olson hat in seinem Werk „Die Logik kollektiven Handelns“ (1965) drei Hauptaussagen über

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Grundlagen der Wirtschaftspolitik

WS 2014/2015

1Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15(c) Sebastian Voll, Universität Jena

3 Marktversagen und Eingriffsmöglichkeiten

Lernziele – Studierende sollen am Ende von Kapitel 3

• Ursachen und Formen von Markversagen erläutern können

• Für einzelne Märkte analysieren können, ob und welche Art von MV vorliegt

• Einschätzen können, ob das MV hinreichend schwer genug ist, um Staatseingriffe zu rechtfertigen

• Für verschiedene Formen des MV mögliche Markteingriffe kennen

• Die Vor- und Nachteile dieser Eingriffsmöglichkeiten erläutern können

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 2

3 Marktversagen und Eingriffsmöglichkeiten

Literaturhinweise:

• Erläuterungen zum Marktversagen und Beispiele finden sich in Donges, Freytag (2009), Kapitel 3

• Erläuterungen zur Theorie ökonomischer Clubs finden sich in Mueller (2003), Kapitel 9, S. 182-190.

• Grafische Darstellungen und Erläuterungen zu externen Effekten und deren Regulierung finden sich in Fritsch, Wein, Ewers (2007), Kapitel 5

• Erläuterungen zur politischen Umsetzung dieser Regulierung in Fritsch, Wein, Ewers (2007), Kapitel 6

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3 Marktversagen und Eingriffsmöglichkeiten

1 öffentliche Güter vs. Clubgüter

2 externe Effekte

3 natürliche Monopole

4 asymmetrische Informationen

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3 Marktversagen und Eingriffsmöglichkeiten

Marktversagen bedeutet:

a) Verletzung der statischen Effizienz des Marktwettbewerbs

b) Und Verletzung der dynamischen Effizienz von Marktwettbewerb

• Statisch: Annahmen des Modells vollständigen Wettbewerbs verletzt

• Dynamisch: Wettbewerbswirkungen entfalten sich auch nicht im Zeitablauf (Vgl. von Hayek, Schumpeter), der W. ist nicht funktionstüchtig (Baumol, s.u.)

– Beispiel: Monopol durch Patente; monopolistischer Preissetzungsspielraum durch Handelsmarken, Lernen der Konsumenten bei A.I. etc.

• Die „klassischen“ Tatbestände des Marktversagens

1a. Öffentliche Güter

1b. Externe Effekte

2. Natürliche Monopole

3. Asymmetrische Informationen

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3.1 Öffentliche Güter

Was verstehen Ökonomen unter öffentlichen Gütern?

• Reines öffentliches Gut: Samuelson (1954)

– „ wird eine bestimmte Menge bereitgestellt, konsumieren alle Individuen die gleiche Menge dieses Gutes“ (S. 350)

� Nicht-Rivalität im Konsum:

− Vorteil – kein Kostenanstieg bei höherer Nutzerzahl

− Nutzung muss nicht rationiert werden – Distribution ist irrelevant

� Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum:

− Nachteil – keine Präferenzaufdeckung

− Aber:Bereitstellung verbraucht knappe Ressourcen � Allokationsproblem

• bspw: Landesverteidigung, Rechtsstaat, analoger Rundfunk, Deichschutz an der Küste

• Aber: lokale, regionale und globale ÖG

• Probleme in der Allokation des Gutes:

- Trittbrettfahrer-Verhalten („free-riding“)

- Präferenzaufdeckung: optimale Menge des ÖG und optimale Finanzierung

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3.1 Öffentliche Güter

Rivalität im Konsum Nicht-Rivalität im Konsum

Ausschließbarkeit Privates Gut Club-Gut

Nicht-Ausschließbarkeit Allmendegut (reines) Öffentliches Gut

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Nicht-Rivalität im Konsum:

• Das Gut wird durch den Konsum nicht „verbraucht“. • Daher ist unerheblich, wie viele Individuen es konsumieren (Keine

Nutzenbeeinträchtigung durch die Anzahl der Konsumenten). • Beispiel Leuchtturm: Der Nutzen des Leuchtturmfeuers wird durch die

Anzahl der vorbeifahrenden Schiffe nicht verändert.

Nicht-Ausschließbarkeit:

• Es ist technisch oder rechtlich unmöglich (oder nur zu hohen Kosten), • Individuen vom Konsum auszuschließen. • Beispiel Leuchtturm: Alle vorbeifahrenden Schiffe kommen in den Genuss

des Leuchtturmfeuers. Leuchtet es einmal, kann niemand davon ausgeschlossen werden.

3.1 Öffentliche Güter

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Problematik des Trittbrettfahrens bei Nicht-Ausschließbarkeit

• Modellierung durch einfaches Gefangenen-Dilemma Spiel:− Individuell rationale Alternative für (beide/alle) Spieler− Führt zu (Nash-)Gleichgewicht,− welches aber nicht die Wohlfahrtsmaximale Lösung ist

• 1000 Individuen, ÖG mit Kosten von 5000, Nutzen eines I. aus dem ÖG: 10; bei Gleichverteilung der Kosten ergibt sich folgendes Kalkül für das einzelne I.:

Alle andere zahlen Alle anderen zahlen

nicht

Individuum zahlt 5/5 -5/0

Individuum zahlt nicht 10/<5 0/0

3.1 Öffentliche Güter

• Öffentliche Güter werden nicht (-optimal) am Markt bereit gestellt

� Marktversagen / Kollektivversagen

• Mancur Olson hat in seinem Werk „Die Logik kollektiven Handelns“ (1965) drei Hauptaussagen über die freiwillige Bereitstellung von ÖG getroffen:

– Je größer die Gruppe, desto weniger ist sie in der Lage, die optimale Menge des Gutes bereitzustellen wegen:

• Geringem individuellen Nutzen bzw. Einfluss auf Bereitstellung

• Fehlender Entdeckungs- und Sanktionsmöglichkeit bei Trittbrettfahren

• Hoher Organisationskosten (Mindestkosten)

– Mind. ein Mitglied hat Anreiz, das Gut selbst bereitzustellen (sog. privilegierte Gruppen) � Ausbeutung der „Großen“ durch die „Kleinen“ (Bsp: NATO, aber auch: Ehrenamt in Vereinen etc.)

– Kollektive Aktion kann durch geeignete Anreizstrukturen gefördert werden: selektive Anreize (positiv, als privates Gut oder durch Zwang)

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3.1 Öffentliche Güter

Fallbeispiel Öffentliche Güter: Luftverschmutzung auf lokaler und globaler Ebene

Durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe werden zahlreiche Schadstoffe in die Luft freigesetzt. Hauptschadstoffe sind dabei Schwefeldioxid und Kohlenstoffdioxid. Internationale Abkommen zur Reduzierung der Schwefeldioxidemissionen gelten seit den 1980ger Jahren als erfolgreich, wogegen die Abkommen zur Vermeidung von CO2-Emissionen als ineffektiv angesehen werden. Solche internationale Abkommen lassen sich als Club modellieren: die Kosten einer höheren Mitgliederzahl liegen in stärkerer Heterogenität der Interessen und damit höheren Verhandlungskosten oder suboptimalen Ergebnis (Integrationstiefe). Die Vorteile liegen in der Anwendung gleicher Standards in allen Ländern und damit ähnlichen Wettbewerbsbedingungen für die Industrie.

Der Erfolg der Abkommen zu Schwefeldioxiden liegt darin begründet, dass dies ein lokales bzw. regionales öffentliches Gut ist: Schwefeldioxid wird bei Kontakt mit Wasser zu „saurem Regen“ , welcher lokal begrenzt niedergeht – Umweltschutz kommt an dieser Stelle den jeweiligen Ländern mit strikten Standards und deren unmittelbaren Nachbarn selbst zu Gute. Die Clubmitglieder erhalten demnach den großen Teil der Vorteile selbst als Gruppe.

Die Einsparung von CO2 bringt aber vor allem lokal höhere Kosten für Gewerbe und Bürger, während die Erträge aus der Einsparung von CO2 weltweit anfallen. Einzelne Länder haben somit keinen Anreiz, dieses Gut (Reduzierung CO2) in großem Ausmaß bereitzustellen, da sie selbst nur einen geringen Teil des Nutzens für sich selbst vereinnahmen können.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 10

3.1 Öffentliche Güter

Wann ist ein Gut ein öffentliches Gut?

• Reine öffentliche Güter (im Sinne Samuelsons) müssen von einer staatlichen (beauftragten) Stelle bereitgestellt und durch Steuern finanziert werden,

– weil es technisch (kaum) möglich oder aus anderen Gründen nicht effizient ist, andere Individuen auszuschließen (Landesverteidigung, Recht und Ordnung, Minimum

sozialer Umverteilung, Deiche zum Hochwasserschutz etc.) � Minimalstaat

• Die meisten anderen öffentlich bereitgestellten Güter sind durch die Möglichkeit des Ausschlusses gekennzeichnet

– Theater, Schulen und Universitäten, Sozialversicherungen, Straßen und Schienen

• Sie entsprechen letztlich Clubgütern � Beitragsfinanzierung wäre möglich und ggf. effizient

• Aber: Ansicht der klassischen Ökonomen (Wicksell, Lindahl)

– Bürger entscheiden darüber, bei welchen Gütern auf Ausschluß verzichtet oder dieser angewandt wird (Beispiel: Mautpflicht auf Straßen, Schulgeld-/Studiengebühren, gesetzliche Krankenversicherung etc.)

– Danach: Entscheidung über Menge des ÖG und dessen Finanzierungweg

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3.1 Öffentliche Güter

Was ist die optimale Bereitstellungsmenge eines öffentlichen Gutes?

• 2 Individuen i maximieren ihren Nutzen Ui aus dem Konsum eines privaten Gutes xi und eines reinen öffentlichen Gutes Z: Ui=Ui(xi, Z)

• Die Wirtschaft kann Produktionsfaktoren für die Güter X=x1+x2 und Z umwidmen, so dass die Transformationskurve T(X,Z) die effizienten Produktionsmöglichkeiten angibt

• Was ist die Bedingung für Pareto-effiziente Kombination aus dem privaten und dem öffentlichen Gut?

max��(�� , )�. �. ���� = ��; � �, = 0; � = �� + ��

��, ��,

• Die zugehörige Lagrange-Funktion lautet:

� = �� ��, + �� �� − �� + �� � �, + ��(� − �� − ��)

• Partielles Ableiten ergibt 4 Bedingungen erster Ordnung:��

���=���

���− �� = 0;

��

���= ��

���

���− ��;

��

��= ��

��

��+ �� = 0

��

�=���

�− ��

���

�+ ��

��

�= 0

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 12

3.1 Öffentliche Güter

• Durch Umstellen der ersten, zweiten und dritten BEO nach λ7 und gleichsetzen ergeben sich die Langrangemultiplikatoren λ5 und λ6

• Einsetzen von λ5 und λ6 in die vierte BEO und umstellen nach der GRT ergibt

��/�

��/��=

���/�

���/���+���/�

���/���

• Was letztlich bedeutet:

GRT=GRGS1+GRGS2 (graphisch bedeute dies die Addition der einzelnen Nachfragekurven)

zur Erinnerung: bei einem privaten Gut gilt: GRT=GRGS1=GRGS2

• Die Intuition dahinter ist einfach:

– Eine zusätzliche Einheit eines ÖG erhöht den Nutzen aller Individuen, so dass das gesellschaftliche Optimum gefunden wird, in dem alle Nutzen addiert werden. So lange noch ein Individuum bereit ist, eine Einheit privates Gut aufzugeben um mehr ÖG zu konsumieren, ist dies wohlfahrtssteigernd.

– Bei privaten Gütern kann eine Einheit nur dem einen oder dem anderen I. gegeben werden. Pareto-Effizienz liegt dann vor, wenn es egal ist, welcher der Individuen dieses Gut bekommt – weil sich dann jeweils nur eines auf Kosten des anderen besser stellt.

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3.1 Öffentliche Güter

Fallbeispiel: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland

Knut Wicksell (1851-1926) hat vorgeschlagen, für jedes von den Bürgern gewünschte öffentliche Gut eine separate Steuer einzuführen, welche das Gut vollständig finanziert.

Der frei empfangbare öffentlich-rechtliche Rundfunk ist damit ein gutes Beispiel für ein Gut, welches die Kriterien der Nicht-Ausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität im Konsum erfüllt und nach Wicksells Vorschlag über eine extra Steuer finanziert wird (sog. Rundfunkbeitrag, früher GEZ-Beitrag).

Wicksells Vorschlag entsprang der Idee, dass die Bürger über die Menge des ÖG und den jeweiligen Steuersatz im Parlament debattieren und über diese Verhandlungen prinzipiell zu einer Pareto-optimalen Situation kommen können (siehe hierzu ein einführendes Lehrbuch der Finanzwissenschaft). Allerdings würden dabei eine Anzahl Bürger ein höheres Niveau an Bereitstellung, andere ein niedrigeres Niveau wünschen (bei entsprechenden Steuersätzen).

Da in Deutschland allerdings auch private Sender frei empfangen werden können, ist fraglich, ob die Menge an empfangbaren Rundfunk die Samuelson-Bedingung erfüllt. Es ist plausibel, dass die bereitgestellte Menge insgesamt viel zu hoch ist um sie durch Steuerfinanzierung zu rechtfertigen. Gründe, wieso sich eine staatliche beauftragte Unternehmung suboptimal weit ausdehnt, lassen sich mit der Bürokratietheorie finden.

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3.1 Öffentliche Güter

Verfehlung der Präferenzen und Wohlfahrtsverlust bei öffentlich bereitgestellten privaten Gütern

• Privates Gut X, welches aber durch die Gesellschaft in gleichen Mengen allen Mitgliedern bereitgestellt wird

• 2 Individuen: eines mit hoher Präferenz für das Gut und damit hoher MZB und Nachfrage (NFh) und eines mit niedriger Präferenz, MZB und Nachfrage (NFn)

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 15

NFn

NFh NFn + NFh

X

• beide erhalten Menge XG

• Marktpreis entspricht anteiligen Kosten pro Individuum PG

• Zum Preis Pg würde aber eine Gruppe weniger (Xn) bzw. mehr (Xh) nachfragen bzw.

• Für die Menge XG würden eine Gruppe mehr bereit sein zu zahlen (Lh) bzw. weniger (Ln)

• Gruppe ‚n‘ hat dadurch einen Rentenverlust (MZB<p)

• Gruppe ‚h‘ einen Rentengewinn (MZB>p)

PG

XG

2PG

Xn Xh

Ln

Lh

3.1 Öffentliche Güter

• Die Samuelson-Regel zeigt, wann die optimale Menge eines ÖG erreicht ist

• Sie zeigt aber nicht, wie das Gemeinwesen

– Dies Menge ermitteln kann

– Wie eine optimale Besteuerung aussieht

� Vertiefend in Vorlesungen zur Finanzwissenschaft

• Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es

- Mechanismen gibt, um die Individuen ihre Präferenzen für ein ÖG aufdecken zu lassen (Clark-Groves Steuer, Vickrey-Auktion etc.)

- um sie dementsprechend zur Finanzierung heranzuziehen.

- Allerdings kann kein Verfahren exakt den Betrag einwerben, der zur Finanzierung notwendig ist („Übereinnahmen“ vs. Trittbrettfahren)

• Wegen Informationsproblem des Staates und Ausschlussmöglichkeit bei vielen öffentlich bereitgestellten Gütern:

− Clubgüter und entsprechende Beiträge als präferenzgerechte Bereitstellungsmethode

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3.1 Öffentliche Güter

Fallbeispiel: Straßennutzung als Beispiel für ein Clubgut-Problem

In Deutschland wird (bis auf LKW>12t seit 2005) – ob Stadt-, Landes- oder Bundesstraßen/Autobahnen – keine Maut erhoben. Obwohl es technisch und rechtlich leicht möglich ist, KFZ von der Nutzung auszuschließen. Stattdessen wird der Straßenbau und -erhaltung in Deutschland aus allgemeinen Steuermitteln finanziert.

Straßen können deswegen als Clubgut angesehen werden, weil bis zu einer gewissen Sätti-gungsgrenze (Stau) keine Rivalität in der Nutzung vorliegt und Ausschluss heutzutage technisch möglich und bei vielen Straßen relativ kostengünstig umsetzbar ist.

Durch eine Maut könnten auf der einen Seite die notwendigen Einnahmen (auch finanzrecht-lich als zweckgebundener Beitrag) zum Erhalt oder Ausbau bereitgestellt, die Präferenzen der Bürger ermittelt werden und gleichzeitig ggf. eine auslastungsabhängige Preisdiffe-renzierung zur Lenkung von Verkehr und Umlenkung auf andere Verkehrsmittel genutzt werden. Gleichzeitig kann man es als fair ansehen, wenn Bürger und Unternehmen nach ihrer tatsächlichen Nutzung der Straßen finanziell belastet werden, wie es letztlich bei Bus, Bahn und Flugzeug ebenfalls (Großteils) geschieht.

Aus ökonomischer Sicht sprechen gegen eine Mautlösung nur externe Effekte (s.u.) welche sich durch angemessene Subventionen internalisieren ließen. Letztlich ist die Entschei-dung contra Maut eine politische E. des Gemeinwesens contra effiziente Möglichkeiten

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 17

3.1 Öffentliche Güter

• Private vs. Öffentliche Güter sind Extremfälle – i.d.R. ist Ausschluss möglich � Clubgüter

– Tiebout (1956): die Entscheidung eines I., einem Club beizutreten dient als Abstimmung und Präferenzaufdeckung für ein öffentliches Gut

– Und löst damit das Grundproblem der Bereitstellung von ÖG

– Buchanan (1965) entwickelt und formalisiert die Grundargumente der Club-Theorie (s.u.)

• Vorteile von Clubs:

– Berücksichtigung verschiedener Präferenzen in verschiedenen Clubs

– Präferenzaufdeckung durch Ausschlussmöglichkeit � Trittbrettfahren

– (Gruppen-)individuelle Beiträge, ggf. entsprechend der Nutzung und damit Steuerung des Nutzungsverhaltens

– Anreiz zur Mitgliedschaft durch Skalenerträge

– Abwanderung als Effizienzkontrolle: „Abstimmung mit den Füßen“ (Tiebout, 1956) und Clubwettbewerb

• Nachteile – Funktionsbedingungen:

– Keine externen Effekte zwischen den Clubs

– Keine Transaktions-/Wechselkosten

– Information über Eigenschaften der Clubs (Menge, Qualität, Preis etc. verfügbar)

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 18

3.1 Öffentliche Güter

Ein einfaches Modell der Clubgut-Bereitstellung

• Anzahl an homogenen Individuen (gleiche Präferenzen, gleiche Anfangsausstattung)

• Individuen konsumieren ein privates Gut xi und ein Clubgut

• Clubgut:

– Ausschließbarkeit möglich

– Die Bereitstellung des Clubgutes (G) verursacht Fixkosten in Höhe F und pro Einheit G des Gutes variable Kosten von PG

– Aber: „Überfüllungskosten“ – Nutzen für das einzelne I. sinkt, je mehr Mitglieder nim Club sind (bspw: Schwimmbad, Vorlesung)

• Nutzenfunktion eines I. ist demnach Ui=Ui(xi, G, n)

• Jedes Mitglied zahlt gleichen Beitrag t

• Individuen haben ein Einkommen E, welches zwischen dem privaten Gut und dem Mitgliedsbeitrag aufgeteilt wird:

= !"� − #

• Der Club muss kostendeckend arbeiten, so dass gelten muss:#$ = % + !&'

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 19

3.1 Öffentliche Güter

• Die Clubführung möchte den Nutzen der Mitglieder maximieren, was folgendes Optimierungsproblem ergibt:

max�

(�, ', �)�', � �. �. ��. = !"� − #

• Einsetzen der Bedingung für Kostendeckung in die Nebenbedingung ergibt folgende Lagrange-Funktion

� = � �, ', � + �(( − !"� −%

�−!)'

�)

• Die Bedingungen erster Ordnung ergeben sich durch partielles Ableiten:

��

��=��

��− �(!" = 0;

��

�'=��

�'− �(

!)

�= 0;

��

��=��

��+�((% + !)')

��= 0

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3.1 Öffentliche Güter

• Aus den ersten beiden BEO erhalten wir die bekannte Samuelson-Bedingung:

���/�'

��/��=!)

!*• d.h. die Summe aus den GRGS der Individuen zwischen dem Clubgut und dem privaten

Gut muss ihrem Preisverhältnis (entspricht GRT) entsprechen.

• Umstellen der zweiten und dritten BEO nach λ8, gleichsetzen und umstellen nach der optimalen Mitgliederzahl ergibt:

� = −��/�'

��/��

% + !)'

!)• Da ein Anstieg der Mitgliederzahl zu geringerem Nutzen für die einzelnen Mitglieder

führt (Überfüllungskosten) ist δU/δN<0 � N>0 sein

• Je größer demnach die Überfüllungseffekte δU/δN, desto kleiner ist die optimale Clubgröße; je größer der Nutzengewinn aus zusätzlichen Einheiten des Gutes für ein I., desto größer der optimale Club (erste Teil der letzten Gleichung)

• Je höher die Fixkosten F, desto größer die optimale Clubgröße, weil die Durchschnittskosten sinken (zweite Teil der letzten Gleichung)

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 21

3.1 Öffentliche Güter

• Graphisch lässt sich dies durch die Gegenüberstellung von Grenznutzen und Grenzkosten wie aus der Gleichung zur optimalen Mitgliederzahl ermitteln:

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 22

−+,

+-= Überfüllungskosten

+,

+)

./01)

01-= Verteilung der Kosten auf mehr Mitglieder

N

N*

3.1 Öffentliche Güter

Anwendungsbeispiel Clubgüter: Gewerkschaften und ihre optimale Größe

Mancur Olson (1965) analysiert die Organisation von Gewerkschaften als ein Problem der Clubgüter. Das bereitgestellte Clubgut ist in diesem Fall „bessere Arbeitsbedingungen“ bzw. „höhere Löhne“. Die Organisation einer Gewerkschaft erfordert gewisse Fixkosten, ebenso steigen aber die Kosten der Durchsetzung und Kontrolle von Gewerkschaftsdiziplin mit der Mitgliederzahl an. Je mehr Mitglieder die Gewerkschaft hat, desto verschiedenartiger werden die Interessen der Mitglieder und desto schwieriger ist es, diese gegenüber einzelnen Firmen oder Branchen geschlossen durchzusetzen. Daher müssten die Mitglieder gemeinsam für Interessen streiken, die nicht vollständig ihren eigenen, individuellen Interessen entsprechen. Oder sie müssen auf Interessen verzichten, die sich intern nicht als Mehrheitsfähig durchgesetzt haben. Insofern tritt auch in Gewerkschaften das Problem der Überfüllung auf. Gewerkschaften sprechen in diesem Zusammenhang von der Solidarität der Beschäftigten untereinander, welche notwendig ist, um die Marktmacht einzelner Unternehmen oder Branchen eine Gewerkschaftsmacht gegenüber zu stellen.

Für einzelne, relative machtvolle Berufsgruppen kann es sich daher lohnen, sich den Überfüllungskosten zu entziehen und nur für die eigenen Interessen einzutreten. Aktuelle Beispiele sind die Streiks der GDL und VC, aber auch nach Bundesländern oder Tarifgebieten unterschiedliche Tarifverträge in den jeweiligen Branchen.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 23

3.1 Öffentliche Güter

Anwendungsbeispiel Clubgüter: Schulbesuche und Bildungsgutscheine

Schulen sind ein gutes Beispiel für ein Clubgut: Innerhalb eines Klassenraumes gilt eine relative große Nicht-Rivalität im Konsum, aber es herrscht rein technisch gesehen Aus-schließbarkeit vom Schulbesuch. Daher ließe sich der Bildungssektor über Bildungsgutschei-ne organisieren. In diesem Fall könnte der Staat einheitliche Qualitätsstandards für die Bil-dung setzen (in Form von einheitlichen Jahrgangstests als Mindestanforderung, statistisch überprüft und normiert gegenüber Kriterien wie Einkommensklassen der Eltern, Migrations-hintergrund etc.) und vor allem deren Qualität und andere Kriterien kontrollieren, die Bereit-stellung aber privaten Organisationen überlassen.

Derzeit geben die Bundesländer zwischen 6000€ (Saarland) und 8500€ (Thüringen) pro Jahr und Schüler aus. Diese Summe könnte den Kindern als Bildungsgutschein zur Verfügung gestellt werden – durch die Wahl der Schule, Schulform, pädagogischem Konzept, Spezia-lisierung etc. könnten Schüler (und Eltern) sich diejenige Schule aussuchen, welche ihren Präferenzen am nächsten kommt (Ganztags, später Beginn, Gruppenunterricht, G8-vs. G9, mit Schulpsychologen etc.). Sind die Eltern mit der Schule nicht zufrieden, können sie frei an andere Schulen wechseln und damit die Einnahmen mancher Schulen erhöhen bzw. senken. Die Schulen (ob öffentlicher Träger oder privater Träger) sind gezwungen, ein präferenzgerechtes Angebot zu schaffen – neue Schulstandorte können entstehen, andere würden schließen oder müssten die Konzepte anpassen.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 24

3.1 Öffentliche Güter

• Problem hoher Fixkosten und Ineffizienz der Clublösung:

– Die optimale Clubgröße kann so hoch sein, dass nicht alle potentiellen Mitglieder in einem Club mit optimaler Größe teilnehmen können: bspw. bei hohen Fixkosten und langsam steigenden Überfüllungskosten

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 25

– Beispiel:

• Nettonutzen eines Mitgliedes ist U(n)=n3(1-n)

• 2 Clubs (A,B) , die Mitglieder N=100 teilen sich zwischen beiden Clubs auf:

− Maximale individuelle Nutzen:

NA=75% und NB=25%

− Maximale Wohlfahrt:

NA=79% und NB=21%

�Ineffizienz

�Verteilung

0,000000

0,020000

0,040000

0,060000

0,080000

0,100000

0,120000

0 7 14 21 28 35 42 49 56 63 70 77 84 91 98

Wohlfahrt U(n) in Club A

U(n) in Club B

3.1 Öffentliche Güter

• Bereitstellung von Gütern durch ökonomische Clubs

– Ermöglicht Präferenzaufdeckung und präferenzgerechten Bereitstellung von Clubgütern

– löst damit das Informationsproblem des Staates bei der öffentlichen Bereitstellung der Güter

– Ermöglicht damit ggf. statische Effizienz unter bestimmten Bedingungen

– Ermöglicht dynamische Wettbewerbswirkungen (Abstimmung mit den Füßen)

– Ermöglicht Kontrollfunktion des Staates (Standards, Qualität etc.) statt aktive Bereitstellung unter knapper Budgetrestriktion

• Aber:

– Abhängig von funktionierendem Wettbewerb (externe Effekte, optimale Clubgröße und Bereitstellungskosten, Wanderungsmöglichkeiten, Information etc.)

– Alternative Preiskriterien: Nutzungsentgelte (Schwimmbad), unterschiedliche Club-Beiträge (Kindergärten) möglich und nötig

– Durch staatl. Subventionierung Internalisierung der externen Effekte möglich

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 26

3.2 Externe Effekte

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 27

• Im Modell des vollständigen Wettbewerbs: Annahme der Freiwilligkeit aller Tauschbeziehungen

• Was passiert, wenn diese Annahme verletzt wird?

• Ökonomen sprechen in diesem Fall von einem „externen Effekt“

• Dieser liegt vor, wenn der Konsum oder die Produktion eines Akteurs einen unbeabsichtigten Einfluss auf die Nutzen- oder Produktionsfunktion eines anderen Akteurs hat

• Arten externer Effekte:

1. konsumseitige externe Effekte: Nutzen wird durch Konsum/Produktion anderer berührt:

2. Produktionsseitige externe Effekte: Produktionsfunktion wird durch Konsum/Produktion anderer berührt:

3.2 Externe Effekte

• Externe Effekte führen zu statischer Ineffizienz bei Marktaktivitäten

• 2 Individuen (1,2); beiden konsumieren ein rein privates Gut X; Individuum 1 konsumiert zusätzlich ein Gut E, welches einen externen Effekt verursacht; Das Budget von I1 sei Y

• Individuum 1 maximiert seinen Nutzen aus dem Konsum von X und E

• Dies ergibt folgende Lagrange-Funktion:

• Ableiten nach beiden Gütern ergibt folgende (bekannte) BEO:

• Individuum 1 berücksichtigt nur die eigenen Nutzenveränderung, nicht die Nutzenveränderung bei Individuum 2

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 28

3.2 Externe Effekte

• Wie würde eine Bedingung für eine Pareto-optimale Lösung aussehen? �maximierung des Nutzen eines Individuums, u.d.NB der Nutzen des anderen bleibt konstant

• Dadurch ergibt sich folgenden Lagrange-Funktion:

• Ableiten nach den beiden privaten Gütern und dem Gut mit externem Effekt ergibt folgenden BEO:

• Durch umstellen der ersten beiden BEO nach den Lagrange-Multiplikatoren und einsetzen in die dritte BEO ergibt sich:

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 29

3.2 Externe Effekte

Umstellen ergibt:

• Die linke Gleichung ist die Bedingung für die Pareto-optimale Allokation des Budgets von Individuum 1, wenn der EE berücksichtigt wird

• Sie ist identisch zur Samuelson-Bedingung zur Bereitstellung öffentlicher Güter (s.o.) (Buchanan, Stubblebine, 1962)

• Der Unterschied zum ÖG ist: beim ÖG konsumieren alle I. das gleiche Gut – der EE kann aber etwas anderes sein, als das konsumierte Gut von Individuum 1 (Bsp: Imker)

• Die rechte Gleichung zeigt, ob am Markt zu viel oder zu wenig von Individuum 1 nachgefragt wird:

– Wenn ein positiver EE vorliegt, ist der rechte Term der rechten Gleichung >0 � der Preis PE am Markt ist zu hoch

– Wenn ein negativer EE vorliegt, ist der rechte Term der rechten Gleichung <0 � der Preis PE ist am Markt zu niedrig

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 30

3.2 Externe Effekte

• Im Fall eines konsumseitigen, positiven EE lässt sich das partielle Optimum wie folgt darstellen:

• Bei positivem EE ist der Marktpreis zu gering (p*<popt) und dadurch die angebotene Menge geringer als die sozial optimale Menge

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 31

NF= privater GN

p*

p

popt

GK

Externer Effekt: Sozialer Zusatznutzen

E

Sozialer GN: optimale NF

E* Eopt

3.2 Externe Effekte

• Wie lässt sich der EE internalisieren? � Pigou (1920) Steuer oder Subvention

• Aus ist unmittelbar ersichtlich, dass die optimale

Lösung eine Steuer oder Subvention in Höhe des rechten Terms der oberen Gleichung bedeutet

• Im Fall des positiven EE: Subvention für NF (erhöht MZB) oder für AN (senkt GK)

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 32

p*

p

popt

GK

EE* Eopt

p*

p

popt

GK

EE* Eopt

GK(1-s*)s*s*

MZB(1+s*)

MZB

3.2 Externe Effekte

Fallbeispiel CO2-Emmissionen, Ökosteuer und Umweltfolgekosten

Ein Liter Diesel verbrennt zu ca. 2,64 kg CO2. Die Umweltfolgekosten für CO2 nach Berechnung des Umweltbundesamtes liegen für eine Tonne CO2 bei 40€ (untere Grenze, kurze Frist) bis 390€ (obere Grenze, lange Frist). Legt man die mittlere Frist (bis 2030) und ein mittleres Kostenszenario zu Grunde, verursacht eine Tonne CO2-Emission ca. 145€ Umweltfolgekosten. Um diese Kosten vollständig zu internalisieren, müsste demnach ein Liter Diesel mit 0,38€ „Ökosteuer“ belastet werden. Bei 10.000km Strecke/Jahr und einem Verbrauch von ~7l/100km führt dies zu Gesamtkosten für den individuellen Autofahrer von 267€ pro Jahr.

Dies führt noch nicht dazu, dass der externe Effekt verschwindet – je nach Preiselastizität werden die Individuen ihren Verbrauch stark oder wenig einschränken. Allerdings müssen die Individuen die Folgekosten ihres Handelns nun über den Preismechanismus mit einkalkulieren.

Die Ökosteuer für 1l Kraftstoff beträgt in Deutschland derzeit 0,154€ und entspricht damit eher den unteren, kurzfristigen Kosten welche vom Umweltbundesamt berechnet wurden. Wenn das Ziel der Ökosteuer die vollständige Internalisierung der negativen EE. durch CO2-Emissionen bei Kraftstoffe ist, wird sie durch den geringen Wert verfehlt. Zu berücksichtigen wäre andererseits die gesamte Steuerlast pro Liter Kraftstoff.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 33

3.2 Externe Effekte

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 34

• Pigou (1920) zeigt, dass sich eine optimale Situation durch einen optimalen Staatseingriff herstllen lässt

• Problem der Pigou-Lösung:

– Informationsproblem: Staat muss Präferenzen der Individuen kennen, um die Nachfragefunktionen abzuleiten sowie

– Grenzkostenverläufe der Unternehmen

– Wahrscheinlich: optimale (Pigou) Steuer bzw. Subvention wird nicht erreicht

� Verfehlung der vollständigen Internalisierung der EE auch bei Staatseingriffen

• Ronald Coase (1960) argumentiert dagegen: ein Staatseingriff in den einzelnen Markt/Fall ist nicht nötig, so lange die Eigentumsrechte klar definiert sind

• Eine optimale Lösung ist sogar möglich, wenn die Eigentumsrechte zugeordnet und keine Transaktionskosten vorhanden sind

• In diesem Fall: Freiwillige Einigung der Akteure untereinander � Pareto-Effizienz

3.2 Externe Effekte

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 35

GrenzvermeidungskostenGrenzschaden

Umwelt-schädigung0 E A

Beispiel:Rechte beimSchädiger:

ABCE: Zahlungsbereitschaft des Geschädigten an den Schädiger

ADCE: Zahlung des Geschädigten an den Schädiger

BCD: (Netto)nutzen-Zuwachs des Geschädigten

ACE: (Netto)nutzen-Zuwachs des Schädigers

• Coase-Theorem am Beispiel eines negativen Externen Effektes - Eigentumsrechte liegen beim Schädiger (bspw: Laute Musik durch genehmigte Veranstaltung)

B

CDp

3.2 Externe Effekte

Fallbeispiel Coase-Theorem: Ecuador und der Regenwald

1997 schlug Ecuadors Präsident Correra vor, auf die Erschließung ertragreicher Rohölfelder im Yasuni-Regenwaldgebiet zu verzichten, falls die internationale Gemeinschaft einen Teil der Einnahmeausfälle trägt.

Ecuador schätzte die Ausfälle auf ca. 7 Mrd. €, forderte von der internationalen Gemeinschaft dafür 3,6 Mrd. € als Kompensation. Im Jahr 2013 verkündete Präsident Correra, dass das Projekt gescheitert sei. Die Ölförderung werde von der ecuadorianischen Regierung nun genehmigt.

Ecuadors Volkswirtschaft ist stark abhängig von der Erdölförderung, welche fast 60% der Exporteinnahmen erbringt. Im Yasunígebiet lagern rund 920 Millionen Barrel Öl - ein Fünftel der gesamten Ölreserven des Landes, gleichzeitig gilt die Gegend als eine mit dem höchsten Artenreichtum der Welt. Der Yasuni-Nationalpark wurde 1992 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 36

3.2 Externe Effekte

Umweltprobleme als wirtschaftspolitische Eingriffsnotwendigkeit

• Prinzipiell ist Nutzung der Umwelt ökonomisch nicht zu beanstanden (Umwelt als Produktionsfaktor bzw. Konsumgut), solange sich die Nutzung an den ökonomischen Knappheiten orientiert.

• „Übermäßige” Umweltverschmutzung ist Folge negativer externer Effekte: Individuell rational, aber gesellschaftlich suboptimal.

• Umweltressourcen sind häufig Allmendegut: Niemand kann von der Nutzung ausgeschlossen werden (kein der Knappheit entsprechendes Entgelt), es besteht aber Rivalität im Konsum (z.B. Überfischung der Weltmeere).

• Im Extremfall kann am Ende kein Ertrag aus der Nutzung des Allmendegutes mehr gezogen werden (sog. Tragik der Allmende – “tragedy of commons”, Garret Hardin, 1968)

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3.2 Externe Effekte

• Spieltheoretisch lässt sich die Tragik der Allmende als einfache Gefangenen-dilemma Situation beschreiben:

• Beispiel: Fischerei in internationalen Gewässern:

• Die Ursache des Versagens der Märkte bzw. der freiwilligen Koordination liegt in der fehlenden Zuordnung der Eigentumsrechte � Kooperationsversagen

• Coase beschreibt den positiven Extremfall: bei vorliegen von Eigentumsrechten kann eine optimale Lösung erreicht werden

• Hardin beschreibt den negativen Extremfall: ohne Eigentumsrechte kommt es zu gar keiner Lösung

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Land 1 beschränkt eigene

Fischer

Land 1 beschränkt eigene

Fischer nicht

Land 2 beschränkt eigene

Fischer

3/3 1/4

Land 2 beschränkt eigene

Fischer nicht

4/1 2/2

3.2 Externe Effekte

• Beispiel (nach Corns, Sandler, 1983) für die Tragik der Allmende

– Fischer eines Dorfes können Fischerboote zu täglichen Kosten von ‚c‘ mieten

– Die gesamtmenge des gefangenen Fisches auf See ist abhängig von der Anzahl an Booten: F(B) mit F‘(B)<0

– Jeder Fischer fängt mit seinem Boot die gleiche Menge Fisch – der Fang eines Fischers ist damit f(B)=F(B)/B

– Fischer sind Preisnehmer bei Fisch, bspw. ist p=1; dadurch ist der Umsatzerlös pro Fischer und Tag auch f(B)

– Jeder Fischer fischt, so lange er einen positiven Gewinn erhält

– Dies ist solange der Fall, wie der Durchschnittsertrag pro Boot über den Kosten liegt:

– Aus Sicht der Gemeinschaft soll dagegen der Gesamtgewinn für das Dorf maximiert werden:

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 39

3.2 Externe Effekte

• Durch Ableiten nach B ergibt sich die für das Dorf optimale Anzahl an Booten B°, welche folgende BEO erfüllt:

• Dadurch, dass bei einer höheren Anzahl an Booten weniger Fisch pro Boot gefangen wird (f‘(B)<0) ist der rechte Teil der oberen Gleichung negativ: Bf‘(B) erfasst die negativen Auswirkungen zusätzlicher Boote auf die Fangmengen der anderen Fischer.

• Da jeder einzelne Fischer nur auf den linken Teil der Gleichung achtet, sieht man, dass B°<B* ist :

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 40

Anzahl an Booten

Erlös pro Boot

c

DEGE

DE: DurchschnittserlösGE: Grenzerlös

B*B°

3.2 Externe Effekte

Fallbeispiel Allmendegut: Die Fischereipolitik der Europäischen Union

Seit 1970 existieren Bemühungen in der Europäischen Union/EG, die Fischbestände in europäischen Gewässern vor Überfischung durch die Fangflotten zu schützen. Neben generellen Rahmenbedingungen für die Fischerei, welche über mehrere Jahre verhandelt und beschlossen werden, werden jährlich Fangquoten für das Folgejahr verhandelt.

Unter dem Aspekt der Lösung des Allmende-Problems kann die gemeinsame Fischereipolitik bisher nicht überzeugen. Zwar wurden die Fangquoten in den vergangenen Jahrzehnten stetig gekürzt. Die vorläufigen Fangquoten liegen aber jährlich nur bei 70% dessen, was Wissenschaftler als Nachhaltig für die Bestände in Nordsee und Nordostatlantik ansehen.

Derzeit gelten immer noch 40% der Fischbestände als überfischt, darunter die kommerziell bedeutendsten wie Hering und Kabeljau. Die Folgen von Überfischung ließen sich 1992 an der Neufundländischen Küste beobachten, als die Kabeljau-Bestände komplett zusammenbrachen.

Die gemeinsame Fischereipolitik der EU ist damit ein Beispiel dafür, dass bei Allmende- und anderen Umweltgütern nicht (nur) der Markt als Instrument zur Herstellung von Effizienz versagt, sondern auch auf politischer Ebene letztlich ein Kooperations- und Koordinationsversagen vorliegt. Unter dem Druck verschiedener Zielsetzungen und Interessengruppen kommt eine langfristig optimale, nachhaltige Lösung dabei zu kurz.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 41

3.2 Externe Effekte

Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten bei Umweltproblemen:

• Dem Staat stehen verschiedene Regulierungsmaßnahmen zur Verfügung:

– Moralische Appelle (Mehr öffentlichen Nahverkehr nutzen)

– Ordnungsrecht:

• Verbote (FCKW)

• Vorgeschriebene Mindeststandards bzw. Grenzwerte (CO2, EU-Abgas-Normen…)

• Vorgeschriebene Produktionstechnologien (Bodenhaltung bei Hühnern, Kleinkläranlagen…)

– Steuern (Pigou-Steuer; Standard-Preis-Ansatz)

– Zuweisung von Eigentumsrechten � freiwillige Verhandlungslösungen der Akteure (Coase-Theorem)

– Handel von Emissionszertifikaten

• Welche Maßnahmen sollten im Einzelfall ergriffen werden?

� Die effiziente Regulierungsmaßnahme

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 42

3.2 Externe Effekte

1. Statische Effizienz von Umweltregulierung:

– Derjenige (Verschmutzer) soll am stärksten zum Umweltschutz beitragen, der dies zu den geringsten Kosten kann (Opportunitätskostenkonzept)

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 43

Grenzvermeidungskosten

0 F

Grenzschaden

Umwelt-schädigung

Schadensvermeidung

E A

U2 U1

Ausgangslage: 2 Unternehmen, jeweils Schädigung in Höhe von 0A

Optimum: Schädigung 0E (Unt1) bzw. 0F (Unt2)

Optimale Schadenvermeidung:

EA (Unt1) bzw FA (Unt2)

€ €

Fallbeispiel statische Effizienz von Umweltregulierung: Der „Clean Development Mechanism „Der CDM ist Teil des Kyoto-Protokolls und soll umweltverträglichen wirtschaftlichen Fortschritt in Schwellen- und Entwicklungsländern unterstützen. Im Rahmen des CDM können Länder, welche Teil des Annex I des Kyoto-Protokolls sind (d.h., welche sich zur Reduzierung der CO2-Emission konkret verpflichtet haben), ihre Verpflichtungen einhalten, wenn sie oder ihre privaten Wirtschafter CO2-Reduktion in den weniger entwickelten Ländern finanzieren. Ein Unternehmen aus Deutschland könnte durch die Finanzierung oder Beteiligung an Projekten in diesen Ländern Emissionsrechte für sich in Deutschland erhalten, wenn gezeigt wird, dass die Emissionsmenge ohne dieses Engagement sehr viel höher im Partnerland ausgefallen, d.h. eine stärker verschmutzende Technologie an Stelle der nun „sauberen“ T. installiert worden wäre. Einen Teil der dadurch im Entwicklungsland eingesparten CO2-Mengen werden zur Emission (oder Verkauf) für das Unternehmen in Deutschland freigegeben.Die ökonomische Logik dahinter ist leicht verständlich: Ziel des Kyoto-Protokolls ist es, CO2-Emissionen weltweit zu reduzieren. Effizient ist dies, wenn die Reduzierung zu den geringsten Kosten erfolgt. Sind die Kosten der Reduzierung für ein Unternehmen in Deutschland sehr hoch, kann es entweder in eigenen Anlagen im Ausland, oder durch Unterstützung fremder Anlagen dort, zur Reduzierung weltweit beitragen. Als Ausgleich erhält das Unternehmen einen Teil der Einsparungen – welche es entweder selbst emittieren kann, oder am Markt für CO2-Zertifikate verkaufen. Die obige Grafik zur Emissionsreduzierung lässt sich demnach auch auf zwei Länder bzw. unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungslevel anwenden: Es soll in denjenigen Ländern Emission vermieden werden, in denen dies zu den geringsten Kosten möglich ist. Nach dieser Regel wäre globale Effizienz bei CO2-Emissionen erfüllbar.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 44

3.2 Externe Effekte

2. Dynamische Effizienz:

• Anreizwirkungen für technischen Fortschritt (Entwicklung umweltschonenderer Technologien)

3. Treffsicherheit/Effektivität:

• Wird das (politische/ökonomische) Ziel des Umweltschutzes erreicht?

(4. Notwendige Ebene der Koordination:)

• nationale (z.B. Boden), internationale (z.B. Flüsse) oder globale Umweltprobleme (z.B.Klima)

• Beschränkt mögliche Regulierungsoptionen

• Je niedriger die Ebende, desto einfacher ist Koordination

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 45

3.2 Externe Effekte

Fallbeispiel CO2-Zertifikatehandel in der Europäischen Union

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurden flexible Mechanismen zum Klimaschutz verabredet. Der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten in der EU seit 2003 stellt das Instrument dar, mit dem die EU ihre Kyoto-Verpflichtungen, aber auch ihre Selbstverpflich-tung (CO2-Reduktion bis 2020 um 20% gegenüber 1990) einzuhalten.

Der EU-Zertifikatehandel folgt der Idee des „cap and trade“ bzw. „bubble-policy“ – über einer bestimmten Region wird eine fiktive Blase erdacht, innerhalb der Treibhausgasemis-sionen reguliert werden. Die Gesamtmenge der Emissionen wird dabei begrenzt (sog. Cap), für 2014 ca. 2 Mrd. t CO2 und reduziert sich pro Jahr um 1,74%. Die restliche Menge ist in Emissionsrechten zertifiziert – bestimmte Industrien (v.a. Energiebranche, Zementwerke, Pa-pierfabriken) müssen diese Rechte besitzen, um CO2 emittieren zu dürfen. Einen Teil bekommen die Unternehmen kostenlos zugewiesen, abhängig von der jeweiligen Branche. Den Rest müssen die Unternehmen zukaufen.

Der EU-CO2 Zertifikatehandel ist ein Beispiel für einen funktionalen Mechanismus der Um-weltpolitik, der aber auf Grund politischer Entscheidungen seine eigentliche Zielsetzung –Reduzierung der CO2-Emissionen – nicht erfüllen kann. Derzeit verfügen die Unternehmen über so viele Zertifikate, dass sie keine Z. zukaufen müssen – am Markt existiert daher keine Nachfrage für Zertifikate. Der Marktpreis geht gegen Null, wodurch der negative EE der CO2-Emissionen auch nicht entsprechend internalisiert werden kann.

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 46

3.2 Externe Effekte

Meritorische Güter (Musgrave, 1957)

• Bezeichnen Güter, bei denen die private Nachfrage hinter dem gesellschaftlich gewünschten Maß zurückbleibt und im politischen Prozess entschieden wird, deren Bereitstellung zu fördern

• Um die Meritorisierung eines Gutes zu begründen, müssen den Individuen

– Externe Effekte (Bildung) als Spezialfall der MG

– Irrationalität in ihrer Entscheidung (Komplexität des Problems: Sparbuch vs. Aktien)

– Zu hohe Zeitpräferenz (lieber heute als morgen: private Rentenvorsorge)

– Unvollständige Information (Unkenntnis über Kosten und Nutzen, Allgemeinbildung)

– Oder verzerrte Präferenzen (Kultur, politische Bildung) unterstellt werden

• Demeritorische Güter sind dagegen Güter, bei denen die private Nachfrage als zu hoch angesehen wird: Alkohol, Tabak, Glücksspiel – diese müssen besteuert oder anders reguliert werden, um zu hohen Konsum zu verhindern

• (De-)Meritorisierung erfordert daher (meist) ein starkes Werturteil bzw. ein paternalistisches Staatsverständnis und kann daher mit den schwachen Werturteilen der Allokationstheorie nicht zweifelsfrei begründet werden

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 47

3.2 Externe Effekte

• Pekuniäre externe Effekte:

– Bezeichnen externe Effekte, die über den Marktpreismechanismus wirken und daher über den Markt internalisiert werden

– Bspw: steigende Nachfrage nach einem Gut erhöht den Preis � alle Kunden müssen mehr zahlen

– Ein wirtschaftspolitischer Eingriff ist aus Sicht der Allokationstheorie nicht erforderlich

– Allerdings können sich Verteilungseffekte ergeben: Mietpreise in Metropolen

(c) Sebastian Voll, Universität Jena Grundlagen der Wirtschaftspolitik WS 2014/15 48