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1 W. Struck / Vorlesung: Einführung in die Literaturwissenschaft / W.S. 2012/13 Grundlagen: Texte – Zeichen – Medien Vorüberlegungen: Was ist Literatur? Was ist Literaturwissenschaft? Wissenschaften definieren sich durch ihren Gegen- stand, im Fall der Literaturwissenschaft also durch literarische Texte (Objektsprache), und durch die Verfahren, Methoden und Theorien, mit denen sie Wissen über diesen Gegenstand generieren und kommunizieren (Metasprache). Beides ist jedoch eng miteinander verbunden. Die Frage, was Literatur und damit Gegenstand von Literaturwissenschaft ist, kann, in Abhängigkeit verschiedener (Erkenntnis-) Interessen und verschiedener Literaturtheorien, sehr unterschiedlich beantwortet werden. Am Anfang der Vorlesung steht also diese doppelte Frage sowie der Versuch, einige mögliche Antworten zu skizzieren und dabei sowohl den Gegenstandsbereich als auch mögliche Verfahren zu konturieren. (1) Vom Anfangen 1. Versuch: "[Faust:] Wir sehnen uns nach Offenbarung, Die nirgends würd'ger und schöner brennt Als in dem Neuen Testament. Mich drängt's, den Grundtext aufzuschlagen, Mit redlichem Gefühl einmal Das heilige Original In mein geliebtes Deutsch zu übertragen. (Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.) Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!" Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muß es anders übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile, Daß deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe. Mir hilft der Geist! auf einmal seh ich Rat Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!" (Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil, Vers 1217-1237) Am Anfang steht hier kein Wort, sondern das Miß- trauen gegenüber dem Wort (genauer: gegenüber dem Wort "Wort"). Und das führt gleich zu einer ganzen Inflation von Wörtern, die alle nicht das Gesuchte, das 'Eigentliche' treffen: Wort – Sinn – Kraft – Tat. Die Kette der Substitutionen dürfte hier kaum an ihr Ende gekommen sein, sie bricht vielmehr ab, weil innerhalb der Szene jetzt der Teufel höchstpersönlich (in Gestalt eines Pudels) den Schreibfluß, der hier ein fortgesetztes Stocken ist, unterbricht. Die gesuchte "Offenbarung" also scheint in der Sprache nur unan- gemessen wiederzugeben zu sein – der Anfang ent- zieht sich. Und noch etwas anderes ist hier auffällig: Das "Neue Testament", das Faust hier übersetzen will, markiert ja gerade keinen Anfang, sondern setzt schon in sei- ner Bezeichnung ein "Altes Testament" voraus, an das es anschließt, es ist also kein "Grundtext", son- dern eher eine Art sequel eines älteren Textes. Kein wirklicher Anfang also, sondern eher eine fort- gesetzte Problematisierung des Anfangens. 2. Versuch: "Die Deutsche Dichtung hebt an mit einem Seufzer: Habe nun, ach!" So beginnt eines der einflußreichsten ('epochema- chenden') literaturwissenschaftlichen Werke, Friedrich Kittlers 1985 erstmal erschienene "Aufschreibe- systeme 1800 – 1900". Auch hier rückt Goethes Faust an den Anfang, und zwar der berühmte Er- öffnungsmonolog der Titelfigur: "Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor; Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren." Was aber hebt hier an? Nicht die deutsche Dichtung im Sinne eines historischen Anfangs: Goethe ist nicht der erste deutsche Dichter, Faust nicht Goethes erste Dichtung, nicht einmal "Faust" hebt mit der zitierten Passage an, sondern ihr gehen, jedenfalls in der Form der Tragödie, die Goethe als die endgültige angesehen haben wollte, noch "Zueignung", "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel" voran. Sucht man nach einem historischen Anfang, muß man weiter zu- rückgehen. Im Fall der deutschen Dichtung, von der Kittler spricht, etwa zu den Merseburger Zaubersprüchen, die um 750 entstanden und vermutlich im 9. Jahrhun- dert im Kloster Fulda aufgezeichnet worden sind:

Grundlagen: Texte – Zeichen – Medien Vorüberlegungen: Was ... · vielleicht einen Anfang bei Martin Luther suchen: "1. IM ANFANG WAR DAS WORT / VND DAS WORT WAR BEY GOTT / VND

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Page 1: Grundlagen: Texte – Zeichen – Medien Vorüberlegungen: Was ... · vielleicht einen Anfang bei Martin Luther suchen: "1. IM ANFANG WAR DAS WORT / VND DAS WORT WAR BEY GOTT / VND

1 W. Struck / Vorlesung: Einführung in die Literaturwissenschaft / W.S. 2012/13

Grundlagen: Texte – Zeichen – Medien Vorüberlegungen: Was ist Literatur? Was ist Literaturwissenschaft? Wissenschaften definieren sich durch ihren Gegen-stand, im Fall der Literaturwissenschaft also durch literarische Texte (Objektsprache), und durch die Verfahren, Methoden und Theorien, mit denen sie Wissen über diesen Gegenstand generieren und kommunizieren (Metasprache). Beides ist jedoch eng miteinander verbunden. Die Frage, was Literatur und damit Gegenstand von Literaturwissenschaft ist, kann, in Abhängigkeit verschiedener (Erkenntnis-) Interessen und verschiedener Literaturtheorien, sehr unterschiedlich beantwortet werden. Am Anfang der Vorlesung steht also diese doppelte Frage sowie der Versuch, einige mögliche Antworten zu skizzieren und dabei sowohl den Gegenstandsbereich als auch mögliche Verfahren zu konturieren. (1) Vom Anfangen 1. Versuch: "[Faust:] Wir sehnen uns nach Offenbarung, Die nirgends würd'ger und schöner brennt Als in dem Neuen Testament. Mich drängt's, den Grundtext aufzuschlagen, Mit redlichem Gefühl einmal Das heilige Original In mein geliebtes Deutsch zu übertragen. (Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.) Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!" Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muß es anders übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile, Daß deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe. Mir hilft der Geist! auf einmal seh ich Rat Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!" (Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil, Vers 1217-1237) Am Anfang steht hier kein Wort, sondern das Miß-trauen gegenüber dem Wort (genauer: gegenüber dem Wort "Wort"). Und das führt gleich zu einer ganzen Inflation von Wörtern, die alle nicht das Gesuchte, das 'Eigentliche' treffen: Wort – Sinn – Kraft – Tat. Die Kette der Substitutionen dürfte hier kaum an ihr Ende gekommen sein, sie bricht vielmehr ab, weil innerhalb der Szene jetzt der Teufel höchstpersönlich (in Gestalt eines Pudels) den Schreibfluß, der hier ein fortgesetztes Stocken ist, unterbricht. Die gesuchte

"Offenbarung" also scheint in der Sprache nur unan-gemessen wiederzugeben zu sein – der Anfang ent-zieht sich. Und noch etwas anderes ist hier auffällig: Das "Neue Testament", das Faust hier übersetzen will, markiert ja gerade keinen Anfang, sondern setzt schon in sei-ner Bezeichnung ein "Altes Testament" voraus, an das es anschließt, es ist also kein "Grundtext", son-dern eher eine Art sequel eines älteren Textes. Kein wirklicher Anfang also, sondern eher eine fort-gesetzte Problematisierung des Anfangens. 2. Versuch: "Die Deutsche Dichtung hebt an mit einem Seufzer: Habe nun, ach!" So beginnt eines der einflußreichsten ('epochema-chenden') literaturwissenschaftlichen Werke, Friedrich Kittlers 1985 erstmal erschienene "Aufschreibe-systeme 1800 – 1900". Auch hier rückt Goethes Faust an den Anfang, und zwar der berühmte Er-öffnungsmonolog der Titelfigur: "Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor; Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren." Was aber hebt hier an? Nicht die deutsche Dichtung im Sinne eines historischen Anfangs: Goethe ist nicht der erste deutsche Dichter, Faust nicht Goethes erste Dichtung, nicht einmal "Faust" hebt mit der zitierten Passage an, sondern ihr gehen, jedenfalls in der Form der Tragödie, die Goethe als die endgültige angesehen haben wollte, noch "Zueignung", "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel" voran. Sucht man nach einem historischen Anfang, muß man weiter zu-rückgehen. Im Fall der deutschen Dichtung, von der Kittler spricht, etwa zu den Merseburger Zaubersprüchen, die um 750 entstanden und vermutlich im 9. Jahrhun-dert im Kloster Fulda aufgezeichnet worden sind:

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2 Phol ende Uuodan uuorun zi holza. du uuart demo Balderes uolon sin uuoz birenkit. thu biguol en Sinthgunt, Sunna era suister, thu biguol en Friia, Uolla era suister, thu biguol en Uuodan, so he uuola conda: sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki, ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin! – [Phol und Wodan ritten in den Wald. Da verrenkte sich Balders Fohlen einen Fuß. Da besprach ihn Sindgund (und) Sunna, ihre Schwester, da besprach in Frija (und) Volla, ihre Schwester, da besprach ihn Wodan, so gut wie (nur) er es konnte: wie die Verrenkung des Knochens, so die des Blutes (Aderriß), so die des ganzen Gliedes! Knochen an Knochen, Blut zu Blut, Glied zu Glied, als ob sie zusam-mengeleimt wären! –]

Merseburg Domkapitel Cod. 136 S. 85a Oder, wenn man sich daran stört, daß der in Althoch-deutsch (die älteste schriftlich überlieferte Form des Deutschen, aus dem 8. – 11. Jahrhundert) verfaßte Text nicht ohne weiteres verständlich ist, könnte man vielleicht einen Anfang bei Martin Luther suchen: "1. IM ANFANG WAR DAS WORT / VND DAS WORT WAR BEY GOTT / VND GOTT WAR DAS WORT. 2. DAS SELBIGE WAR IM ANFANG BEY GOTT. 3. Alle ding sind durch dasselbige gemacht / vnd on dasselbige ist nichts gemacht / was gemacht ist. 4. Jn jm war das Leben / vnd das Leben war das Liecht der Menschen / 5. vnd das Liecht scheinet in der Finsternis / vnd die Finsternis habens nicht begriffen." Luthers 1545 erstmals erschienene Bibel-Übersetzung (hier: des Johannes-Evangeliums) ist auch für heutige Leserinnen und Leser ohne größere Probleme ver-ständlich. Dafür stellen sich andere Fragen: es handelt sich um eine Übersetzung, gehört das dann zur deut-schen Literatur? Wichtiger in unserem Kontext ist aber die Frage: kann man die Bibel zur Dichtung, oder allgemeiner: zu der Literatur, von der man intuitiv erwarten kann, daß sie Gegenstand von Literatur-wissenschaft ist, zählen? Das geht offenbar nicht ohne weiteres: für die Bibel scheinen eher Theologie und Religionswissenschaften zuständig, und Luther selbst hätte sich sicher dagegen gewehrt, als Dichter bezeichnet zu werden. Ein solcher Einwand läßt sich aber auch bereits für die Merseburger Zaubersprüche formulieren. Auch hier

wird ein mythologischer Kontext angesprochen, und man kann zumindest vermuten, daß derartigen Zau-berformeln tatsächlich einmal eine magische Kraft zugesprochen worden ist – eine Kraft, die 'wir' dem Text nicht mehr zutrauen (ich würde jedenfalls nicht erwarten, durch Rezitation ein verletztes Pferdebein heilen zu können). Eine solche Entfremdung gegen-über dem ursprünglichen Kontext kann man aber wohl bereits für jenen Mönch annehmen, der den Spruch vermutlich im 10. Jahrhundert im Kloster Fulda aufgezeichnet hat. Denn immerhin: es ist von anderen, heidnischen Göttern und Ritualen die Rede, deren Konkurrenz zum Christentum im frühen Mittelalter durchaus noch lebendig war: hier wird also etwas aufgezeichnet, dessen Geltungsanspruch gerade bestritten wird ("Du sollst keine anderen Götter haben neben mir"). Warum? Ein Grund könnte in der Formelhaftigkeit gesehen werden, die man in dem Text erkennen kann, auch ohne etwas über seine religös-mythologische Bedeutung zu wissen, die man teilweise sogar erkennen kann, ohne den Text zu verstehen. Deutlich unterscheidbar sind zwei Stilebenen: • zunächst ein erzählender Bericht ("Phol ende

Uuodan ... so he uuola conda"), formal finden sich hier vor allem gleiche Anlaute (Stabreim),

• dann der formelhaft zugespitzte eigentliche Zau-berspruch ("sose ... sose ... sose"), der auch mit Endreimen arbeitet ("benrenki ... bluotrenki...")

Diese Formelhaftigkeit gibt dem Text eine Form, die auch außerhalb des ursprünglichen Kontextes wir-kungsvoll sein kann ('zauberhaft', ohne daß hier ge-zaubert würde). In diesem (noch zu präzisierenden) Sinn könnte man dann von dem Zauberspruch als Literatur sprechen: er 'hebt an', Dichtung zu werden in genau dem Moment, in dem er nicht mehr wirklich zu zaubern vermag. Hier finden verschiedene Prozesse der Verlagerung und Verschiebung statt, die auf einige Grundbedin-gungen von Literatur verweisen: (1) Von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit: Die Merseburger Zaubersprüche müssen eine ganze Reihe unterschiedlicher Medien durchlaufen, bevor sie etwa in dieser Vorlesung zum Beispiel für einen literarischen Text werden können. In ihrer ursprüng-lichen, der germanischen, Kultur gab es keine Schrift, die Sprüche (wie auch weitaus umfangreichere und komplexere Texte, etwa Heldenlieder wie das Hild-brandslied) wurden zunächst auswendig gelernt mündlich weitergegeben. Eine handschriftliche Auf-zeichnung auf Pergament fand dann erst im christli-chen Kloster statt; dieses Manuskript (von manu: Hand und scribere: schreiben) geriet in Vergessenheit und wurde erst ein Jahrtausend später wiederentdeckt und philologisch ediert, also in einem Buch gedruckt. Aus diesem Buch wiederum gelangte es in eine digitale ‚Power-Point-Präsentation’ und in ein ebenfalls digital verfaßtes Skript. Daneben gibt es noch einen weite-ren Medienweg: im 19. Jahrhundert wurde das Manu-skript nicht nur abgeschrieben, in Bleilettern gesetzt und als Buch gedruckt, sondern auch fotografiert

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3 (dieses Photo zeigt das Manuskript in einem weit besseren Zustand, als es heute ist: es ist besser lesbar), dieses Foto wurde eingescant und als Bild-Datei ins Internet gestellt. (2) Aus dem Kontext germanischer Mythologie in die Schreibstube eines christlichen Klosters, also in den Kontext christlicher Religion, dann in den der Sprach- und Literaturgeschichts-Forschung (Philologie) des 19. Jahrhunderts, schließlich in eine literaturwissen-schaftliche Vorlesung des 21. Jahrhunderts. Beide Verlagerungen haben miteinander zu tun: ohne die erste wäre die zweite nicht möglich; d.h. wir könnten hier nicht über die Zaubersprüche sprechen, wenn sie nicht irgendwann einmal aufgezeichnet, gedruckt, fotografiert u.s.w. worden wären: Literatur ist also gebunden an • die jeweiligen Medien und Mediensysteme • die jeweiligen, sich wandelnden, kulturellen

Zusammenhänge Das führt noch einmal zurück zu Kittlers 'Anfang': wenn man seine Aussage nicht historisch verstehen will, muß man nach Alternativen suchen. Eine Mög-lichkeit besteht darin, den Anfang hier im Sinne einer Wertung zu verstehen: Faust als der 'wichtigste', 'wertvollste' Text der deutschen Dichtung. Aber ist es dann nicht ein Widerspruch, daß ausgerechnet ein Seufzer solchen Wert begründen soll (denn die Aus-sage lautet ja nicht: "Die Deutsche Dichtung hebt an mit Goethes Faust", sondern eben "... mit einem Seufzer"). Was also könnte diesen Seufzer so wertvoll machen? Zunächst einmal fällt auf, daß er einen Satz unter-bricht, der 'von Anfang an' unvollständig ist, dessen Anfang im grammatischen Sinn (Subjekt) ebenso wie im semantischen und pragmatischen Sinn (wer ist der Ur-heber dieser Äußerung?) fehlt. Wir müssen diesen Anfang ergänzen: Ich habe nun, ach! – Aber wer wäre dieses Ich? Ich, der ich das hier (re-) zitiere oder nie-derschreibe, bin es nicht (ich habe zwar Philosophie, aber nicht Juristerei, Medizin oder Theologie studiert, und ich habe nicht vor, irgendjemanden "an der Nase herum" zu führen); Goethe ist es aber auch nicht (er hat auch all das nicht studiert, heißt keineswegs Ma-gister oder Doktor gar, und trotzdem käme niemand auf den Gedanken, ihn wegen Anmaßung akademi-scher Titel – ein Straftatbestand – anzuklagen); der historische D. Johann Faust, der vielleicht im 15.-16. Jahrhundert gelebt hat, ist es schließlich auch nicht (jedenfalls ist so etwas nicht überliefert, und er hätte sich sicherlich gegen die Unterstellung zur Wehr gesetzt, er pflege intimen Umgang mit dem Teufel). Nirgendwo außerhalb des Textes gibt es dieses Ich, es entsteht erst in seinen Äußerungen – und vielleicht am nachdrücklichsten aus seinem Seufzer (denn ein Seufzer ist 'eigentlich' eine körpergebundene, spon-tane, nicht-sprachliche Äußerung – und eben kein Wort). Insofern steht das Ach tatsächlich am Anfang (es steht für die Aussageinstanz), und es ist sicher kein Zufall, daß es dem nicht vorhandenen Ich so weit

ähnelt, wie das zwischen zwei unterschiedenen Sprachzeichen möglich ist, nämlich bis auf einen Buchstaben. Etwas formaler gesagt: was hier thematisiert wird, ist die prekäre "Ich-Jetzt-Hier-Origio" literarischer Texte. Während bei nicht-literarischen Aussagen in der Regel angegeben werden kann (und oft angege-ben werden muß), wer das wann und wo gesagt hat, fehlen in der Literatur derartige Kriterien. Eine Sichtung dieser und weiterer Beispiele [vgl. die Textsammlung zu Grenzziehungen: Was ist Literatur? Was ist Literaturwissenschaft?] ergibt also einige erste Kriterien zur Bestimmung dessen, was Literatur ist: • Entkontextualisierung oder Entpragmatisierung: es

fehlt ein unmittelbarer Praxisbezug sowie ein praktischer Nutzen; in Zusammenhang damit steht eine besondere Art des Wirklichkeitsbezugs (Fiktion, Imagination, Phantasie oder Kreativität als ausschlaggebende Kriterien)

• An die Stelle der praktischen Bedeutung tritt eine

besondere Art der Sprachverwendung, die sprachliche Form, die geprägt ist durch eine Reihe von ‚verfremdenden’ Verfahren wie Klang, Bildlichkeit, Rhythmus, von den grammatischen Regeln abweichende, auffällige Syntax, Metrum, Reim, Erzähltechniken.

• Anders wiederum als bei anderen Arten der

Sprachverwendung ist eine Abweichung vom Er-wartbaren bis hin zu weitgehender Unverständ-lichkeit nicht unbedingt ein negatives Kriterium. Im Unterschied etwa zur Bedienungsanleitung für eine Waschmaschine, bei der jede Unklarheit ärgerlich ist (etwa, wenn ich den Wasserschlauch falsch anschließe und meine Wohnung unter Wasser setze), ist eine solche Bedeutungsoffen-heit für literarische Texte nicht von vornherein ein Mangel. Der Prozeß, ein Gedicht zu verste-hen, kann ausgesprochen spannend sein. Und auch wenn dabei möglicherweise keine Deutung bewiesen werden kann, so sind doch rationale Argumentationen möglich (ich kann abwägen und diskutieren, was für die eine oder die andere Option spricht).

• Literatur ist gebunden an bestimmte Medien.

Dies soll im Folgenden näher betrachtet werden.

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4 Literaturhinweise zur Einführung: • Umberto Eco: Einführung in die Semiotik,

München 1972

• Jurij M. Lotman: Die Struktur literarischer Texte. München 1972

• Jochen Schulte-Sasse/Renate Werner: Einführung in die Literaturwissenschaft. München 1977

• Michael Titzmann: Strukturale Textanalyse. Theorie und Praxis der Interpretation. München 1977

• Terry Eagleton: Einführung in die Literaturtheorie. Stuttgart 1988

• David E. Wellbery (Hg.): Positionen der Literaturwissenschaft. München 1990

• Helmut Brackert/Jörn Stückrath (Hg.): Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs. Reinbek 1992

• Klaus-Michael Bogdal (Hg.): Neue Literaturtheorien. Opladen 1990

• Miltos Pechlivanos/Stefan Rieger/Wolfgang Struck/Michael Weitz (Hg.): Einführung in die Literaturwissenschaft. Stuttgart/Weimar 1995

• Heinz Ludwig Arnold/Heinrich Detering (Hg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft. München 1996

• Rainer Baasner: Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Berlin 1996

• Heinz Ludwig Arnold/Heinrich Detering: Grundzüge der Literaturwissenschaft, München: dtv 1996

• Hans Krah: Einführung in die Literaturwissenschaft. Textanalyse, Kiel: Ludwig 2006

zum Nachschlagen:

• Metzler-Literatur-Lexikon. Hg. v. Günther und Irmgard Schweikle. Stuttgart 1990

• Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Hg. v. Ansgar Nünning. Stuttgart (4. Auf.) 2008

literaturgeschichtlich:

• Wolfgang Bentin u.a.: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar (5. Aufl.) 1994

• Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Hg. v. Klaus von See u. a. 21 Bde. Wiesbaden 1972ff.

Fachbibliographien

• MLA International Bibliography, New York 1926ff.

• Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Begr. von Hanns W. Eppelsheimer, fortgeführt von Clemens Köttelwesch u. Bernhard Koßmann ..., Frankfurt/M.: 1970ff.

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5 Anhang: Texte

(1) Phol ende Uuodan uuorun zi holza. du uuart demo Balderes uolon sin uuoz birenkit. thu biguol en Sinthgunt, Sunna era suister, thu biguol en Friia, Uolla era suister, thu biguol en Uuodan, so he uuola conda: sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki, ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin! – [Phol und Wodan ritten in den Wald. Da verrenkte sich Balders Fohlen einen Fuß. Da besprach ihn Sindgund (und) Sunna, ihre Schwester, da besprach in Frija (und) Volla, ihre Schwester, da besprach ihn Wodan, so gut wie (nur) er es konnte: wie die Verrenkung des Knochens, so die des Blutes (Aderriß), so die des ganzen Gliedes! Knochen an Knochen, Blut zu Blut, Glied zu Glied, als ob sie zusammengeleimt wären! –]

(Zweiter Merseburger Zauberspruch, ahd.) (2) Am Anfang schuf GOtt Himmel und Erde. 2. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist GOttes schwebete auf dem Wasser. 3. Und GOtt sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4. Und GOtt sah, daß das Licht gut war. Da schied GOtt das Licht von der Finsternis. 5. und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (Das 1. Buch Mose, dt. v. Martin Luther, 1545) (3) An mine leiwen Landslüd‘, de Landlüd‘ in Meckelnberg un Pommern. Seiht, Wenn Ji Jug hewwt suer warden laten, Un hewwt de Saat ok schön bestellt, Un 't fehlt Jug grad‘ de Regen för de Saaten, Denn is dat weggesmeten Geld. Ja, Vadder, dat 's sihr argerlich! Indessen doch... denn helpt dat nich!

(Fritz Reuter: Ut mine Stromtid) (4) Ik gihorta dat seggen, dat sih urhettun aenon muotin; Hiltibrant enti Hadubrant untar heriun tuem. sunufatarungo iro saro rihtun, garutun se iro gudhamun, gurtan sih iro suert ana, helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun.

(Das Hildebrandslied, ahd.)

(5) Uns ist in alten maeren / wunders vil geseit von helden lobebaeren, / von grôzer arebeit, von fröuden, hôchgezîten / von weinen und von klagen, von küener recken strîten / muget ir nu wunder hoeren sagen.

(Das Nibelungenlied, mhd.) (6)

(Hugo Ball, 1916) „Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andre erfunden. Ich will meinen eigenen Unfug, meinen eigenen Rhythmus und Vokale und Konso-nanten dazu, die ihm entsprechen, die von mir selbst sind.“

(Hugo Ball: Das erste dadaistische Manifest. Zürich, 14. Juli 1916)

(7) „Ali saß am Feuer und hielt auf den Knien ein allerliebstes schläfriges Kind. „Bungulu, bun-gulu, bun-gulu - - bwaya!“ sang er mit träumender Stimme...“

(aus: August Hauer: Ali Moçambique. Bilder aus dem Leben eines schwarzen Fabeldichters, Berlin: Safari-Verlag 1922, S. 137)

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(8) In Afrika, An den "Großen Seen" stampfen die Wilden Zur mbi'la, Klapper und Bambuspfeife Im schwarzen Burnus der Trauer Um ihren Toten. Muscheln und Schneckenschalen klirren, Die Nägelschnarre rasselt, Bronzen stehn die Leiber im Zenith. Kleine Schwarze säugen an Kamelstuten, Zwergpapageien kreischen bunt... (Hinter mir flüstert ein Mädchen: "Entflieh mit mir nach Afrika!") [...] Im Turban aus Otternhaut tanzt der Dakotahäuptling den Kriegstanz: "Kwa ha hi-a Kwa nu Kwa nu de he no Kwa nu de Kwa nu de he no." (aus: Claire Goll: PATHÉ-WOCHE, in: Lyrische Films. Gedichte von Claire Goll, Basel/Leipzig 1922, S. 9-13) (9) Barbara saß nah am Abhang, sprach gar sangbar, zaghaft langsam. Mannhaft kam alsdann am Waldrand, Abraham A Sankta Clara.

(„Der kleine Hey“) (10) Winterstürme wichen dem Wonnemond, - im milden Lichte leuchtet der Lenz

(Richard Wagner, Die Walküre, I/3)

(11) Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel saß auf einem Kiesel

inmitten Bachgeriesel.

Wißt ihr, weshalb?

Das Mondkalb verriet es mir

im Stillen:

Das raffinier- te Tier

tats um des Reimes willen.

(Christian Morgenstern) (12) Der Werwolf Ein Werwolf eines Nachts entwich von Weib und Kind und sich begab an eines Dorfschullehrers Grab und bat ihn: „Bitte, beuge mich!“ Der Dorfschulmeister stieg hinauf auf seines Blechschilds Messingknauf und sprach zum Wolf, der seine Pfoten gedultig kreuzte vor dem Toten: „Der Werwolf“, sprach der gute Mann, „des Weswolfs, Genitiv sodann, dem Wemwolf, Dativ, wie mans nennt, den Wenwolf, - damit hats ein End.“ Dem Werwolf schmeichelten die Fälle, er rollte seine Augenbälle. „Indessen“, bat er, „füge doch zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!“ Der Dorfschulmeister aber mußte gestehn, daß er von ihr nichts wußte. Zwar Wölfe gäbs in großer Schar, doch „Wer“ gäbs nur im Singular. Der Wolf erhob sich tränenblind – er hatte ja doch Weib und Kind!! Doch da er kein Gelehrter eben, so schied er dankend und ergeben. (Christian Morgenstern) (13) lichtung manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern. werch ein illtum! (Ernst Jandl) (14) Ich weiß nicht, wie man die Liebe macht Wie ich weiß, ‚macht‘ man die Liebe nicht. Sie weint bei einem Wachslicht im Dach. Ach, sie waechst im Lichten, im Winde bei Nacht. Sie wacht im weichen Bilde, im Eis des Niemals, im Bitten: wache, wie ich. Ich weiss, wie ich macht man die Liebe nicht. (Unica Zürn)

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7 (15)

(16)

(Gottfried Kleiner, 1732) (17) (Peter Handtke, 1968)

(18) Hat die Form des Logischen mit Inhalten tatsächlich nichts zu schaffen? irgendwo ist sie nämlich merkwürdigerweise selber Inhalt, am deutlichsten wohl, wenn man die soge-nannt formalen Beweisketten verfolgt, denn nicht nur, daß die Glieder dieser Ketten Axiome sind oder axiomähnliche Sätze – etwa der Satz des Widerspruchs –, also Aussagen, die eine unübersteigbare Plausibilitässchranke bilden ... und deren Evidenz nur mehr inhaltlich erfaßt, aber nicht mehr formal bewiesen werden kann, sondern darüber hinaus, es würde überhaupt keine derartige logische Kette aufzustellen sein, es würde die ganze logische Maschinerie des Schlie-ßens und Beweisens sofort stecken bleiben, wenn es nicht überlogische und, trotz aller Vorverlegung der Formal-grenze, letzten Endes metaphysische und inhaltliche Prinzi-pien gäbe, die in ihrer Anwendung den gesamten Mecha-nismus in Gang erhalten würden. Das Gebäude der forma-len Logik ruht auf inhaltlichen Grundlagen.

(aus: Hermann Broch: Die Schlafwandler, 1931) (19) M. H.! Die Anschauungen über Raum und Zeit, die ich Ihnen entwickeln möchte, sind auf experimentell-physikali-schem Boden erwachsen. Darin liegt ihre Stärke. Ihre Ten-denz ist eine radikale. Von Stund an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewah-ren.

(aus: H[ermann] Minkowski: Raum und Zeit; Vortrag, gehalten auf der 80. Versammlung Deutscher Naturfor-scher und Ärzte zu Cöln am 21. September 1908; einer der Schlüsseltexte in der Entwicklung der Relativitäts-theorie)

(20) Hohe Herren von der Akademie!

Sie erweisen mir die Ehre, mich aufzufordern, der Akademie einen Bericht über mein äffisches Vorleben einzureichen.

In diesem Sinne kann ich leider der Aufforderung nicht nachkommen. Nahezu fünf Jahre trennen mich vom Affentum, eine Zeit, kurz vielleicht am Kalender ge-messen, unendlich lang aber durchzugallopieren, so wie ich es getan habe, [...].

(aus: Franz Kafka: Ein Bericht für eine Akademie)

(21) Abdurrahman, 24, Rapper: Pop is ne fatale Orgie, ein ding ohne höhre weihen, und es macht aus jeder göre aus'm vorort'n verdammten zappler und aus jedem zappler ne runde null. Es schafft ne egalität, wo jeder gleich is und keinen feinschliff braucht, nur tausend träume von rittern, die olle jungfrauen wachküssen, tausend träume, billig zu haben, wie'n pfifferling, tausend träume für'n appel-und'n-ei-preis, tausend-tropfen-schnaps, daß du man den zappli-gen schlotter kriegst. Pop: die große hure babylon. Bruder, den pop hab ich gefressen, so wahr wie mir nach kümmel is, nix übrig hab ich für's flachgepfiffene, ich will da nicht'n abgetragenes kleid tragen, bloß weil's null kostet. Und ich will, weil ich ne reale größe bin, nen realen Anlasser, der mich auf touren bringt und'n bild von mir gibt, das rein und kraftvoll is. Ich hör's liebesgedudel auf allen frequenzen: »o, ich bin so allein, komm mich doch balde frein«, oder »du gehst fort, und ich denk an mord« und so weiter. Was in gottes namen hat dieser dreck mit mir zu tun, was hab ich kanake mit diesem dreck zu tun.

(aus: Feridun Zaimoglu: Kanak Sprak)

Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg

vom 27. 1. 1968

WABRA

LEUPOLD POPP

LUDWIG MÜLLER WENAUER BLANKENBURG

STAREK STREHL BRUNGS HEINZ MÜLLER VOLKERT

Spielbeginn:

15 Uhr

Page 8: Grundlagen: Texte – Zeichen – Medien Vorüberlegungen: Was ... · vielleicht einen Anfang bei Martin Luther suchen: "1. IM ANFANG WAR DAS WORT / VND DAS WORT WAR BEY GOTT / VND

8 Untergrundbahn (19/20) Untergrundbahn (22) Untergrundbahn Die weichen Schauer. Blütenfrühe. Wie aus warmen Fellen kommt es aus den Wäldern. Ein Rot schwärmt auf. Das große Blut steigt an. Durch all den Frühling kommt die fremde Frau. Der Strumpf am Spann ist da. Doch, wo er endet, ist weit von mir. Ich schluchze auf der Schwelle: laues Geblühe, fremde Feuchtigkeiten. Oh, wie ihr Mund die laue Luft verpraßt! Du Rosenhirn, Meer-Blut, du Götter-Zwielicht, du Erdenbeet, wie strömen deine Hüften so kühl den Gang hervor, in dem du gehst! Dunkel: nun lebt es unter ihren Kleidern: nur weißes Tier, gelöst und stummer Duft. Ein armer Hirnhund, schwer mit Gott behangen. Ich bin der Stirn so satt. Oh, ein Gerüste von Blütenkolben löste sanft sie ab und schwölle mit und schauerte und triefte. So losgelöst. So müde. Ich will wandern. Blutlos die Wege. Lieder aus den Gärten. Schatten und Sintflut. Fernes Glück: ein Sterben hin in des Meeres erlösend tiefes Blau. (Gottfried Benn, 1913) (23) .... .- -... . -. ..- -. --..-- .- ---- --..— (Morsealphabet: „habe nun, ach,“)