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Grundrechte für Primaten Positionspapier Nichtmenschliche Primaten sind hochkomplexe Wesen und besitzen ein fundamentales In- teresse daran, zu leben und körperlich und geistig unversehrt zu bleiben. Die bestehen- den rechtlichen Bestimmungen in der Schweiz tragen diesen Interessen aber kaum Rech- nung, weshalb Primaten des Schutzes durch Grundrechte bedürfen. Um die Forderung nach Grundrechten umzusetzen, wird ein konkreter Vorschlag für eine kantonale Initiative ge- macht, die die Verankerung von Grundrechten auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit für nichtmenschliche Primaten auf kantonaler Verfassungsstufe verlangt. April

GrundrechtefürPrimaten - Sentience Politics · schutz ergibt sich bereits aus Art. 120 Abs. 2 BV, welcher festlegt, dass der Bund der Würde der Kreatur Rechnung tragen muss. Gemäss

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Grundrechte für Primaten

Positionspapier

Nichtmenschliche Primaten sind hochkomplexeWesen und besitzen ein fundamentales In-

teresse daran, zu leben und körperlich und geistig unversehrt zu bleiben. Die bestehen-

den rechtlichen Bestimmungen in der Schweiz tragen diesen Interessen aber kaum Rech-

nung,weshalbPrimatendes Schutzes durchGrundrechte bedürfen. Umdie Forderungnach

Grundrechten umzusetzen, wird ein konkreter Vorschlag für eine kantonale Initiative ge-

macht, die die Verankerung von Grundrechten auf Leben und auf körperliche und geistige

Unversehrtheit für nichtmenschliche Primaten auf kantonaler Verfassungsstufe verlangt.

April 2016

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Positionspapier von Sentience Politics.

Bevorzugte Zitation: Fasel, R., Blattner, C., Mannino, A. und Baumann, T. (2016). Grundrechte für Pri-maten. Positionspapier von Sentience Politics (1): 1-18.

Erstverö�entlichung April 2016. Letztes Update April 2016.

sentience-politics.org

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Primaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Grundrechte für Primaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Einwände und Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Politische Forderung und Begründung . . . . . . . . . . 11

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

AUTORENRAFFAEL FASEL, SENTIENCE POLITICSCHARLOTTE BLATTNER, PHD-KANDIDATIN IM VÖLKER- UNDTIERRECHT, UNIVERSITÄT BASELADRIANO MANNINO, PRÄSIDENT, SENTIENCE POLITICSTOBIAS BAUMANN, LEITER STRATEGIE, SENTIENCE POLITICS

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Grundrechte für Primaten

Einleitung

Spätestens seit den Publikationen Charles Darwins lässtsich ein Festhalten an Weltbildern, die den Menschen als„Krone der Schöpfung“ oder als Spitze einer „Grossen Ket-te der Wesen“ darstellen, nicht mehr rechtfertigen. Trotzder ausserordentlichen Eigenscha�en, die der Mensch imLaufe der Zeit entwickelt hat, dürfen wir nach Darwin„nicht vergessen, dass er nur eine der verschiedenen ex-ceptionellen Formender Primaten ist.“[1] DerMensch reihtsich genauer gesagt in eine Ordnung von über 300 Prima-tenspezies ein.[2] Primaten zeichnen sich im Vergleich zuvielen anderen Tieren durch ihr grosses Gehirn, ihre kom-plexe Sozialstruktur und ihre hohe physische und psychi-sche Leidensfähigkeit aus. Für Primaten, die nicht der Spe-zies Homo sapiens angehören, werden diese Fähigkeitenund Eigenscha�en jedoch regelmässig zum Verhängnis:Nichtmenschliche Primaten gelten zum Beispiel als be-sonders attraktiv für biomedizinische Forschung, sie wer-denzurBelustigungundzuBildungs-undKonservierungs-zweckenausgestellt, undsiewerdenalsexotischeHaustie-re gehalten.

Je mehr wissenscha�liche Erkenntnisse wir über diebemerkenswerten Eigenscha�en von nichtmenschlichenPrimaten erlangen, desto schwierigerwird es, solche Prak-tiken moralisch zu rechtfertigen. Einer der zentralsten Ge-rechtigkeitsgrundsätze lautet, dass Gleiches gleich undUngleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleichzu behandeln ist. In diesemPositionspapier zeigenwir auf,dass nichtmenschliche Primaten in Bezug auf ihre Interes-sen, nicht zu leiden und nicht getötet zu werden, mensch-lichen Primaten gleichwertig sind und ihnen deshalb - wieden Menschen - ein Grundrecht auf Leben und ein Grund-recht auf Unversehrtheit zusteht.

Diese Ausweitung des grundrechtlichen Schutzes aufnichtmenschliche Primaten drängt sich in Anbetracht desmoralischen Fortschrittes in Richtung einer diskriminie-rungsfreien Gesellscha� auf, den wir seit einigen Jahr-zehnten erleben. Noch vor nicht all zu langer Zeit wur-den bestimmteMenschen aufgrundwillkürlicher Kriterienwie Hautfarbe, Ethnie, Herkun� oder Geschlecht als min-derwertig eingestu� und diskriminiert. Diesen angeblich

primitiven Menschen wurden viele, wenn nicht sogar al-le, Grundrechte entzogen. Zwangsarbeit, Leibeigenscha�,Misshandlung und die Verweigerung angemessener poli-tischer Repräsentation sind nur einige der Ungerechtig-keiten, die diesen Menschen widerfahren sind. Vielerortsist es dank intensiven gesellscha�lichen Debatten gelun-gen, diese Menschen in den Kreis der Grundrechtsträgeraufzunehmen und dadurch ihre Interessen als moralischund rechtlich gleichwertig anzuerkennen. Sklaverei undLeibeigenscha�wurde formell abgescha�undMenschen,die ehemals der Zwangsarbeit unterworfen waren, wer-den nun auf nationaler und internationaler Ebene in ihrenGrundrechten geschützt.[3] Frauen ist es gelungen, dasStimm- undWahlrecht sowie vollständige Eigentumsrech-te zu erlangen.[4] Die Interessen von Kindern und Men-schen mit Behinderungen werden heute ebenfalls durchGrundrechte geschützt.[5] Zudem werden im Bereich vonLGBT-Rechten immer mehr Fortschritte erzielt.[6] Trotzdes bestehenden Verbesserungspotenzials stellen all die-se rechtlich-moralischen Fortschritte unerlässliche Mei-lensteine in der Scha�ung einer gerechteren Gesellscha�dar.

Mitgefühl und eine rationale Anwendung moralischerund rechtlicher Prinzipien drängen sich indessen nichtnur bei Menschen auf, sondern auch bei nichtmenschli-chen Tieren. Ziel dieses Positionspapieres ist es, aufzu-zeigen, dass die Interessen von nichtmenschlichen Prima-tendurchGrundrechtegeschütztwerdenmüssen.Konkretfordern wir die Einführung eines Grundrechts auf Lebenund eines Grundrechts auf körperliche und geistige Un-versehrtheit für nichtmenschliche Primaten auf kantona-ler Verfassungsstufe. Zu diesem Zweck stellen die nächs-ten Kapitel dar, über welche besonderen Fähigkeiten undInteressen nichtmenschliche Primaten verfügen und dassdie heutige Schweizer Rechtslage und Praxis selbst diefundamentalsten dieser Interessen – wie jene nach Lebenund Unversehrtheit – trivialen menschlichen Interessenunterordnet. Wie wir zeigen, bedürfen Primaten deshalbdes Schutzes durch Grundrechte auf Leben und Unver-sehrtheit, umdie Sicherstellung ihrer vitalen Interessen zugarantieren. Mögliche Einwände undBedenken, die gegendiese Forderung nach Grundrechten für nichtmenschliche

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Grundrechte für Primaten

Primaten erhoben werden können, erweisen sich als un-begründet. Um die Erkenntnisse dieses Positionspapiersin praktische Form zu giessen, präsentieren wir im letztenKapitel unseren konkreten Vorschlag für die kantonale In-itiative „Grundrechte auf Leben und Unversehrtheit für al-le Primaten“ im Kanton Basel-Stadt.

Primaten

Biologische Systematik und Verteilung

Primaten bilden eine eigene Ordnung innerhalb der Klas-se der Säugetiere und umfassen sowohl menschliche wieauch nichtmenschliche Primaten.[7] Die Ordnung der Pri-maten lässt sich systematisch wie in Abbildung 1 darge-stellt unterteilen.

Innerhalb der Überfamilie der Menschenartigen kön-nen die zwei Familien Gibbons und Menschena�en un-terschieden werden. Zu den letzteren werden die Spe-zies Borneo- und Sumatra-Orang-Utan, Westlicher undÖstlicher Gorilla, Schimpanse, Bonobo sowie der Menschgezählt.[8]

Freilebende nichtmenschliche Primaten sind auf derErde weit verbreitet und kommen in Afrika, Indien, Süd-ostasien und Südamerika vor.[9] Viele nichtmenschlichePrimaten leben allerdings in Gefangenscha�, dies vor al-lem in Nordamerika und Europa. Nichtmenschliche Pri-maten werden in der Schweiz entweder in Zoos oder inKäfigen privater Unternehmen oder ö�entlicher Universi-täten gehalten. Im Kanton Basel-Stadt etwa wurden imJahr 2014 knapp 180 nichtmenschliche Primaten in derForschung eingesetzt, was 71% aller schweizweit für For-schungszwecke gehaltenen nichtmenschlichen Primatenentspricht.[10] Im Zoo Basel lebten im Jahr 2015 zusätz-lich rund 130 nichtmenschliche Primaten.[11] Wenn dieZahl der in der Tierversuchsforschung eingesetzten nicht-menschlichen Primatenmit jener des Vorjahres vergleich-bar bleibt, existieren derzeit allein in Basel-Stadt gesamt-ha�mehr als 300 nichtmenschliche Primaten.

Eigenscha�en und Fähigkeiten

Zu den Charakteristiken, die alle Primaten verbinden, ge-hören – abgesehen von physischen Eigenscha�en, wiespezialisierte Nervenenden in Händen und Füssen oderseparate Greifzehen[12] – ausserordentliche Verhaltens-merkmale und Fähigkeiten.

So verfügen Primaten über eine hohe soziale Intelli-genz, deren Entstehung und Entwicklung insbesondereauf die Anforderungen ihres komplexen Soziallebens zu-

rückzuführen ist.[13] Junge Primaten bleiben verhältnis-mässig lange von Erwachsenen abhängig. Dies erlaubtes ihnen, die notwendigen Fähigkeiten zu erlernen, diefür das Überleben und Funktionieren in einer komple-xen sozialen Gruppe unabdingbar sind.[14] Dazu gehörtdie Fähigkeit, Empathie gegenüber anderen Primaten zuempfinden.[15] In einer Studie anRhesusa�en konnte zumBeispiel festgestellt werden, dass diese es bevorzugen,auf Essen zu verzichten, wenn sie dadurch verhindernkönnen, dass ihren Kameraden Elektroschocks zugefügtwerden.[16] Primaten trauern ausserdem um verstorbeneBekannte.[17]

Wie menschliche Primaten kennen auch nichtmensch-lichePrimatensoziales Lernen,das zuerstdurchdieMutterund später durch erweiterte Gruppen gefördert wird.[18]Durch die „do-as-I-do“-Lerntechnik bringen sich Prima-ten gegenseitig bei, wie man Futter bescha�, am bes-ten den Wald durchstöbert oder Werkzeuge gebrauchtund herstellt.[19] Insbesondere – aber nicht nur – beiMenschena�en spricht man dabei auch von eigenen Kul-turen und Traditionen.[20] So wurde zum Beispiel beizwei Schimpansengruppen inWestafrikabeobachtet, dassdie westlich des Flusses Sassandra-N’Zo lebende Gruppedie Tradition pflegt, Nüsse auf eine bestimmte Weise zuknacken. Die östlich des Flusses lebendeGruppehingegenknackt keine Nüsse, obwohl das Vorkommen an Nüssenauf beiden Seiten des Flusses vergleichbar ist.[21]

Auch die Tatsache, dass Primaten ausserordentlichgut im Kommunizieren sind, überrascht kaum. Sie tau-schen sich sowohl mit Artgenossen als auch mit Individu-en anderer Spezies durch Vokalisierung sowie durch Ges-tik aus. Dabei verfügen sie über individualisierte LauteundDialekte.[22] Bestimmte Primaten haben ausserdem ge-lernt, mit abstrakten Symbolen zu kommunizieren. ZumBeispiel beherrscht der Bonobo Kanzi, der bei der ApeCognition and Conservation Initiative (ACCI) in Iowa lebtund dessen kognitive Fähigkeiten über Jahrzehnte unter-sucht wurden,mehr als 400 Lexigram-Symbole (die auf ei-ner Tastatur abgebildet sind). Dies erlaubt ihm, mit Men-schenüberObjekte,Orte, Aktivitäten, Erlebtesundzukünf-tige Pläne zu kommunizieren.[23] Schimpansen konntensogar dabei beobachtet werden, wie sie eine von ihnen er-lernte Zeichensprache jungen Schimpansenweitervermit-telten und diese die Sprache ohne weiteres menschlichesZutun erlernten.[24]

Primaten verfügen ferner über die Fähigkeit, sich geis-tig in andere Individuen hineinzuversetzen. Einige Prima-ten tricksen andere dadurch aus, dass sie deren Verhal-ten vorhersehen, indem sie darauf achten, was diese se-

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Grundrechte für Primaten

Abbildung 1: Systematik der Primaten

hen, hören oder beabsichtigen – und ihr eigenes Verhal-ten entsprechend anpassen.[25] Dieses Verhalten ist ver-knüp� mit der Fähigkeit von Primaten, mentale Zeitrei-sen zu unternehmen. Das heisst, dass sie sich an ver-gangene Ereignisse erinnern und zukün�ige Ereignissevoraussehen können. Entgegen einer lange verbreitetenThese haben neueste Forschungen bei Primaten gezeigt,dass sie kün�ige Bedürfnisse, wie zum Beispiel Durst oderHunger, vorhersehen können, selbst wenn sie das be-tre�ende Bedürfnis zum jeweiligen Zeitpunkt noch nichtverspüren.[26] Der Schimpanse Santino konnte ausser-dem in einem schwedischen Zoo dabei beobachtet wer-den, wie er systematisch Steine und andere Wurfgeschos-se sammelte und versteckte, um sie später herauszuho-len und Besuchergruppen, die an seinem Gehege vorbei-kamen, damit zubewerfen.[27] Zudemkönnen sichPrima-ten selbst im Spiegel erkennen - ein unter Forschern aner-kannter Beweis für ein Ich- oder Selbstbewusstsein.[28]

Schliesslich steht heute ausser Frage, dass Primatenhöchst schmerzempfindungsfähige Individuen sind. Diesist insbesondere darauf zurückzuführen, dass alle Pri-maten über ein hochentwickeltes zentrales Nervensys-tem verfügen und ähnliche Neuronen- undHirnstrukturen

aufweisen.[29] Nichtmenschliche Primaten sind nicht nurin der Lage, physischen Schmerz zu empfinden, sondernsiekönnendurchausauchpsychisch leiden.Primatenkön-nen sowohl psychische Krankheiten wie Depressionen alsauch schwere Verhaltensstörungen durch negative Ereig-nisse wie soziale Trennungen, sozialen Entzug, mütterli-che Vernachlässigung oder Missbrauch erleiden.[30]

Dieser kurze Überblick zeigt, dass nichtmenschlichePrimaten Individuen mit einer hohen sozialen Intelligenz,Selbstbewusstsein, Zukun�s- und Vergangenheitssinn so-wie ausgeprägter Schmerzempfindungsfähigkeit sind.

Tierschutzrecht

In der Schweiz sind auf nichtmenschliche Primaten ver-schiedene tierschutzrechtliche Bestimmungen anwend-bar. Der nachfolgende Überblick wird aufzeigen, dass die-ser Rechtsschutz ungenügend ist, da der Kern der In-teressen nichtmenschlicher Primaten auf Leben und Un-versehrtheit nicht geschützt ist. Dieser unzureichendeRechtsschutz wirkt sich auch in der Praxis aus: Die im Tier-schutzgesetz vorgesehenen Interessenabwägungen fallenin aller Regel zuungunsten der Tiere aus. Eine ernstha�e

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Grundrechte für Primaten

Verbesserung des Schutzes der Interessen nichtmensch-licher Primaten ist deshalb nur durch die Einführung vonGrundrechten zu erreichen, welche den Kerngehalt der In-teressen auf Leben und Unversehrtheit garantieren. EinBlick auf die internationale Rechtslage wird aufzeigen,dass die Forderung nach Grundrechten für nichtmensch-liche Primaten in anderen Staaten schon beträchtliche Er-folge erzielen konnte und die Schweiz hier entsprechen-den Nachholbedarf hat.

Rechtslage in der Schweiz

Bestehende Rechtslage in der Schweiz

Gemäss Art. 80 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV) hat derBunddieKompetenz zur Regelungdes Schutzes vonnicht-menschlichen Tieren, von welcher er mit dem Erlass desTierschutzgesetzes (TschG) Gebrauch gemacht hat. Zweckdes Tierschutzgesetzes ist gemäss Art. 1 TSchG der Schutzder Würde und des Wohlergehens von Tieren. Der Würde-schutz ergibt sich bereits aus Art. 120 Abs. 2 BV, welcherfestlegt, dass der Bund der Würde der Kreatur Rechnungtragen muss. Gemäss herrschender Lehre und Rechtspre-chung gilt dieser verfassungsrechtliche Würdeschutz so-wohl fürTiereundPflanzenund ist entgegendemWortlaut(„Vorschri�en über den Umgang mit Keim- und Erbgut“)nicht nur bei der Gentechnologie zu beachten, sondernhat generelle Anwendung in der Rechtsordnung.[31] Dasheisst, ihm muss von der Legislative, der Judikative undder Exekutive in all ihrenHandlungen und Au�rägen Rech-nung getragenwerden. Unter „Würde“ versteht das TSchGgemäss Art. 3 Bst. a TSchG den Eigenwert eines Individu-ums, der geachtet werden muss. Das TschG macht dabeivon einer Interessenabwägung abhängig, ob dieser Eigen-wert gewahrt oder missachtet wird. Eine solche Missach-tung liegt gemäss TSchG nur dann vor, „wenn eine Belas-tung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen ge-rechtfertigt werden kann.”[32]

Das TSchG bestimmt sodann in Art. 4 Abs. 1 dass je-der, der mit nichtmenschlichen Tieren umgeht, deren Be-dürfnisse in bestmöglicher Weise zu berücksichtigen hatsowie – „soweit es der Verwendungszweck zulässt“ – fürihr Wohlergehen zu sorgen hat. Insbesondere darf gemässAbs. 2 niemand „ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen,Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oderin anderer Weise seine Würde missachten.”[33]

Der generelle Grundsatz, gemäss welchem Eingri�e indie Interessen von Tieren gerechtfertigt sind, wenn diesenüberwiegende Interessen entgegenstehen, wird im TSchGdurch eine Reihe von Bestimmungen spezifiziert. So wen-

det Art. 19 Abs. 4 TSchG das Prinzip der Interessenab-wägung auf Tierversuche an. Gemäss dieser Bestimmungist ein Tierversuch dann unzulässig, „wenn er gemes-sen am erwarteten Kenntnisgewinn dem Tier unverhält-nismässige Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt oderes in unverhältnismässige Angst versetzt.[34] Des Weite-ren regeln die Art. 17 �. TSchG, dass Tierversuche bewilli-gungspflichtigundauf dasunerlässlicheMass zubeschrän-ken sind, wenn sie nichtmenschlichen Tieren Schmerzen,Angst oder weitere Schäden zufügen oder ihre Würde inanderer Weise missachten.

Der Bundesrat hat die Bestimmungen des TSchG in derTierschutzverordnung (TSchV) konkretisiert. Diese ent-hält mehrere Bestimmungen, die explizit nichtmenschli-che Primaten betre�en, wie beispielsweise Bestimmun-gen zu Haltebewilligungen (Art. 92 Abs. 1 Bst. b TSchV), zurArt der eingesetzten Primaten in Tierversuchen (Art. 118Abs. 4 TSchV) sowie zu den spezifischen Anforderungen andie Haltebedingungen (Zi�. 14 und Tabelle 3 des Anhangszur TSchV).

AufdenerstenBlick scheinendieseBestimmungenam-bitioniert zu sein.[35] Wer jedoch genauer hinsieht, ent-deckt schnell, dass die bestehende Rechtslage durch zweigrundlegende Mängel geprägt ist, die sich für den Schutzder Interessen nichtmenschlicher Primaten verheerendauswirken.

Der erste Mangel ist ein rechtlicher: Die Bestimmun-gen des TSchG und der TSchV sehen vor, dass selbst derKernder Interessenauf LebenundUnversehrtheit einer In-teressenabwägung unterliegt.[36] Nichtmenschliche Pri-maten können deshalb jederzeit getötet oder es kann aufschwerwiegendste Weise in ihre körperliche und geistigeUnversehrtheit eingegri�en werden, wenn entgegenste-hende Interessen dies rechtfertigen. Anders alsMenschen,deren Interessen auf Leben und Unversehrtheit durch denKerngehalt ihrer Grundrechte auf Leben und Unversehrt-heit geschützt sind, fehlt ein solcherKerngehaltsschutz fürdie Interessen nichtmenschlicher Primaten gänzlich. Da-mit schützen die bestehenden Normen die Interessen aufLeben und Unversehrtheit von nichtmenschlichen Prima-ten wesentlich schlechter als die vergleichbaren Interes-sen vonmenschlichen Primaten.

Dass die im Tierschutzgesetz vorgesehene Interessen-abwägung keinen Schutz des Kerns der Interessen aufLeben und Unversehrtheit mit sich bringt, wird auchvom Bundesgericht bestätigt. Dieses musste sich im Jahr2009 mit der rechtlichen Zulässigkeit von Rhesusa�en-versuchen an der Universität Zürich und der ETH Zürichauseinandersetzen.[37] Obwohl das Bundesgericht in den

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konkreten Fällen den Entscheid fällte, dass die Versu-che wegen des gänzlich unwahrscheinlichen Erkenntnis-gewinns unzulässig sind, hielt es am Grundsatz fest, dassbei einem genügenden Erkenntnisgewinn selbst in die vi-talsten Interessen vonnichtmenschlichenPrimateneinge-gri�en werden kann.

Das zweite damit verbundene Defizit liegt in der man-gelha�en Anwendung der bestehenden Tierschutznor-men. In der Praxis kommt es nämlich häufig dazu, dass dieInteressen nichtmenschlicher Primaten nicht nur gewich-tigeren entgegenstehenden Interessen weichen müssen,sondern vielfach auch trivialen Interessen untergeordnetwerden.[38] Damit wird deutlich vom Wortlaut der beste-henden Tierschutzbestimmungen abgewichen, die einenEingri� in tierliche Interessen nur beim Konflikt mit über-wiegenden Interessen erlauben. Anders gesagt kommt esin der Anwendung also häufig zu unverhältnismässigenEingri�en in das Leben und die Unversehrtheit von nicht-menschlichenPrimaten,was inder Lehredarauf zurückge-führt wird, dass die im TSchG vorgesehene Interessenab-wägung“strukturell anthropozentrischprädisponiert”[39]ist.

Diese defizitäre Praxis wird zum Beispiel bei Tierver-suchen deutlich.[40] Berichte aus der Bewilligungspra-xis für Tierversuche zeigen auf, dass die vorgeschriebe-ne Interessenabwägung häufig auf unzureichende Wei-se vorgenommenwird. Tierversuchskommissionen erach-ten es regelmässig als genügend, wenn die Forschendenselbst bestätigen, dass allfällige Erkenntnisgewinne fürneue Therapien in Aussicht stünden und diese gewichti-ger als die Interessender Versuchstiere seien.[41] Die Inter-essenabwägung verkommt so nicht selten zu einer blos-sen Formalie und die vitalen Interessen auf Leben undUnversehrtheit von nichtmenschlichen Primaten bleibenauf der Strecke.[42] Ein anschauliches Beispiel für die-se Unterordnung fundamentaler Interessen von Prima-ten ist ein Versuch an Makaken, der vor wenigen Jahrenan der Universität Freiburg durchgeführt wurde. Bei die-sem Versuch wurden zwei Makaken elektronische Son-den ins Gehirn implantiert. Anschliessend wurde ihnendas Rückenmark chirurgisch durchtrennt, um ihre Händehalbseitig zu lähmen. Die Tiere wurden dann über Mona-te dazu angehalten,mit gelähmter Hand Futter aus Vertie-fungen herauszuholen. Danach wurden die zwei gelähm-ten Makaken sowie zwei weitere A�en, deren Rückenmarknicht durchtrennt wurde, getötet und seziert.[43] DieserTierversuch wurde von der zuständigen kantonalen Kom-mission bewilligt, da sie das Leben und die Unversehrt-heit der Primaten dembehaupteten potenziellen Erkennt-

nisgewinn unterordnete. Eine durch die Ärztinnen undÄrzte für Tierschutz in der Medizin durchgeführte Studieüber den betre�enden Tierversuch kam allerdings zumSchluss, dass der konkrete Versuchmit demNützlichkeits-grad 0 (“kein Nutzen oder nur ein fraglicher Nutzen er-kennbar für Mensch und Tier”) hätte bewertet – und folg-lich abgelehnt – werdenmüssen. Diese Einschätzung wur-de durch eine unabhängige Studie von australischen For-schern bestätigt.[45]

Der ungenügende Schutz durch das Tierschutzrechtsowie dessen unzureichende praktische Anwendung ma-chen deutlich, dass rechtliche Massnahmen jenseits desTSchG getro�en werden müssen. Eine solche Massnahmeist die Verankerung von Grundrechten für nichtmenschli-chePrimaten.Dassdies geradebei nichtmenschlichenPri-maten besonders vordringlich ist, haben die Eidgenössi-sche Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausser-humanbereich (EKAH) und die Eidgenössische Kommissi-on für Tierversuche (EKTV) in einemgemeinsamenBerichtzur Konkretisierung der Würde der Kreatur betont. So ka-men beide Kommissionen zum Schluss, dass die beste-hende Rechtslage gerade bei solch „‚höheren’ Tieren”[46]unzureichend ist:

„Menschena�en verfügen in einem hohenGrade über ‚menschliche’ Eigenscha�en wieSelbstbewusstsein, Individualität und Ver-nun�fähigkeit. Es stellt sich die Frage, ob derSchutz der Würde der Kreatur diesen beson-deren Eigenscha�en gerecht werden kannoder ob der Umgang mit Menschena�en undmöglicherweise mit allen Primaten über dasTierschutzgesetz hinaus noch speziell gere-geltwerdenmüsste.”[47]

Dieser Überblick über die Rechtslage und Praxis in derSchweiz macht deutlich, dass das Interesse nichtmensch-licher Primaten auf körperliche und geistige Unversehrt-heit sowie auf Leben nicht genügend geschützt ist. An-ders als beimenschlichen Primatenwird der Kern ihres In-teresses auf Leben und auf Unversehrtheit rechtlich nichtgewahrt, und in der Anwendung werden diese Interessenselbst trivialen menschlichen Interessen untergeordnet.Nichtmenschliche Primaten bedürfen deshalb des rechtli-chen Schutzes durchGrundrechte, die über den bestehen-den Tierschutz hinausgehe

Politische Vorstösse in der Schweiz

In der jüngeren Vergangenheit wurden verschiedene Vor-stösse im Parlament eingereicht, die auf eine Verbesse-

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Grundrechte für Primaten

rung des rechtlichen Schutzes von nichtmenschlichen Pri-maten zielten. Diese Vorstösse sind Ausdruck eines wach-senden Bewusstseins über die zuweilen eklatanten Miss-stände im rechtlichen Schutz von Primaten. Aktuell ist imParlament die Behandlung der folgenden drei Motionenausstehend, die 2015 im Parlament eingereicht wurden:die Motionen „Verbot von belastenden Tierversuchen anPrimaten“[48], „Verbot von Tierversuchen für Kosmetika,Reinigungs- und Haushaltsmittel”[49] sowie „Importver-bot für Jagdtrophäen“[50].

Der unzureichende Primatenschutz wurde auch inden vergangenen Jahren immer wieder mit parlamenta-rischen Vorstössen moniert. Im Jahre 2006 wurde eineparlamentarische Initiative zu einem „Verbot von mittel-und schwerbelastenden Tierversuchen an Primaten“[51]eingereicht, welche sich auf den von der EKTV und EKAHausgearbeiteten Bericht „Forschung an Primaten – eineethische Bewertung“ stützte. Auf eine Verbesserung desrechtlichen Schutzes von Primaten zielten ferner auchdie Interpellationen „Stopp der Tierzucht in Zoos alsPublikumsmagnet“[52], „Massnahmen gegen den illega-len Buschfleischhandel“[53] und „Marmosetten-Versuchder ETHZ“[54], die Anfrage „Würde der Tiere in SchweizerZoos“[55] sowie das Postulat „Versuche an Primaten“[56]ab.

Zwar zeigen die hier genannten Vorstösse auf, dass dasParlament wiederholt die Besorgnis der Bevölkerung inBezug auf den ungenügenden Schutz nichtmenschlicherPrimaten diskutiert. Die gemachten Forderungen verpas-sen es jedoch, den herausragenden Fähigkeiten und In-teressen von Primaten genügend Rechnung zu tragen, dakeiner der Vorstösse auf die Gewährleistung eines Grund-rechts auf Leben oder eines Grundrechts auf körperlicheund geistige Unversehrtheit abzielt. Diese Grundrechtesind gerade für nichtmenschliche Primaten unabdingbar,wie wir im Kapitel „Grundrechte für Primaten“ darlegen.

Internationale Forderungen nach Grundrechten

Auch auf internationaler Ebene sind die besonderen Ei-genscha�en und Fähigkeiten von Primaten Anlass fürrechtlich-politische Forderungen geworden.

Im April 2015 erkannte eine Richterin am New York Su-preme Court implizit an, dass Schimpansen als Rechts-personen gelten und Grundrechte auf Unversehrtheitund Bewegungsfreiheit besitzen können. Das NonhumanRights Project (NhRP) hatte das Gericht mit einer ha-beas corpus-Klage aufgefordert, die Rechtmässigkeit derGefangenscha� zu prüfen, in der sich die Schimpansenbefanden.[57] In Deutschland reichte am 23. April 2014

dieGiordano-Bruno-Sti�ungdie Petition „Grundrechte fürMenschena�en“ beim Deutschen Bundestag ein. Die Pe-tition fordert die Ergänzung des Art. 20a des deutschenGrundgesetzes mit dem folgenden Absatz: „Das Recht derGrossen Menschena�en auf persönliche Freiheit, auf Le-ben und körperliche Unversehrtheit wird geschützt“. 2008hiessdieUmweltkommissiondes spanischenParlamenteseine Vorlage gut, die es sich – ähnlich wie die Petition imDeutschenBundestag– zumZiel gesetzt hat, die Forderun-gen des Great Ape Projects (GAP) umzusetzen. Das GAP isteine durch die Philosophen Paola Cavalieri und Peter Sin-ger ins Leben gerufene Bewegung, die in vielen LändernFuss gefasst hat und auf politischemWeg versucht, Grund-rechte für Menschena�en einzufordern.[58] Das GAP setztsich insbesondere dafür ein, dass das Grundrecht auf Le-ben, das Grundrecht auf körperliche und geistige Unver-sehrtheit sowie das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit fürMenschena�en rechtlich verankert wird.[59]

Nebst diesen nationalen Fortschritten wird auch aufzwischenstaatlicher Ebene die Forderung nach Grund-rechten für nichtmenschliche Tiere immer lauter. So for-dern zum Beispiel die Universal Charter of the Rights ofOther Species sowie die Declaration of Animal Rights, dassnichtmenschlichen Tieren ein Recht auf Leben, ein Rechtauf körperliche und geistige Unversehrtheit, ein Recht aufBewegungsfreiheit sowie weitere Grundrechte zuerkanntwerden.[60]

Dieser Blick über die Grenzenmacht deutlich, dass un-sere Forderung nach einemGrundrecht auf Leben und aufkörperliche und geistige Unversehrtheit für nichtmensch-lichen Primaten Teil einer globalen Bewegung ist, die be-reits bedeutende Erfolge verzeichnen konnte. Auch dieSchweiz sollte die geltende Rechtslage für nichtmensch-liche Primaten anpassen und diesen Grundrechte einräu-men.

Grundrechte für Primaten

Warum Grundrechte?

Der obige Überblick verdeutlicht, dass das heutige Tier-schutzrecht und dessen Anwendung für den Schutz derfundamentalen Interessen auf Leben und Unversehrtheitvon nichtmenschlichen Primaten ungenügend sind, danach geltendem Recht der Kern der Interessen nicht-menschlicher Primaten auf Leben und Unversehrtheitnicht geschützt ist und diese Interessen in der Praxis zu-dem selbst trivialenmenschlichen Interessen untergeord-net werden. Wie auch die EKAH und die EKTV feststellen,

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Grundrechte für Primaten

bedürfen die Interessen nichtmenschlicher Primaten des-halb eines speziellen rechtlichen Schutzes. Dieser speziel-le rechtliche Schutz kann durch Grundrechte gewährleis-tet werden. Denn Grundrechte bringen im Vergleich zumbestehenden Tierschutzgesetz mehrere zentrale Vorteilemit sich:

Grundrechte weisen nebst einem einschränkbarenSchutzbereich einen Kerngehalt auf, der unter keinen Um-ständeneingeschränktwerdendarf.Währendalsodernor-male Schutzbereich bei Konfliktenmit anderen Interesseneiner Abwägung zugänglich ist (siehe dazu das Unterka-pitel “Grundrechtseinschränkungen”), dürfen die sich imKerngehalt befindlichen Interessen nie abgewogen wer-den. Dieser Kerngehalt von Grundrechten garantiert, dassdie zentralsten Aspekte eines durch ein Grundrecht ge-schützten Interesses nicht entgegenstehenden Interessen– und seien diese noch so gross – geopfert werden darf.

ImVergleich zublossen Verboten,wie etwademVerbottierquälerischer Handlungen, haben Grundrechte ausser-dem den Vorteil, dass sie genereller gefasst sind und so-mit Raum für eine dynamische Weiterentwicklung bieten,die wiederum einen verbesserten Schutz ermöglicht. Soist zum Beispiel das für Menschen garantierte Grundrechtauf Leben in Art. 10 Abs. 1 BV nicht gleichzusetzenmit demstrafrechtlichen Verbot, Menschen zu töten. Denn andersals aus diesem Verbot ergibt sich aus dem Grundrecht aufLeben eine positive Schutzpflicht des Staates in Fällen, indenen eine Tötung, ein Verschwindenlassen oder sonst ei-ne Lebensgefährdung droht.[61] Grundrechte sind mit an-deren Worten nicht auf ein negatives Verbot beschränkt,sondern geben zusätzlich eine positive Stossrichtung vor,nach welcher bestimmte Interessen (wie Leben und Un-versehrtheit) zu schützen sind.

Ferner besitzen Grundrechte eine sozialgestaltendeFunktion, welche durch Verbote nicht gedeckt wird.Auch Sachen werden durch Verbote „geschützt“, aberüber Grundrechte verfügen nur Individuen, die beson-ders schützenswerte Eigenscha�enund Interessen haben.Wer in den Kreis der Grundrechtsträger aufgenommenwird, geniesst einen höheren Status als Sachen oder We-sen, die nicht über diesen Status verfügen. Dem Konzeptdes Grundrechtsträgers kommt somit eine gesellscha�-liche Signalwirkung zu: Durch die Anerkennung nicht-menschlicher Primaten als Grundrechtsträger wird gegen-über anderen Gesellscha�smitgliedern ausgedrückt, dassdie grundrechtlich geschützten Interessen nichtmenschli-cher Primaten gleichwertig mit vergleichbaren Interessenanderer Grundrechtsträger sind. Das heisst, dass die In-teressen aller Individuen, die Grundrechte auf Leben oder

auf Unversehrtheit besitzen, in Bezug auf diese Interes-sen gleichwertig zu schützen sind.[62] Unter Grundrechts-trägern wird also mit gleich langen Ellen gemessen oder,anders ausgedrückt, Grundrechtsträger befinden sich aufgleicher Augenhöhe, wenn es um ihre durch Grundrech-te geschützten Interessen geht. Dadurch wird garantiert,dass fundamentale Interessen nichtmenschlicher Prima-ten ernstgenommen und nicht trivialen menschlichenInteressen untergeordnet werden. Diese Funktion vonGrundrechten erklärt auch, weshalb das Erlangen vonGrundrechten historisch gesehen von zentraler Bedeu-tung war für Gruppen, die vorher rechtlich nicht ernst-genommen wurden. Der Kampf um Grundrechte war fürSklaven, Schwarze, Frauen, Behinderte und andere Grup-pen nicht nur deshalb wichtig, weil dies mehr Verbote fürandere mit sich brachte, sondern weil sie damit in denKreis der Grundrechtsträger aufgenommen wurden.

Da Grundrechte einen derart starken rechtlichen undsozialen Schutz mit sich bringen, werden sie häufig auchals „Trümpfe“[63] bezeichnet. Sie schützen die Interessenihrer Träger besonders gut und garantieren diese im Kern-gehalt gar absolut. Für einen e�izienten Schutz der Inter-essen nichtmenschlicher Primaten auf Leben und Unver-sehrtheit bedürfen diese deshalb eines Grundrechts aufLeben und eines Grundrechts auf Unversehrtheit.

Können nur Menschen Grundrechte haben?

Gibt es einen Grund, warum nur Menschen Grundrech-te besitzen sollten? Wie oben aufgezeigt wurde, stellt dieSpeziesHomosapienskeineeigeneOrdnung innerhalbderSäugetiere dar. Vielmehr ist der Mensch eine von über 300Primatenarten. Bedeutet dies, dass es keinen Unterschiedzwischenmenschlichen und nichtmenschlichen Primatengibt? Diese Frage der „anthropologischen Di�erenz“ wirdseit geraumer Zeit he�ig diskutiert.

Argumente, welche regelmässig zur Begründung einersolchen Di�erenz ins Feld geführt werden, sind Rationa-lität, Konzeptdenken und Abstraktionsfähigkeit, Sprache,Bewusstsein und Empfindungsfähigkeit, Selbstbewusst-sein, das Besitzen der Fähigkeit, sich in die Bewusstseins-zustände anderer hineinzuversetzen, das Besitzen einerSeele, Humorfähigkeit, Antizipieren von zukün�igen Er-eignissen oder Zuständen, ein Sinn für Ästhetik, Werk-zeuggebrauch, Werkzeugherstellung, Technologie, freierWille, die Fähigkeit, Regeln zu befolgen, Personsein oderKultur.[64] Keine dieser Eigenscha�en und Fähigkeitenstellt jedoch ein Unterscheidungsmerkmal dar, das allenund ausschliesslich Menschen zukommt und allen nicht-menschlichenPrimaten fehlt.[65] Anspruchsvollere Eigen-

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Grundrechte für Primaten

scha�en und Fähigkeiten, wie ein Sinn für Ästhetik odereine komplexe Sprache, mögen zwar – eng gefasst – nurMenschenbesitzen. Jedochhandelt es sichdabei nicht umEigenscha�en und Fähigkeiten, die alle Menschen gleich-sam besitzen. Kleinkindern, Menschenmit schweren geis-tigenBehinderungenoderMenschenmit fortgeschrittenerDemenz mangelt es an diesen Eigenscha�en und Fähig-keiten. Weniger anspruchsvolle Merkmale, wie Werkzeug-gebrauch oder Bewusstsein, über die wohl alle Menschenverfügen, liegenhingegenauchbeinichtmenschlichenPri-maten und anderen Tieren vor.

Abgesehen von der Zugehörigkeit zur Spezies Homosapiens, die allen Menschen gemein ist, lässt sich des-halb keine Eigenscha� oder Fähigkeit finden, die eineanthropologische Di�erenz zwischen menschlichen undnichtmenschlichen Primaten begründen könnte. Ein Ab-stützen auf die Spezieszugehörigkeit zur Verleihung vonGrundrechten verletzt jedoch das moralische Prinzip derSpeziesneutralität, wonach gleichrangige Interessen un-abhängig von der Spezieszugehörigkeit gleich berücksich-tigt werden müssen. Rechte sollten grundsätzlich ebensowenig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Speziesabhängig gemacht werden wie von der Zugehörigkeit zueinem bestimmten Geschlecht, einer bestimmten Ethnieoder Altersgruppe.

Die Debatte um die anthropologische Di�erenz schei-tert ausserdem nicht nur daran, dass es keinen moralischrelevanten Unterschied zwischen allen menschlichen undallen nichtmenschlichen Primaten gibt. Selbst wenn es soeine Di�erenz gäbe, gri�e die Diskussion ins Leere: EineEigenscha�, die nur und alle Menschen besitzen, würdehöchstens ein Grundrecht begründen, welches die betref-fende Eigenscha� schützt. Fundamentale Eigenscha�enund Interessen, wie jene nach Leben und Unversehrtheit,besitzen jedoch auch nichtmenschliche Primaten.

Gründe

Was sind Gründe dafür, dass ein Individuum Grundrech-te haben sollte? Grundrechte dienen, wie bereits ange-deutet, dem Schutz bestimmter Fähigkeiten und Interes-sen, über die ein Individuum verfügt. Im Folgenden sollausgeführtwerden,welche Fähigkeitenund Interessenbeinichtmenschlichen und menschlichen Primaten relevantfür die Begründung ihrer Grundrechte auf Unversehrtheitund auf Leben sind.

Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit

Das Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrt-heit, wie es für Menschen in Art. 10 Abs. 2 BV veran-kert ist, dient in erster Linie dazu, seine Trägerinnen vorübermässigen physischen und psychischen Schmerzenzu schützen.[66] Als körperlicher Schmerz wird ein „un-angenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktu-eller oder potentieller Gewebeschädigung verknüp� istoder mit Begri�en einer solchen Schädigung beschriebenwird"[67] verstanden. Als Kriterien zur Bestimmung vonSchmerz können etwa herangezogen werden: das Besit-zen eines zentralen Nervensystems, Vermeidungslernen,schützende motorische Reaktionen, wie reduzierte Ver-wendung der betro�enen Körperteile, physiologische Ver-änderung, Kompromisse zwischen Stimulusvermeidungund anderen Motivationsfaktoren, Opioidrezeptoren undHinweise auf reduzierte Schmerzempfindung bei Behand-lung mit lokaler Anästhesie oder einem Analgetikum so-wie hohe kognitive Fähigkeiten und Bewusstsein.[68] Wiemenschliche Primaten verfügen auch nichtmenschlichePrimaten über ein zentrales Nervensystem, eignen sichVermeidungsverhalten an, weisen schützendemotorischeReaktionen auf, unterliegen physiologischen Veränderun-gen, gehen Kompromisse zwischen Stimulusvermeidungund anderen Motivationsfaktoren wie etwa Nahrungsbe-scha�ung ein, verfügen über Opioidrezeptoren, zeigen re-duzierte Schmerzempfindlichkeit bei lokaler Anästhesieoder Analgesie und verfügen über hohe kognitive Fähig-keiten und Bewusstsein. Genau wie menschliche Prima-ten erfüllen also auch nichtmenschliche Primaten alle Kri-terien für körperliche Schmerzempfindungsfähigkeit.[69]Daraus folgt, dass auch nichtmenschliche Primaten ein In-teresse daran haben, körperlich unversehrt zu bleiben.

Die geistige Unversehrtheit betri� den Schutz vorpsychischem Leiden, das eine gewisse minimale Inten-sität erreicht.[70] Nicht nur menschliche Primaten, son-dern auch nichtmenschliche Primaten können in ihrergeistigen Unversehrtheit verletzt werden. So bestimmtauch das Tierschutzgesetz in Art. 3 Bst. b Zi�. 4, dassdasWohlergehen von nichtmenschlichen Tieren nur danngewährleistet ist, wenn „Schäden und Angst vermiedenwerden“. Aus evolutionsbiologischer Sicht gibt es kei-ne Hinweise dafür, dass sich nichtmenschliche Prima-ten in diesem Punkt grundsätzlich von menschlichen Pri-maten unterscheiden. Nichtmenschliche Primaten verfü-gen, wie oben ausgeführt, über eine hohe Intelligenz, diesie für psychische Traumata besonders anfällig macht.Forschung an nichtmenschlichen Primaten hat ergeben,

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Grundrechte für Primaten

dass nichtmenschliche Primaten durch negative Ereignis-se wie soziale Trennungen, sozialen Entzug, mütterlicheVernachlässigung oder Missbrauch schwere Verhaltens-störungen wie Depressionen und andere geistige Störun-gendavontragen.[71]DanichtmenschlichePrimatenuntersolchen geistigen Störungen leiden können, haben sie einInteresse daran, geistig unversehrt zu bleiben.

Grundrecht auf Leben

Der Tod eines Individuums ist häufig mit Schmerzen ver-bunden. Da nichtmenschliche Primaten schmerzempfin-dungsfähige Individuen sind, haben sie ein starkes Inter-esse daran, nicht zu sterben. Selbst wenn ihr Tod jedochschmerzfrei herbeigeführt werden könnte, bedeutet diesindessen nicht, dass nichtmenschliche Primaten kein In-teresse daran hätten, weiterzuleben. So verfügen nicht-menschliche Primaten über die Fähigkeit, in die Vergan-genheit zu blicken und zukün�ige Ereignisse zu antizipie-ren. Sie lebenmit anderenWorten nicht in der blossen Ge-genwart, sondern führen ein transtemporales Leben. Aucheine schmerzlose Herbeiführung ihres Todes unterbrichtdieses Leben und verletzt deshalb ihre Interessen. Ausser-demdienenFähigkeitenwie jeneder Schmerzempfindungdazu, gefährliches Verhalten zu vermeiden und dadurchdas eigene Überleben, zumindest vorübergehend, zu si-chern. Die Behauptung, ein schmerzempfindungsfähigesIndividuum habe kein Interesse daran zu leben, kommtdeshalb der Behauptung gleich, ein Individuum mit Au-gen habe kein Interesse daran zu sehen. Selbst durch ei-ne schmerzfreie Tötung werden nichtmenschliche Prima-ten daran gehindert, zukün�ige positive Erlebnisse zu ha-ben. Schliesslich ist das Leben besonders schützenswert,weil es die logische Voraussetzung für jegliche weitereGrundrechte,wie jenes aufUnversehrtheit, bildet. Ausdie-senGründenhabennichtmenschlichePrimatenein funda-mentales Interesse daran, zu leben.

Grundrechtseinschränkungen

Wie für die Grundrechte von Menschen gilt auch für dievorgeschlagenenGrundrechte vonnichtmenschlichenPri-maten, dass sie gewissen anerkannten Einschränkungenunterliegen. So ist eine Einschränkung von Grundrechtenmöglich, wenn sie den Kerngehalt nicht verletzt, eine ge-setzliche Grundlage besteht, sie durch ein ö�entliches In-teresseoderdenSchutz vonGrundrechtenDritter gerecht-fertigt und verhältnismässig ist.

Wie bei menschlichen Primaten würde auch bei nicht-menschlichen Primaten dasGrundrecht auf Leben ein Ver-

bot von willkürlicher Tötung bedeuten. Was als „willkür-lich“ betrachtet wird, sollte dabei am gleichen Massstabbemessen werden, der auch bei menschlichen Primatenzur Anwendung kommt. Eine Tötung für blosse Versuchs-zwecke oder aus Mangel an Gehegen wäre kein genügen-der Grund für eine Tötung und würde das Grundrecht aufLeben verletzen. Hingegen läge keine Verletzung diesesGrundrechts vor, wenn ein nichtmenschlicher Primat ge-tötet würde, um eine nicht anders abwendbare schwe-re Gefährdung anderer Güter (zum Beispiel das Leben ei-nes angegri�enen Kindes) zu verhindern. Eine solche Ein-schränkung des Grundrechts auf Leben ist also dann ge-rechtfertigt,wennsiedenvier obengenanntenKriterienei-ner rechtmässigen Einschränkung gerecht wird. Dasselbegilt für das Grundrecht auf körperliche und geistige Unver-sehrtheit. Auch für Menschen gewährleistet dieses Rechtkeinen absoluten Schutz vor körperlichen oder geistigenEinschränkungen.

Nichtsdestotrotz ist die Einsicht zentral, dass Grund-rechte trotz ihrer Einschränkbarkeit Trümpfe darstellen,die ihre Träger bei Interessenabwägungen auf gleiche Au-genhöhemit anderenGrundrechtsträgernbringen. Ihre In-teressenwerden dadurch wesentlich stärker geschützt alsdie Interessen von Individuen, die keine Grundrechte be-sitzen, und werden im Kerngehalt gar absolut garantiert.

Einwände und Antworten

Gegen die Forderung nach Grundrechten auf Leben undauf körperliche und geistige Unversehrtheit für nicht-menschliche Primaten könnte eine Reihe von Einwändenerhoben werden, welche nachfolgend analysiert und wi-derlegt werden.

Zoohaltung gerechtfertigt?

Einwand: Diese Forderung würde zur Abscha�ung desZoos in Basel führen!Widerlegung: Die Forderung nach Grundrechten auf Le-ben und körperliche und geistige Unversehrtheit für nicht-menschliche Primaten hat nicht zur Folge, dass imZooBa-sel keine nichtmenschlichenPrimatenmehr gehaltenwer-den dürfen. Der Zoo muss nach Annahme der Initiativeeinzig sicherstellen, dass die gefordertenGrundrechte vonnichtmenschlichen Primaten gewahrt werden. Das heisstkonkret inBezugaufdasGrundrecht auf Leben,dassnicht-menschlichePrimatennichtauswillkürlichenGründenge-tötet werden dürfen. Kann dies nicht garantiert werden,muss der Zoo geeignete Massnahmen tre�en, um diesesGrundrecht nicht zu verletzen. Ausserdem muss der Zoo

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Grundrechte für Primaten

das Grundrecht von nichtmenschlichen Primaten auf kör-perliche und psychische Unversehrtheit garantieren. Dieswäre in der Regel dann gesichert, wenn der Zoo nicht sel-ber in die körperliche und psychische Unversehrtheit derTiere eingrei� sowie positive Massnahmen tri�, um kör-perlichen und psychischen Schäden vorzubeugen.

Medizinische Forschung verunmöglicht?

Einwand: Diese Forderung verunmöglicht die biomedizini-sche Forschung!Widerlegung: Unsere Forderung richtet sich nicht gegendie biomedizinische Forschung. Es wird lediglich verlangt,dassbei der ForschungdieGrundrechte auf LebenundUn-versehrtheit von nichtmenschlichen Primaten nicht ver-letzt werden. So wäre zum Beispiel weiterhin Forschungan nichtmenschlichen Primaten denkbar, wenn sie denSchweregrad 0 – das heisst Versuche, die für die Tiere kei-ne Belastung darstellen und bei denen das Allgemeinbe-finden nicht erheblich beeinträchtigt wird – nicht über-schreitet.

„Menschenrechte“ für Primaten?

Einwand: Diese Forderung gibt PrimatenMenschenrechte!Widerlegung: Die Behauptung, der hier gemachte Vor-schlag verlange „Menschenrechte“ für nichtmenschlichePrimaten, ist falsch. Was gefordert wird, ist ein Grund-recht auf Leben für nichtmenschliche Primaten und einGrundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheitfür nichtmenschliche Primaten. Diese Grundrechte lehnensichbewusst andie entsprechendenGrundrechte fürMen-schen an, da die Gründe für beide Rechte dieselben sind.Jedoch können sie nicht mit Menschenrechten gleichge-setzt werden, da die Kategorie „Menschenrechte“ mehrals nur die von uns geforderten zwei Grundrechte bein-haltet. Insbesondere umfassen Menschenrechte auch dasRecht auf freie Meinungsäusserung oder die Religionsfrei-heit. DanichtmenschlichePrimatennicht die Fähigkeit da-zu haben, diese Grundrechte auszuüben, haben sie auchkein Interesse an diesen Rechten und somit keine Schutz-würdigkeit in Bezug auf diese Rechte. Unsere Forderungführt alsonichtdazu,dassnichtmenschlichenPrimatenal-le Grundrechte verliehen werden, die Menschen besitzen.

Impraktikabilität?

Einwand:MankannPrimatenkeineGrundrechtegeben,dadies nicht umsetzbar wäre!Widerlegung: Die Zahl der nichtmenschlichen Primaten imKanton Basel-Stadt (ungefähr 300 Individuen) ist über-

schaubar. (Zum Vergleich: Im Kanton Basel-Stadt lebtenimDezember 2015 knapp200’000menschlichePrimaten.)Dass nichtmenschliche Primaten ihre Grundrechte nichtselber ausüben können, bedeutet nicht, dass sie keineGrundrechte besitzen können. Im Kanton Basel-Stadt le-ben viele anderemenschliche Primaten, die entweder vor-übergehend (wie im Fall von Kleinkindern oder Komapa-tienten) oder permanent (wie im Fall von Personen mitschweren geistigen Behinderungen oder fortgeschrittenerDemenz) unfähig sind, ihre Grundrechte selber auszuü-ben. Damit auch die Grundrechte dieser Menschen wahr-genommen werden, kennt der Staat verschiedene Stel-len, wie etwa die Kindes- und Erwachsenenschutzbehör-de (KESB). Die Sicherstellung der Grundrechte von nicht-menschlichen Primaten könnte auf ähnliche Weise ge-währleistet werden. Denkbar wäre die Einsetzung einesspeziellen Beau�ragten bei der KESB oder die Einsetzungeiner Ombudsfrau oder eines eigenständigen Primaten-beistandes,welcher die Sicherstellungdes Lebens undderUnversehrtheit von nichtmenschlichen Primaten zu ge-währleisten hat.

Slippery Slope?

Einwand: Wenn wir anfangen, nichtmenschlichen Prima-ten Grundrechte zu geben, dann werden in nicht allzu fer-ner Zeit auch Hunde, Katzen, Kühe, Ratten, ja gar Insektenund Pflanzen Grundrechte haben!Widerlegung: Unserederzeitige Forderungbeschränkt sichauf nichtmenschliche Primaten, die, wie oben dargelegt,Eigenscha�en und Interessen besitzen, die es rechtferti-gen, dass wir ihnen diese zwei Grundrechte zugestehen.Dies schliesst nicht aus, dass auch andere Tiere, die diebetre�enden Eigenscha�en aufweisen, in den Genuss dergleichen (oder weiterer) Grundrechte kommen können.Nur ist diese Forderung bei nichtmenschlichen Primatenaufgrund der bisherigen überwältigenden Erkenntnissebesonders dringlich. Dies führt aber nicht zu einer „slip-pery slope“: Denn zuerst muss dargelegt werden, welcheanderen Individuen über die notwendigen Eigenscha�enund Interessen verfügen. Grundrechte unterliegen ausser-dem gewissen Einschränkungen. Selbst wenn also weite-re IndividuenGrundrechte erhielten, bedeutete dies nicht,dass diese keine notwendigen Abwägungen zuliessen.

Keine Rechte ohne Pflichten?

Einwand: Primaten können keine Rechte haben, da sie kei-ne Pflichten erfüllen können!Widerlegung: Träger von Grundrechten müssen nicht sel-ber dazu in der Lage sein, Pflichtenwahrzunehmen. Klein-

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Grundrechte für Primaten

kinder, Personen mit geistigen Behinderungen oder mitfortgeschrittener Demenz sind nicht dazu in der Lage,Pflichten wahrzunehmen und werden trotzdem durchGrundrechte geschützt. Bei nichtmenschlichen Primatenwäre dies nicht anders.

Unterminierung von Menschenrechten?

Einwand: Wenn wir Primaten Grundrechte geben, dannunterhöhlen wir Menschenrechte!Widerlegung: Ganz im Gegenteil: Unser Vorschlag stärktdie Menschenrechte. Heutige Menschenrechtskonzeptio-nen sind theoretisch schlecht untermauert, da sie Rech-te entweder auf die Zugehörigkeit zur menschlichen Spe-zies stützen (ein zirkuläres Argument) oder sie auf ver-meintlich spezifisch menschliche Eigenscha�en wie Au-tonomie und Rationalität zurückführen. Letzterer Argu-mentationsstrang stellt die Grundrechte von Menschenmit geistigen Behinderungen, Kleinkindern oder vonMen-schen mit fortgeschrittener Demenz auf ein sehr wacke-liges Fundament, da diese Menschen eben gerade nichtautonom und rational sind. Durch Hilfskonstrukte (wie je-nes, dass sie zu einer Spezies gehören, deren normaleMit-glieder autonom und rational sind) wird häufig versucht,die Rechte aufzufangen. Diese Hilfskonstrukte sind jedochaus theoretischer Sicht nicht überzeugend:Wenn zumBei-spiel für die Rechte eines Kleinkindes massgebend wäre,was ein “normaler” Mensch (fallsman sich überhaupt dar-auf einigenkönnte,was ”normal” ist) kann, dannwürde je-des Kleinkind das Wahlrecht erhalten, einen Führerscheinlösen und strafrechtlich wie ein Erwachsener zur Verant-wortung gezogen werden können. Da solche Konstruk-te nicht plausibel sind, vermögen bestehende Menschen-rechtskonzeptionen gerade die Grundrechte von denjeni-gen Menschen kaum zu begründen, die diese Rechte amallernötigstenhaben. ImGegensatzdazu scha�unserVor-schlag ein sicheres Fundament für die Grundrechte vonMenschen, die von den herkömmlichen Menschenrechts-ansätzen andenRandgedrängtwerden: AuchKleinkinder,schwerstbehinderte und demente Personen sind leidens-fähig und haben ein Interesse daran, weiterzuleben. Ge-nau deshalb müssen wir ihre Grundrechte auf Leben undauf Unversehrtheit (sowie alle weiteren auf sie anwendba-ren Rechte) schützen

Anthropozentrismus?

Einwand: Die Forderung nach Grundrechten für nicht-menschliche Primaten ist anthropozentrisch: sie gibt nurjenen Tieren Rechte, die dem Menschen am meisten äh-neln!

Widerlegung: Unsere Forderung knüp� aus reinen Prakti-kabilitätsgründen an eine bestimmte Ordnung (Primates)an. Die Beschränkung auf nichtmenschliche Primaten ge-schieht jedoch nicht aus moralischen Gründen. Auch an-dere Tiere bedürfen Grundrechte, wenn sie die betre�en-den Eigenscha�en und Interessen haben, welche für die-seGrundrechtenotwendig sind.Historischgesehen istdie-se Vorgehensweise keine Ausnahme. In der Geschichte derGrundrechtewurde der Kreis der Rechtsträger stets gradu-ell ausgedehnt.

Politische Forderung und Begründung

Kantonale Initiative zur Einführung von Grundrechtenfür Primaten auf Verfassungsstufe

Zur rechtlichen Umsetzung der Grundrechte auf Lebenund auf Unversehrtheit für nichtmenschliche Primatenwird die Initiative „Grundrechte auf Leben und Unver-sehrtheit für alle Primaten“ lanciert. Ziel der Initiative istes, eine partielle Änderung der basel-städtischen Verfas-sungherbeizuführen. Der Initiativtext unddieBegründungzur Initiative lauten wie folgt:

Initiativtext

Der bisherige § 11 der Verfassung des Kantons Basel-Stadtlautet folgendermassen:1Die Grundrechte sind im Rahmen der Bundesverfassungund der für die Schweiz verbindlichen internationalen Ab-kommen gewährleistet, namentlich:

a. das Recht auf Lebenb. das Recht auf körperliche und geistige Unversehrt-heit;

c. das Verbot der Folter und unmenschlicher oder er-niedrigender Strafe oder Behandlung;

d. dasVerbotderZwangsarbeit unddesMenschenhan-dels;

e. das Recht auf Freiheit und Sicherheit;f. das Recht vonKindern und Jugendlichen auf beson-deren Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förde-rung ihrer Entwicklung;

g. der Schutz des Privat- und Familienlebens, derWoh-nung und der Kommunikation;

h. das Recht auf Ehe und Familie;i. dasRecht auf ehe-und familienähnlicheFormendesgemeinscha�lichen Zusammenlebens;

j. der Schutz personenbezogener Daten sowie desRechts auf Einsichtnahme und auf Berichtigungfalscher Daten;

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Grundrechte für Primaten

k. die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit;l. die Informations-, Meinungs- und Medienfreiheit;m. die Versammlungs-, Vereinigungs- und Kundge-

bungsfreiheit;n. das Recht auf Bildung;o. das Recht, nichtstaatliche Schulen zu errichten, zuführen und zu besuchen;

p. die Freiheit der Kunst;q. die Freiheit der Wissenscha�;r. der Schutz des Eigentums;s. das Recht auf freie Wahl und Ausübung eines Beru-fes und auf freie wirtscha�liche Betätigung;

t. das Recht auf Hilfe in Notlagen;u. die Niederlassungsfreiheit;v. das Recht auf freie Wahlen und Abstimmungen.

2 Diese Verfassung gewährleistet überdies:

a. das Recht, dass Eltern innert angemessener Fristzu finanziell tragbaren Bedingungen eine staatlicheoder private familienergänzende Tagesbetreuungs-möglichkeit für ihre Kinder angeboten wird, die denBedürfnissen der Kinder entsprich

b. das Petitionsrecht unter Einschluss eines Anspruchsauf Beantwortung innerhalb einer angemessenenFrist.

Unsere Initiative verlangt, dass § 11 bei Absatz 2mit einemBuchstaben c ergänzt wird, der wie folgt lautet:

c. dasRecht vonnichtmenschlichenPrimaten auf Le-ben und auf körperliche und geistige Unversehrt-heit.

Grundrechtskompetenz

Im Bereich der Grundrechte kommt den Kantonen dieKompetenz zu, in ihrenKantonsverfassungenGrundrechteund weitere verfassungsmässige Rechte zu schützen, dieüber die in der Bundesverfassung gewährleisteten Grund-rechte hinausgehen oder von dieser nicht erfasst wer-den. Mit anderen Worten haben Kantone die Kompetenz,neue, nicht in der Bundesverfassung vorgesehene Grund-rechte zu erlassen sowie den Schutzbereich bestehen-der Grundrechte zu erweitern.[72] Auch der Kanton Basel-Stadt kennt in § 11 Abs. 2 seiner Kantonsverfassung beson-dere kantonale Grundrechte, die über den bestehendenSchutz der Bundesverfassunghinausgehen (§ 11 Abs. 2 Bst.b imHinblick auf das Petitionsrecht in Art. 33 BV) bzw. vondieser gar nicht erfasst werden (§ 11 Abs. 2 Bst. a im Hin-blick auf das Recht auf Ehe und Familie in Art. 14 BV).

Unsere Initiative „Grundrechte auf Leben und Unver-sehrtheit für alle Primaten“ stützt sich auf diese kantona-le Grundrechtskompetenz. Unsere Forderung nach einemGrundrecht auf Leben und einemGrundrecht auf körperli-che und geistige Unversehrtheit kann dabei als Vorschlagfür ein neues oder weitergehendes kantonales Grund-recht verstanden werden. Die von uns geforderten Grund-rechte auf Leben und Unversehrtheit für nichtmenschli-chePrimaten stellen insofernneuekantonaleGrundrechtedar, als dass die Bundesverfassung bislang keine Grund-rechte für nichtmenschliche Primaten garantiert. Unse-re Initiative kann jedoch auch als Vorschlag für weiter-gehende kantonale Grundrechte verstanden werden, dadie Bundesverfassung bereits jetzt die Grundrechte aufLeben und auf Unversehrtheit garantiert, allerdings nurfürmenschliche Primaten. Unsere Forderung nach Grund-rechten für nichtmenschliche Primaten weitet auf kanto-naler Ebene denpersönlichen Schutzbereich dieser beste-henden Grundrechte auf nichtmenschliche Primaten aus.

Da der vorliegende Vorschlag die Einführung vonGrundrechten für nichtmenschliche Primaten betri� undkeine Änderung des bestehenden Tierschutzrechtes ver-langt, steht unser Vorschlag auch nicht im Konflikt mitder in Art. 80 BV geregelten Kompetenz des Bundes imTierschutzbereich. Wie in diesem Positionspapier darge-legt wird, unterscheiden sich Grundrechte prinzipiell vonanderen Tierschutzbestimmungen, weshalb der KantonBasel-Stadt zum Erlass des von uns vorgeschlagenen § 11Abs. 2 Bst. c KV Basel-Stadt, der Grundrechte und nichtTierschutz betri�, befugt ist.

Begründung

• Gleiche Interessen sollten gleichermassen berück-sichtigt und geschützt werden, unabhängig von derArtzugehörigkeit eines Individuums.

• Wir Menschen gehören der Ordnung der Primatenan und sind nahe verwandt mit über dreihundertweiteren Primatenspezies (sog. nichtmenschlichenPrimaten). Nichtmenschliche Primaten sind hochin-telligent, können mit Menschen in Zeichensprachekommunizieren, sind leidensfähig, empfinden Em-pathie für andere und können sich sowohl an ver-gangene Ereignisse erinnern als auch in die Zukun�blicken.

• Die heutige Tierschutzgesetzgebung und -praxisin der Schweiz tragen den Interessen von (nicht-menschlichen) Primaten, nicht zu leiden und nichtgetötet zu werden, kaum Rechnung: Diese funda-

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Grundrechte für Primaten

mentalen Interessen der Primaten sind im Kernge-halt nicht geschützt und müssen häufig selbst un-wichtigen menschlichen Interessen weichen.

• Das Leben und die körperliche und geistige Unver-sehrtheit von Primaten können nur mittels Grund-rechten e�izient gesichert werden.

• ImKantonBasel-Stadtwerdenderzeitmehrere hun-dert Primaten gehalten, die des Schutzes durchGrundrechte bedürfen.

• Die Grundrechte auf Leben und Unversehrtheit stel-len die biomedizinische Forschung als solche kei-neswegs in Frage, und soferndie gefordertenGrund-rechte nicht verletzt werden, dürfen Primaten auchweiterhin in der Forschung eingesetzt werden. Aucheine grundrechtskonforme Zoohaltung von Prima-ten wäre möglich.

• Die Kantone können zusätzliche Grundrechte schaf-fen, dieweiter gehen als die Grundrechte in der Bun-desverfassung. Unsere Initiative ist somit auch bun-desrechtskonform. Sie betri� nicht den Bereich desTierschutzes im engen Sinn des Bundesrechts, son-dern den Bereich der Grundrechte.

Zusammenfassung

Nichtmenschliche Primaten sind hochintelligente und so-ziale Wesen, die leidensfähig sind und über die Fähig-keit verfügen, sich an vergangene Ereignisse zu erinnernund für zukün�ige Ereignisse zu planen. Sie haben einfundamentales Interesse daran, zu leben und körperlichund geistig unversehrt zu bleiben. Die bestehenden recht-lichen Bestimmungen in der Schweiz tragen diesen In-

teressen aber kaum Rechnung, da das Tierschutzgesetzselbst Eingri�e indieKernbereichedesLebensundderUn-versehrtheit zulässt und in der Praxis diese grundlegen-den Interessen der Primaten selbst trivialenmenschlichenInteressen untergeordnet werden. Damit ihre Interessenernstgenommen werden, bedürfen nichtmenschliche Pri-maten deshalb eines rechtlichen Schutzes, der über dasTierschutzgesetz hinausgeht. Einen solchen Schutz bie-ten Grundrechte. Grundrechte bewirken, dass die Interes-sen ihrer Träger als gleichwertig anerkannt unddamit bes-ser geschützt werden als die Interessen von Individuen,dieüberkeineGrundrechteverfügen.Grundrechtewerdendeshalb häufig als Trümpfe bezeichnet. Durch Grundrech-te wird überdies auch der Kern der geschützten Interes-senabsolut garantiert.MöglicheEinwändeundBedenken,die gegen diese Forderung nach Grundrechten auf Lebenund Unversehrtheit für nichtmenschliche Primaten erho-ben werden können, erweisen sich als unbegründet. Umdiese Erkenntnisse in praktische Form zu giessen, präsen-tieren wir einen konkreten Vorschlag für die kantonale In-itiative „Grundrechte auf Leben und Unversehrtheit für al-lePrimaten“ imKantonBasel-Stadt, inderwir dieVeranke-rung vonGrundrechten auf Leben und auf körperliche undgeistige Unversehrtheit für nichtmenschliche Primaten in§ 11 Abs. 2 der VerfassungdesKantonsBasel-Stadt fordern.

Danksagung

Unterstützer/innen

Professor Oliver Bendel (Fachhochschule Nordwest-schweiz)Professor Markus Wild (Universität Basel)

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Literatur

[1] Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, Erster Band, Stuttgart: E.Schweizerbart’sche Verlagshandlung, 1871, S. 171. Darwin zitiert seinerseits St. GeorgeMivart, Philos. Transact., 1867,S. 410.

[2] Encyclopaedia Britannica Online, Primate, 2016, abrufbar unter: http://www.britannica.com/animal/primate-mammal (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

[3] Siehe das Sklavereiabkommen vom25. September 1926 sowie das Zusatzübereinkommen über die Abscha�ung derSklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7. September 1956.

[4] Siehe z.B. das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979.

[5] Siehe das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 und das Übereinkommen über dieRechte von Menschenmit Behinderungen vom 13. Dezember 2006.

[6] Siehe etwa das Sexual Orientation Factsheet des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Factsheet SexualOrientation Issues, Februar 2016, abrufbar unter:http://www.echr.coe.int/Documents/FS_Sexual_orientation_ENG.pdf (zuletzt besucht am 8. März 2016).

[7] Friderun Ankel-Simons, Primate Anatomy: An Introduction, 2. Aufl., San Diego: Academic Press, 2000, S. 1.

[8] Giordano Bruno Sti�ung, Brother Chimp Sister Bonobo: Rights for Great Apes! 2011, abrufbar unter:http://www.giordano-bruno-sti�ung.de/sites/gbs/files/download/greatapes2.pdf (zuletzt besucht am 26. Fe-bruar 2016) S. 5.; Colin P. Groves, Primates, in: Don E. Wilson/DeeAnn M. Reeder (Hrsg.), Mammal Species of theWorld: A Taxonomic and Geographic Reference, 3. Aufl., Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2005, S. 181 �.

[9] Encyclopaedia Britannica Online, Primate: Distribution and Abundance, 2016, abrufbar unter:http://www.britannica.com/animal/primate-mammal/Distribution-and-abundance (zuletzt besucht am26. Februar2016).

[10] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Tierversuchsstatistik, 2014, abrufbar unter:http://www.tv-statistik.ch/de/erweiterte-statistik/index.php (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

[11] Eigene Recherchen.

[12] Robert M. Seyfarth/Dorothy L. Cheney, Knowledge of Social Relations, in: John C. Mitani/Josep Call/Peter M. Kappe-ler/Ryne A. Palombit/Joan B. Silk (Hrsg.), The Evolution of Primate Societies, Chicago: University of Chicago Press,2012, S. 637.

[13] ibid., S. 637 f.

[14] John P. Ra�erty, Primates, New York: Encycloaedia Britannica Publishing, 2011, S. xii.

[15] Frans de Waal, The Evolution of Empathy, in: Greater Good, 1 September 2005, abrufbar unter:http://greatergood.berkeley.edu/article/item/the_evolution_of_empathy (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

[16] JulesH.Masserman/StanleyWechkin/WilliamTerris, „Altruistic“ behavior in rhesusmonkeys, in: The American Jour-nal of Psychiatry, 1964, Bd. 121, S. 584.

[17] Andrew Knight, The beginning of the end for chimpanzee experiments? in: Philosophy, Ethics, and Humanities inMedicine, Bd. 3, 2008.

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Grundrechte für Primaten

[18] Andrew Whiten, Social Learning, Traditions, and Culture, in: John C. Mitani/Josep Call/Peter M. Kappeler/Ryne A.Palombit/Joan B. Silk (Hrsg.), The Evolution of Primate Societies, Chicago: University of Chicago Press, 2012, S. 695.

[19] ibid.

[20] ibid.

[21] AndrewWhiten, Primate Culture and Social Learning, in: Cognitive Science, Bd. 24, 2000, S. 487.

[22] Klaus Zuberbühler, Communication Strategies, in: John C. Mitani/Josep Call/Peter M. Kappeler/Ryne A. Palom-bit/Joan B. Silk (Hrsg.), The Evolution of Primate Societies, Chicago: University of Chicago Press, 2012, S. 658.

[23] ibid., 648.

[24] Roger S. Fouts/Deborah H. Fouts/Thomas E. van Cantfort, The Infant Loulis Learns Signs from Cross-Fostered Chim-panzees, in: R. Allen Gardner/Beatrix T. Gardner/Thomas E. van Cantfort (Hrsg.), Teaching sign language to chimpan-zees, Albany: State University of New York Press, 1989.

[25] Josep Call/Laurie R. Santos, Understanding Other Minds, in: John C. Mitani/Josep Call/Peter M. Kappeler/Ryne A.Palombit/Joan B. Silk (Hrsg.), The Evolution of Primate Societies, Chicago: University of Chicago Press, 2012, S. 675,677.

[26] William A. Roberts, Mental Time Travel: Animals Anticipate the Future, in: Current Biology, Bd. 17, 2007, S. 418; Tho-mas R. Zentall, Mental time travel in animals: A challenging question, in: Behavioural Processes, Bd. 72, 2006, S. 173;Nicola S. Clayton/Timothy J. Bussey/Anthony Dickinson, Can animals recall the past and plan for the future?, in: Na-ture Reviews Neuroscience, Bd. 4, 2003, S. 685.Selbst skeptische Autoren, wie etwa Thomas Suddendorf undMichael C. Corballis, betonen, dass es “natürlich keineÜberraschung [wäre] herauszufinden, dass unsere engsten noch lebenden Verwandtenwenigstens einen Teil der Fä-higkeiten besitzen, diewir Menschenmit so grosserWirkung ausüben. Die begrenzten Ergebnisse aus der Forschungan nichtmenschlichen Spezies deuten auf ein Kontinuum hin, im Sinne Darwins, gemäss welchem ‘der geistige Un-terschied zwischenMenschen undden höheren Tieren, so gross er auch seinmag, nur ein gradueller und kein grund-sätzlicherUnterschied ist’” (unsereÜbersetzung) ThomasSuddendorf/Michael C. Corballis, Behavioural evidence formental time travel in nonhuman animals, in: Behavioural Brain Research, Bd. 215, 2010, S. 295.

[27] Mathias Osvath/Elin Karvonen, Spontaneous Innovation for Future Deception in a Male Chimpanzee, in: PLoS ONE,Bd. 7, 2012, S. 1; Michael Balter, Stone-Throwing Chimp is Back – And This Time It’s Personal, in: Science, 9. Mai 2012,abrufbar unter: http://www.sciencemag.org/news/2012/05/stone-throwing-chimp-back-and-time-its-personal (zu-letzt besucht am 26. Februar 2016).

[28] Abigail Z. Rajala/Katharine R. Reininger/Kimberly M. Lancaster/Luis C. Populi, Rhesusmonkeys (Macacamulatta) dorecognize themselves in themirror: Implications for the evolution of self-recognition, in: PLoS ONE, Bd. 5, 2010, S. 1;MoniqueW.deVeer/GordonG.Gallup Jr./LauraA. Theall/RuudvandenBos/Daniel J. Povinelli, An8-year longitudinalstudyofmirror self-recognition in chimpanzees (pan troglodytes), in:Neuropsychologia, Bd. 41, 2003, S. 229; FransdeWaal/Marietta Dindo/Cassiopeia A. Freeman/Marisa J. Hall, Themonkey in themirror: hardly a stranger, in: NationalAcademy of Sciences USA, Bd. 102, 2005, S. 11140–11147; Justin J. Couchman, Self-agency in rhesus monkeys, in:Biology Letters, Bd. 8, 2012, S. 39.

[29] Helen Proctor, Animal Sentience: Where Are We and Where Are We Heading? in: Animals, Bd. 2, 2012, S. 632.

[30] Siehe etwa William S. Gilmer/William T. McKinney, Early experience and depressive disorders: human and non-human primate studies, in: Journal of A�ective Disorders, Bd. 75, 2003, S. 103.

[31] BGE 135 II 384 E. 3.1; Bernhard Waldmann, Art. 120 BV N 12, in: Bernhard Waldmann/Eva Maria Belser/Astrid Epiney(Hrsg.), Basler Kommentar Bundesverfassung, Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2015; Christoph Errass, Ö�entli-ches Recht der Gentechnologie im Ausserhumanbereich, Bern: Stämpfli Verlag, 2006, S. 59 �.; Christoph Errass, Art.

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Grundrechte für Primaten

120 BVN 18, in: Bernhard Ehrenzeller/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender (Hrsg.), Die Schwei-zerische Bundesverfassung, 3. Aufl., Zürich: Schulthess und DIKE, 2014.

[32] Hervorhebung hinzugefügt.

[33] Hervorhebung hinzugefügt.

[34] Hervorhebungen hinzugefügt.

[35] Margot Michel/Saskia Stucki, Rechtswissenscha�: Vom Recht über Tiere zu den Legal Animal Studies, in: ReingardSpannring et al. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenscha�lichen Dis-ziplinen, Bielefeld: Transcript Verlag, S. 238.

[36] Siehe Vanessa Gerritsen, Animal Welfare in Switzerland – constitutional aim, social commitment, and a major chal-lenge, in: Global Journal of Animal Law, Bd. 1, 2013, S. 10.

[37] BGE 135 II 384; 135 II 405.

[38] Margot Michel/Saskia Stucki, Rechtswissenscha�: Vom Recht über Tiere zu den Legal Animal Studies, in: ReingardSpannring et al. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenscha�lichen Dis-ziplinen, Bielefeld: Transcript Verlag, S. 239. Siehe auch Vanessa Gerritsen, Animal Welfare in Switzerland – constitu-tional aim, social commitment, and amajor challenge, in: Global Journal of Animal Law, Bd. 1, 2013, S. 11 f.

[39] Margot Michel/Saskia Stucki, Rechtswissenscha�: Vom Recht über Tiere zu den Legal Animal Studies, in: ReingardSpannring et al. (Hrsg.), Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenscha�lichen Dis-ziplinen, Bielefeld: Transcript Verlag, S. 239.

[40] Die defizitäre Rechtslage und Praxis wirken sich indessen auch in anderen Bereichen zu Lasten der Tiere aus:So werden beispielsweise trotz der gesetzlichen Vorschri�, dass die Belastung eines Tieres nur dann gerecht-fertigt ist, wenn überwiegende Interessen vorliegen, in der Lebensmittelproduktion sämtliche männliche Kü-ken, die als „Beiprodukt“ der Legehennenzucht anfallen, getötet. Rund zwei Millionen Küken sterben so jedesJahr in der Schweiz, da ihr Leben und Wohlbefinden gegenüber wirtscha�lichen Interessen als untergeordnetangesehen werden. Siehe „Mit Tieren wird praktisch alles gemacht“, Tages-Anzeiger, 20. April 2015, abrufbarunter: http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/Mit-Tieren-wird-praktisch-alles-gemacht/story/15396791 (zuletztbesucht am 26. Februar 2016). Weiter sind zumBeispiel trotz des besagten Interessenabwägungsprinzips Qualzuch-ten, das heisst Zuchten, die bei Tieren Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen auslösen, an derTagesordnung. Bei Hunden reicht das Qualzuchtspektrum etwa „von zwergwüchsigen Tieren (wie Yorkshire Terri-er, Zwergpudel und Chihuahuas) mit Geburtsschwierigkeiten, Gebissanomalien, o�enen Fontanellen (Schädelkno-chenlücken) etc. bis hin zueigentlichenRiesenhunden (beispielsweiseDeutscheDoggen,Bernhardiner,Masti�soderIrish Wolfhounds) mit teilweise erheblichen Gelenk- und Skelettschäden.” Gieri Bolliger/Andreas Rüttimann, Qual-zuchten – ein gravierendes Tierschutzproblem, in: Welt der Tiere, Bd. 2, 2013, S. 14.

[41] Vanessa Gerritsen, Evaluation Process for Animal Experiment Applications in Switzerland, in: ALTEX Proceedings, Bd.4, 2015, S. 37 f.

[42] Siehe ibid., S. 38.

[43] ÄrztinnenundÄrzte für Tierschutz inderMedizin, Beispiel 4 fragwürdiger Tierversuche inder Schweiz: Rückenmarks-versuchemit A�enanderUni Fribourg, abrufbar unter: http://www.aerztefuertierschutz.ch/index.html?id=5&nid=21(zuletzt besucht am 3. März 2016); siehe auch AGSTG, A�enversuche an der Universität Freiburg, abrufbar un-ter: http://www.agstg.ch/fotos-/-videos/44-/-sp-883/176-a�enversuche-an-der-universitaet-freiburg.html (zuletztbesucht am 3. März 2016).

[44] ÄrztinnenundÄrzte für Tierschutz inderMedizin, Beispiel 4 fragwürdiger Tierversuche inder Schweiz: Rückenmarks-versuchemit A�enanderUni Fribourg, abrufbar unter: http://www.aerztefuertierschutz.ch/index.html?id=5&nid=21(zuletzt besucht am 3. März 2016).

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[45] Siehe Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin, Neue Studie beweist, dass die von uns kritisierten A�enver-suche von Fribourg tatsächlich unnötig waren, abrufbar unter:http://www.aerztefuertierschutz.ch/index.html?id=3&nid=101 (zuletzt besucht am 3. März 2016).

[46] Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie imAusserhumanbereich (EKAH)/EidgenössischeKommissi-on für Tierversuche (EKTV), DieWürde des Tieres, 2008, abrufbar unter: http://www.ekah.admin.ch/fileadmin/ekah-dateien/dokumentation/publikationen/EKAH_Wuerde_des_Tieres_10.08_d_EV1.pdf (zuletzt besucht am 26. Febru-ar 2016).

[47] ibid. (Hervorhebung hinzugefügt).

[48] Motion „Verbot von belastenden Tierversuchen an Primaten“, 15.4241, eingereicht am 17. Dezember 2015 von Natio-nalrätin Maya Graf (Grüne).

[49] Motion “Verbot von Tierversuchen für Kosmetika, Reinigungs- und Haushaltsmittel”, 15.4240, eingereicht am 17. De-zember 2015 von Nationalrätin Maya Graf (Grüne).

[50] Motion „Importverbot für Jagdtrophäen“, 15.3736, eingereicht am 18. Juni 2015 von Alt-Nationalrätin Aline Trede(Grüne). Diese Motion fordert unter anderem ein generelles Verbot von Primatentrophäen.

[51] Parlamentarische Initiative „Verbot von mittel- und schwerbelastenden Tierversuchen an Primaten”, 06.464, einge-reicht am 4. Oktober 2006 von Nationalrätin Maya Graf (Grüne).

[52] Interpellation „Stopp der Tierzucht in Zoos als Publikumsmagnet“, 14.3722, eingereicht am 14. September 2014 vonNationalrätin Isabelle Chevalley (Grünliberale).

[53] Interpellation „Massnahmen gegen den illegalen Buschfleischhandel“, 13.3887, eingereicht am 25. September 2013von Nationalrätin Ruth Humbel (CVP).

[54] Interpellation „Marmosetten-Versuch der ETHZ“, 06.3126, eingereicht am 23. März 2006 von Nationalrätin BarbaraMarty Kälin (SP).

[55] Anfrage „Würde der Tiere in Schweizer Zoos“, 09.1042, eingereicht am 12. Mai 2009 von Nationalrat Ignazio Cassis(FDP-Liberale).

[56] Postulat „Versuche an Primaten“, 07.3345, eingereicht am 17. Juni 2007 von Ständerätin Christiane Langenberger(FDP). In diesem Postulat wird die Frage aufgeworfen, ob Interessenabwägungen bei der Forschung an Primatenwegen der Würde des Tieres nicht generell verboten sein sollten.

[57] Siehe Steven M. Wise, That’s One Small Step for a Judge, One Giant Leap for the Nonhuman Rights Project, 4. Au-gust 2015, abrufbar unter: http://www.nonhumanrightsproject.org/2015/08/04/thats-one-small-step-for-a-judge-one-giant-leap-for-the-nonhuman-rights-project/ (zuletzt besucht am 8. März 2016).

[58] Great Ape Project relaunched, abrufbar unter: http://greatapeproject.de/gap-relaunched/ (zuletzt besucht am 26.Februar 2016).

[59] Ferner gibt es eine Reihe von Staaten, wie Belgien, Österreich, die Niederlande, Neuseeland und Grossbritanni-en, die ein absolutes Verbot von Versuchen an Menschena�en sowie ein teilweises Verbot von Versuchen an wei-teren nichtmenschlichen Primaten erlassen haben. In den Staaten der Europäischen Union (EU) wurde 2010 mitdem Erlass der Richtlinie zum Schutz der für wissenscha�liche Zwecke verwendeten Tiere (2010/63/EU) Forschungan Menschena�en grundsätzlich verboten (Art. 8 Zi�. 3). Dieses Verbot gilt gemäss Art. 55 Zi�. 2 der Richtlinie nurdann nicht, wenn solche Forschung als ultima ratio zur Erhaltung einer Art oder bei Au�reten eines für Menschenlebensbedrohlichen Zustands unbedingt erforderlich ist. Die Richtlinie verschär� sodann auch die Bedingungenfür die Forschung an anderen nichtmenschlichen Primaten (Art. 8). Die Umsetzungsfrist der Richtlinie lief am 10.November 2012 ab. Siehe hierzu Protection of laboratory animals, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=URISERV%3Asa0027 (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

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Grundrechte für Primaten

[60] The Universal Charter of the Rights of Other Species, 2013, abrufbar unter: http://www.all-creatures.org/articles/ar-universal-charter-rights-species.html (zuletzt besucht am 26. Februar 2016); The Declaration Of Animal Rights, 2011,abrufbar unter: http://www.declarationofar.org/textSign.php# (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

[61] Rainer J. Schweizer, Art. 10 BV N 11, in: Bernhard Ehrenzeller/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Val-lender (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl., Zürich: Schulthess und DIKE, 2014.

[62] Die von uns geforderte Gleichwertigkeit durch Grundrechte bedeutet indes nicht Gleichberechtigung: Durch Grund-rechte werden nichtmenschliche Primaten den Menschen nicht in tatsächlicher Hinsicht angeglichen. Sie werdennur in Bezug auf spezifische Interessen (konkret ihr Leben und ihre Unversehrtheit) mit gleichwertigen Grundrech-ten ausgestattet.

[63] Siehe Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, London: Bloomsbury, S. 6.

[64] Vgl. Hans-Johann Glock, The Anthropological Di�erence: What Can Philosophers Do To Identify the Di�erences Bet-ween Human and Non-human Animals? in: Royal Institute of Philosophy Supplement, Bd. 70, 2012, S. 111.

[65] Bernd Ladwig, Menschenrechte und Tierrechte, in: Zeitschri� für Menschenrechte, Bd. 1, 2010, S. 137.

[66] Rainer J. Schweizer, Art. 10 BV N 17, in: Bernhard Ehrenzeller/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Val-lender (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl., Zürich: Schulthess und DIKE, 2014.

[67] International Association for the Study of Pain, IASP Taxonomy, abrufbar unter: http://www.iasp-pain.org/Taxonomy#Pain (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).Die deutschsprachige Übersetzung der Definition findet sich auf Deutsche Schmerzliga, Was ist Schmerz?, abrufbarunter: http://schmerzliga.de/was_ist_schmerz.html (zuletzt besucht am 26. Februar 2016).

[68] Robert W. Elwood/Stuart Barr/Lynsey Patterson, Pain and stress in crustaceans? in: Applied Animal BehaviourScience, Bd. 118, 2009, S. 129.

[69] Vgl. hierzu Helen Proctor, Animal Sentience: Where Are We and Where Are We Heading? in: Animals, Bd. 2, 2012, S.632.

[70] Vgl. Jörg-Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz: Im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK undder UNO-Pakte, 4. Aufl., Bern: Stämpfli, 2008, S. 73.

[71] Vgl. statt vieler William S. Gilmer/William T. McKinney, Early experience and depressive disorders: human andnon-human primate studies, in: Journal of A�ective Disorders, Bd. 75, 2003, S. 103. Siehe dazu auch den Be-richt der EKAH/EKTV, Die Würde des Tieres, 2008, abrufbar unter: http://www.ekah.admin.ch/fileadmin/ekah-dateien/dokumentation/publikationen/EKAH_Wuerde_des_Tieres_10.08_d_EV1.pdf (zuletzt besucht am 26. Febru-ar 2016), in dem festgehalten wird, dass Güterabwägung für Forschung anMenschena�en nicht zulässig sei. Gemässeines Teils der Kommissionen ist damit auch Forschung an nichtmenschlichen Primaten unzulässig.

[72] BGE 99 I 474; 121 I 267, 269; Rainer J. Schweizer, Vorbemerkungen zu Art. 7-36 BV N 14, in: Bernhard Ehrenzel-ler/Benjamin Schindler/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung, 3.Aufl., Zürich: Schulthess und DIKE, 2014.

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Sentience Politics ist eine antispeziesistische Denkfabrik, die sich für eine Gesellscha� einsetzt, in der

die Interessen aller empfindungsfähigen Wesen ethisch berücksichtigt werden – unabhängig von der

Artzugehörigkeit. Zu unseren Aktivitäten gehören die Lancierung politischer Initiativen und die Erar-

beitung wissenscha�lich fundierter Positionspapiere, mit denen ö�entliche Debatten zu wichtigen

Themenkomplexen angestoßen und rational geprägt werden sollen.

Unser Leitkonzept ist der e�ektive Altruismus: Die zur Verfügung stehenden Ressourcen – Zeit und

Geld – sind limitiert. Wie können wir sie so einsetzen, dass möglichst e�ektiv Leid vermindert wird?

Sentience Politics verfolgt einen kritisch-rationalen, empirisch fundierten Ansatz, um die e�ektivsten

Strategien zur Leidminderung zu identifizieren. Dies spiegelt sich auch in der Auswahl und Priorisie-

rung der von uns bearbeiteten Themenkomplexe wider.

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