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Grundzüge der Òrìshà-Religion I

Grundzüge der Òrìshà-Religion Ihomepage.univie.ac.at/patric.kment/pdf/Orisha_Skriptum_2.pdferklärbar.(Egingun meerin aye – Repräsentant der vier Ecken der Welt – Vergleiche

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Grundzüge der Òrìshà-Religion I

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Henry White: Òrìshà: Peregun

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Òrìshà

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Òrìshà

Òrìshà-Feast I

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Òrìshà-Feast II

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8 Patric Kment: Transformation und Trance: die Òrìshà-Religion auf

Trinidad.

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Grundzüge der Òrìshà-Religion II

•  Der Glaube, daß Tote in die Geschicke der Lebenden eingreifen. •  Die Wirksamkeit von Tier- und Speiseopfern. •  Die Beseeltheit der Natur. •  Die Kraft der Musik, Einfluß auf Ahnen und Götter zu nehmen. •  Die Pflicht, spirituelle Wesen (Òrìshà) mit rituellen Speisen zu

versorgen. •  Prognostik der Zukunft und die teilweise Vorbestimmtheit des

menschlichen Schicksals. •  Geistheilung und Besessenheit. •  Verbundenheit mit den Ahnen. •  Politischer Einfluß.

(Elder 1988:43; Simpson 1980; Warner-Lewis 1991; Interview 2/2000, Oludari Massetungi, mongba)

Patric Kment: Transformation und Trance: die Òrìshà-Religion auf

Trinidad.

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Òrìshà: Stools/ ojubo

Patric Kment: Transformation und Trance: die Òrìshà-Religion auf

Trinidad.

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Òrìshà: Stools/ ojubo

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15 Patric Kment: Transformation und Trance: die Òrìshà-Religion auf

Trinidad.

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Divination/Ifa/Ori: Grundbegriffe

•  Òrunmìlà: „Eliri Ipin“ – Zeuge der Schöpfung. Òrìshà der Weisheit Ordnung und des Schicksals (vgl. Konzept von Ori, dem spirituellen „Kopf“ jedes Menschen); Ifa: (Oft mit Òrunmìlà gleichgesetzt, jedoch sehr enge Verbindung mit Òrunmìlà (Oberster Priester des Ifá-Orakels) am ehesten als „spiritueller Avatar“ oder „Inkarnation“ von Òrunmìlà erklärbar.(Egingun meerin aye – Repräsentant der vier Ecken der Welt – Vergleiche Ifá-Divinationsbretter.

•  Priester von Ifá: Babaláwo (Vater des geheimen Wissens); In der Regel nur Männer, in Nigeria auch Ausnahmen = Iyanifa)

•  Odu: Herrscher, Szepter, Kapitel (Ifá): Ein Kapitel von den insgesamt 256 Kapiteln der Texte von Ifá; unterteilt in 16 Haupt-Odus.

•  Seit 2005 UNESCO: „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“"

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Divination

•  Opon-Ifá: Divinationsbrett

•  Agere Ifá: Behälter •  Ikin: 16 Kolanüsse •  Iroke-Ifá:

Divinations-Stab (-Rassel)

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Divination: Kaurischnecken

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Divination/DilogunKuba/Trinidad

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Transformation der Òrìshà-Religion 1. Vor 1830 / 2. Ab 1830 / 3. Ab 1930 / 4. Ab 1960

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Afrikanische „Nations“ in Trinidad (ca. 1830)

Transformation der Òrìshà I

•  Das Pantheon der 401 Òrìsha und 200 Ajogun geht zum Großteil verloren.

•  Religiöses Spezialistentum und deren Vielfalt geht verloren.

•  Die wichtigsten Òrìsha (ca. 12) werden in der Diaspora von allen Yoruba gemeinsam verehrt (Gegensatz Yorubaland: Familien und Stämme verehren nur einen Òrìshà)

•  Alle Unteraspekte der Òrìsha gehen verloren

•  Bedeutungswandel der Òrìsha •  Zusätzliche Òrìsha werden integriert •  Teilweise Gleichsetzung mit kath.

Heiligen

Transformation der Òrìshà II

Bedeutungswandel der Òrìshà:

•  Shango: (pos.): Von unberechenbar / strafend zur identitätsstiftenden Vaterfigur.

•  Èshù: (neg.): Zwar ambivalent zwischen gut und böse (im Prinzip neutral) – zu Dämon/Teufel.

•  Ògún: (neutral/pos.): Als Kriegsgott keine Bedeutung mehr, Ausweitung der Kompetenzen: Alle Metallverarbeitenden Berufe, auch Taxifahrer, etc.

•  Shakpana: (pos./neg.) Ehemals mächtiger und launischer Òrìshà des Raumes (der Ebenen) und der Krankheiten wird zum „Arzt“ kann aber auch strafen.

•  Weibliche Òrìsha (Oshùn, Oyá, Yemonya): (neutral), keine wesentlichen Änderungen.

Transformation der Òrìshà „neo-afrikanische“ Òrìshà – Transkulturelle

afrikanische u. indigenene Re-interpretationen auf Trinidad

•  Kongo: Ogun-Kongo („Zarabanda“), Goloshun, Gurum, Wonka

•  Fon: Erzulie, Adangbe, Adangbe

•  Arawak / Carib: Viguyana

•  Rasta: Jah-Jah, Dada (?)

•  ? Abuku, Neoni, Yemoo

Synkretisierung von Òrìshà und Heiligen I

  Yemønjá ➝

  È‚ù ➝

  Ògún ➝

  Ôsányìn ➝

  Ô‚un ➝

  Øya ➝

  Íôpønnà ➝

  Íangó ➝

  St. Anne / St. Catherine

  (Satan)

  St. Michael   St. Francis   St. Anne / St. Philomenia   St. Catherine / St. Philomenia   St. Francis / St. Jerome

  St. John the Baptist / St.

Barbara

Ähnlichkeiten Òrìshá – Katholizismus •  Ein allmächtiger Schöpfergott, der aber seit mystischer Zeit nicht mehr

direkt in das Geschehen der Menschen eingreift. •  Daher: Elaboriertes System von mit übermenschlichen Fähigkeiten

ausgestatteten Mittlerfiguren, welche die Distanz Mensch – Schöpfergott überbrücken helfen: Heilige, Engel, Òrìshà.

•  Hohe Bedeutung und Signifikanz zyklisch wiederkehrender religiöser Zeremonien.

•  Ausgefeiltes und umfangreiches theologisches Fundament mit historischen Bezügen (vgl. Bibel – Schriften von Ifa*)

•  Reichhaltige Symbolik / Ikonografie / Paraphernalien / Anthropomorphe Darstellungen – verbunden mit künstlerischer Tradition

•  Sehr alte Traditionen

Die Texte von Ifá beinhalten eine immense Menge an Traditionen. Ifá ist in 256 Kapitel unterteilt, die jeweils aus etwa 600-800 Gedichten und Versen bestehen. Die gesamte Textsammlung besteht somit aus über 200.000 einzelnen Gedichten. Dies ist eine Menge, die mehrere 100 Bücher füllen würde (Abinbola 1994:102).

Katholische Heilige im Compound von Boisy Ben / Tuna Puna

Patric Kment: Transformation und Trance: die Òrìshà-Religion auf

Trinidad.

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Synkretismus und Anti-Synkretismus: Katholisch – Òrìshà

Synkretismus Exkurs: „Camouflage-Theorien“ vs. „Afrikanisierung“

Verschiedene Forscher (Bastide 1971:165; Pollak-Eltz 1971:425) vermuteten, daß die Motivation der kulturellen Adaption katholischer Elemente durch die afrikanischstämmige Bevölkerung im Bestreben lag, eigene religiöse Wertvorstellungen und Praktiken unter dem Deckmantel des Christentums zu etikettieren, um sie so dem Zugriff negativ eingestellter Behörden zu entziehen (sogenannte „Camouflage-Theories“). Dieser Theorieansatz der kulturellen Adaption ist – zumindest auf Trinidad – aus zwei Gründen nicht schlüssig: Erstens würden Zeremonien im privaten Rahmen das „Tarnen“ von afrikanischen religiösen Elementen überflüssig machen. Desweiteren wurden von den Behörden bis 1883 („Anti-Drum-Ordinance“) keine ernsthaften Versuche gemacht, afrikanische religiöse Manifestationen tatsächlich zu unterbinden bzw. zu kriminalisieren. Über zwei Generationen begnügten sich lokale Behörden offensichtlich mit dem Versuch, diese Religion ins Lächerliche zu ziehen und übten sich ihren Phänomenen und Praktiken gegenüber in Ignoranz. Zweitens sind die religiösen Zeremonien der Yorùbá von derartiger kultureller Signifikanz in Hinblick auf das rituelle Verhalten der Mitglieder, der Paraphernalien, der Trommeln, des Tanzes, wie des Opferns von Tieren, daß es selbst für unwissende Betrachter völlig klar gewesen sein müßte, daß es sich dabei wohl kaum um eine christliche Zeremonie handelte (Vergleiche Trotman 1976:13).

Synkretismus / Eklektizismus I: Definition

•  Synkretismus (im relig. Kontext) bedeutet die bewußte Vermischung und das Verschmelzen von zwei oder mehreren relig. Philosophien zu einer komplett neuen Religion/ Weltbildern (Ein neues rel. System entsteht) (Absolutheitsanspruch muß von einer Religion aufgegeben werden).

•  Religiöser Eklektizismus: Aus einzelnen religiösen Elementen unterschiedlicher Religionen werden – je nach Anforderung – die zur Zeit offensichtlich sinnhaftesten Elemente adaptiert, Flexibilität und Neuanordnung (Reflexion) wesentlich stärker betont als im Synkretismus (Beide rel. Systeme werden parallel verwendet)

Synkretismus II: •  Herskovits (1937; 1972) fürte den Begriff in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in die

anthropologische Forschung ein. Herskovits verwendete das Konzept des „Synkretismus“ für seine ausgedehnten Forschungen der kulturellen Erscheinungsformen von Nachkommen der afrikanischen Sklaven in der sogenannten „Neuen Welt“. Mit diesem Konzept versuchte er zwei Forschungsfelder zu erschließen: Einerseits sollten die historischen und kulturellen Wurzeln wie Hintergründe der schwarzen Bevölkerung beleuchtet werden, andererseits betrachtete er das Konzept des Synkretismus als Werkzeug, um akkulturative Prozesse innerhalb der Gesellschaft zu analysieren.

•  Obwohl seine Unterscheidung in ein „kulturelles Mosaik“ und in einen integrativen Synkretismus bedeutend ist, ist seine Beschreibung des „akkulturativen Kontinuums“ letztendlich ein mechanisches Modell, das wohl eher geomorphologischen oder chemischen Prozessen ähnlich ist und bei dem die Möglichkeit der kulturell kreativen Leistung der einzelnen Individuen sowie alternative Entwicklungen außer Betracht gelassen wurden

Synkretismus III •  Steward und Shaw (1994) zeigen auf, daß der Terminus „Synkretismus“ nicht für eine praktische

analytische Vorgehensweise geeignet ist, da letztendlich alle Religionen zusammengesetzte Ursprünge haben und ebenso einem permanenten Wandel von Synthese und Reduktion unterworfen waren. Daher legten sie ihr Hauptaugenmerk auf die Prozeßhaftigkeit der Synthese, Redefinition und Reinterpretation und den daraus folgenden Diskursen.

•  Steward und Shaw (1994) formulieren den sogenannten „Anti-Synkretismus“ als Antagonismus zur religiösen Synthese, der offen in Erscheinung tritt, wenn Akteure versuchen, ihre religiösen „Sinn-Grenzen“ zu verteidigen. In diesem Zusammenhang werden Begriffe wie „Authentizität“ und „Originalität“, die nicht notwendigerweise das „Ursprüngliche“ und „Reine“ bezeichnen, von Bedeutung: Erhobene „Authentizität“ involviert einen Diskurs, in dem Macht und Kontrolle eine wesentliche Rolle spielen. Ergo sind sowohl mutmaßlich „reine“ und angenommene „synkretistische“ Traditionen authentisch, wenn Menschen diese Traditionen als „die Ihren“ verstehen und in „ihr“ Geschichtsbewußtsein integriert haben.

•  Synkretistische wie auch „anti-synkretistische“ Ansätze sind jedoch nicht als Gegensätze aufzufassen. Vielmehr sind es „Pole“, welche die Entwicklung einer Religion – die ihren Erfolg auf eine reiche und vielfältige Tradition sowie ihre integrative kulturelle Fähigkeit in Anpassung an kulturellen Wandel gründet – vorantreiben. Man kann von einem Spannungsfeld sprechen, das laufend gesellschaftliche Erklärungsmodelle generiert, welche dem Bedürfnis nach individueller und kollektiver Identität in einer sich rasch verändernden Umwelt gerecht werden.