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6 ‰gbë Onisìn Elòdùmaré Die Organisation „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ 264 wurde Anfang 1971 von Oludari Massetungi, Akalejou Olukumi, Juwala Edu und Brother Tucuma als Reaktion auf die Unterdrückung der politischen, kulturellen und spirituellen Bedürfnisse der schwarzen Bevölkerung Trinidads gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war sie Teilor- ganisation einer pan-afrikanischen Bewegung, „‰gbë Ilusaju Ile Akibulan“. Oludari Massetungi betrachtet seine Organisation in Opposition zu den politischen und kulturellen Kräften Trinidads, die versuchen, die afrikanischstämmige Bevölkerung erneut an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Daher wird bewußt der Versuch unternommen, afrikanische Spiritualität, Gedankenwelten und Ansichten als Ge- genbewegung zur herrschenden gesellschaftlichen Realität zu stellen: “At the moment, we still find ourselves in a state of dominance and in state of op- pression. However, this dominant modes had changed a little – or have increased a little: Now, in addition to others, we have a Hindu-type philosophy that is pushing us to the gap and to the corners of our society. ‘‰gbë Onisìn Elòdùmaré’ emerged as a response to the forces of oppression that are pushing our people down to the earth and to the far corners of our society” (Interview 1/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 39, 01:00). Die 60er und 70er Jahre waren auf Trinidad – wie in anderen Teilen der Welt – von einem gesellschaftlichen Umbruch und einem Wertewandel gekennzeichnet. So waren nicht nur die materialistischen und kapitalistischen Wertmaßstäbe der Gesellschaft in das Zentrum der Kritik gerückt. Auch das Überdenken der Stellung und Position der eigenen Person war charakteristisch für diese Epoche. Aus dieser Strömung heraus entwickelte sich für afrikanischstämmige Menschen in der Dia- spora das Bedürfnis, ihre afrikanische Geschichte, Kultur und Spiritualität für sich selbst wieder zu entdecken. „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ versuchte diesem Ansinnen Rechnung zu tragen, indem die Organisation sich bemühte, afrikanische Philoso- phie, Kultur und Religion wieder in ein gegenwärtiges Weltbild und Selbstver- ständnis afrikanischstämmiger Menschen auf Trinidad zu implementieren: 264 ‰gbë: Vereinigung, Zusammenschluß, Verein. O-ni-sìn: O (er, sie, es /man) ni (in/im) sìn (Anbetung, Verehrung), Elòdùmaré: von Olòdùmaré (höchster Gott der Yorùbá).

‰gbë Onisìn Elòdùmaré - homepage.univie.ac.athomepage.univie.ac.at/patric.kment/pdf/Kment Kapitel 6.pdf · ‰gbë Onisìn Elòdùmaré 155 Das gesamte Konzept dieses Schreins

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‰gbë Onisìn Elòdùmaré

Die Organisation „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“264 wurde Anfang 1971 von OludariMassetungi, Akalejou Olukumi, Juwala Edu und Brother Tucuma als Reaktion aufdie Unterdrückung der politischen, kulturellen und spirituellen Bedürfnisse derschwarzen Bevölkerung Trinidads gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war sie Teilor-ganisation einer pan-afrikanischen Bewegung, „‰gbë Ilusaju Ile Akibulan“. OludariMassetungi betrachtet seine Organisation in Opposition zu den politischen undkulturellen Kräften Trinidads, die versuchen, die afrikanischstämmige Bevölkerungerneut an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Daher wird bewußt der Versuchunternommen, afrikanische Spiritualität, Gedankenwelten und Ansichten als Ge-genbewegung zur herrschenden gesellschaftlichen Realität zu stellen:

“At the moment, we still find ourselves in a state of dominance and in state of op-pression. However, this dominant modes had changed a little – or have increased alittle: Now, in addition to others, we have a Hindu-type philosophy that is pushingus to the gap and to the corners of our society. ‘‰gbë Onisìn Elòdùmaré’ emergedas a response to the forces of oppression that are pushing our people down to theearth and to the far corners of our society” (Interview 1/2000, Oludari Massetungi,mongba, TB 39, 01:00).

Die 60er und 70er Jahre waren auf Trinidad – wie in anderen Teilen der Welt –von einem gesellschaftlichen Umbruch und einem Wertewandel gekennzeichnet.So waren nicht nur die materialistischen und kapitalistischen Wertmaßstäbe derGesellschaft in das Zentrum der Kritik gerückt. Auch das Überdenken der Stellungund Position der eigenen Person war charakteristisch für diese Epoche. Aus dieserStrömung heraus entwickelte sich für afrikanischstämmige Menschen in der Dia-spora das Bedürfnis, ihre afrikanische Geschichte, Kultur und Spiritualität für sichselbst wieder zu entdecken. „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ versuchte diesem AnsinnenRechnung zu tragen, indem die Organisation sich bemühte, afrikanische Philoso-phie, Kultur und Religion wieder in ein gegenwärtiges Weltbild und Selbstver-ständnis afrikanischstämmiger Menschen auf Trinidad zu implementieren:

264 ‰gbë: Vereinigung, Zusammenschluß, Verein. O-ni-sìn: O (er, sie, es /man) ni (in/im) sìn(Anbetung, Verehrung), Elòdùmaré: von Olòdùmaré (höchster Gott der Yorùbá).

154 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

“Founded in 1971, it came as a response to the needs of Africans in Trinidad andTobago and in the wider Diaspora to reconnect the modes of African spiritualityand to reconnect the African itself. It came in context of a world-revolution thatwas moving away from material, capitalistic culture to a reality, where people liveperhaps the more abstract aspects of life: morality, ethics, love, well-being, and en-vironment and so on … it was the 60’s …” (Interview 1/2000, Oludari Massetungi,mongba, TB 39, 14:00).

Ursprünglich war „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ keine religiöse Vereinigung, son-dern im Wesentlichen politisch orientiert. Eine bestimmte Religion wurde im SinneMarcus Garveys nicht favorisiert. Erst die Zunahme von rituellen Aktivitäten wieNamensgebung, Heirat265 und Begräbnisse innerhalb eines afrikanisch-zentriertenKontextes erforderte die spezifische Identifikation mit einer adäquaten Religion.Diese Zeremonien verdeutlichten den einzelnen Mitgliedern, daß eine oberflächli-che Beschäftigung mit afrikanischer Mystik und religiöser Tradition nicht aus-reichte, um den spirituellen Bedürfnissen des Menschseins im Sinne einer afrikani-schen Re-definition Rechnung zu tragen. Daher wurde innerhalb von „‰gbë OnisìnElòdùmaré“ unter der Leitung Oludari Massetungis die Òrì‚à-Religion zunehmendin den Mittelpunkt der rituellen Handlungen gestellt. Die Errichtung eines Òrì‚à-Schreins in Petit Valley im Jahre 1972 war der erste Höhepunkt dieser Entwicklung(Interview 1/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 39, 17:00).

„‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ definiert sich selbst durch die Verehrung vonOlódùmarè (Eludumare) – des höchsten Wesens der Yorùbá – der ultimativen len-kenden Kraft des Universums und des Lebens der Menschen. Die Òrì‚à werden alsPortale betrachtet, die es den Menschen ermöglichen, als aktiver und selbstbestim-mender Part mit dieser kosmischen Intelligenz zu interagieren, um so eigenverant-wortlich den Bedürfnissen des (afrikanischen) Selbst gerecht zu werden (Interview1/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 39, 17:00; TG 05.04.92:29,30).

Der „Compound“

Der compound von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ in Petit Valley nimmt ca. eine Flächevon 25 Metern Seitenlänge im Quadrat ein; er setzt sich aus dem Wohnhaus desmongba, dem Versammlungsraum der Mitglieder der religiösen Gemeinde – dempalais – und den einzelnen ojúbø – den „Häusern“ der Òrì‚à – zusammen. Auffälligist, daß – abgesehen vom Dach – ausschließlich natürliche Baumaterialien wieHolz, Bambus, Steine und Palmblätter verwendet wurden. Der theologische, kos-mologische und ideologische Anspruch von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ wird sodurch den compound konkretisiert und visualisiert.

265 Die Hochzeiten wurden zu diesem Zeitpunkt nicht staatlich anerkannt. Daher mußten dieBrautpaare zur staatlichen Legalisierung der Verbindung ein zweites Mal standesamtlich hei-raten.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 155

Das gesamte Konzept dieses Schreins ist auf die Òrì‚à-Religion nach afrikani-schem Vorbild bezogen. So finden sich innerhalb des compounds – wie in vielenanderen Verehrungsstätten der Òrì‚à auf Trinidad – weder christliche Symbole,noch religiöse Insignien der Kabbalah, des Hinduismus oder der Spiritual Baptists.Folglich fehlt die sonst übliche chapelle, in der normalerweise auch die Parapher-nalien anderer Religionen aufbewahrt werden.

Abbildung 48: Der compound von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“, Petit Valley

Das religiöse Zentrum von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ wurde im Jahre 1972 mitÒgúns ojúbø266 rituell aktiviert, da Ògún Oludari Massetungis persönlicher Òrì‚àdes Schutzes und der Interaktion ist. Den Auftrag für den Beginn des Aufbaus descompounds erhielt Massetungi von den Òrì‚à. Ebenso inspirierten sie den Ort, denAblauf und die Durchführung:

“I got instructed – I lived in the house next door – I got instructed that they [theÒrì‚à] would like to settle. They advised me what the correct protocol was and Ifollowed it – and permission was granted – and so they came and located Ògún-shrine” (Interview 2/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 15:00).

266 „Altar“; wörtlich übersetzt: „Das ansehend, was wir anbeten“ (Fatunmbi 2001:16).Awo Yoruba: The language of Ifa. Glossary of terms used in Ifa divination:http://www.awostudycenter.com/files/PDF/awo1.pdf [19.11.2001].

156 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Mitte des Jahres 1974 wurde der Sakralbezirk um Íangós und È‚ùs ojúbø er-weitert. Im Laufe der Zeit wurden weitere shrines der einzelnen Òrì‚à dem Schreinangefügt. Zuletzt wurde im Jahre 1987 der ojúbø von Olúkun, dem Òrì‚à des Mee-res, aufgebaut und durch einen nigerianischen Olúkun-Priester eingeweiht. Der ge-samte compound umfaßt zur Zeit die ojúbø von È‚ù, Ògún, Íangó, Øya, Ø‚un,Íôpønnà und Ørúnmìlà (Interview 6/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 44).

Die Tatsache, daß sowohl die einzelnen ojúbø direkten Kontakt zur Erde habenund der Boden des palais aus gestampftem Lehm besteht, verdeutlicht das religiöseKonzept der Yorùbá vom Verhältnis zwischen ayé (der Erde) zu ørun (die unsicht-bare Welt). Es ist nicht nur von Bedeutung, daß der Mensch von Øbàtálá aus einerHandvoll Erde geschaffen wurde; Erde wird vielmehr als sakrales Medium be-trachtet, das es ermöglicht, einen Austausch der Energien zwischen beiden Weltenherzustellen. Dieser Zusammenhang offenbart sich in den Opferhandlungen, wo dieGaben – über die Symbole der Òrì‚à rinnend – in das Erdreich gelangen:

“Well, earth is one of the mediums through which we can access ørun, it is sacred,it is holy, the planet is life. If one works, perhaps to gain a little more perspectiveon earth and earth-veneration I suspect, that there are several rights that do justiceon it, … and I am sure that there is something that Olódumàrè co-ordinated inYorùbá-belief. So earth is considered deity, earth is considered sacred, we as Earth-beings, a divine model in a sense, we are one who pay respects to the earth as aprimal act” (Interview 4/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 42, 4:00).

Abbildung 49: Das Innere des palais

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 157

Die Òrì‚à / die „Ojúbø“

Die Òrì‚à symbolisieren und verkörpern nicht nur den Aufbau und die Struktur derreal erfaßbaren Welt. Sie bilden darüber hinaus das Sinngefüge und die Parametervon Raum und Zeit innerhalb des gesamten Universums. Einzig den Òrì‚à ist esmöglich, die Grenzen von Diesseits und Jenseits zu durchdringen und somit dasVerbindungsglied zwischen natürlicher und übernatürlicher Welt darzustellen. DerMensch und seine Umwelt sind durch einen gemeinsamen Schöpfer unwiderruflichaneinander geknüpft. Diese Verbindung manifestiert sich durch das tägliche Erfah-ren und Erfühlen eines ganzheitlichen Universums, das symbolisch die Grundge-setze des Lebens konkretisiert. Die Òrì‚à repräsentieren so die Struktur und Ord-nung der Welt:

“To allow the extent of the theology of the Òrì‚à belief system, it is a monotheistictheology. An acceptance of a primal essence, that prevails the entire universe, andthis essence duplicates or manifests in several principles and energies and intelli-gence. This will also manifest itself in nature, but the nature manifestation of thisenergy is not the Òrì‚à. It is the principle behind that is the Òrì‚à. So, in that sense,the Òrì‚à belief system is a philosophy of live that is in harmony with nature. Gen-erally speaking, it seeks to conserve the balance in the World – a natural equilib-rium” (Interview 1/1995, Oludari Massetungi, mongba, Petit Valley, Sept. 1995,TB 1, 5:00).

Das Konzept der Òrì‚à strukturiert und ermöglicht einerseits den Zugriff des In-dividuums auf das kollektive Gedächtnis der umgebenden Gesellschaft. Anderer-seits bettet dieses kulturspezifische Konzept die Gemeinschaft in ein Kontinuumvon Raum und Zeit ein, das sich in Wechselwirkung mit den einzelnen Mitgliedernlaufend selbst bestätigt und erneuert:

“So, there’s the ancestors, but there is also beyond the ancestors there’s one – theÒrì‚à. But not strictly Òrì‚à from a definition point of view, but all those things wehave access to. This is how, in a sense, a part of that collective pool, that’s how wecan get access from an individual point of consciousness” (Interview Oludari Mas-setungi, mongba, Petit Valley, Sept. 1995, TB 1, 20:00).

Diesen Konzepten der Òrì‚à entsprechen Aufbau und Form des compounds.267

Die darin enthaltenen ojúbø der einzelnen Òrì‚à repräsentieren nicht nur den jewei-ligen Òrì‚à. Vielmehr sind sie Schnitt- und Verbindungspunkte in der Kommuni-kation der Menschen mit den Òrì‚à. Tatsächlich werden die einzelnen ojúbø wäh-rend des ¤bø als Eintritts- und Ausgangspunkte der Òrì‚à auf die Erde betrachtet.Außerhalb der rituell aktiven Perioden sind die einzelnen Verehrungsstätten derÒrì‚à energetisch „ruhig gestellt“, im Ritual werden die ojúbø spirituell aktiviert.Oludari Massetungi vergleicht diese Perioden der Aktivität und Inaktivität mit ei-nem Lichtschalter:

267 Vergleiche Abbildung 44: Weltbild der Yorùbá und seine Korrelation mit dem Òrì‚à-compound, Seite 126.

158 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

“Whatever, there is not a need for action here [at the compound], it [ojúbø] is al-most at minimal activity, whenever there is the time – you see certain symbolshere, it is activated … these symbols are some of the instruments made in the firstinstance – it is like a light-switch, the current is always there – but the light is justthere when you switch it on and you need to get the light” (Interview 2/1997,Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 27:00).

Jeder ojúbø repräsentiert durch unterschiedliche Symbole die einzelnen Òrì‚à.Diese Symbole werden als sogenannte „Implements“ bezeichnet. Desweiteren wer-den die einzelnen Òrì‚à durch Teile der spezifischen Tiere, die ihnen zu Ehren ge-opfert wurden, symbolisch visualisiert. Dabei handelt es sich zumeist um die Hör-ner, Hufe und Federn der Opfertiere. Jedes implement ist für einen oder eine Grup-pe von Òrì‚à spezifisch; so finden sich in Ògúns ojúbø – dem Òrì‚à des Eisens unddes Krieges – vornehmlich metallische Gegenstände. Die Òrì‚à der Gewässer – wieØya, Ô‚un und Yemønjá – werden durch mit Wasser gefüllte Kalebassen symboli-siert (Interview 2/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 27:00).

Die ojúbø unterscheiden sich auch in ihrer äußeren Form; manche sind mit ei-nem Dach aus Palmblättern bedeckt, während andere den Naturelementen wie Son-ne, Wind und Regen ausgesetzt sind. Der Unterschied erklärt sich aus der Natur dereinzelnen Òrì‚à: Íôpønnà und È‚ù repräsentieren Raum, Ausdehnung und Weite;diese Òrì‚à werden daher nicht in einem geschlossenen ojúbø verehrt – im Gegen-satz zu Íangó oder Ògún: Diese Òrì‚à symbolisieren Schutz, Geborgenheit, Familieund Zivilisation; folgerichtig werden ihnen auch „Häuser“ errichtet (Interview2/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 27:00).

Diese Präsentation der Òrì‚à steht im Gegensatz zum „typischen“ compound aufTrinidad: Dort werden alle Òrì‚à gemeinsam im sogenannten perogun, einer frei-stehenden Betonwanne von bis zu sechs Metern Breite, in der sich in regelmäßigenAussparungen die einzelnen ojúbø der Òrì‚à befinden, repräsentiert. Am Kopfendeder Aussparungen sind Löcher angebracht, die als Halterung für die „Flags“ – dieFahnen der einzelnen Òrì‚à – dienen. Gleichsam sind alle symbolischen Repräsen-tation der einzelnen Òrì‚à quasi als „Kopie“ nochmals überdacht in der chapelleuntergebracht – zumeist in synkretisierter Form von Heiligen oder in abstrahierterForm in Gestalt der sogenannten tools (Interview 2/1997, Oludari Massetungi,mongba, TB 16, 27:00).

Jeder Òrì‚à unterscheidet sich auch dadurch, daß er einen bestimmten Aspektvon à‚¤ vermittelt. Auch wenn à‚¤ gemeinhin als die einzige elementare EnergieOlódùmarès gilt, wird sie gleichsam als „plastisch“ und „formbar“ angesehen. Dieunterschiedlichen Formen dieser Energie werden bei bestimmten Ritualen durchden jeweiligen Òrì‚à konkretisiert:

“Different Òrì‚à have their own à‚¤. Different aspects of the same energy. One canclassify it as extremely active or passive in terms of the nature of the energy, but itenables the person to receive à‚¤ in order to have access for whatever purpose oflife the à‚¤ is designated to give success. So most of the things in African sacredsciences is very personal, so whatever is necessary – à‚¤ is very plastic and broad –

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but I want à‚¤ for money, just say it is à‚¤ from Ògún for money, it will be à‚¤ fromÒgún for money, not à‚¤ from Ògún for wife, sex or motorcar, so there are specific‘chunks’ of à‚¤” (Interview 6/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 44, 18:00).

Abbildung 50: „Haus“ der Òrì‚à

160 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

È‚ù

È‚ùs ojúbø steht – seiner Funktion entsprechend – an der äußeren Grundstücks-grenze des compounds. È‚ù gilt als Hüter von à‚¤ – der göttlichen Energie in ihrerpuren Form. Diese Energie ist nicht form- und zweckgebunden, erst ihre Adaptiondurch die einzelnen Òrì‚à macht(e) Kreation und Gestaltung möglich. È‚ù gilt alsHerr der Kreuzwege und symbolisiert so den fiktiven Schnittpunkt zwischen ørunund ayé, zwischen Immanenz und Transzendenz, zwischen der Welt der Menschenund der Welt der Òrì‚à. Daher wird vor jeder rituellen Handlung zu allererst È‚ùkonsultiert.268 Erst wenn dieser sein Einverständnis gegeben hat, wird eine religiöseAktion sinnvoll. Mit anderen Worten: Ohne È‚ù keine Energie. Diese Eigenschaf-ten machten ihn zu einem der bedeutendsten wie auch umstrittensten269 Òrì‚à (In-terview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 1:30):

“He is the look-over of the ritual ways, and here at the headquarters of ‘‰gbëOnisìn Elòdùmaré’, È‚ù functions also as a security officer or receptionist. It is thepoint when various persons enter in the sacred compound, we take permission fromÈ‚ù to allow them to come in the compound, but we also search spiritually throughthis point …” (Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 0:10).

È‚ù wird innerhalb seines ojúbø (siehe auch nachstehende Abbildung) durch fol-gende Gegenstände repräsentiert: Ein etwa 40cm hoher Holzpfosten symbolisierteinerseits È‚ùs Keule – damit wird ein aggressiver und gefährlicher Aspekt È‚ùsunterstrichen, der unter dem lokalen Synonym spiritual warfare270 subsumiert wird.

268 Siehe Kapitel „Divination“, Seite 177.269 È‚ù wird selbst von vielen Òrì‚à-Gläubigen für den Teufel gehalten. Oludari Massetungi be-

trachtet dieses Bild von È‚ù als grundlegendes Mißverständnis, das sich – einmal etabliert –durch das Vorurteil und die Einstellung der Gläubigen in der Manifestation weiter festigt:“The ìyá Catherine Louise Tussé [Oludari Massetungis ‘spiritual mother’] – she did not seeÈ‚ù in the same light as I see – because she would not call È‚ù. È‚ù was to her the devil or themischiefer – but after she had departed – even before she had departed – we started to get incontact with a lot of people from the continent. We got in contact to them and she heart – shestill was very strong in her belief, that È‚ù is the devil … but in this time, we found out, thatÈ‚ù was not the devil, and when you put it into spiritual principles, when a being – a energylevel is manifesting, one of the things that is going to influence the medium, is the own men-tal perception of that being of consciousness: So when you are calling that Spirit, it might beable to manifest as a snake, a woman, as a man, but if your perception of that thing is evil,then …” (Interview 2/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 20:00).

270 Spiritual warfare ist das Austragen persönlicher Konflikte zwischen meist zwei Individuenmittels Geister aus der Spirit World. Verfügt ein Individuum nicht über das notwendige Wis-sen oder über die Fähigkeit, Spirits zur Kooperation zu bewegen, wird es sich eines Speziali-sten bedienen. Dieser Spezialist ist der Obeah-Man, der mongba oder ein hierarchisch höhergeordnetes Mitglied der Glaubensgemeinde, das über diese speziellen Fähigkeiten verfügt.Hat der Magier nun Kontakt mit der Spirit World aufgenommen, wird er versuchen, den Spi-rit unter seine Kontrolle zu bekommen und ihn so zwingen, einer bestimmten Person zu scha-den. In der Kooperationsbereitschaft und der Macht des bestimmten Spirits liegt nun derheikle Punkt zwischen der persönlichen Sicherheit des Magiers und der Effizienz der Be-schwörung. Spirits, die innerhalb der Hierarchie der Spirit World in niederer Position stehen,

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Der Pfosten hat aber andererseits auch die Bedeutung eines eregierten Penis;damit sollen die lebensspendenden – dem Samen des Mannes gleichgesetzten –Aspekte von à‚¤ visualisiert werden. Desweiteren finden sich in regelmäßigen Ab-ständen Eisennägel in Dreiergruppen. Die Flöte gilt ebenso als implement È‚ùs. Erbenutzt sie, um andere „Spirits“ zu rufen. Das Horn eines Stiers dient in erster Li-nie dazu, die Opfergaben È‚ùs aufzunehmen: Rum, Honig oder Öl werden auf dieSpitze des Horns gegossen, um dann im Boden (der Erde) aufgenommen zu wer-den. In der Kalebasse links unten befindet sich ständig Wasser: Dieses wird beimBetreten des compounds auf die Erde des ojúbø gegossen. Ist das EinverständnisÈ‚ùs gegeben, wird ein Teil der feuchten Erde auf die eigene Stirn appliziert. Die-ser Vorgang wird dreimal wiederholt. Jedesmal wird dabei „à‚¤“ ausgerufen (Inter-view 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 4:30).

Abbildung 51: È‚ùs ojúbø

sind zwar leichter zu kontrollieren und bergen so weniger Gefahr. Für den Magier bedeutetdieser Umstand weniger komplizierte Schutzvorbereitungen aber auch die Verringerung sei-ner Erfolgschance (Reasoning Clarence Forde, mongba, El Dorado, Nov. 1995).

162 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Ògún

Ògún271 gilt als „O‚in-Imølê“ – als Anführer272 der Òrì‚à. Er war es, der den Wegder Òrì‚à von ørun273 nach ayé274 vorbereitete, um die Kolonisierung der Weltdurchzuführen:

“According to the mythology, it was Ògún, who cleared the pathway from ørun –the heavens – to ayé; and heavens is space – it is not a geophysical location in thatsense. But Ògún was able to make the bridge, the path, the way that links ørun andterra firma …” (Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 2:00).

Folgerichtig wird daher jedes ¤bø durch Ògún eröffnet und auch wieder beendet.Dieser Vorgang wird durch sein Schwert (oder Machete) dargestellt: Zu Beginn des¤bø wird sein Symbol in der Mitte des palais in die Erde gerammt. Für die gesamteDauer des Ritualzyklus bleibt es in dieser Position – bis zum Ende des ¤bø (Inter-view 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 2:00).

Ògún ist der Gott des Krieges, der Metalle und der Mineralien. Überdies ist erSchutzpatron aller Menschen, die beruflich mit diesen Elementen in Kontakt sindbzw. sie bearbeiten. Er symbolisiert jedoch auch die destruktiven Elemente desKrieges und der Zerstörung. Trotzdem steht Ògún für Zivilisation und Fortschritt,indem die positiv-konstruktiven Aspekte der Metallurgie akzentuiert werden – Ge-räte des Ackerbaus oder Werkzeuge. Wie Íangó verkörpert Ògún (männliche)Energie. Anders als Íangós Energie ist diese auf ein bestimmtes Ziel mit einemdamit verbundenen Zweck gerichtet (Interview 18/1997, Oludari Massetungi,mongba, TB 32, 2:00).

Im übertragenen Kontext einer Reafrikanisierung der Òrì‚à-Religion auf Trini-dad kommt Ògún aufgrund seiner Fähigkeiten bzw. seines mythologischen Hinter-grundes eine besondere Bedeutung zu: Er gilt als machtvoller Mitstreiter gegen so-ziale und kulturelle Unterdrückung sowie gegen historische Ungerechtigkeit, derdie schwarze Bevölkerung ausgesetzt war (ist) und die als „unzivilisatorisch“ und„barbarisch“ betrachtet werden (Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba,TB 32, 12:00). Bei der Betrachtung (siehe auch nachstehende Abbildung) seinesojúbø wird Ògúns Assoziation mit Metall verdeutlicht: Vorherrschend sind Gegen-stände aus Metall wie das Schwert Ògúns, ein Stück eines Eisenträgers, Eisennägelsowie verschiedene kleinere Werkzeuge. Desweiteren befindet sich neben einemhölzernen Abbild von Ògún eine dreieckige Felsplatte im ojúbø, welche die Weltder Mineralien symbolisiert. Ein hölzerner Mörser dient als Auffangbecken fürflüssige Opfergaben an Ògún wie Öl, Rum und Blut.

271 „Ògún“ bedeutet „Krieg“ auf Yorùbá (Yai 1996:77).272 Siehe auch Kapitel „Schöpfungsmythen“.273 Oft fälschlich als „Himmel“ übersetzt, ørun bedeutet jedoch in Yorùbá „Die unsichtbare

Welt“ (Yai 1996:86).274 „Die Welt“, unsere Erde (Yai 1996:28).

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Abbildung 52: Ògúns ojúbø

Abbildung 53: Detailaufnahme von Ògúns ojúbø

164 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Íangó (Íòngó), Øya, Ô‚un, Oba

In der Organisation „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ wird Íangó auch aufgrund der Tat-sache, daß er drei Frauen hatte, als Òrì‚à der Familie verehrt. Deswegen teilt er dieStätte seiner Verehrung mit Øya, Ô‚un und Oba:275

“In fact I see Íangó as a symbol of family-unity, even if we do not know for sureconcerning the other divinities if they are polygamous, we are sure that Íangó ispolygamous. It is said, that Øya, Ô‚un and Oba were his wives. So he is a symbolto me for family. Especially from that fact that this definition is not eurocentric, itis not nuclear family, or monogamous family. The other shrines have them sepa-rated, I don’t – I keep them as a family” (Interview 1/1997, Oludari Massetungi,mongba, TB 1/16:00).

Øya ist die Òrì‚à des Nigerdeltas und des Windes sowie aller stehenden Gewäs-ser. Sie steht für Liebe und Gerechtigkeit. Øya erfreut sich vor allem bei den weib-lichen Òrì‚à-Anhängern großer Beliebtheit. Ô‚un ist die Göttin des gleichnamigenFlusses Ô‚un in Nigeria. Sie ist ebenso Gattin von Íangó und symbolisiert Sexua-lität, Fruchtbarkeit und die Künste. Während innerhalb dieses ojúbø die Parapher-nalien der weiblichen Òrì‚à eine offensichtlich Íangó untergeordnete Rolle spie-len,276 fallen umso deutlicher Íangós implements auf: Die Doppelaxt kann – imagi-niert man den Griff als Weltachse – als Verbindungsglied zwischen ayé (Links)und ørun (Rechts) betrachtet werden. Die zweischneidige Axt – O‚e Íangó– verdeutlicht die ebenso geistige Grundkonzeption, die seine Person innehat: DieAxt, die in beide Richtungen schlägt, korreliert mit der Unberechenbarkeit seinerEnergie. So bringen ihn auch die Yorùbá mit Jàkúta (der, der die Steine schleudert)in Verbindung: Beide zusammen bilden den personifizierten „Zorn Olódumàrès“(Idowu 1962:93):

„Shangos Erscheinung ist imposant, oft massiv. Er gilt als widersprüchlich, in sichzerrissen, extrem ehrgeizig, anspruchsvoll – er ist das Abbild des Kulturheros –ähnlich wie Prometheus oder Herakles. Er ist der Heros der das Unmögliche will“(Hoffman 1980:113).

Relativ unscheinbar, jedoch von überragender kultischer Bedeutung sind die so-genannten „Íangó-stones“ oder „thunderstones“. Jeder compound hat zumindesteinen oder mehrere verschiedene pierres (thunderstones), von denen man annimmt,daß sie vom Himmel fielen. Sie gelten als die Spitzen oder als Projektile der Blitze,die Íangó auf die Erde schleudert, um die Menschen zu warnen oder zu bestrafen.Frobenius (1923) berichtet über den Mythos und die Herkunft der Steine in West-afrika:

275 Oba, laut Legende die erste Frau Íangós, wird auf Trinidad nicht konkret als Òrì‚à verehrt.Ihre Anwesenheit ist somit nur eine symbolische.

276 Beide Òrì‚à werden durch mit Wasser gefüllte Keramik-Kalebassen und einen hölzernenAnker repräsentiert.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 165

„Schango ist einer der sechzehn Urgötter des Yorubalandes. Er ist der Gott desGewitters, der die Donnerkeile schleudert, deshalb sind die Donnerkeile, in diesemFalle kleine Steinbeilchen neolithischer Form, die weit verbreitet und in großerZahl im Yorubaland gefunden werden, ihm gewidmet“ (Frobenius 1923:149).

Abbildung 54: Íangós, Øyas, Ô‚uns ojúbø

Manfred Kremser beschreibt die Bedeutung der Íangó-Steine bei den Yorùbá:

„Die fundamentale Bedeutung der Shangó-Steine im Hinblick auf die in ihnen resi-dierende und durch sie vermittelte spirituelle Macht läßt sich an den mit Shangóassoziierten Konzepten ablesen. Diese beruhen zum Teil auf einer gründlichen Be-obachtung der Naturgewalten des Blitzes und des Donners. Der Mythologie derYorùbá zufolge lebt Shangó im Himmel und schleudert Donnersteine zur Erde nie-der, indem er diejenigen tötet, die ihn beleidigen, oder ihre Häuser in Brand setzt… wenn ein Haus vom Blitz getroffen wird, werden Shangó-Priester gerufen, umden Donnerstein vom Boden zu entfernen“ (Kremser 1993:209).

Jede chapelle bewahrt eine Sammlung verschiedener solcher Beile. Manchemongba und ìyá glauben, daß für jede Gottheit eine eigene Form von Íangó-Steinen existiert:

“For example, one of this officiates said that Shangó’s stone is shaped like ahatchet or axe, Shakbana’s stone is oblong, Airelee’s has blue and white stripes,Mama Latay’s is blue with dark spots, and Emahnjah’s is white and shaped like anegg” (Simpson 1980:32).

166 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Die Íangó-Steine können prähistorischen Steinbeilen der Arawaks entsprechen,können aber auch unbearbeitete Steine sein, deren besondere Eigenschaften fürAußenstehende nicht durch die Form erkennbar sind. Um festzustellen, ob es sichtatsächlich um einen echten Stein handelt, wird ein Baumwollfaden um den Steingebunden und angezündet; wenn der Faden nicht brennt, handelt es sich um den„richtigen“ Stein (Reasoning Clarence Forde, mongba, El Dorado, Nov. 1995).

Den Íangó-Steinen wird ein Eigenleben zugeschrieben. Manche von ihnen tra-gen auch anthropomorphe Züge. Es gibt solche, die „Brüste“ oder „Ärmchen“ ha-ben. Manche Steine können gehen und wachsen, andere können sogar Kinder ha-ben (Kremser 1993:210). Wenn ein Íangó-Stein in den Boden einfährt, so bleibt erlange Zeit im Boden, bis er „herauswächst“ und ein Auserwählter ihn findet. Findetnun ein Bauer solch einen Stein, wird er ihn auf seine Ernte oder seinen Hausaltarlegen, um in Zukunft einer besseren und größeren Ernte sicher sein zu können. Inmanchen Fällen werden die Steine in den compound gebracht, wo sie auf weißenTellern aufbewahrt werden. Die mächtigsten Steine wurden noch von den Sklavenaus Afrika gebracht, indem sie angeblich die Steine „verschluckten“ und so in ihrenBäuchen „versteckten“:

„Anderen Versionen zufolge wurden sie von Djine-Frauen in die Neue Welt277 ein-geschmuggelt, indem diese die Shangó-Steine ihren Kleinkindern, die sie in einemTuch am Rücken trugen, unter den Popo legten. Diese Praxis ist insofern nichtverwunderlich, liegt ihr doch die Überzeugung zugrunde, daß Shangó-Steine ihreBesitzer auf Reisen beschützen“ (Kremser 1993:210).

Die einzigartige Stellung der Íangó-Steine innerhalb der religiösen Gegenständezeigt sich in der Aufmerksamkeit, die ihnen während des einmal jährlich stattfin-denden feast zuteil wird: Wie Bascom (1950:56f.) auf Kuba beobachtet, müssen dieSteine in regelmäßigen Abständen „gefüttert“ werden, wodurch Kraft, die ihneninnewohnt, erneuert und wieder aufgeladen wird:

“When he acquires his stones, each Santero278 takes an oath to protect them con-stantly and to feed them at least annually. When the saints are fed, the warm bloodof the sacrificial animal is allowed to flow onto the stones. The blood must be‘caliente’ or warm, so that the invisible fluid of the stones may be increased” (Bas-com 1950:65f).

Wie Bascom (1950; 1972) in Kuba beschreibt Simpson den Vorgang auf Trini-dad wo die Steine durch Rituale und Flüssigkeiten wieder aufgeladen werden:

“Ordinarily the feeding consist of pouring olive oil on them, but, in addition, aLeader may arrange such ingredients as the following around an important stone:five slices of Obi seed, five grains of Guinea pepper, and a small quantity of cowsmilk [ … ]. In feeding the stones, presumably one, is feeding the powers symbol-ized by the stones” (Simpson 1980:32).

277 In dieser Version nach St. Lucia.278 Religiöse Führungspersönlichkeit des Santeria auf Kuba.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 167

Ôrúnmìlà (Ifá)

Ôrúnmìlà wird bei „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ durch einen Krug mit Wasser, einenTonteller, eine Rassel (shak-shak) und gebrochene Keramikscherben repräsentiert.Der im Vergleich zu den anderen eher schlicht gehaltene ojúbø täuscht über dieherausragende und bedeutende Rolle, die Ôrúnmìlà innerhalb dieses compoundsinnehat, hinweg.

Nach Yorùbá-Tradition ist das Schicksal der Menschen schon bei der Geburtdurch Olódùmarè vorbestimmt; bei diesem Vorgang ist jedoch Ôrúnmìlà – der auchals ‰lëríí Ìpín („Der Zeuge des Schicksals“) bezeichnet wird – zugegen. Er kannden Menschen helfen, wenn er durch das Ifá-Orakel279 befragt wird. Ôrúnmìlà re-präsentiert die Aufrechterhaltung der Ordnung der Welt sowie Fruchtbarkeit. Als ernach einem Streit mit seinem jüngsten Sohn – Ølõwô – die Erde verließ, herrschtendort Chaos, Krankheit, Hunger und Zerstörung. Um dem ein Ende zu bereiten, er-setzte er sich selbst durch das Ifá-Orakel, um die Kommunikation zwischen Erde(ayé) und der Welt der Òrì‚à (ørun) wieder herzustellen.

Abbildung 55: Ôrúnmìlàs ojúbø

279 Vergleiche Kapitel „Divination“, Seite 178.

168 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Íôpønnà

Íôpønnà ist der Òrì‚à der Seuchen, der Pocken und Hautkrankheiten. Er wird alsÒrì‚à der Krankenhäuser und der Gefängnisse angesehen. Íôpønnà wird als sehrmächtig, in der Interaktion mit den Menschen als aktiv bis aggressiv, aber trotzdemauch hilfreich beschrieben. Oludari Massetungi unterscheidet dabei zwei Grund-haltungen Íôpønnàs: Den sogenannten „hot mode“ und den „cold mode“. Oludaribetrachtet Íôpønnà als historischen Menschen, der von einer Seuche befallen, diesedurch Selbstheilung überwand und sein Wissen an andere Menschen weitergab.Deswegen gilt Íôpønnà neben dem Òrì‚à Ôsányìn als Heiler. Innerhalb seinesojúbø wird Íôpønnà visuell durch einen Besen (sheshe), eine Kalebasse und einenHolzpflock repräsentiert (Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32,32:00).

Abbildung 56: Íôpønnàs ojúbø

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 169

Olókun (Olúkun), Yemonjá

Olókun wird in der Mythologie der Yorùbá als einer der ersten Kolonisatoren derErde angesehen.280 Lange bevor Ògún und Øbàtálá auf die Erde herabstiegen,herrschte Olókun über einen Planeten, der vollständig mit Wasser bedeckt war.Øbàtálás Aufgabe bestand darin, Olókun zu überreden, einen Teil des Wassers inErde transformieren zu lassen, um dort terrestrisches Leben möglich zu machen(Interview 1/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 39, 5:00).

Abbildung 57: Olókuns, Yemonjás ojúbø

Das Geschlecht Olókuns ist umstritten. Auch wenn Oludari Massetungi von derAndrogynität Olókuns überzeugt ist, wird Olókun innerhalb der Organisation„‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ als weiblich betrachtet. Für Oludari Massetungi liegt dieBedeutung Olókuns für die Menschen der Diaspora in der Tatsache, daß viele derOpfer des Sklavenhandels – die Ertrunkenen bzw. die über Bord geworfenen Skla-

280 Vergleiche Kapitel „Schöpfungsmythen“, Seite 173.

170 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

ven – in Olókuns Reich am Grunde des Ozeans ihre letzte Ruhestätte fanden (Inter-view 2/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 40, 16:00):

“We do know that Olókun symbolizes the vehicle in which we use the water me-dium, so we know that a lot of the bones of the ancestors lay in the Atlantic, and wecertainly know that Olókun is an important divinity to us in the Diaspora. And inthe western Diaspora, you have two strong, important centers for Olókun recogni-tion – Olutungi Village in South Carolina – and to my own information – ‘‰gbëOnisìn Elòdùmaré’ in Trinidad and Tobago” (Interview 1/2000, Oludari Mas-setungi, mongba, TB 1, 06:30).

Dieser ojúbø wurde im Jahre 1987 von Chief Dr. Eboho – einem Olókun-Priesteraus Benin – eingeweiht, als dieser zu Besuch auf Trinidad war. Olókuns shrine inOludari Massetungis compound stellt die einzige Verehrungsstätte Olókuns aufTrinidad und Tobago dar. Der ojúbø von Olókun besteht im Wesentlichen aus einerein Quadratmeter großen Betonwanne,281 um welche die einzelnen SymboleOlókuns und Yemønjás angeordnet sind. Auffällig sind ein geschnitztes Holz-brett282 mit sechs eingravierten figuralen Darstellungen sowie ein Holztorso, derOlókun darstellen soll. Ebenso wie ein in Baumwollbänder gewickelter Stab istdieser Torso in ihren Farben gehalten: Rot, Weiß und Blau.

Abbildung 58 und Abbildung 59: Olókun-Festival 2000 in Chagaruamas

281 Im Falle einer „Aktivierung“ wird diese Wanne mit Wasser gefüllt.282 Dieses Brett stammt aus Benin und ist wie eine Messingglocke, die auf der Zeichnung

(Abbildung 57) nicht sichtbar ist, ein Geschenk von Chief Dr. Eboho.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 171

Das „Palais“ („Ilê Mojúba“)

Das palais ist der Ort des Zusammentreffens von Menschen und Òrì‚à.283 Der Ver-sammlungsraum ist ein rechteckiger Bau von ca. sechs mal zwölf Metern Seiten-länge. Die teilweise hüfthohen Seitenwände bestehen aus rohen Brettern, die Sei-tenwände, die geschlossen sind, bestehen in der oberen Wandhälfte aus geflochte-nen Palmstreifen. Das Dach ist – wie auf Trinidad üblich – mit Wellblech gedeckt.An den Wänden im Innenraum befinden sich einfache Bänke aus Holz für die An-wesenden, an einer Stirnseite sind Sitze für die meist drei Trommler angebracht.

Abbildung 60: Das palais (Vordereingang) von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ in Petit Valley / Nord-West Trinidad

283 Vergleiche Kapitel „Die sakralen Zentren der Òrì‚à-Religion auf Trinidad“.

172 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Der rechteckige Bau des palais repräsentiert die vier Himmelsrichtungen – dievier Ecken der Welt. Die beiden Eingangsbereiche gelten als Einzugsbereich derÒrì‚à. Sie werden – wie in Folge beschrieben – von den Menschen nur unter be-sonderen Vorschriften betreten. Während des ¤bø hält sich keiner der Anwesendenlänger im Eingangsbereich auf, um – auch im eigenen Interesse – den ankommen-den Òrì‚à nicht im „Wege“ zu stehen. Die Mitte des Raumes ist durch einen weite-ren ojúbø gekennzeichnet:

Dieser ojúbø erfüllt zwei Aufgaben: Er repräsentiert erstens den wichtigstenÒrì‚à – den sogenannten „main-Òrì‚à“284 – dieses compounds (in diesem FallÒgún) und symbolisiert überdies den Mittelpfosten dieses Raumes; dies ist die ge-dachte horizontale Querachse zwischen der Erde (ayé) und der Welt der Òrì‚à(ørun). Dieser Ort stellt den religiösen Mittelpunkt des palais und der darin stattfin-denden religiösen Handlungen dar. An dieser Stelle werden Opfergaben darge-bracht, die in Form von Blut, Wasser, Rum oder Öl über die Gegenstände, dieÒgún repräsentieren, in die Erde gegossen werden. Ògún wird mit Hilfe eines me-tallenen Blattes einer Harke, Hörnern von ihm zu Ehren geopferten Rindern sowieverschiedener kleinerer metallischer Gegenstände visualisiert.

Abbildung 61: Ògúns ojúbø als symbolischer Mittelpfosten des palais

284 Vergleiche Diagramm 16: „main-Òrì‚à“ der mongba / ìyá bzw. der mit ihnen verbundenencompounds auf Trinidad.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 173

Religiöse Grundinhalte

Schöpfungsmythen – die Rolle des Menschen im Kosmos

Die Welt der Menschen – ayé – war ursprünglich von Wasser bedeckt. Olódumàrèherrschte mit den Òrì‚à in seinem Reich – ørun. Olúkun, der Òrì‚à des Meeres warzu diesem Zeitpunkt Herr über die Erde, die noch nicht von Menschen bewohntwar. Eines Tages hatte Øbàtálá – einer der höchsten Òrì‚à – den Traum, die vonWasser bedeckte Welt in festes Land zu transformieren (Interview 2/2000, OludariMassetungi, mongba, TB 40, 10:00). Nachdem Øbàtálá die Erlaubnis vonOlódumàrè erhalten hatte, seinen Plan in die Tat umzusetzen, wandte er sich anØrúnmìlà, um genaue Instruktionen zur Realisierung seines Vorhabens zu erhalten.Er benötigte eine Handvoll Erde, Samen und eine lange, eiserne Kette,285 um ørunund ayé zu verbinden. Ògún, der Gott des Krieges und des Eisens, war bereit, ihmdiese Kette zu schmieden.286 Seit damals gilt Ògún als Erfinder von Technologienund zivilisatorischen Techniken der Menschen (Interview 2/2000, Oludari Mas-setungi, mongba, TB 40, 11:00; vgl. Palmié 1991:241ff.).

Auf der Erde angekommen wandelte Øbàtálá den Planeten aus Wasser in dieForm um, in der wir ihn heute noch kennen. Danach schuf er aus einer Lehmfigur,der er Leben einhauchte, die ersten Menschen im Auftrag Olódumàrès. Kurz daraufkam es zum Streit zwischen Olúkun und Øbàtálá um die Vorherrschaft über dieErde. Erst ein Mensch konnte den Streit zwischen den beiden Òrì‚à beilegen.Olúkun akzeptierte von nun an Øbàtálá als Herrscher über die Erde (Interview2/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 40, 11:00; vgl. Palmié 1991:241ff.).

In der Definition von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ werden die Menschen im Laufeihres Lebens durch die Weiterentwicklung von orí, dem inneren oder spirituellenKopf, auf eine göttliche Bezugsebene gehoben. Diese Entwicklung ist einerseitsvorbestimmt (siehe Kapitel Divination), und andererseits ist der Ausbau der per-sönlichen charakterlichen Fähigkeiten von großer Bedeutung:

“We belief that the purpose of man here, on planet Earth, is to develop his will andhis character. And also to develop his imagination. The will is that aspect in us thatallows us make choice to be discipline, and imagination is that aspect of us whichallows us to be, like to grow out of nothing, the creative” (Interview 14/1995,Oludari Massetungi, mongba, TB 14, 2:00).

Die Erfüllung des persönlichen Schicksals unter der Zuhilfenahme menschlicherTugenden wie Kreativität oder Disziplin gilt als Daseinszweck des Menschen aufErden. Der Mensch wird in seiner Entwicklung dabei von den Òrì‚à unterstützt.

285 Andere Versionen sprechen von einer goldenen Kette.286 Deswegen wird zu Beginn eines jeden ¤bø Ògúns Schwert (eine Machete) in den Boden ge-

rammt – dies symbolisiert die geöffnete Verbindungskette zwischen der Welt der Menschenund der Sphäre der Òrì‚à. Nach Ende des ¤bø wird das Schwert wieder aus dem Boden gezo-gen.

174 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Die Kräfte der Òrì‚à stehen dem Menschen prinzipiell positiv gegenüber – im Ge-gensatz zu den 201 Ajogún,287 die versuchen, die Menschen negativ zu beeinflus-sen, um sie so von ihrem vorgezeichneten Lebensweg abzubringen:

“In the Òrì‚à belief system there are two classifications of consciousness or forcesof principles: We have Òrì‚à, which are in general terms benevolent, and we haveAjogún which are malevolent. But the Ajogún are really the forces of retardationand deviation away from one’s destiny” (Interview 14/1995, Oludari Massetungi,mongba, TB 14, 5:00).

Dieses Weltbild vom Menschen im Spannungsfeld zwischen positiven und ne-gativen kosmischen Kräften verdeutlicht die Bedeutung der Initiation: Diese istnicht nur das nach außen hin sichtbare Bekenntnis, die Òrì‚à als lebensbestimmen-de und lenkende Kräfte zu akzeptieren; erst die Initiation ermöglicht das Empfan-gen von à‚¤. Dies ist in diesem Kontext insoweit von Bedeutung, als erst durch diewechselseitige Beziehung zwischen dem Individuum und den Òrì‚à von Geben –dem Opfern – und Empfangen – von à‚¤ – der Mensch in die Lage versetzt wird,sich durch Ausgleich und Harmonie den negativen Einflüssen des Lebens und derWelt zu entziehen. Für „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ ist die Initiation gleichbedeutendmit dem Eintritt in die Organisation, die nunmehr von einer starken gegenseitigenBeziehung in Form von Pflichten und Verantwortung zwischen Individuum und derGemeinschaft gekennzeichnet ist:

“Well, in the case of equilibrium toward Elòdùmaré, the initiation would serve sev-eral purposes – like Roman Catholicism and Baptism – it maybe would be an out-ward sign of establishing an internal relationship with the forces and powers of theuniverse – in your special universe – however you define it to be. In our own case,in ‘‰gbë Onisìn Elòdùmaré’, initiation is actually a entry process into the organiza-tion. To a large extent it means to promote a development of an individual level ofconsciousness, but most of what we do in ‘‰gbë Onisìn Elòdùmaré’ is based on acollective consciousness and a collective effort principle, so that initiation actuallyallows you entry into this collective which means responsibilities on both sides ofthe border, responsibilities from the individual to the organization and from the or-ganization to the individual. But very important at the individual level, that meanswhatever is the authorized access to à‚¤ in the organization – so when you becom-ing a member, you will have access to that à‚¤ as well …” (Interview 18/1997,Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 8:00).

Die Verbundenheit zwischen den Menschen und den Òrì‚à manifestiert sich imBewußtsein, Teil eines von Spirits oder der Kraft der Schöpfung durchdrungenenUniversums zu sein. Der Mensch kann sich dessen jedoch als einziges Lebewesenbewußt werden. Während im Alltag das abstrakte Wissen um Herkunft und Be-

287 Die zerstörerischen Kräfte der Natur wie Krieg, Krankheit, Hunger oder Armut. Die Ajogúnwerden bei den Yorùbá generell mit È‚ù assoziiert, sie werden als die negativ balancierendenKräfte des Gleichgewichts der Natur angesehen (Fatunmbi 2001(1):17). Quelle: Awo Yoruba:The Language of Ifa. Glossary of terms used in Ifa divination:http://www.awostudycenter.com/files/PDF/awo1.pdf [19.11.2001].

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 175

stimmung des Individuums als ausreichend erachtet wird, ist im Ritual das konkreteErleben der Energie wesentlich, die den Schöpfungsprozeß auslöste und gleichsamjeden Tag erneuert und so bestätigt wird. Die erlebte Realität stellt also nur einSegment innerhalb eines ganzheitlichen Universums, das von den Òrì‚à erfülltwird, dar. Das bedeutet jedoch nicht, daß die andere, transzendente Welt nicht alsreal angesehen wird. Beide Welten sind ständig durch die Òrì‚à verbunden288 – imRitual wird nur die Unmittelbarkeit hergestellt: Beide Welten beginnen sich füreinen kurzen Zeitraum zu überlappen. Dem Teilnehmer wird so ein „Fenster“ ge-öffnet, durch das er für einen Augenblick auf die Welt als Ganzes blickt und sich soder Prinzipien der Schöpfungsenergie (à‚¤) bewußt wird:

“À‚¤ is such a miniature application of the divine ability to do all things. When Italk about the divine, I talk about the ultimate. Some people define à‚¤ as purepower, basically à‚¤ is the spiritual essence of commence, but it is something, thatconveniently, some aspect of it can be, could be put into a bowl and could bepassed from one thing to another“ (Interview 1/1995, Oludari Massetungi, mongba,TB 1).

Das Konzept, welches à‚¤ zugrunde liegt, ist jedoch ein zyklisches: À‚¤ ist einegrundsätzlich schöpferische Kraft, die aber nicht notwendigerweise Zerstörung aus-schließt: Durch die Zerstörung wird Platz für Neues geschaffen. À‚¤ unterliegt denKreisläufen des Lebens und den Zyklen des Universums, à‚¤ geht daher nie verlo-ren. À‚¤ entsteht erstens durch die Kreation an sich und zweitens durch die Bezie-hung oder die Spannung der Dinge untereinander. Dementsprechend wird der Todeines Menschen nicht als das endgültige Ende der menschlichen Existenz betrach-tet. Oludari Massetungi ist der Auffassung, daß das Bewußtsein des Menschen alsTeil Olódùmarès fest in der Sphäre von ørun verankert ist. Wird ein Mensch gebo-ren, manifestiert sich dieses individuelle Bewußtsein als Teil einer umfassenderenuniversellen Daseinsform in seinem Körper auf der Erde. Der Mensch wird als Gastauf Erden gesehen, seine Pflicht ist es, die Aufgaben, die seinem Lebensweg schonin der Welt der Òrì‚à – ørun – mitgegeben wurden, in deren Sinne zu erfüllen.Stirbt der Mensch, wird dies als Reise an den Ort der Herkunft definiert:

“Death, we see as a transition – if you look at life – one could look at it as a straightline or as a circle – depending how you want to see it, in which death is not theterminal point – the final point. For example, theologically we describe the uni-verse having a realm of heaven – ørun – in which all manifested consciousnessdwells – which are human beings which are going to incarnate, take a body, have adestiny, have a family. So we feel that your own journey on Earth is classroom de-velopment – development of personality, character, imagination – a development ofperfection of these attributes” (Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba,TB 32, 12:00).

288 Vergleiche Abbildung 44: Weltbild der Yorùbá und seine Korrelation mit dem Òrì‚à-compound, Seite 126.

176 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Der zyklische Aspekt dieser Weltanschauung289 offenbart sich in der Tatsache,daß der Tote – der nunmehrige Bewohner von ørun – in unterschiedlicher Art undWeise auf das Leben und die Menschen der Erde Einfluß zu nehmen vermag bzw.imstande ist, auf diese zurückzukehren: Eine Möglichkeit besteht darin, als Kind imKörper eines nahen Verwandten wiedergeboren zu werden. Manche der Ahnen, dienicht wieder als Säugling auf die Welt der Menschen kommen – die sogenanntenegún-gún – werden im Rahmen eigener religiöser Zeremonien als individuelle oderkollektive Leitbilder, die höchsten Respekt genießen, verehrt. Dadurch versichertsich das soziale wie religiöse Kollektiv auch des Beistandes und Rates dieser Be-wohner von ørun:

“We feel that in the beginning this is where all the life started – in the realm oførun, we believe – or we know from our own experience, that – after a person in-carnates, because there are several things that we use to verify that human beings orbeings of consciousness come by through birth – but this is not their first appear-ance in the order of things … there are several examples of things people have done[before on Earth], right? And that in the final analysis, your actual space of opera-tion would be in the realm of ørun, and so we view at death at a transition point thatwill return you into the realm of ørun. But if you look at it from a cyclic point ofview, to a large extent, you are invited back to Earth – becoming an ancestor – youare now invited to come and serve [the community] …” (Interview 18/1997, Oluda-ri Massetungi, mongba, TB 32, 14:00).

Ein egún-gún ist die Verkörperung der Seele einer verstorbenen Person, die vomHimmel (ørun) bzw. der Spirit World herabsteigt, um ihre Kinder zu besuchen.Deswegen wird diese materialisierte Seele auch als ara ørun (Bürger von ørun – dieunsichtbare Welt) bezeichnet. Stirbt der letzte Verwandte des egun-gun, hört auchdieser zu existieren auf (Awolalu 1979:65).

Ein egún-gún wird deswegen auch als living dead bezeichnet, da ein verstorbe-ner Verwandter aktiv in das Leben der Zurückgebliebenen eingreifen kann: Er kannsich in Träumen, an einsamen Orten oder nachts offenbaren – sei es, um zu be-schützen, zu warnen oder zu bestrafen. Die Verwandten feiern deswegen einmaljährlich ein Erinnerungsfest (egún-gún anniversary pilgrimage), um des Toten zugedenken. Dabei werden seine Handlungen und sein Leben singend und tanzend

289 Die Seele der Ahnen erfüllt in den westafrikanischen Kulturen eine wichtige Funktion: Sieüberschreitet die Grenzen von Zeit und Raum und verbindet auf diese Weise das Individuumsowohl mit der Vergangenheit (den Ahnen), als auch mit der Zukunft (den Nachfahren): „DieKulturen Westafrikas sehen in der menschlichen Gemeinschaft eine Realität, die das raum-zeitliche Fortbestehen nicht im Chaos untergehen läßt. Diese Überzeugung verstärkt dieBeziehung des Einzelnen zu seiner Gemeinschaft insofern, als er sich eng mit ihr verbundenfühlt. Aber es handelt sich nicht nur um die Gemeinschaft der Lebenden in einem Abschnittvon drei oder vier Generationen. Denn die Gemeinschaft der Lebenden, die das Zentrum derreligiösen Weltvorstellungen einnimmt, umfaßt zugleich die Ahnen, die vorausgingen und dieweiterhin die Gemeinschaft der Lebenden tragen und schützen – ebenso wie die Nachkom-men, die virtuell schon in den Lebenden anwesend sind und garantieren, daß die Gemein-schaft über den Tod hinaus fortbestehen wird“ (Mbiti 1976:221,222).

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 177

rezitiert und verschiedene Speiseopfer dargebracht (Elder 1969:6; 1988). Die Gei-ster der Ahnen leben an einsamen Orten im Wald oder an markanten topographi-schen Plätzen. Eine zentrale Bedeutung als Heimstätte der Ahnengeister kommtdem Silkcotton-tree290 zu, den man oft als riesigen, einsamen Baum auf den Fried-höfen Trinidads und Tobagos findet (vgl. Kment 1996).

Abbildung 62: Silkcotton-tree

290 [Ceiba pentandra (L.) Gaertn.]:http://www.flmnh.ufl.edu/anthro/caribarch/Ceiba.htm [28.06.2003].

178 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Divination

Die Òrì‚à-Religion betrachtet – wie alle afroamerikanischen Religionen westafri-kanischen Ursprungs – das Schicksal des Menschen von dessen Geburt an für vor-bestimmt. Divination ist innerhalb einer westafrikanischen Kosmologie wenigereine Methode der Zukunftsbestimmung oder hat die Funktion eines Horoskops. DieDivination mittels der unterschiedlichsten Techniken ist eine Methode, den Wün-schen der Òrì‚à zu entsprechen oder eine Entscheidungshilfe in schwierigen Situa-tionen291 zu erhalten. Durch Divination wird ebenso die Art und Ursache einer Dis-sonanz mit den Òrì‚à festgestellt. Die Art und Beschaffenheit des Ausgleichs oderder „Versöhnung“ mit der übernatürlichen Welt durch ein Opfer (¤bø) wird eben-falls durch die verschiedenen Divinationstechniken bestimmt (Abimbola 1994;Bascom 1942):

“Divination is the key, because when the odùs292 come up they will tell you theÒrì‚à to go to and which ¤bø you should make. If you should make an ¤bø. So thisis the way how you will really come to the divinity” (Interview 14/1995, OludariMassetungi, mongba, TB 14).

Die Weissagungssysteme korrelieren mit dem Aufbau der Welt der Yorùbá. DieGliederung des Weltbildes und die damit verbundene Betrachtungsweise der Erdekonstituiert sich aus den vier Himmelsrichtungen und 16 Hauptgöttern (vgl. Frobe-nius 1923:13). Diese strukturieren und repräsentieren die Ordnung der Welt. Somitsind die verschiedenen Divinationssysteme immer numerisch an ein Vielfaches vonvier gebunden.

Ôrúnmìlà symbolisiert als Òrì‚à die Aufrechterhaltung dieser Ordnung undStruktur der Welt, da er – wie die Mythen der Yorùbá erzählen – den Menschenbeim Verlassen der Erde das System von Ifá293 hinterließ, damit nicht Unordnungund Chaos herrschen. Das Verhältnis von Ôrúnmìlà und Ifá ist jedoch nicht ein-deutig geklärt. Mache mongba / ìyá sind der Ansicht, daß es sich um unterschiedli-che Òrì‚à handelt. Gegenwärtig werden auf Trinidad zumeist die Òrì‚à Ôrúnmìlàund Ifá personell gleichgesetzt und als ein Òrì‚à in unterschiedlichen Manifestatio-nen gemeinsam verehrt:

“Ôrúnmìlà is properly the Yorùbá god of divination and represents the principles oforder in the universe. The four points of the compass represent this order, and themotive of egigun meerin ayé (die vier Ecken der Welt) not only recurs in Yorùbáprayers and invocations, but offerings to the Òrì‚à are first lifted heavenward and

291 “No serious decision is made without consulting Ifa, the oracle of divination, named after thedeity who controls it” (Bascom 1942:41f.).

292 Ein bestimmtes Wurfmuster der Obi-Samen oder Kaurimuscheln, das auf die einzelnen Textevon Ifá Bezug nimmt.

293 Die Texte von Ifá beinhalten eine immense Menge an Traditionen. Ifá ist in 256 Kapitel un-terteilt, die jeweils aus etwa 600-800 Gedichten und Versen bestehen. Die gesamteTextsammlung besteht somit aus über 200.000 einzelnen Gedichten. Dies ist eine Menge, diemehrere 100 Bücher füllen würde (Abinbola 1994:102).

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 179

then pointed to the four cardinal poles before being placed on the Òrì‚à ground al-tar” (Warner-Lewis 1991:132).

Es gibt verschiedene Arten, Befragungen der Òrì‚à durchzuführen. Dabei wer-den Kauri-Muscheln oder obi-Samen294 verwendet. Allen Befragungstechniken istgemeinsam, daß es sich dabei um ein binäres System handelt: Das Ergebnis stelltsich über die Lage nach dem Wurf dar: Entweder „oben“ oder „unten“, wie imFalle der Kolanüsse oder „offen“ oder geschlossen“ im Falle der Kaurimuscheln.Es werden entweder vier, acht, oder 16 – 16 Kauris gelten aufgrund der höherenKombinationsmöglichkeiten als präziseres Instrument – gleiche Elemente für dieDivination verwendet.

„Obi-Seeds“

Bei den sogenannten obi-seeds handelt es sich um die reifen Samen der Kolanuß,die unter Druck aufgrund der natürlichen Perforation der Frucht in vier annäherndgleiche, spaltenförmige Teile zerfallen. Der an der Spitze befindliche Keimlingwird in das Erdreich innerhalb des shrines des zu befragenden Òrì‚à gesteckt. UnterAnrufung von Ôrúnmìlà werden nach gebetartiger Formulierung des Anliegens die-se in knapper Höhe über dem ojúbø geworfen. Unmittelbar nach Beendigung derBefragung wird dem betreffenden Òrì‚à ein kleines Opfer dargebracht (Interview14/1995, Oludari Massetungi, mongba, TB 14).

„Dilogun“ – Die Kauris

Die Kaurimuscheln werden an der Seite, an der sie eine kleine Ausbuchtung haben,abgesägt oder abgefeilt. Dabei entsteht eine flache Scheibe, die auf der einen Seitegeschlossen ist, auf der anderen Seite jedoch ein Loch aufweist. Das Loch wirdauch als „Mundöffnung“ der Götter bezeichnet. Der mongba oder die ìya nimmtnun vier oder acht Stück dieser Muscheln und wirft sie oberhalb einer Reisstroh-matte in die Luft. Der Vorgang wird viermal wiederholt, aus der Lage der einzelnenMuscheln zueinander und der Seite, auf die sie fielen (Loch oder geschlossen) wirddas Schicksal des Probanden abzulesen versucht (Reasoning Clarence Forde,mongba, El Dorado, Aug. 1994).

„Chain of Ifá“

Es werden acht (16) Stück der bereits besprochenen obi (Kolanuß) oder Kaurimu-scheln an einer Schnur aufgefädelt. Die Kette wird in der Mitte halbiert, so daß sichjeweils vier Stücke gegenüber befinden. Hier ist wiederum die Lage und die Positi-on der einzelnen Elemente für die Weissagung ausschlaggebend (Reasoning Cla-rence Forde, mongba, Aug. 1994).

294 Kolanüsse.

180 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Die Würfe der „Obi“ / der Kauris

Die einfachste und am Häufigsten angewendete Form der Divinationstechniken derÒrì‚à-Religion auf Trinidad stellt der einmalige Wurf mit vier Kaurimuscheln odervier Kolanüssen dar. Die für die Befragung günstigsten Würfe sind entweder Alafia– vier „offene“ Kauris – oder Ejife – je zwei „offene“ und zwei „geschlossene“Muscheln. Beide Würfe versprechen ein positives Gelingen und repräsentieren dieuneingeschränkte Zustimmung der Òrì‚à zum Gegenstand der Befragung. Im Ge-gensatz dazu symbolisieren vier „geschlossene“ Muscheln (Oyecun) die vollständi-ge Ablehnung des Ansinnens seitens der Òrì‚à (Interview 14/1995, Oludari Mas-setungi, mongba, TB 14).).

Tabelle 16: Die Würfe der Obi / der Kauris295

Kauris Bedeutung Kauris Bedeutung

Alafia296

Ja

Frieden, Weisheit,klares Denken führtzu einer positivenLösung.

Ocana297

Nein

Etwas fehlt, even-tuell Überprüfungder Fragestellung.

Itagua298

Ja

Widerstand, per-sönliche Anstren-gung vonNöten, ev. ein Op-fer erforderlich.

Oyecun299

Nein

Schwierigkeiten,Tod, eventuell be-antwortet keinOrisha, sondern einegún-gún.

Ejife300

Absolutes Ja

uneingeschränkterErfolg. KeineSchwierigkeiten zuerwarten.

295 Quellen: (Interview 1/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 15).296 àlàáfíà = Friede (Yai 1996:22).297 ôkan = eins (Yai 1996:84).298 itá = drei (Yai 1996:51).299 Ôyêcún = das „zweite“ Odu (Yai 1996:88).300 èjì = zwei (Yai 1996:34).

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 181

Die erweiterten Würfe der „Obi“ / der Kauris

Tabelle 17: Die erweiterten Würfe301

Alafia Meji302

Ja

Frieden, Weisheit,klares Denken führtzu positiv. Lösung.

Itagua Alafia

Ja

Etwas Widerstand,Erfolg steht bevor.

Alafia Itagua

Ja

Widerstand, pers.Anstrengung, ev.Opfer erforderlich.

Itagua Meji

Ja

Große Hindernisse,hohe pers. Anstren-gungen erwartet.

Alafia Ejife

Absolutes Ja

UneingeschränkterErfolg

Itagua Ejife

(Ja)

Opfer erforderlich,dann eventuell gün-stige Aussichten.

Alafia Ocana

(Nein)

Unklare Situation,nicht alle Wider-stände ausgeräumt.

Itagua Oyecun

Nein

Die Person stehtsich selbst im Weg.

Alafia Oyecun

Nein

Keine raschen Ver-änderungen, Hin-dernis bleibt beste-hen.

Itagua Alafia

Klares Nein

Gefahr, absolutesNein, Aufgabe er-forderlich.

301 Quelle: Interview 1/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 1/22:00.302 méjì = zwei (-mal) (Yai 1996:71).

182 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Tabelle 18: Die erweiterten Würfe (Teil 2)303

Ejife Alafia

Ja

Der Weg ist offen.

Ocana Alafia

Unentschieden

Hindernisse even-tuell kann ein Opfersie beseitigen.

Ejife Itagua

Ja

Der Weg ist offen,persönlicher Ein-satz erforderlich.

Ocana Itagua

Nein

Keine rasche Lö-sung, Geduld erfor-derlich.

Ejife Meji

Absolutes Ja

Keine Schwierig-keiten zu erwarten.

Ocana Ejife

Ja

Lösung möglich,aber Vorsicht!

Ejife Ocana

Unentschieden

Hindernis, eventuellkann Opfer sie be-seitigen.

Ocana Meji

Nein

Ejife Oyecun

Nein

Etwas stört, eventu-ell war Frage nichtrichtig gestellt.

Ocana Oyecun

Absolutes Nein

Alles verschlossen.Aufgabe erforder-lich.

Oyecun

Absolutes Nein

303 Quelle: Interview 1/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 1/22:00.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 183

„Food“ – Die „Nahrung“ der Òrì‚à

Das „Ernähren“ der Òrì‚à entspricht im reziprok gedachten Verhältnis zwischenden Menschen und den Òrì‚à dem Anteil des Menschen an der Aufrechterhaltungdieser Beziehung. Dieser Vorgang muß in regelmäßigen Abständen durchgeführtwerden; auf Trinidad waren meine Interviewpartner der Meinung, daß dies zumin-dest einmal jährlich stattfinden sollte, um von einer „ordentlichen“ Beziehung zwi-schen Menschen und Òrì‚à sprechen zu können. Vor jedem ¤bø wird das Orakelvon Ifá befragt, um den Anforderungen des jeweiligen Òrì‚à zu entsprechen; dieBefragung kann sich auf die allgemeine Art und Weise des Opferns oder auf diespezifische Durchführung des ¤bø beziehen. Generell unterscheidet die Òrì‚à-Religion Trinidads zwischen dem sogenannten dry food und den Tieropfern. Dasdry food beinhaltet alle Opfergaben außer Blutopfer wie Öl, Rum, Bohnen, Reis,Wasser, Obst und Feldfrüchte. Jedem Òrì‚à werden bestimmte, genau festgelegteSubstanzen und Tiere, die sich an der Natur des Òrì‚à und an Form und Anlaß des¤bø orientieren dargeboten:

“Each substance is a message in itself. And depending what you do, dependingwhich Òrì‚à you are going to face, depending what you use for the salutation” (In-terview 2000/4, Oludari Massetungi, mongba, TB 4/3:30).

„‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ betrachtet die Gaben an die Òrì‚à in einem erweiter-ten Kontext: Jede Form menschlicher Hingabe und Darbietung von Energie an dieÒrì‚à wird als Opfer bewertet. Oludari Massetungi zählt hierzu die Zeit, welche einMensch in die Òrì‚à investiert, die Gesänge und Gebete im rituellen wie profanenUmfeld, das gemeinsame Trommeln im palais, aber auch andere Formen der „Spei-sen“ der Òrì‚à wie Getränke- und Rauchopfer:

“For me, I don’t see ¤bø only from the point of view of animal-sacrifice, I see itfrom drinks, smoke, energy, time, song, dance, prayer commitment, all … it is en-ergy, whatever activity you are doing. I look at it from an energy point of view –committed to the Òrì‚à, if you beat the drum – but what you are actually doing is totake the energy of the drums for the exaltation of the Òrì‚à” (Interview 1/1997,Oludari Massetungi, mongba, TB 32/13:00).

Abbildung 63: Macheten zur Opferung von Tieren für die Òrì‚à

184 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

„Dry Food“

Als dry food werden alle „Speisen“ der Òrì‚à bezeichnet, die keine Blutopfer sind.Gewöhnlich werden sämtliche auf der Insel verfügbaren und eßbaren304 Früchteund Gemüsesorten den Òrì‚à angeboten. Die Praxis des Opferns von Feldfrüchtenist gegenüber der Anzahl der Tieropfer allerdings bei den einzelnen compounds aufTrinidad relativ selten anzutreffen. Die Tatsache, daß die Darbietung von dry foodbei ‰gbë Onisin Elùdùmaré häufig geschieht, liegt wohl in der Oludari Massetungiseigenen Betrachtungsweise dieser Opfergaben:

“… Because even if you sacrifice a vegetable – as far as we concern it – it is ablood sacrifice too, because you use the plasma – the life-force – of the plant” (In-terview 2/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 16, 08:30).

Innerhalb der Kategorie des dry food haben jedoch einzelne Elemente aufgrundihres hohen Symbolgehalts eine große Signifikanz im religiösen Kontext. Dies sindobi-Samen, Rum, Öl, Pfeffer, Salz, Zucker, Reis und Bohnen. Sie sind fixer rituel-ler Bestandteil jeder religiösen Handlung innerhalb der Òrì‚à-Religion Trinidads –ungeachtet der unterschiedlichsten Interpretationen einzelner mongba und ìyá (Vi-deo 1/2000; Oludari Massetungi, mongba, 1:30:00; Fatunmbi 2001305).

Pfeffer (ata) bedeutet im rituellen Kontext Stärke, Virilität und Willenskraft.Zucker hat zwei Bedeutungen: Einerseits symbolisiert er die negativen historischenErfahrungen der Afrikaner mit dieser Pflanze, andererseits die Freuden und die Sü-ße des Lebens. Reis und Bohnen (ìrësì) werden als Zeichen der Fruchtbarkeit unddes Überschusses gedeutet. Kola-Nüsse (obi) sind das Zeichen der Weisheit undder Kommunikation – der Interaktion zwischen den Menschen und der Welt derÒrì‚à306 (Video 1/2000; Oludari Massetungi, mongba, 1:30:00; Fatunmbi 2001307).

Wasser (omi) und Feuer – durch die Sonne repräsentiert – werden als die we-sentlichen Elementarkräfte betrachtet, ohne die Leben auf der Erde nicht möglichwäre. Wasser steht für Regeneration – auch unter dem spirituellen Aspekt – undFruchtbarkeit. Das Verschütten von Wasser bedeutet daher immer das symbolischeFließen von (Lebens-) Kraft zwischen Mensch, Natur und Òrì‚à. Öl308 (epo) undRum werden in einem ähnlichen Kontext betrachtet, gelten jedoch als intensivereund „schwere“ Flüssigkeiten (Video 1/2000; Oludari Massetungi, mongba, 1:30:00;Fatunmbi 2001).309

304 Die Früchte werden nach Beendigung der Zeremonie vom shrine-head verteilt und von denTeilnehmern verzehrt (Video 1/2000; Oludari Massetungi, mongba, 1:30:00)

305 (Fatunmbi 2001). Quelle: Awo Yoruba: The Language of Ifa. Glossary of terms used in Ifadivination: http://www.awostudycenter.com/files/PDF/awo1.pdf [19.11.2001].

306 Vergleiche Kapitel „Divination“, Seite 177.307 Wie Fußnote 305.308 Auf Trinidad wird statt rotem Palmöl – wie in Westafrika – Olivenöl verwendet, da Palmöl

auf Trinidad weder angebaut noch importiert wird.309 Wie Fußnote 305.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 185

Blutopfer

In einem Weltbild, das zyklisch und reziprok angelegt ist, geht nichts verloren:Was der Mensch gibt, hält einerseits den Kreislauf der Welt aufrecht und kommtandererseits wieder zurück. Anders ausgedrückt: Um Leben zu empfangen, gibtman Leben und man empfängt Leben, um es zu geben (vgl. Kremser 1993:211).Der ausgleichende und balancierende Effekt des Opferns wurde im Laufe diesesBuches schon mehrfach erwähnt. Ein ¤bø schafft Harmonie zwischen dem Men-schen und seinem Schöpfer, ein Gleichklang, der für das Überleben des Individu-ums und der Gruppe essentiell ist:

“Basically a lot what we do in the practices (¤bø) is heal self – so get self in equi-librium, self would be inclusive of the equal system, the environment around you,speaking in general, social environment, too” (Interview 1/1995 Oludari Mas-setungi, mongba, TB 1, 10:00).

Jedem Òrì‚à werden nur bestimmte Tiere als Opfergaben angeboten. Es ist nachden ungeschriebenen Regeln der Òrì‚à-Religion Trinidads nicht gestattet, das selbegeopferte Tier unter verschiedenen Òrì‚à aufzuteilen. So werden für Ogún Ziegen-böcke sowie rot- und weißgefiederte Hähne geopfert. Íangó erhält Hähne, Schafe,Ziegenböcke, Widder oder Ochsen. Zu Ehren Obàtálás werden weiße Tauben undweiße Ziegen geopfert. È‚ù werden schwarze Hühner und Hähne oder dunkelfarbi-ge Ziegen und Schafe dargeboten. Øya wird ausschließlich Geflügel jeder Art undbeliebiger Farbe des Gefieders geopfert. Weiße Hennen, Schafe, Kühe und Ziegenstehen im Zeichen Ø‚uns. Yemønjá, der Òrì‚à des Meeres, wird bei den Gabenauch ihrem Naturell entsprochen: Schildkröten, aber auch Gänse und Ziegen wer-den ihr dargebracht; einzig für Ôrúnmìlà (Ifá) werden auf Trinidad keine Blutopferzelebriert. Seine „Nahrung“ besteht aus dem Keimling und den Früchten der Kola-nuß (Houk 1995:145)

Zumeist werden nur bestimmte Körperteile der Opfertiere den Òrì‚à übergeben.Dieser Vorgang findet entweder durch das Hinzufügen oder Verbrennen dieserTeile am ojúbø des jeweiligen Òrì‚à statt. In der Regel handelt es sich dabei um dieHörner, die Hufe, die Köpfe oder – im Falle von Vögeln – um die Federn undKrallen dieser Tiere. Die Haut der geopferten Tiere wird sorgfältig abgezogen, mitSand gegerbt, getrocknet und für die Bespannung der im Ritual verwendetenTrommeln benutzt. Die Tiere müssen mit einem einzigen Schlag geköpft310 werden(vgl. auch Kremser 1987:133-136; Kremser 1993a:92). Der abgetrennte Kopf wirdauf einen Teller im palais gelegt und später am perogun verbrannt. Der restlicheKörper wird am nächsten Vormittag zerlegt und zum Verzehr in der nächstenNacht weiterverarbeitet.

310 Das Köpfen ist vor allem bei den größeren Tieren wie Schafe, Ziegen und Stieren eine sehrverantwortungsvolle Tätigkeit, die viel Konzentration und Kraft erfordert. Gelingt das Ab-trennen des Kopfes nicht mit einem einzigen Schlag, ist das Opfertier wertlos.

186 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

„Oríkì“ – Die Lieder der Òrì‚à

Die Lieder für die einzelnen Òrì‚à – die oríkì – werden als ein bedeutendes Mittelder Kommunikation mit den Òrì‚à angesehen. Oludari Massetungi weist aber auchauf die in den Texten enthaltenen historischen Informationen hin, da den oríkì be-stimmte örtlich und zeitlich festgeschriebene Handlungen oder Erlebnisse von Per-sonen (Òrì‚à) zugewiesen werden können.311 Es werden – kongruierend mit demAblauf des ¤bø – folgende Gruppen von Liedern unterschieden: Oríkì des Herbeiru-fens, des „Arbeitens“, der Unterhaltung312 und der Verabschiedung der einzelnenÒrì‚à.

“One Òrì‚à has nine different songs, one Òrì‚à Spirit have about nine differentsongs for himself. Songs for him to work, songs for him to pleasure, songs for himto do most things – whatever kind of work he doing – you have the different songsfor that. So when he come, you sing whatever song he want, you sing it for him …He just tell you what song to sing” (Interview 17/1997, Fitzgerald Harry, mongba,TB 31, 18:15).

Allgemein wird angenommen, daß das Singen der Lieder jede Form der Interak-tion mit den Òrì‚à begünstigt und eine Form von wechselseitigem Energietauschgeneriert:

“Well, oríkì just have power, because we are talking about words, that impact thehuman being by vibration, because Òrì‚à sacred and Yorùbá sacred sciences saythat all things are interconnected and interrelated and every act upon that will im-pact on the universe. In addition to the physiological aspect of vibration, there isalso the motive or spiritual aspect of it, and if your intent is positive, and you em-ploy vibrations that will set up something to be receptacle positively – yes, it haspower in itself” (Interview 1/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 39, 00:10).

Øya

Yemi Øya! Ye Øya, ye Øya …

Yemi Øya, yemi Øya!Yemi Øya, yemi Øya …Yemi Øya, yemi Øya!Ôkàrá-Akàlá ni yemi Øya … yemi Øya!Ôkàrá-Akàlá, yemi Øya, yemi Øya!Àkàlà mà gbo ní, yemi Øya, yemi Øya …

Meine Mutter – Øya!

O Øya, o Øya …Øya, meine Mutter, Øya, meine Mutter …Øya, meine Mutter, Øya, meine Mutter!Ôkàrá-Akàlá ist meine Mutter Øya …Øya, meine Mutter, Øya, meine Mutter!Àkàlà mà gbo ní ist meine Mutter, Øya,meine Mutter, Øya, meine Mutter!

311 Vergleiche die folgenden Liedtexte der nächsten Kapitel.312 Diese Gruppe stellt den mit Abstand quantitativ größten Anteil.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 187

Yemønjá

Àfëêrí lólò

Àfëêrí lólò …Koria, koria!

Yemønjá àfëêrí lólò …

Koria, koria!Àfëêrí kokò …Koria, koria!

Yemønjá àfëêrí kokò …

Wir waren unsichtbar

Ein Zauber für Unsichtbarkeit wurdeangewendet …Wir waren unsichtbar, wir warenunsichtbar!Yemønjá sprach den Zauber derUnsichtbarkeit …Wir waren unsichtbar, wir warenunsichtbar!Der Wolf konnte uns nicht sehen …Wir waren unsichtbar, wir warenunsichtbar!Yemønjá sprach den Zauber derUnsichtbarkeit …Wir waren unsichtbar, wir warenunsichtbar!

Íangó

Íangó, aládò-Ìyè!

Íangó, wø àdó-oníyè …aládò-Ìyè!Øbalúfê, Íangó,wølê lø e …aládò-Ìyè!Aládò-Ìyè!Øbalúfê, Íangó,wølê lø e …aládò-Ìyè!Øbalúfê, Íangó,wølê lø e …aládò-Ìyè!

Íangó, ni fêrêkùn fë

Ye ni fêrêkùn fë êrù la fi ndá bára wa.

Yé é é!O ni Íangó d¤wà nù …

O hé e O hé mimô o!

Íangó, Träger des schützenden Amuletts!

Íangó trägt das Amulett, das beschützt!

Íangó, König von Ife!Der Besitzer des schützenden Amuletts –Íangó hat die Erde betreten, der Besitzer desschützenden Amuletts...!Der König von Ife, Íangó, hat die Erdebetreten … Der Besitzer desschützenden Amuletts!Der König von Ife, Íangó, hat die Erdebetreten … Der Besitzer desschützenden Amuletts!

Íangó blitzt so schnell wie ein Leopard

Waffen schleudernd (blitzend),so schnell wie ein Leopard, wir Menschenstellen unseren Mut immer wieder auf dieProbe.Achtung!Du sagtest, daß diese Linsen zu Íangógehören …Wenn du sie aufhebst, bekommst duSchwierigkeiten!

188 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Ìbà Ilà mëfà

Ibà Ilà mëfà …

Mëfà, mëfà!Ìbà Ilà mëfà …

Íangó, mëfà

Ìbà Ilà mëfà …Àdá, mëfà!

‰ má bú Íangó!

Íangó na n bú yí o e e!‰ má bú Íangó oe e e!Àrirà amì o, a mìo e e e!

Íangó, bàbá jëri í o!

Bàbá jëri í o, o morelé …Íangó, a pèsè!

Bàbá jëri í o, Bàbá morelé …Íangó, a pèsè!

Anerkennung d. tradition. Tätowierungen

Die Anerkennung der sechs traditionellenTätowierungen …Sechs mal sechs!Die Anerkennung der sechs traditionellenTätowierungen …Sechs Zeichen der Anhänger von Íangó!Die Anerkennung der sechs traditionellenTätowierungen …Sechs Macheten!

Beleidige Íangó nicht !

Schau’, wie Íangó beleidigt wird!Beleidige Íangó nicht!Der Donner wird rollen – er wird ganz sicherrollen!

„Vater“, Íangó, bitte sei mein Zeuge!

„Vater“, bitte sei mein Zeuge, ich gehe nachHause … Íangó wird sich kümmern!„Vater“, bitte sei mein Zeuge, „Vater“, ichgehe nach Hause …Íangó wird sich kümmern!

Ògún

Ògún béèrè mi o

Ògún béèrè mi o, Ògún béèrè …Awá o, àwa ømødé ømøø-pangele.Ògún béèrè, awá o!

Ògún fragt nach mir

Ògún fragt nach mir, Ògún fragt …Wir sind gekommen, wir schwachen (hilflosen)Kinder.Ògún fragt nach uns, wir sind gekommen!

Ògún ró‚ø kò balê I

Ògún ró‚ø kò balê …A‚ø ìjê l’ Ògún ró.A‚ájú Ògún o …A‚ø ìjê l’ Ògún ró.Bàbá olówó …A‚ø ìjê l’ Ògún ró.A‚aju Ògún o …A‚ø ìjê l’ Ògún ró.Bàbá olówó …A‚ø ìjê l’ Ògún ró.

Ògún band ein kurzes (Stirn-)Tuch

Ògún band ein kurzes Tuch …Ògún trug ein blutiges Tuch(Heer-) Führer in Kämpfen …Ògún trug ein blutiges Tuch.Besitzer von Reichtümern …Ògún trug ein blutiges Tuch.(Heer-) Führer in Kämpfen …Ògún trug ein blutiges Tuch.Vater von Kindern …Ògún trug ein blutiges Tuch.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 189

Ajá Ògún

Ajá Ògún wá dùn ma epa.Ajá mi, ajá wá sin Ìmølê!

Ògúns Hund

Ògúns Hund ist es wert,geopfert zu werden.Mein Hund, komm’ und diene Ìmølê!

Ìjà òmìnira …

Ìjà òmìnira …Ìjà òmìnira!Ìjà olugun de …Ìjà òmìnira!Ìjà mòdé o …Ìjà òmìnira!Ìjà òmìnira …Ìjà òmìnira!

Kampf (Krieg) um Unabhängigkeit

Kampf um Unabhängigkeit …Kampf um Unabhängigkeit!Der Kampf der Krieger ist im Gange …Kampf um Unabhängigkeit!Der Kampf ist da …Kampf um Unabhängigkeit! Kampf umUnabhängigkeit …Kampf um Unabhängigkeit!

Jagun-Jagun l’ónbô!

Jagun-Jagun l’ónbô …Jagun-Jagun l’ónbô!Jagun-Jagun l’ónbô …Jagun-Jagun l’ónbô!A‚¤gun ohungbogbo l’òdi ògbó …Jagun-Jagun l’ónbô …Jagun-Jagun l’ónbô!

Der Krieger kommt!

Der Krieger kommt …Der Krieger kommt!Der Krieger kommt …Der Krieger kommt!Der, welcher die stumpfe Seite der (Kriegs-)Axt benutzt, um gnadenlose Hiebe zu schlagenDer Krieger kommt … Der Krieger kommt!

Ògún onírè

Ògún onírè …Agbéléjà gbéléjà!Ògún onírè!Agbéléjà bàbá!Ògún onírè …Agbéléjà gbéléjà …Ògún onírè!

Ògún, König von Irè

Ògún, König von Irè …Einer, der kämpft, ohne sein Heim zu verlassen!Ògún, König von Irè …Vater, der kämpft, ohne sein Heim zu verlassen!Ògún, König von Irè …Einer, der kämpft, ohne sein Heim zu verlassen!Ògún, König von Irè!

Carantal re Ògún

Carantal re Ògún,Carantal …Eré orò ni Ògún,Carantal re …Carantal re Ògún,Carantal …Eré orò ni Ògún,Carantal re …

Das ist Carantal, Ògún

Das ist Carantal, Ògún …Carantal …Das ist ein Fest für Ògún in Carantal …Das ist Carantal,Ògún …Carantal …Das ist ein Fest für Ògún in Carantal …Das ist Carantal …

190 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Die Trommeln

Die religiösen Aktivitäten von Òrì‚à auf Trinidad sind in Bezug auf die verwende-ten Instrumente im Wesentlichen durch den Gebrauch unterschiedlicher Trommelngekennzeichnet. Dabei kommen mindestens drei verschiedene Trommeln zum Ein-satz: Die Bo (oder Bembe) – die Basstrommel – die Ialu, die mittlere Trommel –sowie die zumeist paarweise vorhandenen Oumaley, das Kleinste der drei Schlag-instrumente. Daneben werden sogenannte shak-shaks verwendet: Diese Rasselnwerden aus ausgehöhlten Flaschenkürbissen gefertigt, die mit getrockneten Samengefüllt sind.

Die Trommeln werden aus den Stümpfen des Brotfruchtbaumes, des Avoca-dobaumes oder aus dem Stamm einer Zeder geschnitzt. Die Länge der Trommelnvariiert von etwa 25 cm bis knapp einen Meter, der Durchmesser reicht von unge-fähr 25 cm bis 50 cm. Bespannt wird die Trommel mit einem Ziegenfell – manch-mal auch beidseitig. Das Fell wird meist mit einem Draht oder einer Schnur, inselteneren Fällen mit kleinen Holzpflöcken befestigt. Im Allgemeinen wird dieHaut von Opfertieren bevorzugt:

“The skins of sacrificial animals are employed for this purpose, and the visitor to acult house will frequently see skins pegged against the wall, drying” (Herskovits1957:481).

Abbildung 64: Anrufung der Ori‚á im palais von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 191

Die fundamentale Bedeutung der Trommeln innerhalb der Zeremonien derÒrì‚à-Religion Trinidads ist unumstritten. Hierbei ist es wichtig anzumerken, daßdas Ausmaß des rituellen Rahmens eng mit dem afrikanischen Weltbild verknüpftist: Die Grenzen von Menschlichem und Göttlichem, von Geist und Materie sowievon Profanem und Sakralem werden weniger als Gegensätze betrachtet, sondern alsharmonisierendes Ganzes, dessen Grenzflächen sich in einem ständigen Prozeßpulsierend überlappen. Der Gebrauch der drei Trommeln im rituellen Kontext re-flektiert dieses Weltbild:

“Well, some consider them a family, if I quote a Brother – Mansa Musa, he re-corded a LP in the seventies: He did a piece called ‘Hold on to the faith’ and he dida running commentary on what the drums are: He called the Bo the ‘steady heart-beat of the universe’, he called the Oumaley ‘The plastic forces of the universe’ –the ‘elemental frivolity’, and he called the Ialu ‘The bridge between the plastic anthe steady’ The ‘pIastic’ means something that can be molded, so that is how wedescribe the three drums and how they work – The Oumaley is the frivolous, theBo – the conciliate, the ‘anchor’ – it is the sound-pattern on which the other patternresonate and bound to go along to a large extent” (Interview 1/2000, Oludari Mas-setungi, mongba, TB 39, 02:30).

Abbildung 65: Eine Bo, Ialu, Oumaley, (von links nach rechts) kurz vor der rituellenEinweihung im palais von „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“

192 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Rituale

Für Durkheim (1947) bestand die Religion einer Gesellschaft aus den beiden Ele-menten der Riten und Mythen. Die Riten als soziale Handlung im religiösen Be-reich stellen das Ursprüngliche dar, währenddessen die Mythen eine Rationalisie-rung und Symbolisierung des Handlungsaspektes bedeuten. Diese Ansicht blieb bisLevi-Strauss (1986) vorherrschend, der Mythen und Riten als Teil einer dialekti-schen Einheit betrachtete. Dahingegen wird von den meisten Interpreten die An-sicht Durkheims bestätigt, daß Rituale eine kollektive Funktion der Gruppenbin-dung und Gruppenbestätigung einnehmen.

Turner (1968) unterstreicht die gruppenstabilisierende Funktion des Rituals: DasRitual ist eine Bekräftigung der gesellschaftlichen Einheit. Das Ritual generiert ei-ne kreative „Antistruktur“ einer Gesellschaft, die quasi den Ausgleich zu einemAlltagsleben – bestehend aus sozialem Druck, Hierarchie und traditioneller Starre –bildet. Trotz der verschiedenen theoretischen Betrachtungsweisen sind sich diemeisten Autoren in der Beschreibung und der Funktion des Rituals grundsätzlicheinig: Ein Ritual ist eine Art kritische Verknüpfung und Verbindung, bei der zweivorher getrennte soziale oder kulturelle Elemente eine Einheit bilden (Bell1992:16).

Levi-Strauss (1973:47,48) unterscheidet (hier) zwischen Spiel und Ritual: DasSpiel ist das trennende Element, es endet mit der differentialen Trennung zweierGruppen, die am Anfang nicht zu unterscheiden waren … „auf umgekehrt symme-trische Weise ist das Ritual verbindend, denn es schafft eine Verbindung … mansetzt eine im voraus entworfene und postulierte Asymmetrie zwischen profan undsakral, Gläubigen und Priestern, Toten und Lebendigen“. Das Ritual integriert undverbindet Tradition und Veränderung, Ordnung und Chaos, das Individuum und dieGruppe, Subjektivität und Objektivität, Natur und Kultur (Bell 1992:16).

Im ¤bø finden sich diese Asymmetrien oder Oppositionspaare in ein westafrika-nisches Raum- und Zeitkontinuum eingebunden. Hier wird einerseits – zeitlich be-trachtet – die Distanz zwischen der Gegenwart und dem Zeitpunkt der Schöpfungüberwunden. Die Kontinuität dieser Verbindung stellt sich über eine gedachte, un-unterbrochene Genealogie von Ahnen dar. Andererseits wird der allgemeine Be-zugsrahmen zur natürlichen Umwelt modellhaft auf eine Ebene der Unmittelbarkeitfokussiert: Die Struktur und das Sinngefüge der gesamten Welt – durch die Òrì‚àsymbolisiert – werden an den Ort des Rituals übertragen. Der Platz des Rituals wirdzum buchstäblich verkleinerten Abbild einer ganzen Welt. Der Mensch überwindetdie zeitliche Distanz zur Welt im Augenblick der Schöpfung, um so an der kreati-ven Schöpfungsenergie (à‚¤), teilzuhaben (vgl. Deren 1992:271-289).

Die einzige Möglichkeit für den Menschen, diese Raum- und Zeitdistanzen zuüberwinden – sprich zu verknüpfen – stellt sich über die Òrì‚à dar. Diese Verknüp-fung manifestiert sich durch Trance und Besessenheit. Deswegen kommt diesenZuständen im Ritual besondere Bedeutung zu (vgl. Deren 1992:271-289). Der Platzdes Rituals – das palais – bildet so das verkleinerte, jedoch getreue Abbild dieses

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 193

Gefüges – oder der Welt. Die Òrì‚à bilden sowohl die räumliche Struktur, als auchdie Überbrückung der Zeit von der Gegenwart bis zum Zeitpunkt der Schöpfung.

Das Ritual versucht so die Schöpfung der Welt zu simulieren und die kreativeEnergie, die daraus resultiert, den einzelnen Teilnehmern begrifflich und bewußt zumachen. Besessenheit und Trance sind ein spezifischer Teil jener kulturellen Phä-nomene, die unter dem Überbegriff „altered states of consciousness“ zusammenge-faßt werden. Der Zustand eines „altered state of consciousness“ ist eine menschli-che Universalie, die Form und die Interpretation ist jedoch kulturspezifisch deter-miniert:

“It must be stressed that although the capacity to experience altered states of con-sciousness is a psychobiological capacity of the species, and thus universal, itsutilization, institutionalization, and patterning, are, indeed, features of culture, andthus variable” (Bourguignon 1973:12 zit. n. Houk 1995:116).

Houk (1995:124) ist der Auffassung, daß sogenannte „wissenschaftliche“ Annä-herungen an die vorher erwähnten Phänomene dazu tendieren, den Standpunkt desAutochthonen zu verkennen bzw. zu ignorieren: Rappaport (1989) schlägt in die-sem Kontext vor, sowohl die emische als auch die ethische Interpretation als gültigzu betrachten und beide Kategorien nicht als gegensätzlich anzusehen.

„‰bø“ – Vereinigung von Menschen und Òrì‚à

Die Organisation „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ betrachtet das ¤bø prinzipiell als einenreziproken Akt des Gebens und des Nehmens zwischen den Menschen und denÒrì‚à. Es ist das Wiederherstellen einer energetischen Balance im individuellen undkollektiven Lebensweg (vgl. dazu das Konzept von orí, dem spirituellen Kopf), diedurch den Gehalt der Gabe an geopferter (Lebens-) Energie und durch das Strömenvon à‚¤, der göttlichen Kraft, welche das Universum durchdringt, zustande kommt(Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 12:00; ).

Ein ¤bø beinhaltet jedoch mehr als das bloße Opfern von Tieren für bestimmteÒrì‚à: Ein ¤bø bedeutet auch die Gabe von Getränken, Tanz, Gesang, Zeit und Ge-beten; es ist hier in erster Linie die freiwillige Gabe von Energie von den Menschenzu den Òrì‚à ausschlaggebend. Da dies mitunter einen sehr individuellen Akt be-deuten kann, gibt es demnach auch die unterschiedlichsten Gründe ein ¤bø zu ver-anstalten: Ein rituelles Opfer, das aufgrund einer Verfehlung einer bestimmten Per-son obligat wurde, unterscheidet sich von einem ¤bø, das zur Heilung eines Men-schen veranstaltet wurde. Die meisten auf Trinidad abgehaltenen ¤bø dienen demAusdruck des Dankes – Dank für eine gute Ernte, für Gesundheit, für Glück etc. …Je nach Beschaffenheit, Anlaß und den Möglichkeiten des mongba wird das ¤bøunterschiedlich konzipiert: Individuell oder innerhalb der Gemeinschaft, mit einemBlutopfer oder anderen Gaben – es gibt keine festen Regeln. Zum Großteil werdenArt und Darbietungsweise vom mongba mit Hilfe der Kaurimuscheln bestimmt(Interview 18/1997, Oludari Massetungi, mongba, TB 32, 14:00).

194 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Es gibt jedoch auf Trinidad rituelle Standards, die den Ablauf des ¤bø bestim-men. Der Beginn eines jeden ¤bø ist durch die spirituelle Reinigung des gesamtencompounds gekennzeichnet. Dies wird als Aufgabe È‚ùs angesehen – das Entfer-nen der negativen „Spirits“ durch È‚ù wird auf Trinidad als das sogenannte eshuingbezeichnet. Danach wird È‚ù verabschiedet und spielt für den weiteren Verlauf des¤bø vordergründig keine Rolle mehr. Dann erst wird Ògún, der Osin Imole – derAnführer der Òrì‚à – angerufen. Dieser Òrì‚à bereitet als erster den Weg auf dieErde für die restlichen Òrì‚à vor. Die Reihenfolge der nachfolgenden Òrì‚à unter-liegt keinen festen Regeln; es ist jedoch bei den meisten compounds üblich, vorBeendigung des ¤bø nochmals alle Òrì‚à anzurufen, um sie gemeinsam zu verab-schieden (Interview 4/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 42, 00:30):

“As a basic format of ritual people feel to purge, to cleanse and purify the ritualspace. In Trinidad and Tobago, most people do a cleansing process, what they call‘eshuing’. So they will sing songs for È‚ù, and they will ritually neutralize the envi-ronment from all negativity. And then they call Ògún, the Chief-divinity and theclearer of the pathway to give permission to the other Òrì‚à to make themselvespresent. Whatever the pattern of the hierarchy, you call the Òrì‚à in that selectedorder, and basically at the end of the feast, they would call all of them together andmake a general farewell and close” (Interview 4/2000, Oludari Massetungi,mongba, TB 42, 00:30).

„‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ ist jedoch der Auffassung, daß die Anrufung derhöchsten Gottheit – Olódùmarè – zu Beginn des ¤bø bereits ausreicht, um denSchrein spirituell zu „neutralisieren“. Darauf wird È‚ù angerufen, nicht ausschließ-lich seiner Funktion als „Spiritual Guard“ wegen, sondern auch als Hüter von à‚¤,der göttlichen Lebensenergie der Òrì‚à. Folglich wird È‚ù – im Gegensatz zu ande-ren compounds – nicht verabschiedet, sondern bleibt, quasi im Hintergrund, als„Regulator“ von à‚¤ und „Bewacher“ während des gesamten ¤bø anwesend. (Inter-view 4/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 42, 01:30):

“So in terms of the structure and layout of our organization, how does one begin a¤bø, our feast and our sacrifice, that would be our general format: If your ownmode is one that needs cleansing and purification, cleansing and purification wouldbe performed as a separate act of invocation in the name of the ultimate. My ownprocess is: invocation in the name of the ultimate [Olódùmarè] is sufficient forcleansing. Immediately after we call È‚ù as the divine and sacred holder of à‚¤ andsupervisor of all rituals to take charge in the order of things” (Interview 4/2000,Oludari Massetungi, mongba, TB 42, 01:30).

Das Fortschreiten der Reafrikanisierungstendenzen – verbunden mit dem lang-samen Rückgang der christlichen Symbolik – wird aus Sicht von Oludari Mas-setungi auch durch die Veränderung der „Standards“ des ¤bø verdeutlicht: Es gehtnicht nur die Quantität des zeitlichen Aufwandes für christliche Lieder und Gebetezurück; vor allem in Bezug auf die Ikonographie der einzelnen Òrì‚à konnte einRückgang der christlichen Elemente bemerkt werden (Interview 4/2000, OludariMassetungi, mongba, TB 42, 01:30):

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 195

“Over the years, there have been some transformations to the ritual ‘Standards’ – ifyou want to call it that way. In the past, there were certain [catholic] symbols, thatwere placed to represent the certain Òrì‚à, whenever a feast was carried out. Today,this is hardly the case” (Interview 4/2000, Oludari Massetungi, mongba, TB 42,01:00).

Das Erscheinen der Òrì‚à im palais ist in allen compounds Trinidads ähnlichstrukturiert. Die Organisation „‰gbë Onisìn Elòdùmaré“ bildet hier keine Ausnah-me, wie in den nächsten Kapiteln ausführlicher dargestellt werden wird. Die erstePhase bildet die Anrufung des Òrì‚à (call). Erscheint dieser, so beginnt die Phaseder „Arbeit“ (work); danach wird der Òrì‚à „unterhalten“ (pleasure) und so günstiggestimmt. Der Abschluß des Besuchs des Òrì‚à wird durch eine „Verabschiedung“(dismission) markiert.

Die Eröffnung des „‰bø“: „Opening“ („Cleansing“)

Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen für das Ritual versammeln sich dieBeteiligten vor dem Altar von È‚ù, um durch das Werfen der Kauris die Erlaubnisdieser Gottheit einzuholen. Dabei knien die Anwesenden unter der Leitung desmongba nieder und legen die rechte Hand auf die Erde innerhalb des ojúbø von È‚ù[= stool]. Der mongba bricht eine Kolanuß, steckt den Keimling in die Erde desojúbø und gießt Öl und Wasser über die Gegenstände, die È‚ù repräsentieren(Horn, Flöte, Eisennägel, etc. …).313 Dabei rezitiert er Worte der Begrüßung undein Gebet an È‚ù (Video ¤bø 2).

Danach erfolgt der Muschelwurf. Vor und nach dem Werfen der Kauris wird dieErde mit Wasser befeuchtet. Das Ergebnis der Befragung wird diskutiert. Bei zwei-felhaftem Resultat wird der Muschelwurf mit detaillierterer Fragestellung wieder-holt. Den Abschluß der Zeremonie bildet eine Respektbezeugung an È‚ù, bei derdie Anwesenden die befeuchtete Erde dreimal mit den Worten „à‚¤“ auf die Stirnapplizieren (Video ¤bø 2).

Die Teilnehmer erheben sich. Erst zu diesem Zeitpunkt findet eine offizielle Be-grüßung durch den mongba statt. Alle im Versammlungsraum anwesenden Perso-nen umarmen einander rituell (rechte Schulter an linke Schulter – linke Schulter anrechte Schulter – beide Hände werden gegenseitig gereicht). Nun steht der gesamteRitualbereich für die Besucher offen. Beim Eintreten wird der Boden mit Zeige-und Mittelfinger der rechten Hand berührt und die Erde auf die Stirn appliziert.Dabei wird „à‚¤“ ausgerufen. Das palais darf nur barfuß betreten werden. Frauenmüssen eine Kopfbedeckung – meist in Form eines gebundenen Tuches – sowieRöcke bis unter das Knie tragen. Dabei werden helle Farben wie weiß, gelb, orangeoder rot bevorzugt (Video ¤bø 2).

313 Vergleiche Kapitel „È‚ù“, Seite 159.

196 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Unter der Anleitung des mongba werden die Utensilien für das Ritual um denHauptaltar, der sich im Zentrum des palais befindet, angeordnet. Zu den wesent-lichsten Bestandteilen zählen die Opfergaben, meist Früchte (im Falle von Tierop-fern werden diese kurz vor den Altar geführt und danach außerhalb des palais an-gebunden) sowie Olivenöl (als Ersatz für Palmöl), 80%iger Rum, Reis und schwar-ze Bohnen, Guinea-Pfeffer, Wasser, Salz sowie Kolanüsse314 (Video ¤bø 2).

Abbildung 66: Videosequenz ¤bø 2 (187,186,26)

Die Anrufung der Òrì‚à: „Call“

Die Anwesenden versammeln sich kreisförmig um den Altar. Kerzen werden inAltarnähe angezündet. Der mongba hält eine Eröffnungsrede zu Zweck, aktuellemAnlass und Thematik des Rituals. Die Trommler versammeln sich auf einem eigensfür sie reservierten Platz an einer der Stirnseiten des palais und stimmen sich unddie Instrumente aufeinander ein. Anschließend werden die Trommeln vor dem Al-tar pyramidenförmig aufgebaut (Video ¤bø 2).

Abbildung 67: Videosequenz ¤bø 2 (125,126,127)

Der mongba leitet die spirituelle Inbesitznahme des palais ein. Er postiert sichneben dem Altar innerhalb eines Kreises der Anwesenden, die sich an den Händenfassen, berührt mit der Stirn den Boden vor dem Altar und nimmt eine Keramikka-lebasse mit Wasser zur Hand. Mit Ògún beginnend werden die einzelnen Òrì‚à mitihrem Namen angerufen. Nach jeder Anrufung wird der jeweilige Name des Gottesdreimal von den Anwesenden in Verbindung mit „iba à‚¤“ wiederholt. Parallel da-zu verteilt der mongba etwas Wasser auf dem Boden in Anordnung der vier Him-melsrichtungen. Dazu werden folgende Ehrerbietungen formuliert:

314 Siehe auch Kapitel „Food“, Seite 183.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 197

iba à‚¤ !iba à‚¤ !iba à‚¤ !iba Ògún, O‚in-Imølê! 315

iba Ògún, O‚in-Imølê!iba Ògún, O‚in-Imølê!iba Øbàtálá, ObaÒrì‚à!iba Øbàtálá, ObaÒrì‚à!iba Øbàtálá, ObaÒrì‚à!iba Yemønjá!

Ehre an à‚¤ !Ehre an à‚¤ !Ehre an à‚¤ !Ehre an Ògún, An-führer der Òrì‚à!Ehre an Ògún, An-führer der Òrì‚à!Ehre an Ògún, An-führer der Òrì‚à!Ehre an Øbàtálá,König der Òrì‚à!Ehre an Øbàtálá,König der Òrì‚à!Ehre an Øbàtálá,König der Òrì‚à!Ehre an Yemønjá!

iba Yemønjá!iba Yemønjá!iba Íangó!iba Íangó!iba Íangó!iba egún-gún babami!iba egún-gún babami!iba e egún-gún babawa!iba egún-gún babawa!iba ørun!oba ayé!oba ørun!

Ehre an Yemønjá!Ehre an Yemønjá!Ehre an Íangó!Ehre an Íangó!Ehre an Íangó!Ehre an die Ahnenmeines Vaters!Ehre an die Ahnenmeines Vaters!Ehre an die Ahneneurer Väter!Ehre an die Ahneneuerer Väter!Ehre an ørun!Könige der Erde!Könige von ørun!

Diese gedachten Achsen entsprechen dem Längs- und Querschnitt des palais. ImRahmen dieser rituellen Handlung wird ein Lied zu Ehren der Òrì‚à angestimmt,bei dem der mongba die Rolle des Vorsängers übernimmt. Der Inhalt entsprichteiner Einladung an die Òrì‚à verbunden mit der Hoffnung, negative Kräfte aus demRitual fernzuhalten (Video ¤bø 2).

Es folgt eine Anrufung an Afrika (Afíríkà yèyé mi!), um so eine Verbindung zuden Ahnen des alten Kontinents herzustellen. Dieser Akt wird als symbolischeVerbindung mit den afrikanischen Wurzeln über die Grenzen von Raum und Zeithinweg verstanden (Video ¤bø 2). An diesem Punkt setzt die eigentliche Anrufungder Òrì‚à ein. Dazu werden einige Tropfen Wasser aus der Kalebasse des Hauptal-tars in allen vier Ecken des palais verteilt: Dieser Akt markiert die Öffnung despalais für die Òrì‚à:

“Each cardinal is home to benevolent and malevolent powers of the universe, thatreside in the various quarters, and that is our way of paying respect to this cardinalpowers. One could say it is the pathways, one could say it is the roads” (Interview2000/4, Oludari Massetungi, mongba, TB 4/4:30).

Abbildung 68: Videosequenz ¤bø 2 (95,79,22)

315 Vergleiche Kapitel „Ògún“, Seite 188.

198 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Das Geschenk der Götter: „Work“

Die Trommler leiten die Anrufung der Òrì‚à ein, unterstützt durch den Gesang unddas Klatschen der Anwesenden, die immer noch in einem Kreis um den Altar ste-hen. Diese Zeremonie ist ein Versuch, Kontakt zu den Òrì‚à herzustellen. EinigeTeilnehmer fallen in Trance. Nach mehreren Versuchen der Kontaktaufnahme ma-nifestiert sich in der Regel ein Òrì‚à in einem oder mehreren der Teilnehmer. Die-ser Òrì‚à führt ihm zugeschriebene Gesten und Bewegungen aus; dadurch wird esden Umstehenden ermöglicht, den Òrì‚à zu identifizieren316 (Video ¤bø 2).

Der mongba heißt den anwesenden Òrì‚à willkommen, indem er seine Stirn aufdie der in Trance gefallenen Person presst und diese anschließend mit Öl benetzt.Desweiteren wird der Òrì‚à in eine Schärpe in der mit ihm assoziierten Farbe ge-hüllt. Der Òrì‚à wird durch Lieder und Trommelrhythmen unterhalten und günstiggestimmt. Der mongba folgt dem Òrì‚à zu seinem jeweiligen shrine außerhalb despalais. Dort knien beide nieder und opfern Öl und Rum. Anschließend kehren beidein das palais zurück und die eigentliche „Arbeitsphase“ des Òrì‚à beginnt: DieTeilnehmer werden zum Tanzen animiert und anschließend gesegnet. Dabei be-dient sich der Òrì‚à der Opfergaben des Hauptaltars. Öl, Rum und Wasser werdenden Anwesenden gereicht. Die Flüssigkeiten werden entweder über den Kopf ge-schüttet oder getrunken. Ebenso werden die Gläubigen mit diesen Substanzen ein-gerieben (Video ¤bø 2).

Abbildung 69: Videosequenz ¤bø 2 (7,135,152,170,33,25)

316 Im Falle von Ògún wird dieser etwa durch das Andeuten eines Schwertschlages und ausfal-lende Schritte – Kampfposen – charakterisiert.

‰gbë Onisìn Elòdùmaré 199

Einzelne Teilnehmer werden von dem Òrì‚à zu den vier Ecken des palais ge-führt, verneigen sich und verteilen Reis, Öl und Wasser in jede Ecke. Ein Teil derManifestation des Òrì‚à beinhaltet verbale Äußerungen in Form von Ratschlägenoder Kritik, die entweder an einzelne Mitglieder der Gemeinde oder an die gesamteGruppe adressiert sind. Da diese oft für die Umstehenden schwer verständlich sind,übernimmt der mongba die Übersetzung und Interpretation (Video ¤bø 2).

Der Dank der Menschen: „Pleasure“

Über eine längere Phase hinweg tanzen die Anwesenden nun gemeinsam mit demÒrì‚à zu den Trommelklängen. Auch andere Òrì‚à können sich in einzelnen Teil-nehmern durch Trance manifestieren. Die Trommelrhythmen leiten den Tanz desÒrì‚à. Die bereits erwähnten Phasen von Segnung und Unterhaltung des Òrì‚à wie-derholen sich in unbestimmter Abfolge. Dieser Teil des Rituals kann mehrereStunden dauern (Video ¤bø 2).

Der Abschluß des ‰bø: „Dismission“

Der Òrì‚à wird nach Beendigung seiner Arbeit „entlassen“. Rum, Wasser oder Ölwerden diesem zum Abschied gereicht. Der Òrì‚à zieht sich langsam zurück. Die inTrance gefallene Person kehrt allmählich wieder in ihre eigene Bewusstseinssphärezurück. Die Trommeln klingen langsam aus – eine Ruhephase entsteht, in welcherder mongba das Geschehen resümiert und die im Ritual geweihten Nahrungsmittelund Getränke reicht (Video ¤bø 2). Dieser rituelle Ablauf kann sich die ganzeNacht hindurch bis Sonnenaufgang mehrmals wiederholen. Eventuelle Opfertierewerden erst kurz vor Sonnenaufgang den einzelnen Òrì‚à geopfert.

Abbildung 70: Videosequenz ¤bø 2 (150,157,20,16,165,187)

200 Afíríkà yèyé mi! – Meine Mutter Afrika!

Abbildung 71: „Black Jesus“ 317 Abbildung 72: „Black Jesus“ 318

Abbildung 73: „Black Maria“ 319

Abbildung 74: „Black Jesus“am Marktplatz 320

317 http://www.dollsgen.com/blackjesus.gif [15.04.2002].318 http://www.cs.indiana.edu/~tdsand/Christ/jesus.gif [15.04.2002].319 http://www.cs.indiana.edu/~tdsand/Christ/blkmadonna-e_catlett.gif [15.04.2002].320 http://www.cs.indiana.edu/~tdsand/Christ/JesusInMarket.GIF [15.04.2002].