5
W. SCHWENKE, Grundziige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Grogen Fichtenborkenk~ifers 11 Anz. ScMdlingskde.,Pflanzenschutz,Umweltschutz 69, 11- 15 (1996) 1996,BlackwellWissenschafts-Verlag,Berlin ISSN 0340-7330 Lehrstuhlfiir Angew. Zoologie der Forstw. Fakultiit der Universitiit Miinchen, D-85354 Freising Grundz/~ge des Massenwechsels und der Bekiimpfung des GroBen Fichtenborken- kiifers, Ips typographus (L.) (Col., Scolytidae) Von W. ScHwEtqr~ Abstract Principles of population dynamics and control of the Great Spruce Bark Beetle, Ips typograpbus (L.) (Col., Scolytidae) For the benefit of a better prophylaxis and control the picture of the Great Spruce Bark Beetle, Ips typo- grapbus, should be corrected in some points. Contrary to the conception guilty till now Ips typ. is a sole sec- ondary pest which doesn't attack healthy trees. Dis- posed trees weakly attacked by Ips typ. are hard distin- guishable from healthy trees. It seems urgent to be necessary to find out the "critical resin pressure" which enables to distinguish between disposed and undis- posed trees. The self-cleaning of attacked trees (or groups of trees) by high larval mortality in conse- quence of competition in case of lacking of disposed trees, represents a further strong argument for the sole secondary status of Ips typ. The antiquated focus the- ory is still widely held, meaning Ips typ. (in general: in- sects) to be able to found new focuses by overflying. But there are no proofs for this. All of local outbreaks are self-sufficient. Control measures shouldn't more aim at protecting healthy trees but at giving weakly at- tacked trees the chance of recovering their health by reducing the density of beetles a) by felling trees strongly attacked (+ eliminating their bark) and b) by using pheromone traps. The reducing quote must be as high as possible in order to avoid compensatory effects. Chemical control measures shouldn't be used as they show less effects on the pest but high side effects on men and ecosystem. Meliorating the soil by using fer- tilizers can increase the resistance of the trees against Ips typ. But after all only transforming the spruce monocultures into natural mixed wood will solve the bark beetle problem fundamentally. 1 Einleitung Die Literatur iiber den Grogen Fichtenborkenk~fer oder Buchdrucker, Ips typographus (L.) (im folgenden kurz ,,Borkenk~ifer" genannt) ist in den vergangenen 2-3 Dekaden durch eine starke Dominanz der Pheromonfor- scbung gekennzeichnet. Die hier gewonnenen Erkennt- nisse fiber die Chemie, Biologie und Anwendung der Pheromone (kiiferbiirtigen Duftstoffe) ist imponierend. Demgegenfiber fanden die Fragen des Massenwechsels und der Bek~impfung des ScMdlings (auger der Phero- monfallenanwendung) nur geringe Beachtung. Das Wis- sen hierfiber stagniert und befindet sich im wesentlichen noch auf einem Stand wie er 1974 yon PosTNza (21) zu- sammengefagt wurde. Dieser Kennmisstand ist jedoch nicht nur liickenhaft sondern auch mit einigen irrtiimli- chen Anschauungen behaftet, die sich nachteilig auf den heutigen Forstschutz gegen den Borkenkifer auswirken. Das bedarf dringend der Anderung. Der Buchdrucker ist in jiingerer Zeit unter der Einwirkung ausgedehnter Sturmbrfiche und geMufter Trockenperioden zum euro- p~iischen ForstscMdling Nr. 1 geworden, dem unzlihlige Fichten zum Opfer fielen. Der Forstschutz kann sein Ziel, dem Borkenk~ifer Paroli zu bieten, nur dann optimal erfiillen, wenn er einigen Ballast abwirft und das seiner Arbeit zugrundeliegende Bild des Borkenkiifers in eini- gen wesentlichen Zfigen ver~indert. Im folgenden soil auf der Grundlage eigener 30j~hriger Freilanderfahrungen sowie der einschl~igigen Literatur versucht werden, ein korrigiertes Bild des Ips typo- graphus zu skizzieren. 2 Eignung, Findung und Befall der WirtsMiume Es besteht Einmiitigkeit darfiber, daft der Borkenk~ifer, zumindest am Anfang, nut bruttaugliche (disponierte) Fichten bef~illt, deren Abwehrkr~te stark vermindert sind (Lit. s. 21). Unumstritten ist auch, dag es sich bei die- ser Schw~ichung der Abwehrkr~ifte in erster Linie um St6- rungen des Wasserhaushalts handelt (Lit. 21 a), die mit ei- nem starken Abfall des Harzdrucks verbunden sind (10, 13, 21a, 29). Und ebenso ist anerkannt, dug solche was- serhaushaltsgest6rten und harzdruckverminderten Biiu- me bestimmte ffir den Menschen nicht wahrnehmbare Rindenduftstoffe entwickeln, die yon den Borkenk~ifern benutzt werden, um die bruttauglichen B~iume zu finden (Lit. 21 b). Den Abschlug dieser Faktorenkette bilden die k~iferbfirtigen Duftstoffe, Pheromone, die nach dem Ein- bohren von den K/ifern produziert werden, um damit - neben der Geschlechterfindung - die Anlockwirkung des Baumes auf ihre Artgenossen fiber die prim/iren Rinden- duftstoffe hinaus noch sekund~ir zu verst~rken (Lit. 21 c; 30). Die soeben skizzierte Faktorenkette yon Eignung, Findung und Befall ist in ihren Grundzfigen klar, doch fehlt es noch, vor atlem beim Harzdruck und bei den Rin- denduftstoffen, an Details. Zum Harzdruck, dem zentrale Bedeutung ffir den Be- fallsvorgang zukommt, wurden u. a. von VIT~ et al. (29) umfangreiche Messungen durchgefiihrt und dabei die Abh~gigkeit der Harzkraft vom Wasserhaushalt festge- stellt. Es gelang ihnen jedoch nicht, den ,,kritischen Harz- druck" zu ermitteln, der als konstante Gr6fle die gesunde Fichte yon der borkenkiiferdisponierten unterscheidet. Es ist zu hoffen, dug baldige neue Untersuchungen diesen Weft zutagebringen, welcher der Borkenk~ferforschung und -bek:impfung neue Wege er/Sffnen wfirde. U.S. Copyright Clearance CenterCodeStatement: 0340-7330/96/6901-0011511.00/0

Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

W. SCHWENKE, Grundziige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Grogen Fichtenborkenk~ifers 11

Anz. ScMdlingskde., Pflanzenschutz, Umweltschutz 69, 11- 15 (1996) �9 1996, Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin ISSN 0340-7330

Lehrstuhl fiir Angew. Zoologie der Forstw. Fakultiit der Universitiit Miinchen, D-85354 Freising

Grundz/~ge des Massenwechsels und der Bekiimpfung des GroBen Fichtenborken- kiifers, Ips typographus (L.) (Col., Scolytidae) Von W. ScHwEtqr~

Abstract

Principles of population dynamics and control of the Great Spruce Bark Beetle, Ips typograpbus (L.) (Col., Scolytidae)

For the benefit of a better prophylaxis and control the picture of the Great Spruce Bark Beetle, Ips typo- grapbus, should be corrected in some points. Contrary to the conception guilty till now Ips typ. is a sole sec- ondary pest which doesn't attack healthy trees. Dis- posed trees weakly attacked by Ips typ. are hard distin- guishable from healthy trees. It seems urgent to be necessary to find out the "critical resin pressure" which enables to distinguish between disposed and undis- posed trees. The self-cleaning of attacked trees (or groups of trees) by high larval mortality in conse- quence of competition in case of lacking of disposed trees, represents a further strong argument for the sole secondary status of Ips typ. The antiquated focus the- ory is still widely held, meaning Ips typ. (in general: in- sects) to be able to found new focuses by overflying. But there are no proofs for this. All of local outbreaks are self-sufficient. Control measures shouldn't more aim at protecting healthy trees but at giving weakly at- tacked trees the chance of recovering their health by reducing the density of beetles a) by felling trees strongly attacked (+ eliminating their bark) and b) by using pheromone traps. The reducing quote must be as high as possible in order to avoid compensatory effects. Chemical control measures shouldn't be used as they show less effects on the pest but high side effects on men and ecosystem. Meliorating the soil by using fer- tilizers can increase the resistance of the trees against Ips typ. But after all only transforming the spruce monocultures into natural mixed wood will solve the bark beetle problem fundamentally.

1 Einleitung

Die Literatur iiber den Grogen Fichtenborkenk~fer oder Buchdrucker, Ips typographus (L.) (im folgenden kurz ,,Borkenk~ifer" genannt) ist in den vergangenen 2-3 Dekaden durch eine starke Dominanz der Pheromonfor- scbung gekennzeichnet. Die hier gewonnenen Erkennt- nisse fiber die Chemie, Biologie und Anwendung der Pheromone (kiiferbiirtigen Duftstoffe) ist imponierend. Demgegenfiber fanden die Fragen des Massenwechsels und der Bek~impfung des ScMdlings (auger der Phero- monfallenanwendung) nur geringe Beachtung. Das Wis- sen hierfiber stagniert und befindet sich im wesentlichen noch auf einem Stand wie er 1974 yon PosTNza (21) zu- sammengefagt wurde. Dieser Kennmisstand ist jedoch

nicht nur liickenhaft sondern auch mit einigen irrtiimli- chen Anschauungen behaftet, die sich nachteilig auf den heutigen Forstschutz gegen den Borkenkifer auswirken.

Das bedarf dringend der Anderung. Der Buchdrucker ist in jiingerer Zeit unter der Einwirkung ausgedehnter Sturmbrfiche und geMufter Trockenperioden zum euro- p~iischen ForstscMdling Nr. 1 geworden, dem unzlihlige Fichten zum Opfer fielen. Der Forstschutz kann sein Ziel, dem Borkenk~ifer Paroli zu bieten, nur dann optimal erfiillen, wenn er einigen Ballast abwirft und das seiner Arbeit zugrundeliegende Bild des Borkenkiifers in eini- gen wesentlichen Zfigen ver~indert.

Im folgenden soil auf der Grundlage eigener 30j~hriger Freilanderfahrungen sowie der einschl~igigen Literatur versucht werden, ein korrigiertes Bild des Ips typo- graphus zu skizzieren.

2 Eignung, Findung und Befall der WirtsMiume

Es besteht Einmiitigkeit darfiber, daft der Borkenk~ifer, zumindest am Anfang, nut bruttaugliche (disponierte) Fichten bef~illt, deren Abwehrkr~te stark vermindert sind (Lit. s. 21). Unumstritten ist auch, dag es sich bei die- ser Schw~ichung der Abwehrkr~ifte in erster Linie um St6- rungen des Wasserhaushalts handelt (Lit. 21 a), die mit ei- nem starken Abfall des Harzdrucks verbunden sind (10, 13, 21a, 29). Und ebenso ist anerkannt, dug solche was- serhaushaltsgest6rten und harzdruckverminderten Biiu- me bestimmte ffir den Menschen nicht wahrnehmbare Rindenduftstoffe entwickeln, die yon den Borkenk~ifern benutzt werden, um die bruttauglichen B~iume zu finden (Lit. 21 b). Den Abschlug dieser Faktorenkette bilden die k~iferbfirtigen Duftstoffe, Pheromone, die nach dem Ein- bohren von den K/ifern produziert werden, um damit - neben der Geschlechterfindung - die Anlockwirkung des Baumes auf ihre Artgenossen fiber die prim/iren Rinden- duftstoffe hinaus noch sekund~ir zu verst~rken (Lit. 21 c; 30). Die soeben skizzierte Faktorenkette yon Eignung, Findung und Befall ist in ihren Grundzfigen klar, doch fehlt es noch, vor atlem beim Harzdruck und bei den Rin- denduftstoffen, an Details.

Zum Harzdruck, dem zentrale Bedeutung ffir den Be- fallsvorgang zukommt, wurden u. a. von VIT~ et al. (29) umfangreiche Messungen durchgefiihrt und dabei die Abh~gigkeit der Harzkraft vom Wasserhaushalt festge- stellt. Es gelang ihnen jedoch nicht, den ,,kritischen Harz- druck" zu ermitteln, der als konstante Gr6fle die gesunde Fichte yon der borkenkiiferdisponierten unterscheidet. Es ist zu hoffen, dug baldige neue Untersuchungen diesen Weft zutagebringen, welcher der Borkenk~ferforschung und -bek:impfung neue Wege er/Sffnen wfirde.

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0340-7330/96/6901-0011511.00/0

Page 2: Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

12 W. SCHWENKE, Grundziige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Grot~en Fichtenborkenk~.fers

Den mit dem Harzdruck verbundenen Rindenduft- stoffen hat man bisher, fasziniert vom Ph~.nomen der Pheromone, zu wenig Beachtung geschenkt. Das sollte ge~indert werden. Fragen wie: Wo, in welcher Zusam- mensetzung und Umweltabh~ingigkeit werden die Rin- denduftstoffe gebildet und wie wirken sie auf den Bor- kenk~ifer ? Wie korrelieren die Rindenduftstoffe mit dem Harzdruck ? - warten auf ihre Beantwortung. Doch k6n- nen wir schon heute ohne diese Detailkenntnisse auf Grund vieler eindeutiger Beobachtungen und Schlfisse die Behauptung aufstellen, daft gesunde Fichten keine Rindenduftstoffe entwickeln und daher vom Borkenk~i- fer nicht angeflogen werden, auch nicht als Folge eines ,,Uberdrucks" der Population. Bisher liegt keine Beob- achtung fiber solche Anflfige vor sowie kein Untersu- chungsergebnis, das auf die Produktion yon Rindenduft- stoffen bei gesunden Fichten hindeutet.

3 Der Buchdrucker, ein reiner Sekund~irsch~idling Nach dem vorstehend Dargestellten ist somit der Bor-

kenk~ifer rein sekund~ir und reagiert nur auf disponierte, bruttaugliche B~iume.

In Unkennmis der Rolle der Rindenduftstoffe und des Harzdrucks wurde im vorigen Jahrhundert die These aufgestellt, der Borkenk~ifer k6nne bei hoher Popula- tionsdlchte seinen Sekund~irstatus aufgeben und prim~ir werden, also gesunde B/iume befallen, und gerade darin l~ige seine besondere Gef~ihrlichkeit (u. a. 21, 26, 28). Es dfirfte in der Forstwirtschaft einmalig sein, daft eine so alte irrtfimliche Anschauung bis heute als richtig gilt und eine wesentliche Rolle in der Praxis spielt. Daf~ sie entste- hen und sich so lange halten konnte, erkl~irt sich aus den bis heute immer wieder gemachten Beobachtungen, dag Borkenk~iferbefallsfl~ichen sich fiber mehrere Jahre ver- gr6ftern k6nnen und zwar dutch Ausdehnung auf B~iu- me, die scheinbar gesund sind. Doch ist es, wie n~ihere Be- trachtungen zeigen, unm6glich, visuell zwischen gesun- den und noch schwach befallenen disponierten B~iumen zu unterscheiden. Die des 6fteren, durchaus nicht immer, festzustellende Ausweitung einer Befallsfl~.che auf die scheinbar gesunde Umgebung ist in Wahrheit ein Ph~ino- men der sukzessiven Entwicklung der Disposition von B~iumen nach Sturm oder Trockenheit, insbesondere wenn letztere anNilt oder neu entsteht. Die B~iume sind in verschiedenem Grade borkenk~iferdisponiert: bei den einen bricht der Wasserhaushalt schon im ersten Jahr, bei den anderen erst im zweiten Jahr zusammen.

Zur Erkl~irung der Verwandlung des Borkenkiifers vom Sekund~ir- zum Prim~irschiidling wird angefiihrt (u. a. 21, 26, 28), daft durch die grofte Zahl der eindrin- genden K~ifer, die zun/ichst massenhaft im Harz erstik- ken, die Harzkraft des Baumes so stark sinkt, daft er bor- kenk~iferdisponiert wird. In 30j~ihrigen Beobachtungen in bayerischen Fichtenw~ildern habe ich nicht ein einziges Beispiel fiir diese Version festgstellt. Nie waren in einem Baum totgeharzte K~ifer zusammen mit nachgefolgten gesunden Tieren zu entdecken. Es wurden aufter an be- fallenen (disponierten) B~iumen, die nach Regenfiillen ihre Harzkraft wieder steigern konnten, hie totgeharzte K~ifer gefunden, was beweist, daft die K~ifer normal har- zende Fichten fiberhaupt nicht anfliegen.

Ein weiteres starkes Argument gegen die Prim~irthese bildet das h~iufige ,,Totlaufen" einer Borkenk~ifervermeh- rung ohne Ausdehnung auf die Umgebung, sofern die

letztere keine disponierten B~iume enth~ilt. Hierzu nur ein Beispiel aus dem Forstamt Berchtesgaden, Oberbayern (25). Sfidlich des K6nigssees wurde in unwegsamem Ge- l~inde eine mehrere Hektar grofle Fl~iche entdeckt, wo der Fichtenbestand dutch eine Lawine umgelegt bzw. gebro- chen war. S~imtliche B~iume waren fiber und fiber mit al- ten Brutg~ingen des Borkenk~ifers dicht bedeckt, doch gab es keine lebenden Tiere mehr. Nach dem Verbrauch des brutf~ihigen Lawinen-Holzes war die Population durch Konkurrenz (Nahrungsmangel) (s. u.) zugrundegegan- gen. Der umgebende Fichtenbestand zeigte aufter weni- gen abgestorbenen Randb~iumen keine Ausweitung in den gesunden Bestand hinein.

Ahnliche Beobachtungen fiber ein Totlaufen der Bor- kenk~iferpopulation in Einzelb~iumen oder Baumgruppen liegen zahlreich vor (z. B. 12, 30). G~ibe es dieses Phiino- men nicht, s~ihe es in Europa mit den Fichtenbest~inden anders aus! Die in vielen L~indern, auch in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten aufgetretenen verheeren- den Sturm- und Schneebrfiche konnten nur zum geringen Tell rechtzeitig aufgearbeitet werden. Hier muftte und konnte man sich in Verbindung mit Niederschl~igen, wel- che den Brutraum entzogen, auf die ,,Selbstreinigung" dieser Fl~ichen vom Borkenk~ifer verlassen.

4 Witterung und Massenvermehrung ,,In grofler Zahl liegen Feststellungen vor, daft das Wet-

ter in den Vegetationszeiten vor dem Auftreten von Mas- senvermehrungen eines Insekts besonders warm und trok- ken war" (ScHWERDTFEGER, 26 S. Lit.). Das gilt auch und ganz besonders fiir den Borkenk~fer (Lit. 21 d). Es gibt keinen anderen Forstschiidling, dessen Massenwechsel so eindeutig yon den drei Witterungsfaktoren Wiirme, Trockenheit und Niederschlag abh~gt wie den Borkenk~ifer. W~irme erh6ht die Zahl seiner Generationen und Geschwisterbruten, - Trockenheit schafft durch Wasserhaushaltsst6rung und Harzdrucksenkung das Brutholz - und Niederschl~ige beenden durch Harzdrucksteigerung und Brutraumentzug die Massenvermehrung. Zu diesen drei abiotischen Faktoren tfitt noch ein biotischer hinzu, der gleichsinnig wie die Nie- derschl~ige brutraumentziehend wirkt: die Konkurrenz (s. u.). Gegenfiber diesen 4 Hauptfaktoren spielen andere Ein- flfisse auf den Massenwechsel, insbesondere Feinde und Krankheiten, nur eine untergeordnete Rolle.

Wenn z. B. im Nationalpark Bayerischer Wald die vor einigen Jahren entstandenen Borkenkiiferbefallsinseln seit 1993 eine nicht unerhebliche Ausdehnung erfuhren, so beruht dies nicht auf einem Prim~irwerden des Sch~idlings sondern auf der Bereitstellung neuer disponierter B~iume durch die extremen Trockenperioden 1993 und 1994.

Die Witterung des vergangenen Vierteljahrhunderts war ffir den Borkenkiifer aufterordentlich gfinstig, was sich in der starken Zunahme der Befalls- und Bekiimp- fungsfliichen widerspiegelt. So betrugen z. B. in Siidwest- deutschland in den Ftinfjahres-Intervallen zwischen 1970 und 1990 die Zahlen der Forstiimter, die mlttlere und starke BorkenkSferschiiden meldeten: 23 (1971-75), 40, 55, 57 (1986-90) (11). Es ist zu bef/irchten, daft in den kommenden Jahren auf Grund einer immer deutlicher werdenden Klimaverschiebung in Richtung zu Trocken- heir und W~irme die Borkenk~ifergefahr sich drastisch er- h6ht. Der klimatischen Begfinstigung des Sch~idlings kommt die ,,unsaubere Wirtschaft" mit ihrem Liegenlas- sen des defizit~iren Holzes im Wald voll entgegen. In den

Page 3: Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

W. SCHWENKE, Grundziige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Groflen Fichtenborkenklifers 13

vergangenen Jahrzehnten hat sich infolge des Klimas und der Bewirtsch~tungsverh~ilmisse in ganz Europa eine zu- vor in dieser S6irke nicht gekannte Borkenk~iferpopula- tion aufgebaut, die sich stSsadig an der Grenze zur Mas- senvermehrung bewegt. Jede Trockenperiode kann hier zum Funken am Pulverfag werden.

5 Befallsinseln und Oberflug

Eine weitere irrige Meinung fiber den BorkenkMer ist in der Forstwirtschaft noch immer weit verbreitet: die lSIber- flug-These. Sie beschLftigte friiher als ,,Herdtheorie" eine Zeit lang auch die Wissenschaft. Abgeleitet war sie aus Beob- achtungen am Nonnenspinner, Lymantria monacha, dessen Jungraupen mittels langer Flughaare fiber weite Strecken ver- weht werden kannen. Durch derartige ,,Uberflfige", anch yon Faltem, Blattwespen und Borkenkifern, so meinte man, wiirden neue FraBherde entstehen (1,19). Inzwischen ist die- se Hypothese fiir alle Insekten griindlich widerlegt. Man hat das Nacheinander-Sichtbarwerden von Befallsinseln in einem Areal mit dem Auftauchen einer groflen gebirgigen Insel aus dem Meer verglichen: Zuerst tauchen die h6chsten Gipfel auf (d. h. die am starksten disponierten Stellen). Danach erhebt sich eine gr6fere Zahl nledrigerer Gipfel fiber die Meeres- oberfliiche (es sind die Niume, die ihren Wasserhaushalt noch ein Jahr 1/inger aufrechterhalten konnten). Lind so mag es bei anhaltender oder neuer Trockenheit noch eine dritte oder vierte Welle neu entstehender Befallsinseln geben.

Die Meinung, daft durch ,,Oberflug" neue Befallsherde entstehen k6nnen, ist somit irrig und durch kein einziges Untersuchungsergebnis belegt. Entsprechend war es un- nfitz, am Rande des Nationalparks Bayerischer Wald eine ,,Sicherheitszone" yon 500 m Breite einzurichten, um zu verhindern, dag von dort etwaig vorhandenen K~iferb~iu- men die Nachbarforsten infiziert wfirden. Untersuchun- gen mit markierten K~ern und Pheromonfallen zur Fra- ge, wie weit die K~ifer aktiv oder passiv fliegen k6nnen, sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn es kommt nicht darauf an, ob und wieviele K/ifer yore Standort A zum Standort B gelangen k6nnen, sondern darauf, ob die Zuflieger imstande sind, nennenswert in das Populationsgeschehen am Standort B einzugreifen. Und das ist nicht der Fall. Die alte ,,Herdtheorie" ist tot.

Man sollte nach alldem den Ausdruck Borkenk~i- fer,,herd" vermeiden, da er zum Vokabular einer iiber- holten Theorie geh6rt, und statt dessen besser yon Befall- sinseln oder -stellen sprechen.

6 Konkurrenz und Kompensation Wie bereits erw~ihnt, geh6rt die Konkurrenz beim Bor-

kenk~ifer-Massenwechsel zu den Hauptregulationsfakto- ren. Genau betrachtet, lassen sich dabei Interferenz und Konkurrenz unterscheiden. Interferenz ist die unmittel- bare gegenseitige Einwirkung yon Individuen aufeinan- der, die mit wachsender Dichte zunehmend das Gedeihen der Tiere beeintr~ichtigt (StraB), w~ihrend Konkurrenz die Wirkung der Tiere aufeinander mittelbar fiber Nahrung und Brutraum bezeichnet (27). Im allgemeinen Iassen sich aber beide als Konkurrenzerscheinungen zusammenfas- sen.

Ein Beispiel gab TH^tzNHORST (28). Er fand, dag Bor- kenk~iferlarven bei einer Dichte yon 1 Larve pro 3,5 qcm Rindenfl~iche ca 10%, bei einer Dichte yon 1 Larve pro 0,5 qcm Rindenfl~iche ca. 90% Sterblichkeit aufwiesen. Dabei ist zu berficksichtigen, da~ noch die Mortalit~it der

Puppen, Imagines und Eier hinzukommt. Das Beispiel zeigt, daff bei zu dichter Besiedlung ohne Ausweichm6g- lichkeit auf andere Bruth61zer die Massenvermehrung in- folge Konkurrenz zusammenbricht. Es gibt gleichzeitig die Erkl~irung ffir das bereits in Abschn. 3 genannte ,,Tot- laufen" yon Massenvermehrungen. Und man mug sich erneut fragen: ,,Wenn der Borkenk~ifer angeblich prim~ werden kann, warum gr~ibt er sich dann mit extremen Brutdichten sein eigenes Grab und l ~ t die gesunden Fichten in der Umgebung ungeschoren?"

Der Wirtschafter kann natiirlich nicht abwarten, ob eine t6dliche Brutdichte zustandekommt, denn er kennt nicht die DispositionsverMlmisse des umgebenden Be- standes. Er mug daher die K~iferb~iume bei einer geringe- ren, nicht t6dlichen Brutdichte f~illen und l/Sst damit ei- nen Kompensationseffekt aus. Denn wenn z. B. mit der Entnahme yon K~iferb~iumen 75% der Borkenk~erpopu- lation vernichtet wfirden, k/Snnten sich die fiberlebenden 25%, yore Konkurrenzdruck befreit, um so besser ent- wickeln und ihre Vermehrungspotenz erh6hen, so dab dadurch der Populationsverlust weitgehend oder gar v/bl- lig kompensiert wfirde.

So stellte NuowrrvA (I6) beim Groffen Kiefernborken- klifer, Myelopbilus piniperda, in Finnland fest, dab in einem Baum 115 Mutterk/ifer pro qm Rinde 659 Jungk~/fer erzeug- ten und in einem zweiten Baum 17 Mutterkiifer pro qm Rin- de 459 Jungkbifer. Die reichlichere Nahrung im zweiten Baum fiihrte zu besserer Konstitufion und geringerer Mor- talit~it (s. o. Konkurrenz) der Tiere, so daft die Nachkommen- zahl pro Mutterk~er im zweiten Stamm erheblich grSger war als im ersten. Bezieht man diesen Befund auf eine Be- kLmpfung, wiirde ein fiberlebender Tell von 15% der Popu- lation den Bek~impfungsverlust der Population schon weit- gehend kompensieren. Bei einer Oberlebensquote yon 20- 25% wiiren 100% Kompensation anzunehmen. Allerdings bezieht sich diese Kompensafionsbetrachtung nur auf die K~erzaht der vorliegenden Generation. Bezieht man sie auf deren Vermehrungspotenz, so ist diese bei den 659 Jungk~i- fern vom Stamm 1 geringer als jene der 459 Jungk~er vom Stamm 2, weil mit zunehmender Dichte die K6rpergr6ffe und physiologische Leistung (inkl. Vermehrungspotenz) sin- ken (5, 17). Das hell, t, dab in der Nachfolgegeneration oder -geschwisterbrut die Kompensation auch schon bei 15% Oberlebenden sehr wahrscheinlich 100% betragen hiitte.

Aus alldem geht hervor, dab die Bek~impfung versu- chen muff, einen m6glichst hohen Anteil der K~iferpopu- lation abzusch6pfen, um die Kompensation so niedrig wie m6glich zu halten.

7 Bek~impfung

Mit den genannten neueren Erkennmissen: des Nicht- primiirwerdens des Borkenkiifers sowie der Selbstreini- gung von Befallsfliichen bei fehlendem Nachschub an dis- ponierten Biiumen, haben sich die Notwendigkeit und das Ziel der Borkenk~iferbekiimpfung im Prinzip nicht ver~dert. Es gik nach wie vor, die Ausbreitung des Ste- hendbefalls durch gr6gtm6gliche Verringerung der K/i- ferdichte zu stoppen. Auch die hierffir notwendigen Mai~nahmen (2) bleiben unveriindert: 1. Saubere Wirt- schaft; 2. F~illen und Rindenbeseitigung von K~iferb/iu- men; 3. Einsatz yon Pheromonfallen. Hinzu kommen waldbauliche Veriinderungen als vorbeugende Magnah- me (Abschn. 8).

Page 4: Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

14 W. SCHWENKE, Grundzfige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Grofien Fichtenborkenk~ifers

1. Saubere Wirtschaft bedeutet Brutraumentzug und be- steht in der Abfuhr gefiillter St~rnme, Enffernung bruttaug- licher Resth61zer, Entrindung des bruttauglichen Holzes einschliefllich der Baumstiimpfe sowie im vorfibergehenden Verzicht auf Durchforstung und Bestandesreinigung.

2. Die F~illung + Rindenbeseitigung befallener Biiume erf~ihrt jedoch eine Zielverschiebung und Differenzie- rung. Bisher wurden, um den ,,Primiirbefall" zu vermei- den oder zu verringern, alle befallenen Biiume gef~illt (u. a. 2, 4). Da es aber keinen Prim~irbefall gibt, sollte man nur die stoker befallenen B~iume fiillen (die ohnehin nicht mehr zu retten sind) und den schwach befallenen B~iumen die Chance geben, bei geeigneter Witterung ihre Harz- kraft zuriickzugewinnen und zu gesunden. Zu diesem Zweck ist jeder schwach befallene Baum zu markieren und daraufhin zu kontrollieren, ob der Befall fortschrei- tet (dann muff er gef~illt werden) oder der Baum gesundet. Das ist zwar sehr arbeitsaufwendig, doch er6ffnet es die M6glichkeit, viele B~iume zu retten.

3. Um die nach der F~illung der K~ferb~iume noch vor- handene Borkenk~erpopulation welter zu reduzieren und Kompensationsvorg~inge zu beschr~inken, sollten als 2. Ab- sch6pfungsmaflnahme Pheromonfallen eingesetzt werden. Es ist miifiig, iiber die Rolle dieser Fallen im Rahmen des Gesamtmassenwechsels des Borkenk~ers zu streiten (u. a. 7, 32). Unbestreitbar ist der erhebliche Absch6pfungseffekt (9, 15) von bis zu 130.000 K~ifern pro Falle und Saison (3), wobei am besten je 3 Fallen zu einem Fallenstern angeordnet werden (8). Die Bedeutung des Falleneinsatzes wird noch dadurch vergr6flert, daft im Durchschnitt 2/3 der gefange- nen K~er Weibchen sind (33). Auf die richtige Handbung der Fallen kann hier nicht eingegangen werden.

Die Pheromonfallen haben die Rolle der fr/iher oft zahl- reich gef~illten Fangbiiume iibernommen (30), die gleichfalls der Absch6pfung dienten. Soweit man in den Fangb~iumen ein Bollwerk sah, das die gesunden Bestandesteile abriegeln und vor dem Borkenkiifer schfitzen sollte, ist diese Sicht heute gegenstandslos, da es Prim~irbefall nicht gibt. Ein lie- gender Fangbaum kann im giinstigsten Fall die Anlockwir- kung eines disponierten stehenden Baumes haben. Er bietet also diesem gegenfiber keinen Vorteil, es sei denn man ver- wendet einzelne Fangb~iume als Kontrollb~iume zur Verfol- gung der Entwicklung des Sch~idlings.

In den amtlichen Merkbl~ittern und B roschfiren wer- den bis heute chemische Maflnahmen als Teil der Borken- k~iferbekiimpfung empfohlen. Ihre Ergebnisse sind aber nicht nur witterungsabh~ingig, unsicher und unbefriedi- gend, sondern sie haben auch sch~idliche Nebenwirkun- gen f/Jr den Menschen und das Clkosystem, sodat~ man kiinftig darauf verzichten sollte. Die bis vor wenigen Jah- ren noch iibliche Begiftung der Rinde beim Sch~ilen wird in den neuen amtlichen Merkbl~ittern schon nicht mehr genannt. Weiterhin in der Anwendung sind aber die Stammbegiftung (Vorausflugbegiftung) und die vorbeu- gende Polterbegiftung. Was die erstere betrifft, sind die adulten Borkenk~ifer so stark gepanzert, daft sie durch den kurzen Kontakt mit dem Insektizid beim Ausbohren nicht wesentlich dezimiert werden. Das Tropfnaflsprit- zen yon Poltern sch/.itzt, wie sich immer wieder zeigte, das gelagerte Holz nicht geniigend vor dem Borkenkiifer, zumal wenn Niederschl~ige die Wirkung vermindern, aber es schadet den zahlreichen darin lebenden Wirbeltie- ren (V6gel, Mauswiesel, Igel, Spitzm~iuse, Erdkr6te u. a.) sowie vor allem vielen Insekten. Pheromonfiinge bei Pol-

tern (23) zeigten, daft gerade diese einen Sammelpunkt von - zum Tell seltenen - Insekten bilden.

Insgesamt gesehen, ist die Situation der Borkenk~ifer- bekiimpfung unbefriedigend. Die fiberall sehr hohe K~i- ferdichte, - die Schwierigkeit des Erkennens schwach be- fallener Biiume, - die absch6pfende Wirkung der Marl- nahmen, die Kompensationserscheinungen hervorruft sowie die versteckte Lebensweise und starke Panzerung der K~ifer, die eine Anwendung chemischer Mittel frag- wiirdig machen, haben die Borkenk~iferbek~impfung zum schwierigsten aller Forstschutzprobleme gemacht. Ein konsequenter Brutraumentzug durch saubere Wirtschaft sowie die doppelte Absch6pfung durch F~illen der stfirker befallenen B~iume (mit Rindenbeseitigung) + Pheromon- fallen erm6glichen es wenigstens, die Population des Schiidlings so weit zu reduzieren, daft ein Groflteil der zu Trockenzeiten disponierten B~iume (mit geringem Bor- kenk~iferbefall) am Leben erhalten werden kann.

8 Waldstrukturwandel

Das Bayerische Staatsministerium fiir Ern/ihrung, Landwirtschaft und Forsten schreibt in einer Broschfire zur Borkenkiiferbek/impfung (4): ,,Langfristig sind ge- sunde und stabile Mischw~ilder der beste Schutz gegen sch~idliche Einwirkungen auf den Wald." Auch in einer Broschiire der deutschen Forstlichen Forschungsanstal- ten (2) werden zur Verringerung der Borkenk~ifergefahr empfohlen: ,,Konsequente F6rderung von Mischbaumar- ten, Strauch- und Krautflora (Effekte: F6rderung von na- tiirlichen Feinden, positive Beeinflussung von Bestandes- klima und N~ihrstoffkreislauf)" sowie auch ,,Verbesse- rung des Bodenzustandes".

In der Tat weisen die hier genannten Maflnahmen auf den einzigen Weg, um vonder im Prinzip vergeblichen Beseitigung yon Symptomen wegzukommen und zu den Wurzeln des Borkenk~iferproblems vorzudringen. Mit ei- ner Verbesserung des Bodens durch D/ingung k6nnte ein erster Schritt in diese Richtung getan werden. Die D/in- gung flachgrfindiger, n~ihrstoffarmer Waldb6den ver- mehrt u. a. die Zahl und Aktivitiit der Bodenorganismen. Bei entprechenden Untersuchungen wurden unter den Kleintieren vor allem Regenwiirmer, Milben und Tau- sendfi~fler gef6rdert (22). Aktivierung des Bodenlebens bedeutet aber Verbesserung der N~ihrstoff- und Wasser- versorgung der B~iume und damit eine Erh6hung ihrer Widerstandskraft gegen Sch~idlinge (14, 18, 24, 31).

Diingungsmaflnahmen k6nnen natiirlich nur ein An- fang sein. Der wichtigste Schritt besteht in der Umwand- lung reiner Fichtenbest~inde in Mischwiilder. Doch ist auch damit noch nicht viel gewonnen, wenn die Art und Menge der Mischwaldb~iume nach 6konomischen Gesichtspunkten (,,Mischwald mit Augenmafl", 6) und nicht nach 6kologi- schen Gesichtspunkten gew~ihlt werden. Letzten Endes kann die L6sung des Borkenk~erproblems (wie iiberhaupt des gesamten Forstsch~idlingsproblems) nur durch eine 6ko- logisch fundierte Umwandlung der kiinstlichen Monokul- turen in weitgehend natiMiche Mischw~ilder unter Zugrun- delegung einer geobotanischen Kartierung der ursprfingli- chen Wald6kosysteme erreicht werden.

Es liegt auf der Hand, daft eine so grundlegende Ver- iinderung der Waldstruktur auch eine Ver~nderung der Forstwirtschaft bedingt. Po~ (20) schreibt hierzu: ,,Aus der Sicht des Naturschutzes darf die Forstwirtschaft sich nicht auf die reine Holzproduktion beschr~inken, son-

Page 5: Grundzüge des Massenwechsels und der Bekämpfung des Großen Fichtenborkenkäfers,lps typographus (L.) (Col., Scolytidae)

W. SCHWENKE, Grundzfige des Massenwechsels und der Bek~impfung des Grof~en Fichtenborkenk~ifers 15

dern muf~ sich zu einer mult i funkt ionalen naturnahen Waldwirtschaft entwickeln. In diesern Sinne kann sie hohe Wertertr~ige absch6pfen und sich dennoch m6g- lichst nahe an der natfirlichen Baumartenzusammenset- zung orientieren, u m neben den 6konomischen auch den 6kologischen Anspriichen gerecht zu werden."

Zusammenfassung Das Bild des Grof~en Fichtenborkenk~ifers, Ips typographus,

bedarf im Interesse einer Verbesserung der Prognose und Be- k~impfung einiger Korrekturen. Im Gegensatz zu bis heute gfil~ tigen Anschauungen ist Ips typ. rein sekund~ir und wird nicht primer. Die borkenk~iferdisponierten B~iume sind, wenn sic nur scbwach befallen sind, schwer von gesunden B~iumen zu unter- scheiden. Dringend erwfinscht ist, daf~ in n~ichster Zeit der kon- stante Wert des ,,kritisehen Harzdrucks" ermittelt wird, der die gesunde Fichte yon der disponierten unterscheidet. Ein deutli- cher Hinweis darauf, daf~ Ips typ. nicht prim~ir wird, ist die ,,Selbstreinigung" yon Befallsstellen, wenn keine disponierten B~iume zur Verfiigung stehen. Noch immer wird, vor allem in der Praxis, an der fiberholten ,,Herdtheorie" festgehalten, wo- nach yon einem ,,Herd" aus durch Uberflug von Kiifern neue ,,Herde" entstehen. Dafiir gibt es keinen Nachweis. Jede Mas~ senvermehrung ist standortbiirtig (autochthon). Ziel der Be- kiimpfung ist nicht mehr, gesunde B~iume zu schfitzen (da sotche nicht bedroht sind), sondern disponierte B~iume mit schwachem Befall durch doppelte Absch6pfung der Borkenkiifer mittels a) F~illung + Rindenbeseitigung st~irker befallener B~iume und b) Pheromonfallenanwendung am Leben zu erhalten. Chemische Mittel wirken zu unsicher und gering auf den Sch~idling und zu schiidlich fiir Mensch und Okosystem und sollten daher nicht mehr verwendet werden. Mittels Dfingung l~.f~t sich die Wider- standskraft der B~iume gegen Borkenk~ifer st~irken. Letzten En- des aber kann nur die Umwandlung der kfinstlichen Monokul~ turen in weitgehend naturnahe Mischw~ilder das BorkenkSfer- problem von Grund auf 16sen.

Literatur (1) ALTLIM, B., 1890: Z. Forst u. Jagdwes. 22, 577-79 (Lt.

SCHWENKE, W. 1974 (Hrsg.): Die Forstins. Mitteleuropas 3, 358.

(2) Arbeitsgruppe Waldschutz der deutschen Forstl. For- schungsanstalten, 1993: Borkenk~ifer fiberwachen und be- k~.mpfen. AID Nr. 1015, 36 S.

(3) BAKKE, A., 1983: Host tree and bark beetle interaction during a mass outbreak of Ips typographus in Norway. Z. a. E. 96.

(4) Bayer. Staatsmin. f. Ern., Landw. u. Forsten, 1984: Borken- k~.fer, Gefahr fiir den Wald. Verl. Kastner, Wolnzach, 24 S.

(5) BOMBOSCH, S., 1952: Anderungen der physiologischen Lei- stungen yon Ips typograpbus bei einer ungest6rt ablaufenden Massenvermehrung. Trans. 9. Int. Congr. Entom. 1,675-78.

(6) BURSCHEL, P., 1980: Der Waldbau. In: STERN, H. (Hrsg.): Rettet den Wald, p. 238, Kindler-Verlag.

(7) D1M1TRI, L.; GEBAUER, U.; LOSEKRUG, R.; VAUPEL, O., 1992: Influence of mass trapping of the population dynamic and damage-effect of bark beetles. J. appl. Ent. 114, 105-09.

(8) DIMITRI, L.; KONIG, E.; N1EMEYER, H.; VAUPEL, O., 1986: Der Dreifallenstern, eine M6glichkeit zur Steigerung der Effektivit~it von Borkenk~iferfallen. Forst u. Holz 41, 171- 73.

(9) DUBBEE, V.; DIMITRI, L.; NIEMEYER, H.; VAUPEL, O., 1995: Borkenk~.ferfallen, sinnlos bei Massenvermehrungen? AFZ 5, 258.

(10) HaIN, F. P.; M^WBY, W. D.; CooK, S. P.; ARTHUR, F. H., 1983: Host conifer reaction to stem invasion. Z. a. E. 96,1-8.

(11) KLIMETZEK, D.; SCHLENSTEDT, L., 1991: Waldschutz gegen Borkenkiifer. Der Beitrag von Duftstoffmeteorologie und Populationsdynamik. Anz. Sch~idl., Pfl. sch., Umweltsch. 64, 121-28.

(12) LKSStG, R.; SCHONENBERGER, W., 1993: Forschungen auf Sturmschadenfl~ichen in der Schweiz. Schweiz. F. u. H. 48, 244-49.

(13) MERKER, E., 1956: Der Widerstand von Fichten gegen Bor- kenkiiferfraiL AFZ 127, 129-87.

(14) MERKER, E., 1958: Die Schutzwirkung der Diingung im Walde gegen sch~idliche Insekten. Forst- u. Holzw. 13, 1-4.

(15) NIEMEYER, H.; DIMITRI, L.; VAUPEL, O., 1990: Verminde- rung von Borkenk~iferpopulationen. AFZ 30/31,770-71.

(16) NUORTEVA, M., 1964.' Der Einflufl der Menge des Brutma- terials auf die Vermehrung und natiirlichen Feinde des Grof~en Waldg~irtners, Blastophaguspiniperda L. (Col., Sco- lytidae). Ann. ent. fenn. 30, 1-17.

(17) OGIBIN, B. N., 1972: Effect of population density on fertility of Ips typographus L. Ecologiya 5, 66-72.

(18) OLDIGES, H., 1958: Waldbodendfingung und Sch~idlingsfau- na. AFZ 13, 138-40.

(19) P^ULY, A., 1891: Die Nonne Lyrnantria monacha in den bayerischen Waldungen. Frankfurt.

(20) Povl', D., 1989: Anspriiche an die Waldwirtschaft aus der Sicht des Naturschutzes. Fw. Cbl. 108, 319-26.

(21) POSTNER, M., 1974: Scolytidae, Borkenk~ifer. In: SCHWl~N- lit~, W. (Hrsg.) Die Forstsch~idlinge Europas, Bd. 2, 334-482.

(22) RONDE, G.; BECK, TH.; KRISO, K.; KUBIENA, W. L.; LLrrz, J. L.; OLDIGES, H.; PORSCHENRIEDER, H., 1959: Bodenzoo- logische Untersuchungen yon N-Meliorationsfl~ichen im Bayerischen Staatsforstamt Schwabach Mitt. Ruhr-Stick- stoff A.G. Bochum, 49-127.

(23) SCHWARTZ, L., 1989: Nebenwirkungen von Falle und Fang- baum in der Borkenk~iferbekiimpfung. Dipl. Arb. Forstw. Fak. Univ. Freiburg, 76 S.

(24) SCHWENKE, W., 1961: Walddiingung und Scbadinsekten. Anz. f. Sch~.dlingsk. 34, 129-34.

(25) SCHWENKE, W., 1994: Ober die Grundlagen der Entstehung und Begegnung yon Insektenmassenvermehrungen im Wald. Anz. Sch~idl., Pfl. sch., Umw. sch. 67, 120-24.

(26) SCHWERDTFEGER, F., 1968: Dem6kologie (p. 341), Verl. P. Parey, Berlin.

(27) SCHWERDTFEGER, F., 1977: Aut6kologie (p. 338), Verl. P. Parey, Berlin.

(28) THALENHORST, W., 1958: Grundziige der Populationsdyna- mik des grof~en Fichtenborkenk~.fers, Ips typographus L. Frankf./M.

(29) VtTI~, J. P.; WOOD, D. L. A., 1961: A study of the applicabi- lity of the measurement of oleoresin exudation pressure in determining susceptibility of second growth ponderosa pine to bark beetle infestation. Contr. Boyce Thomps. Inst. 21, 67-78.

(30) VITI~, J. P., 1980: Anwendung yon Lockstoffen gegen Fich- tenborkenkiifer. AFZ 151, 45-48.

(31 ) WARING, R. H.; PITMAN, G. B., 1983: Physical stress in lodgepole pine as a precursor for mountain pine beetle attack. Z. a. E. 96.

(32) WEBER, T., 1987: Sind Borkenk~ifer durch Pheromonfallen wirksam zu bek~impfen? AFZ 42, 87-89.

(33) ZUMI~, V., 1987: Zum Geschlechterverhiilmis yon Ips typo- graphus L. (Col., Scolytidae) in Pheromonfallen. Ariz. Schiidl., Pfl. sch., Umw. schutz 55, 68-71.

Anschrift des Verfassers: Prof. era. Dr. WOLFGANG SCHWEN- KE, Lehrstuhl fiir Angewandte Zoologic der Forstw. Fakult~it der Universit~it Mfinchen, Hohenbachernstr. 22, D-85354 Frei- sing.