Das Geheimnis der Madame Curie - LPS-Berlin...Das Geheimnis der Madame Curie Wissenschaft, Politik und ein bisschen Trash aus dem Jahre 1911 Dr. B. Lorenz Behördenseminar, LPS, März

Das Geheimnis der Madame Curie

Wissenschaft, Politik und ein bisschen Trash aus dem Jahre 1911

Dr. B. Lorenz Behördenseminar, LPS, März 2017

Marie im Alter von 24 Jahren

B. Lorenz, LPS-Seminar, März 2017

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Vorwort: Marie Curie - der Film

Ikone der Wissenschaft

Etwas zur Biographie

Das familiäre Umfeld

Die Gesellschaft um 1900-1914

Das Jahr 1911: Höhen & Tiefen

Krankheit und Erholung

Der 1. Weltkrieg

In den USA

Radium und Strahlenwirkungen

Familienepilog

Inhalt

1905 im Labor


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Vorwort: Marie Curie: der Film

Dieser Film lief 2016 in den deutschen Kinos.

Vielleicht hat ihn jemand von Ihnen gesehen.

Diese Filmfreunde bitte ich um Verzeihung.

Sie wissen schon fast alles von dem, was ich Ihnen jetzt erzählen werde.

Zum Trost:

SZ-Kritik: Das Biopic "Marie Curie" vertut die Chance, mit den kursierenden Missverständnissen über das Leben der Nobelpreisträgerin aufzuräumen. Stattdessen geriet der Film zum Rosamunde-Pilcher-Schinken.


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Ikone der Wissenschaft

Marie Curie hat Einzigartiges geleistet.

Polonium und Radium entdeckt.

Nobelpreis in Physik 1903, zusammen mit Pierre Curie und Henry Becquerel.

Alleiniger Nobelpreis für Chemie 1911.

Eine von zwei Frauen unter den ca. 200 Physik-Preisträgern, einzige Frau in der Solvay-Konferenz.

Gründerin eines Radium-Institutes, Förderin der medizinischen Anwendung des Radiums.

Betrieb einer fahrbaren Röntgenstation während des 1. Weltkriegesund Organisation diverser anderer.

Also alles hochachtungsvolle Dinge.

Bis vor kurzem hatte ich dieses makellose, bewundernswerte Bild.

Aber 1911 war ein schwarzes Jahr für M. Curie.


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Haben berühmte Personen ein Privatleben?

Dürfen sie sich so verhalten, wie „normale“ Menschen?

Wird ihre Geschichte schöngeredet(geschrieben)?

Darf man Dinge aus der Biographie einfach weglassen?

Sind uns die Berühmtheiten näher, wenn dann doch ein menschliches, vielleicht für sie sogar unvorteilhaftes Verhalten an den Tag kommt?

Fragen


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1911: Die Affaire Langevin

Marie Curie, 44, Witwe, hatte ein Verhältnis mit Paul Langevin, 39, verheiratet, vier Kinder.

Das Bekanntwerden des Verhältnisses und der Rosenkrieg der Langevins sollte das Image und die Gesundheit von Madame Curie dauerhaft beschädigen.

Wir kommen darauf zurück, denn nur davon zu reden, würde M. Curie nicht gerecht werden.


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Lebenslauf Maria Skłodowska

Geb. 1867 in Warschau, jüngstes von fünf Kindern, die Eltern Lehrer.

Die Eltern entstammten dem Landadel (Szlachta).

Die Mutter stirbt früh an Tuberkulose, die älteste Schwester stirbt an Thyphus.

Gymnasium 1883 als Beste abgeschlossen (mit 15).

Es folgte ein „Erholungsjahr“ auf dem Land.

Studium war Frauen nicht erlaubt.

Mit 18 schließlich als Hauslehrerin in Szczuki.

1891 Übersiedlung nach Paris zu ihrer Schwester Bronia.

Studium an der Sorbonne.

Versuche, in Polen wissenschaftlich zu arbeiten, scheitern.

Rückkehr nach Paris.

1895 Heirat Madame Pierre (Marie) Curie

Pierres ersten Antrag hatte sie abgelehnt.


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Hauslehrerin in Szczuki

Liebe zu Kazimierz Zorawski, dem Sohn der Hausherren.

Heirat scheitert an den gesellschaftlichen Umständen.

K. Zorawski. sollte später ein bedeutender Mathematiker werden.

Wikipedia: Als Student an der Krakauer Universität war er

mit Marie Curie bekannt.


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Polen existierte nicht, es war aufgeteilt. Warschau gehörte zum Weichselland, das unter russischer Herrschaft stand.

Es gab den Prozess der „Russifizierung“. In den Schulen wurde selbst der Polnischunterricht in Russisch gehalten.

Polen Ende des 19. Jahrhunderts

Nationale Bestrebungen wurden unterdrückt, Aufstände nieder-geschlagen, die Leute bespitzelt.

Natürlich wurden die russischen Anweisungen unterlaufen wo es ging.

Maries Vater gehörte zu den Positivisten, die in der Bildung ein Mittel sahen, die Verhältnisse zu ändern.

Marie und ihre Schwester nahmen an Kursen der „fliegenden Universität“ teil.


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Frauen waren nicht gleichberechtigt.

Ihre Rolle war die der treusorgenden Ehefrau und Mutter.

Wissenschaftlerinnen gab es fast nicht.

Wenn eine Frau studierte, dann vielleicht um Lehrerin zu werden.

Das Gesellschaftsbild damals, vor 100 Jahren

Das Bild zeigt die so genannten Sufragetten 1908 in Manchester im Kampf um das Wahlrecht, das 1920 in den USA, 1918 in Deutschland, 1971 in der Schweiz (!) eingeführt wurde.


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Die Presse hatte schon damals ein gewichtiges Wort mitzureden.

Pulitzer gründet die New York World. Hearst begründet ein Presseimperium in den USA.

In Europa war die Presse ebenso eine Macht.

Frankreich war von der Dreyfus-Affaire (1894-1906) erschüttert.

M. Curie sollte die Macht der Presse schmerzlich am eigenen Leibe erfahren.

Le Temps, L‘Oevre, L‘Action Francaise: wir kommen darauf zurück.

Das Gesellschaftsbild damals, vor 100 Jahren


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Einige Eigenschaften

Klassenbeste

Stellt die ältere Schwester in den Schatten.

Wurde gern vorgeführt, wenn der russische Inspektor kam.

Erlernt mehrere Sprachen

Polnisch (natürlich)

Russisch (Besatzerregime; wurde auf staatlichen Schulen gesprochen)

Französisch (üblich in Adelskreisen; Familie entstammt dem (verarmten) Landadel (Szlachta))

Deutsch

Englisch (später)

Ausgezeichnetes Gedächtnis

Die Partygeschichte vom Gedicht

Wissbegierig; ehrgeizig und ausdauernd, was die Forschung anging;

Hasste das „Vorstellig werden“.

Erziehung und Bildung waren ihr wichtig, aber auch Gesundheit und Sport (der Kinder).


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Naturliebend und fortschrittlich

Wer hatte schon 1895 ein Fahrrad?

Vom gespendeten Geld der Hochzeitsgäste kaufen sie sich Fahrräder und unternehmen ausgedehnte Touren in und um Paris.


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Wissenschaft

Ab 1891 Studium an der Sorbonne

1893 Master in Physik, 1894 Master in Mathematik, wissenschaftliche Arbeiten über Stahl und Magnetismus

1898 Prix Gegner (via Pierre!): ein Achtungserfolg für eine Frau!

1896 inspiriert von der Entdeckung Becquerels

Untersuchung von Uranverbindungen und anderen Elementen

Sie findet heraus, dass es stärker strahlende Substanzen gibt als Uran.

Ausgangsmaterial ist Pechblende, ein Abfallprodukt der Uranfarben.

Die Vorgehensweise ist relativ einfach.

Man wendet verschiedene chemische Trennungsprozesse an und macht mit dem Produkt weiter, das am stärksten strahlt.

Pierres Elektrometer ist der Geiger-Zähler der damaligen Zeit.

1898 Entdeckung eines radioaktiven Elementes: „Polonium“

Prägung des Begriffes „Radioaktivität“

1902 Isolation des „Radium“

1903 Nobelpreis zusammen mit Pierre und Becquerel


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Die Curies: Familie der Wissenschaft

Jaques und Pierre Curie

Entwickelten ein Elektrometer, das später M. Curie exakte Messungen der Radioaktivität erlaubte.

Entdeckten den Piezoeffekt (Druck auf Kristall erzeugt eine Spannung)

Der Piezoeffekt hat heute eine weit verbreitete Anwendung erfahren

Feuerzeug

Schallumwandlung

Druckersteuerung

Dieselmotoren


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Pierre Curie

Stammt aus gutbürgerlichen Verhältnissen; Vater Arzt, Mutter Fabrikantentochter; Abitur mit 16 (Privatschule).

Bereits vor der Zusammenarbeit mit Marie war er ein bekannter und anerkannter Wissenschaftler und Experimentator.

Entdecker der Curie-Temperatur und des Curie-Gesetzes (bei

konstantem Magnetfeld ist die Magnetisierung umgekehrt proportional der Temperatur).

1882 Leiter einer Privatschule

1885 Professor an der Sorbonne

1903 Nobelpreis

1905 Mitglied der Akademie

Hatte Interesse am Spiritismus und besuchte Seancen.

1906 tödlicher Verkehrsunfall

Die frühere Maßeinheit der Radioaktivität „Curie“ ist vermutlich nach ihm benannt. (M. Curie hätte nie zugelassen, dass man das nach ihr benennt und im

übrigen waren Frauen damals keineswegs gleichberechtigt.)


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Der tragische Unfall von Pierre Curie


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Madame Pierre Curie

Setzt die Arbeit ihres Mannes fort. Zunächst nur die Vorlesungen und als Laborleiterin.

1906 Vorlesungen, dann 1908 als Professorin an der Sorbonne.

Marie Curie

1900 als erste Frau an die ENSJF in Sevres berufen, die als Frankreichs renommierteste Ausbildungsstätte für zukünftige Lehrerinnen galt

1902 Ra isoliert; 1911 alleiniger Nobelpreis für Chemie

Einzige Frau der Solvay-Konferenzen

1914 Leiterin des Radium-Institutes in Paris

Erfindet die mobile Röntgenstation für die Soldaten


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Die Solvay-Konferenz

Der belgische Großindustrielle Ernest Solvay gab das Geld, Walter Nernst hatte die Idee.

Versammelt waren die führenden Physiker, maximal 25.

Man diskutierte und suchte Lösungen für aktuelle Probleme.

Strahlung und Quantenphysik waren hochaktuell.

M. Curie nahm an allen 7 Konferenzen teil, die bis 1933 stattfanden.

Erste Solvay-Konferenz

1911 im Hotel Metropol in

Brüssel.

Marie ist die einzige Frau.

Paul Langevin war der

Sekretär der Konferenz.


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Röntgenstrahlen und Radioaktivität waren gerade entdeckt.

Röntgen selbst hatte kein Patent angemeldet, so verbreitete sich die neue Technik in Windeseile.

Die Leute waren begeistert.

Noch war die schädigende Wirkung nicht allseits bekannt.

Anfang des 20. Jahrhunderts

http://www.derweg.org/personen/forschung/images/roentgen2_big.jpg

http://www.derweg.org/personen/forschung/images/roentgen2_big.jpg


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Mit Radiumquellen (Radium-Bombe) war es möglich, Krebs zu bekämpfen.

M. Curie hat darüber geforscht. An Strahlenschäden wollte sie nicht glauben, ausgenommen Hautverbrennungen.

Auch sie hat keine Patente angestrebt.

Anfang des 20. Jahrhunderts


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Radium Schokolade

Radium: das Wundermittel

Radium Zahnpasta

Radium Zigaretten

Radium Creme

Radium Trinkkur


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Radiumleuchtmittel

Ra-226 regt Lumineszenz an.

Zinksulfid ZnS wird mit Ra-Salz (Ra-Sulfat) gemischt.

ZnS hat dabei eine Halbwertszeit von etwa 10 a.

1 g enthält 25 – 300 µg (=µCi) Ra.

Höhere Menge für Flugzeugarmaturen und Schiffsinstrumente, niedrigere Menge für Uhren und Lichtschalter.

Bereits um 1920 waren Millionen Uhren im Umlauf.

Noch 1974 wurden in den USA 1,5 Mio. Uhren hergestellt.

Alternative Radionuklide heute T und Pm-147.


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Leuchtet Radium?

Also im Film leuchtet es. Eigentlich sollte es nicht leuchten.

Aber in ihrer Selbstbiografie schreibt Marie Curie:

„Eine unser beliebtesten Zerstreuungen in dieser Zeit waren die abendlichen Besuche unseres Labors. Überall sahen wir dabei die schwach leuchtenden Umrisse der Gläser und Beutel, in denen unsere Präparate untergebracht waren. Dies war ein wirklich herrlicher Anblick, der uns stets neu erschien. Die glühenden Röhrchen sahen wie winzige Zauberlichter aus.“


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Zeichen der Würdigung


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Die Langevin-Affaire


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Beginn der Affaire

Paul Langevin hat bei Pierre Curie promoviert.

Er war, wie die Curies, auch engagiert in dem Privatschulunterricht (inkl. Experimenten), den Eltern, die mit dem staatlichen Schulsystem haderten, für ihre Kinder organisiert hatten.

Die Curies und die Langevins kannten sich also auch privat viele Jahre.

Um 1910 kamen sich Paul und Marie nahe; er beichtet ihr seine Probleme mit seiner Frau.

Sie hat Mitleid.

Schließlich sind sie ein Liebespaar, mieten sogar eine gemeinsame Wohnung.

Marie drängt auf eine Scheidung, aber erfolglos.

Frau Langevin erfährt von dem Verhältnis und nimmt es nicht hin.


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Die Auseinandersetzung

Jeanne Langevin fordert die Beendigung des Verhältnisses, Marie die Trennung.

Dazu kann sich Paul nicht durchringen; Marie aber will mit ihm eine neue Zukunft aufbauen.

Paul ist Wissenschaftler [„er ist ein solches Genie“ ], wie Pierre, vielleicht hofft sie auf eine Wiederholung der früheren Zeiten.

Frau L. fordert Marie auf, das Land zu verlassen, droht sogar, sie umzubringen.

Marie gibt Paul Ratschläge, wie er sich von seiner Frau fernhalten soll.

„Deshalb ist es notwendig, dass Du Dich, so schwer Dir das auch fallen mag, dazu entschließt, ihr das Leben systematisch unerträglich zu machen.“

Sie gibt ihm sogar Geld, um seine Frau zu beruhigen.

Die Fronten sind verhärtet.

Frau Langevin sucht Unterstützung bei der Presse, ihr Bruder ist Redakteur, und findet sie. Langevin ist bekannt, M. Curie ist bekannt, das gibt eine gute Story. Die öffentliche Schlacht beginnt.


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Die Briefe und die Presse

Marie und Paul schrieben sich gegenseitig Briefe, die sie in der gemeinsamen Wohnung aufbewahrten.

Das war etwas leichtsinnig.

Ostern 2011 wurden die Briefe entwendet.

Frau Langevin hatte nun ein gewichtiges Druckmittel.

Man zahlt ihr Schweigegeld. Marie leiht Paul 5000 Francs.

Im Juli verlässt Paul nach einem Streit seine Frau und macht Urlaub mit zwei Söhnen. Das wird ihm als Entführung der Kinder angelastet.

Im November ist die Ruhe vorbei.

Marie und Paul sind bei der Solvay-Konferenz in Brüssel.

Journalisten erwarten sie im Metropol.

Die Schwiegermutter von Paul hatte ein Interview gegeben.

Marie wird des Ehebruchs beschuldigt.

Sie dementiert und verlässt die Konferenz.


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Albert Einstein zur Affaire Langevin

„Dass Langevin sich scheiden lassen will, ist schon länger bekannt. Wenn er Frau Curie liebt und sie ihn, dann brauchen sie nicht durchzugehen, weil sie in Paris Gelegenheit genug haben, einander zu treffen. Ich habe aber gar nicht den Eindruck bekommen, dass zwischen ihnen etwas Besonderes schwebe….Ich glaube auch nicht, dass Frau Curie herrschsüchtig oder sonst süchtig ist. Sie ist eine schlichte, ehrliche Person, der ihre Pflichten und Lasten fast über den Kopf wachsen. Sie hat eine sprühende Intelligenz, ist aber trotz ihrer Leidenschaftlichkeit nicht anziehend genug, um jemandem gefährlich zu werden.“

Die Presse hörte nicht auf; es sollten schlimme Dinge gedruckt werden, letztlich sogar die Briefe.


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Die Ereignisse im November 1911

30.10.-3.11. erste Solvay-Konferenz in Brüssel

4.11. Interview mit der Mutter von Jeanne Langevin im Le Journal

5.11. Interview mit Jeanne Langevin im Le Petit Journal

7.11. Verleihung des zweiten Nobelpreises für Marie Curie wird bekannt gegeben. Das wird in der französischen Presse nur kurz erwähnt.

8.11. Stellungnahme M. Curie zum Artikel vom 4.11. mit Androhung einer Schadensersatzklage.

8.11. Entschuldigung von F. Hauser gegenüber M. Curie [seltene

Ausnahme]

Diverse Sympathiebekundungen, insbesondere von Jaques Curie.

Die Presse bleibt bei der Verurteilung von M. Curie. („das mächtige

Establishment der Sorbonne habe die unglückliche Madame Langevin gezwungen, den Fall vor Gericht und in der Presse auszutragen“)

„Alle Mütter Frankreichs stehen auf der Seite des Opfers“ steht im Intransigeant

23.11. zehn Seiten mit Auszügen aus den Briefen im L‘Oevre.


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Die Presse holt aus

Gustave Tery in L‘Oevre:

Über Marie Curie:

„Man zittert bei dem Gedanken, dass es gar keine französische

Wissenschaft mehr gäbe, wäre diese üble Studentin nicht extra aus

Polen gekommen um bei der Entdeckung des Radiums dabei zu sein.

[…] Es gibt noch genügend Patrioten, die nicht zu verblendet sind, um

die Invasion von Kanaken als nationale Plage zu betrachten“.[

Über Paul Langevin:

„Dieser Mann ist, wenngleich Professor am Collège de France,

nichts als ein Flegel und niederträchtiger Feigling“

Das brachte ihm ein Duell mit P. Langevin ein.

Man traf sich am 16. November 1911. Es gab aber keinen Schusswechsel.

Tery dazu: Er sei nicht blutrünstig und wolle die französische Wissenschaft nicht eines wertvollen Gehirns berauben.

Insgesamt gab es fünf Duelle wegen der Affaire.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gustave_T%C3%A9ry#cite_note-Radvanyi-5


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Die Affaire Langevin: wie sie die Presse sah

Jeanne Langevin: die arme, verzweifelte Frau und vierfache Mutter, kämpft am häuslichen Herd um die Liebe ihres Mannes.

M. Curie: ehebrecherische, reiche Frau, berufstätig, Bücher schreibend, in der Welt rumreisend, versucht mit allen Mittel, den Mann wegzunehmen.

„die Ausländerin, die einer Französin den Mann gestohlen hat“

„die Republik braucht keine Wissenschaftler“[mit diesen Worten wurde

Lavoisier auf die Guillotine geschickt]

Dann kamen auch noch antisemitische Äußerungen hinzu, als man aus Maries zweitem Namen, Salomee, ein jüdische Herkunft folgerte.

Dass Marie auch zwei Kinder hatte, um die sie sich liebevoll kümmerte, spielte keine Rolle.

Männer durften Geliebte haben, das war kein Thema. Aber dominante Frauen?


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Öffentliche Anfeindungen 23.11.1911

Um das Haus der Curies in Sceaux versammelten sich aufgebrachte Bürger.

Es war eine regelrechte Belagerung:

„Nieder mit der Fremden, nieder mit der Gattendiebin!“

Freunde, die Borels, bringen sie da raus und quartieren sie bei sich ein.

Borel wird deshalb mit Kündigung gedroht.

Einflussreiche Leute wollen Marie nach Polen abschieben.

Freunde und Familie, Jozef und Bronia, kamen aus Polen, unterstützen Marie, die nicht daran denkt, wegzugehen.

Nach und nach beruhigt sich die Lage wieder.

Aber sie hat Folgen für die Gesundheit. Am 29. Dezember wird Marie als Notfall in ein Krankenhaus eingeliefert.

Sie wird zwei Jahre nicht arbeiten können und ihre Aufenthaltsorte geheim halten, um der Presse aus dem Weg zu gehen.

Sie wird sogar unter falschem Namen reisen.


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Die Reaktion in Schweden


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Die Reaktion in Schweden

Am 22. 11. schreibt Marie an S. Arrhenius, dass sie zwar gerne nach Schweden kommt, um für „die sehr große Ehre“ zu danken. Sie fürchtet jedoch, dass der Skandal, den die Presse in Frankreich angezettelt hat, die Zeremonie „auf unangenehme Weise“ stören könnte.

Arrhenius beruhigt, es werde kein Problem geben.

Nach dem Erscheinen der Briefe und dem Duell von Langevin ändert sich das. „Ich bitte sie daher, in Frankreich zu bleiben“.

Marie ist empört.

„Was Sie mir vorschlagen, wäre aus meiner Sicht ein grober Fehler. Der Preis wurde für die Entdeckung des Radiums und des Poloniums verliehen.“

Am 10. und 11.12. 1911 nimmt Marie an den Feierlichkeiten in Stockholm teil und hält einen Vortrag.

Alles läuft glatt, ohne Verwerfungen.


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Das Ende der Liebe

Ursprünglich war ein Gerichtsverfahren zur Bereinigung der Angelegenheit angestrebt worden.

Man einigte sich aber außergerichtlich. Es gab keine Scheidung.

Die konservative Presse, Action Francaise, feierte einen Sieg.

„Was unsere Widersacher anbelangt, die Sorbonne mit ihren Bastarden und Juden, so hat die Niederlage, die sie trotz aller offiziellen Macht einstecken mussten, ihnen beigebracht, dass man nicht so leicht gewinnt, wenn man jenen immer noch festen Felsen angreift: die französische Sitte.“

„Innerhalb der tonangebenden Pariser Bourgeoisie war Madame Curies Ruf dauerhaft geschädigt“, schreibt Susann Quinn in ihrer Biographie.

1914 zieht Paul Langevin wieder zu seiner Frau zurück.

Er hat später noch eine Geliebte, Eliane Montel, [und ein Kind mit ihr], aber die wird toleriert.

1924 stellt Marie, auf Bitte Pauls, sie sogar in ihrem Institut an.


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1914: Der erste Weltkrieg und Neubeginn

Marie und ihre Tochter engagieren sich „als echte Franzosen“.

Marie erfindet die mobile Röntgenstation.

Insgesamt organisiert sie, dass ca. 200 solcher Wagen letztlich im Einsatz sind. Man schätzt, dass über eine Million Untersuchungen damit gemacht wurden.

1916 macht sie die Fahrprüfung und kann damit selbst eine mobile Station fahren.


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USA-Reise

Marie „Missy“ Melony, eine amerikanische Journalistin, überzeugt Marie Curie von einer Reise in die USA, um Geld für Radium zu sammeln.

Marie wird in Amerika begeistert empfangen.

1921 waren die 100 000 $ zusammen, die ein Gramm Radium kostete.

Symbolische Übergabe des Radiums durch Präsident Harding 1921.


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Marie Curie: Popstar in USA

M. Curie mochte sowas eigentlich nicht. Sie war sehr bescheiden, was ihre persönlichen Angelegenheiten betraf. Sie trug dasselbe schwarze Kleid bei beiden Nobelpreisverleihungen. Hier ging es um Geld für ihr Radiuminstitut.


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Beobachtung am Rande: Es wird nicht gelächelt


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Radium: radiologisch betrachtet

Ra-226

Alphastrahler; 4,9 MeV

Gammastrahler; 186 keV und weitere aus Zerfallsprodukten

Beta über Zerfallsprodukte, die meist kurzlebig sind.

Teil der Uranzerfallskette

Wichtiges Zerfallsprodukt: Radon-222

Ra-HWZ 1600 Jahre

Freigrenze 10 kBq oder 10 Bq/g

Metabolismus ähnelt dem des Calcium

„Knochensucher“ mit langer biologischer HWZ

Dosiskoeffizient für Knochenoberfläche 1,2 E-5 Sv/Bq

100 µCi Inkorporation verursachen ca. 10 „Sv“


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Radium- Segen oder Fluch?

„Radium- Boon or Menace?“

Titelte die Zeitschrift Everyday Science and Mechanics 1932

Sie kam zu dem Ergebnis,

dass man mit Radium Krebs bekämpfen kann,

aber man sollte es immer verschlossen halten und

keinesfalls essen.

Das war nach dem Prozess der Radium Girls und ein weiterer Fall, der des Eben McBurney Byers, erregte Aufmerksamkeit.

Die Behandlung von Krebs mit umschlossenen Ra-Quellen war noch viele Jahrzehnte üblich, bis nach und nach künstliche Radionuklide wie Co-60, Ir-192 diese ersetzten.

Marie Curie hat vermieden, die Gefahren des Umgangs mit Radium zu betonen. Für sie stand der Nutzen im Vordergrund.


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Nobelpreisrede Pierre Curie 1905 (Auszug)

Finally, in the biological sciences the rays of radium and its emanation produce interesting effects which are being studied at present. Radium rays have been used in the treatment of certain diseases (lupus, cancer, nervous diseases).

In certain cases their action may become dangerous. If one leaves a wooden or cardboard box containing a small glass ampulla with several centigrams of a radium salt in one’s pocket for a few hours, one will feel absolutely nothing. But 15 days afterwards a redness will appear on the epidermis, and then a sore which will be very difficult to heal. A more prolonged action could lead to paralysis and death. Radium must be transported in a thick box of lead.

It can even be thought that radium could become very dangerous in criminal hands, and here the question can be raised whether mankind benefits from knowing the secrets of Nature, whether it is ready to profit from it or whether this knowledge will not be harmful for it. The example of the discoveries of Nobel is characteristic, as powerful explosives have enabled man to do wonderful work. They are also a terrible means of destruction in the hands of great criminals who are leading the peoples towards war. I am one of those who believe with Nobel that mankind will derive more good than harm from the new discoveries.


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Ein aufregendes Leben geht zu Ende

Marie stirbt am 4. Juli 1934 in Sancellemoz, einem Alpensanatorium, mit 66 Jahren an aplastischer Anämie.

Vielfach wird das auf ihren Umgang mit Radium zurückgeführt, für den es damals keine oder wenig Schutzmaßnahmen gab.

66 Jahre ist aber ein Alter, das völlig im Rahmen der damaligen Lebenserwartung liegt.

Sie hatte auch eine Nierenoperation, vielleicht eine asympto-matische Tuberkulose [ihre Mutter starb an TBC], 1911 hatte ihr auch sehr zugesetzt.

1903 waren sie und Pierre wegen wechselnder Krankheiten nicht in der Lage, den Nobelpreis zu empfangen. Das erfolgte erst 1905.

Die Arbeitsbedingungen bei der Suche nach dem Radium waren alles andere als gesund.

Ob strahlenbedingt oder nicht, wird man nicht klären können.

Ihre Arbeitsbücher von damals sind allerdings noch kontaminiert.


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Irene und Frederick Juliot-Curie

Irene: die Tochter;

arbeitete viele Jahre mit ihrer Mutter zusammen.

Eigene Röntgenstation im WW I

Frederick: 1925 der Laborassistent von M. Curie

1926 Heirat Frederick und Irene

Erforschung der künstlichen Radioaktivität

Mal übers Wochenende ein paar neue Isotope herstellen.

1935: beide Nobelpreis für Chemie [Marie hat das nicht mehr erlebt]

Irene wird 1936 Staatssekretärin für Wissenschaft

F. Während der Besetzung in der Resistance

F. schmuggelt Forschungsergebnisse nach England

F. Engagiert in der Friedenspolitik.

F. 1950 Präsident des Weltfriedensrates

Nach dem Tod von Irene 1956 übernimmt F. die Vorlesungen seiner Frau.


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Die Curies: Familie der Prominenten

Eve Curie Labouisse

Zunächst talentierte Klavierspielerin.

Dann aber Journalistin.

Reist mit ihrer Mutter.

1937 veröffentlichte sie die Biografie ihrer Mutter.

Wer am schnellsten ist, hat die Meinungshoheit.

Die Affaire Langevin wurde da ausgespart.

Kriegskorrespondentin im WW II

Heirat H. R. Labouisse

Tätig für verschiedene UN-Organisationen

1965 nimmt das Ehepaar den Friedensnobelpreis für UNICEF entgegen.

2007 mit 102 Jahren gestorben.


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Epilog

Helene Langevin-Juliot-Curie

Professorin für Physik

Enkeltochter von M. Curie

M. Curie-Enkelin heiratete P. Langevin-Enkel.

Am Ende dann doch wieder zusammen.

Marie und Pierre Curie werden 1995 in das Pantheon überführt.

Paul Langevin ist auch dort.

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