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SAN LORENZO GUARINO GUARINI TORINO

GUARINO GUARINI - dausel · 2003-10-21 · 5. Einleitung. Guarino Guarini baute und entwarf im 17. Jahrhundert Bau-werke, welche als Höchstleistungen des Barocks gelten. Der Theati-nermönch

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SAN LORENZO

GUARINO GUARINI

TORINO

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SAN LORENZO

1668-1687

von

GUARINO GUARINI

1624-1683

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San Lorenzo

in Turin

von Guarino Guarini

Studienarbeit

im Fach Baugeschichte

an der TU Braunschweig

Institut für Baugeschichte

Prof. Dr. H. Thies

SS 2001

Christoph A. Dausel

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Inhaltsverzeichnis

A Einleitung ............................................................................. 5

B Hauptteil .............................................................................. 7

1 Umfeld1.1 Bauherr, zeitlicher Kontext ................................................................................. 71.2 städtischer Kontext............................................................................................ 81.3 Guarino Guarini ............................................................................................ 101.4 Ordo Clericorum Regolarium - Chierici regolari ............................................... 14

2 San Lorenzo2.1 Baugeschichte ............................................................................................... 172.2 Funktionale Bereiche - Organisation................................................................ 192.3 Figuren - Elementgruppen............................................................................... 202.4 Aufriss........................................................................................................... 292.5 Geometrie..................................................................................................... 302.6 Licht.............................................................................................................. 312.7 Fassade......................................................................................................... 332.8 Materialien.................................................................................................... 362.9 Statisches System ........................................................................................... 38

3 Einordnung in den historischen Kontext3.1 Maurische Architektur - staufische Architektur ................................................... 413.2 Antike - Renaissance ...................................................................................... 433.3 Michelangelo, Borromini ................................................................................ 443.4 Frankreich ..................................................................................................... 463.5 Guarinis Bauten............................................................................................. 473.6 Piemont - Vittone und andere.......................................................................... 503.7 Böhmen, Süddeutschland ............................................................................... 51

C Schluss............................................................................... 53

Anhang

A Bibliographie ................................................................................................. 55B Abbildungsverzeichnis..................................................................................... 57C Tavola di Riscontro delle Antiche misure piemontisi col sistema metrico decimale 58D Geschichtsdaten San Lorenzo.......................................................................... 59E Öffnungszeiten San Lorenzo............................................................................ 59F Zeitgenossen Guarinis .................................................................................... 60

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Einleitung

Guarino Guarini baute und entwarf im 17. Jahrhundert Bau-werke, welche als Höchstleistungen des Barocks gelten. Der Theati-nermönch Guarini trat 1666 in den Dienst der Fürsten von Savoyen, welche ihre Residenz in Turin aufgeschlagen hatten. Hier entwickelte Guarini die meisten Entwürfe seines Oeuvres, Turin sollte die frucht-barste Periode in seinem Schaffen werden. Neben der Kapelle SS. Sindone, dem Palazzo Carignano, das Collegio dei Nobili zeugt heute noch die Kirche San Lorenzo von Guarinis Wirken.

Im Jahre 1668 wurde Guarini mit der Kirche San Lorenzo beauftragt, der Grundstein dieses als Palast- und Klosterkirche zu verstehenden Bauwerks wurde bereits vor Guarini gelegt. Der Bau wurde 1687, vier Jahre nach dem Tod von Guarini, vollendet. San Lorenzo kann dennoch uneingeschränkt als Werk Guarinis angese-hen werden, wie unter anderem in dieser Arbeit ausgeführt wird. Die Umstände der Entstehungsgeschichte von San Lorenzo, das zeitliche und städtebauliche Umfeld, die Einflüsse seiner Berufung als Mönch und sein theoretisches Schaffen werden im ersten Teil beleuchtet. Der zweite Teil befasst sich mit einer Betrachtung des Bauwerks selbst, das komplexe System wird unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert, der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hierbei auf den Hauptmotiven des Entwurfs von San Lorenzo. Im dritten Teil wird der Einfluss vorangegangener Bauwerke auf die Gestalt von San Lorenzo analysiert und die Wirkung dieses Bauwerks auf die spätere Architek-tur im näheren und weiteren Umkreis untersucht.

Die vorliegende Arbeit hat nicht den Anspruch, das Bauwerk bis in alle Einzelheiten restlos zu erfassen und zu beschreiben. Vielmehr soll anhand der Erklärung von Grundzügen des Entwurfs das Ver-ständnis für diese Eine der originellsten Kirchen Guarinis geschärft werden.

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A Hauptteil

1 Umfeld

1.1 Bauherr, zeitlicher Kontext

Als Inbegriff des italienischen Barock galt lange Zeit der römische Barock. Die Würdigung zeitlich nachgeordneter aber ebenso bedeu-tender Werke dieser Epoche außerhalb des Epizentrums von Miche-langelo, Bernini, Borromini war dem 20. Jahrhundert vorbehalten.1

1563 verlegte der Savoyer Emanuele Filiberto seine Residenz in die bis dahin unbedeutende Landstadt Turin. Turin wurde somit zur capitale des zwischen den Großmächten Frankreich und Habsburg gelegenen Herzogtums Savoyen. Der Emanzipationsprozess des einst in seperate Herschaftsgebiete geteilten Piemont - Savoyens zeichnete sich durch folgendes aus: familiäre Beziehungen zu Paris, das Stre-ben nach Unabhängigkeit von dieser Großmacht und daraus resul-tierende bürgerkriegsähnliche Unruhen; Annäherungsversuche an die spanische Linie der Habsburger in Mailand und später an Wien (Prinz Eugen von Savoyen – Carrignano). Dieser Aufstieg endete in der Gründung des Königreichs Italien durch den Savoyer Vittorio Emamuele II. Ganz nach dem Vorbild Frankreichs, suchte der abso-lutistische Adel auch in Turin seine Geltung durch entsprechende Bauten zu bestätigen.

Neben den verschiedenen Schlachten, welche durch den Adel ausgefochten wurden, kennzeichneten die gegenreformatorischen Bemühungen der römisch – katholischen Kirche das Zeitgeschehen. Auch hier waren es die Bauwerke, welche den Geltungsanspruch verdeutlichten sollen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisteten die Bauten der neuentstanden Glaubensgemeinschaften, unter welchen die Jesuiten und die Theatiner die führenden werden sollten.

1 Burckhards Cicerone kommt ohne die Beschreibung des Piemonts und seiner Bauten aus. Erste Betrachtun-gen stellt Erich Brinckmann in: Theatrum Pedemonti: Ideen, Entwürfe und Bauten von Guarini, Juvarra, Vittone wie anderen bedeutenden Architekten des piemontesischen Hochbarocks. Düsseldorf: Schwann, 1931 an.

1 Zeitgenössische Darstellung des Hofstaats

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Adel und Klerus waren die gestaltenden Kräfte dieser Zeit; familiäre Beziehungen untereinander verflochten auch in Turin die Interessen beider Parteien. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass San Lorenzo genaugenommen dreierlei Zwecke erfüllen musste. Zum ersten war sie die Klosterkirche der casa der Theatiner in Turin, zum zweiten diente sie als Hofkirche des Fürsten-hauses Savoyen und war darüberhinaus als Votivkirche, dem Sieg über die Franzosen gewidmet.

1.2 städtischer Kontext

Turin weist wie viele italienische Städte im Zentrum einen recht-winklig organisierten Kern auf, der auf die Anlage des antiken Cast-rums (Cardo und Decumanus) zurückgeht.2 Ab 1563 Hauptstadt des savoyischen Territoriums wurde Turin schließlich 1714 Residenzstadt des Königreiches Sardinien-Piemont, von 1861 – 65 Hauptstadt des Königreichs Italien.3 Diese Entwicklungsschritte hatten mehrere Erweiterungen zur Folge (Abb.: 2). Das verbindliche Raster des Kerns aber wurde fortgesetzt.

Der östliche Stadteingang der Decumanus war durch die Porta Praetoria gesichert, welche im Zuge der Zeit schließlich zur Residenz (Castello d’Acaja) ausgebaut wurde, ihr heutiges Gesicht erhielt sie durch Juvarra und wird zugleich als Palazzo Madama bezeichnet. Sie steht inmitten des Platzgefüges von Piazza Castello und Piazza Reale; eine Absperrung in Form eines gusseisernen Zaunes (padiglione) trennt den einst adeligen Stadtraum von dem öffentlichen Platz.

Für die Lage von San Lorenzo war für die Wahl des Bauplatzes die unmittelbare Nähe zum Palazzo Reale von ausschlaggebender Bedeutung. Dies war in erster Linie Ausdruck der besonderen Bezie-hung der Theatiner zum Fürstenhaus der Savoyer, aber sicherlich auch von praktischer Bedeutung. Die Wege für den Hofstaat zur Kapelle, sowie der Weg der Hoftheologen zu ihren Schülern wurden dadurch verkürzt, die Kontakte dadurch intensiviert.4

Genau dort wo der Padiglione auf die Westseite der Platzfas-saden trifft (und damit beiden oben genannten Plätzen zugeordnet) steht Guarinis Kirche San Lorenzo. Der Haupteingang zur Kirche liegt an der Nordwestecke der Piazza Castello. Die Achsen der Kirche fügen sich dem bestehenden Raster des Stadtgefüges ein. Sie werden

2 noch heute lässt sich diese röm. antike Stadtanlage ablesen, die der ursprünglich keltischen Siedlung aufgeprägt wurde. (s. a.: Schomann, Heinz: Westliches Oberitalien. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesell-schaft, 1987)

3 vgl.: Meyers Lexikon auf Lexirom v. 3.0

4 was durchaus im beiderseitigen Interesse war, wie Klaiber schildert: Klaiber, Susan Elizabeth: Guarino Guarini’s Theatine architecture. Mich.: UMI, 1993. S. 202f.

2 Entwicklungsstufen Turins 1600 - 1620 - 1714

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von der eigentlichen Nord - Süd bezie-hungsweise West - Ost Richtung um 45° geschwenkt.

Letzten Endes ist es auch die prominente Lage, der die Kirche ihre projektierte Fas-sade opfert. Zugunsten einer einheitlichen Platzfassade der Piazza Reale wurde auf die Realisierung einer der Kirche angemesse-nen Fassade verzichtet. Ebenso wie bei der Piazza San Carlo und anderen Plätzen und Strassenzügen wurde bei der Gestaltung der Fassaden ein Masterplan einer individuellen Gestaltung vorgezogen. So zeichnet heute lediglich die Kuppelfigur den Sakralbau aus. Dessen unterer Teil versteckt sich geradezu hinter der uniformen Hausfassade. Auch aus der Ferne ist die Kuppel jenes Zeichen, welches die Kirche inmitten der Dächer wie-dererkennen lässt.

3 Piazza Reale (Entwurf Vitozzi)4 Piazza San Carlo5 Turin 16806 Piazza Reale und Piazza Castello

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1.3 Guarino Guarini

1.3.1 Biographisches

Guarino Guarini wird am 17. Januar 1624 in Modena als Sohn von Raimondo Guarini und Eugenia Marescotti geboren. Über die Umstände der ersten Jahre seines Lebens ist wenig bekannt. Belegt ist aber die räumliche Nähe zu dem Ordensgebäude der Theatiner in Modena, deren casa lag in unmittelbarer Umgebung.

Die Theatiner etablierten sich 1604 in Modena und bezogen die Pfarrkirche S. Vincenzo im Jahre 1614 in direkter Nachbarschaft zu den Guarinis. 1617 erbauten sie sich ein neues Gebäude und restaurierten S. Vincenzo. Die unmittelbare Nähe zum Orden blieb nicht ohne Folgen: alle fünf Guarinisöhne wurden Theatinerpater.

Im September 1639 erbat Guarino Guarini die Aufnahme in die Ordensgemeinschaft der Theatiner. Guarino folgte damit seinem Bruder Eugenio. Bereits im Oktober wurde Guarini nach Rom geschickt, wo er am Kloster S. Silvestro sul Quirinale sein Noviziat absolvierte. Am 15. April 1641 wurde er in den Stand eines chierico professo erhoben. Anschließend begann er sein Studium. Im Februar

7 Pal. Carignano (Turin) 8 Kirche der Padri Somaschi (Messina)

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1645 wurde er in Venedig zum Subdiakon ernannt und setzte seine Studien hier fort. Dies bedeutet faktisch eine weitere Quelle seines architektonischen Repertoriums und relativiert zugleich die Eindrücke die er in Rom gewonnen haben mag5 .

1647 kehrte Guarini nach Modena zurück und wurde am 17. Januar 1648 zum Priester geweiht. Guarini wurde die Aufgabe des Buchhalters zuteil. 1649 beerbte Guarini Castagnini in der Stellung des Kirchenbaumeisters von S. Vincenzo. Im folgenden Jahr wurde Guarini Schatzmeister des Ordens in Modena und Dozent für Philo-sophie. 1654 wurde er Prokurator des Klosters, 1655 für kurze Zeit Vorsteher der casa in Modena. Für diesen Posten wurde vom Herzog Francesco I. jedoch der Bruder Castagnini bevorzugt, dem Guarini zu weichen hatte.6 Guarini verließ Modena im Jahr 1656. Die Zeit seiner „Wanderjahre“ beginnt.

Bei seinen Aufenthalten in Parma und Guastalla 1656, konnte er in Messina (Sizilien) 1660 sein Können neben anderen Projekten in dem Entwurf für die Kirche der Padri Somaschi unter Beweis stellen.

9 Guarino Guarini10 Collegio dei Nobili

5 Klaiber 1993, S. 17

6 was einem Bannspruch gleichkam, lediglich im Jahr 1662 kann er die fürstliche Erlaubnis erwirken in Modena seine sterbende Mutter besuchen zu dürfen.

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Eine Weiterentwicklung vieler in diesem Entwurf enthaltenen Motive kann man in seinem späteren Projekt für die Kirche Ste. Anne-la-Royale, Paris feststellen. Mit diesem Bauwerk wurde Guarini in seinen Pariser Jahren 1662 – 1666 beauftragt.

Neben seiner praktischen Tätigkeit in Paris, lehrte Guarini dort Theologie und veröffentlichte 1665 die mit seiner Lehrtätigkeit ver-bundene Schrift Placita philosophica. Zudem beschäftigte Guarini sich mit den zeitgenössischen französischen Architekturtheorien, was sich in seinem Traktat Architettura civile niederschlagen wird.

Guarinis Ankunft in Turin, dem Vorzimmer des französischen Königs in Italien, fällt auf den 4. November 1666. Zunächst wurde er mit der Kapelle SS. Sindone und deren Kuppel beauftragt. Unter nicht geklärten Umständen wurde Guarini 1668 mit der Kirche San Lorenzo beauftragt. Turin sollte die Stadt werden in der Guarini die meisten und bedeutendsten Bauten, sowie die einzigen bis heute erhaltenen, errichtete. Neben dem Palazzo Carrignano entwarf er das Collegio dei Nobili, die ebenfalls Guarini zugeschriebene Kirche Immacolata Concezione7 , die von ihm mitgestaltete La Consolata sowie die nicht realisierten Entwürfe für S. Filippo Neri8 und die Porta del Po.

Neben zahlreichen weiteren Entwürfen für die Umgebung (z.B.: Casale Monferrato, Vicenza) publizierte Guarini in den Jahren 1674 – 78 folgende Schriften: Modo di misurare le fabbriche 1674, Com-pendio della sfera celeste 1675, Euclides adauctus 1676, Trattato di fortificatione 1676 und Leges Temporum et Planetarum 1678. Die

7 nach Meek, Harold Alan: Guarini Guarini and his architecture. New Haven: Yale University Press, 1988 ist kein absoluter Beleg für die Autorschaft Guarinis dieser Kirche vorhanden, vgl. S. 124

8 s. a Müller, Claudia: Unendlichkeit und Transzen-denz in der Sakralarchitektur Guarinis. Studien zur Kunstgeschichte. Band 38. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1986, S. 89

11 S. Maria della Divina Providenza (Lissabon)12 Frontispiz „Dissegni, 1686”

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Ernennung zum Hoftheologen bindet ihn weiter an das Fürstenhaus Savoyen.

1681 kehrt Guarini für Arbeiten am Palazzo Ducale in seine Geburtsstadt Modena zurück. Zwei Jahre später - 1683 - stirbt Gua-rini im Alter von 59 Jahren am 6. März in Mailand.9

1.3.2 Traktate Guarinis

Für Guarini galt die durch Vitruv begründete Doktrin „Architektur ist Wissenschaft“. Seine Ausbildung durch die Ordensgemeinschaft der Theatiner und seine Tätigkeit als Dozent für angehende Priester und auch einzelne Privatschüler war die Grundlage und auch Anlass für sein theoretisches Schaffen. Dieses gründete im Bereich der Archi-tektur auf seinen Vorgängern: Vitruv, Alberti, Serlio, Palladio....Wie Klaiber schildert, liegt in seiner Ausbildung die Ursache für die schwerpunktmäßige Behandlung der Mathematik in seinen Werken. Dies spiegelt sich in dem oft wiedergegebenen Zitat: „L’architettura, come facoltà che in ogni sua operazione adopera le misure, dipende dalla Geometria.” 10

In seiner Unterscheidung zwischen Entwurf und Ausführung lehnt er sich bewusst an Alberti an. In seinem Postulat der vier Kriterien des Disegno (sodezza (Festigkeit), eurythmia – ornamento, simmetria – Proportion, distribuzione – Grundrissorganisation) bezieht er sich auf die sechs vitruvianischen Architekturkriterien.

In seinen Jahren in Paris setzt er sich eingehend mit den Franzo-sen Philibert Delorme, Roland Fréart de Chambray und dem Spanier Caramuel („Architectura civil recta y obliqua“, 1678) auseinander: „Vere proporzioni, vere simmetrie“. Von diesen dürfe nur unter Kenntnis der Perspektive zu Gunsten eines optischen Ausgleichs abgewichen werden. Ähnlich den französischen Theoretikern des 17. Jahrhunderts betont Guarini die utilità. An dem aktuellen Lagerstreit zwischen Vitruvianern und Modernisten beteiligte er sich zwar nicht, aber er distanzierte sich von der Antike als dem einzig gültigen Vor-bild: „L’architettura può correggere le regole antiche, e nuove inven-tare.“ Nach Kruft ist dies das theoretische Bekenntnis zum Barock und die Befreiung aus der Erstarrung der Renaissance.11 Zum Beispiel war für Guarini die Anzahl der Säulenordnungen durchaus nicht festge-legt. Er sprach (in Folge von Caramuel) der gotischen Ordnung ihre

9 vgl. Portoghesi, Paolo: Guarino Guarini. 1624 – 1683. Milano: Electa, 1956 (ohne Paginierung)

10 Guarino Guarini: Architettura civile. Torino, 1737, Kapitel I, ii. und I, iii nach Klaiber 1993, S. 28

11 s. a.: Kruft, Hanno Walter: Geschichte der Architek-turtheorie. 4. Aufl. Studienausgabe. München: Verlag C. H. Beck, 1995, S. 117ff.

13 Frontispiz „Architettura civile, 1737”

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Daseinsberechtigung zu. Die diaphane und schwebende Erscheinung der Bauwerke dieser Epoche wird von ihm gewürdigt.

Erwähnenswert ist Guarinis Haltung, dass trotz aller wissenschaft-lichen und mathematischen Grundlagen der Architektur, das diletto (Gefallen) zeitlichen Moden unterworfen ist (Stichwort: ästhetischer Relativismus). Geometrische Muster, sinnliche Erfahrung und formale Invention waren für Guarini Inhalt und Form des Barock.

1.4 Ordo Clericorum Regolarium – Chierici regolari

Spätestens in dem Alter von 15 Jahren verknüpft sich der Lebens-lauf Guarinis mit den Theatinern. Die Architektur Guarinis ist eng mit seiner Ausbildung und seinem Studium verbunden. Im Folgenden soll dieser Einfluss beleuchtet werden.

1524 wird als Gründungsdatum des wichtigsten Ordens der Gegenreformation, neben den Jesuiten, angegeben.12

Die Hierarchie des Ordens sah einen auf dem dreijährigen capitolo generale gewählten preposito generale vor. Ihm standen die padri consultori für Angelegenheiten bei, welche den gesamten Orden oder einzelne Ordenshäuser betrafen. Jedes Ordenshaus wählte seinen lokalen preposito, ebenfalls dreijährig (meist mit dem Turnus des capitolo generale übereinstimmend). Ein vicario und die padri vocali bildeten danach den Vorstand der casa. Cassiere, procuratore und scrutatore waren in vielen Fällen weitere Ämter der einzelnen casa.

Für die Orden der Gegenreformation kann kein eigener Baustil festgestellt werden. Hingegen bedienten sich die Baumeister des Ordens der gängigen Vorbilder, die aber nicht zwingend kopiert werden mussten. Als eines der gewichtigeren Vorbilder zählt sicher-lich S. Andrea della Valle (Giacomo della Porta und ab 1608 Carlo Maderno), die Mutterkirche der Theatiner in Rom.

Für große bedeutende Renommierprojekte beschäftigten die Theatiner, wie andere Orden auch, nicht dem Orden angehörende Architekten, für die meisten anderen Projekte wurden jedoch die eigenen Baumeister beauftragt. So gelangten Baumeister wie Bruder Francesco Grimaldi (S. Paolo Maggiore 1583-91, Neapel; SS. Apos-

12 Der Orden wurde durch Cajetan von Tiene (1480-1547), Gianpetro Caraffa und Paolo Consiglieri gegründet. Cajetan (geb. in Vicenza und aus vene-zianischen Adelsgeschlecht), der als promovierter Jurist 1516 die Priesterweihe empfangen hatte, kam 1521 nach Rom. Dort verband er sich mit Caraffa, dem Bischof von Chieti, lat. für Theate, welcher später zum Papst ernannt werden sollte, und Consiglieri. 1524 gründeten sie die Kongregation der Regolarchleriker. Der Name des Ordens (Ordo Clericorum Regularium Theatinorum) leitet sich vom Bischofsitz seines ersten Superiors ab, welche die kirchliche Reform von Klerus und Volk und die Bekämpfung der Ketzerei als primäre Zielsetzung hatte. Quelle: Biographisches-Bibliogra-phisches Kirchenlexikon. Band I. Hrsg.: F. W. Bautz. Hamm: Bautz, 1990. Spalten 848-849

14 SS. Sindone (Turin) Kuppel

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toli, Neapel und S. Maria degli Angeli a Pizzofalcone 1600-10), Pietro Carraciolo (S. Vincenzo in Piacenza) oder Bernardo Castagnini (Theatinergebäude in Modena und S. Bartolomeo in Bologna) auch außerhalb der Klostermauern zu Ansehen. Die verstärkte Präsenz von „priest-architects“ ist auf den Bauschub der Gegenreformation zurückzuführen und auf das durch die Praxis erworbene Können (und durch einen stärkeren Pragmatismus dieser). Als weitere Faktoren für den Erfolg dieser Gruppe von Architekten führt Klaiber das Wissen um Anforderungen der Liturgie, die finanziellen Rahmenbedingun-gen, das mathematische Können und die Sensibilität gegenüber regionalen Traditionen an.13

Architektur wird als Unterkategorie der Mathematik von den Jesu-iten und Theatinern in ihrem Studienkatalog gelehrt. Dieser begann mit einer Unterweisung in lateinischer Sprache und humanistischen Texten. Die folgenden drei Jahre des siebenjährigen Curriculums waren dem Studium der Philosophie gewidmet, die anschließenden vier Jahre der Theologie.

Philosophie beinhaltete das Studium der Logik, Naturphiloso-phie (Aristoteles Physik und Euklids Elemente) und der Metaphysik. Die Theologie gründete sich auf die Lehre Aquins. Guarinis Werke lassen sich gemäß ihrer angezielten Lesergruppe in zwei Kategorien teilen: zum einen in Lehrbücher für Studenten, die anderen modo di misurare le fabriche, trattato di forificazione und architettura civile waren einem breiteren Publikum zugetan (und waren abschnittsweise Auszüge der ersteren).

13 Klaiber 1993: S. 48

15 Santuario Beata Virgine (Oropa)

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2 San Lorenzo

2.1 Baugeschichte

Angesichts des errungenen Sieges bei der Schlacht von Quentin legte Emanuele Filiberto das Gelübde ab eine Kirche zum Andenken errichten zu lassen. Der Tag dieser entscheidenden Schlacht war der 10. August 1557, der Tag des Hl. Laurentius. Im sollte folglich die Kirche gewidmet werden. 1564 wurde die bereits vorhandene roma-nische Kirche S. Maria del Presepe dem Hl. Lauentius geweiht, nach-dem die Gewölbe und der Fußboden saniert worden waren.

Im Garten des herzoglichen Palastes ließ Emanuel Filiberto zwei Kapellen errichten. Die eine war dem heiligen Leichentuch Christi geweiht, die andere dem Hl. Laurentius. Klaiber gibt für die Lage dieser Kapelle die Stelle an, wo heute der rückseitige Flügel des Palazzo Reale und die Stadtmauer aufeinandertreffen. 1577 wurde im Garten des Palasts der Grundstein für eine neue Kapelle S. Lorenzo gelegt. Für das Jahr 1583 sind zwei Kapellen im Palastkom-plex benannt: S. Lorenzo und S. Sudario.

Die nicht zufriedenstellende Unterbringung der Theatiner in Turin, sie teilten sich Kirche und Wohngebäude mit einer anderen Bruderschaft, und der ausufernde Kult um S. Lorenzo innerhalb der Palastmauern, waren Anlass für Vittoria Amedeo I. die Kirche zu ver-lagern und diese den Theatinern zu übertragen.14 Diese Umstände offenbaren die größere Bedeutung der Kirche als reine Ordenskirche; San Lorenzo war ursprünglich Palastkapelle und behielt diesen Status bei, was sich auch in der Finanzierung der Baukosten ausdrückte.15

Der Grundstein am Ort der heutigen Kirche wurde am 6. Juni 1634 gelegt. Der Bauplatz der Theatiner wird im Süden durch die Strada Nuovo, im Osten durch die Piazza Castello, die Straße zum Marstall im Norden und die Grundstücke von Conte Ripa und Mar-chese di Bagnasco im Westen begrenzt.16 Als Architekten wurden Ascanio Vitozzi, Carlo Morello, Amadeo Castellamonte und dessen Bruder Carlo beauftragt. In der Literatur finden sich Hinweise für ein

14 als weitere Motive wird das zur Seite stehen der The-atiner den Savoyern in den Streitigkeiten mit Mailand und der Wunsch den Orden räumlich näher an den Hof zu binden.

15 Zahlreiche Zahlungen des Hofes für die Baukosten der Kirche sind belegt.

16 Zu den etwas verstrickten Eigenumsverhältnissen die in der Geschichtsschreibung zu Missverständnis-sen insbesondere auch über die Lage von S. Maria del Presepe geführt haben: Klaiber, 1993, S. 207

gegenüber: 16 San Lorenzo Grundriss aus Architettura civileoben: 17 San Lorenzo Ansicht von piazza reale

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Schema das dem lateinischen Kreuz folgt als auch auf einen stärker zentrierten und markant überkuppelten Bau.

Mit dem Tod von Vittorio Amadeo I. im Jahr 1637 und den beginnenden kriegerischen Auseinandersetzung, die zu einer 13 jährigen Besetzung Turins durch französische Truppen führten, wurde der Bauprozess bis 1650 stark gebremst. 1657 bezogen die Thea-tiner ihre casa im gleichen Block wie die im Bau befindliche Kirche San Lorenzo.

Hinter der ab 1661 errichteten Fassade befand sich eine tempo-räre Behelfskirche. Aus dieser Zeit stammen die noch heute vorhan-denen drei Bögen in der Fassade der Vorhalle im Erdgeschoss.17

1662 erwarben die Theatiner das im Block liegende Grundstück des Conte Ripa inklusive dem Gebäude. Der Konvent weitete sich so Stück für Stück aus. Mit dem Jahr 1664 wurde der Weiterbau der Kirche vorbereitet: Piscina, Giovanni Battista wurde als capomaestro neben zwei weiteren soprastanti berufen. Die Planung lag in der Hand von Amadeo Castellamonte.

Der weiterhin schleppende Fortschritt des Bauwerks war unter anderem Anstoß für die Berufung Guarinis im Jahr 1668, welcher bereits 1667 neue Pläne entwickelt und vorgelegt hatte. Guarini war seit November 1666 in Turin um hier zunächst den Bau der Kapelle SS. Sindone zu leiten.

Vom bisher errichteten Bauwerk18 übernahm Guarini lediglich die äußeren Umfassungsmauern. Das „Libro della fabrica della chiesa nuova di San Lorenzo“ beschreibt die Bauarbeiten ab dem Jahr 1670.

Guarini selbst eröffnete die Kirche am 12. Mai 1680. Der Hoch-altar wurde aber erst 1696 geweiht. Änderungen der Fassade sind für 1713 datiert, woraus sich möglicherweise die Diskrepanz zwischen der im Traktat publizierten Variante und der gebauten Ausführung erklärt.19 1730 wurde der Chor ausgeführt und acht Jahre darauf fanden die Statuen im Inneren der Kirche ihren Platz. 1813 wurde der padiglione abgerissen und die Fassade überarbeitet. Laut Tamburini geschahen im Jahr 1813 Restaurierungsarbeiten und 1846 wurde das Oratorium Änderungen unterworfen. Die leichten Schäden des II. Weltkriegs wurden 1957 beseitigt.

17 Klaiber, 1993, S. 234

18 nach Klaiber, 1993 S. 239 (welche ein Dokument aus dem AGT zitiert) standen bereits: porta grande (Haupteingang) mit Portico an der strada nuovo, ein Oratoriumstrakt in der Südostecke des Grundstücks, die capella santa an der strada nuova und drei Läden längs der strada nuova.

19 s. a. Müller, 1986, S. 49

18 Eingang - Orgel - Kapelle (der Kreuzigung)

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18 19

2.2 Funktionale Bereiche - Organisation

San Lorenzo gehört (neben den zahlreichen Langhausbauten) zu den Zentralbauten in Guarinis Sakralbauwerk. Über die Eingangs-halle, welche zur Piazza Castello vermittelt, gelangt der Besucher in den zentralen Hauptraum der Kirche, dem „nave“, in welchem sich die Gläubigen zur heiligen Messe versammeln. Das Kirchenschiff wird von zwei Altar- und vier Kapellennischen umgeben.

Gegenüber dem Eingang und gleichzeitig auf der Hauptachse des Bauwerks, befindet sich das Presbyterium als eigenständige Raumfigur. Die Mensa des Altars steht losgelöst von der Altarrück-wand zwischen Presbyterium und Chor, welcher sich hinter dem Presbyterium samt Hochaltar befindet. Als Bindeglied zwischen Chor, Presbyterium und der Kirche umgebender Baumasse befinden sich zwei weitere Räume auf der Querachse des Presbyteriums. Diese

19 Hauptraum - nave - Blick gegen Presbyterium

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können über zwei Zugänge von außerhalb der „Kirche“ erreicht werden. In der Abbildung des Architettura civile ist der Chor mit drei weiteren rückwärtigen Zugängen versehen. Das entspricht der ausgeführten Variante nicht. Den Bauaufnahmezeichnungen von Denina und Proto20 zur Folge gibt es lediglich eine Verbindung vom nördlichen Ende des Chores zu den benachbarten Räumen des Konvents (Abb. 22). Ebenso weist nur der nördliche Sakristeiraum eine Öffnung nach Norden zum Klosterkomplex auf. Zwei weitere Öffnungen, welche im trattato nicht vorhanden sind, erschließen das Kirchenschiff je einmal von dem Konventsgebäude und einmal von der Via Palazzo di Citta.

Die Kapellennischen besitzen auf der Ebene über dem Eingangs-niveau je zwei Emporen, die über Oculi mit dem Hauptraum verbun-den sind. Die Emporen im Presbyterium waren als Ehrenplätze dem Hof vorbehalten.

Über die Vorhalle erhält man Zutritt zu dem schmalen Streifen im Norden der ebenfalls zur casa zugehörigen Räumlichkeiten. Die Räume der zwei Stockwerke über der Vorhalle wurden als Bibliothek oder Empfangsraum genutzt. Eine Nutzung als Mönchszellen ist unwahrscheinlich. Mit diesen stand der Kirchenraum zudem über eine Öffnung in der Serliana (über der Eingangstür) in direkter Ver-bindung. Heute befindet sich die Orgel an dieser Stelle.

Die einzelnen Kapellen haben den folgenden Inhalt (s. Abb. 20): 1 Kreuzigung Jesu - 2 heute Unbefleckte Empfängnis früher San Luigi - 3 Jesus Geburt - 4 Maria Jungfrau - I Maria Verkündigung - II San Gaetano

Vom Eingang betrachtet links, zwischen I und 3 befindet sich die leicht erhöhte Kanzel, die vom Erdgeschoss zugänglich ist.

2.3 Figuren - Elementgruppen

Die Gegenüberstellung von zwei räumlichen Zentren, und damit die Streckung einer Achse zur Längsachse, kann bereits bei prominenten Vorgängerbauten beobachtet werden. Bereits die alte Sakristei (Florenz) von Brunelleschi enthält diese Thematik, welche im Bau von S. Maria della Salute (Venedig, 1631–48) von Baldassare Longhena; S. Guiseppe (Mailand) von Francesco Maria Ricchino;

20 Widmung der einzelnen Kapellen und Altare21 S. Maria della Salute, Venedig; Longhena

20 Denina, Luigi; Proto, Alessandro: La real chiesa di San Lorenzo in Torino, in: L’architettura italiana 15. H. 5, 1920, S. 34 – 38

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S. Maria in Campitelli (Rom) von Carlo Rainaldi zu weiterer Reife entwickelt werden sollte.

Diese Disposition erfüllt die liturgischen Anforderungen einer Kirche und ermöglicht zugleich die Ausführung des Hauptraums als Zentralbau. Selbst in vielen Langhaus-kirchen kann in den die Vierung bildenden Einheiten der Wunsch zur Ausbildung eines Zentralbaus isoliert werden. Die Art der Ver-bindung von Zentrumsfigur und den davon peripher gelagerten Gebäudekompartimen-ten wird über die Geschichte hinweg variiert und kann als ein gestalterischer Brennpunkt angesehen werden.

Wie in San Lorenzo diese übergeordne-ten Einheiten von Kirchenschiff, Presbyterium mit Chor und Kuppel, ihrerseits aus weiteren Elementen gefügt, zueinander in Beziehung gesetzt werden, soll im weiteren eingehender betrachtet werden.

Die Kirche San Lorenzo ist ein Resultat von Fügungsprozessen einzelner Elemente, welche sich teils zu einem untrennbar ver-bundenen Ganzen vereinigen, an anderen Stellen betont voneinander isoliert positio-niert werden. Dabei werden die Ursprungsfi-guren ineinander gestoßen. Die gegenseitige Durchdringung wird figürlich gemeistert indem Teile einer der beiden Figuren fallen-gelassen werden. Es entstehen Gebilde, die weniger durch die Merkmale ihrer eigenen Ausgangsfigur, als vielmehr durch die Merk-male der in diese eingeschriebenen Figuren bestimmt werden. Wenige kleinere Einheiten werden im Gegensatz zum additiven Verfah-ren durch subtraktives Vorgehen gewonnen.

22 Grundriss San Lorenzo mit anliegenden Räumen M 1:400

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2.3.1 Vorhalle

Als Vermittler zwischen Hauptraum und der Piazza castello betritt man San Lorenzo über eine Vorhalle, die, wie oben beschrieben, einst als Behelfskirche diente. An der nördlichen Seite befindet sich heute noch ein Altar. Die Einwölbung dieser erinnert stark an Borro-minis Oratorio dei Filippini bzw. der Kapelle Re Magi im Collegio di Propaganda Fide. Ein Netz von Bögen bildet die primäre Struktur. Die sekundären Felder schließen die Lücken.

2.3.2 Zona terrena

Auf Ebene des Eingangs umschließen acht Serlianafiguren den zentralen Hauptraum. Der Ursprung der Serliana liegt in der figürlich vollständig durchgebildeten Einheit des Presbyteriums. Hier bilden zwei Serlianas das Grundgerüst der auf ovaloidem Grundriss errich-teten Behausung für den Altar. Die Stirnseiten dieser auch isoliert denkbaren Entwurfseinheit werden durch Wandstücke ausgebildet. Der auf Säule und Pilaster gelagerte Architrav der Serliana zieht sich über die Stirnseite des Ovals und formuliert so die Entität der besprochenen Glieder. Die Kuppel des Presbyteriums wird von den zwei Serlianabögen und zwei weiteren Bögen getragen, welche sich von Pilaster zu Pilaster spannen. Letztere wölben sich dem Zentrum entgegen, im Gegensatz dazu biegen sich die Bögen der Serliana nach außen.

Die Disposition dieser Presbyteriumseinheit und dem zentralen Kirchenschiffgebilde geschieht nicht allein additiv – jede Einheit behält ihre figürliche Integrität – sondern Guarini verschneidet beide Einheiten im Grundriss derart, dass sich lediglich eine Einheit behaupten kann. Als geometrische Ausgangsfiguren werden ein Oval und ein Quadrat miteinander überlagert und als Summe dieser Operation dringt die Serlianafigur des Presbyteriums mit konvexer Kurvatur in das noch nicht näher zu spezifizierende Kirchenschiff ein.

In Abfolge dessen wiederholt sich diese Überlagerung dreimal rotationssymmetrisch zum Zentrum des Kirchenschiffs, auf dem Widerpart der Längsachse und den zwei Seiten der Querachse. Im Gegensatz zur konstituiven Ausgangsfigur wird die Presbyteriumsfigur bei diesen drei Folgeprozessen lediglich fragmentiert in Form einer Serliana abgebildet. Der Kirchenschiffkörper antwortet seinerseits mit Pilastern auf die korrespondierenden Säulen der Serliana. Die prima

23 Schemata primäre Entwurfsschritte

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inter pares Stellung des Presbyteriums wird durch zahlreiche Vergol-dungen der gliedernden Elemente bekräftigt.

Die Diagonalachsen werden durch Kappellen besetzt, welche in ihrer Gestalt dem Presbyterium ähnlich sind, jedoch auf linsenför-migem Grundriss errichtet sind. Im Unterschied zu letzterer und in Analogie zu den benachbarten Figuren verhaftet die hintere Serli-ana in der Wandmasse und wird zugleich zum sostegno dieser. Die Wölbung wird nicht als eigenständige aufgesetzte Einheit (vergl. der Presbyteriumskuppel) ausgebildet. Die Oberfläche spannt sich gleich einem Tonnengewölbe über die Bögen der Serliana. Anderegg-Tille bezeichnet diese schwer lesbare Wölbart als Segelgewölbe. Zur wei-teren Unterscheidung der Figur auf der Diagonalachse erhält diese in dem von Lisenen gerahmten Feld über dem Architrav Okuli. Ebenso wird über dem Bogenscheitelpunkt ein weiteres Okuli gesetzt, das Blicke auf das jenseits gelegene zu lässt. Der ionische Architrav knickt über den Kompositkapitellen ab, um die mit starker Entasis verse-hene rote Marmorsäule (korinthischer Ordnung mit aufgesetzten Füllstäben auf kubischen Postament) mit dem in der Wand liegenden Pilaster zu verbinden. Die aus schwarzen Marmor gearbeiteten und mit einer Ädikula gerahmten Nischen in den Seitenfeldern der Wand-serliana bieten entsprechend ihrer Anzahl Platz für sechzehn Statuen aus weißem Marmor.

Die Fügungspunkte dieser acht Einheiten bilden die Eckpunkte eines regelmäßigen achtpoligen Sterns. Die Gestalt der oktogona-len Cella des Kirchenschiffs (auf Ebene der zona terrena), resultiert zum einen aus den aufgelösten Außenseiten der sie umschreibenden (fragmentierten) Figuren und zum anderen aus der dahinter liegen-den ondulierenden Raumgrenze. Wie Passanti21 bereits festgestellt hat liegt darin eine mehrfach lesbare Raumgrenze, die andere Auto-ren mit Begriffen wie „diaphan“ oder „Säulenballett“ umschrieben haben (Abb.: 25). De facto teilt sich San Lorenzo in eine innere und eine äußere Raumschale, welche durch die gemeinsame Struktur der Gebälkordnung in Übereinstimmung gebracht sind. Betont wird dieser Schalen- /Hüllencharakter durch zahlreiche Perforationen, welche teils inmitten der Architrave und Gesimse der Gebälkordnung situiert sind.

Ein mächtiges doppelgliedriges Architravband verbindet alle acht Figuren über den Scheitelpunkten der Serlianabögen. Über den Hauptachsen nehmen vier große Bögen mit wachsender Deutlichkeit

24 Presbyterium Blick Richtung Seitenempore25 mögliche Lesarten der Raumgrenze

21 Passanti, Mario: La poetica di Guarino Guarini, in: Guarino Guarini e l’internazionalità del barocco atti del Convegno internazionale promosso dall’Academia delle scienze di Torino; 30 settembre – 5 ottobre 1968. Teil 2. Torino: Accademia delle scienze, 1970, S. 61ff.

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Gestalt an. Deren aufgelöste Fußpunkte sind mit den Seitenfeldern der Kapellenserliana identisch. Über den Kapellen in der Diagonale ergänzen vier Pendentifs den Unterbau für den Ring, welcher die Kuppel trägt. Somit lässt sich der „Normtypus“ einer über griechi-schem Kreuz errichteten Kuppelkirche auch in San Lorenzo ablesen. In das Wandfeld über dem großen Gebälk innerhalb dieser vier Vierungsbögen ist eine weitere doppelschichtige Serlianafigur einge-lassen. Sie durchbricht die äußere Schale erstmals und lässt Licht in das Kircheninnere.

Das Motiv der Ambivalenz, der Zugehörigkeit ein und desselben Elements zu mehreren übergeordneten Gruppen, was sich vor allem in späteren Entwürfen Guarinis noch stärker ausgeprägt hat, ist auch bereits in San Lorenzo in der Durchmengung von Serlianafigur und der Vierungsbögen – Pendentif Figur abzulesen. Und ebenso trifft dies für den Randpilaster der Diagonalkapellen zu, welcher Bestand-teil der vordergründigen wie auch der hintergründigen Gebälkord-nung ist.

Um die Vierungsbögen stärker von der Wandmasse zu unter-scheiden, die ansonsten ohne Faszien oder ähnliche Mittel versehen sind, verkröpft Guarini das Architravband und das darunterliegende Wandfeld in Ebene der Bögen um etwa eine Oncia. Die weit aus-kragende Sima des Architravbandes stärkt die Eigenständigkeit der Fensterserliana – Pendentif Stufe, welche samt der unteren Stufe der

26 Fügung Presbyterium Kappelle27 Blick vom Presbyterium in den Hauptraum

28 Kapelle der Geburt Jesu

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Serlianafiguren mittels der Vierungsbögen verklammert wird. Die Pendentifs, welche im Gegensatz zum gekurvten „guarinesken“ Ser-lianabogen, von einer geraden Fußlinie starten, werden durch Fünf-eckige Polygonfelder gegliedert, welche im Widerspruch zum trattato mit ihren Seiten in den Flanken der Bögen übereinstimmen.

2.3.3 cupola

Über diesen Bögen bildet ein architravierter Sprengring den Fuß-punkt für die Kuppel. Dieser wird - wie bereits oben erwähnt – durch acht näherungsweise herzförmige Fenster in seiner Kontinuität gebrochen. Die weit auskragende Sima, welche die Autonomie der zu unterscheidenden Stufen stärkt, wird ebenso durch die über den Bogenscheitelpunkten und Pendentifmittelpunkt sitzenden Fenster gebrochen. Zugleich schließt ein Segmentbogen gleicher Ausbildung wie die Sima den Durchbruch. Dieser ruht auf konsolengleichen Ver-kröpfungen des Ringes darunter.

Auf dem Ring baut sich die Piedestalzone der Kuppelkonstruk-tion auf. Zwischen den Segmentgiebeln, welche in diese Stufe hin-einreichen, bilden acht Paare von (zwei) Piedestalen die Basen der

29 Grundriss in Höhe der Pendentifs30 Grundriss in Höhe des Sprengrings

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Rippenbögen. Der Verlauf dieser Bögen zeichnet im Grundriss einen Achtstern nach, dessen Ursprung und hauptsächliche Verwendung im arabischen Raum liegt (s. a. Kap. 3).22 Im Aufriss folgen die Bögen, wie Robison23 zeigt, annähernd der Kurvatur einer Ellipse. Somit liegt der Scheitelpunkt der Bögen vom Kuppelmittelpunkt weiter entfernt als der Fußpunkt. Guarini selbst begründet dies mit ästhetischen Motiven.24 Sphärische Kuppeln erscheinen stets gedrückter und weniger gekrümmt. In lombardischer Tradition verknüpft Guarini die klassische Kombination von Kuppel und Tambour in einem Gesamt-gebilde. Im Gegensatz zu den geschlossenen sphärischen Kuppeln erreicht Guarini so eine mit Licht geflutete Konstruktion. Die acht Hauptfenster setzt Guarini in die Felder, welche von Bögen umfahren werden, die von Piedestal zu Piedestal spannen. In die verbleibende Restfläche zwischen den Bogenrippen platziert Guarini eine fünfecki-ges Öffnung, die indirektes Licht spendet. Weitere Öffnungen perfo-rieren die anderen Felder zwischen den Bogenrippen und stärken so

22 Götze, Heinz: Castel del Monte. Gestalt und Symbol der Architektur Friedrichs II. München: Prestel, 1991, S. 127

23 Robison, Elwin Clark: Optics and mathematics in the domed churches of Guarino Guarini, in: Soc. of architectural historians, Vol. 50, no. 4, 1991, Dec., S. 393. Meines Erachtens ist diese Beschreibung relativ ungenau, betrachtet man Robisons Zeichnung genauer oder versucht man alternativ, dem im trattato abgebil-deten Schnitt eine Ellipse einzuschreiben, offenbaren sich größere Abweichungen. In Folge dessen scheint mir vor allem aber Robisons These der Koinzidenz von Ellipsengroßkreisdurchmesser und der Kantenlänge des die Wendeltreppenzentren umschreibenden Quadrats mehr gesucht als gefunden.

24 Ibido S. 393f

31 links: Blick in die Kuppel32 oben: Schnittisometrie der Kuppelkonstruktion

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den strukturgebenden Charakter der Bögen. Fächerförmige und drei-eckige Öffnungen lagern sich um die zentrale oktogonale Öffnung, welche schließlich den Blick auf die Laterneninnenseite freigibt.

Von dieser sieht der Betrachter die auf den Ecken der zentra-len Öffnung errichteten geknickten Pfeiler, welche dem Verlauf des Oktogons folgen und die in Achse der Knickpilaster auf der Later-nenaußenseite stehen. Die Laternenwölbung wiederholt im Inneren auf leicht differenzierte Weise das Thema der Kuppel. Acht Bögen spannen von den gefasten Pfeilerkanten um nach flachem Schwung auf dem übernächsten Pfeiler zu landen. Entsprechend der großen Kuppelkonstruktion bleibt in der Mitte ein Oktogon offen, das aber diesmal um 22,5° gedreht liegt. Über diesem wölbt sich die Later-nenkuppel, die ebenfalls mit acht kleinen ovaloiden Fenstern bestückt ist.

Die noch nicht näher beschriebene Kuppel des Presbyteriums stellt eine vereinfachte Art der großen Kuppel dar. Sechs Bögen formen im Grundriss einen Sechsstern aus zwei gleichseitigen Dreie-cken. Der darunterliegende Raum wird durch sechs25 in den Feldern sitzenden Fenstern belichtet, deren achteckige Form aus einem abge-fasten Quadrat entspringt. Die übrigen Felder, inklusive des zentralen Hexagons, sind mit Fresken gefüllt.

Der Ausspruch Guarinis: „Wölbungen sind der primäre Teil des Gebäudes.“26 verdeutlicht den Stellenwert dieser Gebilde innerhalb des Gesamtgefüges. Die Achtsterngeometrie der Hauptkuppel bildet

25 genau genommen nur über vier, die zwei zum Hauptraum gelegenen Fenster sind lediglich freskiert, also blind.

26 aus Guarini: Architettura civile; tratt. III, chapt. XXVI. Übersetzt in Robison, Elwin Clark: Guarino Guarini’s church of San Lorenzo in Turin. Ph. D. diss., Cornell University, 1985, S.243. Im folgenden schreibt Robison auch:„...the design of S. Lorenzo grows outward from the main dome...“

oben:33 Grundriss Höhe Kuppelansatzrechts:34 Presbyteriums- und Hauptkuppel35 Pendentiffigur

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die Struktur des Hauptraumes ab. Selbst die nicht sichtbare Trag-werksstrukur ordnet sich in der Ausbildung entsprechender Auflager für die Fußpunkte der Rippenbögen dieser Gesamtstruktur unter, wie unter 2.9 näher geschildert wird.

„Sie (die Kuppeln) scheinen das Resultat eines tiefwurzelnden Triebes zu sein, die feste Kugel der alten Kuppel, das Symbol einer begrenzten Himmelskuppel, durch die lichtdurchlässige Kuppel mit ihrer geheimnisvollen Suggestion der Unendlichkeit zu ersetzen.“ 27

2.3.4 Chor

Der Chor wurde zwar erst nach Guarini vollendet, doch im wesentlichen nach Guarinis Entwurf. Der auf der Längsachse gela-gerte in die Rückwand eingebettete Hochaltar bildet den Schlusspunkt der räumlichen Abfolge von Vorhalle, Hauptraum, Presbyterium und Chor. Eine kleine Laterne in der Wölbung über dem Altar ist die ein-zige Lichtquelle für den Raum, welcher die Mitglieder der casa an dem Geschehen in der Kirche in gebührlichen Abstand vom Hauptraum teilhaben lässt. Die sich um das Presbyterium schmiegende Form wird durch halbkreisförmige Konchen abgeschlossen.

27 Norberg – Schulz, Christian: Barock. Weltge-schichte der Architektur. Aus dem Ital. übertr. von Balling, Hertha. Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt, 1985 (Originalausgabe: Architettura barocca, Milano 1979), S. 129

links:36 Chor, Hochaltar37 Presbyteriums- und Chorwölbungoben: 38 Grundriss unter Kuppelscheitel39 Grundriss Laterne

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2.4 Aufriss

Der Aufriss San Lorenzos ist zum einen durch die Ausbildung von Stufen und zum anderen deren gleichzeitige Verbindung geprägt. Stärker als im Grundriss streben hier einzelne Kompartimente die Autonomie an. Das obgleich sie bei struktureller Kongruenz wieder über Großfiguren und einzelne Elemente miteinander verbunden werden.

Die vertikale Achse fungiert in Bestätigung des Achskreuzes von Längs- und Querachse als Organisator der Situierung einzelner Ele-

40 Längs- und Diagonalschnitt

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mente und dem Wachstum der Kirche gen Himmel.28 Durch Achs-bezüge einzelner Fenster, Öffnungen oder ganzer Figuren werden Kuppel und „Erdgeschoss“ erneut in Zusammenhang gestellt. Die für Kuppel und Grundriss der zona terrena festgestellte strukturelle Ver-wandtschaft kann auch für die übrigen Höhenlagen bestätigt werden, als konstitutives Element dieser Struktur dient die von Guarini ausgie-big studierte Geometrie.

2.5 Geometrie

„L’architettura… dipende dalla Geometria...”29

Dieser vielzitierte Ausspruch Guarinis in seinem Architettura civile und die offensichtlichen geometrischen Grundlagen, zumindest in den Grundrissen seiner Entwürfe, war Ausgangspunkt für zahlreiche Versuche den Entwurfsprozess anhand von geometrischen Figuren nachzuvollziehen.

Vanderperren und Kennes identifizierten den im Paviment ein-gebetteten Stern als den vermeintlichen Schlüssel zu Grundriss und Aufriss.30 Die Zeichnungen können diese These aber nicht wirklich bestätigen.31 Auch die Aussagekraft der von Brinckmann vorge-schlagenen Figur bleibt bei näherer Prüfung mehr im schematischen Bereich.32 Müller33 propagiert für San Lorenzo, wie für viele andere im trattato publizierten Entwürfe, als konstitutive Grundlage des Grundrisses ein Pattern von Raumzellen, vergleichsweise einem mathematischen Rapport.34 Ohne auf die verwendete Terminologie im einzelnen hier eingehen zu wollen, ist die Bedeutung von Pat-tern als konstitutive Grundlage für den Entwurfsprozess bei Guarini fraglich, was angesichts der Originalzeichnungen für S. Gaetano (Vicenza) deutlich wird.35 Trotzdem sind die zur Bildung eines Pattern notwendigen Gesetzmäßigkeiten auch an dem Bauwerk und seinen Elementen zu beobachten: Rotationskopien, Translationen, Reihun-gen etc.

Das verfügbare Quellenmaterial, lediglich die Holzschnitte des trattato und die davon abweichenden Bauaufnahmezeichnungen, erschweren zudem das Vorhaben den Konstruktionen Guarinis in den Rissen nachzuspüren. Mit gleicher (Un-)Genauigkeit auf dem Grundriss des trattato basierend kann ich auch ein Schema vorschla-gen, welches einer Quadratur gleicht.

41 Schemata Geometrie

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Dieses liefert die Eckpunkte des Hauptraums, den Flankenkreis des Presbiteriums und den Perimeter der Diagonalkappellen; des wei-teren stimmen die Mittelpunkte der Wendeltreppen im tiburio mit den in der Figur enthaltenen Schnittpunkten überein. Die offenen Punkte in diesem groben Schema und die speziellen Techniken Guarinis36 in der Grundrisskonstruktion stellen aber fast ebenso viele neue Fragen, wie das Schema beantworten kann.

2.6 Licht

Mit zunehmender Höhe dringt mehr Licht in das Bauwerk durch verschiedenste Öffnungen hinein. Die Erdgeschosszone ist gänzlich auf indirektes Licht aus den oberen Gebäudeabschnitten ange-wiesen. Die zweischichtigen Serlianafiguren (vier an der Zahl) im Kreuzungsbogen sind die ersten Öffnungen durch welche Tageslicht scheint. Die Fenster, welche den Sprengring der Kuppel perforieren sind die nächsten Lichtspender. Durch ihren Abstand zur Außenhaut sind sie dies allerdings nur in sehr geringem Ausmass. Der größte Anteil des Tageslichts fällt durch die acht Fenster des tiburio, welcher eine Verschmelzung von Tambour und Kuppel in lombardischer Tra-dition darstellt. Die Felder der Kuppel zwischen den Rippen, werden durch fünfeckige, fächerförmige und dreieckige Öffnungen aufge-löst. Es sind die Öffnungen welche zwischen der Hauptstruktur der Bogen als Elemente wahrgenommen werden. Die Felder zwischen den Bögen sind nur in kleinsten Fragmenten und zum Teil gar nicht vorhanden. Klaiber sieht darin eine Betonung der Grundstruktur der Rippen, welche als Netz potentiell verschiedene Elemente aufnehmen können.37 Diese Öffnungen werden alle indirekt über diverse korres-pondierende Öffnungen in der Außenfassade belichtet.

Durch die im Zentrum des Achtsterns liegende achteckige Öff-nung fällt schließlich jenes Licht, welches durch die Laterne scheint. Die Fenster dieser sind nur noch bedingt wahrnehmbar, lediglich die durch kleine Fenster ebenfalls perforierte Laternenkuppel lässt sich als entfernter Endpunkt erkennen.

Das Bauwerk wird durch die Helligkeitsabstufung von unten nach oben bestimmend mitgestaltet. Die Pole dieser Stufung bilden das geschlossene, nur von oben erleuchtete Erdgeschoss und die von Licht durchflutete Kuppelkonstruktion. Von entscheidender Bedeu-

28 Norberg-Schulz, 1985, S. 143

29 Guarino Guarini: Architettura civile, I, ii. und I, iii nach Klaiber 1993, S. 28.

30 Vanderperren, J. und Kennes, J.: De systematische ruimtelijke wereld van Guarino Guarini, in A+ 31, September 1976. Literaturangabe nach Meek, 1988

31 Die Zeichnungen sind bei Robison reproduziert. Robison 1985, S. 251ff.

32 Brinkmann, Erich: Von Guarini bis Balthasar Neumann: Vortrag in der Mitgliederversammlung des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft am 11. Juni 1932 zu Berlin. Berlin: Dt. Verein für Kunstwiss., 1932, S. 3

33 Müller 1986, S. 48ff.

34 Die Kopplung von geometrischen Figuren an Beg-riffe der Art wie Raumzellen und ihrer kunsthistorisch bedingten unscharfen Begrifflichkeit ist zumindest mit Vorsicht zu betrachten. Zur den die Kunstgeschichte fesselnden Raumbegriff: Badt, Kurt: Raumphantasien und Raumillusionen. Köln: DuMont, 1963

35 vgl. hierzu Klaiber, Susan: A new drawing for Gua-rini’s San Gaetano, Vicenza, in Burlington Magazine, Vol. 136, no. 1097, Aug. 1994, S. 501ff. Hier wird eine im Archivio Generale dei Teatini (Rom) befindliche Zeichnung abgebildet, welche neben den getuschten und lavierten Hauptelementen sichtbare Konstruktion-slinien in Graphit enthält.

36 Siehe hierzu Robison, 1991 oder Millon, Henry: La geometria nel linguaggio architettonico del Guarini. In Guarino Guarini e l’internazionalità del barocco: atti del Convegno internazionale promosso dall’Academia delle scienze di Torino; 30 settembre – 5 ottobre 1968. Teil 2. Torino: Accademia delle scienze, 1970

37 Klaiber, 1993, S. 271

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tung für die Lichtführung ist der zweischalige Aufbau der gesamten Kirche, welcher erst eine so gezielte Lichtführung durch direktes und indirektes Licht ermöglicht. Der Raum erweitert sich so hinter die erste Schicht, die zweite Schicht fungiert als lichtspendender Himmel.38 Was auch in den Okuli der Kapellenserliana und der Öffnung im Kapellengewölbe zum Ausdruck kommt.

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2.7 Fassade

Bedingt durch die Lage der Kirche, welche Teil eines Stadtblocks ist, kann sie ihre Wirkung nach außen nur nach zwei Seiten entfalten. Zum einen zur via Palazzo di Citta und zum anderen zur Piazza Reale / Castello. Die zwei anderen Seiten der Kirche sind mit dem übrigen Komplex des Blocks verbunden.

Unterscheidet sich die gebaute Kirche von ihrem Dependant im trattato ansonsten nur in eher geringem Maße, ist die gebaute Fas-sade im unteren Abschnitt mit der von Guarini Projektierten kaum in Übereinstimmung zu bringen.

Die dem eigentlichen Kirchenvolumina vorgelagerten Räume über der Vorhalle weisen zum angrenzenden Platz eine „normale“ Fassade auf, vergleichbar der eines Palazzo. Der dreigeschossige Vorbau setzt die Flucht der Nachbarhäuser fort, das verputzte Mau-erwerk in den Obergeschossen wird mit einem Kanon von Fenstern mit Ädikulas gegliedert. Oberstes und mittleres Geschoss werden durch ein Band von zwei Gesimsen getrennt. Die Front der Vorhalle im Erdgeschoss ist in simulierten Quadermauerwerk (gefurchter Putz) gestaltet und weist drei große und zwei untergeordnete kleinere Öff-nungen auf. Die zwei seitlichen Bögen sind bis auf Kämpferhöhe mit Mauerwerk geschlossen. In der mittleren Öffnung ist das Hauptportal zur Vorhalle eingebettet.

Die Ecke zur via Pal. di Citta wird längs dieser durch eine kulis-senhafte Wandscheibe gerahmt, welche über den First hinaus läuft.

Guarinis Entwurf für die Fassade (trattato) gliederte die unte-ren Geschosse in eine das gesamte Bauwerk umfassende Struktur ein. Die achsensymmetrische Kolossalordnung der zwei unteren Geschosse staffelt sich in das Hauptportal rahmende Säulenpaare, davon zurückgestellte Säulen und jeweils ein die Ecke rahmender Pilaster. Über dem von dieser korinthische Säulenordnung getrage-nen Architrav wird das oberste Geschoss wie eine Attika ausgebildet. Auf Postamenten, welche in den Achsen der Säulen stehen, finden Skulpturen ihren Platz und schließen den vorderen Teil der Fassade in ihrer Höhenentwicklung ab. Zentral über dem Hauptportal findet sich in der Darstellung des trattato eine gewaltige Kartusche, deren Inschrift39 auf den Namenspatron verweist. Der eigentliche Zentral-baukörper, welcher im Grundriss des trattato durch eine dunklere

38 vgl. Anderegg-Tille, Maria: Die Schule Guarinis. Winterthur: Verlag P. G. Keller, 1962, S. 59

39 „De Laurenti ignis contemtori tiranorum de risori martyrum miraculo“

gegenüber:42 Schnitt Architettura civile43 Ansicht Architettura civileoben:44 Isometrie nach Guarinis Entwurf

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Schraffur vom übrigen abgesetzt ist, setzt sich im Entwurf Guarinis stärker von seiner sockelgleichen Einfassung ab, was man auch der zeichnerischen Rekonstruktion von Norberg - Schulz40 entnehmen kann. Das Bauwerk als solches wäre durch seine Fassade auch in den unteren Geschossen als Kirche erkennbar gewesen, es hätte keine Dissonanz zwischen dem oberen Kuppel (tiburio) und unteren Teil gegeben.

oberer Abschnitt

Ein flach geneigtes, mit Tonziegeln gedecktes, Dach vermittelt von der Flucht des Platzes zum zentralen Kirchenkörper, der sich über und hinter der oben beschriebenen Maskierung erhebt. Dieser am Quadrat des Grundrisses orientierte Kubus in Sichtmauerwerk ragt nur noch wenig über die vorgelagerten Gebäudeteile. Um die Belichtung der Serlianaöffnung in den Vierungsbögen zu ermög-

45 Kuppel zur piazza reale

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lichen, wird das vorgesetzte Dach eingeschnitten. Lediglich das darüber gesetzte Fenster ist nicht durch das Dach verdeckt, welches analog zu seinem inneren Pendant das Gebälk des Kirchenkörpers perforiert. Diese erste Stufe bildet die Basis für den tiburio, welcher eine Verschmelzung von Tambour und Kuppel nach lombardischer Tradition darstellt.

Die über den Diagonalkapellen sich nach oben windenden Trep-pen finden in oktogonale Aufbauten auf oben beschriebenen Kubus ihren Endpunkt. Der weitere Weg nach oben setzt sich in der Wendel-treppe in einem der hohlen Eckpunkte des tiburio fort.

Die innere Kuppel wird außen durch einen oktogonalen Baukör-per verdeckt, dessen vertikale Wände konkav zu den spitzen Ecken ausschwingen. Pilaster bestätigen die Fußpunkte der inneren Rippen-bögen und halten die Wandfelder. Diese sind an den Ecken derart gefügt, dass jedes der acht Kompartimente des tiburio als solches abzulesen ist. Ein architravgleiches Band umläuft die Wandflächen, die Kapitelle der Pilaster werden subsumiert. In Analogie zum Kirche-ninneren wird auch dieses Glied der Gebälkordnung durchfenstert. Jedes Wandfeld wird mit einem in der Grundform ovaloiden Fenster geöffnet, die von einem Ovato abweichende Form erhält durch imaginäre Einschnürungen ihre endgültige Gestalt. Den oberen Abschluss dieser Einheit aus Pilaster, Wandfeld und zugehörigen Öff-nungen bildet eine Balustrade, welche vom möglichen Fügungspunkt mit ihrem Äquivalent der benachbarten eins/achtel Seite deutlich abgesetzt ist.

Zwischen tiburio und der Laterne vermittelt ein Ring von im Grundriss konvexen und im Aufriss bogenförmigen „Lichtschaufeln“, 41 sowie dazwischen sitzenden kleineren Fenstern. Erstere belichten indirekt die gebauchten, fächerförmigen Öffnungen, letztere die zwischen den Bogenschnittpunkten befindlichen dreieckigen Öffnun-gen.

Die oktogonale Laterne ist entsprechend dem ganzen Bauwerk zweischichtig. Die innenliegenden Elemente tragen die Wölbung, die äußere Schicht bildet den Abschluss nach außen. Jede der acht identischen konvexen Außenseiten der Laterne enthält ein modifizier-tes Serlianamotiv. Das zentrale Mittelfenster wird von zwei schmalen Seitenfeldern gerahmt. Toskische Säulen (zwischen Mittel- und Sei-tenfeld) tragen ein Gebälk, das Architrav und Bogen in sich vereint,

40 Norberg – Schulz: Barock, 1985, S. 141

41 in Anlehnung an Robison 1985 S. 60 (Originalter-minus: „light scoops“)

47 Blick über die Dächer Turins

46 Westansicht mit Campanile

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in dem es im Bereich des Fensters von der Unterseite annähernd bogenförmig gekehlt wird.

In den Stoßstellen der acht Seiten steht ein geknickter und zu beiden Seiten zugehöriger Pilaster. Knickpilaster und Säule sind mit einem Wandabschnitt hinterblendet, mit dem Resultat, dass Säule, Knickpilaster und Wand im Grundriss (im Gegensatz zum Aufriss) als Einheit wirken.

Auf einem Sockelring, der im Grundriss abwechselnd rechteckig und kreisförmig ist, schließt die Laternenwölbung (ein achteckiges Klostergewölbe)42 die Vertikale in einer Höhe von ca. 43 m ab. Das bekrönende Kreuz ruht auf drei Bergen, dem Symbol der Theatiner.

Der in unverputztem Mauerwerk ausgeführte campanile auf der Nordwestecke der Kirche gleicht in seiner Gestalt einer solitären kannelierten Säule. Er erhebt sich über der Wendeltreppe, welche im Erdgeschoss von Seite der Casa erreicht wird. Die im trattato darge-stellte zweite Treppe kam nicht zur Ausführung, ebenso wenig wie ein südliches Pendant zum campanile.

2.8 Materialien

Als ein Kennzeichen für den Stilwandel von der Renaissance hin zum Manierismus und Barock, laut Wöffflin43 , ist die nun auch auf andere Steinsorten - neben Marmor - ausgeweitete Materialwahl. Galt es doch nun die „Massigkeit“ der architektonischen Form auszu-drücken. Nichtsdestotrotz gelangt der Stein Marmor und seine vielen verschiedenen Sorten im römischen Hochbarock zu neuen Würden; denkt man an Berninis (1598-1680) Novizitatskapelle der Jesuiten: San Andrea alle Quirinale (Rom, 1658-70). Auch bei der Cornaro Kapelle (1645-52) in S. Maria della Vittoria nutzt Bernini die wolkige Malerei der Natur (=geäderter Marmor) um Malerei und Architektur zu verschmelzen.44

In San Lorenzo finden sich Elemente in Marmor ausschließlich im unteren Abschnitt: Die Säulen der Serlianas sind in roten Marmor, die Pilaster in weißen Marmor gestaltet. Die wenigen Bereiche der Wand sind in schwarzem Carrara gestaltet. Pilasterflächen und Postamente sind mit Intarsien in verschiedenen Sorten Marmor versehen. Die Säulen, Postamente und Architrave der einzelnen Altäre sind eben-falls in dieser Gesteinsart errichtet. Quadratische Steinfliesen bilden

unten: 48 Ansicht zur piazza castello / realegegenüber: 49 Hauptraum

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das Paviment der Kirche. Ein achtpoliger Stern im Schnittpunkt der Hauptachsen verdeutlicht noch einmal die grundlegende Geometrie der Kirche.

Im Bereich über den Serlianas werden die nun deutlicher auf-tretenden Wandoberflächen verputzt. Gliedernde Elemente, einge-schlossen des Architrav und des Bogens der Serlianas, sind in Stuck ausgeführt. Einige Felder, so zum Beispiel die Pendentifs sind mit Fresken versehen. Vor der Restauration von 1957 waren auch die Felder in der Kuppel mit Fresken versehen.45

An wenigen Stellen ist im Kirchenraum Holz verwendet: Sitz-bänke, die Kanzel, Türen und die Brüstungen der Emporen. Holz wird

42 s. a.: Mainstone, Rowland: Einflüsse der Konstruk-tion auf die Form von Kuppeln und Gewölben, in: Zur Geschichte des Konstruierens. Hrsg.: Graefe, Rainer. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1989, S. 211 – 223

43 Wöffflin, Heinrich: Renaissance und Barock. 3. Auflage. München: F. Bruckmann, 1908, S. 33

44 s. a.: Fabio Barry: I marmi loquaci: Malerei in Stein, in: Daidalos 56; 1995. Hrsg.: Auer, G.; Conrads, U.; Mattenklott, G.; Oechslin, W.; Pieper, J. Gütersloh: Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, 1995, S. 106 - 121

45 siehe z. B.: die Abbildung bei Portoghesi 1956

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daneben als konstruktives Material bei den verschiedenen Dachkon-struktionen oder Fenstern eingesetzt.

Im Presbyterium werden die gliedernden Elemente mit Bronze in ihrer Wirkung und damit in ihrer Bedeutung gehöht. Die erst später eingebaute Orgel glimmert ebenfalls mit ihrer Vergoldung.

Als Konstruktionsmaterial kommt Mauerwerk zum Einsatz, wel-ches am zentralen Kirchenkörper, wie oben beschrieben, außen sichtbar ist.

Um den Bogen abzuschließen sind noch Glas (Fenster), Blech (Dacheindeckung) und Tonziegel (Dacheindeckung) zu nennen.

2.9 Statisches System

Das Tragwerk von San Lorenzo zeigt Guarinis souveränen Umgang mit den konstruktiven Möglichkeiten seiner Zeit. Gleichsam offenbart sich das ganze statische System von Tragen und Lasten dem normalen Kirchgänger nicht, denn es liegt mit seinen Hauptelemen-ten hinter den sichtbaren Gliedern des Kircheninnenraums und bleibt damit unsichtbar.

Wie die Darstellung von Brotto und Tedesco46 (Abb.: 51) ver-deutlicht, tragen vier Mauerwerksbogen die Kuppelkonstruktion samt ihren Aufbauten. Die Scheitelpunkte liegen unter den Fenstern der Kuppel und über dem annähernd herzförmigen Fenster des Kuppel-rings. Vier kleinere Bögen spannen zwischen den Großen und unter-stützen die anderen vier Seiten der oktogonalen Kuppelkonstruktion. Die Fußpunkte der Hauptbögen liegen über den Diagonalkapellen und werden dort von einer weiteren Subkonstruktion abgefangen.

Dem Schein nach tragen die für diesen Zweck viel zu schlank-bemessenen Säulen der Serlianas die Kuppelkonstruktion. Einem Wunder gleich muss die firmitas der Kirche von höherer Macht erwirkt werden. Diese Wirkung wird durch zahlreiche Perforierungen, welche die Elemente der Gebälkordnung in ihrer eigentlichen Funktion schwächen, gesteigert.

Die folgende Erläuterung gotischer Architektur von Guarini offenbart eine mögliche Inspirationsquelle:„...und neben der begehrten Schlankheit, scheinen sie ein weiteres anderes Ziel ange-strebt zu haben, im Gegensatz zur römischen Architektur. Hatten die

46 Brotto, G. und Tedesco, V.: S. Lorenzo a Torino, in: Architettura: Cronache e Storia 8. 1961, S. 274 - 280

47 freie Übersetzung von Guarino Guarini: Architettura civile Kapitel III. xiii. 1; s. a.: Meek, 1988, S. 56

48 Robison, 1991. S. 395f.

50 „Schlüssel” zum Tragwerk San Lorenzos

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letzteren Stärke als ihr erklärtes Hauptziel, eingeschlossen einer massiven Durchbildung ihrer Gebäude, lag es im Ziel der Ersteren stabile Gebäude zu errichten, welche aber als schwach erschienen und nur durch ein Wunder aufrecht gehalten werden konnten. So kann man riesige, von extrem schlanken Stützen getragene Kirchtürme, in der Luft hängende Bögen, perforierte Türme bekrönt durch pyramidengleiche Staffeln von Spitz-bögen und höchste Fenster und Gewölbe ohne unterstützende Wände sehen.“47

Die elliptische Kontur der Rippenbögen nähert sich der statischen Optimalform einer Kettenlinie wesentlich näher an, als dies eine halbkreisförmige Kuppelstruktur je könnte. Wie die statische Studie Robisons48 zeigt, bindet Guarini die Schubkräfte der Bögen mittels gusseiserner Zugbänder über den Fensteröffnungen zusammen.

51 Schnittisometrie mit offen gelegtem Tragwerk

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3 Einordnung in den historischen Kontext

Um die Bedeutung der Architektur Guarinis, insbesondere im Fall von San Lorenzo, einschätzen zu können, werden im Folgenden die möglichen Vorbilder der näheren und weiteren Baugeschichte betrachtet. Ebenfalls soll anhand ausgewählter Nachfolger und deren Bauten der Einfluss Guarinis auf den Lauf der Architekturge-schichte aufgezeigt werden.

Quellen für Guarinis Schaffen mögen konkrete Details von Bauten sein, welche Guarini selbst vor Ort gesehen haben mag. Orte wie Modena, Rom, Venedig, Paris und Messina an denen Guarini sich länger aufgehalten hat, sind im Kapitel 2.1 genannt. Für gewisse Jahre seiner Vitae gibt es jedoch keine ausreichende Quellenlage um mit Bestimmtheit einen Aufenthalt in Spanien oder Prag nachweisen zu können.49

Aber auch strukturelle oder genetische Inspirationen mag er durch die Anschauung von gebauter Architektur erhalten haben. Daneben sind Architekturtraktate und weitere Stichsammlungen unter anderem durch sein eigenes theoretisches Schaffen, als eine weitere Quelle belegt. Als Theatinermönch hatte er Zugang zu den in Klosterbibliotheken gesammelten Werken; für die Bibliothek von S. Andrea della Valle ist ein Exemplar der 1581 Ausgabe Palladios (1508-80) belegt. Im Register von S. Silvestro sind Kopien von Vitruv vermerkt. Die Schriften Vignolas (1507-73) und Albertis (1404-72) sind in Neapel, S. Paolo Maggiore, vorhanden gewesen.50

3.1 Maurische Architektur - staufische Architektur

Guarinis Wanderjahre führten ihn unter anderem nach Süditalien und Sizilien, wo er ohne Zweifel eine Vielzahl an durch maurische Architektur beeinflusste Bauten studiert haben muss. Selbst wenn sehr viele Gebäude, welche unter den arabischen Machthaber bis ins Jahr 1091 errichtet wurden, bis in Guarinis Zeit wieder geschliffen worden waren, stehen selbst heute noch Zeugen dieser Epoche vor 49 was bereits andere Autoren bemängelt haben.

50 Klaiber, 1993, S. 38

gegenüber: 52 Kuppel San Lorenzooben:53 Eine der beiden Kuppeln vor dem Mihrab der Umaiyaden-Moschee, Córdoba54 Eine der beiden Kuppeln vor dem Mihrab der Umaiyaden-Moschee, Córdoba

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Ort.51 Die Wurzeln Guarinis architektonischen Schaffens lagen in der Mathematik, genauer der Geometrie, was durch seine Ausbildung bedingt war und sich im mathematischen Inhalt und dessen Gewich-tung im trattato widerspiegelt. Kann man auch schwer den Einfluss einzelner Bauwerke des maurischen und arabischen Kulturkreises als konkretes Ideal- oder Leitbild anführen, ist die Kongruenz in der Vor-liebe für geometrische Grundmuster in der Architektur Guarinis wie in der arabischen Architektur unverkennbar.

Giedion52 machte als einer der ersten auf mögliche Zusammen-hänge zwischen den Kuppeln der Moschee in Cordoba (Abb. 53 u. 54) und der Kuppelkonstruktion Guarinis von San Lorenzo aufmerk-sam. Es ist bis heute nicht klar in welcher Form und ob überhaupt Guarini von dem Bau in Cordoba Kenntnis hatte. Für ein anderes in der Struktur ähnliches Bauwerk kann man dies aber mit Sicherheit annehmen. Die Vorhalle des Doms von Casale Monferrato, welcher ca. 50 km von Turin entfernt ist, ist mit doppelt gekreuzten Schwib-bögen überwölbt, was strukturell der Kuppelkonstruktion von San Lorenzo entspricht.53

Ebenfalls nach strengem Schema einer Oktogongeometrie wurde das prominente Castel del Monte unter Friedrich II. um 1240 in Apulien errichtet. Auch für dieses Bauwerk sind arabische Ein-flüsse benannt; Friedrich II. selbst begründete seine Bautätigkeit im Königreich Sizilien.54 Vom Oktogon abgeleitete Schema dienten als Grundlage vieler weiterer Zentralbauten in Italien. Genannt sei hier die Linie der Baptisterien, welche nicht zwingend aber sehr oft über einem Achteck errichtet wurden.

51 vgl. Brucher, Günter: Die sakrale Baukunst Italiens im 11. und 12. Jahrhundert. Köln: DuMont, 1987, S. 342ff

52 Giedion, Siegfried: Raum, Zeit, Architektur. 5. Aufl. Zürich: Artemis Verlag, 1992, S. 100f

53 s.a.: Brucher, 1987, S. 77f. Wittkower verweist ebenso auf die augenscheinliche Ähnlichkeit beider Bauten. · Wittkower, Rudolf: Art and Architecture in Italy 1600 - 1700. Pelican History of Art. 6. überarb. Auflage. New Haven: Yale University Press, 1999, S.113

54 vgl.: Goetze, Heinz: Castel del Monte. Gestalt und Symbol der Architektur Friedrichs II. 3. völlig neubearb. und erweiterte Aufl. München: Prestel, 1991, S. 29ff.

links: 55 Castel del Monte, Apulienoben: 56 Vorhalle des Doms, Casale Monferrato

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3.2 Antike - Renaissance

Im sprichwörtlichen und übertragenen Sinn wurden die Bauten der Antike zum Steinbruch der Renaissance.

Die teils erhaltenen und teils ruinenhaften oder umgebauten Bauwerke standen Modell, wenn wahrhaftige Anschauungsbeispiele der wiederentdeckten Regeln des Vitruvs gesucht waren. Die Skizzen-bücher der Baumeister der Renaissance füllten sich mit Aufnahmen der Bauten, welche von nun an Vorbildcharakter besaßen. Bis Pira-nesis (1720-78) Carceri und weiter reichen die teils mehr phantas-tischen und teils sehr getreuen Stiche antiker Architektur.55 So kann man auch vermuten, dass Guarini selbst Kenntnis von der Anlage der Villa Hadriana (Tivoli) hatte, in welcher sich ein San Lorenzo struktu-rell verwandtes Bauwerk findet: das teatro maritimo.56 Hier wird in Analogie zu San Lorenzo der zentrale Hauptraum von quadratischem Grundriss durch vier konvexe Einbuchtungen in seiner Wandgrenze bereichert, selbige beginnt zu ondulieren. Ebenso zeigt der sich um das Presbyterium schmiegende Chor Ähnlichkeit mit dem Raumge-füge der Piazza d’Oro. Sedlmayr verwurzelt den Ursprung der von ihm bei Guarini konstatierten Fügungsmethodik von Raumzellen in der Spätantike.57 (Siehe Kapitel 2.5 zu Einfluss und Ausprägung dieser Entwurfsmethode). Die einem Rapport ähnelnden Grund-rissmuster erfuhren weitere Ausformungen in den Skizzen Peruzzis (1481-1536).

Im Jahre 1511 wird durch Fra Gioconda der lateinische Text Vitruvs herausgegeben. Zehn Jahre später folgt eine weitere Edition durch Cesariano. Durch dieses Werk wurde das Interesse am Zentral-bau als dem Ideal einer Kirche gestärkt. In Anlehnung an die prokla-mierte Korrelation von menschlichem Körper und den geometrischen Figuren des Kreises und Quadrats und deren Illustration durch z.B. Leonardo entstanden auch von diesen rasch Idealrisse, die dies in architektonische Form umzusetzen versuchten.58 Der wichtigste Zentralbau in dieser Hinsicht, nicht zuletzt auch auf Grund seiner Bedeutung, die auch jenseits der architektonischen Gestalt liegt, ist St. Peter. Dessen Gestalt geht auf die Entwürfe der Architekten seiner-zeit zurück.

Wurde zuvor der arabische Einfluss auf die Kuppelkonstruktion in San Lorenzo untersucht, so existiert für diese noch eine weitere

55 Insbesondere wurde auch die Architektur Bor-rominis durch antike Leitbilder beeinflusst, welche in den Stichen Montanos überliefert waren. Siehe hierzu auch Raspe, Martin: Das Architektursystem Borrominis. Kunstwissenschaftliche Studien. Band 62. München: Deutscher Kunstverlag, 1994

56 Sedlmayr, Hans: Die Architektur Borrominis. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1986. (2. Nachdruck der vermehrten Auflage. München, 1939), S. 112

57 Sedlmayr, 1939, S. 113

58 vgl.: Wittkower, Rudolf: Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1983. S. 18ff.

57 teatro maritimo, Villa Hadriana, Tivoli58 Zentralbaustudien Leonardos

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mögliche Inspirationsquelle und zwar in Form einer Skizze Leonardos (1452-1519).59

Besondere Bedeutung für San Lorenzo hat ohne Zweifel das durch die Architekturgeschichte immer wieder rezipierte Motiv der Serliana, auch als Palladiomotiv bezeichnet. Nach Lotz taucht diese Figur in Serlios IV. Buch (ersch. von 1537-51) erstmalig auf, um anschließend im oberen Stockwerk von Sansovinos (1486-1570) Bibliothek (Venedig, 1537 beg.) zur Anwendung zu kommen.60 Die Ausformung mit Okuli, wie sie in San Lorenzo für die Diagonalachsen verwendet wird, findet sich in Palladios Basilica (Vicenza), welche ab 1549 um den bestehenden mittelalterlichen Palazzo della Ragione errichtet wurde.61

Wie unter 1.3 erwähnt hielt sich Guarini in den letzten Jahren seiner Studienzeit in Venedig auf wo er sich mit den Bauten des Andrea Palladio vertraut machen konnte. Dessen Bauten sind durch

59 Blunt, Anthony: Guarini and Leonardo. in Arch. Rev. CXLVII, 2, 1970, S. 165f.

60 Sebastian Serlio (1475-1554) (Schüler Peruzzis)

61 vgl. Lotz, Wolfgang: Architecture in Italy. 1500 – 1600. Pelican History of Art. New Haven: Yale University Press, 1995. (Erste Publikation als Teil II von: Architecture in Italy 1400 – 1600, 1974), S.153

59 Skizzen Leonardos für den Mailänder Dom60 Basilica von Palladio, Vicenzaoben:61 Studie für einen Palast, Serlio

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Palladios eigene Antikenstudien und durch die Architektur Michelan-gelos (1475-1564) geprägt. Die Verschränkung von mehreren Glie-derungsgruppen unterschiedlicher Hierarchie wie zum Beispiel am Palazzo Valmarana (Vicenza, 1565 beg.) findet sich schließlich auch in San Lorenzo wieder. Das Einsetzen von fragmentierten Gliedern der Gebälkordnung schlägt sich ebenso bei Guarini nieder und wird in dessen Entwürfen auf ganze Motive ausgedehnt.

3.3 Michelangelo, Borromini

Nach Wölfflin ist eine wesentliche Tendenz des neuen Stils (Barock) das Thematisieren von Massen. „Licht und Schatten sind seine Elemente.“62 “Der „malerische Stil“ ist zudem damit verbun-den, durch den Eindruck der Bewegung zu wirken. „Unfassbarkeit (Das Unbegrenzte)“ ist das dritte Moment.

- Spannung in den Proportionen - Motiv der Deckung - Absicht-lich gesuchte Dissonanzen - keine Selbstständigkeit untergeordneter Glieder:

das sind stenographische Begriffe, die den Wechsel und die auf die Renaissance folgende Epoche charakterisieren. Sie wären ohne ihren Wegbereiter undenkbar: Michelangelo Buonarrotti. Plastik und Architektur wurden eins, was sich in der Behandlung der Massen der einzelnen Elemente und deren Verhältnis untereinander zeigt. Die strukturgebenden Elemente wurden in den ins Expressive gesteiger-ten Ausdruck der im Gebäude wirkenden Kräfte miteinbezogen. Die Detailformen folgen diesem Konzert agierender Figuren.63

Die Entstehungsgesetze der Fenstergewände der Kuppel von San Lorenzo sind ohne Zweifel bei Michelangelo zu finden. Die Behandlung der Kuppel und ihres Unterbaus im Sinne von lastenden und tragenden Abschnitten und das generelle Fügen von fragmen-tierten Elementen kann ebenso auf genannten Quell zurückverfolgt werden.

Die Charakterisierung der Architektur des römischen cavaliere Francesco Borromini (1599-1667) wurde bereits öfters zur Abgren-zung von Guarinis Werk benutzt. Dennoch unterscheidet sich die Architektur bei aller Verwandtschaft, bei Portoghesi wird Borromini gar zum Brieffreund Guarinis64 , in einigen wichtigen Stellen. Beiden gleich ist die Fügung von als Ausgangsformen zu betrachtenden

62 Wölfflin, 1908, S. 17

63 vgl. Ackermann, James S.: The architecture of Michelangelo. Harmondsworth: The University of Chicago Press, 1986. (Second edition of the 1961 first published edition), S. 269ff.

64 Portoghesi, 1956

62 Pal. Farnese, Rom, Hoffenster Michelangelo

So wie, indem man abnimmt, langsam nurinnen im harten Berggestein sich findet

ein Niederschlag lebendiger Figur,der mehr erwächst, je mehr der Stein verschwindet,

so ist von manchem guten Tun die Spur,darin die Seele bebend sich erwiese,

versteckt durch diese Oberfläche, diesedes eignen Fleisches steinige Natur.

Du kannst allein aus meinen Außenseitendieses befrein, wozu aus mir in mir

nicht Wille ist, noch Kraft, es zu bestreiten.

Gedicht Michelangelos in der Übertagung von Rainer Maria Rilke

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Einheiten unter gegenseitiger Überlagerung dieser. Bei Borromini aber entstehen dabei Gebilde die als Gesamtform, wie aus Wachs gehöhlt scheinen und als neue Einheit betrachtet werden wollen. Deren Raumgrenze ist meist von komplexer Gestalt, die durch eine Kolonnade gelenkt wird.65

Guarinis System ist besonders in den Entwürfen nach San Lorenzo weit aus modulierter. Die Vielzahl der gefügten Einheiten ist eher beschränkt, dafür in ihrer Anzahl vervielfacht. (Erst dadurch ist die Verwandtschaft der Grundrisse zu Pattern möglich). Guarinis Grund-risse lassen sich gedanklich in ihren Ausdehnungen weiter stricken. Die Grundrisse von S. Ivo (1642-60) oder S. Carlino (1638-46, 65-82) stehen für sich als abgeschlossene Einheiten.66 Den Produkten beider Prinzipien ist die Zusammensetzung der Endprodukte aus fragmentierten Einheiten, welche sich erst im Kopf des Betrachters vervollständigen, gleich.

3.4 Frankreich

Wieder ist es die eigene Anschauung, die Guarinis architektoni-sches Repertoire erweitert. In seiner Pariser Zeit entstanden Bauten, die noch heute als von höchstem Rang eingeschätzt werden. Das Thema der gegenseitigen Raumdurchdringung, welches ein gestalt-prägendes Merkmal für Guarinis Entwürfe werden sollte, formulierte hier Francois Mansart (1598–1666) in seiner Kirche Notre-Dame-des-Anges de la Visitation Sainte-Marie (rue Saint-Antoine) (1632–34) vor. Hier werden der zentrale Hauptraum und die vier ovalen Kapellen-, Altar- und Eingangsräume gegenseitig überlagert. Die Bögen des Hauptraums welche in die Seitenräume bauchig wölben, werden zugleich in die Ordnung der Seitenräume eingegliedert. Im Gegensatz hierzu entspringt die Gestalt des Hauptraums in San Lorenzo der Figurengruppe der Anräume.

Die prinzipielle Möglichkeit aus purer Masse Raum herauszufrä-sen im Sinne eines Subtraktionsvorgangs ist in Mansarts L’Église du Val-de-Grâce (au Faubourg Saint-Jaques) (1645-46) sehr deutlich ausgeprägt. Selbst wenn sich die Genese des Grundrisses von San Lorenzo deutlich anders ableiten lässt, offenbart sich ein ähnliches Resultat. In der Wirkung ist dies gleich: ein in die Masse eingebettetes Raumsystem.

63 S. Ivo della Sapienza (Rom) Überlagerung der Zeichnung Borrominis (Albertina: Inv. Nr.: Az. Rom 500k) mit dem Pattern Schema von Raspe 64 Notre-Dame-des-Anges de la visitation Sainte-Marie (Paris) Mansart, Grundriss

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Neben den aktuellen Bauten prägten aber vor allem die goti-schen Kathedralen das französische Stadtbild. In seinem Traktat Architettura civile interpretiert Guarini das Schaffen der Baumeister der Gotik. Wenn auch kein direkter Transfer von Formen gotischer Baukunst in San Lorenzo zu entdecken ist, soll aber auf die auch unter Kap. 2.9 beschriebene von Guarini intendierte Wirkung seines Bauwerks hingewiesen werden. Wie unter 1.3.2 erläutert, hat sich Guarini zudem mit dem zeitgenössischen Disput der französischen Architekturszene auseinandergesetzt. Die Möglichkeit zugunsten der perspektivischen Wahrnehmung entsprechende maßliche Korrektu-ren vorzunehmen, welche durch französische Architekturtheoretiker diskutiert wurden, beschäftigte ihn ebenfalls. Dies mag der mögliche Grundstein gewesen sein, optische und illusionistische Gesichts-punkte in den Kuppelkonstruktionen von San Lorenzo und SS. Sin-done zu berücksichtigen.

3.5 Guarinis Bauten

Die erste Kuppel, welche ihre Gestalt maßgeblich durch sich kreuzende Rippenbögen erhielt, entwarf Guarini in Messina für die Kirche der Padri Somaschi (ca. 1660). Hier formen die Bögen im Grundriss einen Davidstern, dessen Ecken (zugleich die Fußpunkte der Bögen) mit den Eckpunkten des zentralen Hauptraums überein-

65 vgl. Raspe, 1994, S. 66

66 dem widerspricht nicht, dass Raspe ein mögliches Pattern für S. Ivo gezeigt hat, da sich dieses auf der komplexen Gesamtform des Hauptraums begründet. Siehe hierzu Raspe, 1994 Abb.: 51

65 Notre-Dame-des-Anges de la visitation Sainte-Marie (Paris) Mansart66 L’Église du Val-de-Grâce, Mansart (Vierung)

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stimmen. Wie in San Lorenzo stellt Guarini in die Ebene der Bögen großzügige Fenster und ebenso analog werden die Innenkanten der Laterne durch das im Bogenschnittpunkt entstehende Hexagon bestimmt. Der Aufriss der Kirche in Messina ist deutlich stärker in Stufen gegliedert als bei San Lorenzo. Ein der Sechseckgeometrie fremder Architravring wird zwischen die unterste Stufe und die Kuppel gesetzt.

In seinem Folgewerk der Kirche Ste Anne-la-Royale (ab 1662) schaltet Guarini zwischen die unterste Zone, einem Quadrat mit schräggestellten Pfeilern, und der auf einem Oktogon basierenden Rippenbogenkuppel einen Tambour, dessen innere Schicht aus einer gekurvten Serliana - Arkade besteht. Die Rippenbögen über-spannen diese als Paare und sind damit in ihrer Anzahl gegenüber San Lorenzo verdoppelt. Guarini verschränkt auch hier Kuppel und Tambour, allerdings an anderer Stelle. In der Fassade zeichnet sich dadurch eine weitere vertikale Stufe ab. Der teleskopartike Charakter wird gesteigert.67

Wie erwähnt gab Guarini den Bögen der Kuppel in San Lorenzo bewusst aus ästhetischen Motiven eine elliptische Kurvatur. Wie Rob-ison68 gezeigt hat, gestaltete er die Kuppel der SS. Sindone (Turin, ab 1666) ebenso nach optischen, auf die Wirkung hin gezielten Gesetz-mäßigkeiten. Durch die parabolische Kontur der Kapellenkuppel und durch die gestaffelte Größe ihrer Glieder erreicht Guarini den illusio-nistischen Effekt einer größeren Höhe als tatsächlich vorhanden.69

67 Meek, 1988, S.33

68 Robison, 1991, S. 386ff. und Tolin, Risa: Opti-cal Illusion & Projection in Domes: A Study of Guarino Guarini’s Santissima Sindone. unter: http://www.math.union.edu/research/student/1998/tolin

69 Ähnliche Ansätze treten bereits früher auf: z.B. die berühmte Scala regia im Vatikanpalast von Bernini und sind nicht allein auf den Barock beschränkt.

70 Vgl. hierzu Kap. 2.3

67 San Gaetano (Nizza) Kuppel68 Kirche der Padri Somaschi (Messina) kuppel69 oben: Ste Anne-la-Royale (Paris) Schnitt

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Als Leitmotiv zieht sich durch das Oeuvre von Guarini die Fügungsmethodik der raumbildenden Elemente, die im Grundriss strukturell organisiert sind und in Anlehnung an einen mathemati-schen Rapport diesem ähnliche Pattern erzeugen. Die Fügungsmög-lichkeiten variieren von Bau zu Bau und auch innerhalb einzelner Bauten kombiniert Guarini die Elemente auf verschiedene Arten.70 Der Grundriss von San Lorenzo lässt jedoch die Bildung eines Rap-ports nicht zu, wenn gleich die verschiedenen Möglichkeiten von Fügungen hier zur Verwendung kommen.

Für den Entstehungsprozess ohne Bedeutung, aber für die Betrachtung von Guarinis Architektur nicht unwesentlich, ist der Umstand, dass San Lorenzo die einzige existierende Kirche ist, welche (nahezu) unverändert ist und als Gesamtentwurf realisiert wurde. Andere wurden wie erwähnt nie ausgeführt, zerstört, verändert oder waren selber Umbauten oder Ergänzungen.

70 Capella SS. Sindone (Turin) Schnittisometrie71 Capella SS. Sindone (Turin) Kuppel

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3.6 Piemont - Vittone und andere

1737 wird Guarinis Traktat Architettura civile durch Bernardo Antonio Vittone (1705-70) herausgegeben. Dessen Bauten ist der Einfluss Guarinis deutlich anzusehen, so auch einem seiner ersten Bauwerke, der Capella della Visitazione (Valinotto, 1738-1739). Der Grundriss über einem Sechseck beziehungsweise zwei gleichseitigen Dreiecken und die Stellung der Pfeiler zeigt darüber den Einfuß von S. Ivo della Sapienzia von Borromini, die Einwölbung aber wiederholt mit ihren Rippenbögen die Kuppelkonstruktionen Guarinis. Anders als bei Guarini aber bilden bei Vittone die Bögen nur die vorderste Schicht (gleich einem Gerippe), in deren Gefolge sich weitere zwei Schichten, eine Kalottenschale und die abschließende Kuppelschale, aufstapeln.

Eine gute Übersicht über die piemontesische Architektur nach Guarini erhält man bei Anderegg-Tille,71 welche noch einige wei-tere Bauten aufführt, die deutlich durch Guarini beeinflusst sind und damit die Stellung Guarinis als den Baumeister des piemontesischen Barocks unterstreicht. So zeigt auch der große Mittelsaal in Juvarras (1678-1736) Schloss Stupinigi (bei Turin, 1729-1733) guarineske Mittel in der Relation von Haupt- und Nebenräumen.

Behält der Hauptraum von San Lorenzo seine Integrität bei, wird dieser bei der Kirche San Giovanni Battista (Carignano, 1757~64) nur noch im Fragment abgebildet. Benedetto Alfieri (1700-67) errichtet über halbkreisförmigem Grundriss eine Ringtonne, die um das im Zentrum liegende Peristyl läuft. Die Fortsetzung zu einem voll-ständigen Kreis bleibt dem Betrachter vorbehalten.72

links:72 S. Giovanni Battista (Carignano) Grundriss73 ibido Innenraumoben:74 Capella della Visitazione (Valinotto) Kuppelunten:75 Capella della Visitazione (Valinotto) Risse

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3.7 Böhmen, Süddeutschland

Außerhalb der Grenzen Piemonts setzte als erster Johann Lucas Hildebrand (1668-1745) Elemente guarinesker Architektur fort. Hildebrand kam als gebürtiger Genuese in den Dienst von Prinz Eugen von Savoyen und zog in dessen Gefolge nach Wien, wo er die St. Peterskirche baute. Stärker als diese ist St. Lorenz (Gabel 1699-1729) und die Piaristenkirche (Wien 1715-31, 51-52) von San Lorenzo beeinflusst. In den beiden sich wenig unterscheidenden Bauten wird der zentrale Hauptraum durch die ovalen Perimeter seiner in den Hauptachsen benachbarten Räume (Seitenkapellen, Altar und Eingang) bestimmt. Guarineske (im Grundriss gekurvte) Bögen schwingen sich von Pfeiler zu Pfeiler, welche konvex in den Raum eindringen. Über diesen Bögen und den Pendentifs73 bekrönt eine ovale Tambourkuppel die Anlage. Fürst weist auf weitere Über-einstimmungen zwischen Guarinis S. Gaetano (Vicenza) und Hilde-brandts Kirchen hin, deren Einfluss auf die Architektur in Wien sich aber auf ein Minimum beschränken sollte.74

Von weitreichender Konsequenz ist Guarinis Werk, insbesondere die Entwürfe der Langhauskirchen, für die Bauten der Dientzenhofer-familie, welche in Böhmen und Franken wirkte. So entstehen aus der Synthese der Ideen Guarinis und der lokalen Tradition Bauten wie die Kirche der Benediktinerabtei Banz (1710-19) oder St. Margaret bei Brevnov (1708-15) von den Söhnen Georg Dientzenhofers (1643-89), Christoph (1655-1722) und Johann (1663-1726).

Als Schlussstein dieser Wanderung durch die Architekturge-schichte nenne ich hier die Schönbornkappelle (Würzburg, 1721-35), gleichsam als Paradestück für viele weitere, welche ein Verbindungs-glied zwischen Guarini, Hildebrandt und schließlich Balthasar Neu-mann (1687-1753) darstellt. Dieser bindet die Grundideen der bei Guarini beobachteten Fügungssystematik in sein Schaffen auf die ihm eigene und nicht übertroffene Weise ein.75

71 vgl.: Anderegg-Tille, 1962. S. 17ff. Hier noch einige der Namen: Francesco Gallo da Mondovì, Constanzo Michela, Carlo Andrea Rana.

72 vgl.: Anderegg-Tille, 1962. S. 100

73 welche im Gegensatz zu San Lorenzo über tatsächlich konvexer Fußlinie starten, um weiter oben in die konkave Form überzugehen.

74 Fürst, Ulrich: St. Laurentius in Gabel und die Piaristenkirche in Wien. Zwei kurvierte Kirchenbauten des Johann Lukas von Hildebrandt. Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. Band 57. Hrsg.: Bauer, Hermann. München: Tuduv Verlagsges., 1991, S. 27ff

75 Brinckmann hat bereits 1932 diese Entwicklungsli-nie in seinem Vortrag aufgezeigt: Brinckmann, 1932

76 St. Laurentius (Gabel), Grundriss

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Schluss

Fand Guarini in den Bauten der Alten wertvolle Anregungen für seine Entwürfe, so verkamen diese Inspirationen bei ihm nicht zu sturen Wiederholungen. Guarini verband diese mittels seines Ein-fallsreichtums und seiner Kenntnisse der Geometrie zu originären Strukturen und innovativen Formen. Dabei scheute er nicht konstruk-tiv schwierige Elemente, wie die im Grundriss gekurvten Bögen oder das Netz von sich kreuzenden Bögen in der Kuppel von San Lorenzo. Für Guarini galt nicht die Maxime der transparenten Konstruktion. Ganz im Gegenteil: er setzte das konstruktiv Mögliche ein, um dem Betrachter eine perfekte Illusion bieten zu können.

Im Gegensatz zu Borromini, Michelangelo oder Bernini betätigte sich Guarini nicht in der Bildhauerei. Aber seine Ausbildung und sein Studium waren nicht weniger prägend für seinen Zugang zur Architektur. Guarinis Traktate stellen zu seinen Bauten fast gleich-gewichtige Produkte seines Schaffens dar. Zwischen diesen beiden Tätigkeitsfeldern gibt es vielfältige Beziehungen.

Die Aufenthalte Guarinis an verschiedensten Orten haben San Lorenzo wie das gesamte Werk Guarinis spürbar beeinflusst, die Verbindung von Fremdem und Tradiertem glückte ihm auf vielerlei Art und Weise.

Durch die Werke Guarinis und die seiner Nachfolger wurde das Piemont zu einer Region, die bedeutendste Bauwerke des Barocks hat und die als eine der Regionen des Barocks zählt. Über die Gren-zen des Piemonts hinweg blieb der Einfluss von San Lorenzo eher beschränkt. Viel stärker setzte sich die Architektur seiner Langhaus-bauten in Böhmen und Süddeutschland durch.

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Anhang

A Bibliographie· Anderegg-Tille, Maria: Die Schule Guarinis. Winterthur: Verlag P. G. Keller, 1962· Blunt, Anthony: Guarini and Leonardo. in Arch. Rev. CXLVII, 2, 1970, S. 165f.· Brinckmann, Erich: Theatrum Pedemonti: Ideen, Entwürfe und Bauten von Guarini, Juvarra, Vittone wie anderen

bedeutenden Architekten des piemontesischen Hochbarocks. Düsseldorf: Schwann, 1931· Brinkmann, Erich: Von Guarini bis Balthasar Neumann: Vortrag in der Mitgliederversammlung des Deutschen Ver-

eins für Kunstwissenschaft am 11. Juni 1932 zu Berlin. Berlin: Dt. Verein für Kunstwiss., 1932· Brotto, G. und Tedesco, V.: S. Lorenzo a Torino, in: Architettura: Cronache e Storia 8. 1961, S. 274 - 280· Denina, Luigi; Proto, Alessandro: La real chiesa di San Lorenzo in Torino, in: L‘architettura italiana 15. H. 5, 1920.

S. 34 - 38.· Gargus, Jaqueline: Guarino Guarini: geometrical transformations and the invention of new architectural meanings,

in: Harvard Architecture Review, Vol. 7, 1989, S. 116 - 131· Guarini, Guarino: Architettura civile. Faksimile Edition. Farnborough: Gregg press, 1964.· Guarino Guarini e l‘internazionalità del barocco: atti del Convegno internazionale promosso dall‘Academia delle

scienze di Torino; 30 settembre - 5 ottobre 1968. Teil 1. Torino: Accademia delle scienze, 1970· Guarino Guarini e l‘internazionalità del barocco: atti del Convegno internazionale promosso dall‘Academia delle

scienze di Torino; 30 settembre - 5 ottobre 1968. Teil 2. Torino: Accademia delle scienze, 1970· Klaiber, Susan Elizabeth: Guarino Guarini‘s Theatine architecture. Mich.: UMI, 1993· Klaiber, Susan: A new drawing for Guarini‘s San Gaetano, Vicenza, in Burlington Magazine, Vol. 136, no. 1097,

Aug. 1994, S. 501 - 505· Meek, Harold Alan: Guarini Guarini and his architecture. New Haven: Yale University Press, 1988· Müller, Claudia: Unendlichkeit und Transzendenz in der Sakralarchitektur Guarinis. Studien zur Kunstgeschichte.

Band 38. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1986· Portoghesi, Paolo: Guarino Guarini. 1624 - 1683. Milano: Electa, 1956· Robison, Elwin Clark: Guarino Guarini‘s church of San Lorenzo in Turin. Ph. D. diss., Cornell University, 1985· Robison, Elwin Clark: Optics and mathematics in the domed churches of Guarino Guarini, in: Soc. of architectural

historians, Vol. 50, no. 4, 1991, Dec., S. 384 - 401· Schneider, Gerd: Guarini Guarino. Ungebaute Bauten. Wiesbaden: Reichert, 1997 · Tamburini, Luciano: Le chiese di torino dal rinascimento al barocco. Torino: Le Bouquiniste, 1968· Tolin, Risa: Optical Illusion & Projection in Domes: A Study of Guarino Guarini‘s Santissima Sindone. unter: http:

//www.math.union.edu/research/student/1998/tolin

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· Ackermann, James S.: The architecture of Michelangelo. Harmondsworth: The University of Chicago Press, 1986. (Second edition of the 1961 first published edition)

· Badt, Kurt: Raumphantasien und Raumillusionen. Köln: DuMont, 1963· Barry, Fabio: I marmi loquaci: Malerei in Stein, in: Daidalos 56; 1995. Hrsg.: Auer, G.; Conrads, U.; Mattenklott,

G.; Oechslin, W.; Pieper, J. Gütersloh: Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, 1995· Benevolo, Leonardo: Die Geschichte der Stadt. Übs. Humburg, Jürgen. 7. Aufl. Frankfurt: Campus Verlag, 1993

(Originalausgabe. Storia della città. Rom 1975)· Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band I. Hrsg.: F. W. Bautz. Hamm: Bautz, 1990. Spalten 848-

849· Brucher, Günter: Die sakrale Baukunst Italiens im 11. und 12. Jahrhundert. Köln: DuMont, 1987· Fürst, Ulrich: St. Laurentius in Gabel und die Piaristenkirche in Wien. Zwei kurvierte Kirchenbauten des Johann Lukas

von Hildebrandt. Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München. Band 57. Hrsg.: Bauer, Hermann. München: Tuduv Verlagsges., 1991

· Giedion, Siegfried: Raum, Zeit, Architektur. 5. Aufl. Zürich: Artemis Verlag, 1992· Götze, Heinz: Castel del Monte. Gestalt und Symbol der Architektur Friedrichs II. 3. völlig neubearb. und erweiterte

Aufl. München: Prestel, 1991· Kruft, Hanno Walter: Geschichte der Architekturtheorie. 4. Aufl. Studienausgabe. München: Verlag C. H. Beck,

1995· Lotz, Wolfgang: Architecture in Italy. 1500 - 1600. Pelican History of Art. New Haven: Yale University Press, 1995.

(Erste Publikation als Teil II von: Architecture in Italy 1400 - 1600, 1974)· Mainstone, Rowland: Einflüsse der Konstruktion auf die Form von Kuppeln und Gewölben, in: Zur Geschichte des

Konstruierens. S. 211 - 223. Hrsg.: Graefe, Rainer. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1989. · Meyers Lexikon auf Lexriom v. 3.o· Naredi-Rainer, Paul von: Architektur und Harmonie. Zahl, Maß und Proportion in der abendländischen Baukunst. 6.

überarb. Aufl. Köln: DuMont, 1999.· Norberg-Schulz, Christian: Barock. Weltgeschichte der Architektur. Aus dem Ital. übertr. von Balling, Hertha. Stutt-

gart: Deutsche Verlags Anstalt, 1985 (Originalausgabe: Architettura barocca, Milano 1979)· Norberg-Schulz, Christian: Spätbarock und Rokoko. Weltgeschichte der Architektur. Aus dem Ital. übertr. von Balling,

Hertha. Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt, 1985 (Originalausgabe: Architettura tardo-barocca e rococò, Milano 1980)

· Pevsner,N.; Honour, H.; Fleming, J.: Lexikon der Weltarchitektur. 3. Aufl. München: Prestel, 1992· Raspe, Martin: Das Architektursystem Borrominis. Kunstwissenschaftliche Studien. Band 62. München: Deutscher

Kunstverlag, 1994· Schomann, Heinz: Westliches Oberitalien. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1987· Sedlmayr, Hans: Die Architektur Borrominis. 2. Nachdruck der vermehrten Auflage München 1939. Hildesheim:

Georg Olms Verlag, 1986· Wittkower, Rudolf: Art and Architecture in Italy 1600 - 1700. Pelican History of Art. 6. überarb. Auflage. New Haven:

Yale University Press, 1999· Wittkower, Rudolf: Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus. Übs.: Leser, Georg. 2. Aufl. München:

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983. (Originalausgabe: Architectural Principles in the age of Humanism, London 1949)

· Wöffflin, Heinrich: Renaissance und Barock. 3. Auflage. München: F. Bruckmann, 1908

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B Abbildungsverzeichnis

Für die Illustration wurden die folgenden Quellen (s. Anhang A) verwendet:

Ackermann, 1986: 62Anderegg-Tille, 1962: 8, 11, 15, 16, 42, 43, 72, 75Benevolo, 1993: 2Blunt, A.: Art and Architecture in France. 1500 - 1700. Pelican History of Art. 5. überarb. Auflage. New Haven: Yale

University Press, 1999 (Originalausgabe 1953): 64Brucher, 1987: 56Denina; Proto, 1920: 22, 29, 30, 33, 38, 39, 40Francois Mansart. La génie de l‘architecture. Hrsg . : Babelon, J. P. und Mignot, C. Paris: Editions Gallimard, 1998: 65, 66

Fürst, 1991: 76Götze, 1991: 53, 54, 55, 58Guarino Guarini e l‘internazionalità del barocco. Teil 2, 1970: 25, 46, 52Gutkind, E. A.: Urban development in southern europe: Italy and Greece. in :International history of city develop-

ment. Vol IV. New York: The Free Press: 1969: 4, 5Mainstone, 1989: 59Meek, 1988: 9, 12, 13, 18, 19, 27, 31, 35, 48, 49, 50, 51, 69, 71 Norberg-Schulz, Barock, 1985: 3, 21, 34, 44, 45, 70Pippke, W.: Piemont und Aosta-Tal. Köln: DuMont, 1999: 1, 73, 74Portoghesi, 1956: 7, 10, 14, 26Puppi, L.: Andrea Palladio. Das Gesamtwerk. Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt: 1994: 60Robison, 1991: 32Schneider, 1997: 67, 68Schomann, 1987: 28Sedlmayr, 1986: 57Wittkower, 1983: 61

http://www.spazio-torino.it/ : 6, 47http://www.iii.rmit.edu.au/~sean/333/: 17, 24, 36, 37

Die Abbildungen 20, 23, 41 und 63 sind aus eigener Quelle.

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C Tavola di Riscontro delle Antiche misure piemontisi col sistema metrico decimale

nach Tamburini, Luciano: Le chiese di torino dal rinascimento al barocco. Torino: Le Bouquiniste, 1968, S. 518

Lunghezza

Oncia (12 punti) 0,0429m

Piede manuale (8 oncie) 0,3429m

Piede liprando (12 oncie) 0,5144m

Tesa (5 piede manuali) 1,7146m

Trabucco (6 piede liprandi = 48 oncie) 3,0864m

Pertica (2 trabucchi) 6,1728m

Superficie

Piede quadrato 0,2646m²

Trabucco quadrato (36 piede q.) 9,5259m²

Tavola (4 trabucco q.) 38,1039m²

Giornata (100 tavole) 38,1039ar

Peso

Oncia 0,0307kg

Libbra (12 oncie) 0,3688kg

Rubbo (25 libbre) 9,2219kg

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D Geschichtsdaten San Lorenzo

nach Tamburini, 1968, S. 491f.

1177 Si menziona la chiesetta di S. Maria del Presepa1557 E. Filiberto la restaura e la dedica a S. Lorenzo1634 (8.Feb) Viene ceduta ai Teatini, che ne deliberano la ricostru-

zione1634 (6.Mai) Posa della prima pietra1664 Nuovo progetto di A. di Castellamonte1666 Chianata di Guarino Guarini a demolizione delle parti già

eseguite1679 (27. Okt) Innalzamento della croce1680 (12. Mai) e apertura al culto1696 (7. Mai) Consacrazione dell‘altar maggiore1730 Esecuzione del coro (C. M. Ugliengo)1738 Collocazione delle statue nell‘interno1802 Soppressione dell‘Ordine1811-13 Abbattimento dei resti del „Padiglione“ e sistemazione

della facciata1823 Restauro (arch. C. Randoni)1829 Decorazione della cupola e delle capelle (P. Fea)1838 Allontanamento dei Teatini e insediamento dei Canonici della

SS. Trinità1846 Sistemazione dell‘Oratorio dell‘Addolorata (già S. Maria del

Presepe) su progetto dell‘arch P. Dupuy1943 Danneggiata dalle bombe e 1956 - 57 integralmente restaurata

E Öffnungszeiten San Lorenzo

Stand August 2001

Orario di apertura: feriali 7.30-12.00/16.00-19.30; festivi 9.00-13.00/16.00-19.30/20.30-22.00Messe feriali: ore 8.00 - 18.30 - 19.00Messe festive: ore 9.30 - 11.00 - 12.00 - 18.30 - 21.00

Piazza Castello - tel. 0114361527

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F Guarinis Zeitgenossen

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