167

Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

  • Upload
    others

  • View
    13

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must
Page 2: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Gustav Sichelschmidt

Der ewigeDeutschenhaß

Hintermänner und Nutznießerdes Antigermanismus

ARNDT

Page 3: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Umschlaggestaltung: Jürgen Woitzik, Kiel,unter Verwendung einer französischen Propaganda-Zeichnung

aus dem Ersten Weltkrieg

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme

Sichelschmidt, Gustav:Der ewige Deutschenhass : Hintermänner und Nutzniesser desAntigermanismus / Gustav Sichelschmidt. - Kiel: Arndt, 1992

ISBN 3-88741-157-9

ISBN 3-88741-157-9

© 1992 ARNDT-Verlag. Alle Rechte vorbehalten

ARNDT-VerlagD-24035 Kiel, Postfach 3603

Druck und Bindearbeiten: Husum Druck- und VerlagsgesellschaftGedruckt in Deutschland

Page 4: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Kapitel I:

Der ewige Deutschenhaß

Die Tatsache, daß wir Deutschen zu denbestgehaßten Völkern der Weltgeschichte ge-hören, wird bei uns zulande gar nicht erst insallgemeine Bewußtsein aufgenommen. Manverdrängt dieses rassistische Phänomen unddeckt es aus Gründen einer allzu einseitig be-triebenen Entspannungspolitik mit demMantel des Schweigens zu. Eine energischeDurchsetzung unserer nationalen Würde istoffenbar nicht unsere Sache. Das alles ist um

5

Page 5: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

so erstaunlicher, als der Deutschenhaß mitSicherheit eine unvergleichlich höhere Effi-zienz besitzt als etwa der Antisemitismus(besser: Antijudaismus). Immerhin entfallenauf sein Konto nicht nur die unzähligenDeutschenpogrome, die man schamhaft zuverschweigen pflegt, sondern im Grundeauch die beiden Weltkriege dieses Jahrhun-derts mit Hekatomben von gefallenen Solda-ten und toten Zivilisten. Die Wirkungen desAntigermanismus übertreffen bei weitem dieHorrorvisionen des Antisemitismus, an des-sen hinreichendem Bekanntheitsgrad in allerWelt kaum ein Zweifel besteht.

Offenbar sind die Deutschen für die Hand-habung von Tricks der psychologischenKriegsführung einfach nicht disponiert. ImGegensatz zu anderen Völkern sind sie nichtimstande, aus dem Unrecht, das sie durch an-dere zu erleiden hatten, nationales Kapital zuschlagen. Auch haben sie im Verlauf ihrertragischen Geschichte kaum je nennenswerteFürsprecher gefunden, die die an ihnen be-gangenen Verbrechen und Verfolgungenschonungslos aufdeckten. Höchste Zeit also,diesen bisher so dezent ausgesparten Fragen-komplex des Deutschenhasses einmal auf dieTagesordnung zu setzen und ihn bis in dieletzten Verzweigungen hinein auszuleuch-

6

Page 6: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ten, auch wenn die dabei zutage gefördertenFakten gewisse Schockeffekte auslösenkönnten. Man kann sich einfach der trauri-gen Pflicht nicht länger entziehen, Licht indas wohl dunkelste Kapitel unserer Ge-schichte zu bringen.

Bezeichnend für den sträflichen Bewußt-seinsrückstand auf diesem Gebiet ist bereitsdie Tatsache, daß Begriffe wie Deutschen-haß, Deutschenhetze, Germanophobie, Teu-tophobie, Antigermanismus oder Antiteuto-nismus in unseren gängigen Wörterbüchernüberhaupt nicht auftauchen. Auch hat sichnoch kein deutscher Historiker der nahelie-genden Mühe unterzogen, die aufdringlichenArgumentationsmuster unserer Nationalall-ergiker durch harte Fakten zu widerlegen.Gegen den deutschen Nationalismus hat manunübersehbare publizistische Geschützeaufgefahren, gegen die geradezu pathologi-schen Vorurteile gegenüber uns Deutschenaber hat man sich bisher vielsagend ausge-schwiegen. Für Historiker, Soziologen undPsychologen bedeutet dieses wichtige Pro-blem kein Thema, das man mit Scharfsinnund innerem Engagement angehen sollte. Of-fenbar hält man in den oberen Etagen unse-rer geistigen Hierarchie den globalen Deut-schenhaß für durchaus legitim, so daß dar-

7

Page 7: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

über kein Sterbenswort zu verlieren wäre.Es besteht also ausreichend Veranlassung,

an diesem weißen Fleck auf unserer historio-graphischen Landkarte herumzurätseln. Umnämlich auf eine auch nur annähernd ähnli-che Erscheinungsform eines so fulminantenVölkerhasses zu stoßen, muß man schon weitin die Geschichte zurückblenden. Bekannt-lich endeten die Reden des römischen Staats-mannes Cato (234-149 v. Chr.) mit demSchlußsatz: "Ceterum censeo Carthaginemesse delendam" (Übrigens bin ich der Mei-nung, daß Karthago zerstört werden muß).Catos ebenso permanente wie penetranteForderung, Karthago dem Erdboden gleich-zumachen, ähnelt in vielem dann doch demvon englischen Presselords in Umlauf gesetz-ten Slogan "Germaniam esse delendam",dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinemPamphlet "Germany must perish" eine da-mals aktuelle Version verlieh.

Die Blutopfer der beiden gegen Deutsch-land kaltblütig in Szene gesetzten Weltkriegeüberbieten in der Tat alles, was die Juden anPogromopfern im Laufe ihrer Geschichte zubeklagen haben. Trotz des exorbitanten Aus-maßes dieser Blutbäder wird man nicht sagenkönnen, die Intensität des Antigermanismus

8

Page 8: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

hätte sich mittlerweile abgenutzt oder wäreauf einen musealen Restbestand zusammen-geschrumpft. Leider ist das Gegenteil derFall. Die Medien in aller Welt, in der der"American way of life" zunehmend dieDenkweisen und Verhaltensnormen be-stimmt, überschlagen sich nach wie vor indem unredlichen Bemühen, den ahnungslo-sen Deutschen gehörig am Zeuge zu flicken.

Während Musterdemokraten überall in derWelt alle Erscheinungsformen von Rassis-mus bis aufs Messer bekämpfen, zumindestwenn es sich um Stämme im afrikanischenBusch handelt, hat man den Deutschen in derRangordnung des internationalen Hühner-hofes die Rolle des ewigen Delinquenten zu-gewiesen, auf dem ständig herumzuhackenkeinerlei moralische Skrupel auslöst. Inzwi-schen haben sich die Deutschen mit den Jah-ren in diese unpopuläre Rolle so sehr einge-lebt, daß ihnen die Impertinenz dieses Ver-haltens kaum noch zu Bewußtsein zu kom-men scheint.

Der Kulturphilosoph Max Scheler (1874-1928) war bisher der einzige, der zum Themades Deutschenhasses wenigstens einige Mar-ginalien beisteuerte. Während des ErstenWeltkrieges sah er sich aufgrund der damali-gen Umstände dazu veranlaßt, in einem 1917

9

Page 9: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

in Leipzig erschienenen Essay über die Ursa-chen des Deutschenhasses einige immer nochlesenswerte Gedanken zu entwickeln. Vorihm hatte allerdings eine ganze Reihe bedeu-tender Deutscher sicher zutreffende Bemer-kungen zum gespannten Verhältnis derDeutschen zu ihren Nachbarn beigesteuert.

Der kirchliche Reformator und Begründerdes Protestantismus Martin Luther (1483-1546) zum Beispiel, der nie aufhörte, sich lei-denschaftlich neu zu seinen "lieben Deut-schen" zu bekennen, und der ihr Volks-schicksal inmitten einer ihnen keineswegsfreundlich gesonnenen Umwelt schmerzlichmiterlitt, stellte sich immer wieder die Frage,warum seine Landsleute nicht ihrem wahrenWert und ihrer herausragenden Tüchtigkeitentsprechend geschätzt würden. "Es ist keineverachtetere Nation denn die Deutschen",klagte er. "Italien heißt uns Bestias, Frank-reich und England spottet unser und alle an-deren Völker. Wer weiß, was Gott will undwird aus den Deutschen machen."

Von Walther von der Vogelweide bis hin zuGoethe und zur jüngsten Vergangenheitreicht die Reihe der großen Deutschen, dieherausragende Symptome des Deutschen-hasses außerhalb und innerhalb unserer Lan-desgrenzen feststellten und auf ihre Art zu

10

Page 10: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

analysieren versuchten. Von Johann Wolf-gang von Goethe (1749-1832) etwa läßt sichsagen, daß er nie aufgehört hat, überDeutschland und die Deutschen zu reflektie-ren. Aus seinem Gesamtwerk lassen sich gan-ze Anthologien von Aufzeichnungen zusam-mentragen, mit denen er immer wieder sei-nem um Deutschland besorgten Herzen Luftzu machen suchte.

Goethe gehört auch zu denen, die gewisseAffinitäten zwischen Deutschen und Judenentdeckten und sich darum bemühten, denGründen der Haßliebe zwischen diesen bei-den ethnischen Gruppen nachzuforschen."Es sei die Antipathie der Völker gegen dasjüdische Menschenbild, in der die Hochach-tung den Widerwillen vermehre, eigentlichnur mit einer anderen zu vergleichen: mitderjenigen gegen die Deutschen, derenSchicksalsrolle und innere und äußere Stel-lung unter den Völkern die allerwunderlich-ste Verwandtschaft mit der jüdischen auf-weise", äußerte er sich über das deutsch-jü-dische Verhältnis einem Besucher gegenüber."Er wolle sich nicht darüber verbreiten, al-lein, er gestehe, daß ihn zuweilen eine denAtem stocken lassende Angst überkomme, esmöchte eines Tages der gebundene Welthaßgegen das andere Salz der Erde, das Deutsch-

11

Page 11: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

turn, in einem historischen Aufstand freiwer-den. Er verfolge diese Verwandtschaft soweit, daß er den Deutschen ein ähnliches völ-kisches Schicksal wie den Juden prophezeieund sie sogar im Exil landen sähe." "Was giltes", orakelte Goethe düster über seineLandsleute. "Das Schicksal wird sie schla-gen, weil die sich selbst verrieten und nichtsein wollten, was sie sind. Es wird sie über dieErde zerstreuen wie die Juden, zu Recht,denn ihre Besten bei ihnen leben im Exil, undim Exil erst, in der Zerstreuung, werden siedie Masse des Guten, die in ihnen lebt, zumHeile der Nationen entwickeln und das Salzder Erde sein."

Ähnlich äußerte sich übrigens wesentlichspäter auch der Kulturphilosoph Paul de La-garde (1827-1891) über den Haß der Welt, derJuden und Deutsche gleichermaßen trifft."Die Deutschen sind die am lebhaftesten ge-haßte Nation Europas. Sie stehen mit Judenund Jesuiten auf einer Stufe der Wertschät-zung", hatte er herausgefunden. In seinergrausamen Wirkung stehe der Antiteutonis-mus dem Antijudaismus um nichts nach. Be-zeichnenderweise bediente sich im ZweitenWeltkrieg der amerikanische Jude HenryMorgenthau der griffigsten antisemitischenVerdammungsvokabel, wenn er die Deut-

12

Page 12: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sehen als "Bestien" abqualifizierte. Dem bri-tischen Unterstaatssekretär Sir Robert Van-sittart fiel bei Sondierung der deutschenVolksmentalität offenbar nur noch der Ter-minus "Würger-Vögel" ein, und Ilja Ehren-burg rechnete uns überhaupt nicht mehr zurSpezies Mensch. Mit einem ähnlichen Voka-bular hatten auch die Antisemiten ihre ver-nichtenden Attacken bestritten.

Während Judenpogrome nicht zuletztdurch ihre tägliche Erwähnung im Fernseheneinen mittlerweile bereits abstumpfendenBekanntheitsgrad in aller Welt besitzen, ha-ben die Deutschen die Verfolgungen, denensie über Jahrhunderte hinweg ausgesetzt wa-ren, bisher noch nicht zu vermarkten ver-standen. Alle Welt stellt dementsprechendeine larmoyante Empörung gegen offene oderverkappte Antijudaisten zur Schau, aber nie-mand kommt auf die offenbar ausgefalleneIdee, so etwas wie einen Aufstand gegen denin jedem Fall folgenreicheren Antigermanis-mus zu proben. Während die Juden in allerWelt ihre pompösen Holocaustdenkmälerund -museen zur besseren Erpreßbarkeit derDeutschen errichtet haben, existiert so etwaswie eine institutionalisierte Abwehrfront ge-gen den globalen Antiteutonismus bei unsnicht einmal in Ansätzen. Dabei bestände ge-

13

Page 13: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

rade in der heutigen Zeit dazu einiger Anlaß,nachdem seit der vollzogenen Vereinigungder beiden deutschen Staaten unsere Nach-barn trotz aller gemimten Europaeuphorieuns Weltmachtansprüche unterstellen undder Welt eine deutsche Gefahr suggerieren,die die Bildung einer neuen Entente cordialezur Einschüchterung Deutschlands nahezu-legen scheint.

Der Gleichmut, mit dem die Deutschen al-len gegen sie inszenierten Kampagnen desAntigermanismus begegnen, läßt auf ein ab-gestumpftes politisches Sensorium oder aufeinen notorischen Mangel an nationalemEmpfinden schließen. Schon der im ostpreu-ßischen Königsberg geborene Philosoph Im-manuel Kant (1724-1804) bedauerte diesesManko der Deutschen ausdrücklich. Auchdem welterfahrenen Otto von Bismarck(1815-1898) war aufgefallen, daß sich dieDeutschen von allen Völkern am schnellstenunter Preisgabe ihrer nationalen Eigenartanderswo assimilieren. In einer Reichstags-rede am 28. November 1885 bemerkte er zudiesem leidigen Thema: "Wir haben inDeutschland keinen erheblichen Überschußan nationalem Empfinden. Ich möchte sagen,wir sind in dieser Richtung einigermaßenblutarm. Es ist eine bedauerliche Leichtig-

14

Page 14: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

keit, mit der der Deutsche überall, im Ostenund Westen, sich von seiner Nationalität los-sagt!"

In unseren Tagen konnte sich der Schrift-steller und Essayist Ulrich Sonnemann (geb.1912) nicht genug darüber wundern, daß dieDeutschen "jede Grenzziehung gutheißenwürden, auch wenn sie westlich Dresdensoder Berlins mitten durch Thüringen führte,nicht weil sie dafür wären, sie dort verlaufenzu lassen, sondern weil jede Kritik daran als'nationale' ihnen eben tabu ist".

Bei uns wird offenbar nicht erst seit heuteso etwas wie ein negativer Chauvinismus be-trieben. Das ist wahrscheinlich auch derGrund, warum von den verschiedenen Bun-desregierungen die Fortführung der vom In-nenministerium in Angriff genommenen Do-kumentation der einmaligen Vertreibungs-verbrechen an Deutschen verhindert wurde.Man hofft offenbar, mit der vollkommenenTabuisierung nationaler Themen den Ent-spannungsprozeß zwischen den Völkern zufördern. Davon kann natürlich keine Redesein. Im Gegenteil: Unsere ehemaligen Welt-kriegsverbündeten, die nach der Niederlageihre Interessen tapfer und selbstsicher vordem imaginären Tribunal der gesamten Weltvertraten, kamen nicht entfernt auf den Ge-

15

Page 15: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

danken, die frisierte Geschichtsschreibungder Sieger zu akzeptieren und sich so etwaswie eine Kollektivschuld einreden zu lassen.

Der Deutschenhaß nahm geradezu mono-manische Ausmaße an, als das neu gegründe-te Bismarckreich seine erstaunliche Wand-lung zur mitbestimmenden Wirtschafts-macht vollzogen hatte. Mit einem Schlagehatte der deutsche Michel, der bis dahin inseinem Wolkenkuckucksheim gehaust hatte,eine Seite seines Wesens herausgekehrt, dieseine Umwelt mit stetig wachsender Skepsisverfolgte.

Nein, das waren mit einem Male nicht mehrjene deutschen Tagträumer, die, wie Hein-rich Heine spottete, zwar im Luftreich desTraumes die Weltherrschaft angetreten hat-ten, auf dieser Erde jedoch vor den hartenRealitäten kläglich versagten. Nun rekru-tierten sich aus ihrer Mitte heraus Unterneh-mer und Industriearbeiter, die an Gründlich-keit und Präzision alles Bisherige glatt in denSchatten stellten. Durch ihren Arbeitseiferhatten sie bald alle Konkurrenten rück-sichtslos aus dem Rennen geworfen und sichdamit verständlicherweise deren Sympathieverscherzt.

Mit einem überzogenen Leistungswillenhat man sich in der Welt noch niemals Freun-

16

Page 16: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

de erwerben können. Unsere Nachbarn sahensich dann auch durch unsere legendäre Tüch-tigkeit in die Enge getrieben. Max Schelerbrachte die Ursache des nun einsetzendenDeutschenhasses auf die schlichte Formelunserer unschlagbaren deutschen Tüchtig-keit. Er beantwortete sie sicher zutreffendmit der Antwort eines Franzosen auf die Fra-ge nach den Ursachen unserer Unbeliebtheitin der Welt: "Ils travaillent trop", sie arbei-ten zuviel.

In der Tat sehen wir in einem ressourcenar-men Land mit einer geradezu erbarmungs-würdigen geopolitischen Lage im Interesseunseres puren Überlebens den Sinn des Le-bens in der Arbeit. Andere haben in dieserHinsicht eine andere Philosophie und ziehenes vor, zu arbeiten, um zu leben. Verständlichdaher, daß unsere Arbeitsbesessenheit fürunsere Nachbarn eine glatte Herausforde-rung darstellt. Sie sind immer gezwungen,sich an unseren Leistungen und Erfolgen zumessen. Dabei läßt es sich nicht verhindern,daß sie in der Regel den kürzeren ziehen. Wirkönnen es uns einfach nicht leisten, in einemLand mit einer derart hohen Bevölkerungs-dichte die Hände in den Schoß zu legen undden lieben Gott einen guten Mann sein zu las-sen.

17

Page 17: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Mit ihrem Senkrechtstart als Industriena-tion hatten die Deutschen mit der unerbittli-chen Gegnerschaft der Engländer zu rech-nen. Zwar hatte Bismarck unmittelbar nachder Reichsgründung das Reich für "satu-riert" erklärt. Doch für die Engländer war je-der, der auf den Weltmärkten ihre Kreisestörte, bereits ein potentieller Feind. Aus die-sem Grunde hatten sie zuerst gegen Spanienund Portugal und später gegen die Holländerund Franzosen gekämpft. Als dann die wach-sende deutsche Flotte den Engländern zuübermächtig wurde, war der Eklat nichtmehr aufzuhalten.

Natürlich betrachtete man auch sonst inder Welt den deutschen Parvenü, der nun inder Weltpolitik mitzumischen begann undauf dem diplomatischen Parkett nicht geradeeine imponierende Figur abgab, mit wach-sendem Unwillen. Unsere naive Selbstsi-cherheit beunruhigte unsere Nachbarnmerklich. Dabei nahmen wir die Giftpfeile,die sie auf uns richteten, gar nicht einmalernsthaft zur Kenntnis. Gleichwohl konnteGeneralfeldmarschall Helmuth Graf vonMoltke (1800-1891) von der Tribüne desReichstags aus schon bald nach der Reichs-gründung feststellen, es läge in der Natur derSache, daß uns unsere Nachbarn nicht lieben

18

Page 18: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

könnten. Man verfuhr nach der Devise "vielFeind, viel Ehr'" und dachte, damit überle-ben zu können. Daß man auch in dieser Hin-sicht einem Trugschluß aufsaß, sollte sichschon bald herausstellen.

Das Recht der jungen Völker, das wir un-ausgesprochen anmeldeten, trug uns einenPrestigeverlust ein, der von unserem Haupt-gegner England nicht ungeschickt hochge-spielt wurde. Wir reagierten erst auf diesepsychologische Einkreisungsdiplomatie, alses schon zu spät war und der uns aufgezwun-gene Krieg eine unausweichliche Realitätdarstellte.

Unsere Naivität verlieh uns einen Nimbusvon Unangreifbarkeit. Verständlich daher,daß gerade die Juden als ältere Rasse, die beiihren Gastvölkern immer ihre intellektuelleÜberlegenheit voll ausspielen können, in ei-nem solchen Land der aufgehenden Sonnegern ihre Zelte aufschlugen. Es gelang ihnenleicht, in Deutschland zu Reichtümern undzu einem proportional zu ihrem Anteil an derGesamtbevölkerung erstaunlichen Einflußzu gelangen.

Trotz einer nationalen Katastrophe, wie sievollkommener kaum hätte sein können, be-wiesen die Deutschen sowohl nach dem Er-sten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg

19

Page 19: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wieder einmal ihre sagenhafte Selbstverjün-gungskraft und erhoben sich abermals wieein Phönix aus der Asche. In einem Land derverbrannten Erde und einer totalen Demon-tage durch unsere Kriegsgegner meldetensich die "Krauts" bald wieder als Handels-partner zur Stelle und erzeugten in unserenTagen durch die Wiedervereinigung ihres ge-spaltenen Landes eine geradezu hysterischePanik, die wir nicht mit der uns längst zurGewohnheit gewordenen Nonchalance ein-fach wegstecken sollten.

Symptomatisch in jedem Fall, daß sich mitdem Vollzug dieses historischen Ereignissesunsere alten Intimfeinde wieder unge-schminkt zu Wort meldeten und ihre alten,nur aufgefrischten Parolen ertönen ließen,um die Stimmung gegen ein erstarktesDeutschland anzuheizen. Wie immer in sol-chen Fällen lieferten unter anderem jüdischePublizisten in den USA und anderswo wiedereinmal die griffigen Stichworte, an denensich der Deutschenhaß rings um die Welt vonneuem entflammen konnte.

Wer schon geglaubt hatte, wir hätten unsdurch ansehnliche Wiedergutmachungsmil-liarden von den Sanktionen unerbittlicherJuden freigekauft, sah sich nun schmählichgetäuscht. Von neuem wurde unisono zum

20

Page 20: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Halali auf Deutsche geblasen, denen die Ge-schichte ein wenig Fortune zugespielt hatte.Sie hatten sich im letzten halben Jahrhun-dert wie brave Musterschüler in Sachen De-mokratie aufgeführt und in den Augen derWeltöffentlichkeit keinerlei Anlaß zur Klageoder zum Stirnrunzeln der Weltgouvernan-ten geboten. Unsere Obertanen waren vonLand zu Land gejettet und hatten ihren Ge-sprächspartnern gegenüber pflichtgemäß dieUnterwürfigkeit an den Tag gelegt, die manoffenbar von ihnen erwartete. Die Haltungabsoluter Devotion war ihnen so sehr inFleisch und Blut übergegangen, daß sie nichteinmal mehr spürten, wie sehr sie sich in derpeinlichen Rolle von vaterlandslosen La-kaien gefielen. Nun sah sich die uns umge-bende Welt mit einem Male aus ihrer Lethar-gie aufgeschreckt, um das "souverän" gewor-dene Deutschland um jeden Preis bis in alleEwigkeit im Zustand der Hörigkeit eines Ko-loniallandes zu belassen.

Die Tatsache, daß wir heute wieder eineWirtschaftsmacht ersten Ranges darstellenund somit den Neid des Auslandes provozie-ren, macht unsere politische Position in einerin Bewegung geratenen Welt nicht geradeunkomplizierter. Im Zuge unseres totalenKonsumismus, der originelle Gedanken zu

21

Page 21: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ersticken scheint, haben wir bereits großzü-gig auf den "Point d'honneur" verzichtet undsind bereit, selbst faustdicke Geschichtslü-gen, die über uns verbreitet werden, wider-spruchslos zu akzeptieren. Offenbar habenwir herausgefunden, daß es sich mit ihnenbesser leben läßt, als wenn man etwa als einzweiter Michael Kohlhaas der Gerechtigkeitund der reinen geschichtlichen Wahrheitnachjagen würde. Unser Verhältnis zur eige-nen Geschichte ist ohnehin zu unterkühlt, alsdaß die unzumutbaren Geschichtsmärchenausländischer, vor allem aber auch deutscherHistoriker uns aus dem seelischen Gleichge-wicht bringen könnten. Wir können den Ma-kel des "häßlichen Deutschen" offenbar ohnealle Emotionen ertragen. Die Exzesse desDeutschenhasses, von denen die Presse, wennüberhaupt, nur mit aller Dezenz berichtet,scheinen uns jedenfalls nicht um unsere see-lische Balance zu bringen. Der bei uns biszum Weißbluten praktizierte modische Libe-ralismus hat wenigstens den Vorteil, daß ertrotz allem eine aufgeheizte euphorischeStimmung verbreitet, der wir uns hinge-bungsvoll ausliefern, ohne die Folgen zu be-denken, die wir uns mit diesem saumseligenLaisser-faire einhandeln.

Die schrille und disharmonische Begleit-

22

Page 22: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must
Page 23: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

musik, mit der vor allem ausländische Mei-nungsmacher die so überraschend eingetre-tene deutsche Wiedervereinigung begleitethaben, sollten wir keineswegs als verspäteteund nicht so recht ernst zu nehmende Aus-brüche des altbewährten Deutschenhasses,den eine hochneurotische und an den Wahn-ideen erkrankte Welt von Zeit zu Zeit mitnaßforscher Dreistigkeit artikuliert, niedri-ger hängen. Eine aus den Fingern gesogenedeutsche Miserabilität wird dramatischhochstilisiert. Mit dem unfairen Mittel welt-weiter Hetzkampagnen versucht man unsAufsteigern wieder einmal am Zeuge zu flik-ken. In einem deprimierenden Schauspieltobt sich in unseren Musterdemokratien, diedie Toleranz zur ersten Bürgerpflicht erho-ben haben, ein Rassismus aus, dessen eigent-liche Ursache nicht zum ersten Mal der schie-re Haß gegenüber einer sich regenden Volks-seele ist, die anders als die eigene ist.

Der ewige Deutsche wurde immer schonals eine fragwürdige Inkarnation des un-sterblichen Parzifal empfunden, des reinen,aber eben auch tumben Toren im Narrenge-wand, der seinen Gegenspieler nur in Ahas-ver, dem ewigen Juden, gefunden hat. Auchdaran hat sich nicht das Geringste geändert,daß beide den Haß der Welt auf sich konzen-

24

Page 24: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

trieren. Im Grunde verkörpern sie nämlichzwei Extreme menschlicher Möglichkeiten.Der Deutsche erfüllt in seiner fast sträflichenBlauäugigkeit alle Voraussetzungen, denPrügelknaben der Welt abzugeben, von demman keine drastischen Repressalien zu er-warten hat. Aus seiner fatalen Neigung zurnationalen Selbstverstümmelung haben sei-ne Nachbarn immer schon reichlich Kapitalschlagen können. Während wir gegenüberanderen bis zur Selbstpreisgabe aufgeschlos-sen sind, betreiben wir eine Inländerfeind-lichkeit, die streckenweise die Grenzen derNormalität überschreitet. Ein besonders dra-stisches, dafür aber sehr anschauliches Bei-spiel für eben diese Grenzüberschreitung lie-ferte erst unlängst der frühere Redakteur derlinksalternativen Berliner "tageszeitung"und heutige Autor des Frankfurter Satire-Magazins "Titanic", Wiglaf Droste. "Wennca. 100 Millionen Asylanten, egal wie arm,krank und kriminell sie immer sein mögen,aufgenommen und gleichwertig und anstän-dig behandelt worden sind", schrieb Drostein einem keineswegs satirisch gemeinten Ar-tikel, "dann darf an einem Kneipentisch einBesoffener einmal leise seine Überfrem-dungsbeschwerden führen - aber keinen Tageher. Die Deutschland-den-Deutschen!-

25

Page 25: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Deutschen ... haben den Rand zu halten undsich nicht zu mopsen. Tun sie es doch, gehö-ren sie - ja doch! - deportiert, an den dun-kelsten, kältesten und elendesten Ort, dersich in diesem Universum finden läßt. Dortdürfen sie dann in der Scheiße, die sie imKopf haben, ersaufen." Schlimmer noch alsin diesen Sätzen kann der abgrundtiefe Haßauf das eigene deutsche Volk wohl kaumnoch zum Ausdruck kommen.

Keine Frage also, daß uns das Talent einerbeeindruckenden Selbstdarstellung mit Si-cherheit nicht gegeben ist. Daran hindert unsneben unserer Naivität auch ein unterent-wickeltes Selbstwertgefühl. Bei der Durch-setzung existentieller nationaler Belange inder Welt stellen wir in der Regel stets unserLicht unter den Scheffel.

Man würde jedoch einen unverzeihlichenpsychologischen Fauxpas begehen, wollteman die Abneigung und Feindschaft, die unsaus allen Regionen der Welt wieder einmalentgegenschlägt, als Folge der vergangenenKriege verbuchen, die man uns einseitig indie Schuhe schiebt. Schon Max Scheler hattewährend des Ersten Weltkrieges einer sol-chen These mit aller Entschiedenheit wider-sprochen. "Nicht der Krieg hat den Haß her-vorgebracht", hämmerte er den von der

26

Page 26: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Feindpropaganda eingeschüchterten Deut-schen damals ein, "sondern der längst überallglimmende und nur nicht offen zum Aus-bruch kommende Haß gegen deutsches We-sen in all seinen Erscheinungsformen hat zu-mindest die seelischen Dispositionen undGemütslagen bei den Völkern geschaffen, diebei den Führern der Völker die Entschließun-gen zum Krieg möglich, und darum notwen-dig machten."

Man hat sich schon lange vor Beginn derbeiden Weltkriege, die auf das Konto desDeutschenhasses entfallen, das Volk Dürers,Luthers, Bachs, Goethes, Schillers, Hegelsund Beethovens in die weltbekannten "deut-schen Barbaren", in "Boches" und "Huns",umstilisiert, die man bis aufs Blut zu be-kämpfen habe, um die Menschheit von dieserGeißel zu befreien. Die Folge dieser gezieltenDeutschenhetze, die vor allem von Englandausging, war eine fulminante Kreuzzugs-stimmung, die im Grunde nur einem Gefühlhilfloser Unterlegenheit entsprang.

Erstaunlicherweise hat der englische Cap-tain Russell Grenf eil in seinem Buch mit demprogrammatischen Titel "BedingungsloserHaß" den fanatischen Deutschenhaß engli-scher Politiker dieses Jahrhunderts schon1954 minuziös aufgeblättert. Er nahm damit

27

Page 27: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

eigentlich deutschen Historikern die von ih-nen zu bewältigende Arbeit vorweg, indem ernotorische Kriegstreiber wie Edward Grey,Vansittart und Churchill gnadenlos vors Tri-bunal zitierte. Ihr mit Heuchelei und uner-träglicher moralischer Arroganz gemischterHaß gegen alles Deutsche hat unserem Jahr-hundert immerhin zwei mörderische Welt-kriege beschert, ohne daß unsere Gegner ihreigentliches Ziel, die völlige VernichtungDeutschlands, damit erreicht hätten.

Als Fazit seiner immer noch lesenswertenDokumentation schrieb Russell Grenfell sei-nen Landsleuten und mit ihnen allen Deut-schenhassern in der Welt folgende beherzi-genswerte Weisheit ins Stammbuch: "Willman mit einer Nation in Frieden und Freund-schaft leben, so gilt als erste Voraussetzung,daß man ihre Selbstachtung nicht verletzt."

28

Page 28: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Kapitel II:

Ursprünge und Ausmaßdes Deutschenhasses

1. Frankreich

Die inzwischen abgeblasene sogenanntedeutsch-französische Erbfeindschaft basier-te weniger auf dramatischen Grenzkonflik-ten, die es allerdings auch reichlich gab, alsoffenbar auf einer oft gravierenden Hetero-genität der beiden Volkscharaktere. Den of-

29

Page 29: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

fenen Ausbruch der gegenseitigen Feindse-ligkeiten datiert man im allgemeinen mitdem Westfälischen Frieden von 1648, der ei-ne nahezu über 800 Jahre bestehende Grenzeeinseitig zu Gunsten der Franzosen drastischnach Osten verschob. Zumindest seit den Ta-gen des Kardinals und späteren MinistersLudwigs XIII., Armand Jean Richelieus(1585-1642), führte sich die französische Po-litik betont antideutsch auf, und zwar mitdem Ziel, die Vereinigung der deutschenLänder in einen übermächtigen Großstaat inder Mitte Europas, der die Machtverhältnisseauf dem Kontinent in einer für Frankreichunerträglichen Weise verschoben hätte, umjeden Preis zu verhindern. Dementsprechendsuchte man engere Kontakte mit dem Zaren-reich, um Deutschland mit dem Schreckge-spenst eines möglichen Zweifrontenkriegeseinzuschüchtern und es vor politischen Ex-perimenten zu warnen.

Immerhin können die Franzosen den zwei-felhaften Ruhm für sich beanspruchen, imLaufe ihrer Geschichte mehr als zwanzig In-vasionen in benachbarte deutsche Territo-rien unternommen zu haben. Sie haben beidiesen Gewaltmaßnahmen in der Regel einLand verbrannter Erde zurückgelassen. DieZerstörung des Heidelberger Schlosses etwa

30

Page 30: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

entfällt ebenso auf ihr Konto wie auch dieSchändung der Kaisergräber im SpeyrerDom. All diese Irritationen im deutsch-fran-zösischen Verhältnis waren das Ergebnis ei-ner betont aggressiven französischen Politik,die darauf hinauslief, den unüberschaubarenKoloß jenseits des Rheins durch immer neueSpaltungen auf die Dauer politisch aktions-unfähig zu machen. Von all diesen trüben Er-fahrungen mit dem Nachbarn zur linkenblieb in sensiblen deutschen Gemütern na-türlich ein Trauma zurück, das man auchdurch fromme Friedenslitaneien, die be-kanntlich nichts kosten, bis auf unsere Tagehin nicht so leicht aus der Welt schaffenkonnte.

Wahrscheinlich unvergleichlich mehr nochals diese kriegerischen Eskapaden des fran-zösischen Imperialismus, der sich auf deut-schem Boden austobte, reagierten die biede-ren Deutschen auf die für sie so aufreizendeLeichtlebigkeit und Laszivität ihrer Nach-barn im Westen. Sie hatten bald herausge-funden, daß die Franzosen die Kunst des Le-bens, das "Savoir-vivre", besser als sie selbstbeherrschten. Diese arbeiteten offenbar nur,um leben zu können, während die Deutschender Not gehorchend nach der Maxime ver-fuhren, zu leben, um zu arbeiten und wo-

31

Page 31: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

möglich Höchstleistungen zu vollbringen.Wenn Max Scheler, den Ursachen des

Deutschenhasses nachforschend, eine ein-schneidende "romanisch-germanische Ras-senfremdheit" feststellen zu können glaubte,so konnte er auch darauf hinweisen, daß dieFranzosen bei ihren östlichen Nachbarn indem nicht gerade für sie schmeichelhaftenRuf der Unzuverlässigkeit standen, währenddie Franzosen ihrerseits nun wieder dieSchwerfälligkeit und Formlosigkeit derDeutschen zu monieren fanden. Die "GrandeNation", zu der sich die Franzosen auf Grundihrer politischen und kulturellen Leistungenselbst ernannt hatten, indiziert eine nicht ge-ringe Eitelkeit und den Anspruch, zumindestin Europa keine andere als die erste Rolle aufallen Lebensgebieten zu spielen.

Gleichwohl: Der Begriff des "Welschen"ist in unserem Sprachgebrauch über dieJahrhunderte hin mit einem durchaus nega-tiven Vorzeichen versehen gewesen. Man hatsich zumindest seit den Tagen des Rokoko beiuns daran gewöhnt, das "Welsche" als Syn-onym für alles Frivole und Laszive zu be-trachten. Eben solche Eigenschaften aberwaren es, die wackere Deutsche am meistenverabscheuten. Gotthold Ephraim Lessing(1729-1781) hat daher auch bezeichnender-

32

Page 32: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

weise in seinem Preußendrama "Minna vonBarnhelm", gedruckt 1767, in dem französi-schen Spieler Riccaud de la Marliniere eineebenso köstlich gezeichnete wie sicher zu-treffende Charakterstudie eines für unsDeutsche prototypischen Franzosen abgelie-fert. Dieser Lebenskünstler hat das Imagedes Franzosen bei uns zulande eigentlich bisheute mitgeprägt, ohne daß man markanteKorrekturen daran vorgenommen hätte.

Nach der Französischen Revolution undder Napoleonischen Ära, der die Deutschenüberhaupt erst so etwas wie ein Nationalbe-wußtsein verdankten, erstarkte unsere deut-sche Identität vorwiegend am Feindbild desFranzosen, in dem man den lästigen Frie-densstörer des deutschen Gartenlaubenidyllszu erkennen glaubte. Der Haß auf den fran-zösischen Artillerieleutnant, der mit seiner"Grande armee" ganz Europa mit einemmörderischen Krieg überzog und die Europä-er versklavte, nahm schließlich auch bei denverschlafenen Deutschen geradezu fulmi-nante Formen an. Ernst Moritz Arndt (1769-1860) verfaßte damals seine unwiderstehli-chen Flugschriften und Lieder, um seineLandsleute gegen den offenbar unbesiegba-ren Invasor zu mobilisieren, und Heinrichvon Kleist (1777-1811) sah sich von der Ver-

33

Page 33: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sklavung des Vaterlandes in eine durchausschöpferische Rage versetzt, so daß man seineantifranzösischen literarischen Exzesse heu-te nur noch als peinliche Dokumente eineslosgelassenen deutschen Chauvinismus wer-tet. Die Aufforderung etwa, auf alle "Franz-männer" mit der Keule einzuschlagen undihren Kaiser wie einen räudigen Hund zu tö-ten, kann man nur aus der ungewöhnlich hef-tigen Turbulenz jener Tage heraus verstehen.

Auch Ernst Moritz Arndt nahm kein Blattvor den Mund und versuchte, Deutsch zusprechen. In seiner Kampfschrift von 1813"Der Rhein, Deutschlands Strom, nichtDeutschlands Grenze" machte er sich zumAnwalt aller Deutschen und sprach das aus,was ihnen damals so sehr auf der Seelebrannte. Kleist aber, der nach Paris aufge-brochen war, um sich an der vielgerühmtenfranzösischen Kultur zu delektieren, brachbereits nach einem Vierteljahr seine Zelte inder Lichterstadt wieder ab. Die "hervortre-tende Sittenverderbnis" an der Seine diver-gierte augenscheinlich allzu kraß mit seinerVorstellung von "deutscher Herzensrein-heit".

Dem französischen Imperialismus, der im-mer auf eine Annektion des Landes zumin-dest bis an den Rhein tendierte, kommt im-

34

Page 34: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

merhin das so nicht vorgesehene Verdienstzu den Deutschen zu einem gewissen natio-nalen Selbstwertgefühl verholfen zu haben.Im übrigen aber brauchten diese ihre Emp-findung, in den Franzosen ihren natürlichenFeind zu erblicken, gar nicht erst zu kultivie-ren. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts hattensie allen Grund, um ihren Rhein zu zittern,als dessen Hüter sich viele Patrioten, die ih-ren "Ruf wie Donnerhall" anstimmten, fühl-ten. Als die Franzosen dann ihre Revanche-gelüste wegen des verlorengegangenen El-saß-Lothringens an den "Boches" abreagier-ten, nahmen die Feindseligkeiten auf franzö-sischer Seite geradezu unerträgliche Hitze-grade an.

Deutschland hatte sich im Zuge desdeutsch-französischen Krieges von 1870/71als verspätete Nation als Nationalstaat mit-ten in Europa etabliert. Der "Großen Nation"war damit ein Rivale erstanden, mit dem manim Ernstfall zu rechnen hatte. Das Bismarck-reich blieb ein Phantom, mit dem sich dieFranzosen keineswegs resigniert abfindenkonnten. Man fühlte sich der kompakten ju-gendlichen Kraft des inkarnierten preußi-schen Ethos, das man verabscheute, hoff-nungslos unterlegen. Im peinigenden Gefühldieser Ohnmacht formulierte der "Tiger"

35

Page 35: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Clemenceau sein offenes und vielzitiertesWort von den zwanzig Millionen Deutschen,die es zuviel auf der Welt gäbe.

Über die dezidiert antideutsche Stimmungnach dem verlorenen Krieg berichtete sehrüberzeugend damals Ernest Renan (1823-1892), einer der profiliertesten französischenIntellektuellen jener Zeit. Er gab seine Ein-drücke über die explosive Stimmung im da-maligen Frankreich gegenüber Deutschlandunverblümt zu Protokoll. In diesem Stim-mungsbericht vom seelischen Tief einer ge-schlagenen stolzen Nation tauchen dann be-reits so unmißverständliche Passagen wie"Haß bis auf den Tod" oder "Vertilgungs-kampf gegen die germanische Rasse" auf.Dergleichen hochgeputschte Emotionen deu-teten bereits die Richtung an, in der sich dasSchicksal Europas und der Welt auf eineschreckliche Weise erfüllen sollte. Im glei-chen Maße, in dem das neue Reich an politi-schem Einfluß und wirtschaftlicher Kapazi-tät in der Welt gewann, steigerte sich inFrankreich der Haß auf die Deutschen, dieihnen eine geliebte Provinz abgejagt hatten,ins Unerträgliche.

Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) war dasherausragende Ziel dieses Deutschenhasses,der in Frankreich monomanische Formen an-

36

Page 36: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

nahm. Auf ihn schoß sich die französischePresse ein und deckte ihn mit polemischenBreitseiten ein, um ihren Lesern die ganzedeutsche Verworfenheit vor Augen zu füh-ren. Schon die Nennung seines Namens ge-nügte vor dem Ersten Weltkrieg, um die tem-peramentvollen und leicht entzündbarenFranzosen in Raserei zu versetzen.

In seinem 1943 posthum erschienenenErinnerungsbuch "Die Welt von gestern"schildert Stefan Zweig (1881-1942) seinenBesuch in einem Kino in Tours, wo für eineSekunde in einer Wochenschau der deutscheKaiser auftauchte. "In diesem Augenblick,da der Kaiser im Bild erschien", heißt es beiZweig, "begann ganz spontan im dunklenRaum ein wildes Pfeifen und Trampeln. Allesschrie und pfiff, Frauen, Männer, Kinderhöhnten, als ob man sie beleidigt hätte. Diegutmütigen Leute von Tours, die doch nichtmehr von der Panik in der Welt wußten, alswas in ihren Zeitungen stand, waren für eineSekunde toll geworden. Ich erschrak. Ich er-schrak bis tief ins Herz hinein. Denn ichspürte, wie weit die Vergiftung durch die seitJahren geführte Haßpropaganda fortge-schritten sein mußte."

Raymond Poincare (1860-1934), selbst ge-bürtiger Lothringer, proklamierte als einer

37

Page 37: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

der führenden Politiker des Landes denDeutschenhaß als erste Bürgerpflicht. AlsMinisterpräsident und Außenminister (seit1912) sowie ein Jahr später als Staatspräsi-dent Frankreichs in führender Position ließer es dann selbstverständlich nicht bei bloßenAndrohungen von Repressalien gegenüberdem Erzfeind bewenden. Man hatte noch einegehörige Rechnung mit den Deutschen zu be-gleichen. Daher stimmte Frankreich beden-kenlos mit in die von England initiierte anti-deutsche Propaganda ein, um das wachsendePrestige des europäischen Emporkömmlingszu untergraben und die "Boches" schließlichin einem offensichtlich unvermeidbarenKrieg von noch unvorstellbaren Ausmaßen indie Knie zu zwingen.

Natürlich waren an der psychologischenVorbereitung einer endgültigen kriegeri-schen Abrechnung mit den deutschen Barba-ren vor allem die französischen Intellektuel-len maßgebend beteiligt. Zu ihnen zählt etwaauch der damals in Deutschland zu Ruhmund Ansehen gelangte belgische Literaturno-belpreisträger Maurice Maeterlinck (1862-1949). Die Mühe dieser Kriegstreiber zahltesich dann auch voll aus. Mit der Zeit warendie französischen Massen nämlich auf denErnstfall psychologisch bestens vorbereitet.

38

Page 38: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Aber auch sonst hatte man keine Zeit ver-streichen lassen, um die Aufrüstung mit einergeradezu infernalischen Energie zu betrei-ben. Bei gleicher Bevölkerungszahl hattendie Franzosen eine mehr als anderthalbfachgroße Armee aufgebaut, die man weiß Gottnicht nur für Paraden auf den Pariser Avenu-en oder für die Defensive vorgesehen hatte.Gegen besseres Wissen hatten die französi-schen Propagandisten im Zuge ihrer anti-deutschen Stimmungmache sogar die Stirn,die Parole vom deutschen Militarismus in al-le Welt hinausgehen zu lassen.

Nach dem meteorhaften Aufstieg der deut-schen Wirtschaft während der Gründer jähreund den verzweifelten Anstrengungen Groß-britanniens, Deutschland, das ihm so gründ-lich das Konzept einer Monopolstellung aufden Märkten der Welt verdorben hatte, in al-ler Welt zu diskreditieren, schwenkteschließlich auch das revanchelüsterneFrankreich in die antideutsche Front einersich bildenden Entente ein.

Als symptomatisch für diese neue Welledes Antigermanismus kann die betontdeutschfeindliche Haltung des französischenLyrikers Paul Valery (1871-1945) gelten, derdie deutschen Erfolge in einer Symbiose vonpreußischem Ethos und wirtschaftlicher Per-

39

Page 39: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

fektion aufzudecken sich alle Mühe gab.Ganz in diesem Sinne sah er eine alarmieren-de Gefahr nicht nur für Frankreich, sondernfür die gesamte europäische Umwelt, die die-sen Ausbunden an Disziplin, Fleiß und Präzi-sion nichts auch nur annähernd Gleichwerti-ges entgegenzustellen hatte.

Kaum zu glauben: Während des ErstenWeltkrieges saß Valery völlig unkritisch denplumpen und allzu durchsichtigen Greuel-märchen der alliierten Presse auf. Selbst dieMär von den von deutschen Soldaten abge-hackten Händen belgischer Kinder, die sichein schon reichlich perverser Antiteutonis-mus hatte einfallen lassen, übernahm derDichter als schlagkräftiges Argument in seindeutschfeindliches publizistisches Reper-toire. Die von England aus geschickt lancier-te Deutschenhetze hatte also ihre Früchte ge-tragen. Kein Wunder, daß dann in Versaillesder Deutschenhaß über sein Ziel hinausschoßund man hier einen Friedensvertrag diktier-te, der schon den nächsten Krieg vorpro-grammierte.

Immerhin verdanken wir dem NachdenkenPaul Valerys über Deutschland und die Deut-schen einige wertvolle Streiflichter auf Ursa-chen und Entstehung des Deutschenhasses.Er glaubte nämlich herausgefunden zu ha-

40

Page 40: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ben daß die Deutschen ihren weltpolitischenAufstieg keineswegs ihren militärischen Sie-gen verdankten, sondern allein ihren wirt-schaftlichen Erfolgen, die keine Nation zuüberbieten imstande wäre. Valery ließ danndie Katze seines Mißbehagens vollends ausdem Sack, als er vor allem die deutsche Diszi-plin verteufelte, die er schlechtweg für einenirreversiblen Charakterfehler der Nachbarnhielt, "der Engländern und Franzosen dasWiderwärtigste auf der Welt" ist.

Als der so lange angestaute Deutschenhaßder Franzosen sich dann, als die Deutschenim Ersten Weltkrieg endlich einer 25fachenÜbermacht erlegen waren, im Versailler Dik-tat hemmungslos und ohne Rücksicht auf diezu erwartenden Folgen austoben konnte,programmierte man bereits neues Unheil.Selbst weiterblickende Franzosen waren sichbei Abschluß dieses sogenannten Friedens imklaren darüber, die Folgen der betont demü-tigenden Behandlung der Deutschen könntennur verheerend sein.

Der französische Ministerpräsident Geor-ges Clemenceau (1841-1929), dem in Hin-blick auf die Deutschen nur das Apercu ein-fiel, man könnte sie wie tolle Hunde entwedernur töten oder an stählerne Ketten legen,sprach bereits Anfang 1919 vor den Offiziers-

41

Page 41: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Schülern von St. Cyr die vielsagenden Worte:"Meine jungen Freunde, seien Sie ohne Sor-gen über Ihre militärische Zukunft. Der Frie-den, den wir soeben geschlossen haben, si-chert Euch zehn Jahre der Konflikte in Euro-pa." Im Juni 1921 präzisierte er seine Absichtauf folgende Weise: "Dieser Krieg war nurdie Vorbereitung. Die Vernichtung des deut-schen Volkes fängt erst jetzt an." Dement-sprechend diente Hitler achtzehn Jahre spä-ter den französischen Falken nur als Vor-wand und Auslöser eines neuen Weltkrieges.Selbst der Oberbefehlshaber der alliiertenArmeen in Frankreich, Marschall Foch, derim November 1918 gegenüber der deutschenDelegation die vorbehaltlose Annahme derBedingungen eines Waffenstillstandes er-zwang und der die Lage wie kaum ein ande-rer überblickte, formulierte kurz darauf sei-ne Prognose für die nächsten Jahre folgen-dermaßen: "Das ist kein Friede. Das ist nurein Waffenstillstand für zwanzig Jahre." Bisauf das Jahr genau behielt er Recht mit seinerVorhersage.

In der Tat: Niemand hätte allen Ernstes an-nehmen können, eine so bedeutende Nationwie die deutsche würde über Jahrzehnte hinmit dem schmerzenden Trauma von Ver-sailles leben können. Noch nie waren nach

42

Page 42: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

allgemeiner Meinung Besiegte so aufreizenderniedrigt worden wie die Deutschen, dieman als Alleinschuldige am Kriegsausbruchvor ein Tribunal zitiert hatte, vor dem sie nurein Ultimatum zu unterschreiben hatten.

In der Verblendung ihres namenlosen Has-ses hatten die Alliierten den wohl folgen-reichsten politischen Fauxpas des Jahrhun-derts begangen: die Schaffung des Polni-schen Korridors und der Freien Stadt Dan-zig, um derentwillen sie dann zwei Jahrzehn-te später noch einmal in den Krieg ziehenmußten. Daß der Verlust der elementarstennationalen Würde einem deutschen Diktatormit fast zwingender Logik den Weg zurMacht bahnen mußte, hat man wenigstens imnachhinein einzusehen gelernt.

Bei allen Schandtaten, die man Adolf Hit-ler anhängt, läßt sich trotz aller Geschichts-verdrehungen kaum leugnen, daß er gerade-zu verzweifelte Anstrengungen unternahm,das deutsch-französische Verhältnis zu sta-bilisieren. Er wollte den Begriff der Erb-feindschaft außer Kurs setzen und ihn durchden Terminus "Brudervolk" ersetzt sehen.Das gelang ihm bekanntlich nicht, obwohl erden Franzosen alle erdenklichen Konzessio-nen machte und im Zuge seiner Befriedungs-politik auf Elsaß-Lothringen verzichtete.

43

Page 43: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Von einer Revanche, für die unsere deutscheVolksmentalität ohnehin nicht disponiert zusein scheint, war damals keine Rede mehr. ImGegenteil veranstaltete man Verbrüderungs-treffen von ehemaligen Frontsoldaten undsorgte für die Fraternisierung der Jugendbeider Völker.

Daß die Franzosen dann im Gefolge einerkurzsichtigen Garantieerklärung für diekriegslüsternen Polen fast gegen ihren eige-nen Willen in einen neuen Krieg mit Deutsch-land hineinschlitterten, gehört zu den tragi-schen Verwicklungen und Imponderabiliender Weltgeschichte. In der Tat empfand manlinks des Rheins im Jahre 1939 nur wenigNeigung, für Danzig zu sterben. Dieser be-greiflichen Lustlosigkeit des französischenPoilu an der Verteidigung fremder Interessenhatte das Land mit einer seiner verheerend-sten Niederlagen zu bezahlen. Während Hit-ler sich als "Eisbrecher" dem Termitenwahneines alles nivellierenden Bolschewismusentgegenwarf, waren es dann immerhin eini-ge Entschlossene aus der Elite der französi-schen Jugend, die sich in der Division "Char-lemagne" zusammenschlössen, um Seite anSeite mit ihren deutschen Kameraden dieWerte des alten Europa zu verteidigen.

Zweifellos gehört die von Frankreichs frü-

44

Page 44: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

herem Staatspräsidenten Charles de Gaulle(1890-1970) und dem ersten deutschen Bun-deskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) in-itiierte neue "deutsch-französische Freund-schaft", die so ganz und gar dem merowingi-schen Konzept des ersten Kanzlers dieser Re-publik entsprach, zu den erfreulichsten zwi-schenstaatlichen Gesten im Europa derNachkriegszeit. Außenpolitisch blieb manallerdings vorwiegend auf Washington fi-xiert und erwärmte sich in diesem Landemehr für "McDonalds" und "Fast-food" alsfür Mitterands Europakonzept.

Ihre letzte Zerreißprobe muß die sich an-bahnende europäische Solidarität aber erstnoch bestehen. Bedauerlicherweise fielen diePariser Kommentare zur deutschen Wieder-vereinigung nicht gerade ermutigend aus. DerBeitritt Mitteldeutschlands zur Bundesrepu-blik und die damit verbundene stärkere Ost-orientierung lösten in Frankreich wahre Alp-träume aus. Man sah sich in Europa an denRand des politischen Geschehens versetzt. Obdie in den nächsten Jahren anstehende Euro-päisierung der alten und traditionsreichenNationalstaaten in der Lage sein wird, natür-liche ethnische Gegensätze auszugleichenund verhärtete Traditionen aufzuweichen,wird erst die Zukunft erweisen können.

45

Page 45: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Trotz aller gutgemeinten Beteuerungen ei-ner relativen Konfliktlosigkeit in dendeutsch-französischen Beziehungen findendeutsche Leser aber zu ihrem Entsetzen infranzösischen Zeitungen immer noch die al-ten verzeichneten Darstellungen der Deut-schen, in denen sie sich beim besten Willennicht wiedererkennen. Immer noch wird dergroße Nachbar im Osten in einem Gefühl an-visiert, das zwischen Neid und Bewunde-rung, Furcht und Mißtrauen schwankt.

Immer wieder auch fällt das Deutschland-bild des durchschnittlichen Franzosen trotzeines halben Jahrhunderts demokratischenWohlverhaltens in die alte Schablonenhaf-tigkeit zurück, die man längst für überholtgehalten hatte. Eine angebliche Unberechen-barkeit der Deutschen muß immer wieder alsVorwand dienen, keine Korrekturen amlängst überholten Stereotyp des Deutsch-landbildes vorzunehmen. Bei der zynischenMarginalie des französischen SchriftstellersFrancois Mauriac (1885-1970), er liebeDeutschland so sehr, daß er sich für immerzwei davon wünsche, handelt es sich mit Si-cherheit nicht nur um die ehrliche Überzeu-gung eines geistreichen Einzelgängers.

Im Zuge der deutschen Teilvereinigungstellte sich heraus, daß man in der Anwen-

46

Page 46: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

düng des Selbstbestimmungsrechts der Völ-ker gegenüber den Deutschen trotz aller Be-teuerung demokratischer Untadeligkeit eineunrühmliche Ausnahme zu machen imstandewäre. Sowohl den spektakulären deutschenWirtschaftsaufschwung als auch die inzwi-schen vollzogene deutsche Wiedervereini-gung konnten die Franzosen nicht affektloswegstecken. Wieder einmal hätschelte mandas längst für eingemottet gehaltene Feind-bild des "unruhigen Deutschen", das manwohl nur schwer aus der Vorstellungsweltder Franzosen ausmerzen kann. Der jahr-zehntelang erbrachte Gegenbeweis unseresguten Willens und unserer Friedensbereit-schaft hat augenscheinlich nicht ausgereicht,das Image des häßlichen Deutschen durch einstrahlenderes und sicher auch realistischeresBild zu ersetzen.

Natürlich betrieb auch Frankreich wie diemeisten Verbündeten anläßlich der Wieder-vereinigung ein rhetorisches Verwirrspiel,das arg mit den vorherigen Freundschaftsbe-teuerungen kollidierte. Man erblickte in die-sem historischen Ereignis, das eine ganze Ge-schichtsepoche abschloß, so etwas wie eineDurchkreuzung des eigenen gesamteuropä-ischen Kalküls und zierte sich ungemein, dieGrundsätze des Selbstbestimmungsrechts

47

Page 47: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

der Völker auch auf Deutschland anzuwen-den. Das über viele Jahre hin entwickelte Eu-ropa-Konzept unserer NATO-Partner gerietmit einem Male gehörig ins Wanken. Zu-gleich erhielt die immer wache antideutschePropaganda wieder einmal einige neue Im-pulse und steigerte sich in eine Hysterie, diedie europäische Stabilität bedroht sah. Mankokettierte bereits - und das nicht nur in Pa-ris — mit einem neuen Mini-Versailles.

Profilierte französische Politiker setztensich über alles Völker- und Menschenrechthinweg und plädierten für ein zwar nicht ju-ristisches, wohl aber für ein realpolitischesVeto Europas gegen die Wiedervereinigung.Frankreichs sozialistischer StaatspräsidentFrangois Mitterrand forderte als Vorausset-zung für die Wiedervereinigung die Zustim-mung der Schutzmächte, also aller Staaten,mit denen sich Deutschland vor fünfzig Jah-ren im Kriegszustand befunden hatte.

Zugegeben, das landläufige Bild der neu-deutschen Konsumenten, die mit ihren No-belkarossen die französischen Autobahnendurchrasen, als Touristen französische See-bäder bevölkern und ausgiebig am PariserNachtleben partizipieren, ist nicht gerade er-mutigend. Wie aber auch sollte die Umweltdie Deutschen in einem Augenblick in einem

48

Page 48: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wesentlich positiveren Licht sehen, in demsie einem geradezu schwachsinnigen Natio-nalmasochismus huldigen und offenbar nichtdie beste Meinung von sich selbst haben?

Andererseits wirkt wiederum der geradezuneurotische deutsche Arbeitseifer auf dieFranzosen nicht gerade anziehend. Manempfindet diese "Moneymaker", die sich aufdie Jagd nach dem schnellen Geld begebenhaben, nicht anders, als Churchill sie sichvorstellte: reich, aber impotent. Im übrigenbeweist sich wieder einmal, daß aus den Köp-fen der Menschen nichts schwerer zu vertrei-ben ist als festgefahrene Vorurteile. Es dürftedaher wohl noch eine gute Weile dauern, ehesich auf Grund zwingender Realitäten einerneuen Zeitepoche die über Generationen hin-weg betriebenen Exzesse einer antideutschenPropaganda abgeschliffen haben.

2. England

Vier Jahre nach Bismarcks Reichsgrün-dung schrieb die englische Königin Viktoria(1819-1901) an ihre Tochter, die mit dempreußischen Kronprinzen verheiratet warund sich als entschiedene GegenspielerinBismarcks nie so recht für Deutschland und

49

Page 49: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

die Deutschen erwärmen konnte, die folgen-den vielsagenden Sätze: "Die Preußen sind,wie Du wohl weißt, nicht beliebt. Niemandwird eine Macht dulden, die ganz Europa be-herrschen möchte. Unser Land, obwohl essein größter Wunsch ist, mit DeutschlandHand in Hand zu gehen, kann und will sichdas nicht gefallen lassen."

Damit war in lapidarer Kürze eine Haltungumschrieben, die in den Jahren, in denen dasneue Reich zu einer respektvollen Wirt-schaftsmacht aufstieg, für das deutsch-engli-sche Verhältnis charakteristisch war. Dervon englischen Pressemagnaten damals ge-hörig angeheizte Deutschenhaß enthieltschon in seinen Anfängen soviel Brisanz, daßes eines nicht allzu fernen Tages mit zwin-gender Logik zu einer militärischen Kon-frontation kommen mußte. Der Überdruckder mit den Jahren angestauten antideut-schen Affekte wurde für die Engländer im-mer unerträglicher. Am Ende dieser kaum zuverantwortenden Kampagnen stand dannder Erste Weltkrieg mit all seinen verheeren-den Folgen.

Die Queen hatte in der Tat keine Veranlas-sung gehabt, im Laufe ihrer langen Regent-schaft auch nur den geringsten Anflug vonFeindseligkeit gegenüber den Deutschen zu

50

Page 50: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

empfinden. Schließlich war sie mit einemdeutschen Prinzen aus dem Hause Coburgverheiratet. Im übrigen waren die Deutschenin ihrem kontinentalen Provinzialismus mitdem englischen Imperialismus nie irgendwiein Kollision geraten. Sie waren zu sehr in sichselbst versponnen, als daß sie in einer Zeit, inder ihre Nachbarn die Welt unter sich auf-teilten, irgendwelche außenpolitischen Am-bitionen entwickelt hätten. Der vielbelächel-te deutsche Michel spielte auf der Bühne desgroßen Welttheaters bestenfalls die Stati-stenrolle eines zwar sympathischen, aber po-litisch desinteressierten Trottels, den dieQuerelen der großen Welt nur wenig oder garnicht zu berühren pflegten. Mit Leuten diesesSchlages ließ sich völlig komplikationslos le-ben. Mit ihnen konnte man auch, wie die Kö-nigin richtig bemerkte, "Hand in Hand" ge-hen, solange sie nichts anderes als einen le-diglich subalternen Part beanspruchten.

Mit der biedermeierlichen Friedhofsruheauf dem Kontinent war es nach den Erfolgender Bismarckschen Realpolitik nun offenbarfür immer vorbei. Nach den Siegen überÖsterreich (1866) und Frankreich (1870/71)war das neue Deutschland zwangsläufig zurführenden Macht auf dem Kontinent empor-gestiegen. Im gleichen Maße aber, wie es als

51

Page 51: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Großmacht und als wirtschaftlicher Faktoran Ansehen gewann, mußte es mit den natio-nalen Interessen der meerbeherrschendenBriten kollidieren, die traditionsgemäß ihreSpeerspitzen stets gegen die stärkste Konti-nentalmacht richteten, um die "Balance ofpower" um jeden Preis zu erhalten. Damitaber hatte man dem neuen Reich bereits denFehdehandschuh vor die Füße geworfen.

Vom offenherzigen Bekenntnis der Köni-gin Viktoria bis hin zu den deutschfeindli-chen verbalen Exzessen des englischen Han-delsministers Nicholas Ridley in unseren Ta-gen zieht eine einzige Spur von Aversiondurch die englisch-deutschen Beziehungen.Die Panikstimmung, die der redselige Mini-ster Ihrer Majestät gegen das wiedervereinig-te Deutschland auslöste, liegt durchaus inder englischen Tradition. Immer wieder hattedas Deutschlandsyndrom die Inselbewohnerum die Ruhe ihres Gemütes gebracht und ih-nen wahre Alpträume beschert. Man mußdem geschaßten Handelsminister sogardankbar sein, daß er wieder einmal die Katzedes britischen Unbehagens aus dem Sack ge-lassen hatte. In seiner ausschweifendenPhantasie sah er die Franzosen bereits "wiedie Pudel den Deutschen folgen" und dieDeutschen mit ihrer harten Mark wahre

52

Page 52: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must
Page 53: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Gaunerstreiche verüben. Und wie immer,wenn den notorischen Deutschenhassern ih-re Argumente ausgehen, kam auch bei dieserhalbamtlichen und von der damaligen Pre-mierministerin Margaret Thatcher abgeseg-neten Deutschenbeschimpfung der ominöseOrtsname Auschwitz ins böse Spiel.

Dazu noch dies: Vor dem Hintergrund derdeutschen Teilvereinigung leistete sich dieenglische Regierung im März 1990 das tragi-komische Schauspiel, sogenannte Deutsch-landexperten zu einer Deutschland-Anhö-rung zusammenzurufen, um die wieder ein-mal aus altem Geschichtsgerümpel herauf-beschworene deutsche Gefahr wortreich zuTode zu diskutieren. Es wollte den wackerenBriten, die heute niedergeschlagen auf ihrerabgeschirmten Insel ihrem entschwundenenEmpire nachtrauern, offenbar nicht so rechtin den Kopf, warum ausgerechnet die Deut-schen wieder einmal alle wirtschaftlichenRekorde brechen, während alle Welt mehroder weniger am Rande eines politischen undwirtschaftlichen Abgrunds entlangbalan-ciert.

Schon im Januar 1954 hatte der "Daily Ex-press" gehörig Alarm geschlagen, als er demdeutschen Auferstehungswunder auf dieSpur zu kommen versuchte. "Die Fähigkei-

54

Page 54: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ten dieses Volkes sind verblüffend undfurchteinjagend", hatte er sich alteriert. "In-nerhalb von dreißig Jahren haben sie zweiKriege geführt, zwei Kriege, in denen sie dieschrecklichsten Verluste an Menschen erlit-ten und ebenso katastrophale Zerstörungenan Eigenbesitz. Sie wurden mit Bomben undSprengladungen zur Unterwerfung gezwun-gen. Sie haben sich Haß und Abneigung allerzivilisierten Menschen zugezogen. Heute ha-ben sie nun einen Wohlstand und eine Stärkeerreicht, mit der sie alle ihre Nachbarn über-ragen."

Die deutsche Teilvereinigung hinterließbei den Engländern das deprimierende Ge-fühl, den Krieg nun doch noch und zwar end-gültig verloren zu haben. Provinziell denken-de westliche Politiker rieben sich erstauntdie Augen, als die deutsche Frage wider alleErwartung doch noch ihrer Lösung entge-gentrieb. Man sah im Hinblick auf ein Zu-sammenwachsen Europas die Stabilität deseuropäischen Kontinents ernsthaft bedroht.Robert Maxwell sprach aus, was damals vieleEngländer dachten: "Wir in Britannien undEuropa wollen, daß es bei zwei Deutschlandsbleibt."

Der im November 1991 verstorbene Me-iengewaltige, der ein internationales Me-

55

Page 55: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

dienimperium beherrschte, konnte trotz allerscharfen Töne, die seine Zeitungen anschlu-gen, seinen Wunsch nicht durchsetzen. Mandachte laut über die deutsche Zukunft nachund mutmaßte, nach der "Rehabilitierungdes Nationalsozialismus" würde auf deut-schem Boden ein "Viertes Reich" entstehen.

Kein Wunder, daß angesichts dieser Panik-stimmung sich auch die damalige englischePremierministerin der feinen englischen Artbediente und mit dem Feuer spielte, als sie al-len Ernstes die Isolierung des wiederverein-ten Deutschland durch eine neue "Ententecordiale" zu betreiben versuchte. Recht of-fenherzig erklärte sie, daß sie nicht darandenke, den "panischen Drang zur deutschenWiedervereinigung" mitzumachen. Sie warkeineswegs bereit, das urdemokratischeSelbstbestimmungsrecht auch für Deutschegelten zu lassen. Wieder einmal also warEngland pünktlich zur Stelle, um die Vorrei-terrolle gegen ein expandierendes Deutsch-land zu übernehmen. Und erneut fühlte mansich an den alten Erfahrungssatz erinnert,daß von England her alles Schlechte auf unszukommt, einschließlich des schlechten Wet-ters.

Frau Thatchers "Deutschland-Seminar",das sie ansetzte, um dem Rätsel der deut-

56

Page 56: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sehen Erfolge auf die Spur zu kommen, warein dezidiert deutschfeindlicher Akt, der vonder deutschen Presse trotzdem nur mit be-tonter Zurückhaltung notiert wurde. Manwar offenbar Kummer von jenseits des Ka-nals gewohnt, so daß man die penible Aufli-stung der deutschen Charakterfehler garnicht erst ausdrücklich zur Kenntnis nahm.Von Angst, Aggressivität, Angeberei, Egois-mus bis hin zu Selbstmitleid und Zynismuswar da in einem wirren Durcheinander dieRede. Das über ein halbes Jahrhundert prak-tizierte demokratische Wohlverhalten wurdein dieser obskuren Bilanz überhaupt nichthonoriert. Von der Schattenbeschwörung deralten deutschen "Huns", der Hunnen also,war man im Schloß Chequers nicht mehr weitentfernt. Man kann es uns offenbar nicht ver-zeihen, daß wir nach Jahren unsäglicher Ar-beit wirtschaftlich das erreicht haben, "wasHitler militärisch nicht schaffte".

Düstere Aussichten demnach für neudeut-sche Musterdemokraten, die sich bis zur völ-ligen Devotion und Selbstauflösung alle nurerdenkliche Mühe gaben, fast fünf Jahrzehn-te nicht in alle europäischen Fettnäpfchen zutreten, sondern wie gezähmte Affen milde lä-chelnd zusahen, wenn andere ihre weltpoliti-schen Verwirrspiele auf unserem Rücken

57

Page 57: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

austrugen. Die Wiedervereinigung und diezur Debatte stehende endgültige Abtretungeines Viertels deutschen Landes jenseits vonOder und Neiße boten der Welt einen will-kommenen Anlaß, das Gespenst des deut-schen "Faschismus" aus der Mottenkiste derGeschichte hervorzukramen und den un-sterblichen Hitler wieder einmal als den bö-sen Mann Europas seine antiquierte Char-genrolle spielen zu lassen. Man muß halt denewigen Deutschenhaß immer zumindest aufkleiner Flamme schmoren lassen, um die in-zwischen wieder stärkste Nation des Konti-nents erpreßbar zu halten.

Die englische Presse weiß offenbar immernoch, was sie dem nationalen Prestige schul-dig ist, wenn sie ihren Lesern immer wiederdie fragwürdige und gruselige Charakterfi-gur des häßlichen Deutschen auftischt. Diedeutschen Monster mit oder ohne Uniformerfüllen die Funktion des Kinderschrecks,den junge Engländer schon in ihren Comic-Heften bestaunen können. Selbst die amtli-chen englischen Lesebücher produzierenwahre Horrormythen, sobald von den Deut-schen die Rede ist.

"Jede Woche wird Kindern ein frei erfun-denes, wiedergekautes Zeug über den Zwei-ten Weltkrieg angeboten, bei dem die Deut-

58

Page 58: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

„chen bestenfalls als dumm und schlimm-stenfalls als fürchterlich brutal und heim-tückisch dargestellt werden", kommentierteim Mai 1978 das britische Nachrichtenmaga-zin "The Economist" die in England grassie-rende Deutschenhetze, über die noch keindeutscher Außenminister bisher ein Ster-benswörtchen verloren hat. "Etwa jeden Mo-nat wird Kindern und Erwachsenen eine Mi-schung von Tatsachen und Erfindungen vor-geführt, in der die Deutschen im selben Lichtgezeigt werden. Der mutige oder gar guteDeutsche ist nur selten zu sehen. Der Durch-schnittsdeutsche ist ein Verbrecher in brau-ner, grauer oder gar schwarzer Uniform."

Neuestens haben sogar Berliner Germani-sten herausgefunden, daß englische Kinder-und Jugendbücher lediglich abgestandeneKlischees von Deutschen vermitteln, die ineinem krassen Widerspruch zu den Realitä-ten stehen. Deutsche pflegen grundsätzlichnur im Zusammenhang mit besonders blut-rünstigen kriegerischen Ereignissen in Er-scheinung zu treten. Deutsche Wissenschaft-ler entpuppen sich in der Regel als gerisseneAgenten, die sich auf die dubiose Kunst ver-stehen, Bomben jeglichen Kalibers zu ba-steln. Sogar der uralte und längst für mu-

seumsreif gehaltene Monokeldeutsche gei-

59

Page 59: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

stert noch immer durch englische Kinderbü-cher und weckt zweifelhafte Empfindungengegenüber den Deutschen in der Vorstel-lungswelt des britischen Nachwuchses.

Eigentlich hat sich überhaupt nichts ge-genüber den Parolen englischer Scharfma-cher seit der Jahrhundertwende geändert.Schon 1907 hieß es in einem Leitartikel derLondoner "Saturday Review": "EnglandsGedeih kann nur gesichert werden, wennDeutschland vernichtet wird ... WennDeutschland morgen aus der Welt vertilgtwürde, gäbe es übermorgen keinen Englän-der in der Welt, der nicht um so reicher seinwürde. Völker haben jahrelang um eine Stadtoder um ein Erbfolgerecht gekämpft. Müssensie nicht auch um einen jährlichen Handelvon 250 Millionen Pfund Sterling Krieg füh-ren?"

Erstaunlicherweise arbeiteten englischePropagandisten den Morgenthau und Kauf-man des Zweiten Weltkriegs schon eifrig vor-aus. In vielem haben sie diesen schon dieStichworte geliefert, als sie sich daranmach-ten, ihre orientalische Phantasie spielen zulassen und praktische Anweisungen zur bio-logischen Ausrottung der Deutschen zu ertei-len. "Wenn deutsche Eltern heute schlechtoder unterernährt oder halb verhungert oder

60

Page 60: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

durch die tausend und einen unheimlichenNahrungs-Ersatzmittel, mit denen sie sichietzt erhalten, vergiftet werden", so schwa-dronierte Englands allmächtiger PresselordAlfred C. W. Northcliffe (1865-1922), der üb-rigens einer der geadelten Juden des engli-schen Oberhauses war, munter drauflos, "sowird ihre Nachkommenschaft dementspre-chend minderwertiges Erzeugnis sein. Siewird in weitem Maße allen möglichen Spiel-arten erblicher Leiden unterworfen sein. Siewird in geringem Maße widerstandsfähigsein gegen die Ansteckung durch Tuberkulo-se. Sie ist möglicherweise verkrüppelt, miß-gebildet oder im Wachstum unternormal."

Die antideutsche Propaganda bewegte sichin England auf dem gleichen beklagenswertniedrigen Niveau wie zu Zeiten der skrupel-losen Presselords. Selbst AußenministerEden (1897-1977), der hierzulande als Proto-typ des vielgepriesenen und offenbar gehörigüberschätzten Gentleman gilt, erklärte frankund frei im Januar 1942 im Unterhaus, dieDeutschen hätten sich in den letzten hundertJahren wie "angreifendes Vieh" verhaltenund verdienten es daher, auch so behandeltzu werden.

Der englische Kriegspremierminister Win-ton Churchill (1874-1965), der als geradezu

61

Page 61: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

zwangshaf t besessener Germanophobe in dieGeschichte eingegangen ist, was die Deut-schen allerdings keineswegs daran hinderte,Kniefälle an seinem Grabe zu veranstalten,erblickte in den Deutschen zwar keine losge-lassene Viehherde, aber immerhin einenHaufen von "60 Millionen Verbrechern undBanditen" und behandelte sie dementspre-chend sogar im nicht alkoholisierten Zu-stand. Er schlüpfte nach Hitlers Machtüber-nahme in die Rolle des alten Römers Cato, in-dem er sein "Germaniam esse delendam" wiemit einer Gebetsmühle herunterleierte."Deutschland wird zu stark, wir müssen eszerschlagen", lautete die Quintessenz seinerantideutschen Parolen, mit denen er vorsätz-lich den für ihn unumgänglichen ZweitenWeltkrieg vorbereitete.

Schon im Ersten Weltkrieg hatte Churchillseinem Deutschenhaß freien Lauf gelassen,indem er seine Haßgesänge gegen die deut-sche Konkurrenz intonierte: "Ich werdeDeutschland solange an der Kehle würgen,bis sein Herz aussetzt. Wir werden die Um-schnürung nicht eher lockern, bis es sich aufGnade und Ungnade ergibt."

Dreißig Jahre später verwirklichte er sei-nen Wunschtraum, indem er den traurigenMut aufbrachte, seinen mörderischen Bom-

62

Page 62: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

benkrieg auf wehrlose deutsche Frauen undKinder zu eröffnen, den er dann mit dem un-vergleichlichen Dresdener Massensterbenkrönte, für das er verantwortlich zeichnet. Indiesem Engländer schien sich der Deutschen-haß am überzeugendsten inkarniert zu ha-ben. Selbst die asiatische Brutalität der So-wjetsoldaten gegen Kriegsende fand seinenungeteilten Beifall, "soweit sie die Tötungvon Deutschen betrifft".

Mit Sicherheit war der Holocaust vonDresden mit mehr als 250.000 Opfern einesder größten Kriegsverbrechen der Weltge-schichte überhaupt. In seinem LuftmarschallArthur Harris, genannt "Bomber-Harris",fand der englische Kriegspremier einen imGeiste wahlverwandten Vollzugsgehilfen fürseine sadistischen Schurkenstreiche. Diekaltherzige Egozentrik der Angelsachsen, diein der bekannten Maxime "Wright or wrong -my country" bezeichnenderweise zur Normdes politischen Verhaltens erhoben wurde,setzte alle Grundansichten der bürgerlichenEthik brüsk außer Kurs. Harris scheint je-doch die unerträglichen Verhaltensmusterseines Herrn und Meisters im Geschäft desMassenmordes noch um einiges übertroffen

zu haben. Jedenfalls fand er auf die Frage, obnicht diesen strategisch völlig sinnlosen

63

Page 63: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

und nur durch einen geradezu pathologi-schen Haß zu erklärenden Vernichtungsan-griff auf harmlose Zivilisten bereue, nur dieebenso entwaffnende wie lapidare Antwort:"Ich würde nicht zögern, das gleiche nocheinmal zu tun. Ich habe keine Geduld mitMenschen, die Mitleid mit den 'armen Deut-schen' empfinden."

Die üble Rolle, die der konservative Unter-staatssekretär im Foreign Office, Lord Van-sittart, in der Vorgeschichte des ZweitenWeltkrieges spielte, ist längst geschichtsno-torisch geworden. Neben dem ominösen LordHalifax kommt ihm das zweifelhafte Ver-dienst zu, mit eiskalter Berechnung denKriegsausbruch vorangetrieben zu haben. Erwar der führende Kopf im Lager der briti-schen Kriegstreiber, die ihren Deutschenhaßschon in der Wilhelminischen Ära kultivierthatten, als sie sich politisch und wirtschaft-lich von den Deutschen überrundet sahen.Vansittart ordnete die Deutschen in die zoo-logische Kategorie der "Würger-Vögel" ein.Überhaupt war der "Vansittartismus", dernicht eher ruhte, bis er Blut geleckt hatte, ei-ne besonders aufschlußreiche Variante desbritischen Antigermanismus.

Dieser hohe Beamte Seiner Majestät hattesich in seine Vorstellung von den bestiali-

64

Page 64: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

;chen Deutschen so sehr gesteigert, daß es fürihn eine abgemachte Sache war, diese Barba-ren würden alles ohne Ausnahme niederma-chen, was ihnen unter die Hände geriete. Nurwenn sie ihre notorische Mordlust einmalnicht an unschuldigen Frauen und Kindernaustoben könnten, würden sie sich der Notgehorchend auch damit abfinden, Kühe ab-zuschießen. Während alle anderen Völkersich im Laufe ihrer Geschichte auf eine höhe-re Kulturstufe gehievt hätten, wären dieDeutschen nach Meinung des britischen Un-terstaatssekretärs die gleichen schrecklichenWilden geblieben, die sie immer schon waren.Gerade diesen Umstand der deutschen Unbe-lehrbarkeit hielt Vansittart offenbar für die"bei weitem größte Tragödie der Welt".

Selbst Sir Neville Henderson (1882-1942),der englische Botschafter in Berlin zur Zeitdes Kriegsausbruches, der von der Notwen-digkeit einer kriegerischen Auseinanderset-zung mit den Deutschen überzeugt war, prä-zisierte seine Auffassung vom deutsch-engli-schen Verhältnis mit den Worten: "Deutsch-land ist ein mächtiges Land. Achtzig Millio-nen fleißige und disziplinierte Deutsche wer-

den immer ein lästiger Faktor in der europäi-schen Politik und Wirtschaft sein."Auch der Labour-Premier der Nachkriegs-

65

Page 65: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

zeit, Clement Attlee, hatte durchaus keinHerz für die besiegten Deutschen, die sich sotapfer geschlagen hatten. Angesichts des völ-kerrechtswidrigen Exodus der Deutschenaus ihren Ostgebieten erklärte er ungerührtim Unterhaus: "Die Deutschen haben die al-ten Schranken eingerissen. Deshalb sage ich,daß sie sich nicht auf das alte Europa berufenkönnen. Falls sie sich fügen, falls sie wiedergutmachen wollen, haben sie trotzdem keinRecht, die Grundlagen der Moralgesetze zubeschwören, die sie selbst nicht beachtet ha-ben, oder auf Mitleid und Gnade zu rechnen."

In ihrer provinziellen Biedermännerei undbei mangelndem Tatsachensinn waren dieDeutschen der abgefeimten Infamie undSkrupellosigkeit der englischen Propagandain keiner Weise gewachsen. Erst mitten imErsten Weltkrieg merkten sie, daß sich Eng-land mit dem Reich eigentlich schon überJahre hinweg in einem schwebenden Kriegs-zustand befunden hatte. Sie hatten es nurnicht zur Kenntnis genommen und wärenauch nicht imstande gewesen, diesen Attak-ken mit gleicher Schärfe zu kontern. Offen-bar verfuhren sie sehr zu ihrem Nachteil nachdem christlichen Grundsatz, es wäre ebendoch wohl besser, Unrecht zu leiden, als Un-recht zu tun. Ihre Interessen in der Welt wur-

66

Page 66: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

den von ihren Politikern jedenfalls miserabelvertreten.

"Wir ließen es uns nicht träumen, wir muß-ten es erst im Kriege mit Schrecken erfahren,wie sehr sie uns (und wir nicht sie) in all derZeit gehaßt, und zwar nicht sowohl ausGründen ökonomischer Macht, sondern vielgiftiger, uns politisch gehaßt hatten", stellteThomas Mann (1875-1955) in bezug auf dieImpertinenz der englischen Propaganda fest."Nicht geahnt hatten wir, daß unter derDecke des friedsamen internationalen Ver-kehrs in Gottes weiter Welt der Haß, der un-auslöschliche Todeshaß der politischen De-mokratie, der freimaurerisch-demokrati-schen Rhetor-Bourgeoisie von 1789 gegenuns, gegen unsere Staatseinrichtung, unserenseelischen Militarismus, Autorität undPflicht am verfluchten Werke war."

Noch in unseren Tagen hat der englischeHistoriker David Irving die ÄußerungenThomas Manns bestätigt. Auch er läßt keinenZweifel daran, daß England mit allen Mittelngezielter Desinformation zweimal die Stim-mung der Welt gegen Deutschland so syste-matisch eingeheizt hatte, daß es später keiner

besonderen Mühe mehr bedurfte, die Lügevon der deutschen Alleinschuld am Kriege zu

zementieren.

67

Page 67: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

"Kein Verbrechen ist zu groß, daß man esnicht den Deutschen zutrauen könnte", stelltauch Irving fest. "Die Welt liebt und verehrtmanche Nationen, einige betet sie an, aberniemals Deutschland. Die Deutschen werdenbombardiert, ausgebrannt, betrogen, vertrie-ben und ausgeraubt. Aber keine Stadt derWelt hat jemals einen Protestmarsch ausSympathie für Deutschland gesehen. Dieswar schon lange vor der Hitler-Ära so."

"Was nützt uns alle Macht, wenn Haß undMißtrauen uns überall begegnen, wenn manjeden Schritt uns argwöhnisch mißgönnt, denwir in unserer Entwicklung vorwärtstun?",fragte sich schon kurz nach der Reichsgrün-dung der damalige preußische Kronprinz."Bismarck hat uns groß und mächtig ge-macht, aber er raubte uns unsere Freunde,die Sympathie der Welt und unser gutes Ge-wissen. "

Übrigens besaß Bismarck durchaus dasrichtige Gespür dafür, wie sehr wir uns dieRivalität Englands zuziehen würden, wennwir weiterhin wirtschaftlich prosperierten.Er erklärte sein Reich deshalb beizeiten für"saturiert", um nicht mit den Engländern zukonkurrieren. Offenbar hatte er die ihn wohlselbst überraschende wirtschaftliche Tüch-tigkeit der Deutschen nicht mit in sein Kal-

68

Page 68: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

kül einbezogen. Sollte er etwa auf den sichsenden Konkurrenzneid der Umwelt und

vor allem der Engländer mit einer einschnei-denden Drosselung der deutschen Wirt-schaftskapazität reagieren?

Trotz allen Wohlverhaltens und aller hün-dischen Servilität ihrer Intellektuellen ge-lang es den Deutschen nicht, die Engländervon ihrer Friedfertigkeit zu überzeugen. Manschoß sich in London immer unerbittlicherauf den lästigen Emporkömmling ein undverstand keinen Spaß, wenn es sich um dieVerteidigung der Weltmärkte handelte. Dasoffizielle Deutschland sah jedoch großzügigüber alle Demonstrationen der englischenNeidkomplexe hinweg oder nahm sie aus lau-ter Blauäugigkeit nicht einmal zur Kenntnis.Es fiel ihm offenbar schwer, sich in die Men-talität dieses imperialistischen Inselvolkes,das im Notfall gänzlich unsentimental überLeichen ging, hineinzudenken. Offenbar warKonkurrenzneid eine Vokabel, die im deut-schen Sprachgebrauch Seltenheitswert be-saß.

Der Soziologe Helmut Schock hat in sei-Standardwerk über den Neid zwar alle

netten dieses Sozialphänomens voll ausge-leuchtet, aber den Neid als bestimmendes Re-gulativ im Zusammenleben von Völkern aus-

69

Page 69: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

gespart. Im Grunde stellt der Völkerneid, oh-ne den ganze Kapitel leidvoller Geschichteeinfach nicht zu verstehen sind, einen insÜberdimensionale projizierten Individual-neid dar. Er kann auf die Dauer nichts Gutesbewirken und hat in der Tat in der Mensch-heitsgeschichte eine breite blutige Spur hin-terlassen. Zwei Weltkriege sind auf sein Kon-to zu buchen. Unbegreiflich daher immernoch, warum die Deutschen nicht beizeitenden oft so perfiden englischen Attacken an-gemessen begegneten.

Sicher wäre es für eine gewitzte psycholo-gische Kriegsführung nicht schwierig gewe-sen, den entarteten Söhnen Albions die unge-heuren Verbrechen schlicht entgegenzurech-nen, die sie bei der Errichtung ihres Empiresbegangen hatten. Die Engländer waren füreine mit Lügen gespickte Haßpropagandawegen ihres unterkühlten Temperaments,das menschliche Skrupel kaum zuließ, gera-dezu prädestiniert. Die provinziellen Deut-schen konnten ihnen in ihrer Gemüthaftig-keit natürlich nicht das Wasser reichen.Churchill, dem die Berliner bereits im Juli1945 wieder zujubelten, gab sich tief ergrif-fen. Ein Leben lang hatte er mit Bravour sei-ne persönliche Animosität gegen die Deut-schen in eine Haßpropaganda umgemünzt,

70

Page 70: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

die er mit einem infernalischen Eifer betrieb,obwohl nach Bismarcks Meinung Haß undRachegefühle in der Politik nichts zu suchenhaben.

"Das Ergebnis war ein mit riesigem Erfolgund mit so gut wie völliger Skrupellosigkeitgeführter Propagandafeldzug", bemerktedazu der englische Militärschriftsteller Rus-sell Grenfell in seinem Buch "Bedingungslo-ser Haß". "Jede Fälschung, jede Unterdrük-kung der Wahrheit wurde angewandt, wennsie dazu beitrug, den Feind anzuschwärzen.Jede Greuelgeschichte, mochte sie wahr seinoder nicht, wurde nach allen Seiten verbrei-tet. Diese Geschichten waren häufig erlogen.Mit allen Mitteln wurde 1917 ein grausigerBericht verbreitet, wonach die Deutschen dieLeichen ihrer Gefallenen verkochten, umGlyzerin und andere Nebenprodukte für dieMunitionsherstellung zu gewinnen. DieseGeschichte machte auf Millionen Engländereinen tiefen Eindruck, die daraus den Schlußzogen, die Deutschen seinen schlimmer alsalle Übel der Welt.

Diese Geschichte war eine Lüge — einewohlüberlegte Lüge, die mit bösartiger Ab-sicht kolportiert wurde, um die Massenlei-denschaften gegen den deutschen Feind auf-zupeitschen. Das wurde nach dem Krieg so-

71

Page 71: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

gar von einem englischen Kabinettsmitgliedöffentlich zugegeben."

Rundfunk und Film trugen im ZweitenWeltkrieg schon entscheidend dazu bei, dieEmotionen der Völker gegen die Deutschenanzustacheln. Churchill merkte erst viel spä-ter, daß es eigentlich ja die Deutschen waren,die ganz Europa vor dem roten Sturm ausdem Osten bewahrt hatten. Immerhin war erehrlich genug, sich einzugestehen, daß er jadoch wohl das falsche Schwein geschlachtethatte.

3. Amerika

Der Deutschenhaß der Amerikaner datiertetwa seit der Jahrhundertwende, als die dy-namische deutsche Wirtschaft ihnen offen-bar einen Grund zum Ärgernis bot. Späte-stens damals war die deutsche Konkurrenzauf dem besten Wege, auch dieses ressour-cenreiche Land der vermeintlich unbegrenz-ten Möglichkeiten rücksichtslos zu überrun-den. Eben deswegen ließ man sich wider-standslos ins Schlepptau der englischen Pro-paganda nehmen, die sich verbissen auf diedeutschen Parvenüs eingeschossen hatte undkein Pardon gelten ließ. Die angelsächsi-

72

Page 72: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sehen Mächte bewiesen mit einem Male eineverdächtige Solidarität, als der Kampf umdie Vorherrschaft auf den Weltmärkten ent-brannte. Die USA, die sich schon damals miteinem reichlich überzogenen, aber durchnichts gerechtfertigten moralischen An-spruch so gern als Weltgouvernante aufspiel-ten, um selbst dort auf ihre Weise Ordnung zuschaffen, wo sie absolut nichts zu suchen hat-ten, übernahmen ohne Wenn und Aber diegeläufigsten Stichworte der Deutschenhetze,die von London aus in alle Welt hinausstrahl-te. Bezeichnenderweise konterten die deut-schen Einwanderer den massiven Diskrimi-nierungskampagnen gegen ihr Herkunfts-land in keiner Weise. Der überproportionaleinflußreiche jüdische Bevölkerungsanteilder Staaten beteiligte sich schon damals inden Medien an vorderster Front als fanati-scher Einpeitscher dieser überschwappen-den deutschfeindlichen Welle.

Bezeichnend für die Infiltration antideut-scher Gesinnung ins Bewußtsein des Durch-schnittamerikaners ist eine Passage aus ei-nem Roman des aus Armenien stammendenamerikanischen Schriftstellers William Sa-royan (geb. 1908), die bereits Böses für dieZukunft des deutsch-amerikanischen Ver-hältnisses ahnen ließ.

73

Page 73: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

"Der Weltschuft, das war der deutscheKaiser", heißt es da kurz und bündig. "Über-all war er, dieser Haß. Ich hatte einen Vetter,einen Knirps von drei Jahren. Er hieß Sinn,und kaum konnte er sprechen, da sagte er:'Ich will dem Kaiser den Kopf abhacken'."

In solchen eher beiläufigen Stellen deramerikanischen Fiktion-Literatur artiku-lierte sich bereits etwas von der hochge-putschten antideutschen Kreuzzugsmentali-tät der arroganten Amerikaner, die sich in ei-nem genuin gewalttätigen Land mit einer au-ßergewöhnlich hohen Kriminalitätsquotedazu berufen fühlen, für die Durchsetzungihrer höchst anrüchigen "Wertegemein-schaft" in aller Welt zu sorgen. In ihrer ver-nebelten Vorstellungswelt haben die Deut-schen den Stellenwert des absolut Bösen au-genscheinlich bis auf unsere Tage erhalten.Ohne Feindbild, mit dem sie die eigene mora-lische Unterlegenheit zudecken können,scheinen die Amerikaner nicht leben zu kön-nen. Daß die Deutschen für sie die Pappka-meraden darstellen, auf die man sich ein-schießen kann, haben diese zu einem gutenTeil sich selbst zu verdanken, da sie zur Ver-teidigung ihrer nationalen Würde noch nieauf die Barrikaden geklettert sind.

Es bedurfte schon während des Ersten

74

Page 74: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Weltkrieges nur des von Churchill, der da-mals Marineminister war, mit viel Abge-feimtheit in Szene gesetzten Lusitania-Zwi-schenfalles, um die Amerikaner mit einemgeradezu epidemischen Deutschenhaß zu in-fizieren. Bekanntlich war die von englischerSeite vorsätzlich herbeigeführte Versenkungdes britischen Passagierdampfers Lusitaniaam 7. Mai 1915 durch ein deutsches U-Boot,bei der 124 Amerikaner ums Leben kamen,ausschlaggebend für die Kriegsbereitschaftder Vereinigten Staaten. Zwei Jahre später,im April 1917, stürzten sie sich dann auch,ohne groß zu überlegen, was sie damit an-richteten, in ein folgenschweres Kriegsaben-teuer gegen die Deutschen, gegen die dieWaffen zu ergreifen eigentlich überhauptkein plausibler Anlaß bestand. Die jahrelanggeschürte Antipathie hatte offenbar inzwi-schen einen solchen Siedegrad erreicht, daßes höchste Zeit war, ein passendes Ventil da-für zu finden.

Im Zweiten Weltkrieg mußte ein eher nochzynischerer Zwischenfall dafür herhalten,um die Amerikaner in den Krieg zu treiben.Diesmal war es bekanntlich Roosevelt, der,obwohl ihm die geplante japanische Aktiongemeldet war, seine Mariners in Pearl Harborin Grund und Boden torpedieren ließ, um den

75

Page 75: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Volkszorn in seinem Land zum Überkochenzu bringen. Die Amerikaner wären nämlichsonst nicht zum Kriegseintritt gegen die da-mals bereits zum Abschaum der Menschheiterklärten Deutschen zu bewegen gewesen.

Amerika kann sich rühmen, den globalenDeutschenhaß im Laufe des Krieges dann aufdie Spitze getrieben zu haben. Für diesesfragwürdige Kapitel der amerikanischen Ge-schichte sind Namen wie Morgenthau, Kauf-man und Nizer dann symptomatisch gewor-den. Diese ließen allesamt ihre orientalischePhantasie spielen, um ihren Landsleuten dieDeutschen als Geschichtsmonster, die ei-gentlich schon längst hätten ausgerottet wer-den müssen, vorführen zu können.

Bisher haben die Amerikaner trotz dervielgerühmten "westlichen Wertegemein-schaft", in der sie mit uns leben sollen, groß-zügig darauf verzichtet, an ihrem total ver-zeichneten Deutschenbild die notwendigenKorrekturen vorzunehmen. Im Gegenteil, siekultivieren weiterhin dieses gänzlich risiko-lose Feindbild, um auf diese Weise gar nichteinmal so ungeschickt von ihren eigenen Un-taten abzulenken. Die entsetzlichen Verbre-chen und Genozide der Amerikaner an India-nern, Negersklaven, Filipinos, Japanern undnicht zuletzt auch an uns Deutschen, wie wir

76

Page 76: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

neuerdings auf Grund der sensationellenEnthüllungen über die amerikanischenKriegsgefangenenlager am Rhein wissen,sind nun einmal geschichtliche Fakten. Auchwenn sie in amerikanischen Geschichtsbü-chern unterschlagen oder bagatellisiert wer-den, kann man sie durch keine Totschweige-taktik aus der Welt schaffen.

Diese auf Dauer kaum zumutbare Verzer-rung der geschichtlichen Wahrheit auf Kostenanderer findet nicht einmal bei allen Ameri-kanern ungeteilte Zustimmung. Jedenfalls di-stanzierte sich im Oktober 1965 die New Yor-ker Staatszeitung ausdrücklich von dieserDiffamierung anderer, indem sie zu bedenkengab: "Ist es ein Zufall, daß man kaum noch einFernsehprogramm einstellen kann, ohne sichfrüher oder später mitansehen zu müssen, wienicht nur deutsche Soldaten, sondern das ge-samte deutsche Volk als unmenschlich oderidiotisch dargestellt werden? Oder ist es einZufall, daß zur gleichen Zeit auch in England,wo es heute zur großen Mode gehört, gegenDeutschland zu hetzen, solche Filme am lau-fenden Band gezeigt werden?"

Nirgendwo war bisher allerdings zu lesen,irgendeine deutsche Regierung hätte gegendiese massive Art von Völkerverhetzung un-ter Verbündeten energisch Protest erhoben.

77

Page 77: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Gleichwohl kann unseren lauen Erfüllungs-politikern der Tatbestand der permanentenDeutschenhetze nicht entgangen sein. Erstkürzlich konnte man über die wahre Solida-rität innerhalb der vielgerühmten Wertege-meinschaft mit den USA folgendes lesen:"Eine Untersuchung Münchner Amerikani-sten hat ergeben, daß die Bildschirme derUSA noch immer von deutschen Nazi-Scheu-salen bevölkert werden. Jenseits des Atlantikproduzieren Kino- und Fernsehbosse jähr-lich Tausende Kilometer Zelluloid mit Deut-schenhetze."

Die Nazi-Porno-Branche blüht und gedeihtalso in Gottes eigenem Land hervorragendund wirft durch ihren gleichbleibenden Un-terhaltungswert sogar erhebliche Profite ab.

Offenbar legt man es in den USA darauf an,jungen Amerikanern die deutsche Geschich-te in ein überdimensionales Verbrecher-album umzufunktionieren. Für diese ergibtsich etwa das folgende Charakterbild derausgewachsenen Mitglieder der vorwiegendSauerkraut verzehrenden Nation: Sie habennie etwas anderes im Sinn gehabt, als durchbrutale Angriffskriege soviel Land wie nurmöglich zusammenzuraffen. Zu diesemunedlen Zwecke bedienen sie sich einer ge-waltigen Armee, die eine einzige Strafanstalt

78

Page 78: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

darstellt. Von den unvergleichlichen kultu-rellen Beiträgen der auf diese Weise dämoni-sierten Deutschen zur Weltkultur oder etwavon der singulären Vertreibungskriminalitätan Deutschen bekommt man jenseits desOzeans natürlich kein Sterbenswörtchen zuhören. Hier hätte eine deutsch empfindendeBonner Regierung noch allerlei Aufklärungs-arbeit zu leisten.

Solange man sich nicht dazu durchringt,dergleichen Schaden vom deutschen Volkfernzuhalten, wird das Bild des häßlichenDeutschen nicht aus der Vorstellungsweltder Amerikaner verschwinden. Für sie han-delt es sich bei den vierschrötigen und gänz-lich ungehobelten "Krauts", die keine Le-bensart haben, um seelenlose Techniker, dieständig irgendwelche Bomben produzierenund diese dann nach Fertigstellung auch oh-ne jedwede Bedenken auf andere herabreg-nen lassen. Natürlich stellen Uniform undLederhose ein unverwechselbares Utensilvon Schaustellungen dar, an denen sich dasamerikanische Fernsehpublikum Abend fürAbend in dem immer gleichen Bewußtsein er-götzt, wie glücklich man sich doch eigentlichpreisen könnte, einem moralisch so viel hö-herstehenden Volk anzugehören.

Leider hat diese nicht einmal in Ansätzen

79

Page 79: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

abgewehrte Deutschenhetze der Amerikanerdiese bereits zweimal in den Krieg geführt.Zweimal fielen sie über das bereits erschöpf-te und ausgeblutete Deutschland her, dassich nach jahrelangem heroischem Kampfgegen eine ganze Welt von Feinden nur nochmit dem Mute der Verzweiflung gegen dieausgeruhten Amerikaner wehren konnte.Der unmenschliche Bombenkrieg gegen diedeutsche Zivilbevölkerung ist zwar nicht inamerikanischen Gehirnen ausgebrütet wor-den, aber die Amerikaner hatten keinerleiSkrupel, in diesem grausamen Spiel beden-kenlos mitzumischen.

Nach alledem kann es nicht überraschen,daß die meisten Amerikaner auf die Fragenach ihrer Vorstellung von ihrem größtenund bisher noch verläßlichsten Verbündetennur Begriffe wie Nazis, Hitler oder Krieg as-soziieren können. Kein Wunder, daß deut-sche Kinder, die amerikanische Schulen be-suchen, oft von ihren aufgehetzten Klassen-kameraden nur noch wie Freiwild behandeltwerden. Man hegt ganz allgemein Deutschengegenüber Gefühle, die sich auf der Skalaschäbiger menschlicher Emotionen etwa aufdem gleichen Niveau bewegen wie die frühe-ren Ressentiments gegenüber Negern.

Bedenklich aber auch, daß sogar in den

80

Page 80: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

US-Kasernen auf deutschem Boden Bücher,Broschüren und Comics verteilt werden, indenen die Deutschen, die man doch sicher alsKanonenfutter fürs letzte Gefecht gegen ei-nen imaginären Feind vorgesehen hat, alsSchurken, Mörder oder Frauenschänder vomDienst vorgeführt werden. Man kann sich,einschließlich der über die ganze Welt ver-streuten Judenschaft, nicht eine einzige an-dere ethnische Minderheit vorstellen als dieDeutschen, die dieses üble Spiel mit sich trei-ben lassen. Niemand würde dergleichen lau-fende Diffamierungen ohne entsprechendeDemarchen und Einsprüche der jeweils zu-ständigen Regierungen hinnehmen. Wir er-lauben uns sogar das absolute Gegenteil, in-dem wir unseren offenen oder latenten Geg-nern höheren Orts die entsprechenden Stich-worte für ihre gezielten Deutschenschmä-hungen gratis liefern.

Eine gründliche Revision des deutschenAmerikabildes wäre zumindest in dem Au-genblick zu erwarten gewesen, als der kana-dische Journalist James Bacque nach gründ-lichen Recherchen 1989 sein Buch "Der ge-plante Tod" über deutsche Kriegsgefangenein amerikanischen und französischen Lagernvorlegte, dessen Inhalt man wegen seiner un-glaublichen Unmenschlichkeit bei uns offen-

81

Page 81: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

bar immer noch nicht zur Kenntnis nehmenwill. Hatte man nämlich bis dahin angenom-men, einige Zehntausend deutscher Landserwären als Gefangene noch nach Kriegsendedem kollektiven amerikanischen Deutschen-haß zum Opfer gefallen, so weiß man heutemit Sicherheit, daß die Zahl der Toten in denErdlochlagern auf den Rheinwiesen annä-hernd die Millionengrenze erreicht hat.

Sicher gehört dieser Genozid zu den verab-scheuungswürdigsten Kriegsverbrechen dergesamten Kriegsgeschichte. Hier wurde voneiner Nation, die salbungsvoll als Moralapo-stel in aller Welt auftritt und das christlicheEthos betont für sich in Anspruch nimmt, mitbösem Vorsatz und unter Mißachtung derGenfer Konvention ein Holocaust an un-schuldigen Soldaten begangen, die nichts alsihre Pflicht und Schuldigkeit getan hatten.Den amerikanischen General Dwight D. Ei-senhower (1890-1969) trieb sein fanatischerDeutschenhaß sogar so weit, daß er die reich-lich vorhandenen Nahrungsmittel zurück-halten ließ und selbst die Hilfsmaßnahmendes Roten Kreuzes verhinderte.

Beschämend immerhin für einen Soldatenwie Eisenhower, der bekanntlich deutscherAbstammung war und dem die unbelehrba-ren Deutschen dann nach Kriegsende wie ei-

82

Page 82: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

nem Befreier zujubelten, daß er, nach seinenKriegsverbrechen, die ihn eigentlich vor eininternationales Tribunal hätten bringenmüssen, befragt, beteuerte, er bedaure ledig-lich, nicht mehr von diesen "deutschen Be-stien" zur Ausrottung zur Verfügung gehabtzu haben. Schon seiner Frau gegenüber hatteer in Briefen die Deutschen als "Bestien" ab-qualifiziert. Offenbar war er den Hetzparo-len von Morgenthau und Kaufman aufgeses-sen. Er überraschte schließlich auch mit demVorschlag, alle 3.500 Offiziere des deutschenGeneralstabes zu liquidieren. Auch mit sei-ner Überzeugung, sämtliche Nazi-Führer mitStumpf und Stiel auszurotten, näherte er sicheiner Perversion des Denkens, die man sonstnur den Sowjets zugetraut hatte.

Zu sprechen bleibt in diesem Zusammen-hang noch von den Schreibtischtätern, dieihre Phantasie spielen ließen, um ihre ameri-kanischen Landsleute zu entschiedenenDeutschenhassern umzuerziehen. Zu ihnengehörte zum Beispiel der Sprecher desKriegsausschusses amerikanischer Schrift-steller, Clifton Fadiman, der gehörig Zundergab und im übrigen nur eine Möglichkeit zukennen schien, mit einem Deutschen zu spre-chen, nämlich "ihn zu töten", und selbstdann, so setzte er diesem gutgemeinten Vor-

83

Page 83: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

schlag biedermännisch hinzu, "begreife er esnicht". Selbst der Pulitzerpreis- und Nobel-preisträger für Literatur Ernest Hemingway(1899-1961), dem die Deutschen nach demKriege aus unerfindlichen Gründen ihre Ver-ehrung darbrachten, rühmte sich in aller Öf-fentlichkeit mit der Zahl der "Hunnen", dieer "abgeknallt" haben wollte.

In einer kaum zu überbietenden sadisti-schen Weise aber tobte der jüdische PublizistTheodore Nathan Kaufman seinen infernali-stischen Haß auf alles Deutsche aus. In sei-nem während des Krieges in Monsteraufla-gen erschienenen Pamphlet "Germany mustperish", also "Deutschland muß vernichtetwerden", wartete er mit detaillierten Vor-schlägen auf, die in ihrer Präzision alles weitin den Schatten stellten, was bisher an "End-lösungen der deutschen Frage" menschlicheGehirne sich abgerungen hatten.

Kaufman wollte nämlich nicht mehr oderweniger, als die gequälte Menschheit mit ei-nem Schlage durch die Sterilisierung allerDeutschen im zeugungsfähigen Alter vondieser Pest zu erlösen. Auch war er gewitztund phantasievoll genug, durch beigefügteLandkarten zugleich eine konkrete Auftei-lung des deutschen Territoriums unter seinenNachbarn vorzuschlagen.

84

Page 84: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must
Page 85: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

"Die Deutschen sind ein abscheulichesVolk", kann man in seinem Pamphlet lesen."Sie denken und träumen nichts anderes alsNiederträchtigkeiten. Sie schwingen ihre Ar-me, die wie stachliche Keulen sind. Statt ge-wöhnlicher menschlicher Sprache entstehtaus ihren Mündern das Donnergrollen derArtillerie und das Klirren von Stahl. Ihr Le-ben gleicht einer ständigen Explosion. DerDeutsche lebt nicht auf den Höhen, er meidetdas Licht, und aus seinem Versteck herauszerrupft er geschlossene Verträge, übt seinenbösartigen Einfluß auf Zeitungsartikel aus,brütet mit Maß und Zirkel über Karten undsteckt mit Schadenfreude und Eifer Grenzli-nien ab.

Ihr Land zu lieben, bedeutet für sie, jedesandere Land zu verachten, zu verhöhnen undzu beleidigen. Sie sind kaum in der Lage, et-was anderes zu tun, als zu hassen und zu lü-gen, sogar untereinander. Sie mischen sich injede Angelegenheit anderer Leute ein, stek-ken ihre Nasen in Dinge, die sie nichts ange-hen, urteilen und bestimmen über alles, wür-digen alles herab und verdrehen alles. EinJammer, der dreiundzwanzig Jahrhundertenach Sokrates und Plato, zweitausend Jahrenach Christus die Stimme solcher Menschennoch in der Welt zu hören sein soll, schlimmer

86

Page 86: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

noch, sollte ihnen jemand zuhören, und amschlimmsten, sollte ihnen jemand glauben."

Man muß den geschichtslosen Amerika-nern schon mildernde Umstände dafür ein-räumen, daß sie dergleichen lyrische Haßge-sänge mit politischen Realitäten verwechselnkonnten. Ihr sonst so gerühmter gesunderMenschenverstand scheint sie bisweilenhoffnungslos zu verlassen. Für die darausentstehenden verheerenden Schäden habendann leider oft andere aufzukommen.

Selbst bei Präsident Roosevelt fandenKaufmans Parolen ein offenes Ohr. Dieserhatte sich schon früh als sozusagen konstitu-tioneller Deutschenhasser profiliert. Sokonnte es nicht verwundern, daß er Kauf-mans Angstprodukt für bare Münze nahm.Leider blieb dieses kaum ernst zu nehmendePamphlet bis heute eine Art Bibel des Anti-germanismus zumindest in den USA, eineMagna Charta für alle, die sich von Deutsch-lands abermaliger Auferstehung in denSchatten gedrückt fühlen und nicht mehr alsein Finis Germaniae herbeisehnen.

Jedoch nicht nur Kaufmans Thesen, selbstder nicht weniger mörderische Morgenthau-plan, der eine völlige Zerstückelung undAgrarisierung des führenden IndustrielandesDeutschland vorsah, fand Roosevelts unge-

87

Page 87: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

teilte Zustimmung. Mit Churchill gemeinsamsegnete er im September 1944 in Quebec die-ses Papier bedenkenlos ab, das dahin ten-dierte, Deutschland in einen riesigen Bau-ernhof zu verwandeln, auf dem sich aber nursechzig Prozent der Deutschen ernährenkonnten. Die anderen sollten erbarmungsloseinem furchtbaren Hungertod preisgegebenwerden. Mit der nunmehr endgültigen Ver-nichtung der überragenden deutschen Indu-strie wollte Morgenthau, der von 1934-1945als amerikanischer Finanzminister fungierteund als Roosevelts Intimus galt, einen uner-wünschten Konkurrenten aus dem Feldeschlagen.

Der Dritte im Bunde der habituellenDeutschlandhasser, die die amerikanischeÖffentlichkeit gegen uns mobilisierten, warder Publizist Louis Nizer, dessen Schrift"What to do with Germany?" im Jahre 1943erschien und ein wahres Horrorgemälde vonden Deutschen entwarf, die er seinen Lands-leuten als eine Geißel der Menschheit vor-führte. Daß sie den Massenmord anderer Völ-ker wie einen religiösen Kult betrieben, standfür Nizer fest. Jedenfalls suggerierte er denahnungslosen Amerikanern, die sich nie mitdem Land in Europas Mitte beschäftigt hat-ten, ein total verzerrtes Deutschlandbild.

88

Page 88: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

"Sie betrachten es als ihre Mission, alle an-deren Völker zu versklaven", phantasiert Ni-zer hemmungslos vor sich hin. "Sie verwer-fen die Lehre von der Heiligkeit des mensch-lichen Lebens und der Freiheit und ersetzensie durch das Ideal des Krieges. Das einzigePhänomen des Pangermanismus ist es, daßseine Verschwörung gegen den Weltfriedennicht nur Gangstertum und Nihilismus dar-stellt."

Nizer brachte das Kunststück fertig, allecharismatischen Erscheinungen der deut-schen Geschichte von Karl dem Großen bishin zu Bismarck und Hitler zu kriminalisie-ren und das Fazit zu ziehen: "Es gibt einedeutsche Verschwörung gegen den Weltfrie-den und gegen jeden freien Menschen in je-dem Land. Es ist eine Verschwörung, dieauch in der Niederlage nicht abstirbt. Sie istden Deutschen angeboren." Es scheint da-mals wie heute keine Trivialität zu geben, dienicht geglaubt würde, wenn sie sich nur ge-gen die Deutschen richtet. Präsident Trumanlegte die Schrift jedem Amerikaner alsPflichtlektüre dringend ans Herz, und Gene-ral Eisenhower ließ die Offiziere seines Sta-bes die Thesen dieses durch und durch unse-riösen Buches kommentieren.

So phantasievolle Geschichtslegenden wa-

89

Page 89: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ren von den ohnehin nicht sonderlich mitprofunden Geschichtskenntnissen gesegne-ten Amerikanern kaum ernsthaft nachzuprü-fen. Diese sind nicht einmal imstande, ihreeigene Geschichte von einem unangemesse-nen Glorienschein zu befreien und den har-ten und gewiß höchst unpopulären Realitä-ten gefaßt ins Auge zu blicken. Ihr Sündenre-gister ist bekanntlich erheblich und weist sieals eines der aggressivsten und gewalttätig-sten Völker der Weltgeschichte überhauptaus. Ihre robuste Cowboymentalität habensie leider bis heute noch nicht abschleifenkönnen. Ihre Kriminalstatistik scheint dieVermutung zu bestätigen, daß bei ihnen derColt immer noch recht locker sitzt. Auch imHinblick auf die von ihnen im Laufe der Ge-nerationen vom Zaune gebrochenen kriegeri-schen Auseinandersetzungen erweisen siesich im internationalen Vergleich als un-schlagbar.

Gerade deswegen versuchten die amerika-nischen Umerzieher sogleich nach Kriegsen-de die geschlagenen Deutschen durch oft ge-türkte Konzentrationslagerfilme das Gru-seln über ihre vergangenen braunen Macht-haber zu lehren. Durch eine solche gezielteSchocktherapie sollten sie sich von ihrer Ver-gangenheit abnabeln und wieder einmal, sich

90

Page 90: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

vor die Brust schlagend und ihr Paterpeccavistammelnd, in Sack und Asche durch dieWeltgeschichte schleichen. Die eigenenKriegsverbrechen bis hin zu den Atombom-benabwürfen über japanischen Städtenkehrte man großzügigerweise gleichzeitigunter den Teppich. Solange Menschen Ge-schichte machen, haben immer schon die Sie-ger die Geschichte geschrieben.

Die spezifisch amerikanische Spielart un-erträglicher Heuchelei, den Splitter im Augeder anderen zu sehen, über den Balken im ei-genen Auge jedoch großzügig zur Tagesord-nung überzugehen, hat in den angelsächsi-schen Ländern eine lange und böse Tradition.Vom englischen "Cant" läßt sich sagen, daßer auch in den USA kräftig Wurzeln geschla-gen hat. Allerdings verhält sich die amerika-nische Variante dieses menschlichen Fehl-verhaltens zum englischen Original wie einWildling zum Edelgewächs. Man betreibt inGottes eigenem Land diese hohe Kunst, allenur erdenklichen Vorteile für sich einzukas-sieren, und das, ohne jeden Anflug von mora-lischen Skrupeln. Im Hochgefühl besondererAuserwähltheit setzt man sich über derglei-chen Rücksichten nach bewährter Wildwest-manier hinweg. Obwohl man sich mit Bra-vour außerhalb jeder Moralität zu bewegen

91

Page 91: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

pflegt, tritt man in der Welt mit dem elitärenAnspruch des Heilsbringers auf.

Die amerikanische Geschichte ist dannauch ein Konglomerat von moralischen Aus-rutschern und singulären Gewalttätigkeiten.Der Ozeanflieger Charles A. Lindbergh(1902-1974) hat aus gegebenem Anlaß denSchleier vom wahren Gesicht seiner Lands-leute gerissen, als er Zeuge der Behandlungjapanischer Gefangener wurde, denen ameri-kanische Soldaten die Goldkronen ausbra-chen, ehe sie diese "Untermenschen" unterlauter Gerumpel verscharrten.

"Wir, die wir behaupten, die Deutschenhätten durch ihre Behandlung der Juden diegesamte Menschheit beschmutzt", heißt esdaher in seinem Kriegstagebuch, "haben mitunserer Behandlung der Japaner bewiesen,daß wir um kein Haar besser sind." Im übri-gen war Lindbergh der Meinung, nicht dieDeutschen und Japaner allein, sondern An-gehörige aller Nationen hätten sich im Kriegzynisch über die sonst gültigen Normen bür-gerlicher Moral hinweggesetzt.

Seit der deutschen Wiedervereinigung istdie gouvernantenhafte angelsächsische Atti-tüde, dem kleinen Bruder inmitten Europasum jeden Preis am Zeuge zu flicken, wiedereinmal bis zum Exzeß gesteigert worden. Seit

92

Page 92: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

unser Land auf dem besten Wege ist, den ver-lorenen Weltkrieg zumindest wirtschaftlichdoch noch zu gewinnen, schrillen in denFunkhäusern und Redaktionsstuben derAmerikaner wieder einmal die Alarmglok-ken. Die prominenten Kommentatoren desLandes entwickeln eine geradezu hektischeProduktivität, um den 9. November 1989 alseinen Tag unsäglichen Unheils zu beschwö-ren und uns mit allerlei Unflat zu bewerfen.Die "Krauts" werden von ihnen wieder wiebereits in den Tagen, als Präsident Reaganden Soldatenfriedhof in Bitburg besuchte,auf dem auch Angehörige der Waffen-SS bei-gesetzt wurden, reichlich mit bombastischenTotschlagvokabeln eingedeckt. Offenbar zit-tern unsere sonst so erfolgreichen amerikani-schen Umerzieher wegen der vermeintlichenGefahr unseres Ausscherens aus der soge-nannten "westlichen Wertegemeinschaft"und einer allzu demonstrativen Ostorientie-rung, die zugleich eine Abnabelung vomamerikanischen Kolonialismus bedeutenwürde. Solange jedoch amerikanische Trup-pen noch auf deutschem Boden stehen, der"American way of life" von ahnungslosenDeutschen bis zur Weißglut betrieben wirdund uns die alten Haßtiraden von jenseits desOzeans um die Ohren knallen, kann man

93

Page 93: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

kaum ernsthaft von einer neuen deutschenSouveränität oder vom Ende der Nachkriegs-ära sprechen.

Solange die giftige amerikanische Revol-verpresse noch ungestört am deutschen Pre-stige herumkratzen kann, ohne entsprechen-de Gegenaktionen befürchten zu müssen,wird mit einer Aufwertung des deutschenNamens in Amerika kaum zu rechnen sein.Bei einschlägigen demoskopischen Mei-nungsumfragen in Gottes eigenem Land nachdem Beliebtheitsgrad einzelner Nationenrangieren wir, was weiter nicht verwundernkann, weit abgeschlagen als mild leuchten-des Schlußlicht.

Vielleicht läßt sich eines Tages doch einedeutsche Regierung einmal etwas Gescheiteseinfallen, diesem unerträglichen Spuk ehr-abschneidender Diffamierung ein Ende zubereiten. Es wäre an der Zeit, das Verhältniszwischen Deutschen und Amerikanern zuentemotionalisieren und es auf handfestenRealitäten aufzubauen. Offenbar sind aberimmer noch genug Kräfte am bösen Werke,die wirtschaftlich bereits kühn an Amerikavorbeiziehenden Deutschen und Japaner alslästige Konkurrenten nicht etwa durch ent-sprechend höhere Leistungen wieder einzu-holen, sondern ihnen durch wahre Breitsei-

94

Page 94: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ten unqualifizierter Diskriminierungen dasWasser abzugraben.

4. Polen

Von allen Staaten Europas, vielleicht sogarder gesamten Welt, hat sich Deutschlanddurch seine vertrackte Mittellage in einemohnehin überbevölkerten Erdteil im Laufeseiner Geschichte immer wieder mit wech-selndem Erfolg mit seinen Nachbarn in Ostund West, Nord und Süd auseinandersetzenmüssen. Ein Staat, der mit zehn Ländern ge-meinsame Grenzen unterhält, muß sichzwangsweise stets der tödlichen Zange einesMehrfrontenkrieges ausgeliefert sehen.

Die unerfreuliche Tatsache, daß Deutsch-land immer wieder in Kriege verwickelt wur-de, deren Ursachen es zumeist selbst nicht zuverantworten hatte, und daß auf seinem Ter-ritorium auch Machtkämpfe anderer konti-nentaler Mächte ausgetragen wurden, gehörtuntrennbar zum deutschen Schicksal, dasvon der Ungunst dieser Mittellage mitbe-stimmt wurde.

Immer war das zerrissene Land gezwun-gen, fremde Invasionen abzuwehren, unddiese vorwiegend defensive Haltung hat den

95

Page 95: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

deutschen Volkscharakter entscheidend mit-geprägt. Ganz zu Unrecht hat die ständigeAbwehrbereitschaft den Deutschen denleicht zu widerlegenden Makel eines habitu-ellen Militarismus eingetragen. Davon kannbei näherer Betrachtung der deutschen Ge-schichte ganz und gar keine Rede sein. Vondeutschem Boden gingen nämlich die aller-wenigsten Kriege aus. Die Legende vomdeutschen Militarismus ist eine jener Ge-schichtslügen, gegen die offenbar selbst Göt-ter vergebens kämpfen.

Der Umstand, daß unser Verhältnis zumöstlichen Nachbarn Polen immer besondersproblematisch war und noch ist, haben wirnicht nur der gemeinsamen offenen Grenze,sondern der gravierenden Gegensätzlichkeitder beiden Volkscharaktere zu verdanken.Um es ohne globale Verallgemeinerung zu sa-gen: Die Polen haben ihre Inferiorität gegen-über den zweifellos überlegeneren und er-folgreicheren Deutschen seelisch nie so rechtverkraften können. Im Grunde haben sie sichnämlich nie über den Status des ewigen Al-mosenempfängers erhoben. Stets waren sieversucht, begehrlich auf Nachbars Garten zublicken, statt sich durch eigenen Fleiß einenerträglichen Wohlstand zu schaffen.

Selbst in jüngster Zeit geisterte noch der

96

Page 96: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Begriff "Wohlstandsgrenze" bei den Ver-handlungen über die offene polnische West-grenze in den Köpfen polnischer Verhand-lungsführer herum. Offenbar möchten diePolen, ohne eigene Anstrengungen, gern amdeutschen Wohlstand teilnehmen. Leider ha-ben sie jedoch das immer noch gültige Wortvon der "polnischen Wirtschaft" nicht durchentsprechende Taten widerlegen können. Ihrpathologischer Länderhunger steht in einemdiametralen Gegensatz zu ihrem Talent, Ter-ritorien, die sie unter höchst zweifelhaftenUmständen anderen abgeluchst haben, auchin blühende Provinzen zu verwandeln.

Angesichts des geradezu grotesken Chau-vinismus der Polen gelangte bereits der Feld-herr des Dreißigjährigen Krieges, Albrechtvon Wallenstein (1583-1634), zu der Er-kenntnis: "Die Polen sind von Natur derDeutschen Feind." Vier Jahrhunderte späterrang sich der polnische Diktator Pilsudskibei Gelegenheit das schwerwiegende Wortvon der tausendjährigen Deutschfeindlich-keit des polnischen Volkes ab.

Der fatale Chauvinismus der unbelehrba-ren Polen flammte besonders im 19. Jahrhun-dert auf und erlangte Hitzegrade, von denensich Völker mit ausgeglichenerem Tempera-ment kaum eine Vorstellung machen können.

97

Page 97: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Deutschenhaß und Judenhaß schaukeltensich in hitzigen polnischen Gemütern gegen-seitig hoch. In beiden Fällen empfand man ei-ne schmerzliche Inferiorität gegenüber derdeutschen oder jüdischen Überlegenheit.

Der polnische Romancier Wierzbinskimachte damals seinem bedrückten HerzenLuft, indem er sich seinen Landsleuten ge-genüber über den prototypischen Deutschenso ausließ: "Er besitzt sogar die charakteri-stische Eigenschaft, daß ihm das Brot, das erdem Nächsten vom Munde reißt, am bestenschmeckt." Damals hielt man die Deutschenfür "bis ins Innerste vergiftet", und die Tot-schlageparole "Hau ihn, denn er ist ein Deut-scher! " kursierte im Lande ebenso wie derSlogan "Hundert Jahre soll leben, wer einemDeutschen in die Fresse schlägt! " Nach demErsten Weltkrieg stimmten sich die Polen, diezum Sieg der Alliierten nicht das Geringstebeigetragen hatten und die Existenz ihresStaates den Deutschen verdankten, auf dasgrößenwahnsinnige Schlagwort vom"Marsch auf Berlin" ein.

Man brannte förmlich auf eine kriegeri-sche Auseinandersetzung mit den ge-schwächten Deutschen, denen man nicht nurOberschlesien, Posen und Westpreußen ent-rissen hatte, sondern auch noch Ostpreußen

98

Page 98: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

und Pommern rauben wollte. Landkartenmit der Aufteilung des östlichen Deutschlandbis hin nach Berlin ließ der polnische "West-marken-Verein" in großen Mengen verbrei-ten, um die Ländergier der Polen zu stimulie-ren. In jedem Fall bildete man sich in völligerVerkennung der Realitäten ein, eines Tagesgehörig mit den Preußen abrechnen zu kön-nen und ihnen ein zweites "Grunwald" zu be-scheren. Man träumte nämlich immer nochvon einer Wiederholung der Schlacht vonTannenberg, in der im Juli 1410 das zahlen-mäßig stark unterlegene Heer des DeutschenRitterordens von den Polen und Litauern ge-schlagen worden war.

Immer aktuell blieb auch der ominöse "Ge-sang der polnischen Patrioten" aus dem Jah-re 1848, in dem es heißt: "Unser Feind, derDeutsche falle! Wer die deutschen Hundehängt, wird sich Gottes Lob erwerben." Im-mer schon haben sich die Polen der Hilfe derKirche bei ihren Massakern an Deutschenversichern können und sich damit so etwaswie ein moralisches Alibi verschafft. Anson-sten haben sie den in ihren patriotischen Ge-sängen angemahnten Deutschenmord immerwieder in die Tat umgesetzt.

Der von den Polen praktizierte pathologi-sche Chauvinismus ist in der deutschen Ge-

99

Page 99: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

schichte nicht denkbar. Schon Otto von Bis-marck wußte, was er sagte, als er, den deut-schen Volkscharakter anvisierend, imReichstag feststellte: "Nichts liegt dem deut-schen Charakter ferner als die Art Chauvi-nismus, die darin besteht, daß man die voll-ständige Vernichtung des Feindes anstrebt."

In Polen meinte man es hingegen ernst,wenn man zur Vernichtung der Deutschenaufrief. Noch am 10. August 1939, also kurzvor dem deutschen "Überfall" auf Polen, ließsich eine polnische Zeitung zu folgenderHaßtirade hinreißen: "Immer allgemeiner istjetzt die Auffassung, daß 'Karthago' zerstörtwerden müsse. Mit raschen Schritten nähertsich der Augenblick, in dem die Auffassungüber die Notwendigkeit der Beseitigung desPestherdes im Zentrum Europas Allgemein-gut wird. Dann wird von Deutschland nurnoch ein Trümmerhaufen übrigbleiben." Einpaar Wochen später nur mußten die polni-schen Traumtänzer ihr verstiegenes Wunsch-denken mit der größten Niederlage ihrer Ge-schichte bezahlen.

Ohne ihre unglaublichen Phantastereienvon künftigen Annektionen fremder Territo-rien, die sie dann in Grund und Boden wirt-schaften, können die Polen offenbar nichtexistieren. Natürlich vollzieht sich dieser

100

Page 100: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Mangel an einem gesunden Realitätssinn inder Regel auf Kosten der Deutschen. Immerwieder taucht in der vernebelten Vorstel-lungswelt der Polen der Traum von einerneuen Großmachtstellung wie in jagelloni-schen Zeiten auf, obwohl sie längst nicht ein-mal mehr die gestaltende Kraft für eine neuefunktionierende Staatsbildung besitzen unddaher immer neue Teilungen über sich erge-hen lassen mußten. Man wird sich damit ab-finden müssen, daß realitätsfremde Groß-mannssucht ein hervorstechender Charak-terzug der Polen ist. Sie setzten sich über al-les Völkerrecht hinweg und beanspruchtennicht nur urdeutsche Gebiete, sondern auchWolhynien, Wilna und das Olsagebiet.

Nach dem Ersten Weltkrieg nutzten sie dieSchwäche Rußlands und Deutschlands aus,um systematisch auf Landraub auszuziehen.Die polnische Westexpansion wurde dannbekanntlich durch den Einsatz deutscherFreikorps am Annaberg gestoppt. Trotzdemmußte die krisengeschüttelte Weimarer Re-publik 1922, 1923, 1931 und 1932 mit polni-schen Militäraktionen gegen Ostpreußen undOberschlesien rechnen. In den Jahren 1919bis 1921 wurden rund 400.000 Deutsche vonden Polen aus ihrer angestammten Heimatvertrieben. Bis 1939 hatte sich diese Zahl

101

Page 101: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

auf anderthalb Millionen Vertriebene erhöht.Der französische General Maxime Wey-

gand (1867-1965) berichtete über seine bitte-ren Erfahrungen als Verhandlungsführer mitder polnischen Regierung: "Wie kann mandiesen zügellosen und verblendeten Polenauf ihrem Pegasus Vernunft beibringen?"Der amerikanische Präsident Wilson hattezur gleichen Zeit im Umgang mit Polen fol-gende Erfahrungen gemacht: "Ich habe siegebeten, mir zu sagen, was ihrer Meinungnach unter 'Polen' zu verstehen wäre, und siehaben mir eine Karte gezeigt, mit der sie diehalbe Welt verlangten."

Noch im Februar 1939 äußerte sich der pol-nische Unterstaatssekretär Graf Szembekdem deutschen Botschafter in Warschau ge-genüber: "Die Polen sind eine Nation, die zuallem bereit ist. Keine Vernunft kann sie zu-rückhalten. Sie stimmen allen radikalenMaßnahmen zu."

Nach dem Tode Pilsudskis, der mit der na-tionalsozialistischen Regierung noch einenNichtangriffspakt geschlossen hatte, er-reichte die antideutsche Stimmung in Poleneinen neuen Höhepunkt. Die säbelrasselndedeutschfeindliche Propaganda lief auf vollenTouren. Für die Polen handelte es sich vor al-lem darum, wie man nun doch noch die deut-

102

Page 102: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sehen Ostgebiete, die man in Versailles denDeutschen noch gelassen hatte, ebenfalls ansich bringen könnte. Man erhöhte damals dieArmee auf 750.000 Mann, mit denen man, wieder polnische Außenminister Josef Beck(1894-1944) zynisch bemerkte, die "Diskus-sion über Danzig" bestreiten wollte.

Bekanntlich wurde bereits am 23. März1939 von den Polen eine Teilmobilmachungverfügt und den Deutschen damit unmißver-ständlich mit Krieg gedroht. Im Juli des glei-chen Jahres hielt der polnische Oberkom-mandierende, Marschall Rydz-Smigly, vorpolnischen Offizieren eine Ansprache, in derer an den Kriegsabsichten Polens nicht dengeringsten Zweifel ließ. "Polen will denKrieg", verkündete er großsprecherisch,"und Deutschland wird ihn nicht verhindernkönnen, selbst wenn es das wollte."

Die polnische Führung ventilierte den Ge-danken, die auf schwankenden Füßen ste-hende polnische Republik könnte nur durcheinen schnellen Sieg über Deutschland sa-niert werden. Man spielte mit dem Feuer, in-dem man die deutsche Minderheit auf provo-zierende Weise schikanierte. Eben diese Ent-wicklung in Polen hatte der konservative bri-tische Premierminister Lloyd George (1863-1945) bereits in Versailles vorausgesagt, als

103

Page 103: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

er die Alliierten vor allzu drastischen Maß-nahmen gegen Deutschland warnte.

"Ungerechtigkeit, Anmaßung in der Stun-de des Triumphes zur Schau gestellt, wird nievergessen noch vergeben werden", gab er da-mals zu bedenken. "Aus diesem Grunde binich strikt dagegen, mehr Deutsche von deut-scher Herrschaft der Herrschaft von irgend-welchen Nationen zu übertragen, als unbe-dingt notwendig ist. Ich kann mir keinenstärkeren Grund für künftige Kriege vorstel-len, als wenn das deutsche Volk, das sich si-cherlich als eine der kräftigsten und macht-vollsten Rassen in der Welt erwiesen hat, voneiner Anzahl Staaten umschlossen würde, dievorher nie selbständig eine dauerhafte Regie-rung errichtet haben, deren jeder aber breiteMassen Deutscher umfaßt, die nach der Wie-dervereinigung mit ihrem Deutschland lech-zen. Der Vorschlag der polnischen Kommis-sion, wir möchten 2,1 Millionen Deutsche un-ter der Herrschaft eines Volkes stellen, dasnie während seiner Geschichte die Fähigkeitzu einer starken Selbstregierung bewiesenhat, muß nach meinem Urteil über kurz oderlang zu einem neuen Krieg im Osten Europasführen."

Der deutsche Historiker und PolitologeMichael Freund (1902-1972) ließ sich über

104

Page 104: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

das provokative Verhalten der Polen zwi-schen den beiden Kriegen folgendermaßenaus: "Die Geschichte Polens in den letztenJahren vor dem Zweiten Weltkrieg ist eineGeschichte von Heroismus und Narrheit.Diese Nation hat zu viel in geschichtlicherNacht gelebt, um immer genau die Wirklich-keit der Erde zu erfassen." Ähnlich hatte sichübrigens Friedrich Engels schon 1848 überdie verstiegenen Polen geäußert: "Die Polenhaben nie etwas anderes in der Geschichtegetan, als tapfer und krakeelsüchtig Dumm-heiten gespielt."

"Sie werden marschieren", stand für denDiplomaten und Historiker Carl J. Burck-hardt (1891-1974) fest, der in den dreißigerJahren in Danzig als Kommissar des Völker-bundes fungierte. "Die Polen haben ihr Granan Narrheit. Sie zerschlagen die Weingläsernach Mitternacht; sie sind das einzige un-glückliche Volk in Europa, das nach demSchlachtfeld Verlangen hat. Sie sind ruhm-süchtig und kennen das Maßhalten nicht."

In den dreißiger Jahren trieb dann die Rea-litätsfeindlichkeit der Polen gefährliche Blü-ten. Man spielte herausfordernd mit demLangmut der deutschen Regierung. Berlin er-hob nur einmal Protest, als in Warschau eineKarte verbreitet wurde, auf der Polens Gren-

105

Page 105: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ze von der Elbe bis nach Moskau reichte undaußerdem Litauen mit in ein großpolnischesReich eingeschlossen war. Immer wieder leb-te also die alte polnische Vision von einem"Dritten Europa" auf. Es handelte sich umeine Wiederauferstehung des jagellonischenReiches, das von der Ostsee bis zum Dnjeprreichen sollte und in dem nur ein Drittel derBevölkerung die polnische Sprache sprach.

Immer wieder entlud sich der Haß auf dendeutschen "Todfeind", namentlich auf dieVolksdeutschen in Polen, die ihre ganzeKraft daransetzten, ein wenig Ordnung in die"polnische Wirtschaft" zu bringen, und dieman mit hemmungsloser Grausamkeit ver-folgte. Ehe den unsäglichen Vertreibungs-verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg et-wa drei Millionen Deutsche zum Opfer fielen,herrschte in Polen bereits eine antideutschePogromstimmung. Beim Ausbruch des Zwei-ten Weltkrieges, den die Polen förmlich her-beigesehnt hatten, um endlich ihren so langeschon geplanten Marsch auf Berlin antretenzu können, befanden sich 70.000 Volksdeut-sche aus Polen in deutschen Flüchtlingsla-gern.

Die polnische Minderheitenpolitik setztesich über alle bestehenden völkerrechtlichenRegelungen hinweg. Sie war vom gleichen

106

Page 106: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

hemmungslosen Chauvinismus wie die Au-ßenpolitik geprägt. Man tendierte dahin,"fremde Elemente" um jeden Preis zu redu-zieren, wenn nicht gar völlig auszurotten, aufjeden Fall aber ihnen die Lebensrechte zu be-schneiden. Dementsprechend wurden dannauch die deutschen Schulen geschlossen unddas Erbrecht der Deutschen annulliert. 1934kündigte die polnische Regierung sogar dasinternationale Minderheitenschutzabkom-men, das man ohnehin viele Jahre mißachtethatte.

Auch in den dreißiger Jahren hatte diePresse laufend von Deutschenpogromen inPolen zu berichten. Nach dem Tode Pilsuds-kis im Jahre 1935 verschlechterten sich diedeutsch-polnischen Beziehungen so sehr, daßtägliche Ausschreitungen gegenüber Deut-schen an der Tagesordnung waren. PolnischePatrioten gaben damals die Parole aus, imFalle eines Krieges mit dem Reich dürfe keineinziger Deutscher lebend davonkommen.Die Beschwörung einer deutschen Bartholo-mäusnacht in Polen blieb dann auch keinrhetorisches Feuerwerk. Bei Kriegsausbruchwurde sie furchtbare Realität.

Am 1. September 1939, als die Berliner Re-gierung nicht länger passiv zusehen konnte,wie Deutsche zusammengeschlagen wurden,

107

Page 107: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

und zurückgeschossen wurde, setzte die an-gekündigte "Jagd auf Deutsche" in ganz Po-len, vornehmlich aber in der Stadt Brombergein, die allein am sogenannten "BrombergerBlutsonntag" 7.000 Opfer zu beklagen hatte.In diesen Tagen des dynamischen deutschenVormarsches hatte der Deutschenhaß nocheinmal Gelegenheit, sich hemmungslos aus-zutoben. Miliz und paramilitärische Einhei-ten zeichneten sich bei diesen Massakern vorallem aus.

Nach der Kapitulation der deutschenWehrmacht am 8. Mai 1945 steigerte sich derpolnische Nationalismus bis zum Exzeß. DerKrieg, den die Polen gewollt und provozierthatten, hatte nun ohne eigenes Dazutun dieBlütenträume der Polen erfüllt. Sie erreich-ten auf Kosten Deutschlands eine unerwarte-te Expansion. Außerdem hatte man nun end-lich Gelegenheit, sich der vielgehaßtenVolksdeutschen zu entledigen und sie rück-sichtslos von Haus und Hof zu vertreiben. Diedamit verbundenen Verbrechen, deren Er-wähnung der sogenannten Entspannungspo-litik halber heute in der zwischenstaatlichenDiskussion nicht erwünscht ist, da ein "Auf-rechnen" zumindest bei uns zulande als Stö-rung des faulen Friedens geahndet wird, ge-hören zu den schlimmsten, die jemals an ei-

108

Page 108: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ner ethnischen Minderheit verübt wurden.Das polnische Lager Lamsdorf, von dessen8.000 Insassen nur 1.048 überlebten, hat bisheute einen traurigen Symbolcharakter fürdie Ausmaße des polnischen Deutschenhas-ses behalten.

Ganz allgemein sind aus den deutschenOstgebieten etwa 16 Millionen Deutsche ver-trieben worden. Drei Millionen von ihnen er-reichten den rettenden deutschen Bodennicht mehr. Alles in allem eine Schrecken er-regende Bilanz eines organisierten Völker-mordes also, den man von polnischer Seiteaus heute verharmlosend als "Umsiedlungs-aktion", die von den Alliierten veranlaßt undabgesegnet wurde, herunterzuspielen ver-sucht. Während unsere Politiker dieses Ta-buthema sorgsam bei ihren Sonntagsredenaussparen, meldete selbst ein so hartgesotte-ner Deutschenhasser wie Winston Churchillmoralische Bedenken gegen die einzigartigenVerbrechen an, die ungestraft in den deut-schen Ostgebieten begangen wurden. "Dasfinsterste Mittelalter war nicht so grausamund erfinderisch im Quälen von Menschenwie jene Polen, denen deutsche Menschenhilflos ausgeliefert waren", faßte eines derüberlebenden Opfer diesen Holocaust un-schuldiger Deutscher zusammen.

109

Page 109: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Selbst völkerrechtlich stellt die "Umsied-lung" der Ostdeutschen eines der bedeutend-sten Vergehen der Weltgeschichte dar. Manfindet in der Tat in der Geschichte keine Pa-rallele zu der Tatsache, daß Menschen eineKulturlandschaft zwangsweise verlassenmußten, die sie über mehr als 700 Jahrenmühsam zu einer blühenden Provinz aufge-baut hatten. Noch gravierender aber scheintes zu sein, daß durch laufende Massen-Desin-formation deutscher Medien uns allen einSchuldkomplex eingehämmert wird, so daßwir gar nicht erst zur Besinnung kommen,über die verschwiegene Schuld der Polennachzudenken. Selbst auf deutschen Schu-len, die diesen Fragenkomplex bewußt igno-rieren, besteht in dieser Hinsicht ein kaumglaubliches Bildungsdefizit.

Die Vertriebenen selbst, denen man so übelmitgespielt hat, haben später, im August1950, in ihrer "Charta" großherzig auf jedeRache und Vergeltung den entfesselten Polengegenüber verzichtet. Im Gegensatz zu denJuden haben die Deutschen kein Kapital ausdiesem Opfergang geschlagen. Nicht einmalein einziges Denkmal erinnert an diese Kul-turschande des 20. Jahrhunderts. Aber mangeht fehl in der Annahme, die Polen hättendiese Versöhnungsgeste durch ein entspre-

110

Page 110: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

chend moderates Verhalten den Deutschengegenüber honoriert.

Es war sogar ein Pole, der kommunistischeGeneralsekretär Wladyslaw Gomulkas, derim Jahre 1956 dem Thema der Völkerverstän-digung etwas Hörenswertes beizusteuernhatte. "Der Wahrheit kann man nicht entge-hen", meinte er zutreffend. "Wenn man sieunterdrückt, kommt sie als gefährliches Ge-spenst wieder." Leider haben sich seineNachfolger diese Weisheit nicht zu Herzengenommen. Sie haben sich nicht einmal dazudurchringen können, das Verbot, deutscheGefallenengräber des Ersten und ZweitenWeltkrieges in Polen pflegen zu dürfen, auf-zuheben. Trotz des spektakulären KniefallsWilly Brandts in Warschau und der landes-verräterischen Preisgabe von einem Vierteldeutschen Landes an die immer länderhung-rigen Polen wartet man vergeblich auf ent-sprechende Gesten. Statt dessen schürt manvielmehr wie eh und je den alten polnischenDeutschenhaß. Wie man wirklich immernoch über die Deutschen denkt, hatte erst imApril 1990 der jetzige Staatspräsident undFriedensnobelpreisträger Lech Walesa vonsich gegeben.

"Ich werde eine Äußerung machen, diemich in Deutschland nicht populär machen

111

Page 111: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wird", gab er in einem Interview mit der nie-derländischen Wochenzeitung "Elsevier" zuverstehen, um dann fortzufahren: "Wenn dieDeutschen erneut Europa in der einen oderanderen Art destabilisieren sollten, dannwird es in Zukunft nicht mehr zu einer Tei-lung kommen, sondern man wird dieses Landeinfach von der Landkarte ausradieren. Mitder fortgeschrittenen Technologie sind Ostund West gemeinsam in der Lage, dieses Ur-teil zu vollstrecken. Ich bin davon überzeugt,daß die Deutschen sich dieses Risikos selbstbewußt sind und daß dies eine mäßigendeWirkung auf ihre Haltung in der polnisch-deutschen Grenzfrage haben wird."

Einen ähnlichen Affront gegenüber demdeutschen Nachbarn erlaubte sich der glei-che Walesa, als er den deutschen Bundesprä-sidenten Richard von Weizsäcker bei seinemBesuch in Danzig, dessen rein deutsche Be-völkerung nach 1945 niedergemetzelt oderaber unter drakonischen Maßnahmen ver-trieben worden war, mit den triumphieren-den Worten empfing: "Ich begrüße Sie impolnischen Danzig!"

Alle Zeichen der äußersten Selbstentäuße-rung von deutscher Seite aus haben die Polennicht dazu bewegen können, ihre Haltung ih-ren deutschen Nachbarn gegenüber einmal

112

Page 112: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

gründlich zu revidieren. Immer noch lassensie nicht mit sich über eine förmliche Aner-kennung der in ihrem Machtbereich leben-den Deutschen als Minderheit mit allen ver-brieften Rechten reden. Weder die kommuni-stische, noch die derzeitige demokratischeRegierung hat sich zu solchen selbstver-ständlichen Konzessionen im Sinne des Völ-kerrechts durchringen können.

Was aber eher noch schwerer ins Gewichtfällt, ist die Tatsache, daß zwei Drittel vonBefragten einer Umfrage angaben, in denDeutschen ihren erklärten "Erbfeind zu er-blicken, mit dem keine Verständigung mög-lich" sei. Noch Anfang 1990 klebten an Op-pelner Lokalen Plakate mit der Aufschrift"Für Hunde und Deutsche kein Eintritt".

Während einer Fernsehsendung über dasdeutsch-polnische Verhältnis konnte manwahre Orgien an Deutschenhaß erleben. DerModerator berichtete beispielsweise, seinfünfjähriger Sohn male am liebsten Bilderüber den Krieg mit lauter erschossenen deut-schen Soldaten. Die Anregungen für diesekünstlerischen Offenbarungen empfange erim Vorschulunterricht.

Während die deutschen Regierungen un-mittelbar nach 1945 den Verzicht auf diedeutschen Ostgebiete schlicht als Verrat ab-

113

Page 113: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

lehnten, ist Bonn inzwischen längst über dieKöpfe der Betroffenen hinweg den ständigenpolnischen Erpressungsversuchen erlegen.Man hat ein Viertel deutschen Landes an no-torische Landräuber abgetreten, von denenalle Welt weiß, daß sie in kurzer Zeit dasKunststück fertigbringen, landwirtschaftli-che Überschußgebiete in Zuschußgebiete zuverwandeln. Sicher ist nur, daß mit der "end-gültigen" Regelung der Grenzfrage an Oderund Neiße der Landhunger der Polen nochkeineswegs befriedigt sein wird. Sie werdensich weitere Repressalien einfallen lassen,um die Deutschen erpreßbar zu halten unddas Wohlstandsgefälle zwischen Ost undWest ohne eigene Kraftanstrengungen abzu-bauen.

Natürlich sind sich die Polen in ihrem tie-fen Innern bewußt, daß die Oder-Neiße-Linievölkerrechtlich eine Unrechtsgrenze ist, undhoffentlich sind sie weise genug, um zu wis-sen, daß unrechtes Gut nie gedeihen kann.Verständlich daher, daß sie immer wieder an-gesichts der erdrückenden Nähe der fleißigenDeutschen in eine Art Panikstimmung ver-fallen werden. Sie werden trotz fortgesetzterDeutschenhetze von unserer Regierung Wirt-schaftshilfe fordern und auch erhalten. Füruns Deutsche aber steht es fest, daß der Ver-

114

Page 114: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

zieht auf urdeutsches Land Verrat am deut-schen Volk ist und bleibt. Das leidige Polen-problem, das uns über Jahrhunderte hin ver-folgt und belastet, ist mit einer solchen un-würdigen Konzession jedenfalls noch keines-wegs aus der Welt geschafft.

115

Page 115: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Kapitel III:

Selbsthaß der Deutschen

Der bis zur Selbstzerstörung ausuferndeSelbsthaß der Deutschen scheint ein einmali-ges deutsches Phänomen zu sein, das Bis-marck schon im Reichstag anprangerte. Die-se Perversion des deutschen Charakters stelltsicher das wohl betrüblichste Symptom derso oft diagnostizierten deutschen Neurosedar, gegen die offenbar kein Kraut gewach-sen ist.

"Ich kenne kein anderes Beispiel in der Ge-

116

Page 116: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

schichte dafür, daß ein Volk diese nahezuwahnwitzige Sucht zeigt, die dunklen Schat-ten der Schuld für ein Verbrechen auf sich zunehmen, das es nie beging, es sei denn jenesVerbrechen, sich selbst die Schuld am Zwei-ten Weltkrieg aufzubürden", steuerte deramerikanische Historiker Harry E. Barnesdiesem traurigen Kapitel deutscher Verhal-tensgestörtheit eine bezeichnende Margina-lie bei.

Schon römische Autoren wußten von un-kontrollierten Ausbrüchen des Selbsthassesbei den Germanen zu berichten. Heute sind esvorwiegend unsere famosen Linksintellektu-ellen, die keine Gelegenheit auslassen, in denMedien, die ihnen mit einer geradezu aufrei-zenden Ausschließlichkeit zur Verfügungstehen, ihrem Deutschenhaß die Zügel schie-ßen zu lassen.

Diese passionierten Nationalallergikerlassen sich diesen Deutschenhaß der mit ih-rer sonstigen Lebensmaxime von absoluterToleranz so kläglich kollidiert, auch durchnoch so überzeugende Argumente nicht trü-ben. Sie brauchen diese Form von Rassismus,der sich gegen ihr eigenes Volk richtet, umsich einen Nimbus von menschlicher Überle-genheit zu verschaffen. Ihr politisches Credoartikuliert sich sinnigerweise in Losungen

117

Page 117: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wie "Deutschland, halt's Maul" oder "Niewieder Deutschland" und gipfelt in der Paro-le "Deutschland verrecke!", mit der sie mitSicherheit den Anspruch von Einzigartigkeiterheben können. Bei keinem anderen Volkwären dergleichen Eruptionen von National-masochismus auch nur in Ansätzen denkbar.

Natürlich hat diese Art von Selbstzerflei-schung wieder einmal so ihre gute alte deut-sche Tradition. Der Historiker und Schrift-steller Heinrich von Treitschke (1834-1896)etwa hatte schon in seinem immer noch le-senswerten Kapitel über das "JungeDeutschland" in seiner "Geschichte des 19.Jahrhunderts" herausgefunden, daß deut-sche Nationalmasochisten ihre Passion mitjüdischen Autoren teilen, die ebenfalls ihreBefriedigung darin suchen und wohl auchfinden, "sich selbst mit der äußersten Rück-sichtslosigkeit zu verspotten". "Das Grau-samste, was je über Juden gesagt wurde",fügte Treitschke hinzu, "stammt aus jüdi-schem Munde."

Natürlich ließ progressive deutsche Auto-ren des Vormärz das jüdische Vorbild nichtruhen, um nun auch ihrerseits ganze Kübelvon Unflat über ihr biedermeierlich ver-schlafenes Volk auszuschütten; eine Attitüdeübrigens, die den Dichter Friedrich Hebbel

118

Page 118: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

(1813-1863) zu der Bemerkung veranlaßte,viele seiner Kollegen machten sich einenüblen Sport daraus, Deutschland als Spuck-napf zu mißbrauchen. Es galt damals als be-sonders geistreich, wenn man das hilfloseDeutschland zur Zielscheibe seines Spottesaussuchte.

Was Treitschke noch als "orientalischeWitzelei" herunterspielen konnte, wurdenach der errungenen und sogleich miß-brauchten Pressefreiheit zur wahren Land-plage. Für die Liberalen verstand es sich vonselbst, "die freche Verunglimpfung des Va-terlandes für das sicherste Kennzeichen derGesinnungstüchtigkeit zu halten". Man spe-kulierte auf die "deutsche Schafsgeduld"und den "deutschen Hundemut", um dendeutschen Michel, dessen Karikatur damalsdurch alle Gazetten geisterte, aus seiner poli-tischen Lethargie aufzuschrecken. Man hättesein Phlegma natürlich gern durch eine Fu-ria tedesca ersetzt gesehen, die zum Sturmauf die Traditionen ansetzte. Seitdem Hein-rich Heine (1797-1856) seinen Todeshaß ge-gen Preußen in wohlgesetzten Reimen aus-tobte, hielten es auch unsere liberalen Litera-ten für ihre erste Weltbürgerpflicht, ihre ei-genen Gefühle der Unterlegenheit anDeutschland und den Deutschen abzureagie-

119

Page 119: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ren. Unser Zeitgenosse Heinrich Böll etwarepräsentierte noch auf seine provinzielleFasson die offenbar ewig gleiche deutscheMiserabilität, die in der Tat mit dem An-spruch auf Einmaligkeit in der Welt auftre-ten kann. Bismarck hielt solche unsicherenKantonisten bekanntlich für krankhafteAusnahmen, die er nicht zu den Deutschenzählte.

Schon Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) hatte auf Grund trüber Erfahrungenmit kosmopolitischen Deutschen, die einmultikulturelles Konzept vertraten, in sei-nem 1871 erschienenen Hutten-Epos jene"nichtswürdige deutsche Libertät" ange-prangert, "die prahlerisch im Feindeslagersteht". Schon damals glaubte man also, seineLiberalität, der man ein moralisches Güte-siegel verlieh, am ehesten dadurch zu bewei-sen, daß man sich ausdrücklich außerhalbseines eigenen Volkes stellte.

Im Weimarer Interregnum bot sich unseren"Asphaltliteraten" ausgiebig Gelegenheit,ihre antideutschen Ressentiments von Zu-kurzgekommenen am geschlagenen Deutsch-land auszutoben. Die veröffentlichte Mei-nung kokettierte mit ihrem verblasenen In-ternationalismus, allerdings bekanntlich mitdem naheliegenden Erfolg, daß sie damit eine

120

Page 120: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

nationale Opposition hochschaukelte, diedann auf ihre Fasson deutsche Geschichteschreiben sollte.

Zum unabdingbaren Berufsethos unsererLiteraten nach dem Zweiten Weltkrieg ge-hört vor allem das Zersetzen um jeden Preis.Sie schüren nach besten Kräften den Deut-schenhaß, um der ersehnten multinationalenGesellschaft in diesem Lande den Weg zu be-reiten und damit der deutschen Sache einenwohlgezielten Tiefschlag zu versetzen. Fürsie versteht es sich von selbst, das wohlprä-parierte Hitler-Syndrom auf Biegen und Bre-chen am Leben zu erhalten und alle Entla-stungsindizien vorwiegend ausländischerHistoriker, denen die deutsche Selbstbe-schuldigungsmanie gehörig gegen den Strichgeht, zu unterlaufen. Wer im "freiesten deut-schen Staat" der Stimme seines Gewissensfolgt und es nicht lassen kann, dem gesundenMenschenverstand eine Bresche durch dasDickicht von Tabus und Vorurteilen zuschlagen, hat mit einem empfindlichen Kar-rierebruch zu rechnen. Er wird mit einemTotschweige-Etikett versehen und zur Perso-na non grata, zur Unperson, deklariert. Esmuß wohl späteren Chronisten unserer Zeitüberlassen bleiben festzustellen, ob sich un-sere "negative Elite" aus purem Opportunis-

121

Page 121: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

mus oder ganz einfach aus geistiger Unbe-darftheit und Instinktlosigkeit ins Lager un-serer Feinde schlug.

Bekanntlich blieb der sozialdemokratischeEx-Bundeskanzler Willy Brandt, der in derEmigration seinen fanatischen Deutschen-haß in Schriften wie "Verbrecher und andereDeutsche" auslebte und später durch die mitseinem Namen in Zusammenhang gebrachteKulturrevolution der 60er Jahre Entschei-dendes zur Chaotisierung dieser Republikbeitrug, lange das Idol für viele, die sich nichtdem Vorwurf eines Modernitätsrückstandesaussetzen wollen. Wahrscheinlich gehörenseine Parteigänger zu jener Kaste von Libe-ralen, die schon Theodor Storm (1817-1888)im Sinne hatte, als er meinte, sie wirkten in-nerhalb des Volkskörpers wie Gifttropfen,"die uns im Blute gären".

Aus der jüngeren deutschen Vergangenheitlassen sich ganze Anthologien von deutsch-feindlichen Sentenzen aus der Feder unsererprofessionellen Unterminierer zusammen-stellen. All diese unausgegorenen Gedankenbestätigen letztlich nur die Beobachtung desSchriftstellers Thomas Mann (1875-1955)aus der Zeit des Ersten Weltkrieges: "DieTatsache besteht, daß die deutsche Selbstkri-tik schnöder, bösartiger, radikaler, gehässi-

122

Page 122: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ger ist als die jedes anderen Volkes, eineschneidende, ungerechte Art von Gerechtig-keit, eine zügellos-sympathielose Herabset-zung des eigenen Landes nebst inbrünstigerVerehrung anderer."

Um nur einige Indizien zur Bestätigungdieser Erkenntnis anzuführen: Die 1917 inDänemark geborene und heute in Frankfurtlebende Psychoanalytikerin Margarete Mit-scherlich leistete sich beispielsweise bei ei-nem Fernsehauftritt das makabre Bonmot, eswäre durchaus kein Schaden, wenn die Deut-schen endlich aussterben würden. Sie beweg-te sich damit auf den ausgetretenen Pfadendes hoffentlich unvergessenen Henry Mor-genthau unseligen Angedenkens.

Der Schriftsteller Joseph von Westphalenüberraschte die Deutschen, die ohnehin anstarken Tobak gewöhnt sind, mit dem unge-zügelten Haßausbruch: "Wer die deutscheBestie nicht wahrhaben will, jenen wider-lichsten Typus des Zweibeiners, den diemenschliche Rasse bisher hervorgebrachthat, der ist blind und unbelehrbar."

Selbst der mit allen Klassikerehren be-dachte Frankfurter Goethepreisträger ArnoSchmidt, der unsere Sprache bis zur Unan-sehbarkeit schrecklich strangulierte, äußertesich über seine Landsleute in einem geradezu

123

Page 123: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

klassischen Zitat: "Die Deutschen sind im-mer noch derselbe unveränderliche Misthau-fen, ganz gleich, welche Regierungsform.Schließlich ist es ja auch wirklich egal, ob einKuhfladen rund oder ins Quadrat getretenist: Scheiße bleibt's immer."

Völlig aus ihrer Contenance gerieten unse-re Linksintellektuellen jedoch, als auf denStraßen und Plätzen der Ex-DDR die Rufe"Deutschland einig Vaterland" und "Wirsind ein Volk" skandiert wurden. Da hatteman uns den letzten Rest von Nationalgefühl,das uns noch erlaubt war, über Jahrzehntehinweg gründlich auszutreiben versucht, umnun so etwas wie ein nationales Erwachen zuerleben. Mit dem Debakel des real existieren-den Sozialismus und der deutschen Teilver-einigung sahen unsere Umerzieher nun alleihre Felle davonschwimmen. In der erstenPanik malte man das Gespenst eines "ViertenReiches" an die westdeutschen Wohlstands-fassaden und trauerte tränenden Auges derUtopie eines Sozialismus mit menschlichemAntlitz nach. Dem Hoffnungsträger und da-maligen Kanzlerkandidaten der SPD, OskarLafontaine, schwante Schreckliches. Er for-derte nach diesem Schicksalsschlag katego-risch: "Das Unternehmen Nationalstaat mußein multinationales Unternehmen werden"

124

Page 124: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

und fiel damit bei der Bundestagswahl am 2.Dezember 1990 prompt auf die Nase. DurchHorrorvisionen und unqualifiziertes Euro-pa-Geschwafel ließen sich die Menschen ihrenatürliche Freude an einem elementaren na-tionalen Erlebnis nicht so ohne weiteres ver-miesen.

Natürlich sind mit der deutschen Teilver-einigung die ewigen Miesmacher nicht vomErdboden verschwunden. Mit dem Gnaden-geschenk unserer vermeintlichen Souveräni-tät und nach dem Rückzug der Alliierten fun-gieren sie als deren Lakaien wie eine innereBesatzungsmacht. Im übrigen wird diese Me-diennomenklatur so bald ihre Sessel nichträumen. Ihre Politruks werden ihre Positio-nen, die ihnen niemand streitig macht, mitZähnen und Klauen zu verteidigen verste-hen.

Und im übrigen: Was schert unsere "geisti-ge Schickeria" schon dieses neue Deutsch-land, nachdem sie mit dem alten schon nichtviel im Sinn hatte, obwohl es ihnen alle Privi-legien zuschanzte? London, Paris oder Romstanden ihnen immer schon viel näher als et-wa Berlin, Leipzig oder Halle. Breslau oderKönigsberg scheinen ihnen gar auf einem an-deren Stern zu liegen. Überhaupt assoziierensie mit allem, was hinter der Elbe liegt, höch-

125

Page 125: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

stenfalls noch Begriffe wie Ordnungsmachtoder stures Junkertum.

Unseren Staatspoeten rutschte einfach derBoden unter den Füßen weg, als das histori-sche Naturereignis der Wiedervereinigungunvorhergesehen über die Deutschen herein-brach. Sie scharten sich hilfesuchend um dieideologischen Einpeitscher des von ihnenvertretenen Sozialismus, der so unvermitteltsein Leben ausgehaucht hatte. Als einer derersten ließ sich der Philosoph und SoziologeJürgen Habermas (geb. 1929) zwischen zweiBuchdeckeln über die "nachholende Revolu-tion" aus, indem er die Schale seines Zornsüber den Gott der Geschichte ausschüttete,der die Wiedervereinigung zugelassen hatte.

Dieses letzte Fossil einer mit Pauken undTrompeten an der harten Wirklichkeit ge-scheiterten weltfremden und menschenmor-denden Ideologie sah bereits einen neuen Na-tionalismus in Germanien heraufdämmern.Verständlich, daß ihm der "pausbäckige Na-tionalismus" der Leipziger so gewaltig gegenden Strich ging und er ihm aus unerfindli-chen Gründen nur den Stellenwert eines Stu-kas aus dem letzten Krieg zubilligte. Der vonder Wiedervereinigung angerichtete politi-sche Flurschaden habe inzwischen schon sol-che Ausmaße angenommen, daß sogar die

126

Page 126: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Entschädigungszahlungen an polnischeFremdarbeiter ernsthaft gefährdet seien,schüttete Habermas sein betrübtes Herz aus.Schwer für einen Ideologen, der sich in einementlegenen Elfenbeinturm eingeigelt hat, zubegreifen, daß ihm die Zeit davongelaufenund der verdammte Nationalismus auf dembesten Wege ist, die bestehende Weltordnunggeradezu auf den Kopf zu stellen und dasAntlitz Europas völlig zu verändern.

Natürlich meldete sich wie stets bei deut-schen Schicksalsfragen überlebensgroß derSchriftsteller Günter Grass (geb. 1927) zuWort und schlug wieder einmal in bezug aufseine Fernsehpräsenz alle Rekorde. Der ab-gehalfterte Blechtrommler stellte seine ver-säumten Geschichtslektionen unter Beweis,als er seinen Zuschauern weismachen wollte,der deutsche Nationalstaat habe auf direk-tem Wege nach Auschwitz geführt; denn - soschloß er messerscharf - einzelne Bundes-länder wären gar nicht erst imstande gewe-sen, eine so großangelegte Aktion wie einenVölkermord zu planen, geschweige denndurchzuführen.

Nun kann man dem Kaschuben Grass, dernie deutsch empfinden konnte, allenfallsnoch nachsehen, daß ihm zum ThemaDeutschland nur Unausgegorenes einfallen

127

Page 127: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wollte. Keine mildernden Umstände abermöchte man unseren Mediengewaltigen ge-währen, die diesem Schrumpf deutschen im-mer noch Gelegenheit bieten, die Deutschenals "gefährlich" oder "unerträglich" oder garals ein "Unheil Europas" vor aller Welt zudiffamieren. Selbst sein sonst so verläßlicherSekundant Rudolf Augstein, Herausgeberdes "Spiegel", der noch rechtzeitig auf dendavonrasenden Zug der Wiedervereinigunggesprungen war, um einen komfortablenPlatz darin zu ergattern, ließ ihn diesmalschmählich im Stich. So hatte dieser gestan-dene Germanophobe allein unter seinerschweren Last, ein Deutscher zu sein, zu tra-gen.

Natürlich ließ sich auch Erich Kuby (geb.1910) nicht lumpen, seinen Kommentar zumThema Wiedervereinigung pünktlich abzu-liefern. Die Deutschen wären wahre Ausbun-de an Aggressivität, gibt er darin zu verste-hen, und eigentlich nur hinter Mauern denk-bar. Er steht mit dieser Meinung unter deut-schen Literaten nicht allein. Ein Mitarbeiterder schon erwähnten Berliner "tageszeitung"tutet mit ihm ins gleiche Horn, wenn erschreibt: "Die Deutschen, also die, die sichden sogenannten Stolz einbilden, deutsch zusein, gehören in Schach gehalten, notfalls

128

Page 128: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

hinter Mauern und Stacheldraht." So forschläßt man links von der Mitte seinen "umge-kippten Rassismus" ins Kraut schießen. Vor-urteile gegen Deutsche sind offenbar ein si-cheres Indiz für aufgeklärtes Denken.

Eine ganz besonders aparte Variante einesungebändigten Rassismus bot in jenen Tagenaber der Münchener Literat Patrick Süskind.Seine in gestelzter Prosa verfertigte Deut-schenbeschimpfung vermittelt eine vage Ah-nung davon, was alles den Deutschen insHaus stehen würde, sollten Leute seines Ka-libers das große Sagen in diesem Staate er-halten.

Dieser literarische Star Neudeutschlands,dessen Roman "Das Parfüm" zu Bestsel-lerehren emporgehievt wurde, geriet ange-sichts der Rasanz, mit der wieder einmal inDeutschland Geschichte gemacht wurde,förmlich ins Trudeln. Als er die Sprache not-dürftig wiedergefunden hatte, polterte erfassungslos drauflos: "Auf Potenzstörungenwaren wir vorbereitet gewesen, auf Prostata,Zahnersatz, Monopause, auf ein zweitesTschernobyl, auf Krebs und Tod und Teufel- bloß nicht auf 'Deutschland einig Vater-l a n d ' . "

Beim Fall der Mauer, der selbst hartgesot-tenen Konsumbürgern Tränen der Rührung

129

Page 129: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

entlockte, fiel Süskind auch nichts Besseresein, als schieren Haß zu artikulieren. DieSpucke wäre ihm weggeblieben, beteuerte erwichtigtuerisch. Als schließlich sogar der da-malige Regierende Bürgermeister von Berlin,Walter Momper, trotz seines roten Schals einStück seines Herzens für Deutschland ent-deckte, raunzte der Münchener Lokalpoetnur noch entrückt vor sich hin: "Hat derMann noch alle Tassen im Schrank?" Und alsendlich gar der Wendeartist Willy Brandt("Jetzt wächst zusammen, was zusammenge-hört") seinen Salto mortale vollzog, gab esfür Süskind keinen Zweifel an der beginnen-den Senilität seines einstigen Idols. "Ein kla-rer Fall von Alzheimer", räsonierte er resi-gniert.

In jenen denkwürdigen Tagen, da selbst dieSockel, auf denen jahrzehntelang Karl Marxseinen Platz hatte, zu wanken begannen under seinen letzten Jüngern unmerklich unterden Händen wegsackte, söhnte sich Süskindsogar mit der von seinen Brüdern im Geiste sogern begeiferten, im Grunde aber so unge-mein komfortablen Bundesrepublik aus, dieihm zu Bestsellerehren verholfen hatte. Ihrhätte er in ihrer ganzen Unbedarftheit eineungetrübte Weiterexistenz im Schatten dergroßen Weltpolitik gegönnt.

130

Page 130: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

"Uns hat das Erdbeben kalt erwischt", be-endete er seinen Grabgesang auf die ach sogemütliche Nachkriegszeit, in der Literatenseiner Couleur ungestört im Trüben fischenkonnten und nicht die geringsten Sorgen aus-zustehen hatten, da naive und unbedarfte Le-ser sich um ihre Angstprodukte förmlich ris-sen.

Auch den "Konkret"-Herausgeber Grem-liza muß es an jenem 9. November 1989 offen-bar den Atem verschlagen haben, als sich ei-ne Nation spontan um den Hals fiel. Zu die-sem Ereignis rang er sich den folgendenKommentar ab: "Die Deutschen können esbei klarem Bewußtsein nicht miteinanderaushalten, sondern nur mit Rotz und Fusel,betroffen und besoffen."

Auch die literarische DDR-Prominenz tatsich schwer, Haltung zu bewahren, als dieWandlitzer Greise nach über vierzig schreck-lichen Jahren endlich ihre Stühle räumenmußten. Schriftsteller wie Heym, Hermlinund Christa Wolf konnten ihrem so lange un-ter Verschluß gehaltenen Deutschenhaß nunendlich freien Lauf lassen. Angesichts desAufflammens eines Nationalgefühls, das lan-ge unter der Asche geglüht hatte, wittertensie offenbar den Ausbruch eines neuen Furorteutonicus, den sie aus ihrer Sicht natür-

131

Page 131: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

lich für geschäftsschädigend halten mußten.Unsere gesamte literarische Creme über-

bot allerdings wieder einmal der Gottvateraller pseudo-intellektuellen katilinarischenExistenzen in diesem geschundenen Lande.Gemeint ist Walter Jens (geb. 1923), Schrift-steller, Literaturkritiker und Professor fürRhetorik an der Universität Tübingen, derwieder einmal konkreten Anlaß hatte, seineantideutschen Ressentiments ins Krautschießen zu lassen. Bekanntlich hätte er amliebsten längst schon die Vokabel "deutsch"aus allen Wörterbüchern gestrichen gesehen.Als dann zu allem Überfluß auch noch Bek-kenbauers Elf mit der Trophäe des Fußball-Weltmeisters in Frankfurt ihren Einzug hielt,war es mit seiner Fassung vorbei. Am lieb-sten, so gab er in einem Gespräch mit der"Stuttgarter Zeitung" zu verstehen, hätte erden fragwürdigen Ruhm den schwarzen Kik-kern aus Kamerun überlassen. UnseremLand hätte es "weltweit größeres Prestige"eingebracht, fabulierte Jens, gegen Kamerun"fair und nobel" zu verlieren, als den Titel zugewinnen. Patriotismus ist wie Moral undCharakter eben Glücksache.

Was soll man aber auch noch von einemVolk denken, in dessen höchstem parlamen-tarischen Gremium, dem Deutschen Bundes-

132

Page 132: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

tag, eine Abgeordnete ungerügt folgendesBonmot zum Besten geben darf: "Ich wollte,daß Frankreich bis zur Elbe reicht und Polendirekt an Frankreich grenzt." Apropos"Volksvertreter": Wessen Geistes Kind deut-sche Parlamentarier sind, offenbarte un-längst auch die Europaabgeordnete der"Grünen", Dorothee Piermont. Mit scharfenWorten wandte sie sich gegen eine Erhöhungder Zahl der deutschen Abgeordneten um 18auf 99 Mandate und gab im EuropäischenParlament folgende Stellungnahme zu Pro-tokoll, in der es u. a. heißt: "Ein Jahr ist ver-gangen, seit die Bundesrepublik die DDRschluckte. Der Bissen bleibt ihr zwar vor-übergehend etwas im Halse stecken, wirdaber mittelfristig Großdeutschland stärkenund läßt ihm schon jetzt den Kamm schwel-len ... 16 Millionen neue Bürger (können) kei-neswegs nur durch zusätzliche Abgeordnete,sondern ebensogut im Rahmen des bisheri-gen Kontingents vertreten werden ... Man istwieder wer und möchte das auch dargestelltsehen, zum Beispiel, indem Berlin, Haupt-stadt des Bismarck- und Nazireiches, wiederzur Hauptstadt gekürt wird, indem derLeichnam des Preußenkönigs Friedrich, aufdessen Konto der Schlesische Krieg und einepolnische Teilung gehen, als Symbol deut-

133

Page 133: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

scher Kontinuität mit militärischen Ehrennach Berlin transferiert wird oder indemman die kollektive Verantwortung für zwölfJahre Nazi-Greuel vom Tisch wischt und aufdem Boden ehemaliger KZs Supermärktebaut... Laut dem 'Spiegel' herrscht in Europawieder Angst vor den Deutschen. Zu Recht,wie ich finde. Ich lehne daher jede Erhöhungder Anzahl der deutschen Abgeordneten imEuropäischen Parlament ab!" Hier habenwir es offenbar nicht nur mit einem gravie-renden Charakterfehler zu tun, sondern auchmit ostensiven Symptomen eines induziertenIrreseins, das bereits anstaltsreif ist.

Vor allem sind es unsere Hochschulabsol-venten, die, um ihr angekratztes Image wie-der aufzupolieren, es als schick empfinden,Gefallenendenkmäler zu demontieren undDeserteure zu glorifizieren. Sie gehören je-nem degenerativen Typ an, die einen überzo-genen Liberalismus mit einer geradezu dus-seligen Intoleranz hochspielen. Das bitterbö-se, aber ernst gemeinte Kaiserwort von den"vaterlandslosen Gesellen" hat im Hinblickauf ihresgleichen eine verdächtige Aufwer-tung erfahren. Diese aber indiziert haarge-nau den Grad unserer moralischen Verlotte-rung, der die Deutschen offenbar nichts mehrentgegenzusetzen haben.

134

Page 134: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Als unkritische Opfer und Objekte einerhochnotpeinlichen Umerziehung an Hauptund Gliedern scheinen wir alle Maßstäbe fürdas uns als Volk noch Zumutbare verloren zuhaben. Eltern machen sich nämlich bereitseiner Sünde wider den heiligen Geist unserermultinationalen Gesellschaft schuldig, wennsie ihren Nachwuchs mit guten deutschenNamen fürs wildbewegte Leben ausstatten.Jeder Küchenchef aber, der seine Gerichtemit deutschen Bezeichnungen auf seinerSpeisekarte anbietet, setzt sich dem fürch-terlichen Verdacht aus, einem "kulinari-schen Faschismus" zu huldigen.

Solange wir uns selbst der perversen Lustder Selbstzerfleischung hingeben, könnenwir nicht von unserer Umwelt erwarten, daßsie uns entsprechend unseren Meriten zuwürdigen versteht und uns freundschaftlicheEmpfindungen entgegenbringt. So etwas wieeine selbstverständliche nationale Hygieneist bei uns Deutschen eigentlich nie gezieltbetrieben worden. Zumindest auf diesem Ge-biet besteht noch ein gewaltiger Nachholbe-darf.

Aber was soll man schließlich von einemLand erwarten, dessen Präsidenten mit Bra-vour einen negativen Chauvinismus betrei-ben und mit der Repräsentanz der elementar-

135

Page 135: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

sten nationalen Würde ihre Schwierigkeitenhaben? Gustav Heinemann zum Beispiel, dervon 1969-1974 Bundespräsident war, wichauf die naheliegende Frage, ob er denn nuneigentlich Deutschland liebe, bezeichnen-derweise mit der vielsagenden Floskel aus:"Ich liebe meine Frau." Mit Deutschland hat-te er offenbar nur wenig oder gar nichts imSinn.

Auch einige seiner Nachfolger im höchstenAmt dieser unserer Republik konnten beimbesten Willen ihr Herz nicht für Deutschlandentdecken. Sie werden daher kaum in dieReihe jener großen Deutschen eingeordnetwerden können, die ihr zugegeben schwieri-ges Vaterland geliebt und auch dafür gelittenhatten. Eine Hoffnung aber bleibt noch: Ei-nes Tages dürfte das nationale Erwachen, daszur Zeit um die Welt geht, auch unsere ver-spätete Nation erreicht haben.

136

Page 136: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

) •

Kapitel IV:

Nationale Würde

Daß die "unruhigen" oder gar "unheimli-chen" Deutschen sich bei ihren Nachbarn imLaufe ihrer Geschichte nicht gerade Plus-punkte an Sympathie erwerben konnten, isteine Tatsache, mit der wir leben müssen. Wassich nämlich über unser nicht ganz unproble-matisches Verhältnis zu den Franzosen, Eng-ländern, Amerikanern und Polen sagen ließ,kann man auch auf unsere nächsten Nach-barn übertragen. Die Niederländer etwa se-

137

Page 137: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

hen sich immer noch im Schatten des größe-ren Bruders, dessen quantitative und quali-tative Überlegenheit für sie ein beständigerStein des Anstoßes bedeutet. Grund genugfür sie, ihren Deutschenhaß, für den sie denTerminus "Moffenhaat" in ihren Sprachge-brauch eingeführt haben, zu kultivieren. Ob-wohl die Niederländer ihren relativen Wohl-stand vor allem ihren Exporten nachDeutschland verdanken, halten sie es keines-wegs für opportun, ihr Verhältnis zu denDeutschen, das durch die Besetzung währenddes Krieges immer noch gespannt ist, zu revi-dieren.

Man entsinnt sich, daß beispielsweise beiFußballänderspielen die unterschwelligeFeindseligkeit der Holländer gegen uns oftrecht spektakulär überschwappt und kaumnoch zu zügeln ist. Man kann den "Moffen",also den "Muffigen", augenscheinlich ihrenArbeitseifer so ohne weiters nicht verzeihen.Nach neueren Umfragen hält man sie ganzallgemein für zu förmlich und für nicht flexi-bel genug. Auch ihre Autoritätsgläubigkeitund die legendäre deutsche Gründlichkeitscheinen unüberwindliche Barrieren auf demWeg zu gutnachbarlichen Beziehungen zusein. Übrigens segeln die Belgier in dieserHinsicht ganz im Fahrwasser der Tulpen-

138

Page 138: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Züchter mit. Bei ihnen haben offenbar dieenglischen Greuelmärchen der beiden Welt-kriege immer noch nachwirkende Spurenhinterlassen.

Die Schweizer, die sich offenbar etwas aufihre alte Stadtkultur zugute halten, habenimmer ein wenig süffisant auf die jüngereRasse der Reichsdeutschen heruntergeblicktund sich in der Rolle einer alles bekrittelndenGouvernante gefallen. Die Abneigung gegendie Deutschen schlägt zur Zeit wieder einmalihre besonderen Kapriolen in der Weise, daßsich die wackeren Schwyzer immer mehr vonunserer Schriftsprache abnabeln und ihrHerz für ihr wenig klangvolles und welthalti-ges Schwyzerdütsch entdeckt haben. Sie be-treiben damit einen engstirnigen Provinzia-lismus, der weder wirtschaftlich noch kul-turell für sie zu Buche schlagen dürfte.

Auch die Italiener gehen mit ihrem ehema-ligen Verbündeten und verläßlichsten Devi-senbringer nicht gerade sensibel um. DieMailänder Zeitung "Il Giorno" machte erstkürzlich ihrem bedrückten Herzen Luft, alssie bekannte, die Deutschen wären immernoch genauso "dumm, grausam und ehrlich"wie eh und je. Dem Kommentator will es par-tout nicht in den Kopf, warum sich seineLandsleute während des letzten Krieges so

139

Page 139: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

lange von den "Krautfressern" an der Naseherumführen lassen konnten, da es sich beidiesen doch nur um ausgemachte Trottel ge-handelt haben dürfte, in denen allerdings ein"Gemüt wie das von Hitler" gesteckt habenmüsse. Als Prototyp des Urdeutschen stelltsich der Mailänder einen blonden Schauspie-ler vor, "wie von Goebbels erdacht, der sichruckartig bewegt und heimtückische Augenmacht, der fett ist und schreit wie ein Wäch-ter von Dachau". Obwohl wir doch nun solange schon die undankbare Rolle der "zumelkenden Kuh" für unsere NATO- und EG-Partner spielen, verpassen sie uns von Zeit zuZeit höchst zweifelhafte Komplimente.

Trotz einer unverkennbaren Jovialität desderzeitigen Präsidenten Vaclav Havel denDeutschen gegenüber schüren die tschechi-schen Intellektuellen nach wie vor die altenantideutschen Ressentiments. So ließ sich derLeitartikler des Prager Blattes "Lidove No-viny" in bezug auf das tschechisch-deutscheVerhältnis folgende Unzumutbarkeit einfal-len: "Als unsere deutschen Mitbürger durchdas Münchener Abkommen von der Tsche-choslowakei 'befreit' wurden, nahmen sieauch noch ein Drittel unseres Territoriumsgratis mit. Als sich das Rad der Geschichteinnerhalb von sieben Jahren etwas gedreht

140

Page 140: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

hatte, und zwar nicht durch ihr Verdienst,blieben die Sudetendeutschen in Deutsch-land. Nur das gestohlene Land mußte zu-rückgelassen werden." Das Prager Blatt un-terließ es leider, auch von den 54 Deutschenzu berichten, die am 4. März 1919 unter demKugelhagel des tschechischen Militärs aufden Straßen ihrer Städte verbluteten. Sie wa-ren die ersten Opfer einer tschechischen Min-derheitenpolitik, die sich über alle Regeln desVölkerrechts hinwegsetzte. Die unter unsäg-lichen Grausamkeiten vollzogene Vertrei-bung von drei Millionen Sudetendeutschenaus ihrer Heimat gehört zu den beschämend-sten Kapiteln des tschechischen Nationalis-mus. Die Deutschen wurden als "Halb-Men-schen" zum Abschuß freigegeben.

Schon vor Kriegsende hatte Eduard Be-nesch (1884-1948), der Chef der tschechi-schen Exilregierung, von London aus eineBotschaft an seine Landsleute gerichtet, inder es hieß: "In unserem Land wird das Endedes Krieges mit Blut geschrieben werden."Auch der Chef der tschechischen Streitkräfteim Ausland verkündete über den englischenRundfunk: "Wenn unser Tag kommt, wirddie ganze Nation dem hussitischen Schlacht-ruf folgen: 'Schlagt sie, bringt sie um, laßtkeinen am Leben!'"

141

Page 141: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

300.000 deutsche Männer, Frauen undKinder wurden dann auch nach der Kapitu-lation förmlich zu Tode gemartert. Beneschstimulierte die Mordlust seiner Landsleute,indem er eine hundertprozentige Liquidie-rung aller Deutschen forderte. Ein Deut-scher, so beschwor er die Tschechen, besäßekeine Seele, und die Worte, die er allein ver-stehen könnte, wären die Salven tschechi-scher Maschinengewehre.

In Rußland waren es vor allem die Intellek-tuellen, die während des Krieges mit blut-rünstigen Haßparolen zur Vernichtung derDeutschen aufriefen. Der Romancier MichailA. Scholochow, der 1965 den Nobelpreis fürLiteratur erhielt, gab sich damals dazu her,eine 1942 erschienene "Schule des Hasses" zuverfertigen. Mit der griffigen Parole "Töteden Deutschen" überbot allerdings der russi-sche Jude und Kriegspropagandist Ilja Eh-renburg wahrscheinlich alle verbalen Exzes-se des Deutschenhasses. In dem in seinemBuch "Der Krieg", Moskau 1943, abgedruck-ten Flugblatt-Text heißt es: "Die Deutschensind keine Menschen. Von jetzt ab ist dasWort 'Deutscher' für uns der allerschlimmsteFluch. Von jetzt ab bringt das Wort 'Deut-scher' ein Gewehr zur Entladung. Wir wer-den nicht sprechen. Wir werden uns nicht

142

Page 142: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

aufregen. Wir werden töten. Wenn du nichtim Laufe eines Tages wenigstens einen Deut-schen getötet hast, so ist es für dich ein verlo-rener Tag gewesen ... Wenn du einen Deut-schen getötet hast, so töte einen zweiten - füruns gibt es nichts Lustigeres als deutscheLeichen. Zähle nicht die Tage. Zähle nichtdie Kilometer. Zähle nur eines: die von dirgetöteten Deutschen! Töte den Deutschen! -dieses bittet dich deine greise Mutter. Töteden Deutschen! — dieses bitten dich deineKinder. Töte den Deutschen! — so ruft dieHeimaterde. Versäume nichts! Versieh dichnicht! Töte!" In Zeitungen und weiterenFlugblättern ermunterte er die Russen, dieDeutschen wie Unmenschen zu behandeln,sie niederzumachen und den letzten "Frit-zen" im Zoo auszustellen.

Seine Aufforderung zum Genozid gipfeltedann in der kategorischen Aussage aller So-wjetsoldaten: "Wir werden nicht schänden,wir werden nicht hören, wir werden nur tot-schlagen." Bis auf das Schändungsverbotsind die russischen Soldaten mit asiatischerBrutalität dieser Devise gefolgt. Sogar in denoffiziellen sowjetischen Tagesbefehlentauchten solche sadistischen Ausbrüche desDeutschenhasses auf. "Nun stehen wir vorder Höhle, aus der heraus die faschistischen

143

Page 143: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Angreifer uns überfallen haben", hieß es ineinem Tagesbefehl vom 12. Januar 1945 beimÜberschreiten der Grenze. "Wir bleiben erststehen, nachdem wir sie gesäubert haben.Gnade gibt es nicht — für niemanden. Es istunnötig, von Soldaten der Roten Armee Gna-de zu fordern. Sie lodern vor Haß und Rach-sucht. Das Land der Faschisten muß zur Wü-ste werden." Nicht aus Mitleid mit den Op-fern, sondern aus dem Kalkül heraus, dieDeutschen für die Idee der kommunistischenWeltrevolution zu gewinnen, plädierte Stalinschließlich für die Einstellung des großenMordens und rief Ehrenburg zur Ordnung.Damals prägte er das bekannte Wort: "DieHitler kommen und gehen, aber das deutscheVolk bleibt immer bestehen."

Die Skandinavier schließlich haben ihr an-tideutsches Trauma seit den Tagen der deut-schen Invasion in Dänemark und Norwegen,die ein Präventivschlag gegen Großbritan-niens Invasionspläne war, bis auf den heuti-gen Tag nach besten Kräften kultiviert.

Die Apologeten der deutschen Position inder Welt wie der norwegische Literaturno-belpreisträger Knut Hamsun (1859-1952)oder der aus Schweden stammende Asienfor-scher Sven Hedin (1865-1952), die bis zuletztan der Integrität Hitlers und der Gerechtig-

144

Page 144: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must
Page 145: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

keit der deutschen Sache keinen Zweifel lie-ßen, sind unter den Nordlichtern durchausexzeptionelle Erscheinungen geblieben.

Solange uns aus aller Welt immer nochganze Wogen ungezügelten Hasses entgegen-schlagen, befinden wir uns im Grunde immernoch in einem latenten Kriegszustand. Selbstder Umstand, daß wir ein demontiertes Landwieder in eine blühende Region verwandelnkonnten, hat uns nur wenig Sympathie einge-tragen. Wir haben uns nicht dabei aufgehal-ten, unsere Wunden zu lecken, wie man esvon uns erwartet hatte. Presse und elektroni-sche Medien haben seit der Kapitulation ei-gentlich nie aufgehört, erbarmungslos aufuns einzudreschen und uns zum klassischenVerbrechervolk emporzustilisieren. Wir-kungsvoller Widerspruch gegen diese unfaireWeise einer Völkerverhetzung ist von deut-scher Seite bisher nicht erfolgt. Wir habennur devot und gottergeben unsere Köpfe ein-gezogen und uns mit einschläfernder Mono-tonie zu unserer Schuld bekannt.

Man kann aus dieser Art politischerSelbstverstümmelung eigentlich nur denSchluß ziehen, daß ein Land, das global dieihm aufgezwungene Rolle des Prügelknabenübernommen hat, hinter dessen breitem Rük-ken die anderen die von ihnen begangenen

146

Page 146: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Schandtaten risikolos verstecken können,sich bereits aus der Geschichte abgemeldethat. Schon heute haben wir es soweit ge-bracht, daß wir jeden Fußtritt, den man unsrüde vors Schienbein versetzt, widerspruchs-los akzeptieren und ihn darüber hinaus wo-möglich noch als außenpolitischen Erfolg fei-ern.

Man sollte von der modernen Verhaltens-forschung eigentlich gelernt haben, daß eineso ostentativ zur Schau getragene Schwächeimmer massive Gegenreaktionen von robu-steren Naturen provoziert. Leider herrschtnun einmal auch in der Koexistenz von Völ-kern das brutale Gesetz der freien Wildbahn.Unser sukzessiver Auflösungsprozeß beginntdamit, daß wir unsere Ostprovinzen entgegenallem Völkerrecht einer faulen Entspan-nungspolitik opfern, weil man uns droht, unssonst "von der Landkarte auszuradieren",und er endet mit unserer Unfähigkeit, dieUmfunktionierung unseres Landes in ein po-lykulturelles Tohuwabohu von Wirtschafts-asylanten zu verhindern, die munter dieFrüchte unseres Fleißes ernten. Wir reagie-ren nicht einmal mehr allergisch, wenn wir inunserem Konsumrausch, fett und impotent,wie Churchill uns haben wollte, uns als So-zialamt der gesamten Welt bis aufs Blut aus-

147

Page 147: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

powern lassen. Der lebensfeindliche Libera-lismus, dem wir wie einer Droge verfallensind und der offenbar alle Prinzipien des ge-sunden Menschenverstandes außer Kurssetzt, wird dafür sorgen, daß die Bäume unse-res Wohlbehagens nicht in den Himmelwachsen.

Ein halbes Jahrhundert gezielter Umerzie-hung hat offenbar ausgereicht, uns die letz-ten Flausen von einem nationalen Selbstver-ständnis gehörig auszutreiben. Wir stehlenuns nicht einmal mehr das bißchen Zeit, umüber den wahren Zustand der Nation gegenEnde des zweiten Jahrtausends nachzuden-ken. Statt dessen liefert uns der englische Hi-storiker A. J. P. Taylor ein sicher entmutigen-des, aber in jedem Fall zutreffendes Psycho-gramm des Schwunddeutschen dieser Tageab, das man nicht ohne Nachdenklichkeitwegstecken sollte.

"Zwar sind sie noch da, die Deutschen,aber atomisiert, jeder für sich hinlebend, gutverdienend, fleißig und wohlgenährt", räson-niert er kenntnisreich. "Aber sie bereitenniemand mehr Kopfzerbrechen, sich selbstnicht und anderen nicht. Im Grunde wollen jaauch die Deutschen nicht anders als bei ih-rem jetzigen Zustand bleiben, denn das Wirt-schaftswunder behagt ihnen sehr." Aller-

148

Page 148: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

dings setzt Taylor dieser beherzigenswertenBestandsaufnahme eines der Lust am Unter-gang frönenden Volkes noch das gewichtigeWort hinzu: "Man muß nur aufpassen, daßniemand kommt, der sie aus dem Schlaf rüt-telt."

Damit dieser schlafende Tiger nicht in unsgeweckt wird, dafür sorgt schon unsere Me-dienschickeria nach allen Regeln ihrer defä-tistischen Überredungskünste. Ihr ist nochimmer etwas eingefallen, daß uns der teuto-nische Hafer nicht wieder sticht und daß je-der Funke einer nationalen Selbstbesinnungbereits im Keime erstickt. Die von ihnenpraktizierte Methode ist über ein halbesJahrhundert hin die immer gleiche geblieben.Sie besteht ganz einfach in dem Trick, mitweitausholender Drohgebärde unseren gutenalten Hitler, der offenbar nicht sterben darf,aus der Versenkung auftauchen zu lassen.Nicht einmal unsere amerikanischen Kolo-nialherren brauchen zu fürchten, daß manuns aus dem Schlaf rüttelt. Das von unserenMedien angewandte Rezept einer Dauernar-kotisierung durch gezinkte Informationenwird vorerst seine Wirkung nicht verfehlen.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich derumerzogene Neudeutsche als ein total ge-schichtsloses Wesen heraus, das nicht weiß,

149

Page 149: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

woher es kommt und wohin es geht. Er hatsich mit einer beängstigenden Ausschließ-lichkeit eigentlich nur mit einer Gegenwartarrangiert, an der er im großen und ganzenkaum etwas auszusetzen findet, solange erden Zivilisationskomfort ungehindert genie-ßen kann. Inzwischen hat er längst herausge-funden, daß es sich ohne geschichtliche Kon-terbande ungleich ungezwungener lebenläßt. Sein reichlich lädiertes Geschichtsbe-wußtsein läßt er sich vorwiegend von denelektronischen Massenmedien mit Desinfor-mationen vernebeln, die samt und sondersantideutsch eingefärbt sind. Nur eines möch-te er um keinen Preis: Aus der komfortablenBequemlichkeit seines Restauratoriums auf-geschreckt werden und wieder einmal seinblaues Wunder erleben.

Nach dem überraschenden Bankrott desSozialismus hat man auch hierzulande aufdie hochgegriffenen Glücksverheißungen derwestlichen Demokratie gesetzt. Doch stehtheute bereits die Frage offen im Raum, obman am Ende nicht wieder aufs falsche Pferdgesetzt hat und damit vom Regen in die Trau-fe geraten ist. Trifft nicht die Bestandsauf-nahme, die der Geschichtsphilosoph OswaldSpengler (1880-1936) bereits von der Weima-rer Republik vornehmen konnte, auch auf

150

Page 150: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

unsere Republik zu, deren Funktionäre af-fektiv reagieren, wenn man diese mit demWeimarer Unstaat auch in eine nur entfernteRelation setzt?

"Die alten ehrwürdigen Formen von ge-stern liegen in Trümmern", stellte Spenglerfest. "Sie sind durch den formlosen Parla-mentarismus ersetzt worden, ein Schrott-haufen ehemaliger Autorität, Regierungs-kunst und staatsmännischer Weisheit, aufdem die Parteien, Horden von Geschäftspoli-tikern, sich um die Beute streiten."

Leider kann man nicht verheimlichen, läßtman nur ein Jahrhundert deutscher Ge-schichte Revue passieren, daß das nationaleEthos wie noch nie in unserem derzeitigenStaat, der scheinbar rettungslos der multi-kulturellen Gesellschaft entgegentreibt, aufden Aussterbeetat geraten ist. Die Deutschensind kaum noch imstande, ihre wirklichenGegner zu erkennen, die uns mit ganzenBreitseiten von antideutschen Hetzparoleneindecken, geschweige denn, ihnen ihrschmutziges Handwerk zu legen. Offenbarhaben wir uns schon mitsamt unseren gelieb-ten Statussymbolen ins innere Exil begeben.

Man mag es drehen oder wenden, wie manwill: Leider trifft für uns zur Zeit im vollenWortlaut zu, was der Staatsrechtler Carl

151

Page 151: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Schmitt (1888-1985) über das zwingende Ge-setz des Ausstiegs der Völker aus der Ge-schichte in seiner schon 1932 erstmals er-schienenen Schrift "Der Begriff des Politi-schen" zu sagen hatte: "Solange ein Volk inder Sphäre des Politischen existiert, muß es... die Unterscheidung von Freund und Feindselber bestimmen. Darin liegt das Wesen sei-ner politischen Existenz. Hat es nicht mehrdie Fähigkeit oder den Willen zu dieser Un-terscheidung, so hört es auf, politisch zu exi-stieren. Läßt es sich von einem Fremden vor-schreiben, wer sein Feind ist und gegen wenes kämpfen darf oder nicht, so ist es kein poli-tisch freies Volk mehr und einem anderen po-litischen System ein- oder untergeordnet...

Wenn ein Volk die Mühen und das Risikoder politischen Existenz fürchtet, so wirdsich eben ein anderes Volk finden, das ihmdiese Mühen abnimmt, indem es seinen'Schutz gegen äußere Feinde' und damit diepolitische Herrschaft übernimmt; derSchutzherr bestimmt dann den Feind ... Da-durch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oderden Willen hat, sich in der Sphäre des Politi-schen zu halten, verschwindet das Politischenicht aus der Welt. Es verschwindet nur einschwaches Volk."

Gehören wir etwa schon zu den Völkern,

152

Page 152: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

die nicht mehr den moralischen Elan auf-bringen, ihre Interessen angemessen und mitselbstverständlicher Würde in der Welt zuvertreten? Wir tragen selbst ein gerüttelt MaßSchuld daran, daß sich der Deutschenhaß inaller Welt auf unsere Kosten austoben kann.Mit der Preisgabe unserer geistigen Autono-mie und unserer kulturellen Tradition habenwir einen Grad von Servilität erreicht, dieuns nur noch als getreuen Vasallen der ame-rikanischen Kolonialmacht ausweist, derenwirtschaftlicher und moralischer Bankrottübrigens nur noch eine Frage der Zeit ist.

Unsere Nationalallergie hat inzwischengeradezu groteske Ausmaße erreicht. Der vonunseren vaterlandslosen Linksauslegern inUmlauf gesetzte Slogan "Ich schäme mich,ein Deutscher zu sein" weist diese als freiwil-lig-unfreiwillige Erfüllungsgehilfen einerweltweiten antideutschen Mafia aus. Leidersind es nicht wenige in diesem Lande der He-loten, in dem man dem gesunden Menschen-verstand offenbar keine Chance mehr ein-räumt, die diese Parole gierig aufgreifen, umnur nicht in den Ruf eines übel vermerktenModernitätsrückstandes zu geraten. Sie hul-digen einem lebensgefährlichen Liberalis-mus, zu dessen Erscheinungsbild natürlichauch unser allseitig bezeigter Nationalmaso-

153

Page 153: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

chismus gehört. Daß sie im Grunde dem wohlharmlosesten und friedliebensten Kultur-volk dieser Erde angehören, nehmen sie nurmit Vorbehalt zur Kenntnis, obwohl alle po-litischen Fakten dafür sprechen.

Und doch sollten sich Deutsche endlich inihr getrübtes Bewußtsein einhämmern, daßvon deutschem Boden bisher die wenigstenKriege ausgingen. Trotz der geradezu be-drückenden geopolitischen Lage unseresLandes inmitten eines wegen seiner ethni-schen Vielfalt von Spannungen geladenenKontinents und angesichts unserer nach al-len Seiten hin offenen Grenzen lassen sich andieser geschichtsnotorischen Tatsache kei-nerlei Abstriche machen.

"An allen zwischen 1801 und 1933 geführ-ten Kriegen ist Frankreich mit 28 %, Englandmit 23%, Rußland mit 21% und Preußen-Deutschland mit nur 8% beteiligt gewesen.Kein preußischer König kann nur von fernmit Ludwig XIV. oder Napoleon I. verglichenwerden" (H. J. Schoeps).

So schnell haben die Preußen — und mit ih-nen die Deutschen — nämlich nie geschossen.Immer versuchten sie mit einer wahrenLammsgeduld ihre Konflikte eher am Konfe-renztisch als auf Schlachtfeldern auszutra-gen. Im Waffengang sah man bei uns zulande

154

Page 154: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

stets nur den letzten Ausweg. Diese Einsichtschließt allerdings nicht aus, daß man aus Si-cherheitsgründen angesichts unserer anne-xionslüsternen Nachbarn immer schlagkräf-tige Armeen unterhalten mußte. Das hat unsden gänzlich ungerechtfertigten Ruf von fa-natischen Militaristen eingetragen.

Fahndet man in der Geschichte nach denvon den einzelnen Nationen begangenenGrausamkeiten, so stellen wir abermals inder Liste der zu Brutalitäten disponiertenNationen das Schlußlicht dar. Bei unserenwestlichen Nachbarn schlägt nämlich dasMassaker der Großen Französischen Revolu-tion von 1789 ebenso negativ zu Buche wiedie Bartholomäusnacht von 1572, in der über20.000 unschuldige Hugenotten ermordetwurden, oder die kaltblütige Liquidierungder Kollaborateure des letzten Weltkrieges.Allein 1944 sollen 100.000 Sympathisantender deutschen Besatzer umgebracht wordensein, mehr Menschen übrigens, als der ge-samte Feldzug gegen Hitler an Opfern gefor-dert hatte. Ohne Menschenköpfe auf Piken,Aristokraten an Laternen und von Weiberngeschlachtete Priester hätte man sich inFrankreich nicht zufrieden gegeben. Abereben solche Gemetzel "entsprechen dem sa-distischen Geist dieser Rasse" (Spengler).

155

Page 155: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Als Hauptposten im Sündenregister derEngländer taucht der rücksichtslose Genozidan den Iren auf, der an Abscheulichkeit selbstalle Judenpogrome und die Ausrottungsfeld-züge der Holländer gegen die asiatischen Ko-lonialvölker übertrifft. Auf das Konto derGentlemen in London, die für sich immernoch in Anspruch nehmen, auf die feine eng-lische Art die Grundlagen des humanitär-li-beralen Abendlandes gelegt zu haben, fallenweiterhin die Massaker in den Kolonien, ihreAmokläufe gegen die Buren einschließlichder Erfindung der Konzentrationslager undendlich Churchills Luftkrieg gegen deutscheFrauen und Kinder, vor allem aber die sinn-lose Atomisierung Dresdens, von der bereitsdie Rede war.

Der umfangreiche Katalog amerikanischerGeschichtsverbrechen reicht vom systemati-schen Völkermord an den Indianern und derSchande des blutigen Sklavenhandels bis hinzu Roosevelts kaltblütiger Preisgabe seinereigenen Marinesoldaten bei Pearl Harbor.Als schändliches Nebenprodukt des von ihmgegengezeichneten Morgenthauplanes ist vorallem Eisenhowers Massenmord an deut-schen Kriegsgefangenen zu erwähnen. Vonkaum überbietbarer angelsächsischer Kalt-blütigkeit zeugt auch der strategisch un-

156

Page 156: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

wichtige Atombombenabwurf auf die japa-nischen Städte Hiroshima und Nagasaki, vorderen Folgen Truman von Fachleuten aus-drücklich gewarnt worden war. Er rühmtesich später damit, wegen des von ihm ausge-lösten Massensterbens in Hiroshima nie eineschlaflose Nacht verbracht zu haben, undhielt sich auf seinen Spitznamen "Give-them-hell-Harry" einiges zugute. Kaum we-niger schwer wiegt aber auch der organisier-te Seelenmord Amerikas an kulturell höher-stehenden Völkern in aller Welt.

Die russische Geschichte stellt sich zumin-dest seit den Tagen Iwans des Schrecklichen(1530-1584) als eine nie abreißende Kette vonGrausamkeiten dar. Natürlich hat der sowje-tische Diktator Josef Stalin seine Vorgängerals skrupelloser Massenmörder bei weitemübertroffen. Bei Durchsetzung seiner bol-schewistischen Experimente blieben etwa 60Millionen Menschen auf der Strecke. Beson-dere Aktualität hat wieder einmal der vonihm angeordnete Massenmord an polnischenOffizieren bei Katyn erlangt.

Für die entfesselte Bestialität aufgehetzterbolschewistischer Soldaten wird der Ortsna-me Nemmersdorf immer seinen traurigenSymbolcharakter behalten, während der Na-me Lamsdorf immer von den unsagbaren

157

Page 157: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Brutalitäten zeugen wird, die von den kleine-ren slawischen Völkern an deutschen Ver-triebenen begangen wurden, von denen nachKriegsende noch drei Millionen einen fürch-terlichen, kaum zu beschreibenden Tod fan-den. Mit Bestimmtheit läßt sich jedenfalls sa-gen, daß deutschen Menschen die Phantasiegefehlt hätte, um sich die Methoden der sadi-stischen polnischen und tschechischen Ra-cheorgien auszudenken.

Ruft man etwa die Schatten von AttilasHunnenscharen oder der Horden des Mongo-lenführers Dschingis Khan herauf, oder rich-tet man den Blick auf den Genozid der Tür-ken an den Armeniern, auf den millionenfa-chen Volksmord in Kambodscha oder auf dasekelerregende Gemetzel des Spanischen Bür-gerkrieges, so reicht diese nur andeutungs-weise vorgestellte Palette menschlichenGrauens aus, um zumindest die infame undwider besseres Wissen in Umlauf gesetzteThese von der angeblichen Einzigartigkeitder deutschen Kriegsverbrechen, deren hi-storische Erforschung man aus sicher gutenGründen immer noch verhindert, gehörig insWanken zu bringen.

Zum blutigsten Kapitel unserer eigenenGeschichte zählen wahrscheinlich immernoch die Bauernkriege von 1524/1525, wäh-

158

Page 158: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

rend die Schrecken des DreißigjährigenKrieges vorwiegend der ausländischen Sol-dateska zuzuschreiben sind, sogar den als be-sonders friedliebend und human geltendenSchweden. Zu erwähnen ist schließlich auchnoch, daß die Deutschen als Kolonialherrenim internationalen Vergleich als besondersmenschlich durchaus ehrenvoll abschneiden.Überhaupt galt der deutsche Soldat gegen-über anderen nach allgemeinem Urteil im-mer als der disziplinierteste und ritterlichsteseiner Zunft. Revolutionen fanden auf deut-schem Boden kaum statt. Wenn man sichschon einmal dazu hinreißen ließ, vollzogensie sich in der Regel erstaunlich unblutig. DieDisziplin eines Untertanenvolkes von eheridyllischer Gemütsart zahlte sich in Phasengeschichtlicher Zerreißproben stets voll aus.Die Anlage zu Gemüthaftigkeit, Innerlich-keit und bürgerlicher Beschaulichkeit schloßhistorische Exzesse von vornherein aus.

Die naheliegende Frage, warum gerade dieDeutschen sich in der Weltöffentlichkeit soschlecht verkaufen, steht nach alledem nochoffen im Raum. Wahrscheinlich sind wir dieeinzige Nation, die nicht imstande oder wil-lens ist, den gegen uns gerichteten bösartigenDiffamierungen mit einer Entschiedenheitzu kontern, die jeden Versuch einer Wieder-

159

Page 159: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

holung bereits im Ansatz abblockt. Suchtman nach den Gründen dieses Fehlverhal-tens, so drängt sich der Eindruck mangelnderReife auf, die es uns nicht erlaubt, uns mit na-türlicher Würde in einer Welt, die mit demZaghaften und Schwankenden nicht geradezimperlich zu verfahren pflegt, zu bewegen.Würde ist nämlich eine Errungenschaft aus-gelebten Lebens und nach Friedrich vonSchiller (1759-1805) Ausdruck einer ge-schlossenen und in sich selbst ruhenden Per-sönlichkeit. Nur eine solche kann in anderenein Gefühl selbstverständlicher Achtung er-wecken. In der Präsentation einer würdevol-len Haltung sind uns die romanischen Völkerhoch überlegen. Die Italiener etwa als eineältere "Rasse" waren ebenso wie die Japanerselbstsicher genug, um sich von den Siegerndes Zweiten Weltkrieges ihre Geschichtenicht in ein Pitaval oder gar in ein Verbre-cheralbum umfunktionieren zu lassen. Nie-mand hat sich aus Mangel an nationalemSelbstgefühl so bedenkenlos den Einflüssender französischen Kultur im 18. Jahrhundertund in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-derts dem alles nivellierenden Trend einesweltumspannenden Amerikanismus ausge-liefert wie die Deutschen. Dieser Mangel aneigenem Profil pflegt aber allen geschichtli-

160

Page 160: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

chen Erfahrungen nach immer nur durch Re-spektlosigkeit honoriert zu werden.

Unsere noch arg unterentwickelte Selbst-achtung hat uns dann bezeichnenderweisein dieser Republik hohe und höchste Staats-repräsentanten beschert, die noch am ehe-sten ihre persönlichen Interessen oder eng-stirnige Parteiegoismen mehr servil und wür-delos als unser aller Sache mit der notwendi-gen Entschiedenheit, Schaden von unseremVolk abzuwenden, vertreten. Auch der der-zeitige oberste Repräsentant unseres Staates,Bundespräsident Richard von Weizsäcker,kann gerade wegen dieses Mankos an natio-naler Haltung als angemessener Exponentder profillosen Neudeutschen in einer Weltgelten, die immer noch die Lauen verachtethat.

Besteht nach der an dieser Stelle vorge-nommenen "Aufrechnungs-Arithmetik"wirklich Veranlassung, einen bornierten all-gemeinen Modetrend unbesehen und unkri-tisch zu akzeptieren und seiner Zugehörig-keit zum deutschen Volk schamhaft abzu-schwören? Die Antwort ist eindeutig: Nein.Addiert man nämlich die unübersehbarenund beeindruckenden Beiträge der Deut-schen zur Weltkultur fein säuberlich zusam-men, so kommt eine durchaus ehrenvolle Bi-

161

Page 161: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

lanz dabei heraus, die eigentlich dazu geeig-net sein sollte, unser vorsätzlich lädiertes pa-triotisches Empfinden wieder gehörig aufzu-möbeln.

Heinrich von Kleist meinte schon, dasdeutsche Vaterland erfülle alle Vorausset-zungen, es aus vollem Herzen zu lieben, "weilGott es gesegnet hat mit vielen Früchten, weilviele schöne Werke der Kunst es schmücken,weil Helden, Staatsmänner und Weise, derenNamen aufzuführen kein Ende ist, es ver-herrlicht haben".

Dieser Satz ist freilich eine unmißver-ständliche Aufforderung aus berufenemMunde zu einem Patriotismus in selbstver-ständlicher Würde und im höheren Sinneauch zu einer unmißverständlichen Abwehr-bereitschaft gegen den ewigen Deutschen-haß, den wir auch unserer mangelnden Ein-satzbereitschaft für dieses Land zuzuschrei-ben haben. Bleibt nur noch zu hoffen, daß dieDeutschen nicht auch zu den Völkern gehö-ren, die erst durch Katastrophen klüger undaktiver werden, um sich in einer aus den Fu-gen geratenen Welt mit angemessener Würdebehaupten zu können.

Wir Deutschen sollten also schleunigsthinzulernen, daß weder nationale Arroganznoch Unterwürfigkeit anderen zu imponie-

162

Page 162: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

ren pflegen. Zwischen Hochmut und Demutaber liegt, wie Theodor Fontane (1819-1898)schon wußte, ein Drittes, dem das Leben ge-hört, und das ist ganz einfach der Mut.

163

Page 163: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Personenverzeichnis

Adenauer, Konrad 45Arndt, Ernst Moritz 33, 34Attila 158Attlee, Clement 66Augstein, Rudolf 128

Bach, Johann Sebastian 27Bacque, James 81Barnes, Harry E. 117Beck, Josef 103Beethoven, Ludwig van 27Benesch, Eduard 141,142Bismarck, Otto von 14, 18,

49, 68, 70, 89, 100, 116,120

Böll, Heinrich 120

Brandt, Willy 111,122,130

Burckhardt, Carl J. 105

Cato 8, 62Churchill, Winston 28, 49,

61,62,70,72,74,88,109,147,156

Clemenceau, Georges36,41

Droste, Wiglaf 25Dschingis Khan 158Dürer, Albrecht 27

Eden, Anthony 61Ehrenburg, Ilja 13,142

164

Page 164: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Eisenhower, Dwight D. 82,156

Fadiman, Clifton 83Foch, Ferdinand 42Fontane, Theodor 163Freund, Michael 104

Gaulle, Charles de 45Gomulka, Wladyslaw 111Goethe, Johann Wolfgang

von 10,11,27Grass, Günter 127Gremliza 131Grenfell, Russell 27, 28, 71Grey, Edward 28

Habermas, Jürgen 126,127Halifax, Edward 64Hamsun, Knut 144Harris, Arthur 63Havel, Vaclav 140Hebbel, Friedrich 118Hedin, Sven 144Hegel, Georg Wilhelm

Friedrich 27Heine, Heinrich 19,119Heinemann, Gustav 136Hemingway, Ernest 84Henderson, Neville 65Hermlin, Stephan 131Heym, Stefan 131Hitler, Adolf 42, 43, 44, 58,

62, 80 89, 140, 144, 149,155

Irving, David 67, 68Iwan der Schreckliche 157

Jens, Walter 132

Kant, Immanuel 14

Karl der Große 89Kaufman, Theodore

Nathan 8, 60, 76, 83, 84,87

Kleist, Heinrich von 33,34,162

Kuby, Erich 128

Lafontaine, Oskar 124Lagarde, Paul de 12Lessing, Gotthold Ephraim

32Lindbergh, Charles A. 92Lloyd George 103Luther, Martin 10, 27

Marx, Karl 130Maeterlinck, Maurice 38Mann, Thomas 67,122Mauriac, Francois 45Maxwell, Robert 55Meyer, Conrad Ferdinand

120Mitscherlich, Margarete

123Mitterrand, Francois 45,48Moltke, Helmuth von 18Momper, Walter 130Morgenthau, Henry 12, 60,

76,83,88,123

Nizer, Louis 76, 88, 89Northcliffe, Alfred C. W. 61

Piermont, Dorothee 133Pilsudski, Josef 97,102,107Poincare, Raymond 37

Reagan Ronald 93Renan, Ernest 36Richelieu, Armand Jean 30

165

Page 165: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Ridley, Nicholas 52Roosevelt, Franklin D. 75,

87Rydz-Smigly, Edward 103

Saroyan, William 73Scheler, Max 9,17, 25, 32Schiller, Friedrich von 27,

160Schmidt, Arno 123Schmitt, Carl 152Schock, Helmut 69Scholochow, Michail A.

142Sonnemann, Ulrich 15Spengler, Oswald 150,151,

155Stalin, Josef W. 144,157Storm, Theodor 122Süskind, Patrick 129Szembek 102

Taylor, A. J. P. 148,149Thatcher, Margaret 54, 56

Treitschke, Heinrich von118,119

Truman, Harry S. 89,157

Valery, Paul 39,40, 41Vansittart, Robert G. 13,

28,64

Walesa, Lech 111,112Wallenstein, Albrecht von

97Walther von der

Vogelweide 10Weizsäcker, Richard von

112Weygand, Maxime 102Westphalen, Joseph von

123Wierzbinski 98Wilhelm II. 36Wilson, Woodrow 102Wolf, Christa 131

Zweig, Stefan 37

166

Page 166: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Inhalt

I. Der ewige Deutschenhaß S. 5II. Ursprünge und Ausmaß des

Deutschenhasses1. Frankreich S. 292. England S. 493. Amerika S. 724. Polen S. 95

III. Selbsthaß der Deutschen S. 116IV. Nationale Würde S. 137Personenverzeichnis S. 164

167

Page 167: Gustav Sichelschmidtanozin-ofa.de/Gustav_Sichelschmidt_-_Der_ewige_Deutschen...dem der amerikanische Jude Theodore Kauf-man dann im Zweiten Weltkrieg mit seinem Pamphlet "Germany must

Nach der Wiederherstellung der Einheitvon West- und Mitteldeutschland wurdenim benachbarten Ausland wieder Stim-men laut, die vor einem "neuen deutschenNationalismus" und einem "Vierten Reich"warnten. Ausdruck von berechtigter Sor-ge oder Fortsetzung einer uralten Hetz-

kampagne gegen Deutschland?

In leicht verständlicher Form und anhandeiner Fülle von Beispielen aus der Ge-schichte beschreibt der Autor den seitJahrhunderten blühenden Haß auf unsDeutsche. Ob Franzosen, Engländer, Po-len, Russen oder Amerikaner, sie alle wür-den nur zu gern Deutschland "von derLandkarte ausradieren" (Lech Walesa).Aber auch in unserem eigenen Landwächst der Haß auf das deutsche Volk,geschürt von linken Intellektuellen, Antifa-Kämpfern und Ausländergruppen. Mit sei-nem aufrüttelnden Buch appelliert GustavSichelschmidt an den Mut und die natio-nale Würde von uns Deutschen, demKesseltreiben deutschfeindlicher Kräfte

selbstbewußt entgegenzutreten.

ARNDT