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Redaktion W.L. Gross, Lübeck/Bad Bramstedt F. Moosig, Bad Bramstedt Z Rheumatol 2008 · 67:62–67 DOI 10.1007/s00393-007-0241-x Online publiziert: 23. Januar 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 M. Krüger 1  · E. Bischof-Léger 2 1 Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Physikalische Therapie, Wicker Klinik Bad Homburg 2 Frankfurt am Main Häufigkeit einer Bizeps- sehnentenosynovitis bei Gehhilfenverwendung Eine sonographische Beobachtung Originalien Die gegenüber Gehhilfen eher limitierte Sympathie bedarf für jeden in der post- operativen Rehabilitation Tätigen nahezu täglicher Motivationsarbeit. Wer in der La- ge ist, einen geklagten „Schulterschmerz“ arthrosonographisch einzugrenzen, wird das unübersehbare Bild einer Flüssig- keitsumsäumung der langen Bizepssehne (BS) im Sulcus intertubercularis vor Au- gen haben. Angesichts der häufigeren Be- obachtung einer solchen Tendovaginitis bei an Unterarmgehstützen mobilisierten Patienten suchten wir nach einer quanti- tativen Aussage über die Häufigkeit dieses Phänomens. Systematisch führten wir daher über einen definierten Zeitraum sämtliche Pa- tienten, die uns vorwiegend nach Knie- oder Hüftgelenkersatzoperationen zu- gewiesen wurden und mit Gehhilfen mobilisiert waren, einer Schultersono- graphie zu. Methode Zur Untersuchung jeweils beider Schul- tergelenke einschließlich der periartiku- lären Weichteile wurde ein 7,5 MHz-Li- nearscanner (Siemens SI 450) verwen- det. Nur ausnahmsweise, insbesondere bei eingeschränkter Abduktionsfähigkeit des Arms, nahmen wir die axilläre Ex- ploration mittels eines 3,5-MHz-Curved- Array-Scanners vor. Die Einstellung von Gesamtverstärkung und Tiefenausgleich wurde so eingerichtet, dass bei stufen- weiser Reduktion der Sendeleistung der Grund des Sulcus intertubercularis noch gut darstellbar war. Es wurde von folgenden Standard- schnittführungen ausgegangen: F Dorsaler Transversalschnitt in Hö- he des Skapulapfannenrandes (late- rale Fossa infraspinata) mit möglichst detailgetreuer Darstellung des Lab- rum glenoidale; dynamische Untersu- chung bei Humeruskopfrotation. F Zur Beurteilung der Rotatorenman- schette sowie pathologischer Befunde in deren Nachbarschaft ventrolate- raler Transversalschnitt (subakromiale Ebene) in maximaler Außen- bis In- nenrotation unter Beibehaltung einer weitest möglichen Adduktion, immer rotationsdynamisch. F Wiederholung in der Longitudinal- ebene. F Zur Inspektion der Umgebung der Tubercula bzw. des Sulcus intertuber- cularis ventraler Transversal- sowie Longitudinalschnitt, ergänzt durch ei- ne Vielzahl parallel geführter Tomo- gramme – sowohl in den Humerus- Längsachsen-Ebenen als auch senk- recht hierzu. F Axillärer Schnitt über der Humerus- längsachse bei vollständiger Armab- duktion zur Erfassung des axillären Recessus. Diese Schnitte entsprechen jenen aus der Routinediagnostik geläufigen ([5, 9, 10, 11], systematisch strukturiert bei Mellero- wicz et al. [7] zusammengefasst). Als Hinweis auf einen pathologischen Befund im anterioren Gelenkkapsel-Re- cessus bzw. der Sehnenscheide der langen Bizepssehne wurde eine reflexfreie oder nahezu reflexfreie Umsäumung des stark reflexgebenden Sehnenechos in Höhe der Tubercula bzw. distal hiervon gewer- tet, wobei eine vollständige Einscheidung einen eindeutigen bzw. ausgedehnteren Befund widerspiegelte (. Abb. 1 a, b). Kleinerkalibrige segmentartige Anlage- rungen reflexfreier Zonen, im Querschnitt oft medial- oder lateralwärts halbmond- förmig imponierend (. Abb. 2 a, b), wurden als nicht pathologisch angesehen. Sie finden sich in der Alltagsdiagnostik mit einem hochauflösenden System bei nahezu sämtlichen Untersuchungen. Stellte sich im Rahmen der axillären Schnittführung zusätzlich der Hinweis auf intrakapsuläre Flüssigkeitsansammlung auch dieses kaudomedialen Gelenkanteils dar, zeigte dies eine Ergussbildung in der Gesamtheit des Humeroskapulargelenks an, auch wenn ggf. bei der dorsalen Un- tersuchung eine liquide Zone am Rande der Skapulapfanne bzw. in Nachbarschaft des Labrum glenoidale vermisst wurde. Ein solcher Erguss des axillären Reces- sus war dann anzunehmen, wenn sich die dem konkaven Collum anatomicum des 62 |  Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2008

Häufigkeit einer Bizepssehnentenosynovitis bei Gehhilfenverwendung

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Page 1: Häufigkeit einer Bizepssehnentenosynovitis bei Gehhilfenverwendung

RedaktionW.L. Gross, Lübeck/Bad BramstedtF. Moosig, Bad Bramstedt

Z Rheumatol 2008 · 67:62–67DOI 10.1007/s00393-007-0241-xOnline publiziert: 23. Januar 2008© Springer Medizin Verlag 2008

M. Krüger1 · E. Bischof-Léger2

1 Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Physikalische Therapie, Wicker Klinik Bad Homburg2 Frankfurt am Main

Häufigkeit einer Bizeps-sehnentenosynovitis bei GehhilfenverwendungEine sonographische Beobachtung

Originalien

Die gegenüber Gehhilfen eher limitierte Sympathie bedarf für jeden in der post-operativen Rehabilitation Tätigen nahezu täglicher Motivationsarbeit. Wer in der La-ge ist, einen geklagten „Schulterschmerz“ arthrosonographisch einzugrenzen, wird das unübersehbare Bild einer Flüssig-keitsumsäumung der langen Bizepssehne (BS) im Sulcus intertubercularis vor Au-gen haben. Angesichts der häufigeren Be-obachtung einer solchen Tendovaginitis bei an Unterarmgehstützen mobilisierten Patienten suchten wir nach einer quanti-tativen Aussage über die Häufigkeit dieses Phänomens.

Systematisch führten wir daher über einen definierten Zeitraum sämtliche Pa-tienten, die uns vorwiegend nach Knie- oder Hüftgelenkersatzoperationen zu-gewiesen wurden und mit Gehhilfen mobilisiert waren, einer Schultersono-graphie zu.

Methode

Zur Untersuchung jeweils beider Schul-tergelenke einschließlich der periartiku-lären Weichteile wurde ein 7,5 MHz-Li-nearscanner (Siemens SI 450) verwen-det. Nur ausnahmsweise, insbesondere bei eingeschränkter Abduktionsfähigkeit des Arms, nahmen wir die axilläre Ex-ploration mittels eines 3,5-MHz-Curved-Array-Scanners vor. Die Einstellung von Gesamtverstärkung und Tiefenausgleich

wurde so eingerichtet, dass bei stufen-weiser Reduktion der Sendeleistung der Grund des Sulcus intertubercularis noch gut darstellbar war.

Es wurde von folgenden Standard-schnittführungen ausgegangen:FDorsaler Transversalschnitt in Hö-

he des Skapulapfannenrandes (late-rale Fossa infraspinata) mit möglichst detailgetreuer Darstellung des Lab-rum glenoidale; dynamische Untersu-chung bei Humeruskopfrotation.

FZur Beurteilung der Rotatorenman-schette sowie pathologischer Befunde in deren Nachbarschaft ventrolate­raler Transversalschnitt (subakromiale Ebene) in maximaler Außen- bis In-nenrotation unter Beibehaltung einer weitest möglichen Adduktion, immer rotationsdynamisch.

FWiederholung in der Longitudinal­ebene.

FZur Inspektion der Umgebung der Tubercula bzw. des Sulcus intertuber-cularis ventraler Transversal­ sowie Longitudinalschnitt, ergänzt durch ei-ne Vielzahl parallel geführter Tomo-gramme – sowohl in den Humerus­Längsachsen-Ebenen als auch senk­recht hierzu.

FAxillärer Schnitt über der Humerus­längsachse bei vollständiger Armab-duktion zur Erfassung des axillären Recessus.

Diese Schnitte entsprechen jenen aus der Routinediagnostik geläufigen ([5, 9, 10, 11], systematisch strukturiert bei Mellero-wicz et al. [7] zusammengefasst).

Als Hinweis auf einen pathologischen Befund im anterioren Gelenkkapsel-Re-cessus bzw. der Sehnenscheide der langen Bizepssehne wurde eine reflexfreie oder nahezu reflexfreie Umsäumung des stark reflexgebenden Sehnenechos in Höhe der Tubercula bzw. distal hiervon gewer-tet, wobei eine vollständige Einscheidung einen eindeutigen bzw. ausgedehnteren Befund widerspiegelte (.Abb. 1 a, b). Kleinerkalibrige segmentartige Anlage-rungen reflexfreier Zonen, im Querschnitt oft medial- oder lateralwärts halbmond-förmig imponierend (.Abb. 2 a, b), wurden als nicht pathologisch angesehen. Sie finden sich in der Alltagsdiagnostik mit einem hochauflösenden System bei nahezu sämtlichen Untersuchungen.

Stellte sich im Rahmen der axillären Schnittführung zusätzlich der Hinweis auf intrakapsuläre Flüssigkeitsansammlung auch dieses kaudomedialen Gelenkanteils dar, zeigte dies eine Ergussbildung in der Gesamtheit des Humeroskapulargelenks an, auch wenn ggf. bei der dorsalen Un-tersuchung eine liquide Zone am Rande der Skapulapfanne bzw. in Nachbarschaft des Labrum glenoidale vermisst wurde. Ein solcher Erguss des axillären Reces-sus war dann anzunehmen, wenn sich die dem konkaven Collum anatomicum des

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Humeruskopfes anliegende Gelenkkapsel konvex vorwölbte (.Abb. 3). Dieses Kri-terium schien uns verlässlicher als eine ge-messene Grenzwertüberschreitung [5].

Zur Untersuchung gelangten sämtliche Patienten, welche uns während eines Zeit-raums von 12 Wochen zugewiesen wurden und hinsichtlich ihres Mobilitätsgrades imstande waren, an 2 Unterarmgehhilfen eigenständig den Untersuchungsraum der Sonographie zu erreichen. Ausgeschlos-sen waren Kranke geringen Mobilitäts-grades, welche beispielsweise auf die Ver-wendung eines Rollstuhls oder Rollators angewiesen oder bettlägerig waren. We-nige Patienten (<5) verweigerten ihre Zu-stimmung zur Sonographie und nahmen nicht an der Untersuchung teil.

Ergebnisse

In der vorliegenden Studie wurden 138 an Unterarmgehstützen mobilisierte Per-sonen, hiervon 101 Frauen, Durchschnitts-alter 68,5 Jahre (zwischen 29 und 87 Jah-ren), im Mittel 7 Wochen (zwischen 4 und 18 Wochen) nach endoprothetischem, osteosynthetischem oder anderem Ein-griff an einer unteren Extremität unter-sucht (.Tab. 1).

Als alleinige Auswahlkriterien galten – außer der Verwendung von Unterarm-gehhilfen – Untersuchbarkeit und Mo-bilität. Bei 3 der Patienten war eine ent-zündlich-rheumatische Erkrankung prä-operativ bekannt. Spontan klagten 30 Per-sonen (28,3%) über schultergelenkbezo-

gene Symptome wie Belastungsschmerz bei Einsatz der Gehhilfen, Ziehen, Ver-spannung der nuchalen oder periartiku-lären Muskulatur u.a.

Bei 69 Patientinnen und Patienten (50%) fand sich eine eindeutige Ergus-sansammlung im anterioren Recessus (.Tab. 2). Eine beide Schultern betref-fende liquide Umsäumung der langen Bizepssehne zeigte sich dabei in 22 Fäl-len (15,9%; .Tab. 3). Bei 8 Patienten fanden wir einen sehr ausgedehnten so-nographischen Befund, 5-mal stellte sich zugleich eine eindeutige Ergussbildung des axillären Recessus als Ausdruck einer Omarthritis bzw. aktivierten Omarthrose dar. Hieraus ergibt sich eine isolierte Teno-synovitis bei 64 Untersuchten (46,4%).

Folgende weitere sonographisch erfass-bare Besonderheiten konnten beschrieben werden:F26-mal Bursitiden (Bursa deltoidea in

18 Fällen, daneben 9-mal eine Bursa subtendinea korakobrachialis, verein-zelt Bursa subtendinea subscapularis bzw. latissimus dorsi),

FRupturen bzw. Ausdünnungen (Partial-rupturen) der Rotatorenmanschette (16-mal),

FHumeruskopfdeformitäten bei 14 Pa-tienten,

Abb. 1 9 Quer- und Längs-schnitt in Höhe des Sulcus intertubercularis bei Teno-synovitis der langen Bizepssehne

Abb. 2 9 Quer- und Längs-schnitt in Höhe des Sulcus intertubercularis bei grenzwertigem Befund, als (noch) physiologisch gewertet

Abb. 3 9 Axil-läre Schnittführung: Ergussbildung im axillären Recessus

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Originalien

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F21-mal anderweitige Befunde, zumeist Kalzifikationen im Bereich der Rota-torenmanschette nahe dem Tubercu-lum majus, somit dem mutmaßlichen Supraspinatussehnenverlauf.

Zwischen den verschiedenen Bursitiden ergab sich ebensowenig wie bei den wei-teren benannten Nebenbefunden eine Korrelation zur Tenosynovitis der langen Bizepssehne.

Weniger als 1/3 (n=40) der unter-suchten Patienten äußerten auf gezieltes Befragen eine schultergelenkbezogene Symptomatik (.Tab. 4). Unter jenen konnten wir 24-mal eine Tenosynovitis der langen Bizepssehne nachweisen. Von 16 symptomatischen Patienten ohne ent-zündliche Veränderung an der langen Bi-zepssehnenscheide wurde lediglich in einem Fall keiner der anderweitigen so-nographischen Befunde erhoben.

Diskussion

Auf die Vorzüge der Arthrosonographie im Rahmen der rheumatologischen Dia-gnostik wurde vielfach hingewiesen (Lite-raturübersicht bei Backhaus [2]). Die so-nographische Abbildung der Schulterge-lenkumgebung stellt unter den zur Ver-fügung stehenden Verfahren die für die-se Fragestellung am ehesten geeignete Me-thode dar.

So wiesen Alasaarela et al. [1] auf ei-ne Sensitivität von 100% bei einer Spezi-fität von 83% im Hinblick auf eine Ent-zündung/Hypertrophie der Bizepsseh-nenscheide hin – gesichert durch opera-tive Verfahren.

Bei unserer Routinediagnostik wurden wir zunehmend mit den Befunden einer liquiden Umsäumung der langen Bizeps-sehne oder zumindest mit einer partiellen Apposition an derselben konfrontiert, wo-bei Gehhilfenbenutzung bereits frühzeitig einen kausalen Zusammenhang vermu-ten ließ. Deshalb wurden im Rahmen der vorliegenden Studie systematisch Unter-armgehstützenanwender hinsichtlich der Häufigkeit der zu beobachtenden liquiden Ansammlung in der langen Bizepssehnen-scheide exploriert. Die Auswahlkriterien (sämtliche Patienten, mobilisiert an Geh-stützen beidseits, welche innerhalb eines definierten Zeitraums zugewiesen wur-

Zusammenfassung · Abstract

Z Rheumatol 2008 · 67:62–67 DOI 10.1007/s00393-007-0241-x© Springer Medizin Verlag 2008

M. Krüger · E. Bischof-Léger

Häufigkeit einer Bizepssehnentenosynovitis bei Gehhilfenverwendung. Eine sonographische Beobachtung

Zusammenfassung138 an Gehstützen mobilisierte Patienten zu-meist nach Hüft- oder Kniegelenksalloarth-roplastik wurden schultersonographisch hin-sichtlich einer Ergussbildung in der Bizeps-sehnenscheide (Caput longum) untersucht. Die große Häufigkeit (69 Patienten, 50%), mit welcher eine liquide Umsäumung der langen Bizepssehne aufgedeckt wurde, überrascht. Nur in 5 Fällen war die Tenosynovitis beglei-tet von einem Erguss des Glenohumeralge-lenks, sodass in der großen Mehrzahl der Fäl-le von einer isolierten Tendovaginitis auszu-gehen ist. Mechanismen der Pathogenese

wie axialer Stress mit funktionellem Hume-ruskopfhochstand bei Gehhilfenverwendung werden diskutiert.

Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Frage beantworten zu können, war-um sich die Inflammation auf die Region des anterioren Recessus des Schultergelenks (Sul-cus intertubercularis) beschränkt.

SchlüsselwörterSonographie · Lange Bizepssehne · Teno-synovitis · Gehhilfen · Hüftgelenkersatz · Knie-gelenkersatz · Funktionelles Impingement

Frequency of biceps tendon tenosynovitis from crutches. A sonographical observation

AbstractA total of 138 patients using elbow crutches after endoprothetic joint replacement of the hip or knee were examined for effusion of the biceps tendon sheath using ultrasound so-nography. A surprisingly high number of pa-tients showed liquid effusion around the long biceps tendon area (69 patients, 50%). Teno-synovitis was associated with a liquid effu-sion of the glenohumeral joint in only 5 cas-es, whereas isolated tenovaginitis was seen in the large majority of the cases. This leads to the hypothesis that axial-mediated stress

is the pathogenetic mechanism and causes a functional impingement as a result of high positioning of the caput humeri by the use of crutches. Further investigations are necessary to find out why the inflammation is limited to the anterior recessus region (Sulcus intertu-bercularis) of the glenohumeral joint.

KeywordsUltrasound · Biceps tendon · Tenosynovitis · Crutches · Hip joint replacement · Knee joint replacement · Functional impingement

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den) sowie die geringe Zahl aus der Stu-die ausgeschlossener Patienten (fehlende Zustimmung, Immobilität) führen nicht zu statistischer Ergebnisverzerrung (Bias), zumal die Ausschlusskriterien in keiner-lei Kausalzusammenhang mit der Frage-stellung standen. Es wurden ausschließ-lich Gehhilfen beidseits angewandt. Eine Beziehung zwischen dem Auftreten einer Tenosynovitis und einer bevorzugten Sei-te wurde nicht registriert.

Das Phänomen einer im intertuber-kulären Querschnitt sichelförmig/halb-mondartig („partiell“) oder komplett um-säumend erscheinenden reflexfreien bzw. nahezu reflexfreien Zone wurde häufig beobachtet.

Aufgrund der anatomischen Gegeben-heit des Bizepssehnenscheidenverlaufs ei-nerseits und der Tatsache, dass dieser Raum zugleich den anterioren Recessus des Glenohumeralgelenks darstellt, bedarf

es differenzierender Überlegungen, inwie-weit der auf die beschriebene Weise detek-tierte Erguss als isoliert zu betrachten ist oder aber Ausdruck einer das gesamte Hu­meroskapulargelenk betreffenden Flüssig-keitsansammlung ist.

Die Unterscheidung „Umsäumung der langen Bizepssehne“ als Ausdruck einer Omarthritis/aktivierten Omarthrose ei-nerseits oder aber „isolierte BS-Tendova-ginitis“ setzte somit voraus, eine Ergus-sansammlung im Glenohumeralgelenk zu erkennen. Dies gelingt am ehesten im Rahmen der sonographischen Explora-tion des axillären Recessus, in welchem sich unserer Erfahrung nach ein Gelen-kerguss zumeist frühzeitiger erfassen lässt als durch die alleinige dorsale Betrachtung des Skapulapfannenrands.

Eine Tenosynovitis als Epiphänomen einer Synovitis des Humeroskapularge-lenks war in der vorliegenden Untersu-chung 5-mal zu beobachten, woraus ei-ne isolierte, d. h. nicht im Zusammen-hang mit einer Omarthritis/aktivierten Omarthrose stehende BS-Tendovaginitis bei 64 Patienten (46,4%) resultierte. Die Häufigkeit, mit der diese Entzündung der Bizepssehnenscheide aufgedeckt wurde, überrascht – um so mehr, als nicht einmal die Hälfte dieser Patienten über (keines-wegs spezifische) Schulter-(Nacken-)Be-schwerden klagte.

Vergegenwärtigt man sich die Funkti-on des M. biceps brachii mit seinem Caput longum – Oberarmabduktion, Unterarm­beugung und ­supination (Anspannung der Fascia antebrachii) – so kommt der Auf-gabe des Muskels bei der Haltearbeit der Gehhilfen eine eher marginale Bedeutung zu. Die für den Einsatz der Gehhilfen not-wendige Leistung wird vielmehr überwie-gend von Unterarmgreif- sowie Ellenbo-gen-Strecker-Muskeln erbracht.

Die pathophysiologisch relevante Ein-flussgröße beim Einsatz der Gehhilfen stellt ganz offensichtlich der Abstützeffekt dar, welcher durch eine Gewichtsübertra-gung des Schulterdachs auf die Strukturen Caput humeri → Humerusschaft → Unter-arm → Gehhilfe zustande kommt.

Hieraus entsteht somit ein (funktio-nelles) Engpassphänomen unter den ko-rakoakromialen Strukturen, das einen Kompressionsstress auf die über das Ca-put humeri zum Tuberculum supragleno-

idale des Schulterblatts ziehende lange Bi-zepssehne bewirkt.

Inwieweit die Häufigkeit dieses Impin-gements auf vorbestehende Schulterdach-probleme zurückzuführen oder als passa-ger, im engeren Sinne als funktionell zu bezeichnen ist, war nicht Gegenstand un-serer Untersuchung.

> Der Abstützeffekt stellt die pathophysiologisch relevante Einflussgröße beim Einsatz von Gehhilfen dar

Wurnig [12] fand an 641 mittels Ultra-schall am Schultergelenk untersuchten Patienten in 5,3% normabweichende Be-funde der Bizepssehne bzw. der periten-dinösen Weichteile wie Synovitis, Kalzifi-kation im Lig. transversum, Sehnenrup-turen, Subluxationen usw.

Hannesschlager et al. [4] erhoben bei immerhin 61 (17%) von 354 Patienten ab-normale sonographische Befunde der lan-gen Bizepssehne. Als nebenbefundliches Begleitphänomen einer Schultersono-graphiestudie bei Subakromialsyndro-men mit Erkrankung und Verletzungen der Rotatorenmanschette an 4172 Pati-enten beschrieben Hedtmann u. Fett [6] in 33,6% ein „Involvement“, d. h. eine Be-teiligung der langen Bizepssehne.

Von 174 Schulterschmerzpatienten wiesen Carretta et al. [3] in 48% Bizeps-sehnenveränderungen wie Ergussbildung, Tendinitis, Dislokation und Ruptur nach.

Gemeinsames Auswahlkriterium in den zitierten Studien waren Symptome wie Schmerz oder Funktionseinschrän-kung im Schultergelenk. Die Streuung zwischen 5,3 und 48% normabweichender Befunde der langen Bizepssehne bzw. ih-rer unmittelbaren Umgebung lässt sich nicht ohne Weiteres erklären. Immer-hin finden sich in der Untersuchung mit der unserer Kenntnis nach größten Fall-zahl (4172 Patienten) von Hedtmann u. Fett [6] bei 1/3 der sonographisch explo-rierten Personen Pathologika der langen Bizepssehne.

Unsere Patientenstichprobe rekrutierte sich auf der Basis des Auswahlkriteriums Anwendung von Gehhilfen. Hieraus ist un-seres Erachtens die Häufigkeit erklärbar, mit welcher eine Sehnenscheidenentzün-dung der langen Bizpessehne festgestellt

Tab. 1  Vorangegangene operative Eingriffe

Hüftendoprothetik 91

Knieendoprothetik 25

Condylen-Schlitten-Implantation 5

Osteosynthese mittels dynamischer Hüftschraube

1

Anderweitige Operationen 16

Summe 138

Tab. 2  Verteilung der Ergussbildung auf den anterioren und/oder axillären Recessus

Patienten mit ein- oder beidseitiger Tenosynovitis

69

… in Kombination mit Ergussbil-dung im axillären Recessus

5

Isolierte ein- oder beidseitige Teno-synovitis

64

Tab. 3  Verteilungsmuster der Seiten- lokalisation der Tenosynovitis

Tenosynovitis rechts 47

Tenosynovitis links 44

Tenosynovitis beidseits 22

Tab. 4  Symptomatik und Nachweis einer Tenosynovitis

Symptomatik mit Nachweis einer Tenosynovitis

24

Symptomatik ohne Nachweis einer Tenosynovitis

16

Summer symptomatischer Patienten 40

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Originalien

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wurde. Somit ist die Annahme einer ei-genen Entität BS­Tenosynovitis bei Unter­armgehstützenanwendung gerechtfertigt.

Weitere Untersuchungen sind aus un-serer Sicht notwendig, um die Hypothe-se über deren Verursachung – funktio-nelles Impingement im Gefolge einer axi-alen Armbelastung – zu untermauern. Kritisch könnte nämlich angemerkt wer-den, dass die Ergussentstehung unter den korakoakromialen Strukturen eine Vertei-lung auch in die anderen Kompartimente des Humeroskapulargelenks erwarten lie-ße. Rupp et al. [8] konnten in diesem Zu-sammenhang arthroskopisch nachweisen, dass eine liquide Einscheidung der langen Bizepssehne („Halo-Phänomen“) in 9 von 10 Fällen auf eine humeroskapulare Flüs-sigkeitsansammlung schließen lässt. Dies konnte durch unsere Ergebnisse nicht be-stätigt werden, so dass letztendlich unge-klärt bleibt, weshalb bevorzugt der ante-riore Recessus mit entzündlichem bzw. liquidem Substrat gefüllt wird.

KorrespondenzadresseDr. M. KrügerKlinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Physikalische Therapie, Wicker Klinik Bad HomburgKaiser-Friedrich-Promenade 47, 61348 Bad [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Palliativmedizin und Sterbehilfe

Jeder Arzt setzt zielstrebig alles für das Über-leben seines Patienten ein. Doch wann ist der Punkt erreicht, da die Lebensqualität des ster-benden Patienten über den Kampf um sein Leben zu stellen ist? Und wie kann die Medi-zin dem Menschen im Sterben beistehen? Oft herrscht große Unsicherheit und Unwis-senheit bezüglich Ethik und Spannweite der Palliativmedizin. Deshalb beschäftigt sich die Springer-Fachzeitschrift „Der Gynäkologe“, Ausgabe 12/2007, mit der interdisziplinären Problematik der Palliativmedizin und Sterbe-hilfe und gibt einen Überblick über medizi-nische, juristische und ethische Aspekte. Das Schwerpunktheft beinhaltet Beiträge u.a. zu folgenden Themen: • Palliativmedizin – weit mehr als nur

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Lesetipp

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