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Haftungsrecht in der Pflege ALTENHEIM KONFERENZEN Berlin, 24.09.2013/ Frankfurt, 2.10.2013 Ronald Richter 1 [email protected]

Haftungsrecht in der Pflege - CAREkonkret€¦ · Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch die Theorien von Carl Rogers. A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen und wiederkehrenden

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Page 1: Haftungsrecht in der Pflege - CAREkonkret€¦ · Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch die Theorien von Carl Rogers. A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen und wiederkehrenden

Haftungsrecht in der Pflege

ALTENHEIM KONFERENZEN

Berlin, 24.09.2013/ Frankfurt, 2.10.2013

Ronald Richter

1 [email protected]

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 2

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Haftung

…(i.w.S.) das rechtliche „dafür-geradestehen-

müssen“, dass ein eigener oder ein fremder

Fehler oder ein ohne einen solchen Fehler

entstandenes Ergebnis einer anderen Person

einen Schaden verursacht hat.

Grundsätzlich nur für eigenes Verschulden,

ausgenommen für Erfüllungs- und

Verrichtungsgehilfen.

3 [email protected]

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Das Risiko der Geschäftsleitung…

[email protected] 4

Haftung Verantwortung

strafrechtliche zivilrechtliche

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Die klassische Verantwortung in der

Pflege…

[email protected] 5

Anordnung

Durchführung

Organisation

Arzt/

Leitung

Pflegekraft

Einrichtung

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Wofür haften Sie?

Wer ist Vertragspartner des Bewohners/ Kunden?

Der Träger der Einrichtung

…der Verursacher des Schadens („deliktische

Haftung“)

Der Handelnde („Pflegekraft“)

„Wer einen anderen zu einer Verrichtung

bestellt, …“ (§ 831 BGB): also Wohnbereichs-,

Heimleitung, PDL; Geschäftsführer

[email protected] 6

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Haftung wofür?

Wenn eine widerrechtliche Handlung vorliegt,

muss der Schädiger (direkt Handelnder/

Vorgesetzter) schuldhaft gehandelt haben.

§ 823 Abs. 1 BGB: „Zum Schadensersatz ist

verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig das

Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit,

das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines

anderen widerrechtlich verletzt.“

[email protected] 7

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[email protected] 8

Definition der Fahrlässigkeit

• § 276 Abs. 2 BGB: Fahrlässig handelt, wer die

Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Um-

ständen und seinen persönlichen Verhältnissen

verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht

erkennt, dass es zu einer Schädigung kommen

kann oder obwohl er dies für möglich hält, darauf

vertraut, dass es nicht passieren wird.

• Der Sorgfaltsmaßstab im pflegerischen Bereich

richtet sich nach dem Erwartungshorizont des

durchschnittlichen Kunden und nach dem

anerkannten medizinisch-pflegerischen Standard.

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[email protected] 9

Beispiel

Eine Bewohnerin wird in einem Heim vom Pflege-personal nicht regelmäßig gelagert und stundenlang in ihrem Stuhl sitzen gelassen. Dadurch kommt es im Gesäßbereich zu einem Dekubitus. In der Folge verschlimmert sich der Zustand derart, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden muss.

(Nach OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.09.2004, 1 Ss 84/04)

- Zivil-/Strafrechtliche Verantwortung?

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[email protected] 10

Lösung: Pflegekräfte

• Strafbarkeit der handelnden Pflegekräfte?

(+), denn diese haben sowohl die Entstehung als

auch Verschlimmerung des Dekubitus nicht

verhindert.

• Strafbarkeit gem. §§ 222, 230 StGB

• Zivilrechtliche Haftung: § 823 BGB iVm §§ 222,

230 StGB

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[email protected] 11

Lösung: Leitungskräfte

• Strafbarkeit der Leitungskräfte?

(+), denn es ist davon auszugehen, dass die Leitungs-

kräfte eines Trägers sich von allen Geschehnissen im

Zusammenhang mit den Kunden - insbesondere

Besonderheiten - informieren lassen.

Aktiv für den „Verrichtungsgehilfen“ sowie

Passiv für das Unterlassen von Gegenmaßnahmen,

sie handeln fahrlässig (in Form des Unterlassens).

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Haftung der Leitungskräfte

Haftung für den Verrichtungsgehilfen, also

„indirekt für fremdes Verschulden“

Es sei denn, die Leitungskraft kann darlegen und

beweisen (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB), die

ordnungsgemäße Personalauswahl,

ordnungsgemäße Anleitung und

ordnungsgemäße Überwachung.

[email protected] 12

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„Enthaftung“ möglich, wenn …

Darlegung und Beweis möglich für

ordnungsgemäße Personalauswahl,

Formale Voraussetzungen (Qualifikation)

vorhanden und geprüft

ordnungsgemäße Anleitung und

Einarbeitungshandbuch

ordnungsgemäße Überwachung

(= unregelmäßige Kontrollen).

[email protected] 13

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Was ist zu tun?

Von Leitungskräften wird erwartet,

1. dass Pflegende stets nur für jene Aufgaben

eingesetzt werden, die aufgrund ihrer Ausbildung

erwartet werden können,

2. Behandlungspflege nur aufgrund ärztlicher

Verordnung erfolgt und

3. Pflegemaßnahmen lückenlos dokumentiert

werden.

[email protected] 14

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 15

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[email protected] 16

Wozu Dokumentation?

• Information, Informationsfluss

• Leistungsnachweis

• Sicherungsinstrument der Pflege

• Haftungsausschluss („juristische Absicherung

des pflegerischen Handelns“)

• Qualitätssicherung

• Qualitätsförderung

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Wer prüft die „Lückenlosigkeit“?

§ 66 SGB V:

„Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei

der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen,

die bei der Inanspruchnahme von Versicherungs-

leistungen aus Behandlungsfehlern entstanden

sind …, unterstützen.“

Der MDK erstellt (über die Krankenkasse) ein

Gutachten für den versicherten Kunden.

Kostenlos für die Versicherten/ Rechtsanwälte!

[email protected] 17

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Ein Beispiel:

H. [*1924] zieht am 20.2. zunächst in die Kurz-

zeitpflege, gleich im Anschluss in die vollstatio-

näre Pflege.

H. ist bereits bei Einzug dementiell erkrankt und

leidet an einem infizierten, nach außen durchge-

brochenen, bösartigen Tumor an der rechten

Leiste. Zunächst mobil, verschlechtert sich ihr

Zustand, insb. ab Juni.

Im 4.7. Aufnahme KH wg. Debubitus Steiß (Grad

III), Fersen (re. Grad II, li. Grad I), verstirbt dort.

[email protected] 18

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Aus der staatsanwaltlichen

Ermittlungsakte…

[email protected] 19

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Die Managementaufgabe:

Nicht nur Kontrolle (und stöhnen über die

ausufernde Bürokratie), sondern …

…Auflösung der „Komplexität“ für die Pflegekräfte

Komplexität = cum plectilis, „zusammengeflochten“

[Eigenschaft eines Systems, dessen Gesamtver-

halten selbst dann nicht eindeutig beschrieben

werden kann, wenn man vollständige Informatio-

nen besitzt.] Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion

sozialer Komplexität, Stuttgart (UTB) 2000

[email protected] 20

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Die Managementaufgabe II

Das „Ockham‘sche Rasiermesser“

[Wilhelm von Ockham, 1288 – 1347]

auch: Sparsamkeitsprinzip:

Von mehreren möglichen Erklärungen des-

selben Sachverhalts ist stets die einfachste

Theorie allen anderen vorzuziehen.

Möglichst wenig Variable und Hypothesen,

logische Beziehung

Neudeutsch: KISS-Prinzip [Keep it simple, stupid!]

[email protected] 21

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Aufgaben

MORGEN: Sehen Sie alle Formblätter ihrer

Einrichtung durch

(Aufnahme, Pflege-Doku, Abrechnung, etc.)

und wenden Sie „the ockham‘s Razor“ an!

JETZT: Zeichnen Sie das Organigramm ihrer

Einrichtung aus der Sicht der Verantwortung

(= Haftung!).

[email protected] 22

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Organigramm

[email protected] 23

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Unterscheidung

[email protected] 24

Dokumentation

ärztliche pflegerische

§ 630f Abs. 2

BGB § 113 Abs. 1

Satz 3 SGB XI

iVm MuG

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Was ist zu dokumentieren? [Arzt]

§ 630f Abs. 2 BGB:

Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patienten-

akte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzei-

tige und künftige Behandlung wesentlichen Maß-

nahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen,

insbesondere die Anamnese, Diagnosen,

Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse,

Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe

und ihre Wirkungen, Einwilligungen und

Aufklärungen.

[email protected] 25

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[email protected] 26

Was ist zu dokumentieren?

• Umfang ergibt sich aus den Aufgaben:

• …in klar gegliederter Form gibt die Dokumentation

Aufschluss darüber:

• wer,

• was,

• wann,

• in welcher Form,

• warum

• und in welchem Umfang verordnet und/ oder durchgeführt hat.

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Wie ist zu dokumentieren?

Die Grundprinzipien:

Wahrheit

Klarheit

Lesbarkeit

Verständlichkeit [Symbole, Kürzel sind möglich,

wenn es eine (zentrale) Legende]

[email protected] 27

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Was ist zu dokumentieren? [Pflege]

§ 113 Abs. 1 Satz 3 SGB XI:

In den Vereinbarungen [Maßstäbe und Grund-

sätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der

Pflegequalität] nach Satz 1 sind insbesondere

auch Anforderungen zu regeln …

1. an eine praxistaugliche, den Pflegeprozess

unterstützende und die Pflegequalität fördernde

Pflegedokumentation, die über ein für die

Pflegeeinrichtungen vertretbares und

wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen dürfen,

[email protected] 28

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Maßstäbe und Grundsätze v. 27.5.2011

3.1.3 Pflegeplanung und -dokumentation

Die vollstationäre Pflegeeinrichtung fertigt eine

individuelle Pflegeplanung und legt erreichbare

Pflegeziele, deren Erreichung überprüft wird, fest.

Die Pflegeplanung muss der Entwicklung des

Pflegeprozesses entsprechend kontinuierlich

aktualisiert werden. Die Pflegedokumentation

dient der Unterstützung des Pflegeprozesses, der

Sicherung der Pflegequalität und der Transparenz

der Pflegeleistung.

[email protected] 29

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MuG II

Die Pflegedokumentation muss praxistauglich

sein und sich am Pflegeprozess orientieren.

Veränderungen des Pflegezustandes sind aktuell

(bis zur nächsten Übergabe) zu dokumentieren.

Die Anforderungen an sie und insbesondere an

den individuellen Dokumentationsaufwand

müssen verhältnismäßig sein und dürfen für die

vollstationäre Pflegeeinrichtung über ein

vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht

hinausgehen.

[email protected] 30

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MuG III

Das Dokumentationssystem beinhaltet zu den

folgenden fünf Bereichen Aussagen, innerhalb

dieser Bereiche werden alle für die Erbringung

der vereinbarten Leistungen notwendigen

Informationen im Rahmen des Pflegeprozesses

erfasst und bereitgestellt. Diese Bereiche sind:

Stammdaten,

Pflegeanamnese/ Informationssammlung inkl.

Erfassung von pflegerelevanten Biografiedaten,

Pflegeplanung,

Pflegebericht, Leistungsnachweis.

[email protected] 31

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MuG IV

Das Dokumentationssystem ist in Abhängigkeit

von bestehenden Pflegeproblemen im Rahmen

der vereinbarten Leistungen ggf. zu erweitern. Die

vollstationäre Pflegeeinrichtung handelt bei

ärztlich verordneten Leistungen im Rahmen des

ärztlichen Behandlungs- und Therapieplanes.

Diese Leistungen sind in der Pflegedokumenta-

tion zu dokumentieren. Zu Beginn der Versorgung

erstellt die vollstationäre Pflegeeinrichtung eine

umfassende Informationssammlung über …

[email protected] 32

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MuG V

Ressourcen,

Risiken,

Bedürfnisse,

Bedarfe und

Fähigkeiten.

Hierbei sind die notwendigen Prophylaxemaß-

nahmen (z. B. gegen Dekubitalgeschwüre,

Pneumonien, Stürze und Kontrakturen) in der

Dokumentation zu berücksichtigen. Bezugsperso-

nen sind in die Pflegeplanung einzubeziehen. [email protected] 33

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MuG VI

Ziel der Pflegeplanung ist es, unter Einbeziehung

des Bewohners seine Fähigkeiten, Ressourcen

und Pflegeprobleme zu identifizieren sowie

Pflegeziele und Pflegemaßnahmen zu

vereinbaren.

Wenn Leistungen für den Bewohner erforderlich

sind, von diesem aber nicht abgefragt werden, ist

die Diskrepanz zwischen Hilfebedarf und abge-

fragten Leistungen in der Pflegedokumentation

nachvollziehbar festzuhalten.

[email protected] 34

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Managementaufgabe III

Ockham‘s Razor liegt nahe, doch wir sind nicht

zuständig!

Daher: Verringerung der Komplexität in Hinblick

auf

Struktur [Organigramm, Hierarchien]

Prozess [QM = Kernprozessorientierung]

Kommunikation [Besprechungen mit Protokoll!]

Controlling [Welche Kennzahlen helfen Ihnen?]

[email protected] 35

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Beispiel: Ermittlungsakte

[email protected] 36

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Dokumentieren der AEDL

[Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des

Lebens]

nach Monika Krohwinkel (entwickelt 1988 – 1991,

modifiziert 1999 A„B“EDL = Beziehung),

beeinflusst vom „Pflegemodell der Lebensakti-

vitäten („ADL“, deutsch ATL)“ von Virginia

Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch

die Theorien von Carl Rogers.

A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen

und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf

des täglichen Lebens“ in § 14 Abs. 1 SGB XI. [email protected] 37

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Die AEDLs

1. Kommunizieren können 2. Sich bewegen können 3. Vitale Funktionen des Körpers aufrechterhalten können 4. Sich pflegen können 5. Essen und trinken können 6. Ausscheiden können 7. Sich kleiden können 8. Ruhen und schlafen können 9. Sich beschäftigen können 10. Sich als Mann/Frau fühlen können 11. Für Sicherheit in der Umgebung sorgen können 12. Soziale Bereiche des Lebens sichern können 13. Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen können

[email protected] 38

Page 39: Haftungsrecht in der Pflege - CAREkonkret€¦ · Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch die Theorien von Carl Rogers. A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen und wiederkehrenden

Anwendung „ockham‘s razor“:

Ist die Dokumentation der Pflegeplanung in Form

der AEDL (immer) sinnvoll?

Beispiel: Aufnahme in die Kurzzeitpflege/ für eine

Verordnung Behandlungspflege?

Welche Fragen interessieren wirklich bei

Aufnahme der Tätigkeit:

„Warum sind sie hier?

Was kann ich für sie tun?/ Wie kann ich Ihnen

helfen?“

[email protected] 39

Page 40: Haftungsrecht in der Pflege - CAREkonkret€¦ · Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch die Theorien von Carl Rogers. A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen und wiederkehrenden

Anwendung „ockham‘s razor“:

Ist die Dokumentation der Pflegeplanung in Form

der AEDL (immer) sinnvoll?

Beispiel: Aufnahme in die Kurzzeitpflege/ für eine

Verordnung Behandlungspflege?

Welche Fragen interessieren wirklich bei

Aufnahme der Tätigkeit:

„Warum sind sie hier? [= Ressourcen]

Was kann ich für sie tun?/ Wie kann ich Ihnen

helfen?“ [= Defizite/ Probleme]

[email protected] 40

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Neue Orientierung!

Warum nicht Anknüpfung an der Pflege Charta?

„Betroffene werden zu Beteiligten“

Worum geht es?

Zeitersparnis

Professionalität

Teameffekte

Ergebnisqualität

[email protected] 41

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Managementaufgabe IV

Ständiges Hinterfragen, welche Angaben/ Infor-

mationen etc. brauchen wir zur fachgerechten

Versorgung wirklich.

…was muss wirklich dokumentiert werden?

Beispiel: Im Krankenhaus wird keine Grundpflege

dokumentiert.

[Ausnahme: atypische Pflegesituation]

Formulierung einer „Papierobergrenze“

[email protected] 43

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[email protected] 44

Grundsatz

• Zugelassene Pflegeeinrichtungen sind verpflich-

tet, ein geeignetes Pflegedokumentations-

system vorzuhalten, aus dem

das Leistungsgeschehen und

der Pflegeprozess abzuleiten sind.

• Dokumentation ist aus Rechtsgründen geboten,

weil sie aus medizinischer Sicht erforderlich ist. • BGH, Urt. v. NJW 1999, 2408

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[email protected] 45

Zweck der Dokumentation

• Therapiesicherung

• Qualitätssicherung

• Beweissicherung

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[email protected] 46

Folgen mangelhafter Dokumentation

• Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten sind

einem Behandlungsfehler gleichgestellt • BGH NJW 1978, 1681; 1999, 3408

• ...begründet die Vermutung, dass die nicht

dokumentierte Maßnahme auch nicht

durchgeführt wurde LG Köln NJW-RR 1995, 346

• ...gleiches gilt für eine nicht zeitnahe Doku. OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 27

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Was heißt zeitnah?

Sofort nach der Verrichtung?

Schichtende?

§ 630f Abs. 1 Satz 1 BGB:

Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der

Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen

Zusammenhang mit der Behandlung eine

Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu

führen.

[email protected] 47

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Änderungen möglich?

Ja, aber technisch richtig:

§ 630f Abs. 1 Satz 2 BGB:

Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen

in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben

dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann

sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für

elektronisch geführte Patientenakten

sicherzustellen.

Also: sauber durchstreichen, Kürzel und Datum!

[email protected] 48

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[email protected] 49

Merksatz

• Was nicht geschrieben wurde, wurde auch

nicht gemacht!

• vgl. auch § 630h Abs. 3 BGB:

Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene

wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis

entgegen § 630f Abs. 1 oder Abs. 2 nicht in der

Patientenakte aufgezeichnet … , wird vermutet,

dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 50

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Organisationsverschulden

Ein Organisationsverschulden liegt dann vor,

wenn durch eine fehlerhafte Organisation die

ordnungsgemäße Betreuung der Bewohner oder

Kunden nicht gewährleistet ist und dadurch ein

Schaden beim Bewohner oder Kunden entsteht.

Beispiel: Ständig zu wenig (qualifiziertes)

Personal

Verpflichtung der Leitungskräfte gegenüber dem

Einrichtungsträger: (schriftliche) Überlastungs-

anzeige

[email protected] 51

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Verkehrssicherungspflicht

Wer eine Gefahrenquelle schafft oder eine Gefahr

nicht beseitigt, muss Vorkehrungen treffen, um

die Schädigung dritter Personen zu verhindern.

Beispiel: Bettenwagen im Flur; Nasse Stelle auf

dem Boden von der Reinigung; Stolpergefahr

durch Bodenunebenheiten

Sonder-Problem: Vorsorge zur Verhinderung

einer Gefährdung von weglaufgefährdeten

Personen, die sich im Straßenverkehr schädigen

könnten.

[email protected] 52

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P! Bewohner mit Weglauftendenz

Schutzmaßnahmen sind nur erforderlich im

Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren.

Sog. Vollbeherrschbarer Bereich:

Die Aufsichtspflicht der Pflegeeinrichtung ist auf

die üblichen Maßnahmen begrenzt, die mit

vernünftigem finanziellen und personellen

Aufwand realisierbar sind. BGH, Urt. v. 28.4.2005, III ZR 399/04

2. Grenze: Selbstbestimmungsrecht des

Bewohners oder Kunden [sog. erlaubtes Risiko]

[email protected] 53

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[email protected] 54

Keine Haftung!

unterlassenen Fixierung oder ein nicht ange-

brachtes Bettgitter ist keine Pflichtverletzung

Es besteht keine Pflicht einen entsprechenden

Antrag auf Fixierung zu stellen

KG, Urt. 2.9.2004, 12 U 107/03; die anderweitige Auffassung,

dass der Träger energisch auf den Bewohner einzuwirken habe,

eine Fixierung zuzulassen bzw. das Betreuungsgericht zu

informieren, ist in Hinblick auf die Art. 1 und 2 GG geradezu

abwegig, so aber OLG Dresden, Urt. v. 23.9.2004, 7 U 753/04.

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[email protected] 55

Haftungsrecht

unterlassenen Fixierung oder ein nicht ange-

brachtes Bettgitter ist keine Pflichtverletzung

Es besteht keine Pflicht einen entsprechenden

Antrag auf Fixierung zu stellen KG, Urt. 2.9.2004, 12 U 107/03; die anderweitige Auffassung,

dass der Träger energisch auf den Bewohner einzuwirken habe,

eine Fixierung zuzulassen bzw. das Vormundschafts-gericht zu

informieren, ist in Hinblick auf die Art. 1 und 2 GG geradezu

abwegig, so aber OLG Dresden, Urt. v. 23.9.2004, 7 U 753/04.

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[email protected] 56

Keine Haftung II

Ebenso ist der Träger nicht verpflichtet und auch

nicht berechtigt, eine Fixierung im Rollstuhl

vorzunehmen, sondern kann sich zunächst mit

einer Benachrichtigung des Betreuers begnügen

und erwarten, dass der Betreuer das Notwendige

veranlassen werde.

KG, Urt. v. 25.5.2004, 14 U 37/03

• Prüfungsmaßstab: Handelt es sich um den voll

beherrschbaren Gefahrenbereich? • BGH NJW 1991, 1541; OLG Dresden NJW-RR 2000, 761

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[email protected] 57

Keine Haftung! III

• Keine Pflicht zur Fixierung OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867; OLG Schleswig OLGR

2004, 85

• Keine Pflicht für Protektorhosen OLG Schleswig OLGR 2004, 85

• Keine lückenlose Überwachung

• Keine „Sitz-Wache“

• Keine Bewegungsmelder KG, Urt. v. 2.9.2004, 12 U 107/03

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[email protected] 58

…also keine Haftungsfalle

Der Wille des Bewohners ist zu respektieren! BGH, Urt. 14.7.2005, III ZR 391/04

…besondere Schutzmaßnahmen nur, wenn ein

erhöhtes Sturzrisiko besteht.

Regelmäßige Überprüfung

Schutzmaßnahmen anbieten, Gespräche mit

Angehörigen, Betreuern … führen

und dies sowie die Konsequenzen ausführlich

(detailliert) dokumentieren

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[email protected] 59

Beweislastumkehr

Wird durch den Dokumentationsmangel die

Aufklärung eines Behandlungsfehlers vereitelt

oder erschwert BGH NJW 1983, 332

…ist dies einer mangelhaften Pflege gleichzu-

setzen und

...führt im Prozess zu einer Beweislastumkehr zu

Gunsten des Patienten BGH NJW 1996, 779; BVerfG NJW 1979, 1925

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Zusammenfassung Haftung

[email protected] 60

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Versicherungen

Regelt die Betriebshaftpflichtversicherung alles

[sogar dank(?) Halbteilungsabkommen völlig

geräuschlos?]

Nein, Führungskräfte haften in den Angelegen-

heiten des Unternehmens regelmäßig mit der

„Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“,

§ 43 Abs. 2 GmbHG, §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 664 ff.

BGB, § 128 HGB.

Nur der (Einzel-)Unternehmer haftet intern nie-manden, er „ärgert sich dann am meisten über sich selbst!“

[email protected] 61

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Versicherungen

Regelt die Betriebshaftpflichtversicherung alles

[sogar dank(?) Halbteilungsabkommen völlig

geräuschlos?]

Nein, Führungskräfte haften in den Angelegen-

heiten des Unternehmens regelmäßig mit der

„Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“,

§ 43 Abs. 2 GmbHG, §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 664 ff.

BGB, § 128 HGB.

Nur der (Einzel-)Unternehmer haftet intern nie-manden, er „ärgert sich dann am meisten über sich selbst!“

[email protected] 62

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Beispiel für Unternehmerhaftung OLG München, Urt. v. 23.02.2006, 8 U 4897/05

A, dement und nicht mehr fähig sich situationsan-

gemessen zu verhalten und etwa die Funktions-

weise einer vorhandenen Rufanlage zu erfassen,

wurde – entsprechend der Pflegeplanung –

dreimal täglich auf den Toilettenstuhl gesetzt,

mittels Bauchgurt fixiert (§ 1906 Abs. 4 BGB

Beschluss vorhanden) und mit diesem Toiletten-

stuhl in die Nasszelle seines Zimmers geschoben.

Dort verblieb er etwa 20 Min. unbeaufsichtigt, um

in Ruhe abführen zu können. So auch am 01.05.

[email protected] 63

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Beispiel II

Als das Pflegepersonal gegen 19.10 Uhr wieder

in die Nasszelle trat, fanden sie A unter laufen-

dem, heißem Wasser sitzend auf seinem

Toilettenstuhl.

Durch den Austritt des heißen Wassers erlitt er

Verbrennungen 3. Grades an Hüfte und Bein

sowie Verbrennungen 2. Grades an anderen

Körperstellen.

Haftung: Pflegekraft – PDL – Träger der

Einrichtung

[email protected] 64

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Beispiel III

Haftung

Pflegekraft: Nein, handelte entsprechend

dienstlichem Auftrag

PDL: Nein, kein kausaler Zusammenhang

zwischen Anweisung und Schaden (Alleiniger

Toilettengang Ausdruck der Selbstbestimmung)

Träger der Einrichtung: JA, hatte eine

(Verkehrs-)Sicherungspflicht etwa durch Einbau

von Temperaturreglern oder Personal in

Rufweite.

[email protected] 65

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 66

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[email protected] 67

Abgrenzung: Pflegebereiche

SGB V:

Handeln des Arztes

ist erforderlich

„ärztliche Verord-

nung“ der einzelnen

Verrichtung

Krankheit

(Behandlungspflege)

SGB XI:

Einstufung durch den

MDK

Wunsch- und Wahl-

recht des Versicherten

Pflegebedürftigkeit

(Grundpflege)

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[email protected] 68

Behandlungspflege:

Delegation ärztlicher Leistung

Arzt/ Ärztin

Pflegekraft

„strenge Vorbehaltsaufgabe“:

Ohne Verordnung darf Pflege-

kraft nicht tätig werden. Verordnet werden

darf nach HKP-

RiLi.

Ausnahme: Arzt übernimmt für Delegation die

Haftung und die Vergütung

(HKP-RiLi Anm. zu § 1 Abs. 4).

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[email protected] 69

Gesetzliches Bild der Pflege…

„Selbstverständlich darf sich ein Arzt bei täglichen

Hilfeleistungen ... auf seine Schwestern und

Gehilfen verlassen, wenn sie dementsprechend

vorgebildet und angeleitet sind.“ RG, Urt. v.

6.6.1932

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[email protected] 70

Ärztliche Behandlung

Sind Hilfeleistungen anderer Personen erfor-

derlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie

vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm

verantwortet werden. (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V)

Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die

Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt

angeordnet und von ihm zu verantworten ist. (§ 28

Abs. 1 Satz 2 SGB V)

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[email protected] 71

Koordination/ Verordnung

§ 7 Abs. 1 HKP-RiLi: Zur Sicherstellung der Leistungs-

erbringung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege wirkt

die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt mit dem

Pflegedienst und der Krankenkasse der oder des

Versicherten eng zusammen. Die Koordination der

Zusammenarbeit liegt bei der behandelnden Vertragsärztin

oder dem behandelnden Vertragsarzt.

§ 7 Abs. 4 HKP-RiLi: Die Vertragsärztin oder der

Vertragsarzt soll bei Gelegenheit des Hausbesuches die

Pflegedokumentation einsehen, diese für ihre oder seine

Entscheidungen auswerten und bei Bedarf Anordnungen

darin vermerken.

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[email protected] 72

Modellvorhaben, § 63 Abs. 3c SGB V

Modellvorhaben nach Absatz 1 können eine Über-

tragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es

sich um selbständige Ausübung von Heilkunde

handelt und für die die Angehörigen der im Kran-

kenpflegegesetz geregelten Berufe auf Grund einer

Ausbildung nach § 4 Abs. 7 KrPflG qualifiziert sind,

auf diese vorsehen. … (§ 4 Abs. 7 AltenpflG) Der

GBA legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten

eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehöri-

gen der in den Sätzen 1 und 2 genannten Berufe im

Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann.

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Kernfrage des § 63 Abs. 3c SGB V

[email protected] 73

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§ 2 Abs. 1 RiLi zu § 63 Abs. 3c SGB V -

Selbständige Ausübung von Heilkunde

Berufsangehörige nach § 1 Abs. 1 üben Heilkunde

durch Vornahme der ihnen auf der Grundlage

dieser Richtlinie übertragenen ärztlichen

Tätigkeiten aus.

Ausübung von Heilkunde ist die auf wissenschaft-

liche Erkenntnis gegründete, praktische, selbstän-

dige oder im Dienst anderer ausgeübte Tätigkeit

zur Verhütung, Feststellung, Heilung oder

Linderung menschlicher Krankheiten,

Körperschäden oder Leiden.

[email protected] 74

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§ 2 Abs. 2 RiLi zu § 63 Abs. 3c SGB V

Die Heilkunde wird von entsprechend qualifizierten

Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 innerhalb des durch

die Richtlinie vorgegebenen Rahmens selbständig und

eigenverantwortlich ausgeübt.

Die Ausübung beinhaltet die Übernahme fachlicher,

wirtschaftlicher und rechtlicher Verantwortung.

Von dieser umfasst ist nach der Übertragung der ärzt-

lichen Tätigkeiten durch den Arzt die Entscheidungs-

befugnis, ob und in welchem Umfang die selbständige

Ausübung der Heilkunde durch Vornahme der über-

tragenen ärztlichen Tätigkeiten medizinisch geboten ist.

[email protected] 75

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§ 2 Abs. 2 RiLi zu § 63 Abs. 3c SGB V

Die Heilkunde wird von entsprechend qualifizierten

Berufsangehörigen nach § 1 Abs. 1 innerhalb des durch

die Richtlinie vorgegebenen Rahmens selbständig und

eigenverantwortlich ausgeübt.

Die Ausübung beinhaltet die Übernahme fachlicher,

wirtschaftlicher und rechtlicher Verantwortung.

Von dieser umfasst ist nach der Übertragung der ärzt-

lichen Tätigkeiten durch den Arzt die Entscheidungs-

befugnis, ob und in welchem Umfang die selbständige

Ausübung der Heilkunde durch Vornahme der über-

tragenen ärztlichen Tätigkeiten medizinisch geboten ist.

[email protected] 76

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Für welche Tätigkeiten?

[email protected] 77

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Tätigkeitskatalog (Beispiel)

[email protected] 78

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Wann?

[email protected] 79

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[email protected] 80

Voraussetzungen - heute

• Persönliches Arzthandeln nicht erforderlich

• Ärztliche Verordnung

• Einwilligung des Patienten

• Pflegekraft (objektiv) befähigt

• Pflegekraft (subjektiv) zur Übernahme bereit

• Dies muss die Leitungskraft anordnen und

überwachen (§ 831 BGB!)

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[email protected] 81

Kernbereich ärztlichen Handelns

Nicht delegationsfähig sind

schwierige

gefährliche

und solche Verrichtungen, die wegen der

Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen

ärztliches Fachwissen erfordern

(oder die ständige Anwesenheit von Ärzten

voraussetzen [Unterschied zum Krankenhaus!]).

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[email protected] 82

...nicht delegationsfähig

Ärztliche Untersuchung/ Diagnose

Anamnese

Ärztliche Beratung und Aufklärung

Entscheidungen über therapeutische M.

Invasive diagnostische Maßnahmen

Schwierige Injektionen/ Infusionen

Schwierige Medikation

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Ärztliche Aufklärung

§ 630e Abs. 1 BGB:

Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten

über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen

Umstände aufzuklären. Dazu gehören in der Re-

gel insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu

erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme

sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung

und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose

oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf

Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn …

[email protected] 83

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[email protected] 84

Ärztliche Verordnung

Unterscheidung von Verordnungs- und Durchführungsverantwortung

Verordnungsverantwortung allein beim Arzt

Daher: Alleinige Haftung bei Unverträglichkeiten, Komplikationen, Fehlentscheidungen

Durchführungsverantwortung bei Einrichtung (dieser Vorbehaltsaufgabe)

„Für ihr Tun ist die Pflegekraft verantwortlich“

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[email protected] 85

Verantwortung

Anordnung

Durchführung

Organisation

Arzt

Pflegekraft

Einrichtung

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[email protected] 86

Anwalt‘s Lieblingsspruch:

Alle Tätigkeiten können delegiert werden,

die Haftung dafür nicht!

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[email protected] 87

Schriftform der Verordnung

Grundsätzlich SCHRIFTLICH

Formblatt 12b

Informationswirkung

Beweiswirkung

Kontrollwirkung

Warnfunktion

Verantwortungszuweisung

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[email protected] 88

... per Telefon?

GEFAHR!

Übermittlungsfehler, Flüchtigkeitsfehler, Missverständnis

PRAXISTIPP:

Anordnung sofort schriftlich fixieren (in der Dokumentation „TA“), mündlich wiederholen und auf (baldige) Abzeichnung des anordnenden Arzt bestehen.

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[email protected] 89

Kontrollfragen

...ist die Verordnung richtig?

...ist die Verordnung rechtzeitig?

...ist die Verordnung vollständig?

„Fünf-W-Regel“

Welcher Patient, welches Medikament,

welche Dosierung, wann (um wieviel Uhr), in

welcher Applikationsform

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[email protected] 90

Bedarfsverordnung

Möglich!

Anordnungsrahmen als Vertrauenszuweisung

aber: gesteigerte Verantwortlichkeit des Handelnden; Arzt kann in der arbeitsteiligen Beziehung auf die Einhaltung der Eigenverantwortlichkeit vertrauen.

Fahrplan festlegen, kein therapeutischen Ermessensspielraum

Problem: Schnittstelle TEAM (Übergabe)

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Bedarfsverordnung II

…regelmäßig übernimmt die Einrichtung/

Leitungskraft ein vermeidbares Risiko.

Eine Haftung besteht vor allem dann,

wenn die Behandlung zur selbständigen Ausführung

überlassen worden ist,

wenn den ärztlichen Anweisungen zuwidergehandelt

wird,

pflichtwidrig der gebotene Einwand unterlassen wird oder

ein Übernahmeverschulden nachgewiesen werden kann.

Beispiel: „x ml bei Unruhe“ = keine Bedarfsmedi-

kation und damit unzulässig. [email protected] 91

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 92

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[email protected] 93

Das Spannungsfeld:

Freiheitsrecht vs. Fürsorgepflicht

Recht auf freie Entfaltung der

Persönlichkeit, Art. 2 GG

Schutz der körperlichen

Unversehrtheit, Art. 2 GG

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Art. 2 Abs. 1 und 2 GG

1. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner

Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer

verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige

Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

2. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche

Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist

unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund

eines Gesetzes eingegriffen werden.

94 [email protected]

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Art. 2 Abs. 1 und 2 GG

1. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner

Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer

verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige

Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Das Grundrecht der „allgemeinen Handlungsfrei-

heit“ gilt nicht schrankenlos.

Für Art. 2 Abs. 1 GG gilt das Zitiergebot des Art.

19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht;

…aber es gilt das Übermaßverbot, Einschränkun-

gen müssen verhältnismäßig sein.

95 [email protected]

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Ausübung des

Selbstbestimmungsrechts

[email protected] 96

Der Betroffene ist …

einwilligungsfähig nicht einwilligungsfähig

Der Betroffene

entscheidet

aktuell, rechtlich

wirksam, allein.

Patienten-

verfügung,

§ 1901a Abs. 1

BGB

Ermittlung:

Behandlungswunsch

oder

Mutmaßlicher Wille,

§ 1901a Abs. 2 BGB

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[email protected] 97

Einwilligung des Betroffenen

Voraussetzungen:

Verständigung möglich,

zur zweckhaften Willensäußerung fähig,

Sinn und Zweck der konkreten Maßnahme

wird erkannt und akzeptiert,

der Betroffene wurde nicht getäuscht oder

durch „Drohung“ zur Einwilligung bewegt.

A! jederzeitiger Widerruf muss möglich sein!

A! Einwilligung ist trotz Betreuung möglich!

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§ 1901a Abs. 1 S. 1 BGB

Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den

Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich

festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der

Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende

Untersuchungen seines Gesundheitszustands,

Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe

einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung),

prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die

aktuelle Lebens- und Behandlungssituation

zutreffen.

[email protected] 98

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Patientenverfügung, § 1901a BGB

Entfaltet Wirkung, wenn …

…der Verfügende für die vorgesehene medizinische

Maßnahme nicht mehr über die erforderliche

Einwilligungsfähigkeit verfügt,

…die Verfügung die konkret anstehende Ent-

scheidungssituation trifft,

…und auf seine aktuelle Lebens- und Behandlungs-

situation zutrifft.

…wenn (-), Behandlungswunsch/ mutmaßlicher Wille [email protected] 99

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Patientenverfügung, § 1901a BGB

Entfaltet Wirkung, wenn …

…der Verfügende für die vorgesehene medizinische

Maßnahme nicht mehr über die erforderliche

Einwilligungsfähigkeit verfügt,

…die Verfügung die konkret anstehende Ent-

scheidungssituation trifft,

…und auf seine aktuelle Lebens- und Behandlungs-

situation zutrifft.

…wenn (-), Behandlungswunsch/ mutmaßlicher Wille [email protected] 100

Die Patientenverfügung oder eine Kopie ist

daher im verschlossenen Umschlag zur

Pflegedokumentation zu nehmen und erst im

Fall der fehlenden Einwilligungsfähigkeit zur

Kenntnis zu nehmen.

Ansonsten überlagert/ beeinflusst das Wissen

aus der Patientenverfügung die aktuelle Pflege.

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Wie wird ermittelt („Adressat“)?

1. Betreuer/ Bevollmächtigter prüft, ob die Fest-

legungen aus der Verfügung auf die aktuelle

Lebens- und Behandlungssituation passen,

§§ 1901a Abs. 1 S. 1, Abs. 5 BGB.

2. Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche

Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand

und die Prognose des Patienten indiziert ist,

§ 1901b Abs. 1 S. 1 BGB.

3. Gespräch zwischen beiden zur Feststellung des

Patientenwillens, Äußerungsmöglichkeit für nahe

Verwandte, § 1901b Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB. [email protected] 101

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Vorsorgevollmacht

…keine Patientenverfügung ohne Vorsorgevoll-

macht [Betreuer/ Bevollmächtigter prüft…]

Aber:

Für Patientenverfügung reicht Einwilligungsfähig-

keit, für Vorsorgevollmacht ist Geschäftsfähigkeit

(„freier Wille“) im Sinne des § 104 BGB

erforderlich.

…kann sich auf alle rechtlich relevanten

Handlungen beziehen, bei denen Stellvertretung

zulässig ist.

[email protected] 102

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Vorsorgevollmacht II

Bei Einwilligung in medizinische Maßnahmen…

1. Ausdrückliche Nennung des Vertretungsbereichs

(medizinische Behandlungen, Abbruch von …,

freiheitsentziehende Maßnahmen, Unterbrin-

gung), § 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB

2. Schriftlich abgefasst, § 126 BGB

[email protected] 103

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Generalvollmacht

A! Eine abstrakt abgefasst Generalvollmacht –

ohne Nennung der Maßnahmen – umfasst diese

Angelegenheiten nicht!

Eine Generalvollmacht ersetzt daher die

Patientenverfügung/ Vorsorgevollmacht nicht

(vgl. § 1904 Abs. 5 BGB).

[email protected] 104

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Genehmigung

des Betreuungsgerichts erforderlich?

Grundsatz: (+) § 1904 Abs. 1 und 2 BGB.

Einwilligung, Nichteinwilligung und Widerruf in

ärztliche Maßnahmen, mit denen die Gefahr

verbunden ist, dass der Patient daran sterben

oder einen schweren und länger dauernden

gesundheitlichen Schaden erleiden könnte.

Ausnahme: (-) § 1904 Abs. 4 BGB

Einvernehmen Betreuer/ Bevollmächtigter und

Arzt, dies entspricht dem Willen des Patienten

[email protected] 105

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Wertung der Rechtsprechung:

Selbstbestimmung hat Vorrang!

Nicht das Leben ist das am höchsten bewertete

Rechtsgut, sondern die verfassungsrechtlich

geschützte Würde des Menschen. st. Rspr. BGH, Urt. v. 15.11.1996, 3 StR 79/76 = BGHSt 42, 301;

Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191; Urt. v.

10.11.2010, 2 StR 320/10 = NJW 2011, 161 (Sterbehilfe bei

Patientenverfügung)

„Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und

Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaß-

lichen Patientenwillen ist ein höherwertiges Rechtsgut

als die Aussicht, unter schwersten … Schmerzen noch

kurze Zeit leben zu müssen.“ BGHSt 42, 301

[email protected] 106

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Zum Verfahren…

Die Vorschriften der §§ 1901a und 1901b BGB ent-

halten verfahrensrechtliche Absicherungen, die den

Beteiligten bei der Ermittlung des Patientenwillens und

der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch

Rechts- und Verhaltenssicherheit bieten sollen (vgl.

BT-Drucks. 16/13314, 3 f., 7 f.) und bei der Bestim-

mung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von

kausal lebensbeendenden Maßnahmen auch für das

Strafrecht Wirkung entfalten. Sie dienen zum einen der

Verwirklichung des verfassungsrechtlich garantierten

Selbstbestimmungsrechts von Patienten, die selbst zu

einer Willensäußerung nicht (mehr) in der Lage sind. [email protected] 107

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Zum Verfahren II…

Hierin erschöpft sich ihre Funktion jedoch nicht. Viel-

mehr tragen sie zum anderen gleichgewichtig dem von

Verfassungswegen gebotenen Schutz des mensch-

lichen Lebens Rechnung, indem sie die notwendigen

strengen Beweisanforderungen an die Feststellung

eines behandlungsbezogenen Patientenwillens

verfahrensrechtlich absichern.

Unter letzterem Gesichtspunkt ist zunächst sicherzu-

stellen, dass Patientenverfügungen nicht ihrem Inhalt

zuwider als Vorwand benutzt werden, um aus

unlauteren Motiven auf eine Lebensverkürzung schwer

erkrankter Patienten hinzuwirken. [email protected] 108

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Zum Verfahren III…

Darüber hinaus muss in der regelmäßig die Beteiligten

emotional stark belastenden Situation, in der ein

Behandlungsabbruch in Betracht zu ziehen ist,

gewährleistet sein, dass die Entscheidung nicht unter

zeitlichem Druck, sondern nur nach sorgfältiger Prüfung

der medizinischen Grundlagen und des sich

gegebenenfalls in einer Patientenverfügung

manifestierenden Patientenwillens erfolgt.

So wörtlich: BGH, Urt. v. 10.11.2010, 2 StR 320/10 = NJW 2011,

161 (Sterbehilfe bei Patientenverfügung)

[email protected] 109

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Prüfung medizinischer Grundlagen…

Prinzip der Autonomie

Hat der Patient diese Situation autonom vorausverfügt?

War seine Entscheidung von Kenntnis und Verstehen

geprägt?

Prinzip der Fürsorge

Prinzip des Nichtschadens

Prinzip der Gerechtigkeit

[email protected] 110

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Ermittlung des mutmaßlichen Willens

§ 1901a Abs. 2 BGB gibt Entscheidungsmaßstäbe

vor. Konkrete Anhaltspunkte können sein, z.B.:

frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen

ethische Überzeugungen

religiöse Überzeugungen

sonstige persönliche Wertvorstellungen.

Welche Erkenntnismöglichkeiten – objektiv wie subjektiv

– hatte der Patient?

In dubio pro vita? str. so wohl BGH, Urt. v. 13.9.1994, 1 StR

357/94 = BGHSt 40, 257

[email protected] 111

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Voraussetzung

§§ 1901a Abs. 2, 1904 Abs. 4 BGB

„lediglich“: Einvernehmen Betreuer/ Bevoll-

mächtigter und Arzt, und

gemeinsame Feststellung, dies entspricht dem

Willen des Patienten Die bisherige Leitentscheidung des BGH, Urt. v. 17.3.2003, XII

ZB 2/03 = BGHZ 154, 205 („unbedingt gerichtliche Genehmigung

erforderlich“) ist insoweit überholt.

Kann kein Einvernehmen erzielt werden: Ent-

scheidung Betreuungsgericht, § 1904 Abs. 1 BGB

[email protected] 112

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 113

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Haftungsproblem: Polymedikation

Nach einer Bremer

Studie (2004) nehmen

27 % aller Bewohner in

Pflegeheimen zwischen

6 und 11 verschiedene

Medikamente ein; 50 %

4 – 6 Medikamente. Glaeske, Vergessen wir die

Demenz nicht, Jahrbuch für

kritische Medizin 2004, 83 (93)

[email protected] 114

24.03.12 Pflegeskandal

Tausende Demenzkranke mit

Pillen ruhig gestellt

Um Geld und Personal zu

sparen, werden Tausenden

Demenzkranken Psychophar-

maka verabreicht. Pflegeex-

perten rechnen mit zuneh-

mender "chemischer Gewalt".

Von Anette Dowideit

So ersetzen Pillen die Pflege …

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P! Psychopharmaka

Verordnungsrate von Psychopharmaka liegt bei

Bewohnern von Pflegeheimen zwischen 34 und 75

%. Pental, Abschlussbericht „Psychopharmaka im Altenpflegeheim“,

2011

Die Gabe von Antipsychotika bei Patienten mit

Demenz ist mit einem erhöhten Risiko für Mortalität

und für zerebrovaskuläre Ereignisse assoziiert.

Patienten und rechtliche Vertreter müssen über

dieses Risiko aufgeklärt werden. S3-Leitlinie „Demenz“, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,

Psychotherapie und Neurologie [email protected] 115

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P! Wirkweise (Klie, Rechtskunde, 189f.)

„Die Wirkweise von Psychopharmaka im Alter ist

aufgrund morphologischer und biochemischer

Altersveränderungen im Gehirn, veränderter

Resorption der Medikamente, und einer häufig

vorliegenden Multimorbidität alter Menschen sehr

verschieden von anderen Lebensaltern. So

beträgt die Verweildauer von Valium im Men-

schen durchschnittlich 40 Stunden; beim alten

Menschen ca. 120 bis 140 Stunden. Bei Alters-

patienten ist ½ bis 1/3 der üblichen Dosierung für

Patienten in mittleren Lebensaltern angezeigt.“

[email protected] 116

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Managementaufgabe V

Wie viele Medikamente erhalten ihre Bewohner?

Welche Psychopharmaka?

Rücksprache Arzt/ Apotheker erforderlich

[email protected] 117

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Grundrechtsverstoß!

Die Gabe von Neuroleptika gegen den natürlichen

Willen des Patienten schließlich stellt einen

besonders schweren Grundrechtseingriff auch im

Hinblick auf die Wirkungen dieser Medikamente

dar.

Dies gilt schon im Hinblick auf die nicht auszu-

schließende Möglichkeit schwerer, irreversibler

und lebensbedrohlicher Nebenwirkungen und die

teilweise erhebliche Streuung in den Ergebnissen

der Studien zur Häufigkeit des Auftretens

erheblicher Nebenwirkungen.

[email protected] 118

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Grundrechtsverstoß II

Psychopharmaka sind zudem auf die Verände-

rung seelischer Abläufe gerichtet. Ihre Verab-

reichung gegen den natürlichen Willen des

Betroffenen berührt daher, auch unabhängig

davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchge-

setzt wird, in besonderem Maße den Kern der

Persönlichkeit.

BVerfG, Beschl. v. 23.03.2011, 2 BvR 882/09 = BVerfGE 128,

282.

[email protected] 119

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 120

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Gesetzliche Grundlagen

Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines

förmlichen Gesetzes beschränkt werden, Art. 104

Abs. 1 S. 1 GG).

Auch eine aus „sozialer Fürsorge“ vorgenommene

Fixierung oder ein Festhalten gegen den Willen des

Betroffenen bleibt immer eine Straftat!

Zulässig ist die zwangsweise Unterbringung nur

zum Schutz vor Fremd- und Eigengefährdung. BVerfG, Urt. v. 18.7.1967, 2 BvF 3 – 8/62 u.a. = BVerfGE 22, 180

[keine weiteren Gründe, wie „Besserung des Betroffenen“]

[email protected] 121

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Zum weiteren Verständnis…

Was fachlich geboten ist, bestimmt die

Berufgruppe der Pflegenden selbst, …

und nicht etwa die Juristen!

Prüfungsmaßstab: Was kann von einer sorgfältig

arbeitenden Pflegekraft in einer bestimmten

Situation erwartet werden.

Juristen müssen daher den Blickwinkel von

Pflegekräften einnehmen.

[email protected] 122

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Freiheitsentziehung…

…ist eine Straftat, § 239 StGB

…, wenn ein Mensch eingesperrt oder auf andere

Weise des Gebrauchs seiner persönlichen

(Bewegungs-)Freiheit beraubt wird.

geschützt wird auch die potentielle Bewe-

gungsfreiheit

auf einen konkreten Willen, den Aufenthaltsort

zu wechseln kommt es nicht an.

Daher auch bei Bewegungsunfähigen grund-

sätzlich eine Freiheitsberaubung möglich!

[email protected] 123

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Zulässigkeit in engen Grenzen

Die Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden

oder -einschränkenden Maßnahme (nicht der

sog. Tatbestand) entfällt bei:

1. Einwilligung des Betroffenen

2. „rechtfertigendem Notstand“, § 34 StGB

3. richterlich genehmigter Unterbringung, § 1906

BGB (nach h.M. nicht im häuslichen Bereich;

anders LG Hamburg, Beschl. v. 9.9.1994, 301 T

206/94; LG München I, Beschl. v. 7.7.1999, 13 T

4301/99)

[email protected] 124

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Einwilligung des Betroffenen

Voraussetzungen:

Verständigung möglich,

zur zweckhaften Willensäußerung fähig,

Sinn und Zweck der konkreten Maßnahme

wird erkannt und akzeptiert,

der Betroffene wurde nicht getäuscht oder

durch „Drohung“ zur Einwilligung bewegt.

A! jederzeitiger Widerruf muss möglich sein!

Verbot einer „Vorrats-Einwilligung“, etwa im Heim-

oder Einrichtungsvertrag

[email protected] 125

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„Rechtfertigender Notstand“

A! …ausnahmsweise und für eine kurze Zeit, wenn

keine Einwilligung vorliegt und/ oder eingeholt

werden kann

…zur Abwehr einer gegenwärtigen, nicht anders

abwendbaren Gefahr für Leben und Körper,

wenn das dadurch geschützte Interesse das

beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

[email protected] 126

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Rechtfertigender Notstand II

A! „Kurz meint wirklich kurz!“

Kurze Zeit bedeutet, dass eine Fixierung über

einen Tag oder eine Nacht hinaus bereits eine

Genehmigungspflicht auslöst. Als

Höchstgrenze einer Fixierung ohne richterliche

Genehmigung ist die Frist nach § 128 StPO

anzusehen, danach ist die richterliche

Entscheidung spätestens am Tag nach dem

Beginn der freiheitsentziehenden Maßnahme

herbeizuführen.

[email protected] 127

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„Rechtfertigender Notstand“ Beispiele

Abwehr einer Suizidgefahr

unkontrollierte krankhafte Bewegungsunruhe

akute Verwirrtheitszustände

psychische Krisensituationen

ABER: Routinemäßige Maßnahmen aus

präventiven Gesichtspunkten ohne konkrete

Gefahr sind nicht von § 34 StGB gedeckt.

[email protected] 128

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Sedierende Medikamente wie

Schlafmittel, Psychopharmaka, wenn sie gegeben

werden,

um den Betreuten an der Fortbewegung in der

Einrichtung oder am Verlassen der Einrichtung

zu hindern,

um die Pflege zu erleichtern,

um Ruhe auf der Station oder in der

Einrichtung herzustellen.

…sind freiheitsentziehende Maßnahmen i.S. §

1906 Abs. 4 BGB

[email protected] 129

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Sonstige Vorkehrungen wie

Zurückhalten am Hauseingang durch Personal,

Wegnahme von Bekleidung (wie z.B. Schuhe),

Wegnahme von Fortbewegungsmitteln wie z.B.

Rollstuhl, Rollator

[email protected] 130

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Sende- oder Personenortungsanlagen

Diese Sender lösen bei Verlassen der Einrichtung

durch den Betroffenen ein Signal aus.

Die Auffassung der Gerichte zur Zulässigkeit und

Genehmigungsbedürftigkeit ist unterschiedlich.

1. Die Ausstattung eines Betroffenen mit einer Sende-

anlage (Personenortungsanlage) verstößt gegen die

Menschenwürde und ist daher nicht zulässig. AG Hannover, Beschl. v. 5.5.1992, 62 XVII L8

2. …ist genehmigungsfähig und genehmigungspflichtig AG Bielefeld, Beschl. v. 16.9.1996, 2 XVII B 32; AG Stuttgart-Bad

Canstatt, Beschl v. 26.11.1996, XVII 101/96. [email protected] 131

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Sendeanlagen II

3. Das Einlegen eines Sendechips in den Schuh der

Betroffenen bedarf nicht der Genehmigung durch

das Betreuungsgericht, denn die elektronische

Funkortung des Betreuten ist keine freiheitsentzie-

hende Maßnahme iS § 1906 Abs. 4 BGB. OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.1.2006, 11 Wx 59/05

4. …gleiches für das Anbringung eines Sicherheits-

chips (Funkortungschip) an der Kleidung bzw.

durch Umhängen AG Meißen, Beschl. v. 27.4.2007, 5 X 25/07

[email protected] 132

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Sendeanlagen III

5. Keine genehmigungsbedürftige Maßnahme nach

§ 1906 BGB ist die Ausstattung eines nicht orien-

tierten Heimbewohners mit einem Sender, da die

körperliche Bewegungs- und Entschließungsfrei-

heit nicht beeinträchtigt wird. AG Coesfeld, Beschl. v. 31.8.2007, 9 VXII 214/06

6. Anders: Ein am Handgelenk angebrachter Funk-

chip da nicht ausgeschlossenen werden, dass

dabei auch körperliche Gewalt angewendet wird,

LG Ulm, Beschl. v. 25.6.2008, 3 T 54/08

[email protected] 133

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Immer: Gerichtlicher Beschluss

§ 1906 Abs. 2 gilt für Betreuer und

Bevollmächtigte (vgl. Abs. 5): FEM nur mit

Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig.

Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen

wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung

eines von ihm Bevollmächtigten in eine FEM der

gerichtlichen Genehmigung bedarf. BGH, Urt. v. 27.6.2012, XII ZB 24/12

[email protected] 134

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FEM und Sturz

1. „Fixierte“ Menschen: Stürze ↔ (↑)

Ernsthafte sturzbedingte Verletzungen ↑

Verhaltensauffälligkeiten ↑

2. Verzicht auf FeM:

Sturzbedingtes Verletzungsrisiko ↔ ↓

Verhaltensauffälligkeiten ↔↓

Psychopharmaka ↔↓

Personalschlüssel ↔

[email protected] 135

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FEM und Sturz II

3. Keine Studie weltweit zeigt positiven Effekt von

FeM !

4. Daten über negative Folgen (Verletzungen,

Stress) sind dagegen alarmierend

Evans et al. (2002): Systematic Review, Joanna Briggs

Institut

Sailas E & Fenton M: Cochrane Systematic Review

2000;

Testad et al 2005, Pellfolk et al 2010, Koczy et al

(2010);

Berzlanovich 2007, Mohsenian 2002, BfArm 200

[email protected] 136

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

[email protected] 137

Page 138: Haftungsrecht in der Pflege - CAREkonkret€¦ · Henderson und Nancy Roper, 1976 sowie durch die Theorien von Carl Rogers. A! nicht zu verwechseln mit „den gewöhnlichen und wiederkehrenden

§ 216 StGB - Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und

ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung

bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von

sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ähnlich in Österreich: §§ 75, 77, 78 Strafgesetzbuch

…in der Schweiz: Art. 111, 113, 114 Strafgesetzbuch

…in den Niederlanden: Art. 293 Strafgesetzbuch.

[email protected] 138

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§ 216 StGB - Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und

ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung

bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von

sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

[email protected] 139

TÄTER OPFER

Unmittelbarer, mittelbarer

oder Mittäter

Straffrei ist damit die Beihilfe („Sterbehilfe“)

zum Suizid

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Lebensschutz

Der rechtliche Lebensschutz dauert bis zum Tode; er kommt auch unheilbar Kranken und zum Todgeweihten zugute.

BGH, Urt. v. 31.05.1955, 4 StR 51/55 = BGHSt 7, 287

Daran ändert auch ein Todesverlangen oder die Zustimmung naher Angehöriger nichts.

Verboten sind alle aktiven Maßnahmen zur

Todesbeschleunigung. BGH, Urt. v. 08.05.1991, 3 StR

467/90 = BGHSt 37, 376 [Vom Kranken nicht gewünschte aktive Sterbehilfe durch Krankenschwester ist Mord aus Heimtücke]; Urt. v. 13.09.1994, 1 StR 357/94 = BGHSt 40, 257 [Absetzen

künstliche Ernährung – zulässig]

[email protected] 140

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„Arten“ der Sterbehilfe

[email protected] 141

Aktive Sterbehilfe Indirekte Sterbehilfe Passive Sterbehilfe

Straffrei Strafbar

Hilfe zum Sterben Hilfe beim Sterben

Verkürzung der Lebens-

erwartung durch

schmerzstillende/ -

lindernde Medikamente

Aktives Tun; Tod als

unvermeidbare

Nebenfolge

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„Arten“ der Sterbehilfe - Beispiele

[email protected] 142

Aktive Sterbehilfe Indirekte Sterbehilfe Passive Sterbehilfe

Straffrei Strafbar

Hilfe zum Sterben Hilfe beim Sterben =

„Sterbenlassen“ Abschalten

Beatmungsgerät

Gabe von schmerz-

stillenden, aber ggf.

lebensverkürzenden

Medikamenten

(„Nebenwirkung“)

Unterlassen weiterer

Therapie

Beendigung oder

Reduktion künstlicher

Ernährung

oder anderer Behand-

lungsmaßnahmen

Gezielte, aktive Her-

beiführung des Todes

[unterscheidet sich von

der indirekten Sterbehilfe

nur durch die subjektive

Einstellung des Handeln-

den!]

Gabe von direkt töd-

lichen Medikamenten

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Indirekte Sterbehilfe - Palliativmedizin

Problem: Morphingabe im Endstadium einer Krebserkrankung.

Im Ergebnis sind sich alle Meinungen einig, dass der Arzt/ Apotheker hier straffrei bleiben muss.

st. Rspr. seit BGH, Urt. v. 15.11.1996, 3 StR 79/76 = BGHSt 42, 301

Die überwiegende Ansicht sieht dies gerechtfertigt

durch eine Mischung aus Notstand (§ 34 StGB) und

rechtfertigender Pflichtenkollision. Dadurch wird

ausgeschlossen, dass der Arzt „Exzesse“ vollführen

kann, sich also außerhalb der notwendigen Sorgfalt

und damit des erlaubten Risikos bewegt.

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Indirekte Sterbehilfe II

Achtung! Die Nichtverabreichung notwendiger

Schmerzmittel mit der Begründung, keinen

vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, kann als

Körperverletzung (§ 223 StGB) oder unterlassene

Hilfeleistung (§ 323c StGB) bestraft werden.

Aus medizinischer Sicht ist die „indirekte Sterbehilfe“ in der Praxis sehr

selten, weil korrekt eingesetzte Opiate (wie Morphium) oder Benzodiazepine das Sterben entgegen früheren Ansichten in der Regel nicht verkürzen, sondern sogar leicht verlängern. Die juristische Diskussion zu diesem Thema erscheint deshalb manchen Palliativmedizinern als eher akademische Debatte. Vgl. dazu Truog RD et al Barbiturates in the care of the terminally ill New Engl J Med 1992, 327:1678-82.

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…gegen den Therapiewunsch

Das Sterbenlassen einer Person durch Unter-

lassen von medizinischer Hilfeleistung bzw.

technischen Möglichkeiten entgegen den

Therapiewünschen der betroffenen Person

erfüllt den Straftatbestand eines Tötungsdeliktes

oder der unterlassenen Hilfeleistung.

BVerfG (3. Kammer), Beschl. v. 30.01.2002, 2 BvR 1451/01)

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Behandlungsabbruch, „Passiv“/ „aktiv“

1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.

2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorge-nommen werden.

BGH, Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191

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Behandlungsabbruch II

3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen,

die nicht in einem Zusammenhang mit dem

Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen,

sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht

zugänglich.

BGH, Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191

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Gliederung

1. Haftungsrecht

2. Dokumentation

3. Folgen der Haftung

4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben

(2) Patientenverfügung

(3) Polymedikation

(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen

(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagement

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Beispiel für Risikomanagement I

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Risikomanagement II

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Risikomanagement III

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Risikomanagement IV

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Checkliste nach Leitfaden Landespflegeausschuss Bayer, 2006

Haltung und Werte vorgeben

im Leitbild

im Pflegekonzept

in Zielvorgaben, -vereinbarungen

im eigenen Verhalten

Wissensbasierte Pflege

Umsetzung von Leitlinien

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Checkliste II nach Leitfaden Landespflegeausschuss Bayer, 2006

Personalentwicklung und Schulung

Kooperation, interdisziplinäre Zusammen-

arbeit

Zusammenarbeit mit Betreuern

Schaffung unterstützender Strukturen

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Arbeitsschwerpunkte

o Fachanwalt für Steuerrecht

o Heim-, Gesellschafts-, Sozialversicherungsrecht

o Veröffentlichungen:

• LPK-SGB XI, 4. Aufl., NOMOS

• LPK-HeimG, 2. Aufl., NOMOS

• Münchener Handbuch Sozialrecht, 4. Aufl., CH Beck

• Seniorenrecht, 2. Aufl. NOMOS

• LPK-SGB I, LPK-SGB XI, Das neue Heimrecht,

NOMOS

• Behandlungspflege, 3. Aufl., Vincentz

[email protected] 157