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Montag, 21. Februar 2011 | az 9 Wirtschaft Wer früher die Kundschaft belohnen wollte, der gab ihr «Rabattmärkli» mit auf den Weg. Hatte der Kunde ge- nügend davon beisammen, konnte er sie beim nächsten Einkauf einlösen und sparen. So blieb zu hoffen, dass der Kunde dem Unternehmen auch künftig die Treue hält. Eine einfache, aber effektive Mar- ketingmethode, die in verfeinerter Form nun das mobile Internet er- obert. Im Zentrum stehen Handy- dienste wie Facebook–Deals oder Foursquare. Beide verknüpfen die Vorzüge sozialer Netzwerke mit ei- ner ortsbasierten Nutzung. Einchecken und konsumieren Ein Beispiel: Die amerikanische Fastfood-Kette Domino’s Pizza be- lohnt Stammbesucher ihrer US-Filia- len – je nach Frequenz – mit einer kostenlosen Beilage oder einem wö- chentlichen Gratismahl. Um die vir- tuellen «Rabattmärkli» zu erhalten, müssen sich die Besucher jeweils vor Ort per Handy im Internet auf dem Foursquare-Dienst einchecken. Mit jedem Check-in erfahren sie, ob Freunde aus ihrem sozialen Netz- werk in der Nähe sind. Umgekehrt si- gnalisieren die Foursquare-Benutzer ihren «Gschpänli» mit dem Check-in, dass sie gerade in einer Domino’s- Filiale Pizza essen. «Der Weiterempfehlungseffekt ist für Unternehmen Gold wert, basiert er doch quasi auf der Weisheit der Freunde», sagt Online-Marketingex- perte Simon Künzler von der Firma Xeit. Diese Mundpropaganda für die Generation Facebook verknüpft also auf geschickte Weise On- und Off- line-Welt miteinander und ergänzt sie um einen kommerziellen Aspekt. Dabei dient der Rabatt-Coupon als Anreiz, um mehr Check-ins zu erhal- ten, wodurch die Unternehmen ihre Kundenbasis erweitern. Als beispiels- weise McDonald’s in den USA Check- ins – nach Zufallsprinzip – mit Ein- kaufsgutscheinen belohnte, stieg die Foursquare-Nutzung in den jeweili- gen Fastfood-Filialen um gut einen Drittel. In der Schweiz steckt die Nut- zung solch ortsbasierter Dienste noch in den Kinderschuhen. Beispie- le sind rar gesägt. Wer sich im Luzer- ner Rok-Club eincheckt, den erwartet ein Cüpli an der Bar. Ein Brownie er- hielt bis vor kurzem, wer dreimal Foursquare in einer Filiale von Caffè Spettacolo nutzte. Die Kaffee-Kette gehört wie auch die Kiosk-k-Filialen zum Konsumgü- terkonzern Valora, der Foursquare im November und Dezember an aus- gewählten Verkaufsstandorten teste- te. Das strategische Marketing sei nun daran, die Testergebnisse auszu- werten, heisst es bei Valora. Bisheriger Hemmschuh ist die ge- ringe Verbreitung spezialisierter Dienste wie Gowalla oder Four- square. Letztere kommen in Europa gerade mal auf 800 000 Benutzer, ob- schon dessen Gründer Dennis Crow- ley mit seinem Dienst künftig die Alte Welt erobern will. Facebook bringt Durchbruch Richtig in Fahrt kommen die orts- basierten Dienste wohl erst, wenn Facebook das Fouresquare-Pendant «Deals» auch in der Schweiz lanciert. Der Dienst existiert seit November in den USA. Dort bieten Handelsketten wie H&M den Facebook-Nutzern 20 Prozent Rabatt an, während die Kaffee-Kette Starbucks pro Deals-Kun- de einen Dollar für wohltätige Zwecke spendet. Und bei der Modekette GAP wurden die ersten 10 000 Facebook- Nutzer mit einer kostenlosen Jeans belohnt. So weit ist Facebook–Deals in Euro- pa noch nicht: Im Januar wurde der Dienst auch in Grossbritannien, Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien lanciert. Bereits konnte der Social-Network-Primus weitere promi- nente Partner wie den Autobauer Mazda an Land ziehen. Wann Deals al- lerdings in die Schweiz kommt, dar- über schweigt sich Facebook aus. Marketingexperte Künzler sieht in- des ein «enormes Potenzial». So sind in der Schweiz etwa eine Million iPhones im Umlauf. Tendenz stark steigend. Jedes zweite Handy, das über den Ladentisch geht, ist internettaug- lich. Gleichzeitig nutzen über 2,3 Mil- lionen Schweizerinnen und Schwei- zer Facebook. Nur schon wegen der hohen Nutzungsdichte von Schlüssel- technologien dürften ortsbasierte Dienste hierzulande bald auf frucht- baren Boden fallen. Handy wird zum Schnäppchenfinder Soziale Netzwerke Firmen entdecken ortsbasierte Dienste wie Facebook–Deals für Rabattaktionen VON SVEN MILLISCHER «Der Empfehlungseffekt ist für Unternehmen Gold wert.» Simon Künzler, Online-Marketingspezialist Mundpropaganda lohnt sich: In den USA belohnen Ketten ihre Kunden für Facebook–Deals. KEYSTONE Mehr als 200 der rund 600 Millionen Facebook- Mitglieder nutzen das soziale Netzwerk auch unterwegs mit dem Mo- biltelefon. Dies ist die Zielgruppe, welche Face- book für ihren ortsbasier- ten Dienst «Deals» ge- winnen möchte, der An- fang Jahr auch in Europa lanciert wurde. Gibt der Benutzer in Shops und Läden dem sozialen Netzwerk seinen Stand- ort preis, dann locken Rabatt-, Geschenk- oder Treueboni. Der Gegen- wert sozusagen für die virtuelle Mundpropagan- da. Bereits in drei Jahren – so die Analysten von Jupiter Research – sollen solche Dienste ein Marktvolumen von 12,7 Milliarden Dollar generie- ren. In den USA sind vier Prozent aller Inter- net-Benutzer auf solchen ortsbasierten Sozialnetz- werken registriert. Deren zumeist jüngere User weisen ein überdurch- schnittliches Einkommen bei hohem Bildungs- stand auf. (MIL) FACEBOOK DEALS: MOBILES MARKETING «Es war nicht leicht», atmete Frank- reichs Wirtschaftsministerin Christi- ne Lagarde nach dem G20-Finanzmi- nistertreffen in Paris auf. Die Gastge- berin räumte ein, dass die Debatten «offen und gespannt» gewesen seien. Am Wochenende konnte sie fast über- raschend eine Einigung verkünden. Die 20 wichtigsten Schwellen- und Industrienationen, die zusammen 85 Prozent der Weltwirtschaftsproduk- tion verkörpern, einigten sich auf ei- ne Art «Frühwarnsystem», wie es US- Finanzminister Timothy Geithner nannte. Zum Abbau der globalen Handels- und Finanzungleichgewich- te – die am Ursprung der letzten Schuldenkrisen standen – einigte sich die G20 auf fünf Vergleichswerte wie Schulden, Defizite, Handelsströ- me, Investitionen oder Sparquoten. Diese «Indikatoren» sind der erste Schritt zur besseren Abstimmung der Weltwirtschaft, was Finanzkrisen und Handelskriege vermeiden soll. Verzerrungen im Finanzsystem Bis April erstellt der Internationa- le Währungsfonds (IWF) auf der Basis dieser fünf Kriterien einen Bericht über die «Verzerrungen» im Weltfi- nanzsystem, wie es in der G20-Erklä- rung heisst. Gemeint ist damit zum Beispiel eine künstlich tief gehaltene Währung wie der chinesische Yuan. Am Schluss des Verfahrens könnten Empfehlungen an einzelne Länder sowie Harmonisierungsmassnahmen stehen. Peking lenkte allerdings erst in letzter Sekunde ein und setzte durch, dass die Währungsreserven – China hortet fast drei Billionen Euro – aus der Liste der Indikatoren verschwan- den. Sie werden laut G20-Text nur noch bei der Bestimmung der ande- ren Kriterien «berücksichtigt». Unterbewerteter Yuan Deutschland, das als Exportnation ebenfalls im Visier von Franzosen und Amerikanern war, kann mit der Eini- gung «gut leben», wie Finanzminister Wolfgang Schäuble in Paris meinte. Das Kriterium der Aussenhandelsbi- lanz wird in der Indikatorenliste nur indirekt genannt. Ausserdem seien, laut Schäuble, «keine spezifischen Zielgrössen» vorgeschrieben; die fünf Gradmesser würden «nicht quantifi- ziert», sondern «als Ganzes» beurteilt. Berlin drängt ohnehin darauf, dass nicht einzelne EU-Länder, sondern der Euroraum – mit seiner ausgegliche- nen Handelsbilanz – insgesamt beur- teilt wird. Schäuble hält den Indikatoren-Prozess für so unverbind- lich, dass er am Wochenende sogar persönlich mithalf, den chinesischen Finanzminister Xie Xuren zum Einlen- ken zu bewegen. Geithner griff Peking nach der Einigung an und meinte, der chinesische Yuan bleibe «substanziell unterbewertet»; sein realer Wechsel- kurs habe sich trotz den jüngsten An- kündigungen der Behörden in Peking «kaum verändert». Nationale Egoismen In Paris herrscht einhellig die Mei- nung vor, dass von der Indikatoren- Methode keine Wunder zu erwarten sind. In Erinnerung bleiben wird von dem Treffen nicht so sehr die Indika- torenliste als der Wille zur Koopera- tion – und der Umstand, dass ein Misserfolg wie 2010 beim Gipfel in Seoul verhindert werden konnte. Ein Scheitern wegen der nationalen Ego- ismen hätte «den Tod des G20» be- deutet, hatte der französische Präsi- dent Nicolas Sarkozy schon zum Auf- takt des Treffens gemeint. Um das 1999 gegründete Gremium am Leben zu erhalten, war Paris vielleicht nicht eine Messe, aber ein Ministertreffen wert. Schulden: G20-Staaten wollen Frühwarnsystem Gipfeltreffen Die Finanzminis- ter der grossen Industrienatio- nen wollen Volkswirtschaften besser aufeinander abstimmen. So soll eine globale Schuldenkri- se wie 2009 verhindert werden. VON STEFAN BRÄNDLE, PARIS Diese «Indikatoren» sind der erste Schritt zur besseren Abstimmung der Weltwirtschaft. OHNE HOBBY Als hätte Actelion-Chef und Gründer Jean- Paul Clozel nicht schon genug um die Ohren mit seinem Abwehrkampf gegen die Hedge-Fund-Heuschrecken von Elliott Advisers, die das Baselbieter Biotech-Unternehmen in die Arme eines kapitalkräftigen Käufers trei- ben wollen, um so kräftig Kasse zu machen. Nun bleibt dem gebürti- gen Franzosen, der vier Prozent an Actelion hält, auch noch das «einzi- ge bekannte» Hobby versagt, das Fliegenfischen im Jura. «Die Forel- len im Doubs sind wegen eines Pa- rasiten eingegangen», klagt Clozel in der «SonntagsZeitung». (MIL) GELASSEN Nach dem Übernahmean- gebot an den Konkur- renten Süd-Chemie wurde die Clariant- Aktie letzte Woche von den Anlegern bös abgestraft. Dennoch ist Clariant- Chef Hariolf Kottmann von der Akquisition überzeugt («... wissen ganz genau, was wir kaufen»), auch wenn es noch drei Jahre dau- ern wird, bis die Süd-Chemie vor- aussichtlich einen Gewinnbeitrag liefert. Das Auf und Ab an der Bör- se scheint Kottmann indes wenig zu kümmern, wie er gegenüber der «Finanz und Wirtschaft» erklärt: «Meine Erfahrung mit Investoren ist, dass alle sagen: Wir sind lang- fristig orientiert. Doch sobald sie ih- re Zielrendite eingefahren haben, verabschieden sie sich.» (MIL) AUFSCHUB Weil Coop-Chef Hansueli Loosli erst Ende Au- gust die Führung beim Detailriesen ab- gibt, bleibt der ehe- malige Migros-Mann Anton Scherrer noch ein paar Mo- nate länger Swisscom-Präsident («Für mich kein Problem»). Und auch die Stabsübergabe an der Spitze des blauen Riesen dürfte reibungslos verlaufen: «Hansueli Loosli und ich waren Konkurrenten, aber wir haben nach aussen nie schlecht über den anderen gespro- chen. Deshalb sind nie Bad Fee- lings geblieben», sagt der 68-jähri- ge Scherrer gegenüber der «SonntagsZeitung». (MIL) IN DER KRITIK Auf einen heissen Diens- tag muss sich Daniel Vasella ge- fasst machen. Mor- gen ist nämlich Novartis-General- versammlung und gleich mehrere US-Aktionärsvereinigungen haben ihren Widerstand gegen das Vergü- tungssystem des Pharmakonzerns angekündigt, wie die «Sonntags- Zeitung» schreibt. Sauer stösst den Amerikanern vor allem das Sa- lär des amtierenden VR-Präsiden- ten auf, der im letzten Jahr 25 Milli- onen Franken verdiente. Dies, obwohl Daniel Vasella bereits Ende Januar seinen Posten als operati- ver Chef abgab. Gleichzeitig enthält Vasellas Vertrag eine Konkurrenz- verbotsklausel, die ihm Zahlungen über seine Zeit als Präsident hinaus garantiert. (MIL) BESCHEIDEN Oran- ge-Chef Thomas Sieber ist zwar im Mobilfunk nur die Nummer drei, hinter Sunrise und Swiss- com. Doch dies scheint den 48-Jährigen wenig zu kümmern: «Mir geht es nicht dar- um, Volumen zu bolzen», erklärt Sieber im «SonntagsBlick». Viel- mehr wolle Orange den Durch- schnittsumsatz pro Kunde steigern und die Abo-Dauer verlängern. Bei Ersterem scheint der Orange-Chef bereits am Ziel zu sein: «Gemes- sen am Umsatz pro Kunden stehen wir an erster Stelle». (MIL) Aufgeschnappt

Handy wird zum Schnäppchenfinder

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Artikel in der AZ, 21.2.11: Soziale Netzwerke Firmen entdecken ortsbasierte Dienste wie Facebook–Deals für Rabattaktionen.

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Page 1: Handy wird zum Schnäppchenfinder

Montag, 21. Februar 2011 | az 9Wirtschaft

Wer früher die Kundschaft belohnenwollte, der gab ihr «Rabattmärkli»mit auf den Weg. Hatte der Kunde ge-nügend davon beisammen, konnte ersie beim nächsten Einkauf einlösenund sparen. So blieb zu hoffen, dassder Kunde dem Unternehmen auchkünftig die Treue hält.

Eine einfache, aber effektive Mar-ketingmethode, die in verfeinerterForm nun das mobile Internet er-obert. Im Zentrum stehen Handy-dienste wie Facebook–Deals oderFoursquare. Beide verknüpfen dieVorzüge sozialer Netzwerke mit ei-ner ortsbasierten Nutzung.

Einchecken und konsumierenEin Beispiel: Die amerikanische

Fastfood-Kette Domino’s Pizza be-lohnt Stammbesucher ihrer US-Filia-len – je nach Frequenz – mit einerkostenlosen Beilage oder einem wö-chentlichen Gratismahl. Um die vir-tuellen «Rabattmärkli» zu erhalten,müssen sich die Besucher jeweils vorOrt per Handy im Internet auf demFoursquare-Dienst einchecken. Mitjedem Check-in erfahren sie, ob

Freunde aus ihrem sozialen Netz-werk in der Nähe sind. Umgekehrt si-gnalisieren die Foursquare-Benutzerihren «Gschpänli» mit dem Check-in,dass sie gerade in einer Domino’s-Filiale Pizza essen.

«Der Weiterempfehlungseffekt istfür Unternehmen Gold wert, basierter doch quasi auf der Weisheit derFreunde», sagt Online-Marketingex-perte Simon Künzler von der FirmaXeit. Diese Mundpropaganda für dieGeneration Facebook verknüpft alsoauf geschickte Weise On- und Off-line-Welt miteinander und ergänztsie um einen kommerziellen Aspekt.Dabei dient der Rabatt-Coupon alsAnreiz, um mehr Check-ins zu erhal-ten, wodurch die Unternehmen ihreKundenbasis erweitern. Als beispiels-weise McDonald’s in den USA Check-ins – nach Zufallsprinzip – mit Ein-kaufsgutscheinen belohnte, stieg dieFoursquare-Nutzung in den jeweili-gen Fastfood-Filialen um gut einenDrittel. In der Schweiz steckt die Nut-zung solch ortsbasierter Dienste

noch in den Kinderschuhen. Beispie-le sind rar gesägt. Wer sich im Luzer-ner Rok-Club eincheckt, den erwartetein Cüpli an der Bar. Ein Brownie er-hielt bis vor kurzem, wer dreimalFoursquare in einer Filiale von CaffèSpettacolo nutzte.

Die Kaffee-Kette gehört wie auchdie Kiosk-k-Filialen zum Konsumgü-terkonzern Valora, der Foursquareim November und Dezember an aus-gewählten Verkaufsstandorten teste-te. Das strategische Marketing seinun daran, die Testergebnisse auszu-werten, heisst es bei Valora.

Bisheriger Hemmschuh ist die ge-ringe Verbreitung spezialisierterDienste wie Gowalla oder Four-square. Letztere kommen in Europagerade mal auf 800 000 Benutzer, ob-schon dessen Gründer Dennis Crow-ley mit seinem Dienst künftig dieAlte Welt erobern will.

Facebook bringt DurchbruchRichtig in Fahrt kommen die orts-

basierten Dienste wohl erst, wennFacebook das Fouresquare-Pendant«Deals» auch in der Schweiz lanciert.Der Dienst existiert seit November in

den USA. Dort bieten Handelskettenwie H&M den Facebook-Nutzern20 Prozent Rabatt an, während dieKaffee-Kette Starbucks pro Deals-Kun-de einen Dollar für wohltätige Zweckespendet. Und bei der Modekette GAPwurden die ersten 10 000 Facebook-Nutzer mit einer kostenlosen Jeansbelohnt.

So weit ist Facebook–Deals in Euro-pa noch nicht: Im Januar wurde derDienst auch in Grossbritannien,Deutschland, Italien, Frankreich undSpanien lanciert. Bereits konnte derSocial-Network-Primus weitere promi-nente Partner wie den AutobauerMazda an Land ziehen. Wann Deals al-lerdings in die Schweiz kommt, dar-über schweigt sich Facebook aus.

Marketingexperte Künzler sieht in-des ein «enormes Potenzial». So sindin der Schweiz etwa eine MillioniPhones im Umlauf. Tendenz starksteigend. Jedes zweite Handy, das überden Ladentisch geht, ist internettaug-lich. Gleichzeitig nutzen über 2,3 Mil-lionen Schweizerinnen und Schwei-zer Facebook. Nur schon wegen derhohen Nutzungsdichte von Schlüssel-technologien dürften ortsbasierteDienste hierzulande bald auf frucht-baren Boden fallen.

Handy wird zum SchnäppchenfinderSoziale Netzwerke Firmen entdecken ortsbasierte Dienste wie Facebook–Deals für Rabattaktionen

VON SVEN MILLISCHER

«Der Empfehlungseffektist für UnternehmenGold wert.»Simon Künzler,Online-Marketingspezialist

Mundpropaganda lohnt sich: In den USA belohnen Ketten ihre Kunden für Facebook–Deals. KEYSTONE

Mehr als 200 der rund600 Millionen Facebook-Mitglieder nutzen dassoziale Netzwerk auchunterwegs mit dem Mo-biltelefon. Dies ist dieZielgruppe, welche Face-book für ihren ortsbasier-ten Dienst «Deals» ge-winnen möchte, der An-fang Jahr auch in Europa

lanciert wurde. Gibt der

Benutzer in Shops undLäden dem sozialenNetzwerk seinen Stand-

ort preis, dann lockenRabatt-, Geschenk- oderTreueboni. Der Gegen-wert sozusagen für dievirtuelle Mundpropagan-da. Bereits in drei Jahren– so die Analysten vonJupiter Research – sollensolche Dienste ein

Marktvolumen von 12,7Milliarden Dollar generie-ren. In den USA sindvier Prozent aller Inter-net-Benutzer auf solchenortsbasierten Sozialnetz-werken registriert. Derenzumeist jüngere Userweisen ein überdurch-schnittliches Einkommenbei hohem Bildungs-stand auf. (MIL)

■ FACEBOOK DEALS: MOBILES MARKETING

«Es war nicht leicht», atmete Frank-reichs Wirtschaftsministerin Christi-ne Lagarde nach dem G20-Finanzmi-nistertreffen in Paris auf. Die Gastge-berin räumte ein, dass die Debatten«offen und gespannt» gewesen seien.Am Wochenende konnte sie fast über-raschend eine Einigung verkünden.

Die 20 wichtigsten Schwellen- undIndustrienationen, die zusammen 85Prozent der Weltwirtschaftsproduk-tion verkörpern, einigten sich auf ei-ne Art «Frühwarnsystem», wie es US-Finanzminister Timothy Geithnernannte. Zum Abbau der globalenHandels- und Finanzungleichgewich-te – die am Ursprung der letztenSchuldenkrisen standen – einigte

sich die G20 auf fünf Vergleichswertewie Schulden, Defizite, Handelsströ-me, Investitionen oder Sparquoten.Diese «Indikatoren» sind der ersteSchritt zur besseren Abstimmung derWeltwirtschaft, was Finanzkrisenund Handelskriege vermeiden soll.

Verzerrungen im FinanzsystemBis April erstellt der Internationa-

le Währungsfonds (IWF) auf der Basisdieser fünf Kriterien einen Berichtüber die «Verzerrungen» im Weltfi-nanzsystem, wie es in der G20-Erklä-rung heisst. Gemeint ist damit zumBeispiel eine künstlich tief gehalteneWährung wie der chinesische Yuan.Am Schluss des Verfahrens könntenEmpfehlungen an einzelne Ländersowie Harmonisierungsmassnahmenstehen.

Peking lenkte allerdings erst inletzter Sekunde ein und setzte durch,dass die Währungsreserven – Chinahortet fast drei Billionen Euro – ausder Liste der Indikatoren verschwan-den. Sie werden laut G20-Text nurnoch bei der Bestimmung der ande-ren Kriterien «berücksichtigt».

Unterbewerteter YuanDeutschland, das als Exportnation

ebenfalls im Visier von Franzosen undAmerikanern war, kann mit der Eini-gung «gut leben», wie FinanzministerWolfgang Schäuble in Paris meinte.Das Kriterium der Aussenhandelsbi-lanz wird in der Indikatorenliste nurindirekt genannt. Ausserdem seien,laut Schäuble, «keine spezifischen

Zielgrössen» vorgeschrieben; die fünfGradmesser würden «nicht quantifi-ziert», sondern «als Ganzes» beurteilt.Berlin drängt ohnehin darauf, dassnicht einzelne EU-Länder, sondern derEuroraum – mit seiner ausgegliche-nen Handelsbilanz – insgesamt beur-teilt wird. Schäuble hält denIndikatoren-Prozess für so unverbind-lich, dass er am Wochenende sogar

persönlich mithalf, den chinesischenFinanzminister Xie Xuren zum Einlen-ken zu bewegen. Geithner griff Pekingnach der Einigung an und meinte, derchinesische Yuan bleibe «substanziellunterbewertet»; sein realer Wechsel-kurs habe sich trotz den jüngsten An-kündigungen der Behörden in Peking«kaum verändert».

Nationale EgoismenIn Paris herrscht einhellig die Mei-

nung vor, dass von der Indikatoren-Methode keine Wunder zu erwartensind. In Erinnerung bleiben wird vondem Treffen nicht so sehr die Indika-torenliste als der Wille zur Koopera-tion – und der Umstand, dass einMisserfolg wie 2010 beim Gipfel inSeoul verhindert werden konnte. EinScheitern wegen der nationalen Ego-ismen hätte «den Tod des G20» be-deutet, hatte der französische Präsi-dent Nicolas Sarkozy schon zum Auf-takt des Treffens gemeint. Um das1999 gegründete Gremium am Lebenzu erhalten, war Paris vielleicht nichteine Messe, aber ein Ministertreffenwert.

Schulden: G20-Staaten wollen FrühwarnsystemGipfeltreffen Die Finanzminis-ter der grossen Industrienatio-nen wollen Volkswirtschaftenbesser aufeinander abstimmen.So soll eine globale Schuldenkri-se wie 2009 verhindert werden.

VON STEFAN BRÄNDLE, PARIS

Diese «Indikatoren»sind der erste Schritt zurbesseren Abstimmungder Weltwirtschaft.

OHNE HOBBY Alshätte Actelion-Chefund Gründer Jean-Paul Clozel nichtschon genug um dieOhren mit seinemAbwehrkampf gegen

die Hedge-Fund-Heuschrecken vonElliott Advisers, die das BaselbieterBiotech-Unternehmen in die Armeeines kapitalkräftigen Käufers trei-ben wollen, um so kräftig Kasse zumachen. Nun bleibt dem gebürti-gen Franzosen, der vier Prozent anActelion hält, auch noch das «einzi-ge bekannte» Hobby versagt, dasFliegenfischen im Jura. «Die Forel-len im Doubs sind wegen eines Pa-rasiten eingegangen», klagt Clozelin der «SonntagsZeitung». (MIL)

GELASSEN Nachdem Übernahmean-gebot an den Konkur-renten Süd-Chemiewurde die Clariant-Aktie letzte Wochevon den Anlegern bös

abgestraft. Dennoch ist Clariant-Chef Hariolf Kottmann von derAkquisition überzeugt («... wissenganz genau, was wir kaufen»),auch wenn es noch drei Jahre dau-ern wird, bis die Süd-Chemie vor-aussichtlich einen Gewinnbeitragliefert. Das Auf und Ab an der Bör-se scheint Kottmann indes wenigzu kümmern, wie er gegenüber der«Finanz und Wirtschaft» erklärt:«Meine Erfahrung mit Investorenist, dass alle sagen: Wir sind lang-fristig orientiert. Doch sobald sie ih-re Zielrendite eingefahren haben,verabschieden sie sich.» (MIL)

AUFSCHUB WeilCoop-Chef HansueliLoosli erst Ende Au-gust die Führungbeim Detailriesen ab-gibt, bleibt der ehe-malige Migros-Mann

Anton Scherrer noch ein paar Mo-nate länger Swisscom-Präsident(«Für mich kein Problem»). Undauch die Stabsübergabe an derSpitze des blauen Riesen dürftereibungslos verlaufen: «HansueliLoosli und ich waren Konkurrenten,aber wir haben nach aussen nieschlecht über den anderen gespro-chen. Deshalb sind nie Bad Fee-lings geblieben», sagt der 68-jähri-ge Scherrer gegenüber der«SonntagsZeitung». (MIL)

IN DER KRITIK Aufeinen heissen Diens-tag muss sich Daniel Vasella ge-fasst machen. Mor-gen ist nämlichNovartis-General-

versammlung und gleich mehrereUS-Aktionärsvereinigungen habenihren Widerstand gegen das Vergü-tungssystem des Pharmakonzernsangekündigt, wie die «Sonntags-Zeitung» schreibt. Sauer stösstden Amerikanern vor allem das Sa-lär des amtierenden VR-Präsiden-ten auf, der im letzten Jahr 25 Milli-onen Franken verdiente. Dies,obwohl Daniel Vasella bereits EndeJanuar seinen Posten als operati-ver Chef abgab. Gleichzeitig enthältVasellas Vertrag eine Konkurrenz-verbotsklausel, die ihm Zahlungenüber seine Zeit als Präsident hinausgarantiert. (MIL)

BESCHEIDEN Oran-ge-Chef ThomasSieber ist zwar imMobilfunk nur dieNummer drei, hinterSunrise und Swiss-com. Doch dies

scheint den 48-Jährigen wenig zukümmern: «Mir geht es nicht dar-um, Volumen zu bolzen», erklärtSieber im «SonntagsBlick». Viel-mehr wolle Orange den Durch-schnittsumsatz pro Kunde steigernund die Abo-Dauer verlängern. BeiErsterem scheint der Orange-Chefbereits am Ziel zu sein: «Gemes-sen am Umsatz pro Kunden stehenwir an erster Stelle». (MIL)

Aufgeschnappt