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Hans Claus zum Ged~tchtnis. Von H. Beyer. Ein arbeitsfreudiges, aber auch erfolgreiches Leben hat j/~h geendet. Zu frtih ffir unser Fach und ffir die vielen Kranken, denen er Linderung ihrer Leiden braehte, zu frtih seinem grol3en Schiller- und Freundeskreise ist Hans Claus mitten aus einer reichen und fruchtbaren T/itigkeit gerissen worden und hat nur wenige Jahre seine heil~geliebte Gattin /iberlebt, die wie er, in kurzer Zeit einem schweren Leiden erliegen mul3te. Aus alter Berliner Familie stammend, am 7. November 1873 geboren, begann er naeh Absolviernng der Schule das medizinische Studium zu- n/~ehst in seiner Heimatstadt, dann in der frohen Musenstadt Heidelberg, kehrte naeh Berlin zuriick, bestand die/~rztliche Vorpriifung und erwarb magna cum laude den Doktorhut. Die Approbation erhielt er dann 1898. Naeh einj~hriger Ts an der Moabiter inneren Klinik unter Geheimrat v. Benvers wandte er sieh unserem, damals noch in Itals- und Ohren~rzte gesonderten, Spezialfach zu und war t/~tig in der Poliklinik yon Prof. Baginsky sowie yon Prof. Jacobsohn und auch in der Augen- klinik yon Prof. Silex. Dann wurde er Assistent an der Universitgts- Poliklinik fiir HMs- und Nasenkranke unter Geheimrat Friinkel, blieb dort 5 Jahre und ging zu seiner weiteren Ausbildung zum Ohrenarzt

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Hans Claus zum Ged~tchtnis. Von

H. Beyer.

Ein arbeitsfreudiges, aber auch erfolgreiches Leben hat j/~h geendet. Zu frtih ffir unser Fach und ffir die vielen Kranken, denen er Linderung ihrer Leiden braehte, zu frtih seinem grol3en Schiller- und Freundeskreise

ist Hans Claus mitten aus einer reichen und fruchtbaren T/itigkeit gerissen worden und hat nur wenige Jahre seine heil~geliebte Gattin /iberlebt, die wie er, in kurzer Zeit einem schweren Leiden erliegen mul3te.

Aus alter Berliner Familie stammend, am 7. November 1873 geboren, begann er naeh Absolviernng der Schule das medizinische Studium zu- n/~ehst in seiner Heimatstadt, dann in der frohen Musenstadt Heidelberg, kehrte naeh Berlin zuriick, bestand die/~rztliche Vorpriifung und erwarb magna cum laude den Doktorhut. Die Approbation erhielt er dann 1898.

Naeh einj~hriger Ts an der Moabiter inneren Klinik unter Geheimrat v. Benvers wandte er sieh unserem, damals noch in Itals- und Ohren~rzte gesonderten, Spezialfach zu und war t/~tig in der Poliklinik yon Prof. Baginsky sowie yon Prof. Jacobsohn und auch in der Augen- klinik yon Prof. Silex. Dann wurde er Assistent an der Universitgts- Poliklinik fiir HMs- und Nasenkranke unter Geheimrat Friinkel, blieb dort 5 Jahre und ging zu seiner weiteren Ausbildung zum Ohrenarzt

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alsAssistent zu GeheimratLucae an die Universits Als diese 1906 yon Geheimrat Passow iibernommen wurde, blieb Claus Assistent und leitete als Oberarzt die Poliklinik der Charit6 bis ihm 1911 die Faeh- abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses fibertragen wurde.

Er hat te demnaeh in dieser jahrelangen Ausbildung in beiden F~ehern den festen Grund f fir ein umfangreiches praktisehes Wissen gelegt und konnte sieh mit Fug und Reeht, wie kaum ein anderer jener Zeit, als Hals-Nasen-Ohrenarzt bezeiehnen.

Dementspreehend nahm er sich zn seinem Lebensziel die Ausgestal- tung der ibm fibertragenen Abteilung in diesem Sinne, ein Werk, das sieh bei seiner nie erlahmenden Arbeitskraft allm/~hlich, besonders in prak- tiseher Hinsieht, zu einem Musterinstitut entwickelte. So war es nieht mehr als billig, dal~ ihm 1913 der Titel ,,Professor" verliehen wurde.

Mit rastlosem Flei~ und unter wahrer tI ingabe an unser Faeh hat er seine Abteilung 25 Jahre geleitet und sie zu einer den Universits im In- und Auslande gleich geachteten ausgebaut.

In seinen ersten Publikationen brachte er, auger besonders wichtigen kasuistisehen Mitteilungen, seine praktischen Erfahrungen in der Dia- gnosenstellung und Operation der NebenhShlen, ferner zusammenfassende Abhandlungen fiber Ohrenerkrankungen und ihre Behandlung wie Lues, Hysterie, Tuberkulose sowie fiber die Chirurgie der intrakraniellen Kom- plikationen und schlie61ieh fiber Ohrenkrankheiten unter dem Gesichts- pui~kt der Erbliehkeit. Mit Passow zusammen, der die Operationen des Geh6rorgans und der Tonsillen beschrieb, bearbeitete er dann die ,An- leitung zu den Operationen in der Nase und an ihrenNebenh6hlen". Dieses aus reieher Quelle praktiseher Erfahrungen geschriebene Buch wurde in seiner pr~gnanten Kfirze mit Betonung der wiehtigsten Einzelheiten ein unentbehrlieher l~atgeber in den Fragen der operativen Teehnik fiir den praktisehen Hals-Nasen-Ohrenarzt. Naeh Passows Tode bearbeitete Claus in der 3. Auflage das ganze Werk und widmete seine besondere Sorgfalt nun dem Kapitel fiber die Tonsillenehirurgie auf Grund seiner weitgehen- den Beobaehtungen in der Behandlung der Sepsis nach Angina, die er an der septisehen Abteilung des Virehow-Krankenhauses sammeln konnte. Da in diese alle verdgehtigen Fglle eingeliefert wurden, stand Claus in kurzer Zeit ein Krankenmaterial zur Verffigung, wie es an anderen Kliniken aueh nieht ann~hernd der Fall war.

Beriehtete die Wiener Universitgtsklinik in einer statisehen Zusammen- stellung yon 26 Jahren fiber 43 sehwere Fs yon Sepsis nach Angina und hatte die Berliner Klinik nur ganz vereinzelte Fglle zu verzeichnen, so konnte Claus in nur 21/2 Jahren 1928 fiber 28 Beobachtungen berichten und deren Zahl erhShte sieh in nur einem Jahr bis auf 46 Fs

Er weekte mit seinen Vortrs die Aufmerksamkeit der praktisehen 2~rzte ebenso Me die der inneren Kliniker auf dem Kongreg in Wiesbaden, in deren Behandlung die Patienten mit der noch wenig erkannten, aber so verhgngnisvollen Krankheit gew6hnlieh zuerst gebraeht wurden.

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Von diesen ersten Beriehten an fiber Sepsis nach Angina und ihre Ge- fahren sowie die fiberhaupt vom Munde ausgehenden septisehen Erkran- kungen legte Claus unter Benutzung der im Jahre 1931 sich sehon auf 100 F/~lle belaufenden Beobachtungen seine gewonnenen Erfahrungen in Wort und Sehrift nieder. Er betonte die Wiehtigkeit der Anamnese und des Blutbildes bei noeh vorhandenen Erscheinungen an den Tonsillen zur Differentialdiagnose gegen die Monoeytenangina, die Agranuloeytose und die akute Leuk~mie und braehte dabei alles dabei zu beachtende Wiehtigste zur Kenntnis weitester Kreise der ~rztesehaft.

Mit den klinisehen Erfahrungen wuehsen, wenn aueh langsam, die- jenigen des operativen Eingriffs, der kollaren Mediastinotomie, deren fr~ihzeitigste Ausffihrung mit eventueller Tonsillektomie er als unbedingt erforderlich betonte.

Seine Anffassung der Krankheitsentstehung lag nahe derjenigen yon Zange und U[/enorcle, mit dem er dann zusammen alles Wissenswerte betreffs Klinik und Therapie in einer Monographie wiedergab.

GewissermaSen als Zusammenfassung seiner zahlreiehen und wert- vollen Beobaehtnngen stellte er dann seinen Gesiehtspunkt in 18 Erfah- rungss~tzen zur kl/~renden l~bersieht ffir zweifelhafte F/~lle auf.

Bald ffigte er diesen aueh weiteres fiber septische Erkrankungen nach Seharlaeh und Diphtherie und tonsillogene Cavernosusthrombose hinzu und sehlie~lich aueh F/~lle yon Sepsis nach Tonsillektomie, die, wenn aueh selten, in seine Behandlung kamen oder yon ihm selbst erlebt wur- den. Er fal]te sie als Impfphlegmone auf, entstanden bei der An/~sthesie nnd erhob seine warnende Stimme mit dem Aufruf an alle Kollegen, auch ihrerseits fiber solehe Ungl/ieksf~lle zu beriehten, um sie m6gliehst zu vermeiden oder erfolgreich zu bek~mpfen.

So hat Claus in 10 Jahren ffir die Erkenntnis dieser heimtfickisehen, bliihende Menschenleben in kfirzester Zeit verniehtenden Krankheit ge- arbeitet, die Diagnosenstellung und Therapie ausgearbeitet und eine Basis geschaffen, auf der noeh weiter gearbeitet werden muB, soll sie er- folgreich bek/~mpft werden.

Ffir die Allgemeinmedizin und ffir unsere Disziplin hat er sieh damit einen Namen gesehaffen, der aueh intern~tionale Geltung erhielt, er wurde yon der Wiener Gesellsehaft zum korrespondierenden Mitglied ernannt und vom Ansland, das aus seinem Munde Ratsehl/~ge h6ren wollte, mehrfach zu Vortr~gen in ihren medizinisehen Gesellschaften aufgefordert.

Hans Claus w/~lzte keine grolten, rein wissensehaftlichen Probleme, das was er gab, war aus der Praxis ffir die Praxis gesehaffen. Das zeigte sieh in der Kfirze seiner Vortr/~ge und Diskussionsbemerkungen, die Riehtlinien ffir das Verwerten dessen braehten, was er in seiner Klinik am Krankenbet t gelernt.

Diese Erfahrungen bauten sieh auf einer strengen und abw/~genden Beobachtung anf nnd wurden unterstfitzt durch sein groBes chirurgisehes K6nnen, das in den langen Jahren seiner Ausbildung erworben, in seiner

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Abteilung sts fortgebildet wurde, die Sieherheit und Ruhe mit der er die ffir richtig befundene Art des Eingriffs vornahm und unbekiimmert um st6rende Momente zu Ende ffihrte.

Seine ]iebenswiirdige Art des Verkehrs mit den Patienten, seine Be- stimmtheit in der Feststellung der Diagnose und seine Erfolge bei der Behandlung kennzeichneten den wahrhaft hervorragenden Arzt. So er- kl~rte sich das unbegrenzte Vertrauen, das ibm ebenso yon den Kranken seiner Abteilung, wie yon seinem groBen Privatklientel entgegengebraeht wurde. Mit unermfidlicher Aufopferung sorgte er fiir das Wohl seiner Patienten, ffir die er zu jeder Tages- und Nachtzeit zu haben war.

Eine solche aufreibende T~tigkeit bedurfte der Entspannung und sie suchte Claus in der Einsamkeit des deutschen Waldes. Wie er als Arzt gewissenhaft und streng gegen sieh war, so war er es auch als waid- rechter Jigger, dem die Hege seines Wildes am Herzen lag und der zugleich in stiller Naturbeobaehtung die wohlverdiente Ruhe land. Wenn die Hirsehe in seinem in 0sterreieh gepaehteten Revier sehrieen, konnte ihn nur die ~uBerst zwingende Notwendigkeit zurfiekhalten. In der kleinen Jagdhfitte, hoeh oben im Gebirge, Mlein mit seinem J~ger, fiihrte er dann ein Trapperleben mit s Hingabe an das edle Waidwerk und seine Jagdleidenschaft.

Claus war ein Lebenskfinstler, fiir den das Goethesche Zauberwort gMt, denn ruhte die aufreibende ~rztliehe T~tigkeit, dann suehte und bot Claus mit seiner lebensfrohen Gattin herzerfrischende Geselligkeit. Seine mit Geist, Witz und Humor ausgestatteten Feste der Vorkriegs- zeit, zu d e n e n e r seinen groBen Bekannten- und Freundeskreis entbot, waren yon wahrer Fr6hliehkeit und Behagliehkeit getragen, bei denen jeder die Sorgen und Miihen des Alltags vergaB und nut die frohe Gegen- wart genoB.

Aber auch die Stunden, die man im kleinen Kreis oder allein mit ibm in seinem stets gastlichen Hause verbringen durfte, bei denen sein gewinnendes Erzi~hlertalent zur Geltung kam, wenn der yon ihm so hoeh- geseh~tzte gute Tropfen die Zunge beredter maehte, wurden ftir jeden, der daran teilnehmen durfte, zu bleibenden, lieben Erlebnissen.

Nun ist er dahingegangen, gerade Ms er die Friiehte seines unermiid- lichen Schaffens genieBen wollte, er, der noeh vor wenigen Monaten auf der Bonner Tagung in der Diskussion Ratschl~ge aus seinem reiehen Wissen gab und mit befreundeten Kollegen im traulichen Verein den Beeher hob.

Aber wenn wir ihn aueh in unseren Versammlungen mit wehem Herzen vermissen, wenn wir seine in solch ruhiger Weise vorgebraehten Beriehte und Diskussionsbemerkungen nicht mehr h6ren werden, so lebt er doeh fort in unserer treuen Zuneigung und in unserer Erinnerung als der groBe HMs-Nasen-Ohrenarzt, der Mlzeit hilfreiche Kollege und besonders auch Ms der liebenswiirdige und liebenswerte gute Mensch mi~ dem offenen, frohen Herzen.