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Regula Steinhauser-Zimmermann 2017 1 Das Hochwassermonument am Ofeneck im Gäsi Eines der unbekanntesten und abgelegensten Denkmäler im Linthgebiet ist das monumentale Was- serstandsdenkmal in der Felswand wenig östlich des alten Ofeneck-Tunnelportals im Gäsi. Das 8 m hohe Monument besteht aus schwarzen Marmorplatten. Innerhalb eines doppelt gekehlten Rahmens stehen drei Säulen; auf der linken und der rechten Säule sind die jährlichen Höchstwasser- stände von 1807 bis 1863 eingetragen (mit Ausnahme der Werte von 1825, 1826, 1829 und 1836, die nicht ermittelt werden konnten). Auf der mittle- ren Säule sind (mindestens) 22 Linien im Ab- stand von einem Fuss (30 cm) als Massstab eingehauen. Jede zweite Linie ist mit römi- schen Ziffern bezeichnet. Über den drei Säulen steht der zweizeilige Titel: «HOCHWASSER // laut Linthacten & Ermittlung v. Ing. Legler». Die Oberkante der Säulen beginnt unmittelbar unter der Inschrift «HÖCHSTER SEE NACH TUL- LA». Die Widmungs- und Bauinschrift steht auf der mittleren Säule zwischen den Messstrichen: «In dieser / Wassernoth // ward Retter // Hans Conrad / ESCHER / von der Linth // 1767-1823. // Dieses / Denkmal // wurde // beschlossen / Oberster Teil des Denkmals im Gäsi. 1 von der // eidgen. // Linthbau / Polizei // Commission // A o 1862 // Mitglieder // Präs. Muralt / Betschart // Dr. Heer // Zweifel / Ob.Ing. La Nic- ca». Die Wasserstände hatte Gottlieb Heinrich Legler (1823 1897), damals Adjunkt am Linthwerk, auf Veranlassung des technischen Leiters Richard La Nicca (1794 1883) ab 1853 zu ermitteln begon- nen. Interessanterweise war seit Beginn der Arbeiten im Jahr 1807 und trotz der damals genauen Vermessung nie Buch über die Wasserstände geführt worden. Gottlieb Heinrich Legler brauchte meh- rere Jahre, bis er alle Daten gesammelt und auf den damals neu erstellten Pegel beim Dampfschiff- steg in Weesen umgerechnet hatte. 2 Hoch- und Niederwasserstände des Walensees von 1807 bis 1867. Am rechten Rand sind die Messstriche des Hochwassermonuments angegeben. 3 1 Bild: Simon Schoch, Uznach. 2 Daniel Speich: Helvetische Meliorationen. Zürich 2003, S. 300-302. 3 G[ottlieb] H[einrich] Legler: Ueber das Linthunternehmen. Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus 4, 1868, S. 60-81, Beilage. In der Grafik sind die Jahre 1825, 1826, 1829 und 1836 nur punktiert angegeben; d.h. dass Legler die Werte nur schätzen konnte.

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Regula Steinhauser-Zimmermann 2017

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Das Hochwassermonument am Ofeneck im Gäsi Eines der unbekanntesten und abgelegensten Denkmäler im Linthgebiet ist das monumentale Was-serstandsdenkmal in der Felswand wenig östlich des alten Ofeneck-Tunnelportals im Gäsi. Das 8 m hohe Monument besteht aus schwarzen Marmorplatten. Innerhalb eines doppelt gekehlten Rahmens stehen drei Säulen; auf der linken und der rechten Säule sind die jährlichen Höchstwasser-stände von 1807 bis 1863 eingetragen (mit Ausnahme der Werte von 1825, 1826, 1829 und 1836, die nicht ermittelt werden konnten). Auf der mittle-ren Säule sind (mindestens) 22 Linien im Ab-stand von einem Fuss (30 cm) als Massstab eingehauen. Jede zweite Linie ist mit römi-schen Ziffern bezeichnet. Über den drei Säulen steht der zweizeilige Titel: «HOCHWASSER // laut Linthacten & Ermittlung v. Ing. Legler». Die Oberkante der Säulen beginnt unmittelbar unter der Inschrift «HÖCHSTER SEE NACH TUL-LA». Die Widmungs- und Bauinschrift steht auf der mittleren Säule zwischen den Messstrichen: «In dieser / Wassernoth // ward Retter // Hans Conrad / ESCHER / von der Linth // 1767-1823. // Dieses / Denkmal // wurde // beschlossen / Oberster Teil des Denkmals im Gäsi.1 von der // eidgen. // Linthbau / Polizei // Commission // Ao 1862 // Mitglieder // Präs. Muralt / Betschart // Dr. Heer // Zweifel / Ob.Ing. La Nic-ca». Die Wasserstände hatte Gottlieb Heinrich Legler (1823 – 1897), damals Adjunkt am Linthwerk, auf Veranlassung des technischen Leiters Richard La Nicca (1794 – 1883) ab 1853 zu ermitteln begon-nen. Interessanterweise war seit Beginn der Arbeiten im Jahr 1807 und trotz der damals genauen Vermessung nie Buch über die Wasserstände geführt worden. Gottlieb Heinrich Legler brauchte meh-rere Jahre, bis er alle Daten gesammelt und auf den damals neu erstellten Pegel beim Dampfschiff-steg in Weesen umgerechnet hatte.2 Hoch- und Niederwasserstände des Walensees von 1807 bis 1867. Am rechten Rand sind die Messstriche des Hochwassermonuments angegeben.3

1 Bild: Simon Schoch, Uznach. 2 Daniel Speich: Helvetische Meliorationen. Zürich 2003, S. 300-302. 3 G[ottlieb] H[einrich] Legler: Ueber das Linthunternehmen. Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus 4, 1868, S. 60-81, Beilage. In der Grafik sind die Jahre 1825, 1826, 1829 und 1836 nur punktiert angegeben; d.h. dass Legler die Werte nur schätzen konnte.

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Der Beschluss, ein Denkmal zu errichten, dürfte eine der letzten Handlungen der Linthbaupolizei-kommission gewesen sein, wurde sie doch noch im gleichen Jahr von der Eidgenössischen Linth-kommission abgelöst. Im Frühjahr 18634 konnte das Wasserstandsmonument eingeweiht werden. In seinem Bericht von 1868 schreibt Gottlieb Heinrich Legler nur kurz: «Ein monumentaler Pegel, errich-tet anno 1863 in der Felswand beim Ausfluss der Glarnerlinth, zeigt die höchsten Seestände seit 1807 und den kleinsten Wasserstand desselben Jahres und dient als unveränderliche Urkunde für kom-mende Geschlechter.»5 Das erste Bild

Schon kurz nach dem Bau des Hochwassermonuments entstand das erste Bild. Der englische Foto-graf Francis Frith (1822 – 1898)6 fotografierte es während einer Reise durch die Schweiz und Oberita-lien. Westportal des Ofeneck-Tunnels, Hochwassermonument und Blick über Ausschnitt. den Walensee zu den Serenbachfällen. Links unten die Mündung des Escherkanals.7 Wie datiert nun dieses Bild? Das Denkmal war 1863 fertig gebaut. Sehr viel jünger kann die Aufnahme aber auch nicht sein: Der Fuss des Denkmals steht noch im Wasser, und die Bucht zwischen dem 1859 aufgeschütteten Bahndamm und der Felswand ist noch nicht mit Linthsediment aufgefüllt. Auf dem Plan von 18848 hingegen reicht die rechtsufrige Deltazunge des Escherkanals bereits etwa 90 m in den See hinaus und zieht sich etwa 30 m entlang der Felswand gegen Osten. Über dem Portal des der Felswand vorgelagerten Tunnels (der im übrigen erst einige Jahre nach der Eröffnung der Bahnli-nie 1859 gebaut worden war9) ist das originale profilierte Betondach ohne die nach 1910 erstellte

4 Das Denkmal wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit im Winter 1862/1863 gebaut, weil der Ort vor der Auflandung der Bucht zwischen Bahndamm und Felswand am besten bei tiefem Wasserstand zugänglich war. Darauf deutet auch ein Brief vom 23. Mai 1863 von Gottlieb Heinrich Legler an Richard La Nicca hin, der offenbar nach der Fertigstellung geschrieben wurde. Vgl Daniel Speich: Helvetische Meliorationen. Zürich 2003, S. 302, Fussnote 21. 5 G[ottlieb] H[einrich] Legler: Ueber das Linthunternehmen. Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus 4, 1868, S. 80. 6 https://en.wikipedia.org/wiki/Francis_Frith 7 ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Frith, Francis / Ans_05093-011-FL / Public Domain Mark, http://doi.org/10.3932/ethz-a-000034336 . Für den Hinweis danke ich August Berlinger, Glarus. 8 «Plan vom Gäsi», 1:2000, 7. März 1884. Lintharchiv, Signatur LIAR F I.01. 9 Auf dem Stich «Wesen und Wallenstadter See» von Ludwig Rohbock (1820 – 1883), der 1862 publiziert worden war, ist klar zu erkennen, dass die Bahnlinie ohne Portal direkt in den roh ausgebrochenen Tunnel führt.

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Steinschlag-Schutzmauer sichtbar.10 Das Bild von Francis Frith kann somit am ehesten in die Jahre 1864 bis 1870 datiert werden. «Plan vom Gäsi,» 7. März 1884 (Ausschnitt). 11 Weiterbauen

Mit der zunehmenden Vergrösserung und Erhöhung des Linthdeltas und der weiteren Senkung des Walensee-Wasserstands erhielt auch das Hochwassermonument je länger je trockenere Füsse. Der unterste Teil mit den tiefsten Pegelangaben drohte im Linthkies zu verschwinden. Schon vor 1910 baute man eine halbkreisförmige Schutz-mauer, damit dieser Teil des Denkmals sichtbar blieb. Nach 2001 erhielt sie ein Geländer mit drei Infotafeln zu Bedeu-tung und Geschichte des Monuments. Wegen Steinschlaggefahr wurden sie 2014 einige Meter in Richtung Walensee versetzt.

«Kurvenplan des Wallensees, Linthdelta», 1910/1911, Ausschnitt.12

10 Der stark zerklüftete und instabile Fels am südwestlichen Walenseeufer erforderte zwischen 1910 und 1920 dauernd Siche-rungsarbeiten gegen Ausbrüche und Steinschlag; vgl. http://www.sbbarchiv.ch/suchinfo.aspx , Suchwort «Ofeneck». Dabei wurde die Front des originalen Betondeckels zurückgeschlagen, um eine Schutzmauer gegen Steinschlag erstellen zu können. 11 «Plan vom Gäsi», 1:2000, 7. März 1884. Lintharchiv, Signatur LIAR F I.01. 12 «Kurvenplan des Wallensees, Linthdelta», 1:2000, 1910/1911. Lintharchiv, Signatur LIAR F IX.01.

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Das Hochwassermonument im Gäsi, Zustand 2017.13

13 Bild: Simon Schoch, Uznach.