401
Inhalt Artikel Hartz-Konzept 1 Gerhard Schröder 12 Peter Hartz 27 Arbeitsmarktpolitik 30 Bundesagentur für Arbeit 34 VW-Korruptionsaffäre 44 Christian Wulff 47 Aufsichtsrat 60 Strafprozessrecht 69 Schmiergeld 70 Landgericht Braunschweig 71 Vorstrafe 74 Geständnis 75 Professur 76 Ehrendoktor 96 Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland 98 Daimler AG 106 Roland Berger Strategy Consultants 121 Deutsche Bank 126 IG Metall 173 Volkswagen AG 179 Werner Jann 205 McKinsey & Company 206 Hanns-Eberhard Schleyer 209 Günther Schmid 210 Wolfgang Tiefensee 212 Eggert Voscherau 217 Sozialamt 219 Jugendamt 219 Schuldnerberatung 227 Personal-Service-Agentur 229 Fallmanager 231 Arbeitslosigkeit 233 Arbeitslosengeld (Deutschland) 247

Hartz-Konzept: Warum Gerhard Schröder, SPD und Peter Hartz der groesste Politische Flop war und ist! Veruntreuung von Privaten und Bundesgeldern

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Hartz-Konzept: Warum Gerhard Schröder, SPD und Peter Hartz der groesste Politische Flop war und ist! Veruntreuung von Privaten und Bundesgeldern

Citation preview

  • InhaltArtikel

    Hartz-Konzept 1Gerhard Schrder 12Peter Hartz 27Arbeitsmarktpolitik 30Bundesagentur fr Arbeit 34VW-Korruptionsaffre 44Christian Wulff 47Aufsichtsrat 60Strafprozessrecht 69Schmiergeld 70Landgericht Braunschweig 71Vorstrafe 74Gestndnis 75Professur 76Ehrendoktor 96Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland 98Daimler AG 106Roland Berger Strategy Consultants 121Deutsche Bank 126IG Metall 173Volkswagen AG 179Werner Jann 205McKinsey & Company 206Hanns-Eberhard Schleyer 209Gnther Schmid 210Wolfgang Tiefensee 212Eggert Voscherau 217Sozialamt 219Jugendamt 219Schuldnerberatung 227Personal-Service-Agentur 229Fallmanager 231Arbeitslosigkeit 233Arbeitslosengeld (Deutschland) 247

  • Arbeitslosengeld II 254Sozialhilfe (Deutschland) 282Ich-AG 293Arbeitnehmerberlassungsgesetz 297Arbeitszeit 300Urlaub 307Bundeskanzler (Deutschland) 309Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschdigung 331Bundesverfassungsgericht 343Jobcenter 372Bundessozialgericht 377Regelsatzverordnung 383

    QuellennachweiseQuelle(n) und Bearbeiter des/der Artikel(s) 386Quelle(n), Lizenz(en) und Autor(en) des Bildes 393

    ArtikellizenzenLizenz 398

  • Hartz-Konzept 1

    Hartz-KonzeptDas Hartz-Konzept ist eine Bezeichnung fr Vorschlge der Kommission Moderne Dienstleistungen amArbeitsmarkt, die in Deutschland unter der Leitung von Peter Hartz tagte und im August 2002 ihren Berichtvorlegte.Die Bundesregierung unter Gerhard Schrder setzte die Kommission ein. Sie unterbreitete Vorschlge, wie dieArbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter gestaltet und die staatliche Arbeitsvermittlung reformiert werdensollte. Anlass dafr war unter anderem das Bekanntwerden von geschnten Statistiken der Bundesanstalt fr Arbeitber deren Vermittlungserfolge und ber den Umfang des Verwaltungspersonals (etwa 85.000) im Verhltnis zurZahl der Vermittler (etwa 15.000). Ziel des Hartz-Konzeptes war es, innerhalb von vier Jahren die Arbeitslosenzahlvon damals vier Millionen zu halbieren.Zur besseren Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren wurden die Manahmen aufgeteilt in einzelne Gesetze zurReform des Arbeitsmarktes mit den Kurzbezeichnungen HartzI, HartzII, HartzIII und HartzIV; die einzelnenGesetze traten schrittweise zwischen 2003 und 2005 in Kraft. nderungen an den Gesetzen erfolgten ab 2006, siehedazu Arbeitslosengeld II.

    Hartz-Kommission

    ZusammensetzungAm 22.Februar 2002 wurde die Kommission fr moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingesetzt. Zu denMitgliedern gehrten (mit ihrer damaligen Funktion): Nevzat Kizilaslan, Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG Jobst Fiedler, Roland Berger Strategy Consultants Heinz Fischer, Abteilungsleiter Personal Deutsche BankAG Peter Gasse, Bezirksleiter der IGMetall Nordrhein-Westfalen Peter Hartz, Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG, Vorsitzender der Kommission Werner Jann, Universitt Potsdam Peter Kraljic, Direktor der McKinsey & Company Dsseldorf Isolde Kunkel-Weber, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes Klaus Luft, Geschftsfhrer der Market Access for Technology Services GmbH Harald Schartau, Minister fr Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes

    Nordrhein-Westfalen Wilhelm Schickler, Prsident des Landesarbeitsamtes Hessen Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretr des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Gnther Schmid, Wissenschaftszentrum Berlin fr Sozialforschung Wolfgang Tiefensee, Oberbrgermeister der Stadt Leipzig Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AGHelga Spindler kritisierte, dass gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung der nichtffentliche Arbeitskreis Reformder Arbeitslosen- und Sozialhilfe aufgebaut wurde, der dann an zentraler Stelle an der Politikformulierung beteiligtwurde.[1]

  • Hartz-Konzept 2

    Vorschlge der KommissionDas Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes umfasst 13 Innovationsmodule. Im Zentrum derArbeitsfrderung soll demnach die eigene Integrationsleistung des Arbeitslosen stehen. Vorgeschlagen wurden vonder Kommission folgende Elemente:Doppelter Kundenauftrag: Arbeitssuchende und Arbeitgeber Verbesserter Service fr Kunden Jobcenter

    Die Arbeitsmter bekommen den das englische Vorbild imitierenden Namen JobCenter. Neben den bisherigenDienstleistungen der BA bernehmen die JobCenter auch die arbeitsmarktrelevante Beratung und Betreuungdes Sozialamtes, des Jugendamtes, des Wohnungsamtes, der Sucht- und Schuldnerberatung und sindSchnittstelle zur Personal-Service-Agentur (PSA). Die Arbeitsvermittler, nun Fallmanager genannt, werdenvon Verwaltungs- und Nebenaufgaben befreit und konzentrieren sich darauf, Kontakte zu Betrieben zu pflegenund Stellen zu akquirieren.

    Familienfreundliche Schnell-Vermittlung und Erhhung der VermittlungsgeschwindigkeitArbeitnehmer sind verpflichtet, das JobCenter nach einer Kndigung unverzglich ber drohendeArbeitslosigkeit zu informieren, damit Vermittlungsbemhungen frhzeitig einsetzen knnen. Bei versptetenMeldungen gibt es Abzge vom Arbeitslosengeld. Verschiedene Manahmen sollen die Vermittlungbeschleunigen und familienfreundlich gestalten. Arbeitslose, die Verantwortung fr Familien tragen, werdenbei der Vermittlung bevorzugt behandelt. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werdenzustzliche Kapazitten zur Kinderbetreuung aufgebaut.

    Neue Zumutbarkeit und FreiwilligkeitDie Zumutbarkeit wird nach geographischen, materiellen, funktionalen und sozialen Kriterien, bei denen auchdie familire Situation eine Rolle spielt, neu formuliert. So wird einem jungen, alleinstehenden Arbeitslosenbei der Mobilitt mehr zugemutet als einem Arbeitslosen mit Verantwortung fr Familienangehrige. Lehntein Arbeitsloser eine Beschftigung ab, muss er nachweisen, dass die abgelehnte Beschftigung unzumutbarwar. Sperrzeiten fr die Zahlung von Arbeitslosengeld werden knftig differenzierter nach verschiedenenTatbestnden eingesetzt.

    Jugendliche Arbeitslose AusbildungsZeit-WertpapierDie JobCenter bernehmen die Verantwortung fr eine aktive beiderseitige Suche nach einer Praktikums- oderAusbildungsstelle. Es sollen weitere neue Ausbildungsberufe entwickelt werden. Qualifizierungsbausteine ausbestehenden Ausbildungsberufen sollen verstrkt jugendlichen Arbeitslosen angeboten werden. Mit demAusbildungsZeit-Wertpapier (AZWP) sollen zustzliche Ausbildungspltze finanziert werden. Die Umsetzungdes AZWP erfolgt ber eine gemeinntzige Stiftung.

    Frderung lterer Arbeitnehmer und BridgeSystemZur Bewltigung der Arbeitslosigkeit lterer werden zwei Wege vorgeschlagen: Zur strkeren Integrationlterer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt ersetzt die Lohnversicherung, die die bisherigeArbeitslosenversicherung ergnzt, einen Teil des Einkommensverlustes, der bei der bernahme einer niedrigerbezahlten sozialversicherungspflichtigen Arbeit entsteht. Zudem wird der Beitragssatz zurArbeitslosenversicherung fr ltere gesenkt, wenn sie eine neue Beschftigung aufnehmen. DieMglichkeiten der befristeten Beschftigung lterer werden erweitert. Andererseits knnen durch dasBridgeSystem ltere Arbeitslose auf eigenen Wunsch ab 55 Jahren aus dem Bezug des Arbeitslosengeldesund der Betreuung durch das JobCenter ausscheiden. Sie erhalten statt des Arbeitslosengeldes einekostenneutral errechnete monatliche Leistung und den vollen Schutz der Sozialversicherung.

    Zusammenfhrung von Arbeitslosenhilfe und SozialhilfeZur Vermeidung von Verwaltungsaufwand und fehlender Transparenz sowie zur Verbesserung derAbstimmung und Verantwortlichkeit wird in Zukunft jeder, der Leistungen bezieht, nur noch von einer Stellebetreut. Es wird drei Arten von Leistungen geben:

  • Hartz-Konzept 3

    1. Das Arbeitslosengeld I ist die beitragsfinanzierte Versicherungsleistung, die in Dauer und Hhe den bisherigenRegeln entspricht.

    2. Das Arbeitslosengeld II ist eine steuerfinanzierte Leistung, abhngig von der Bedrftigkeit, zur Sicherung desLebensunterhalts arbeitsloser Erwerbsfhiger nach dem Bezug von Arbeitslosengeld oder wenn der Anspruchauf Arbeitslosengeld nicht erfllt ist.

    3. Die Sozialhilfe entspricht der bisherigen Sozialhilfe fr nicht Erwerbsfhige.Beschftigungsbilanz Bonussystem fr Unternehmen

    Alle Unternehmen sind aufgefordert, ihrer Verantwortung fr die Sicherung und Schaffung von Arbeitspltzengerecht zu werden. Die JobCenter und die KompetenzCenter untersttzen die Unternehmen dabei und bietendeshalb Beschftigungsberatung zu den Bereichen Arbeitsrecht, Gestaltung betrieblicher Arbeitsbedingungenetc. an. Unternehmen mit einer positiven Beschftigungsentwicklung erhalten einen Bonus in derArbeitslosenversicherung.

    Aufbau von Personal-Service-Agenturen (PSA) Betriebsnahe Weiterbildung Integration schwer VermittelbarerDie Personal-Service-Agentur (PSA) ist ein Instrument zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Ziel ist,Einstellungsbarrieren zu berwinden und Arbeitslose mit einer neuen Form vermittlungsorientierterArbeitnehmerberlassung schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die PSA sindeigenstndige Organisationseinheiten und arbeiten fr das Arbeitsamt und in dessen Auftrag. DieVerpflichtung des Arbeitslosen zur Aufnahme einer Beschftigung in der PSA ergibt sich aus den Regelungender Zumutbarkeit. Ablehnung ist mit Leistungskrzungen verbunden. Whrend der Probezeit wird einNettolohn in Hhe des Arbeitslosengeldes gezahlt, anschlieend der tariflich vereinbarte PSA-Lohn. Wechseltein Arbeitnehmer in ein regulres Beschftigungsverhltnis, erhlt er den dort blichen Lohn. Die gesetzlichenBeschrnkungen des Arbeitnehmerberlassungsgesetzes sollen aufgehoben werden.

    Neue Beschftigung und Abbau von Schwarzarbeit durch Ich-AG und Familien-AG mit vollwertigerVersicherung Minijobs mit Pauschalabgabe und Abzugsfhigkeit von privaten Dienstleistungen

    Mit den beiden neuen Instrumenten Ich-AG und Mini-Job werden neue Wege zur Bewltigung des ProblemsSchwarzarbeit aufgezeigt. Die Ich-AG zielt auf weniger Schwarzarbeit Arbeitsloser, die Mini-Jobs auf wenigerSchwarzarbeit bei Dienstleistungen in Privathaushalten. Die Verdienstgrenze bei Minijobs frDienstleistungen in privaten Haushalten soll auf 400 Euro monatlich angehoben werden, der Einzug desSozialversicherungsbeitrags (Sozialversicherungspauschale von 12 Prozent) wird vereinfacht.

    Personal Transparentes Controlling Effiziente IT-Untersttzung aller Prozesse Aufbauorganisation Selbstverwaltung Arbeitsmarktforschung Change Management

    Die BA wird nach einem neuen Leitbild arbeiten, das in einem neuen Handlungsleitfaden fr jeden Mitarbeiterund einem neuen Personalkonzept seinen Ausdruck findet. Innerhalb der BA werden dieBeschftigungsverhltnisse neu gestaltet. Es wird viele Vernderungen geben: Dazu gehren ein neueseinheitliches Dienstrecht, die Steuerung der Arbeitsmter ber vereinbarte oder vorgegebene Ergebnisse, dieWeiterentwicklung des Controllings, die durchgngige Untersttzung aller Geschftsprozesse durch IT undffentlicher Zugang zu Informationen und Dienstleistungen ber Internet undSelbstinformationseinrichtungen. Die Aufbauorganisation wird knftig zweistufig sein: Zentrale undArbeitsmter, die ber JobCenter den lokalen Kundenbedarf bedienen. In jedem Bundesland wird auerdemein KompetenzCenter eingerichtet.

    Umbau der Landesarbeitsmter zu KompetenzCentern fr neue Arbeitspltze und Beschftigungsentwicklung Start mit den neuen Bundeslndern

    Die Landesarbeitsmter werden zu KompetenzCentern umgebaut, deren beschftigungspolitische Aufgabensteuerfinanziert sind. Die KompetenzCenter vernetzen und koordinieren die Arbeitsmarkt- undWirtschaftspolitik auch ber Verwaltungsgrenzen hinweg. Sie bieten Lndern, Kommunen, Unternehmen und

  • Hartz-Konzept 4

    Kammern komplementre Lsungen und Ressourcen an. Sie fungieren auch als Hauptansprechpartner frgroe Unternehmen, untersttzen die JobCenter bei der Beratung von Klein- und mittelstndischenUnternehmen, sind Verbindungsstelle zu den Landesregierungen, koordinieren berregionaleQualifizierungsprogramme und betreiben Trend- und regionale Arbeitsmarktforschung.

    Finanzierung der Manahmen zum Abbau der ArbeitslosigkeitMit dem Konzept des JobFloaters wird die Finanzierung von Arbeitslosigkeit durch die Finanzierung vonArbeit ersetzt. Stellt ein Unternehmen einen Arbeitslosen nach der Probezeit ein und schafft es einen neuenArbeitsplatz, erhlt es die Option auf ein Finanzierungspaket in Form eines Darlehens. Dieses Angebot gilt frkleine und mittlere Unternehmen in den alten und neuen Lndern. Mit einem JobFloater in Hhe von 100.000Euro (50.000 Euro Frderkredit, 50.000 Euro Nachrangsdarlehen) und einer Vergabe fr 100.000Arbeitnehmer pro Jahr ergbe sich ein Finanzierungsbedarf von 10Milliarden Euro pro Jahr. Wenn in dennchsten drei Jahren die Arbeitslosenzahl um 2Millionen gesenkt wird, ergbe sich nach heutigen Mastbengroben Schtzungen zufolge ein Einspareffekt in Hhe von 19,6Milliarden Euro bei Arbeitslosengeld undArbeitslosenhilfe Mittel, die fr die Frderung von Ich- oder Familien-AGs und in den PSA verwendetwerden knnen.

    Masterplan Beitrag der Profis der NationGegen Arbeitslosigkeit sollen nicht nur Politiker, Gewerkschafter, Unternehmer angehen oder gar dieArbeitslosen alleine; sondern entstehen soll ein flchendeckendes Netz konkreter Projekte zur Lsung der mitArbeitslosigkeit verbundenen Probleme, ein Netz, an dem sich mglichst viele Leute mit verschiedenenTtigkeitsbereichen beteiligen sollten. Die Hartz-Kommission versuchte dies unter der Bezeichnung Profisder Nation zusammenzufassen; gemeint sind praktisch alle, die irgendetwas tun: Politiker, Mitarbeiter derBundesanstalt fr Arbeit, Unternehmer sowie Manager, Gewerkschaftsfunktionre und Betriebsrte, Vertreterder Wirtschafts- und Arbeitgeberverbnde, Lehrkrfte, Geistliche, Journalisten, Knstler, Verantwortliche insozialen Einrichtungen, Arbeitsloseninitiativen und Selbsthilfegruppen.

    Ziel der Kommission war es, Beschlsse auf der Grundlage einer Diskussion verschiedener Experten wieUnternehmensberatern, Politikern und Managern vorzubereiten.

    UmsetzungDie Vorschlge der Kommission wurden in vier Phasen (Hartz I bis IV) umgesetzt:

    Hartz I mit Wirkung ab 1. Januar 2003Erstes Gesetz fr moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[2]

    Erleichterung von neuen Formen der Arbeit Frderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesanstalt fr Arbeit (FbW), Einfhrung des

    Bildungsgutscheins Unterhaltsgeld der Bundesanstalt Zeitarbeit mit Personal-Service-Agenturen (PSA)Das Arbeitnehmerberlassungsgesetz wurde durch Hartz I in wesentlichen Punkten gendert: Das besondere Befristungsverbot, das Synchronisationsverbot, das Wiedereinstellungsverbot und die Beschrnkung der berlassungsdauer auf hchstens zwei Jahre wurden aufgehoben. Zu Gunsten der Leiharbeitnehmer wurde der so genannte Gleichstellungsgrundsatz im Gesetz verankert. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer zu denselben Bedingungen beschftigt werden mssen wie die Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens: Gleiche Arbeitszeit, gleiches Arbeitsentgelt, gleiche Urlaubsansprche (sog. equal pay und equal treatment). Ein Tarifvertrag kann jedoch abweichende Regelungen zulassen, wovon bereits Gebrauch gemacht worden ist, zum Beispiel durch die Tarifvertrge des Arbeitgeberverband Mittelstndischer Personaldienstleister (AMP) mit der Tarifgemeinschaft

  • Hartz-Konzept 5

    Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA oder durch die Tarifvertrge der DGB-Gewerkschaften mit demBundesverband Zeitarbeit (BZA) oder dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ).Verfassungsbeschwerden von Arbeitgeberverbnden und Verleihunternehmen gegen den Gleichstellungsgrundsatzblieben erfolglos.[3]

    Mit diesen nderungen wollte der Gesetzgeber die Qualitt und die gesellschaftliche Akzeptanz der Leiharbeiterhhen. Sie traten zum 1. Januar 2004 in Kraft.

    Hartz II mit Wirkung ab 1. Januar 2003Zweites Gesetz fr moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[4]

    Das Gesetz enthlt Bestimmungen, die teilweise erst spter in Kraft traten. Regelung der Beschftigungsarten geringfgiger Beschftigung (Minijob und Midijob) mit Wirkung ab 1. April

    2003. Als geringfgig Beschftigter gilt, wer monatlich bis zu 400 Euro verdient, zuvor waren es 325 Euro. Als geringfgig Beschftigte knnen auch Beschftigte mit mehr als 15 Wochenstunden gelten. Der pauschale Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung wird von 10 % auf 11 % des Bruttolohnes

    erhht. Der Arbeitgeber zahlt eine pauschale Steuer in Hhe von 2 % des Bruttolohnes.

    Ich-AG Einrichtung von Jobcentern

    Hartz III mit Wirkung ab 1. Januar 2004Drittes Gesetz fr moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[5]

    Restrukturierung und der Umbau der Bundesanstalt fr Arbeit (Arbeitsamt) in die Bundesagentur fr Arbeit(Agentur fr Arbeit)

    Hartz IV mit Wirkung ab 1. Januar 2005Viertes Gesetz fr moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt[6]

    Zusammenfhrung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) fr Erwerbsfhige zumArbeitslosengeld II (ALG II) zum Teil auf ein Niveau unterhalb der bisherigen Sozialhilfe. Die laufendenLeistungen der alten Sozialhilfe waren zwar nominell niedriger als die Regelleistung des neu eingefhrten ALGII, wurden aber im Bedarfsfall durch diverse Einmalleistungen ggf. auch ber den Satz des entsprechenden ALGII aufgestockt. Der monatliche Regelsatz der Sozialhilfe fr einen Alleinstehenden hatte vor der Einfhrung desALG II in den westlichen Bundeslndern bis Ende 2004 zwischen 287 und 297 , in den stlichen Lndernzwischen 282 bis 285 gelegen, whrend die Regelleistung des ALG II ab 1. Januar 2005 345,00 im Westenund 331 im Osten[7] betrug. Die neben dem Regelsatz der Sozialhilfe im Bedarfsfall gewhrten einmaligenBeihilfen[8] wurden beim ALG II nunmehr weitgehend in die Regelleistung einberechnet, so dass danebeninsoweit keine einmalige Beihilfen mehr beansprucht werden konnten.[9] Die ursprnglich vorgesehene Hhe derRegelleistung des ALG II lag laut Aussage von Peter Hartz bei 511 Euro monatlich und damit weit ber demSozialhilfesatz.[10]Anfangs wurde fr Hilfebedrftige, deren Arbeitslosengeldanspruch erschpft war, einZuschlag gezahlt, der im ersten Jahr des ALG-II Bezugs bis 160 , im zweiten Jahr bis 80 betrug[11]. DieserZuschlag wurde zum 1. Januar 2011 ersatzlos abgeschafft.[12]

    Beide Sozialleistungen sollen bei erwerbsfhigen Arbeitslosen direkt bei der Agentur fr Arbeit verwaltet werden.Allerdings erhalten 69 Kreise und Gemeinden die Mglichkeit, die Betreuung von Langzeitarbeitsloseneigenverantwortlich zu bernehmen (so genannte kommunale Option oder Optionsmodell).

  • Hartz-Konzept 6

    Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes aus der Arbeitslosenversicherung wird ab 1. Februar 2006 auf maximal18 Monate reduziert. Nach einem Beschluss der Groen Koalition von 2007 sollen ber 58-jhrige 24 Monatelang Arbeitslosengeld erhalten, wenn die Voraussetzungen erfllt sind. Wer keine Ansprche (mehr) aufArbeitslosengeldI hat, erhlt dann ArbeitslosengeldII, wobei die Bewilligung von ArbeitslosengeldII dieVermgens- und Einkommenslage des Antragstellers und bestimmter Angehriger bercksichtigt.

    Ab 2005 wurde der Regelsatz von Kindern zwischen sieben und dreizehn Jahren in Hartz-IV-Familien auf 60 %(zuvor: 65 %) des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen festgelegt, fr Jugendliche zwischen 14 und 17ab 2005 auf 80 % (zuvor seit 1955 90 %) des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen. Jugendlichezwischen 14 und 17 erhalten somit ebenso viel wie erwachsene Haushaltsangehrige; zuvor erhielten sie 12,5 %mehr als diese, da ihnen als Heranwachsende ein hherer Bedarf (Wachstumsbedarf) anerkannt wurde alserwachsenen Haushaltsangehrigen.[13]

    AbweichungenDer damalige Bundeskanzler Gerhard Schrder hatte im Bundestagswahlkampf 2002 zugesagt, die Vorschlge ausdem Hartz-Konzept eins zu eins umzusetzen, dies wurde jedoch nicht verwirklicht.[14]

    Abweichungen gab es in Detailfragen wie den Bemessungsgrenzen oder der Hhe vonKrankenversicherungsbeitrgen sowie Instrumenten wie Midi-Jobs, die im Hartz-Konzept nicht explizit erwhntwerden. 2006 wurden Ich-AGs ganz zurckgenommen und Personal-Service-Agenturen funktional grundlegendverndert .Daneben gibt es kontinuierliche Modifikationen im Bereich des Zugangsvoraussetzungen und des Leistungsrechts(SGB-II-nderungsgesetz und Fortentwicklungsgesetz); siehe dazu Arbeitslosengeld II.

    AuswirkungenInsbesondere auch durch die Frderung von Bedarfsgemeinschaften ergab sich ein grerer Kostenaufwand alsgeplant. Im Jahr 2006 wurde ber Gesetzesnderungen diskutiert, die unter anderem bei der Ablehnung vonzumutbarer Arbeit eine Krzung der Bedarfsstze nicht mehr dem Ermessensspielraum des Sachbearbeitersberlassen, sondern verpflichtend vorsehen.Die Bundesagentur fr Arbeit deutete den Rckgang der kurzzeitigen Arbeitslosigkeit im Mai 2006 als positiveAuswirkung des Hartz-Konzeptes. Die Bundesagentur fhrt diesen Rckgang unter anderem auf eine intensivereBetreuung der Arbeitslosen zurck.[15] Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen ging in den folgenden zwei Jahren um700.000 auf 2,3Millionen zurck.[16]

    Infolge der Hartz-IV-Reformen kam es zu Protesten von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbnden und der PDS; in derMehrheit trugen die Gewerkschaften jedoch die Reformen mit. Auch die Wohlfahrtsverbnde schwenkten nachInkrafttreten der Reformen teilweise um und treten nun auch als Trger von Arbeitsgelegenheiten mitMehraufwandsentschdigung (auch unter dem Namen Ein-Euro-Jobs bekannt) auf.[17]

    BewertungHermann Scherl, Professor fr Sozialpolitik an der Universitt Erlangen, prognostizierte im August 2003 statt der imHartz-Bericht angekndigten Senkung der Arbeitslosigkeit um zwei Millionen Arbeitslose eine Senkung umhchstens 400.000 Arbeitslose. Auerdem kritisierte er die Missbrauchsmglichkeiten bei denIch-Aktiengesellschaften, fehlende Attraktivitt der Minijobs fr Arbeitslose und Sozialhilfeempfnger, Aufteilungregulrer Arbeitspltze in mehrere Minijobs, geringe Nutzung und Mitnahmeeffekte beim Job-Floater und die nurteilweise Deregulierung der Arbeitnehmerberlassung. Er lobte die politische Anerkennung derArbeitnehmerberlassung, die Verbesserung der Vermittlung durch die Bundesanstalt fr Arbeit und dieZusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.[18]

  • Hartz-Konzept 7

    Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel uerte sich in einem Interview mit der Tagesschau vom 2.Juli 2004:Das vorrangige Motiv ist vor allem, Sozialausgaben einzusparen. Wir haben die hohe Arbeitslosigkeit, wirhaben hohe Kosten durch die Arbeitslosigkeit. Das vorrangige Ziel ist einfach einzusparen. DerWirtschaftsminister hat ja selber gesagt, dass die wichtigste Herausforderung fr ArbeitspltzeWirtschaftswachstum ist. Aber von den Hartz-Gesetzen das wissen wir sicher gehen keineWachstumsimpulse aus, eher sogar eine Belastung. () Wir haben Berechnungen, dass dieArbeitsmarktreformen am Ende sogar ca. 100.000 Arbeitspltze kosten knnen.

    Durch den Europischen Gerichtshof wurde ein Teil der Hartzgesetze wegen Altersdiskriminierung fr nichtigerklrt. ltere Arbeitnehmer ber 52 Jahren drften nicht immer wieder nur mit befristeten Arbeitsvertrgenbeschftigt werden.Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) (Januar 2009) verstoen die Hartz-IV-Regelstze frunter-14-jhrige Kinder, die als 60 % des Bedarfs eines Erwachsenen angegeben sind, gegen denGleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber habe es versumt, den genauen Bedarf der Kinder zuermitteln und zu definieren; die Kinder wrden insbesondere gegenber den Kindern von Sozialhilfeempfngernbenachteiligt. Das Bundesverfassungsgericht entschied im Februar 2010, dass die Regelleistungen nichtverfassungsgem sind.[19]

    KostenGeplant war, dass sich durch die Verringerung der Sozialleistungen die Kosten fr den Sozialstaat insgesamt senkenlieen. 2005 stiegen sie allerdings von erwarteten 14,6Milliarden auf 25,6Milliarden Euro, im Jahr 2006 auf26,4Milliarden. Das Bundessozialgericht kndigte wegen der Klagewelle an, 2007 einen eigenen Senat frHartz-IV-Flle einzurichten, um Grundsatzurteile zu schaffen.[20]

    Einschrnkung des SubsidiarittsprinzipsDas Subsidiarittsprinzip ist eine allgemein anerkannte Maxime, die privater Verantwortung den Vorrang vorstaatlicher Verantwortung gibt. Die Hartz-Gesetze verletzen dieses Prinzip insofern, als sie weitgehend die sozialeVerantwortung von Eltern fr ihre Kinder und Kindern fr ihre Eltern einschrnken, sofern diese nicht in einerhuslichen Gemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft) leben. Als Folge davon konnte eine bisher in huslicherGemeinschaft lebende Familie, die mindestens einen potentiellen Hartz-IV-Empfnger umfasste, ihrGesamteinkommen unter Nutzung von Hartz IV-Mitteln steigern, wenn die betroffene Person in eine eigeneWohnung zog und damit eine neue Bedarfsgemeinschaft entstand. Entsprechend den Hartz-Regelungen wurde dannnicht nur die zustzliche Miete vom Staat bezahlt, es erhhte sich dadurch auch der Anspruch aus HartzIV bzw. erentstand dadurch erst. Als Folge entstanden viele neue Bedarfsgemeinschaften, die die Kosten von HartzIVbetrchtlich erhhten.

    Vorwurf zu starker KrzungenDurch den Umbau des sozialen Netzes wurde im Vorfeld der Einfhrung von HartzIV Mitte 2004 Kritik geuert.So wurden Montagsdemonstrationen in vielen Stdten Deutschlands organisiert.Gewerkschaften kritisierten eine bermige Belastung kleiner und mittlerer Einkommen, statt besonders die hheren Einkommensgruppen und Vermgensbesitzer zu belasten. Arbeitslosigkeit sei kein persnliches Verschulden, sondern angesichts Millionen fehlender Stellen ein Massenphnomen, dem nicht mit Bestrafung der Arbeitslosen beizukommen sei. Arbeitslosigkeit sei zudem nicht auf Vermittlungsprobleme und Unwillen der Arbeitslosen zurckzufhren, was sich nach dieser Auffassung auch an der geringen Zahl offener Stellen pro gemeldeten Arbeitslosen zeigt, auf die das Hartz-Konzept primr zielt. Es wird auf das verglichen mit der Weltwirtschaft zwar geringe, aber doch positive Wachstum der deutschen Wirtschaft verwiesen. Der bei lngerer Arbeitslosigkeit drohende relativ hohe Verlust an Lebensstandard gilt diesen Kritikern als eine besonders zu

  • Hartz-Konzept 8

    bercksichtigende Hrte.

    Vorwurf zu geringer KrzungenWirtschaftsexperten uerten sich dahingehend, dass das Hartz-Konzept noch nicht weit genug gehe, aber denrichtigen Weg darstelle. Die Befrworter der Hartz-Konzepte vertreten die Ansicht, dass die Menschen sich berdie Jahre daran gewhnt htten, dass der Staat sie finanziell auch ber Notflle hinaus versorge. Sozialleistungenseien zur Selbstverstndlichkeit geworden. Der pltzliche Sozialabbau erscheine daher vielen als Hrte. Sie forderninsbesondere weitere Liberalisierungen des Arbeitsrechts.Die Bundesregierung erklrt, dass das Volumen der Untersttzungsleistung nicht verringert, sondern lediglich andersverteilt werde. Auerdem seien die Agenturen fr Arbeit dem Arbeitslosen so nher und knnten ihm, ohne Umwegeber verschiedene Behrden, schneller Arbeit vermitteln.

    ZumutbarkeitskriterienGewerkschaften und Wohlfahrtsverbnde kritisieren insbesondere die nderung bei den Zumutbarkeitsbedingungendurch das Hartz-Konzept, die im Kern besagen, dass jede Arbeit (auch untertariflich bezahlte oder geringfgigeBeschftigung) zumutbar ist.[21] Sie befrchten negative Auswirkungen sowohl auf die Beschftigten wie auf dieKonjunktur: Erworbene Qualifikationen werden entwertet, wenn Arbeitspltze unabhngig von der erworbenen Ausbildung

    angenommen werden mssen bzw. dies im Ermessen der jeweiligen Sachbearbeiter bei den Agenturen steht. Es entsteht Druck insbesondere in den unteren Lohngruppen, weil jeder zu jeder Arbeit gezwungen werden kann.

    Hier befrchten die Gewerkschaften Lohnsenkungen und damit eine weitere Schwchung der Binnennachfrage.Das gesamte Lohngefge knnte nach unten ins Rutschen geraten.

    Der Zwang zur bundesweiten Mobilitt kann soziale Strukturen (Familien, Freundeskreise) stren sowie inganzen Regionen (v.a. Ostdeutschlands) zur Abwanderung vor allem der jngeren und mobilerenBevlkerungsschichten fhren.

    Auch wenn von Seiten der Bundesregierung davon gesprochen wird, dass die 1-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheit mitMehraufwandsentschdigung) nur in Bereichen entstehen sollen, die ansonsten nicht vom Markt oder ffentlichenEinrichtungen bedient werden, kritisieren insbesondere Gewerkschaften und lokale mittelstndische Betriebe undWirtschaftsverbnde diese Regelung. Eine Abgrenzung zwischen Ttigkeiten, die ansonsten nicht angeboten werden, und mglichen Geschftsfeldern

    und ffentlichen Leistungen ist schwer bzw. vom jeweiligen Stand der ffentlichen Versorgung abhngig. ber de facto subventionierte Arbeitsverhltnisse knnte so bestehenden Einrichtungen und Firmen Konkurrenz

    gemacht werden sowie der Druck auf entsprechende Lhne verstrkt werden.

    Chronologie

  • Hartz-Konzept 9

    22.Feb.2002

    Die Bundesregierung beauftragt die Kommission.

    16.Aug.2002

    Die Kommission prsentiert ffentlich ihre Ergebnisse (sog. Hartz-Vorschlge) im Franzsischen Dom in Berlin. Medienwirksamebergabe einer Daten-CD mit den Kommissionsergebnissen durch den Kommissionsvorsitzenden Hartz an Bundeskanzler Schrder.

    22.Aug.2002

    Beschluss der Bundesregierung zur Umsetzung der Vorschlge;Erarbeitung der vier Schritte zur Umsetzung

    23.Dez.2002

    Erstes Gesetz fr Moderne Dienstleistungen am ArbeitsmarktInkrafttreten mit Wirkung ab 1. Januar 2003, einzelne Regelungen mit anderen Inkrafttretenszeitpunkten

    23.Dez.2002

    Zweites Gesetz fr Moderne Dienstleistungen am ArbeitsmarktInkrafttreten mit Wirkung ab 1. Januar 2003, einzelne Regelungen mit anderen Inkrafttretenszeitpunkten

    23.Dez.2003

    Drittes Gesetz fr Moderne Dienstleistungen am ArbeitsmarktInkrafttreten mit Wirkung ab 1. Januar 2004, einzelne Regelungen mit anderen Inkrafttretenszeitpunkten

    24.Dez.2003

    Viertes Gesetz fr Moderne Dienstleistungen am ArbeitsmarktInkrafttreten mit Wirkung ab 1. Januar 2005, einzelne Regelungen mit anderen Inkrafttretenszeitpunkten

    22.Nov.2005

    Der Europische Gerichtshof (EuGH) erklrt in der sogenannten Mangold-Entscheidung die dem ersten Hartz-Gesetz eingefhrteEinschrnkung des Kndigungsschutzes fr ber 52-Jhrige mit dem EU-Recht (Diskriminierung) als unvereinbar.

    20.Dez.2007

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklrt die mit Hartz IV eingefhrten Argen fr verfassungswidrig. Abhilfe erfolgte durch denGesetzgeber mit dem Gesetz zur nderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21. Juli 2010 und dem Gesetz zur Weiterentwicklung derOrganisation der Grundsicherung fr Arbeitsuchende vom 3. August 2010.

    27.Jan.2009

    Das Bundessozialgericht (BSG) hlt die Regelleistung fr Kinder unter 14 Jahren fr verfassungswidrig und legt die Vorschrift demBundesverfassungsgericht zur Prfung vor.[22] Abhilfe erfolgte durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfenund zur nderung des Zweiten und Zwlften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. Mrz 2011.

    9. Feb.2010

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklrt die Berechnung der Regelleistung generell fr verfassungswidrig. Die Vorschriftenbleiben bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiter anwendbar.[23] Abhilfe erfolgte durchden Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur nderung des Zweiten und Zwlften BuchesSozialgesetzbuch vom 24. Mrz 2011.

    Literatur Agenturschluss (Hrsg.): Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand Eine Zwischenbilanz.

    Assoziation A, Hamburg und Berlin 2006, ISBN 3-935936-51-6 Angelika Beier, Joachim Bischoff, Richard Detje: Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2005?. VSA, Hamburg

    2002, ISBN 3-87975-894-8 Albrecht Brhl, Albert Hofmann: Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) Grundsicherung fr Arbeitsuchende.

    Gesetzestext, Erluterungen und Informationen fr Betroffene, Berater und Behrden. Selbstverlag A. Hofmann,Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-9809050-1-2

    Christiane Bchner, Olaf Grndel (Hrsg.): Hartz IV und die Kommunen. Konzepte, Umsetzungsstrategien underste Ergebnisse. (= KWI-Arbeitshefte; 8). Kommunalwissenschaftliches Institut, Universitt Potsdam 2005(Digitalisat [24])

    Christian Christen, Tobias Michel, Werner Rtz (Hrsg.): Sozialstaat: Wie die Sicherungssysteme funktionierenund wer von den Reformen profitiert. (= AttacBasisTexte; 6). VSA, Hamburg 2003, ISBN 3-89965-005-0

  • Hartz-Konzept 10

    Peter Hartz u.a.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschlge der Kommission zum Abbau derArbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt fr Arbeit. [25] Bundesministerium fr Arbeit undSozialordnung, Berlin 2002

    Hansjrg Herr: Arbeitsmarktreformen und Beschftigung. ber die konomietheoretischen Grundlagen derVorschlge der Hartz-Kommission. In: Prokla. Zeitschrift fr kritische Sozialwissenschaft, Heft 129, 32. Jg.(2002), Nr. 4

    Peter Hogarth: Hartz IV, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Ihre Rechte! Ratgeber 2006. Mole Verlag, Hamburg2006, ISBN 3-938959-44-4

    Holger Kindler, Ada-Charlotte Regelmann, Marco Tullney (Hrsg.): Die Folgen der Agenda 2010 Alte und neueZwnge des Sozialstaats. VSA, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-102-2

    Horst Marburger: SGB II Grundsicherung fr Arbeitsuchende. 6. Auflage. Walhalla Fachverlag, Regensburg2006, ISBN 3-8029-7481-6

    Sven T. Siefken (2006): Die Arbeit der so genannten Hartz-Kommission und ihre Rolle im politischen Prozess.In: Svenja Falk/ Dieter Rehfeld/ Andrea Rmmele/ Martin Thunert (Hrsg.): Handbuch Politikberatung:Wiesbaden: VS Verlag fr Sozialwissenschaften, S. 374389.

    Helga Spindler: War auch die Hartz -Kommission ein Bertelsmann Projekt?, in: Jens Wernicke/ TorstenBultmann (Hg.): Bertelsmann-Netzwerk der Macht, ISBN 978-3-939864-02-8, Nachdruck der 2. erw. Aufl.,September 2010.

    Norbert Wiersbin: Das Hartz-Desaster. Auf dem Weg in den Unrechtsstaat, RaBaKa-Pockets, ISBN978-3-940185-24-2 ,2013

    Matthias Kaufmann: Kein Recht auf Faulheit. Das Bild von Erwerbslosen in der Debatte um die Hartz-Reformen,Reihe: Theorie und Praxis der Diskursforschung, Springer, ISBN 978-3-658-02085-9, 2013.

    Weblinks Hartz-Konzept [26], Institut fr Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Bundesministerium fr Arbeit und Soziales: Grundsicherung fr Arbeitsuchende (ALG II) [27]

    Martin Staiger: Hartz-IV-Hetze [28]. In: Bltter fr deutsche und internationale Politik, Ausgabe 10/2008,S.1720.

    Aushungern und Fordern [29]. Hartz IV-Sanktionspraxis. Telepolis, 22.September 2009. DGB: "Staat subventioniert Leiharbeit mit Hartz IV", Die Welt, 27. Februar 2013 [30]

    Fragwrdige Quote: Warum Jobcenter die Leiharbeit pushen, "Plusminus", ARD am 13. Mrz 2013 um 22:15Uhr [31]

    Sozialrichter Jrgen Borchert: "Warum die Agenda 2010 als Erfolg begriffen wird, ist mir ein Rtsel",Sddeutsche Zeitung vom 14. Mrz 2013 [32]

    Ich habs mir nicht ausgesucht [33] Ergebnisbericht einer Studie zu den Auswirkungen von HartzIV auf dieBetroffenen, von Telepolis, vom 7.August 2007

    Bundeszentrale fr politische Bildung: Hartz-Konzept: Arbeitslose effektiver in billige Jobs -Deregulierungsschub auf den Arbeitsmrkten [34]

  • Hartz-Konzept 11

    Einzelnachweise[1] "Wer steckt hinter Hartz IV? - Die Ghostwriter der Kommission" (http:/ / www. uni-due. de/ edit/ spindler/ ghostwriter_spindler_2012. pdf)

    (PDF; 36kB)[2] BGBl. I 2002 S.4607 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20060718183118/ http:/ / www. bgblportal. de/ BGBL/ bgbl1f/ bgbl102s4607. pdf)

    (PDF; 97kB)[3] BVerfG, Beschluss vom 29. Dezember 2004,1 BvR 2283/03 (http:/ / www. bundesverfassungsgericht. de/ entscheidungen/

    rk20041229_1bvr228303. html?Suchbegriff=Arbeitnehmerberlassungsgesetz)[4] BGBl. I 2002 S.4621 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20060718183148/ http:/ / www. bgblportal. de/ BGBL/ bgbl1f/ bgbl102s4621. pdf)

    (PDF; 95kB)[5] BGBl. I 2003 S.2848 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20060704092023/ http:/ / www. bgblportal. de/ BGBL/ bgbl1f/ bgbl103s2848. pdf)

    (PDF; 525kB), Druckfhige Version (http:/ / www. rechtliches. de/ info_Drittes_Gesetz_fuer_moderne_Dienstleistungen_am_Arbeitsmarkt.html)

    [6] BGBl. I 2003 S.2954 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20060926140911/ http:/ / www. bgblportal. de/ BGBL/ bgbl1f/ bgbl103s2954. pdf)(PDF; 394kB)

    [7][7] 19 Abs. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S.2954, 2961[8][8] 21 BSHG: Einmalige Beihilfen fr die Instandsetzung von Bekleidung, Wsche und Schuhen in nicht kleinem Umfang und deren

    Beschaffung von nicht geringem Anschaffungspreis, die Beschaffung von Brennstoffen fr Einzelheizungen, die Beschaffung von besonderenLernmitteln fr Schler, die Instandsetzung von Hausrat in nicht kleinem Umfang, die Instandhaltung der Wohnung, die Beschaffung vonGebrauchsgtern von lngerer Gebrauchsdauer und von hherem Anschaffungswert sowie fr besondere Anlsse

    [9] Rudolf Martens: Expertise. Der Vorschlag des Parittischen Wohlfahrtsverbandes fr einen sozial gerechten Regelsatz als sozialpolitischeGrundgre. Neue Regelsatzberechnung 2006 (http:/ / replay. waybackmachine. org/ 20081209122949/ http:/ / www. der-paritaetische. de/uploads/ tx_pdforder/ regelsatz-neuberechnung-2006_05. pdf) (PDF; 555kB), neue berarbeitete Auflage. Der ParittischeWohlfahrtsverband, Berlin 2006. (Darin u.a.: Der Regelbedarf und der Inhalt der Regelstze werden in 28 SGB XII bestimmt. Der Aufbauder neuen Regelstze unterscheidet sich gegenber dem bis 2005 geltenden Bundessozialhilfegesetz gem 22 (BSHG) in folgendenPunkten: Im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise werden jetzt die meisten bisherigen einmaligen Leistungen in den Regelsatzintegriert. Darber hinaus werden nur in drei Fllen nicht pauschalierbare einmalige Leistungen weiterhin gewhrt; gem 31 SGB XIIwren dies Erstausstattungen fr Wohnungen, Erstausstattungen fr Kleidung und mehrtgige Klassenfahrten ( 37 SGB XII). Bei sonstigeneinmaligen Leistungen, wie beispielsweise dem Austausch eines defekten Khlschranks, muss dies der Bezieher jetzt von seinem knftigenSozialgeld- bzw. Arbeitslosengeld II bzw. aus seinem Ersparten bezahlen oder ein Darlehen bei der leistungsauszahlenden Stelle beantragen( 37 SGB XII).)

    [10] TV-Dokumentation Auf der Suche nach Peter Hartz, 14. November 2011, ARD (0:28 min)[11][11] 24 SGB II in der Fassung des vierten Gesetzes fr moderen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2957,

    2962 f[12][12] Artikel 15 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl. I S. 1885, 1896[13] gew-hessen.de (http:/ / www. gew-hessen. de/ index. php?id=296& tx_ttnews[tt_news]=3932& tx_ttnews[backPid]=593&

    cHash=dfeadc2912)[14] Frank Pilz: Der Sozialstaat. Bundeszentrale fr politische Bildung, Bonn 2004, S. 161.[15] Arbeitslosenzahl im Rekord-Tempo gefallen. (http:/ / www. spiegel. de/ wirtschaft/ 0,1518,418914,00. html) In: Spiegel Online[16] Hartz IV senkt Zahl der Arbeitslosen. (http:/ / www. handelsblatt. com/ politik/ deutschland/ hartz-iv-senkt-zahl-der-arbeitslosen/ 2943298.

    html) In: Handelsblatt[17] Mag Wompel: Schwarze Schafe der Erwerbslosenindustrie. In: Agenturschluss (Hrsg.): Schwarzbuch Hartz IV. Assoziation A, Berlin /

    Hamburg 2006, S. 84 ff.[18] Hermann Scherl: Die Vorschlge der Hartz-Kommission und deren Umsetzung. Eine Zwischenbilanz. In: List-Forum fr Wirtschafts- und

    Finanzpolitik, Band 29 (2003), Heft 3, Nomos-Verlags-Gesellschaft , S. 216236[19] Regelleistungen nach SGB II (Hartz IV- Gesetz) nicht verfassungsgem (http:/ / www. bundesverfassungsgericht. de/ pressemitteilungen/

    bvg10-005. html), Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil vom 9. Februar 2010 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09,abgerufen am 9. Februar 2010

    [20][20] Haushalt der Bundesregierung und Kommentare aus:[21] Keine Lockerung der Zumutbarkeitskriterien (http:/ / www. faz. net/ artikel/ C30770/

    arbeitsmarkt-keine-lockerung-der-zumutbarkeitskriterien-30175928. html) auf FAZ.NET am 24. Februar 2004[22] bundessozialgericht.de (http:/ / juris. bundessozialgericht. de/ cgi-bin/ rechtsprechung/ document. py?Gericht=bsg& Art=tm&

    Datum=2009& nr=10754)[23] Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. Februar 2010 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 (http:/ / www. bundesverfassungsgericht. de/

    entscheidungen/ ls20100209_1bvl000109. html)[24] http:/ / opus. kobv. de/ ubp/ volltexte/ 2007/ 1527/[25] http:/ / www. sozialpolitik-aktuell. de/ tl_files/ sozialpolitik-aktuell/ _Politikfelder/ Arbeitsmarkt/ Dokumente/ hartzteil1. pdf[26] http:/ / www. iab. de/ 389/ section. aspx/ Publikation/ k030122d13[27] http:/ / www. arbeitsmarktreform. de/

  • Hartz-Konzept 12

    [28] http:/ / www. blaetter. de/ archiv/ jahrgaenge/ 2008/ oktober/ hartz-iv-hetze[29] http:/ / www. heise. de/ tp/ r4/ artikel/ 31/ 31162/ 1. html[30] http:/ / www. welt. de/ wirtschaft/ article113946271/ Staat-subventioniert-Leiharbeit-mit-Hartz-IV. html[31] http:/ / mediathek. daserste. de/ suche/ 13721480_fragwuerdige-quote-warum-jobcenter-die?s=leiharbeit& sendung=432744[32] http:/ / www. sueddeutsche. de/ wirtschaft/ sozialrichter-juergen-borchert-warum-die-agenda-als-erfolg-begriffen-wird-ist-mir-ein-raetsel-1.

    1623776[33] http:/ / www. heise. de/ tp/ r4/ artikel/ 25/ 25836/ 1. html[34] http:/ / www. bpb. de/ apuz/ 27811/ hartz-konzept-arbeitslose-effektiver-in-billige-jobs-deregulierungsschub-auf-den-arbeitsmaerkten

    Gerhard Schrder

    Gerhard Schrder (2009)

    Gerhard Fritz Kurt Schrder (* 7. April 1944 in Mossenberg), istein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von 1990 bis 1998Ministerprsident des Landes Niedersachsen und von Oktober 1998 bisNovember 2005 der siebte Bundeskanzler der BundesrepublikDeutschland. Von 1999 bis 2004 war er Vorsitzender der SPD.

    Seit dem Ende seiner politischen Karriere ist er als Rechtsanwalt undLobbyist sowie in verschiedenen Positionen in der Wirtschaft ttig,u.a. als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG(Ostsee-Pipeline).

    Leben

    Ausbildung und Beruf

    Gerhard Schrder wurde als zweites Kind der Eheleute Erika und FritzSchrder auf einem Bauernhof in Mossenberg im damaligen FreistaatLippe geboren.[] Erika Schrder (* 2. Oktober 1913; 1. November2012) war mit einer Freundin dorthin geflohen, um denBombenangriffen der Alliierten zu entkommen.[] Fritz Schrder (* 12.September 1912 in Leipzig), der sich als reisender Hilfsarbeiter aufJahrmrkten durchgeschlagen hatte, befand sich als Obergefreiter ander Ostfront und fiel bei Rckzugsgefechten am 4. Oktober 1944 naheKolozsvr in Siebenbrgen.[] Seinen Sohn bekam er nie zu Gesicht.[]

    ber die Kindheit Schrders war ursprnglich wenig bekannt.[] Hervorgehoben wurden vornehmlich seinesportlichen Leistungen als Mittelstrmer (Spitzname Acker) im TuS Talle.[] Seit 2004 lie er die ffentlichkeitmehr und mehr ber seine Jugend erfahren und erklrte, zu den rmsten der Armen gezhlt zu haben.[] DieSchrders waren auf Frsorge angewiesen und lebten am Rande der Gesellschaft.[] ber seine Familie sagte dersptere Kanzler unverblmt: Wir waren die Asozialen.[]

    In den Jahren von 1951 bis 1958 besuchte Schrder die Volksschule in Bad Salzuflen (Wlfer-Bexten) und in Talle.Danach absolvierte er in einem Porzellangeschft in Lemgo bis 1961 eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann.Neben der Arbeit in einer Eisenwarenhandlung in Gttingen besuchte Schrder von 1962 bis 1964 die Abendschuleund holte die Mittlere Reife nach. Von 1963 an[1] besuchte er zur Erlangung der Hochschulreife auf dem ZweitenBildungsweg zunchst das Siegerland-Kolleg in Weidenau und von 1965 das Westfalen-Kolleg in Bielefeld, an demer 1966 das Abitur bestand. Als einziger Sohn eines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vaters war Schrder vomWehrdienst befreit.

  • Gerhard Schrder 13

    Noch im selben Jahr begann Schrder an der Georg-August-Universitt Gttingen ein Studium derRechtswissenschaften. Den universitren Teil dieses Studiums schloss er 1974 mit dem ersten juristischenStaatsexamen ab, nach dem Referendariat folgte 1976 das zweite juristische Staatsexamen, womit SchrderVolljurist wurde.Im Jahr 1976 wurde er als Rechtsanwalt am Landgericht Hannover zugelassen und arbeitete zunchst als angestellterRechtsanwalt in einer Kanzlei, ab 1978 als Sozius einer Anwaltskanzlei in Hannover. Er bte diesen Beruf bis zuseiner Wahl zum niederschsischen Ministerprsidenten im Jahr 1990 aus und vertrat unter anderem den damals alsRAF-Terroristen inhaftierten Horst Mahler. Auerdem war er Vertreter der Nebenklger im Fall desNazi-Fememords am Nazi-Skinhead Gerd-Roger Bornemann, dem Sohn eines sozialdemokratischenGewerkschaftsfunktionrs.[2]

    Parteilaufbahn

    Erich Honecker in Saarbrcken im Rahmenseines Staatsbesuchs in der Bundesrepublik beiMinisterprsident Oskar Lafontaine und demniederschsischen Oppositionsfhrer Gerhard

    Schrder, 1987

    Schrder ist seit 1963 Mitglied der Sozialdemokratischen ParteiDeutschlands (SPD). Fr den Bezirk Hannover bernahm er dort 1971die Stelle des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft derJungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos), 1978 bis1980 war er auch Bundesvorsitzender der Jusos.

    Fr die Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Juni 1986 war alsSpitzenkandidatin der Partei zunchst Anke Fuchs, ehemaligeBundesministerin fr Jugend, Familie und Gesundheit, im Gesprch.Nachdem allerdings Schrder seine Kandidatur ankndigte und sichdabei der Untersttzung mehrerer Kreisverbnde seiner Parteiversichert hatte, verzichtete Fuchs.

    Innerhalb der Partei gab es Diskussionen ber potenzielleKoalitionspartner, sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene: Whrend Kanzlerkandidat Johannes Rau frdie Bundestagswahl am 25. Januar 1987 eine Koalition mit den Grnen ausgeschlossen hatte und auf eine Mehrheitder SPD setzte, wollte Schrder eine rot-grne Koalition in Niedersachsen nicht ausschlieen. Eines derWahlkampfthemen waren diesbezgliche Auseinandersetzungen zwischen Rau und Schrder.

    Bei der Urwahl des SPD-Bundesvorsitzenden im Juni 1993 kandidierte Schrder gegen Rudolf Scharping undHeidemarie Wieczorek-Zeul, wobei er zugleich seine Kanzlerkandidatur fr 1994 erklrte, unterlag aberScharping.[3] Nach dem Rcktritt Oskar Lafontaines von allen mtern im Mrz 1999 wurde Schrder zumSPD-Vorsitzenden gewhlt und behielt dieses Amt bis 2004.

    ffentliche mter

    Mitgliedschaft im Bundestag (1980-1986)

    Im Jahr 1980 kandidierte Schrder erfolgreich fr einen Sitz im Deutschen Bundestag, dem er zunchst sechs Jahreangehrte.

    Mitgliedschaft im Landtag Niedersachsen (1986-1998)

    1986 gelang es der SPD unter Schrders Fhrung im Landtagswahlkampf trotz deutlicher Zugewinne nicht strksteKraft in Niedersachsen zu werden. Die CDU verlor zwar ihre absolute Mehrheit, konnte aber mit der FDP eineKoalition mit knapper Mehrheit bilden und an der Regierung bleiben.Schrder legte sein Bundestagsmandat nieder und wechselte als SPD-Fraktionsvorsitzender und Oppositionsfhrer inden niederschsischen Landtag, dem er bis 1998 angehrte.

  • Gerhard Schrder 14

    Ministerprsident Niedersachsens (1990 bis 1998)

    Gerhard Schrder als niederschsischerMinisterprsident 1990 mit seinem bayerischen

    Amtskollegen Max Streibl

    Zur Landtagswahl im Jahr 1990 war Schrder erneut Spitzenkandidatseiner Partei in Niedersachsen, und am 21. Juni 1990 whlte ihn einerot-grne Parlamentsmehrheit zum Ministerprsidenten. Schrderwurde insgesamt zweimal wiedergewhlt und war in seiner Funktionals Ministerprsident vom 1. November 1997 bis 27. Oktober 1998Prsident des Bundesrats. Vom 16. Juli 1994 bis zum 29. September1998 war er auerdem als Nachfolger von Johann BrunsLandesvorsitzender der Sozialdemokraten in Niedersachsen.

    Landesregierung Schrder I

    Siehe auch: Kabinett Schrder I (Niedersachsen)

    In seiner ersten Regierungserklrung formulierte Schrder 1990 seine Leitmotive: Modernisierung der Wirtschaft,kologische Vernunft, soziale Gerechtigkeit und kulturelle Vielfalt. Er setzte vor allem auf sozialdemokratischenPragmatismus, der allerdings immer wieder zu Konflikten mit dem Koalitionspartner Bndnis 90/Die Grnenfhrte.[]

    In seiner Amtszeit zeigte er sich als Verfechter eines neuen energiepolitischen Konsens. Auerdem einigte er sichmit Hamburg ber die Abtretung des Amerikahafens in Cuxhaven an Niedersachsen.[]

    Im Jahr 1992 geriet Schrder als Ministerprsident unter Druck: einerseits wegen seines Einsatzes frWaffenexportgeschfte und andererseits aufgrund des Asylkompromisses, den sein Koalitionspartner Bndnis90/Die Grnen grundstzlich ablehnte.[]

    Im Jahr 1993 bewarb sich Schrder um die Nachfolge Bjrn Engholms, der wegen seiner frheren Falschaussage vordem Barschel-Untersuchungsausschuss als Parteichef der Bundes-SPD zurcktrat.[] Die Parteibasis entschied sichallerdings in einer Mitgliederbefragung fr den rheinland-pflzischen Ministerprsidenten Rudolf Scharping alsneuen Parteivorsitzenden.[] Scharping nahm Schrder daraufhin in seine Kommission zur Erarbeitung desSPD-Regierungsprogramms auf und ernannte ihn zum Zustndigen fr Energiefragen.[]

    Landesregierung Schrder II

    Siehe auch: Kabinett Schrder II (Niedersachsen)

    Bei der niederschsischen Landtagswahl 1994 erreichte die SPD unter Schrders Fhrung die absolute Mehrheit undregierte fortan ohne Koalitionspartner. Er setzte aufgrund der hohen Verschuldung des Landes ein rigorosesSparprogramm durch, das in der SPD-Landtagsfraktion wegen des Personalabbaus in den Schulen und bei derPolizei heftig umstritten war.[]

    Im Schattenkabinett Rudolf Scharpings zur Bundestagswahl 1994 wurde ihm das Superministerium fr Wirtschafts-,Verkehrs- und Energiepolitik zugedacht. Weil die Bundestagswahl allerdings aus Sicht der SPD verloren ging, bliebSchrder Ministerprsident.[]

    Im August des Jahres 1995 uerte Schrder Zweifel an den Fhrungsqualitten Scharpings und sprach ihm auch dieerneute Anwartschaft auf die Kanzlerkandidatur ab.[] Weil Schrder auerdem erklrte, es gehe nicht mehr umsozialdemokratische, sondern um moderne Wirtschaftspolitik, wurde ihm daraufhin das Amt deswirtschaftspolitischen Sprechers seiner Partei entzogen.[] Im November desselben Jahres, nachdem Oskar Lafontainezum neuen Parteichef gewhlt und damit Rudolf Scharping de facto entmachtet wurde, erhielt Schrder das Amt deswirtschaftspolitischen Sprechers allerdings wieder zurck.[]

    Schrder sprach sich gegen Ende der zweiten Amtszeit fr einen grundlegenden Kurswechsel in der Umweltpolitikund eine kontrollierte Verschiebung des Euro aus.[]

  • Gerhard Schrder 15

    Landesregierung Schrder III

    Siehe auch: Kabinett Schrder III (Niedersachsen)

    Nachdem Schrder bei der Landtagswahl am 1. Mrz 1998 erneut die absolute Mehrheit holte, erklrte ihnSPD-Bundesgeschftsfhrer Franz Mntefering noch am Wahlabend zum Kanzlerkandidaten der SPD fr die Wahlzum 14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998.[]

    Deutscher Bundeskanzler (1998 bis 2005)

    Dieser Artikel wurde auf den Seiten der Qualittssicherung des Projektes Politiker eingetragen. Hilf mit, ihn zuverbessern, und beteilige dich an der Diskussion! Folgendes muss noch verbessert werden: siehe Diskussion hier --Haigst-Mann (Diskussion) 16:35, 1. Aug. 2013 (CEST)

    Zu den Kommissionen gehren das Bndnis fr Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfhigkeit, der nationaleEthikrat, die Weizscker-Kommission zur Zukunft der Bundeswehr, die Sssmuth-Kommission zur Zuwanderungnach Deutschland, die Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Kommission), dieRrup-Kommission zur Zukunft der Sozialsysteme sowie ab dem 27. Juli 2005 eine Kommission unter Vorsitz vonKurt Biedenkopf, die Vorschlge fr eine Reform der Unternehmensmitbestimmung unterbreiten sollte.Bemerkenswert ist, dass Schrder bevorzugt Mitglieder der CDU als Vorsitzende dieser Kommissionen bestellte,vermutlich, um eine mglichst breite Akzeptanz der Ergebnisse im damaligen Bundestag zu erreichen.

    Bundesregierung Schrder I

    Siehe auch: Kabinett Schrder I

    Das Ergebnis der Bundestagswahl bedeutete ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: Erstmals wurde eineBundesregierung komplett abgewhlt, und erstmals erhielten die Parteien, die sich traditionell als links der Mitteeinstufen, mehr als 50 Prozent der Stimmen. Im Ergebnis konnte Schrder die erste rot-grne Koalition aufBundesebene bilden. Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass zum ersten Mal Vertreter der neuen sozialenBewegungen an die Regierung gelangten, sprach man schon bald vom Projekt Rot-Grn, das einen Wandel in derpolitischen Kultur Deutschlands verkrpern sollte.Schrder wurde am 27. Oktober 1998 zum siebten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewhlt.[4] Erwar zugleich der dritte sozialdemokratische deutsche Regierungschef. Bei seiner Wahl erhielt Schrder 351Stimmen, 287 Gegenstimmen und 27 Enthaltungen, obwohl die rot-grne Koalition nur 345 Mandate innehatte. Eswar das erste und bislang einzige Mal, dass ein deutscher Bundeskanzler mit fremden Stimmen gewhlt wurde.Schrder machte anschlieend auerdem als bislang einziger deutscher Bundeskanzler von der MglichkeitGebrauch, den Eid auf das Grundgesetz ohne religise Beteuerung zu leisten.

    Schreibtisch von Gerhard Schrder, 1999 in Bonn

    Schon bald nach dem Beginn der Legislaturperiode erwies es sich alsProblem, dass Schrder und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaineunterschiedliche Ansichten zu substanziellen wirtschafts- undfinanzpolitischen Fragen hatten. Die gegenstzlichen Auffassungengipfelten in einem Machtkampf, auf dessen Hhepunkt Lafontainebereits im Mrz 1999 die Regierung verlie und sein Amt alsParteichef aufgab. Daraufhin wurde Schrder Bundesvorsitzender derSPD (Wiederwahl in den Jahren 1999, 2001 und 2003) und HansEichel, abgewhlter Ministerprsident des Landes Hessen,Finanzminister.

  • Gerhard Schrder 16

    Die rot-grne Koalition setzte schlielich Teile des Wahlprogramms Innovation und Gerechtigkeit in die Tat um:Modernisierung des Staatsbrgerschaftsrechts, Green-Card-Initiative, Steuerreform, Rentenreform, Atomausstieg,kosteuer und verschiedene Initiativen im Bildungsbereich (Jump, Schulen ans Netz, Dienstrechtsreform frHochschullehrer). Differenzen zwischen den Koalitionspartnern gab es dagegen bei den Themen Asylbewerber,Waffenexporte und Kosovo-Krieg. Das Ziel der Haushaltskonsolidierung erreichte Schrders Bundesregierung nicht.Die Gesamtverschuldung deutscher ffentlicher Haushalte stieg in der Zeit von 1998 bis 2005 mit jedem Jahr imDurchschnitt um 3,6Prozent: Im Jahr 2005 lag der Schuldenstand letztlich bei 1522 Milliarden Euro, im Wahljahr1998 hatte er noch bei 1185 Milliarden Euro gelegen.Die Opposition nutzte den Bruch von Wahlversprechen, die Renten weiterhin ungeschmlert an die Entwicklung derNettolhne zu koppeln, fr eine bundesweite Plakatkampagne, bei der ein unten abgeschnittenes Konterfei Schrdersmit der Aufschrift Lgen haben kurze Beine gezeigt wurde.[5] Nachdem das erste Regierungsjahr fr die rot-grneKoalition mit mehreren Niederlagen bei Landtags- beziehungsweise Europawahlen 1999 geendet hatte, konnte sichdas Kabinett Schrder im Zuge der CDU-Spendenaffre konsolidieren. Schrders Regierungsstil wurde je nachpolitischer Einstellung als pragmatisch oder als populistisch bzw. als sachorientiert oder als visionslos eingestuft.

    Bundesregierung Schrder II

    Gerhard Schrder in Mnchen 2002

    Siehe auch: Kabinett Schrder II

    Im Bundestagswahlkampf 2002 lag die rot-grne Koalition lange Zeitin allen Umfragen deutlich hinter der Opposition. Dennoch errangenSPD und Bndnis 90/Die Grnen am 22. September 2002 erneut eineknappe Mandatsmehrheit, mit der die Regierungskoalition unterSchrder fortgesetzt werden konnte. Beobachter werteten zweiFaktoren als wahlentscheidend:

    Zum einen das gute und medienwirksame KrisenmanagementSchrders bei der Flutkatastrophe, die im Sptsommer 2002 kurzvor der Bundestagswahl Ostdeutschland (bzw. die Elbe und ihreNebenflsse) heimgesucht hatte, und

    zum anderen die Ablehnung einer Teilnahme an dem von denVereinigten Staaten geplanten Irak-Krieg durch dieBundesregierung.

    Nach der Wiederwahl zum Bundeskanzler am 22. Oktober 2002 folgte eine Zeit, in der Schrder erneutkonfliktreiche Reformvorhaben anstie, beispielsweise zur Gesundheitsreform. In Erwartung zuknftiger Risiken frBanken wurden Anfang 2003 auch Plne zur Grndung einer deutschen Bad Bank entworfen.[6] DieArbeitslosenzahlen waren fr die Jahre 2000 und 2001 erstmals seit 4 Jahren unter den Wert von 3,95 Millionengesunken, doch stiegen sie seither wieder an.[7]

    Mit der Agenda 2010 prsentierte Schrder am 14. Mrz 2003 das grte und wichtigste Projekt seinerKanzlerschaft. Kernstck dieser Reform war das Hartz-Konzept, das die Kommission Moderne Dienstleistungen amArbeitsmarkt unter dem Vorsitz von Peter Hartz seit dem 22.Februar 2002 entwickelt hatte. Befrworterbetrachteten die Agenda 2010 als Schritt in die richtige Richtung und lobten Schrders Mut zu unpopulrenManahmen. Kritiker nicht nur aus der Opposition, sondern auch von den Gewerkschaften und vom linken Flgelder SPD beklagten einen massiven Sozialabbau. Bei Abstimmungen im Bundestag blieb diese Kritik aus deneigenen Reihen zwar deutlich in der Minderheit, dennoch geriet Schrder im Zuge der Agenda-Umsetzung mehr undmehr unter Druck. Den Zusammenhalt der Koalition musste er mehrmals durch offene oder versteckteRcktrittsdrohungen und durch Frderung von parteiinternen Untersttzern sichern.

  • Gerhard Schrder 17

    Nachdem Schrder kontinuierlich Popularittsverluste hinnehmen musste, die Beobachter insbesondere auf dieAgenda 2010 zurckfhrten, gab er am 6. Februar 2004 bekannt, den Parteivorsitz auf einem Sonderparteitagabzugeben. Franz Mntefering, bis dahin Chef der Bundestagsfraktion, wurde zum neuen Vorsitzenden der SPDgewhlt. Schrder rechtfertigte seine Entscheidung auf einer Pressekonferenz damit, sich noch intensiver umRegierungsangelegenheiten kmmern zu mssen. Sein Rckzug bedeutete allerdings keine Strkung der Partei. DieGestaltungsfreiheit der Regierung Schrder war durch eine immer grere Stimmenmehrheit von CDU und FDP imBundesrat eingeschrnkt. Wiederholt konnte Schrder durch Zugestndnisse erreichen, dass einzelne Lnder, anderen Regierung die CDU beteiligt war, seine Regierungspolitik im Bundesrat untersttzten. DieRegierungskoalition verlor auerdem die Mehrheit in der Bundesversammlung.Nachdem die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen nach 39 Jahren dieRegierungsfhrung verloren, sah Schrder die Grundlage fr seine Politik in Frage gestellt. Im Bundestag stellte eram 1. Juli 2005 die Vertrauensfrage, die mit 151 Ja-, 296 Nein-Stimmen und 148 Enthaltungen beantwortet wurde.Damit war die notwendige Kanzlermehrheit nicht erreicht. Dass der Kanzler hnlich wie Willy Brandt bei derVertrauensabstimmung 1972 die Absicht hatte, in der Abstimmung zu unterliegen, wurde kritisch diskutiert.Schrder beantragte anschlieend die Auflsung des Bundestags, der Bundesprsident Horst Khler am 21. Julizustimmte. Der Bundesprsident setzte vorgezogene Neuwahlen fr den 18. September 2005 an. Am 25. August2005 wies das Bundesverfassungsgericht die Klagen zweier Bundestagsabgeordneter gegen die vorzeitige Auflsungdes Bundestags und die Anberaumung von Neuwahlen am 18. September zurck.Die niederschsische SPD whlte Schrder am 9. Juli 2005 auf einer Delegiertenkonferenz mit 99,5 Prozent derStimmen (191 von 192) auf Platz eins SPD-Landesliste fr die Bundestagswahl. Bei dieser Wahl erreichte die SPD34,2 % der Stimmen (222 von 614 Sitzen). Sie ging damit als strkste Partei aus den Wahlen hervor, war aberaufgrund der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU nur zweitstrkste Fraktion im Bundestag. Fr eine rot-grneKoalition reichten die Stimmen der Regierungsparteien nicht, und auch CDU/CSU und FDP konnten keineRegierung bilden. Schrder erklrte daraufhin entgegen der Tradition, nach der immer die strkere Fraktion einerKoalition den Regierungschef stellt, dass eine groe Koalition aus der strkeren CDU/CSU und der schwcherenSPD nur unter seiner Fhrung mglich sei. Sein Auftritt in der sogenannten Elefantenrunde unmittelbar nach derWahl, den er spter selbst als suboptimal bezeichnete, sorgte in diesem Kontext fr groes Aufsehen und Kritik.(Siehe auch: Elefantenrunde 2005.)

    Schrder erklrte letztlich seinen Rckzug aus der Politik, blieb aber auf Ersuchen des Bundesprsidenten auch nachder konstituierenden Sitzung des neuen Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005 im Amt, bis Angela Merkelam 22. November 2005 zu seiner Nachfolgerin gewhlt wurde. Sein Bundestagsmandat legte er am 24. November2005 nieder. Schrders Agenda 2010 wurde durch Angela Merkel in ihrer ersten Regierungserklrung vom 29.November 2005 gelobt.

    Berater und Kommissionen

    Der Regierungsstil Schrders zeichnete sich dadurch aus, dass er, insbesondere fr seine Reformprojekte, neben denim Grundgesetz dafr vorgesehenen Institutionen auf eine Vielzahl von beratenden Gremien und Kommissionenzurckgriff. Derartige Kommissionen arbeiten meist sehr ffentlichkeitswirksam. Laut Schrder sollten sie dazudienen, einen breiten Konsens der Experten bei den angestrebten Reformen sicherzustellen. Kritiker warfen ihm vor,damit grundlegende Mechanismen der Demokratie auszuhebeln. Befrworter hingegen stellten fest, dass dieseGremien und Kommissionen lediglich im Vorfeld von Gesetzesinitiativen aktiv seien und keinerlei Auswirkung aufden spteren Gesetzgebungsprozess htten, der genau wie bei allen anderen Gesetzen auch ablaufe.Zu den Kommissionen gehren das Bndnis fr Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfhigkeit, der nationale Ethikrat, die Weizscker-Kommission zur Zukunft der Bundeswehr, die Sssmuth-Kommission zur Zuwanderung nach Deutschland, die Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Kommission), die Rrup-Kommission zur Zukunft der Sozialsysteme sowie ab dem 27. Juli 2005 eine Kommission unter Vorsitz von

  • Gerhard Schrder 18

    Kurt Biedenkopf, die Vorschlge fr eine Reform der Unternehmensmitbestimmung unterbreiten sollte.Bemerkenswert ist, dass Schrder bevorzugt Mitglieder der CDU als Vorsitzende dieser Kommissionen bestellte,vermutlich, um eine mglichst breite Akzeptanz der Ergebnisse im damaligen Bundestag zu erreichen.

    Nach der politischen KarriereNachdem Angela Merkel am 22. November 2005 zur Bundeskanzlerin gewhlt wurde, legte Schrder sein bei derBundestagswahl 2005 erlangtes Bundestagsmandat nieder.[8] Er ist seitdem wieder als Rechtsanwalt ttig und btzahlreiche weitere Ttigkeiten aus:

    Gazprom

    Nur wenige Wochen nach dem Regierungswechsel, am 12.Dezember 2005, wurde bekannt, dass Schrder einenPosten bei der Nord Stream AG, einem Tochterunternehmen des vom russischen Staat kontrolliertenEnergiekonzerns Gazprom, annimmt.[] Damit war er in ein Projekt involviert, das er bereits als Regierungschefimmer sehr wohlwollend begleitet hatte.[] Deutsche Politiker aller Parteien reagierten mit Kritik und Emprung[],und auch russische Oppositionelle kritisierten Schrders neue Beschftigung.[9] Der Ost-Ausschuss der DeutschenWirtschaft begrte zwar Schrders neuen Job, kritisierte aber die Art und Weise der Bekanntgabe sowie denZeitpunkt des Wechsels kurz nach dem Ende der Schrder-Regierung.[10]

    Am 31. Mrz 2006 wurde bekannt, dass die Regierung Schrder nach Schrders Wahlniederlage, aber noch vor demEnde seiner Amtszeit, eine staatliche Brgschaft fr einen Kredit der deutschen Banken KfW und der Deutsche BankAG in Hhe von einer Milliarde Euro fr Gazprom bernehmen wolle.[11] Dabei habe der deutsche Staatungewhnlich grozgige Garantien auf sich genommen. Im Falle einer Zahlungsunfhigkeit Gazproms htte derdeutsche Staat bis zu einer Milliarde Euro zahlen mssen. Dabei handelte es sich um eine Brgschaft fr einensogenannten ungebundenen Kredit, der von deutschen Banken an auslndische Unternehmen vergeben wird, umdadurch nationale Interessen zu sichern. Die damalige Bundesregierung war der Auffassung, dass die langfristigeSicherstellung der Energieversorgung Deutschlands ein nationales Interesse darstellt.[12] Ungewhnlich warallerdings, dass sich dieser Vorgang innerhalb kurzer Zeit in den letzten Monaten der Regierung Schrder abspielte.[]

    Die FDP erhob den Vorwurf eventueller Interessenkonflikte, da der deutsche Staat auf diese Weise Schrders sptereTtigkeit bei Gazprom mitfinanziere. Schrder selbst bestritt, Kenntnis von der Brgschaft gehabt zu haben.[][] NachAngaben aus Regierungskreisen haben zwar der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, SchrdersWirtschaftsberater im Kanzleramt Bernd Pfaffenbach und Staatssekretr im Finanzministerium Caio Koch-Weservon den Verhandlungen gewusst und die Brgschaft genehmigt, der Kanzler selbst wurde aber bewusst nichtinformiert.[]

    Am 18. April 2006 lehnte Gazprom den Kredit ab, wodurch die Brgschaft hinfllig wurde.[12]

  • Gerhard Schrder 19

    Weitere geschftliche Ttigkeiten

    Gerhard Schrder 2013 in Wittmund

    Berater fr den Schweizer Ringier-Verlag und dessenVerwaltungsratsprsidenten Michael Ringier (seit Januar 2006),

    Redner der Agentur Harry Walker in New York (seit 2006),[13]

    Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats desPipeline-Konsortiums NEGP Company (seit 30. Mrz 2006),

    Berater der Libyan Investment Authority,[14][15]

    Berater der Rothschild Bank (seit 2006),[16]

    Berater des chinesischen Auenministeriums, der dabei helfen soll,die traditionelle chinesische Medizin in Europa populr zu machen(seit 2007) sowie[17]

    Mitglied des dreikpfigen Direktoriums des russisch-britischenlkonzerns TNK-BP[18], das in Streitsituationen unter denAnteilseignern schlichten soll (Rcktritt als Aufsichtsrat am 9.Dezember 2011).[19]

    Seit dem Frhjahr 2012 tritt Schrder ffentlich wieder mehr inErscheinung. Er uerte sich zum Beispiel in Gastbeitrgen undInterviews in deutschen Zeitungen zu Europa.[20] Ein politisches Comeback schloss er im Juli 2012 aus.[21]

    Agenturen vermitteln Schrder als Redner, zu Preisen zwischen 50.000 und 75.000 Euro.[]

    Gesellschaftliches Engagement

    Schrder ist seit 1973 Mitglied der Gewerkschaft ffentliche Dienste, Transport und Verkehr (TV). Fr die vom 26. August bis zum 17. September 2006 in Deutschland durchgefhrte Fuball-Weltmeisterschaft der

    Menschen mit geistiger Behinderung bernahm Schrder die Schirmherrschaft.[22]

    Als Schirmherr der Stiftung Jugendfuball engagiert er sich fr den Jugendfuball.[23]

    Seit dem Tod des ehemaligen Bundesprsidenten Johannes Rau ist Schrder Schirmherr des VereinsGesichtZeigen, der sich gegen Rechtsextremismus einsetzt.

    Schrder ist Mitglied des Kuratoriums der Bundesliga-Stiftung.[24]

    PrivatesSchrder war mit Eva Schubach (1968 bis 1972), mit Anne Taschenmacher (1972 bis 1984) und mit HiltrudSchwetje (1984 bis 1997) verheiratet. Seit 1997 ist er in vierter Ehe mit der 19 Jahre jngeren Journalistin DorisSchrder-Kpf verheiratet.Schrder hat keine leiblichen Kinder, ist aber Stiefvater von Klara (* 1991), der Tochter seiner Frau DorisSchrder-Kpf und des Journalisten Sven Kuntze. Die Schrders haben auerdem zwei russische Kinder adoptiert:Gregor (* 2006; adoptiert im Jahr 2006) und die aus Sankt Petersburg stammende Viktoria (* 2002; adoptiert im Jahr2004).[25] Schrder lebte lange Zeit in einem Reihenendhaus im Zooviertel von Hannover. Im Juni 2009 zog dieFamilie in eine Villa am Rande der Eilenriede im Stadtteil Waldhausen.[26] Schrder besitzt auerdem einFerienhaus auf der Nordseeinsel Borkum.[27]

    Schrder hat eine leibliche Schwester, Gunhild Kamp-Schrder (* 1939), und aus der zweiten Ehe seiner Mutter mitPaul Vosseler drei Halbgeschwister, darunter den Halbbruder Lothar Vosseler (* 1947).

  • Gerhard Schrder 20

    Politische Positionen

    EuropaDas Verhltnis zwischen Deutschland und Frankreich verbesserte sich whrend Schrders Amtszeit nicht zuletztwegen Schrders guten persnlichen Verhltnisses zum franzsischen Prsidenten Jacques Chirac enorm. So liesich Schrder beim EU-Gipfel in Brssel am 20. November 2003 durch Chirac vertreten, um bei Abstimmungenber seine Reformvorhaben im Bundestag anwesend sein zu knnen. Diese in der Geschichte der EuropischenUnion bis dahin einmalige Geste unterstrich die bereinstimmung der politischen Fhrung beider Lnder.Schrder engagierte sich auerdem fr eine Aufnahme der Trkei in die Europische Union. Er sah die Mglichkeit,dass die Trkei eine friedensstiftende Brckenfunktion zwischen Orient und Okzident wahrnehmen knne.[28] Diesstellte, verglichen mit der Politik von US-Prsident Bush, einen alternativen Ansatz zur Lsung des Kampfes derKulturen zwischen dem westlichen und dem islamischen Kulturkreis dar, nmlich den Versuch, den Konflikt auffriedliche, integrative Weise statt mit kriegerischen Mitteln zu lsen. Ein besonders hervorzuhebendes Ereignis ist,dass Schrder am 12. Oktober 2005, wenige Tage nach Beginn der Beitrittsverhandlungen der Trkei mit derEuropischen Union, als erster Regierungschef eines christlichen Landes gemeinsam mit dem trkischenMinisterprsident Recep Tayyip Erdogan das traditionelle Iftar-Essen (das abendliche Fastenbrechen im Ramadan)feierte. Diese Geste und die Ablehnung des 3. Golfkriegs wurden in der arabisch-islamischen Welt sehr positivaufgenommen.Befrworter von Schrders Politik sehen in diesen Handlungen einen wesentlichen Grund fr die Tatsache, dasswhrend seiner Regierungszeit keine islamistischen Terroranschlge auf deutschem Boden stattfanden. Kritikersehen in einer Aufnahme der Trkei jedoch eine berdehnung der Europischen Union.

    Rolle der BundeswehrUnter Schrder war Deutschland erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg an Kampfeinstzen beteiligt. Einheiten derLuftwaffe wurden im Kosovo-Krieg gegen Jugoslawien (heute: Serbien) eingesetzt; Heereseinheiten waren spter anAktionen in Afghanistan beteiligt.Die Koalitionsregierung begrndete dies mit dem Ende des Kalten Krieges, das eine Neuausrichtung deutscherAuenpolitik notwendig mache. Die Position Deutschlands in der Welt msse sich normalisieren, auchDeutschland msse fr die Sicherheit in der Welt Verantwortung tragen. Obwohl der Kosovo-Krieg von Gegnernals vlkerrechtswidrig und als Verletzung des Grundgesetzes betrachtet (Verbot des Angriffskrieges) wurde, bliebengrere Proteste mit umfassendem Widerstand in der Bevlkerung aus. Als Wendepunkt in der durch deutlichenPazifismus geprgten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird hierfr inzwischen auch dieFernsehansprache zum Kriegseintritt der Bundeswehr am 24. Mrz 1999 betrachtet, mit der Schrder das deutscheVolk auf den Einsatz der Bundeswehr vorbereitete und argumentativ einstimmte. ffentliche Proteste wie noch inden 1980er oder zu Beginn der 1990er Jahre blieben danach nahezu aus.[29]

    TerrorismusDeutschland beteiligte sich unter Schrder am Krieg gegen den Terrorismus.Unmittelbar nach dem Terroranschlag des 11. September 2001, der erstmals in der Geschichte der NATO zurAusrufung des Bndnisfalls fhrte, hatte Schrder seine uneingeschrnkte Solidaritt[30] mit den USA erklrt.Kritiker hielten diese Erklrung entweder fr zu weitgehend oder fr reine Rhetorik. Befrworter meinten, dassSchrder die gemeinsame internationale Betroffenheit in den Vordergrund stellte und das Gefhl der Deutschen zumAusdruck brachte.Einen Einsatz der Bundeswehr gegen die Taliban in Afghanistan und einen der Marine am Horn von Afrika lehnten jedoch Teile der rot-grnen Regierungsfraktionen im Bundestag ab. Obwohl sich Schrder der Zustimmung der

  • Gerhard Schrder 21

    Opposition sicher sein konnte, whlte er den Weg der Vertrauensfrage, um eine eigene Mehrheit fr eine Teilnahmeder Bundeswehr bei der internationalen Operation Enduring Freedom zu erhalten. Damit wurde zum vierten Mal inder Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von einem Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt.

    Schrder und George W. Bush am 9. Oktober2001

    Einen mglichen Angriff auf den Irak im 3. Golfkrieg lehnte dieRegierung dagegen in ihren ffentlichen Verlautbarungen strikt ab,auch im Falle eines mglichen Beschlusses der Vereinten Nationen(UN). Die Ablehnung wurde mit dem fehlenden Mandat der VereintenNationen und dem fehlenden Zusammenhang mit denTerroranschlgen vom 11. September 2001 begrndet. Angesichts desin diesen Zeitraum fallenden Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2002wurde Schrder diese Haltung von Kritikern als populistischesWahlkampfmanver vorgehalten, insbesondere weil Rot-Grn zudiesem Zeitpunkt in Meinungsumfragen hinter Schwarz-Gelbzurcklag. Die Position der Bundesregierung wurde von einereindeutigen Mehrheit der deutschen Bevlkerung gesttzt, was auch in zahlreichen Demonstrationen zum Ausdruckkam.

    Schrders Antikriegspolitik, verbunden mit unzureichender Information der NATO-Bndnispartner, fhrte zugroen Spannungen mit der US-Regierung und Kritik an Deutschland in groen Teilen der amerikanischenffentlichkeit. Deutschland kam jedoch weiter den Verpflichtungen im Rahmen des NATO-Vertrags nach und zogdas deutsche Personal, das stndig in AWACS-Flugzeugen der NATO Luftraumsicherung durchfhrt, nicht ab.Inwiefern die Schrder-Regierung die offizielle Linie einer Ablehnung des Irakkriegs auch in ihren Handlungeneingehalten hat, ist umstritten. Zwar trug die ablehnende deutsche Haltung im UN-Sicherheitsrat dazu bei, einvlkerrechtliches Mandat fr den Krieg zu verhindern; andererseits erhielten die Koalitionsstreitkrfte whrend desKrieges berflugrechte in Deutschland, deutsche ABC-Einheiten schtzten das amerikanische Hauptquartier inDoha und der BND lieferte Informationen ber mgliche Angriffsziele in Bagdad an amerikanische Stellen (vgl.Irakkrieg). Diese Handlungen werden von verschiedenen Seiten als Kriegsbeteiligung Deutschlands gegen den Irakgewertet.[31]

    Demokratie und MenschenrechteSchrder untersttzte die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs im niederlndischen Den Haag. Er warauerdem an der Verabschiedung des nationalen Aktionsplans Menschenrechte beteiligt. Fr seine Haltunggegenber Demokratie und Menschenrechten wurde er dennoch vielfach kritisiert. Schrder forderte beispielsweiseein Ende des 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China verhngtenWaffenembargos der Europischen Union und brach damit sogar innerhalb der rot-grnen Koalition einen heftigenStreit vom Zaun.[] Er konnte sich mit seiner Forderung allerdings nie durchsetzen, auch aufgrund fehlenderUntersttzung durch die europischen Partner.[]

    Kritisiert wurde Schrder auerdem mit Blick auf seine umstrittenen Beziehungen zum damaligen russischenPrsidenten Wladimir Putin. Schrder bezeichnete Putin, dem mehrere Gruppen eine systematische Zerstrung derrussischen Demokratie und Verste gegen die Menschenrechte vorwarfen, als lupenreinen Demokraten.[32] Frdiese Aussage wurde er scharf kritisiert, unter anderem von Amnesty International.[33] DieMenschenrechtsorganisation zeigte vlliges Unverstndnis fr Schrders ffentliche Bekundungen in Bezug aufPutins Politik und warf ihm vor, vom europischen Verstndnis ber Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechtestark abzuweichen.[]

    Auf Kritik stie auch, dass sich Schrder dazu bereit erklrte dem trkischen Ministerprsidenten einen Preis fr Toleranz (Steiger-Award) im Mrz 2012 in Bochum zu verleihen. Die Dortmunder SPD-Ratsfrau Marita Hetmeier erklrte: "Der Herr Bundeskanzler a.D. scheint Gefallen daran zu finden, sich Potentaten mit zweifelhafter

  • Gerhard Schrder 22

    demokratischer Gesinnung als Lobhudler anzudienen."[]

    Einem hnlichen Muster folgte Schrder gegenber anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. So untersttzteseine Bundesregierung die zentralasiatischen Diktaturen.[34] Deutschland war beispielsweise das einzige europischeLand, das Sakir Almatov die Einreise ermglichte und in einem deutschen Krankenhaus pflegte.[34] Almatov, derdamalige Innenminister Usbekistans, war einer der Verantwortlichen fr die blutige Unterdrckung derdemokratischen Bestrebungen.[34] Alle anderen europischen Lnder erteilten Sakir Almatov, dem Schlchter vomAndijan, wie er von Menschenrechtsorganisationen bezeichnet wird, Einreiseverbot.[34]

    Bezglich der Motive des damaligen Kanzlers ging man davon aus, dass er sich und deutschen Grokonzernen durchseine Politik gegenber Russland und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion politische und wirtschaftlicheVorteile verschaffen wollte.[34]

    EntwicklungspolitikSchrder war an der Entschuldungsinitiative begonnen auf dem G7-Gipfel 1999 in Kln sowie an der weltweitenAufstockung der Entwicklungshilfe (auf dem G8-Gipfel in Gleneagles einigte man sich 2005, die Entwicklungshilfeum 50 Milliarden US-Dollar jhrlich bis 2010 zu erhhen) beteiligt.Darber hinaus beschloss die Regierung Schrder eine Erhhung der Mittel im Kampf gegen dieImmunschwchekrankheit Aids von 20 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 300 Millionen Euro im Jahr 2004 sowie dieBewilligung einer 500-Millionen-Euro-Hilfe nach der Tsunami-Katastrophe vor der Insel Sumatra am 26. Dezember2004.

    ffentliche Wahrnehmung

    Medienkanzler Schrder

    Gerhard Schrder bei einer Wahlkampfrede zurBundestagswahl 2005

    Schrder hatte besonders am Anfang seiner Regierungszeit den Rufeines Medienkanzlers inne, der sehr auf sein ffentlichesErscheinungsbild achtete und insbesondere im Fernsehen omniprsentwar.[35] Er habe sich wie kein Kanzler vor ihm auf seine Wirkung inden Medien und seine groe Popularitt, die laut Meinungsumfragenimmer weit hher als die seiner Partei war, verlassen.[36][37] Zu Beginnseiner ersten Amtszeit im Februar 1999 soll er gesagt haben, dass erzum Regieren nur BILD, BamS und Glotze brauche.

    Schon als Ministerprsident Niedersachsens hatte Schrder einenGastauftritt in dem ZDF-Mehrteiler Der groe Bellheim (1991) und inder RTL-Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

    Whrend viele seine Ausstrahlung als besonders charismatisch empfanden, hielten ihm seine Kritiker vor, erversuche durch gezielte Schlagwortbildung wie Neue Mitte, Aussagen wie Basta! oder die so genannte Politik derruhigen Hand sein Bild in der ffentlichkeit zu beeinflussen.

    Kurz nach der Wahl zum Bundeskanzler 1998 fiel Schrder durch die fr sozialdemokratische Politiker bis dahineher unbliche Zurschaustellung von Luxus (Brioni-Anzge und Cohiba-Zigarren) auf.[38] Auch trat er in derpopulren ZDF-Unterhaltungssendung

  • Gerhard Schrder 23

    Bei einem seiner letzten Wahlkampfauftritteeinen Tag vor der Bundestagswahl 2005

    Wetten, dass..? (20. Februar 1999) auf. Dort war er zuvor schoneinmal, am 4. November 1995, noch als Ministerprsident und an derSeite seiner damaligen Gattin Hiltrud Schrder zu Gast. Wegen seinesguten Verhltnisses zur Wirtschaft wurde er vor allem in seiner erstenAmtsperiode z.B. von den Medien gern als der Genosse der Bossebezeichnet, gegen Ende seiner zweiten Amtszeit wurde dieseBezeichnung in den Medien eher unblich.

    Konflikte mit der PresseIm Jahre 2002 erwirkte Schrder eine einstweilige Verfgung gegen die Behauptung der Presseagentur ddp, er tneseine Haare.[39][40]

    Im Mrz 2004 belegte Schrder die Bild-Zeitung und andere Erzeugnisse des Axel-Springer-Verlags mit einemInterview-Boykott, weil sie seiner Ansicht nach zu einseitig ber die Regierungsarbeit berichteten. Von dieser Seiteaus wurde der Boykott als Einschrnkung der Pressefreiheit beschrieben.Nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 uerte Schrder offensiv Kritik an der Berichterstattung der Medienvor der Wahl, insbesondere in der Berliner Runde nach der Bundestagswahl 2005. Fr diese uerungen wurde erunter anderem vom Deutschen Journalistenverband kritisiert.[41] Im Oktober 2006 druckten die Bild sowie DerSpiegel vorab Auszge aus seiner Biographie Entscheidungen Mein Leben in der Politik. Schrder trat in einemTV-Werbespot auch fr die Bild auf, um den Vorab-Druck zu bewerben.

    Schrders Iranreise 2009

    In seiner Funktion als Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Verein[42] reiste Gerhard Schrder in den Iran undtraf dort u.a. mit dem iranischen Prsidenten Mahmud Ahmadinedschad,[43][44][45] Ali Laridschani undRevolutionsfhrer Ajatollah Ali Chamene'i zusammen. Insbesondere Schrders nicht-ffentliches[46] Treffen mitdem iranischen Prsidenten stie auf Kritik.[47][48][49]

    Schrder und MaschmeyerKritisiert wird Schrders Nhe zum frheren AWD-Chef Carsten Maschmeyer.[] Der umstrittene Unternehmer hatteden Politiker bereits zur Landtagswahl 1998 in Niedersachsen untersttzt, indem er fr 650.000 Mark einePro-Schrder-Anzeigenkampagne in verschiedenen berregionalen Tageszeitungen schalten lie. Ihm wirdvorgeworfen, er habe dadurch Einfluss auf die Politik gewinnen wollen.[] Unter Schrders Bundesregierung war esAWD schlielich mglich, in Deutschland hochriskante Finanzprodukte zu vertreiben, deren Verkauf in vielenanderen europischen Lndern nicht mglich gewesen wre.[] Nach der gewonnenen Bundestagswahl soll es nachAngaben einer federfhrenden Mitarbeiterin der Staatskanzlei auch ein "Dankeschn-Abendessen" mit Maschmeyergegeben haben.[]

    Bundeskanzler Schrder trat im Jahr 2004 vor AWD-Fhrungskrften auf und soll laut einer internenAWD-Mitarbeiterzeitung erklrt haben: Sie als AWD-Mitarbeiter erfllen eine staatsersetzende Funktion. SichernSie die Rente Ihrer Mandanten, denn der Staat kann es nicht.[]

    Diese Nhe zur Regierung Schrder habe dazu gefhrt, dass viele Kunden dem AWD vertraut htten.[] Das Unternehmen vermittelte zehntausenden Deutschen verlustreiche Fonds, die ihre Anteile zum Teil sogar auf Kredit finanzierten und letztlich viel Geld verloren.[] Laut vielen Geschdigten wurden die Produkte als sichere

  • Gerhard Schrder 24

    Altersvorsorge empfohlen.[]

    Im Mrz 2011 wurde bekannt, dass Maschmeyer die Rechte an Schrders Memoiren fr rund eine Million Euroerworben haben soll.[]

    Elefantenrunde 2005Schrders Verhalten in der Elefantenrunde[50] 2005 wurde von einem Teil der ffentlichkeit amsiert, vom anderenals Beispiel eines uneinsichtigen Wahlverlierers wahrgenommen. In der traditionellen Diskussion um 20.15 Uhr amWahlabend, als zu diesem Zeitpunkt das amtliche Wahlergebnis der Bundestagswahl 2005 noch nicht feststand, dieRot-Grne Koalition zwar deutlich in Bezug auf die vorangegangenen Umfragen aufgeholt, jedoch keine Mehrheitmehr im deutschen Bundestag besa, zeigte Schrder unrealistische Siegesgewissheit, da sich auch frSchwarz-Gelb keine Mehrheit zeigte. Somit konnte Schrder nur durch deutliche Verschiebungen im Wahlergebniswhrend der Nacht das Zustandekommen einer neuen Koalition unter seiner Fhrung erhoffen. Trotz seineroffensichtlichen Niederlage (das Ergebnis fr die SPD lag knapp hinter dem der CDU/CSU) attackierte Schrder dieMedien und die Opposition. Der Moderation warf er vor, durch die verffentlichten Meinungsumfragen seineKoalition im Wahlkampf zu negativ dargestellt und damit benachteiligt zu haben.[50] Tatschlich hatte Rot/Grnhinsichtlich der schlechten Umfragewerte und des tatschlichen Wahlergebnisses einen erstaunlichen Endspurthingelegt. So sagte er den Moderatoren: Ich bleibe Bundeskanzler, auch wenn Medien wie Sie dagegen gearbeitethaben.[51] In Bezug auf die Kanzlerfrage in einer mglichen Groen Koalition sagte Schrder: Nur unter meinerFhrung.[50] In Bezug auf die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel uerte Schrder: Sie wird keine Koalitionmit meiner Partei zustande kriegen. Machen Sie sich da nichts vor und warf Angela Merkel vor, Machtansprcheauf Grund von Formalien zu stellen.[50][51] (Siehe auch: Medienereignis Elefantenrunde.)

    Schrder als SatireobjektWhrend Schrders Amtszeit als Bundeskanzler wurde seine Person verschiedentlich zum Zwecke der Satireparodiert. Besondere Bekanntheit erlangte die Gerd-Show von Schrder-Imitator Elmar Brandt.Die im September 2000 produzierte Single von Stefan Raab (Hol mir ma ne Flasche Bier), die einen gleichlautenden Sprachausschnitt Schrders von einer Festveranstaltung enthlt, belegte in Deutschland acht Wochen langPlatz zwei der Musikcharts.Die Toten Hosen verffentlichten auf dem Album Auswrtsspiel aus dem Jahr 2002 das Lied Kanzler sein, in demdie Aufgaben von Schrder als Belastung karikiert werden.Der Steuersong aus dem Jahr 2002, ebenfalls von Elmar Brandt, war sieben Wochen lang Nummer eins derdeutschen Hitparade. Brandt nannte sich fr dieses Lied Las' Kanzlern, in Anlehnung an die spanische Band LasKetchup, von deren damals aktuellem Lied Aserej (The Ketchup Song) die Melodie stammte.Beim alljhrlichen Starkbieranstich-Singspiel auf dem Mnchner Nockherberg wurde Schrder ber 10 Jahre langvon insgesamt drei Darstellern imitiert, zuletzt durch den Kabarettisten Andr Hartmann.

    Ehrungen und AuszeichnungenSchrder erhielt den Deutschen Medienpreis 2000 in Baden-Baden.Die Tongji-Universitt in Shanghai verlieh Schrder am 30. Dezember 2002 den Ehrendoktortitel. Im Juni 2003nahm er die Ehrendoktorwrde in Jura der Sankt Petersburger Universitt an. Am 4. April 2005 wurde ihm dergleiche Titel der juristischen Fakultt der Marmara-Universitt Istanbul und am 14. Juni 2005 die Ehrendoktorwrdeder mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultten der Universitt Gttingen verliehen.Am 9. Dezember 2005 wurde Schrder fr seine Verdienste um den deutschen Fuball sowie bei der Bewerbung umdie WM 2006 in Deutschland zum Ehrenmitglied des Deutschen Fuball-Bundes ernannt. Auerdem ist erEhrenmitglied bei Borussia Dortmund.

  • Gerhard Schrder 25

    Seit dem 24. Februar 2006 ist er Ehrenbrger seiner Heimatstadt Hannover. 2007 erhielt er in Berlin denQuadriga-Preis.Am 24. April 2007 wurde Schrder vom Prsidenten der Republik Kroatien, Stjepan Mesi, der GroeVerdienstorden der Knigin Jelena mit Stern und Schulterband fr auerordentliche Verdienste bei der AnerkennungKroatiens und der Untersttzung Kroatiens auf dem Weg in die EU verliehen.[52]

    Am 28. Mai 2008 wurde er als korrespondierendes Mitglied der Abteilung fr Gesellschaftswissenschaften in dieRussische Akademie der Wissenschaften (RAN) gewhlt. Gewrdigt wurden Schrders Verdienste um dieeuropisch-russische Verstndigung sowie seine Arbeiten zur Sozialdemokratie.Er ist Ehrendoktor der Finanzuniversitt der Regierung der Russischen Fderation.

    Verffentlichungen Der Herausforderer. Im Gesprch mit Peter Gatter. Kindler, Mnchen 1986, ISBN 3-463-40036-7. Annherungen. Reden ber Bilder und Knstler. Merlin, Gifkendorf 1990, ISBN 3-926112-11-5. Reifeprfung. Reformpolitik am Ende des Jahrhunderts. Kiepenheuer und Witsch, Kln 1993, ISBN

    3-462-02251-2. Und weil wir unser Land verbessern 26 Briefe fr ein modernes Deutschland. Hoffmann und Campe, Hamburg

    1998, ISBN 3-455-11244-7. Das deutsch-franzsische Verhltnis in einem erweiterten Europa. Rede anllich der Feier des zehnjhrigen

    Bestehens des Frdervereins des Frankreich-Zentrums am 12. April 2002 in der Universitt Freiburg. Rombach,Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-7930-9335-2.

    Entscheidungen. Mein Leben in der Politik. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006, ISBN 3-455-50014-5(aktualisierte und erweiterte Ausgabe Ullstein, Berlin 2007, ISBN 978-3-548-36937-2) Auch als Hrbuch (2CDs) bei Hoffmann und Campe ISBN 978-3-455-30466-4

    Literatur Bla Anda, Rolf Kleine: Gerhard Schrder. Eine Biographie. Ullstein, Berlin 1996, ISBN 3-550-07092-6

    (erweiterte und aktualisierte Neuausgabe Ullstein, Mnchen 2002, ISBN 3-548-36387-3). Gerhard Schrder im Gesprch mit Ulrich Wickert: Deutschland wird selbstbewuter. Hohenheim-Verlag,

    Stuttgart/Leipzig 2000, ISBN 3-89850-010-1.

    Weblinks Biographie beim Deutschen Bundestag [53]

    Literatur von und ber Gerhard Schrder [54] im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Tabellarischer Lebenslauf von Gerhard Schrder [55] im LeMO (DHM und HdG) Gerhard Schrder [56] bei Whos Who Gerhard Schrder [57] in der Internet Movie Database (englisch) Heribert Prantl: Adieu, Kanzler! Er war Deutschland [58]. In: Sddeutsche Zeitung, 21. November 2005,

    abgerufen am 17. November 2010. "Wir haben diese Gesellschaft verndert" [59], Interview mit Rainer Burchardt vom 29. Mrz 2012 in der Reihe

    Zeitzeugen im Gesprch des Deutschlandfunks (mp3 [60], 44 min)

  • Gerhard Schrder 26

    Einzelnachweise[3][3] Vorwrts Juni 1993, Seite D-E[4] Bundestag: Amtliches Protokoll der Bundestagssitzung vom 27. Oktober 1998 (http:/ / dip21. bundestag. de/ dip21/ btp/ 14/ 14002. pdf)

    (PDF; 319kB)[5] Tina Hildebrandt, Elisabeth Niejahr: Rcher der Rentner. (http:/ / wissen. spiegel. de/ wissen/ image/ show. html?did=13950133&

    aref=image019/ E9928/ SP199902800330033. pdf& thumb=false) In: Der Spiegel, 28/1999, 12. Juli 1999 (PDF).[7] Registrierte Arbeitslose, Arbeitslosenquote (nach Gebietsstand) (https:/ / www. destatis. de/ DE/ ZahlenFakten/ Indikatoren/ LangeReihen/

    Arbeitsmarkt/ lrarb003. html) bei destatis.de (Statistisches Bundesamt)[8] Schrder legt Bundestagsmandat nieder. (http:/ / www. faz. net/ aktuell/ politik/ inland/

    abschied-am-mittwoch-schroeder-legt-bundestagsmandat-nieder-1278189. html) In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. November 2005.[12] Antwort der Bundesregierung: Drucksache 16/1366 (http:/ / dip21. bundestag. de/ dip21/ btd/ 16/ 013/ 1601366. pdf) (PDF; 106kB).[13] Promi-Agentur vermittelt Schrder als Redner. (http:/ / www. spiegel. de/ wirtschaft/

    lukrative-aufgabe-promi-agentur-vermittelt-schroeder-als-redner-a-392338. html) In: Spiegel Online, 27. Dezember 2005 und EinmalSchrder, bitte! (http:/ / www. manager-magazin. de/ unternehmen/ karriere/ 0,2828,392370,00. html) In: Manager Magazin, 27. Dezember2005.

    [