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Topbauten Heft 20 Bauen im Klimawandel Holz statt Beton Es lohnt sich Nachhaltigkeit verleiht Flügel Sinnvoller Mittelweg Neuland für Bauherren www.faktor.ch

Topbauten Heft 20 Bauen im Klimawandel Holz statt Beton Es lohnt sich Nachhaltigkeit verleiht Flügel Sinnvoller Mittelweg Neuland für ... Faktor Topbauten Reports Wohnsiedlung Eulachhof:

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Topbauten

Heft

20 Bauen im Klimawandel

Holz statt Beton Es lohnt

sich Nachhaltigkeit verleiht

Flügel Sinnvoller Mittelweg

Neuland für Bauherren

www.faktor.ch

Faktor Topbauten

ReportsWohnsiedlung Eulachhof: gute MarktchancenEs lohnt sich 18

Stadtspital Triemli: der Legislatur-LeuchtturmSpital für die Klimakur 24

Bürohaus Forum Chriesbach: belüfteter GlaskubusForschen im Vorzeigebau 27

Mehrfamilienhaus Zwinglistrasse: effizientes ErneuernGepflegte Altbauten 28

Altersheim Trotte: gestalterischer BlickfangNachhaltigkeit verleiht Flügel 32

Bürohaus NOK: befriedigende AntwortenNeuland für Bauherren 34

Siedlung Sihlbogen: günstiger WohnenHolz statt Beton 38

Wohnsiedlung Leonhard-Ragaz-Weg: kompakte GartenstadtMehr Platz dank Ersatz 40

Schulhaus Eichmatt: Grenzen überschrittenVorbild macht Schule 44

Wohnhochhäuser Sihlweid: SanierungspotenzialHoch hinaus 46

StandpunktInnovatives Amt für HochbautenAngemessener Stellenwert 20

Motivierte BauherrschaftenStrategisch verinnerlicht 30

Die Wahl der Baugenossenschaft ZurlindenEigene Skepsis hinterfragt 36

Architektur mit WidersprüchenSinnvoller Mittelweg 42

Fachinformation7 Thesen für den EntwicklungsprozessBauen im Klimawandel 10

Die «2000-Watt-Gesellschaft»Instrumentarium 16

ServiceBoulevard 4

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Vorschau

Abonnement der Schriftenreihe Faktor: Drei bis vier Hefte pro Jahr 48 Franken. Firmenabo mit drei Exemplaren 100 Franken. Dieses Heft liegt Werk Bauen Wohnen bei, geht an alle Faktor-Abonnenten und ist offizieller Tagungsband der Veranstaltung Topbauten vom 8. Mai 2008.

Team

Faktor Topbauten ist das Themenheft Nummer 20 der Faktor Verlag AG. Mai 2008ISSN 1661-2027Faktor Verlag AGGubelstrasse 59, 8050 Zürich Tel. 044 316 10 60Fax 044 316 10 61Mail: [email protected]

Herausgeber: Conrad U. Brunner, Othmar HummRedaktion: Paul KnüselAutoren: Raphael Hegglin, Othmar Humm, Paul Knüsel, Marion Schild, Christine Sidler, Donald Sigrist

Layout: Christine SidlerWeb: Noemi Bösch

www.faktor.chMail: [email protected]

Druck: Südostschweiz Print AGKasernenstrasse 1, 7007 Chur

Beirat: Armin Binz, Fachhoch-schule Nordwestschweiz, Muttenz; Werner Eike-Hennig, Leiter Hes-sische Energiespar-Aktion, Darm-stadt; Ansgar Gmür, Direktor Schweizerischer Hauseigentümer-verband (HEV), Zürich; Heinrich Gugerli, Amt für Hochbauten, Zürich; Wolfgang Jilek, Energie-

beauftragter des Landes Steier-mark, Graz; Eberhard Jochem, Centre for Energy Policy and Economics, ETH Zürich; Roland Stulz, Geschäftsführer Novatlan-tis, Zürich; Mark Zimmermann, Empa Dübendorf

In nachhaltigen Bauten kommt dem Fenster eine enorme Bedeutung zu. Themenheft Nr. 21, Faktor Fenster

Fenster

Heft

21

Spital (Bild oben: Triemli), Büros (Mitte: NOK-Ver-

waltung) und Wohnungen (Genossenschaftssiedlung Leonhard-Ragaz-Weg): Das

Senken des Energiever-brauchs ist für alle Gebäu-de und Nutzungen wichtig

geworden.

Technik allein genügt nichtZehn Bauten und sieben Thesen – das ist die vorläufige Quintessenz eines Projektes, in dem die Mechanik des Bauens für die 2000-Watt-Gesellschaft im Zentrum steht. Ein Expertenteam wählte im Auftrag des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich aus einer Grosszahl von Objekten zehn Topbauten aus. Als Bewertungsraster diente der Effizienzpfad Energie des SIA, der auch

die Grundlage für «2000-Watt-Bauten» bil-det. Häuser in dieser Qualität weisen einen sehr tiefen Betriebsenergiebedarf auf – zum Beispiel Minergie-P; sie sind aber auch vor-bildlich bezüglich grauer Energie sowie der durch die Bauten induzierten Mobilität. Bau- und haustechnische Eigenschaften der ausgewählten Objekte sind wichtig, im Vordergrund stand aber die Frage, welche Faktoren fördernd, welche hemmend sich auf die Realisierung auswirkten. Die zahl-reichen Voten der rund fünfzig an den Bauten Beteiligten zeigen in den Kernpunk-ten eine auffallende Übereinstimmung. Die Einschätzungen von Bauherren, Archi-tektinnen und Gebäudetechniker sind, zu sieben Thesen komprimiert, auf den Seiten 12 bis 15 zu lesen. Sowohl die Bauten als

auch die organisatorischen und rechtlichen Bedingungen, wie sie zustande kamen, zei-gen deutlich: Das Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft ist keineswegs eine Utopie. Es ist in erster Linie eine anspruchsvolle Pla-nungs- und Umsetzungsaufgabe. Und für viele bereits beruflicher Alltag. Othmar Humm

Zum Thema Topbauten

Partner

Konturen sind sichtbar: Nicht nur technologische Aspekte, auch organisa-torische Faktoren für das Bauen in der 2000-Watt-Ge-sellschaft sind mittlerweile bekannt. (Bild: Mauren Brodbeck)

4 Heft 20 Boulevard

Ökobilanz der PendlerfahrzeugeWer statt mit einem Benzin betriebenen Auto auf einem Elektroroller zur Arbeit pendelt, schützt die Umwelt und das Klima. Die Empa hat für das Bundesamt für Ener-gie mit einer Ökobilanzstudie errechnet, wie gross der Umweltnutzen von Elektro-rollern im städtischen Umfeld sein könnte. «Im Vergleich mit einem durchschnittlichen Personenwagen produziert ein mit dem heutigen Schweizer Strommix betriebener E-Scooter während seiner gesamten Lebens-dauer und bezogen auf einen Fahrkilome-ter rund 17-mal weniger Treibhausgase», fasste Empa-Forscher Marcel Gauch das Ergebnis zusammen. Innerhalb der Zwei-räder schneiden die elektrischen noch rund 11-mal «sauberer» ab als die «Benziner». Der Verkehr trägt in der Schweiz mit knapp 30 Prozent aller Treibhausgasemissionen am stärksten zur Klimaerwärmung bei. E-Scoo-ter könnten den CO2-Ausstoss massiv ver-ringern – speziell, wenn Ökostrom zum Einsatz kommt. Vor allem in Städten wie Zürich könnten Elektrofahrzeuge zu einer umweltverträglicheren Mobilität beitragen. Eine Viertelmillion Pendler und Pendlerin-nen fahren täglich mit Auto oder Motorrad in die Stadt Zürich zur Arbeit und produ-zieren dabei CO2, Feinstaub und Ozon – ganz zu schweigen von Lärm. Der zusätz-liche Stromverbrauch wäre überschaubar: Wenn alle motorisierten Pendler in der Stadt Zürich auf elektrisch betriebene Zwei-räder umstiegen, würden dazu lediglich 0,13 Prozent der gesamtschweizerischen Stromproduktion benötigt. Info: www.empa.ch; www.newride.ch

Dichte Hülle, Wohnungslüftung, SchimmelDas 3. Europäische Blower-door-Sympo-sium am 30. und 31. Mai 2008 in Kas-sel, Deutschland, beschäftigt sich mit der Erfassung der Gebäudesubstanz sowie der fachgerechten und dauerhaften Herstel-lung der luftdichten Ebene. Thematisiert werden ausserdem Messmethoden, insbe-sondere eine Kombination von Blower-door und Thermografie, die Luftdichtheit von Lüftungsanlagen und die Vermeidung von Schimmel. Im internationalen Teil wird unter anderem über einen länderübergrei-fenden Vergleich von Luftdichtheitsmes-sungen und über neue Messmethoden für Leckagen berichtet. Das Syposium soll den grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch fortsetzen und das Netzwerk der Beteiligten verdichten. Verstärkt wird dies durch die Einbindung der Tagung in das EU-Projekt «Bewertung und Verbesserung der Auswir-kungen der Europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden». Weitere Informationen: www.e-u-z.de

Die elektrischen Zweiräder kommen! Modellvielfalt an der Sonderschau der dies-jährigen SwissMoto 08 in

Zürich. (NewRide)

Fakten für das nachhaltige Bauen Energie sparen, Umwelt schonen, nach-haltig wirtschaften. Für Architekten und Planer wird es unerlässlich, ein umfassen-des und aktuelles Werk zur Hand zu haben, in dem alle planungsrelevanten Fakten für nachhaltiges Bauen zusammengestellt sind. Der Energie-Atlas aus der Edition Detail stellt ein fundiertes Nachschlagewerk und tägliches Arbeitsinstrument dar, in welchem städtebauliche Rahmenbedingungen, recht-liche Grundlagen, Entwurfskriterien und Planungsmethoden sowie aktuelle Beispiele für den ressourcenschonenden Einsatz von Material dargestellt werden. Ausführlich behandelt werden der Umgang mit erneu-erbaren Energien in Gebäuden und die Verwendung nachwachsender Rohstoffe. 20 beispielhafte Gebäude verdeutlichen, wie nachhaltige Architektur aussehen kann. Ergänzt wird der Atlas durch ein von den Autoren eigens entwickeltes Bewertungssys-tem zur Nachhaltigkeit, das im Wesentli-chen auf der SIA-Empfehlung «Nachhalti-ges Bauen» basiert. Bibliografische Angaben: Energie-Atlas, Manfred Hegger, Matthias Fuchs, Thomas Stark, Martin Zeumer, Novem-ber 2007, 280 Seiten mit zahlreichen Zeichnungen und ca. 350 Fotos.

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6 Heft 20 Boulevard

Sonnenkollektoren in der Stadt Zürich Wie viele Dachflächen sind in Zürich zur solarthermischen Nutzung geeignet? Wie gross ist das solarthermische Marktpoten-zial? Welches sind die Hemmnisse, die einer Verbreitung von thermischen Solaranlagen auf dem Gebiet der Stadt Zürich im Wege

stehen? Welche Massnahmen kön-nen zur Überwindung dieser

Barrieren ergriffen wer-den? Diese und weitere

Fragen werden von zwei Studien beant-wortet. Walter Ott, Georg Klingler und Daniel Philippen von

econcept haben für die Stadt Zürich die

Markthemmnisse bei der Anwendung thermi-

scher Solarkollektoren und bei Strom sparenden Geräten auf dem

Stadtgebiet untersucht. Stefan Nowak, Mar-cel Gutschner und Stephan Gnos von NET schätzten das Potenzial für Sonnenkollekto-ren auf dem Stadtgebiet ab. Beide Studien sind Teil der Aktivitäten der Stadt Zürich zum stadträtlichen Legislaturschwerpunkt 2006 bis 2010 «Nachhaltige Stadt Zürich – auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft».Info: www.econcept.ch; www.netenergy.ch

«Gold» für EnergiestadtWas 1988 als Idee in einer Stadtzürcher Gartenlaube begann, ist heute ein bekann-tes Klimaschutz-Programm für Gemeinden: das Label Energiestadt. Im zwanzigsten Jahr kann die 150. Energie-stadt ausgezeichnet und das 10. GOLD-Label (die höchste Auszeichnung für Energie-städte) an eine schweizerische Energiestadt übergeben werden. Als «euro-pean energy award» hat das Label Energie-stadt sogar europäische Dimensionen erreicht. www.energiestadt.ch

Klimaänderung auf dem Energiemarkt?Die Beratungsfirma PricewaterhouseCoo-pers (PWC) hat die Mentalität auf dem schweizerischen Energiemarkt untersucht und 102 Führungskräfte von nationalen, regionalen und lokalen Energieversorgungs-unternehmen (EVU) befragt. Die gros se Mehrheit glaubt, dass technologische Inno-vationen in den nächsten zehn Jahren zu Fortschritten bei der Energieeinsparung und Energieeffizienz führen. Das grösste Sparpotenzial wird den Endnutzern zuge-ordnet: Haushalte, Gewerbe und Industrie. Wesentliche technologiegetriebene Verbes-serungen werden zudem für die Energie-erzeugung in geothermischen Anlagen und Solarenergieanlagen erwartet, wohin sich die Investitionstätigkeiten verlagern. Der erhöhten gesellschaftlichen Sensibilität für Umweltfragen begegnen die EVU mit dem Angebot von Ökostromprodukten. Eine grundsätzliche Änderung ihrer strategi-schen Ausrichtung ziehen sie jedoch nicht in Betracht. Gemäss der PWC-Studie sehen sich befragten die EVUs aber nicht als Vor-reiter. Die Führungsaufgabe zur Erreichung von Energieeinsparungen und Energieeffizi-enz wird dem Staat zugeschrieben. Dem-entsprechend plant nur jedes dritte EVU, aktiv Energieeinsparungen voranzutreiben. Die grosse Mehrheit scheint die Entwick-lungen im regulatorischen Bereich sowie in der Gesellschaft abzuwarten. Seitens der Energieunternehmen wird davon ausgegan-gen, dass sich die Gesellschaft künftig ihrer umweltpolitischen Verantwortung verstärkt bewusst wird.www.pwc.ch

Geografie erneuerbarer EnergienWissen Sie beispielsweise, welche geother-mische Wärmeleistung es braucht, um ein Kraftwerk von einem Gigawatt elektrischer Leistung zu betreiben? Oder: Ist bekannt, dass der Energiebedarf für die Warmwasser-erzeugung zum überwiegenden Teil durch Sonnenkollektoren gedeckt werden kann? Vieles, was man über erneuerbare Energien wissen möchte, aber oft nicht zu fragen wagt, beantwortet eine aktuelle Aufgaben-sammlung aus dem Münchensteiner Verlag «Energie-Atlas». Diese Sammlung beinhal-tet einfache Fragen und Antworten, mit denen beispielsweise eine interne Schu-lung in Unternehmen durchgeführt werden kann. Sie basiert auf dem Fachbuch «Geo-grafie der erneuerbaren Energien», die im selben Verlag erschienen ist. www.energie-atlas.ch

Aufgabensammlung zurGeografie der

erneuerbaren Energien

Energie-Atlas GmbH

Planungsseminare «Minergie-P»Zweitägige Veran-staltung zu Philo-sophie, Architektur, Gebäudehülle, Tech-nik und Fallstudien;4./5. September11./12. September;an der Berner Fach-hochschule in Biel.www.hausbaumesse.ch

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Zurlinden

Die Baugenossenschaft Zurlinden setzt auf zukunftsorientierten und nachhaltigen Wohnungsbau.

Sie investiert in umweltverträgliche und architkektonisch anspruchsvolle Bauten.

Infos zu unseren Referenzprojekten: www.sihlbogen.ch www.bgzurlinden.ch

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8 Heft 20

Topbauten

Energie in Stadt und LandDas Bundesamt für Energie hat gemeinsam mit den Kantonen Basel-Stadt und Zürich die «Energieaspekte städtischer Quartiere und ländlicher Siedlungen» untersuchen lassen. Seit Anfang Jahr liegt der Schlussbe-richt über die mehrjährige Forschungsarbeit vor. Damit wurde eine Analysemethode für den gesamten Primärenergieverbrauch von unterschiedlichen Wohnformen, aus-gedehnt auf die zugehörige Infrastruktur, entwickelt. Die Ermittlung des Primärener-gieverbrauchs bezieht sich auf die einzelnen Gebäude, die Aussenraumnutzung sowie die Bebauungsdichte. Dabei dürfen unter anderem folgende Schlüsse gezogen werden: Die Betriebsenergie eines Gebäudes, der Energieverbrauch für die wohnungsin-duzierte Mobilität sowie für Elektrizitäts-anwendungen dominieren den gesamten Primärenergieverbrauch. Dagegen fällt der Primärenergieverbrauch für die Erstel-lung, Erneuerung und den Abbruch der Gebäude wenig ins Gewicht, derjenige für die Erschliessungs-, Ver- und Entsorgungs-infrastruktur kaum. Der Primärenergiever-brauch in der Nutzungsphase ist in erster Linie von der Wärmedämmung abhängig. Vorläufig ist der graue Energieverbrauch von Wohnbauten im Vergleich mit dem Energieverbrauch in der Nutzungsphase von untergeordneter Bedeutung – heute zählt primär der energetische Standard. Es stellt sich die Frage nach der optimalen Strategie von Massnahmen, welche über den Minergie-Standard hinausgehen. Der Fokus muss dabei vermehrt auf den Elek-trizitätsverbrauch, den Einsatz erneuerba-rer Energien und die Möglichkeiten zur Reduktion des kumulierten Energieaufwan-des gerichtet werden. Der Elektrizitätsverbrauch für Geräte und Beleuchtung beträgt einen Viertel des Pri-märenergieverbrauchs der Gebäude. Da der Stromverbrauch in den Haushalten weniger stark zurückgehen wird, kommt ihm bei künftigen Reduktionsmassnahmen ein zen-traler Stellenwert zu. Auch bei der Mobilität zählt primär der Energieverbrauch in der Nutzungsphase. Dabei sind die Lage des Wohnorts und das ÖV-Angebot zentrale Einflussfaktoren. Je nach Siedlungscharakteristik unterschei-det sich der Primärenergieverbrauch für

die wohnungsinduzierte Mobilität um den Faktor 4. Der Primärenergieverbrauch ist nicht nur von der Effizienz von Gebäuden und Infra-struktur abhängig: Die Wohnflächennach-frage pro Kopf und die Mobilitätsbedürf-nisse spielen eine wichtige Rolle. Die grossen Potenziale zur Reduktion des Primärenergieverbrauchs liegen bei der Energieeffizienz bei Gebäuden, bei der wohnungsabhängigen Mobilität und beim Stromverbrauch. Daher ist der Verbrauch von den Siedlungsstrukturen und von der Verkehrserschliessung abhängig und über die Raumplanung beeinflussbar.www.econcept.ch

Beim Energieverbrauch für die Mobilität sind die Lage des Wohnorts und das ÖV-Angebot zentrale Einfluss-faktoren. Je nach Siedlungs-charakteristik unterscheidet sich der Primärenergiever-brauch für die wohnungsin-duzierte Mobilität um den Faktor 4. Links die Stadt Basel (Kanton Basel-Stadt), unten das Dorf Mürren im Berner Oberland (www.hausmontana.ch)

Weiterbildung am Institut Energie am BauCAS Management Skills 2008Der FHNW-Zertifi katskurs (10 ECTS) zu Theorie und Praxis der Kommunikation nach Innen und Aussen – Führung und Marketing – ist eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fachleute aus der Bau-, Energie- und Gebäudetechnik-Branche. Sie üben die Theorie an Beispielen aus der Berufspraxis und können die Hälfte der Studienzeit an eigenen PR- und Marketing-Konzepten und Projekten arbeiten. Dieser Kurs wird Sie und Ihre Projekte garantiert weiterbringen! Start: Dienstag, 24. Juni 2008

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10 Heft 20

Topbauten

Im Grossraum Zürich sind in den letzten Jahren mehrere 2000-Watt-Projekte ent-standen, einige weitere sind im Bau oder in Planung. Sie nutzen zumeist die heute verfügbaren baulichen und gebäudetechni-schen Lösungsmöglichkeiten des energie-effizienten Bauens. Kaum bekannt sind die organisatorischen Voraussetzungen, die zu einem Erfolg dieser Bauweise führen. Denn Technik allein genügt nicht.Schritt 1: Auswahl von Bauten. Eine Gruppe von Experten des nachhaltigen Bauens hat im Auftrag des Amtes für Hoch-bauten der Stadt Zürich unter drei Dutzend Bauten deren zehn ausgewählt. Diese Top-bauten haben unterschiedliche Nutzungen, befinden sich in verschiedenen Planungs- oder Ausführungsphasen und erfüllen die Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft. Das lässt sich präzisieren. Die Bauten oder Pro-jekte entsprechen Minergie-P, Minergie-P-Eco oder dem SIA-Effizienzpfad Energie. In drei Worten: Neben der Betriebsenergie thematisiert die SIA-Vorgabe die graue Energie für Herstellung und Beschaffung

der Materialien und Systeme sowie die durch das Gebäude induzierte Mobilität. Wie ist das Haus gebaut? Und wo steht es? Also: Standort, Materialisierung, Betriebs-energie. Wer es genauer wissen will: die Grafik auf Seite 16 ist detaillierter.Schritt 2: Austausch von Erfahrungen. Die an den ausgewählten Bauten beteiligten Schlüsselpersonen tauschten Erfahrungen aus der Projektarbeit. Rund 50 Investoren und Architektinnen, Fachplaner und Mobi-litätsfachleute trafen sich dazu in zwei Work shops. Besonderes Augenmerk lag auf den fördernden Faktoren und auf typischen Hindernissen.Schritt 3: Formulierung von Thesen. Die Erfahrungen der Bauträger, Planer und Behörden lassen sich – mit Einschränkun-gen – generalisieren und zu konkreten Emp fehlungen formen. Diese sind in Form von Thesen auf den Seiten 12 bis 15 dokumentiert. Sie sind als Rezept für eine geschickte Verknüpfung des Planungspro-zesses mit dem Entscheidungsrhythmus der involvierten Stellen nutzbar.

Bauen im Klimawandel

Was macht ein 2000-Watt-Projekt möglich? Welche Faktoren sind förderlich? Welche hinderlich? Ein Erfahrungsaustausch von Beteiligten zeigt die Mechanik von erfolgreichen Projekten. Daraus ergeben sich sieben Thesen. Othmar Humm

Übersicht Die Thesen zum Bauen für die 2000-Watt-Gesell-schaft: Seite 12 Die Topbauten in Kurz-darstellung: ab Seite 18 Die wichtigsten Standards und Tools zum Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft: Seite 16

Vorfeld, Rahmen-bedingungen

Strategische Planung

Vorstudien 1 (Projektdefinition, Machbarkeitsstudie)

Vorstudien 2 (Aus-wahlverfahren)

Projektierung Ausschreibung Realisierung Bewirtschaftung, Nutzung

These 1

These 2

These 3

These 4

These 5

These 6

These 7

Positionierung

Machbarkeit

Auswahl

Teamwork

Lebenszykluskosten

Qualitätssicherung

Innovation

Die 7 Thesen und ihre An-wendung im Planungs- und Bauprozess.

Altersheim Trotte, Zürich, Ersatzneubau, Seite 32 Bürohaus Verenastrasse, Baden, Neubau, Seite 34

Stadtspital Triemli, Neubau, Seite 24 Wohnsiedlung Leonhard-Ragaz-Weg, Ersatzneubau, Seite 40

Wohn- und Gewerbesiedlung Sihlbogen, Zürich, Neubau, Seite 38

Wohnhochhäuser Sihlweid, Zürich, Sanierung, S. 46

Bürohaus Forum Chriesbach, Dübendorf, Neubau, Seite 27

MFH Zwingli strasse, Zürich, Umbau, Seite 28

Wohnsiedlung Eulachhof, Winterthur, Neubau, S. 18

Schulhaus Eichmatt, Cham und Hünenberg, Neubau, Seite 44

12 Heft 20

Topbauten

Die Übereinkunft bezüglich des Baustan-dards beruht auf einer Absichtserklärung – im Sinne eines Leitbildes – der Bauherr-schaft respektive Auftraggeberschaft. Sofern sinnvoll und nötig, wird das angestammte Baufachwissen durch externe Beratung und durch gezielte Weiterbildung von Mitarbei-tenden ergänzt.

Fördernde Faktoren Informieren, sensibilisieren, motivieren: Die Schulung von Mitarbeitenden auf allen Stufen ist dem Anliegen förderlich. Die Kommunikation von guten Bei-spielen stellt die Position der Firma in der Öffentlichkeit dar. Die Einstellung zu 2000-Watt-kompa-tiblen Bauweisen ist naturgemäss Personen bezogen und damit sehr unterschiedlich. Ausschlaggebend ist das Bewusstsein von Schlüsselpersonen, z. B. Mitglieder von Ver-waltungsrat und Geschäftsleitung. Entspre-chend wichtig ist deren Informationsstand und Vernetzung mit ähnlich denkenden und agierenden Verantwortlichen. Eine Verankerung von Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft im Firmenleitbild erweist sich als wirkungsvolle Vorbereitung für eine spätere Projektpositionierung. Entscheidungsträger sollten wissen, dass sich energieeffizientes Bauen – über den Lebenszyklus gerechnet – auszahlt und dar-über hinaus die Marktchancen der Firma verbessert.

Stolperstein Wenn das Ziel nicht klar als Vorgabe der Bauherrschaft oder des Investors für das Projekt definiert ist, kommt es bei jeder Entscheidung zu Diskussionen mit der Folge, dass die ursprüngliche Zielsetzung hinterfragt oder verwässert wird.

Die Expertengruppe Prof. Hansruedi Preisig, Architekt SIA, Architekturbüro Preisig, Zürich Katrin Pfäffli, dipl. Architektin ETH, Architekturbüro Preisig, Zürich Dr. Annick Lalive d’Epinay, dipl. Architektin ETH, Fach-stelle Nachhaltiges Bauen im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich Dr. Heinrich Gugerli, dipl. Ing. ETH, Leiter der Fach-stelle Nachhaltiges Bauen im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich Die Projektleitung lag beim Amt für Hochbauten, die Bearbeitung erfolgte durch das Architekturbüro Preisig.

Keine UtopieDie Bauten und der Erfahrungsaustausch der Beteiligten zeigen deutlich: Das Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft ist keines-wegs eine Utopie. Es ist vor allem eine anspruchsvolle Planungs- und Umsetzungs-aufgabe – für viele bereits beruflicher Alltag.

Zürich für 2000-Watt-GesellschaftDer Stadtrat von Zürich hat sich im Rah-men der Legislaturziele 2006 bis 2010 zur 2000-Watt-Gesellschaft verpflichtet. Das Konzept zeigt einen Weg auf, wie der Gesamtenergiebedarf von heute 6300 Watt pro Person auf 2000 Watt gesenkt werden kann. Drei Viertel dieses Bedarfes würden dereinst mit erneuerbaren Energie gedeckt werden. Parallel sollte der Ausstoss von CO2 (plus weitere Treibhausgase als Äquivalente) auf eine Tonne pro Person und Jahr sin-ken. Dieses Absenkziel kann nur innerhalb mehrerer Generationen erreicht werden. Bis 2050 sollte es dank Anstrengungen verschiedenster Akteure möglich sein, den Gesamtenergieverbrauch um den Faktor 2 und die Treibhausgas-Emissionen um den Faktor 4 zu senken.

These 1: Positionierung

Eine klare Position der Bauherrschaft respektive des Investors für das Bauen nach der 2000-Watt-Gesellschaft schafft die besten Voraussetzungen für einen Projekterfolg. Diese Positionierung dient als Richtschnur bei wichtigen Entscheiden und hat für Mitarbeitende und Auftragnehmende programmati-schen Charakter in der Projektarbeit.

Heft 20 13

Bei grösseren Bauvorhaben ist eine Mach-barkeitsstudie üblich. Sie prüft in der Regel, welches Bauvolumen auf einer Parzelle unter Einhaltung der Rahmenbedingungen überhaupt realisierbar ist. Zusätzlich sollte diese Studie aufzeigen, ob eine 2000-Watt-kompatible Bauweise am geplanten Stand-ort und mit der gewünschten Nutzung machbar und sinnvoll ist. Typische Ein-schränkungen bei Neubauten sind mitun-ter durch die baurechtliche Relevanz sowie durch die Lärmbelastung gegeben, bei bestehenden Gebäuden können denkmal-pflegerische Auflagen gegen die Machbar-keit der 2000-Watt-Zielsetzung sprechen.

Fördernde Faktoren Die Machbarkeitsstudie sollte als Grund-lage für das Wettbewerbsprogramm respek-tive das Projektpflichtenheft dienen. Zur Bewertung von Projekten stehen Planungswerkzeuge wie SNARC oder die Wettbewerbskalkulation der Stadt Zürich zur Verfügung. Kompakte Gebäude haben beste Voraus-setzungen.

Stolpersteine Kompakte Grossformen können den städ-tebaulichen Massstab sprengen. Denkmalpflegerische Auflagen schränken in der Regel Massnahmen an der Gebäude-hülle ein. Lärmschutzvorschriften reduzieren mit-unter die Kompaktheit von Gebäuden (ein-gezogene Loggias). Schlecht erschlossene Standorte respektive die spezielle Nutzung des Gebäudes gene-rieren einen hohen Aufwand für die durch das Gebäude induzierte Mobilität. Bei bestehenden Gebäuden wirken sich ökonomische Überlegungen auf die Ein-griffstiefe aus.

Die konsequente Berücksichtigung der 2000-Watt-Vorgaben im Wettbewerbspro-gramm respektive im Projektpflichtenheft, in der Vorprüfung und in der Auswahl schafft für alle Beteiligten eine verlässliche Arbeitsgrundlage und garantiert darüber hinaus Transparenz. Den Experten der Vorprüfung kommt im Auswahlverfahren – zum Beispiel in der Jurierung – die Rolle eines Anwaltes für die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft zu. Bei Direktaufträgen sind die Projektvarianten einer Prüfung durch Experten zu unterziehen. Fördernde Faktoren Ein Auswahlverfahren mit einem General-planerteam ist eine prüfenswerte Variante. Bei einem offenen Verfahren sollten Fach-planer sich bei mehreren Teams beteiligen können. Bei einem nicht anonymen Verfahren ist die Begleitung durch einen von den Wett-bewerbsveranstaltern gestellten Energieex-perten erwägenswert. Phasengerechte und überprüfbare Anfor-derungen sind wirkungsvoller als diffuse Verlautbarungen. Vorprüfung mittels SNARC respektive Wettbewerbskalkulation der Stadt Zürich. Die Beteiligung von Fachexperten für energieeffizientes Bauen im Auswahlprozess – in der Jury respektive in der Experten-gruppe – erleichtert die Berücksichtigung von Grundsätzen der 2000-Watt-Gesell-schaft.

Stolpersteine Unklare und nicht überprüfbare Anfor-derungen im Programm bringen keine brauchbaren Resultate. Bei der Jurierung fehlen Jurymitglieder oder Fachexperten, welche das Kriterium Energieeffizienz kompetent vertreten.

These 2: Machbarkeit These 3: Auswahl

Nicht jedes Bauvorhaben eignet sich für die Umset-zung der 2000-Watt-Zielsetzung. Zumeist setzt der Standort relativ enge Rahmenbedingungen. Mit einer Machbarkeitsstudie lässt sich klären, ob – und wenn ja, unter welchen Bedingungen – die gesteckten Zie-le erreicht werden können.

Die Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft müssen für die Auswahl eines Projektes mit entscheidend sein. Dieser Input hat in der Vorstudienphase zu erfolgen, bei Wettbewerben in Form des Programms, bei Di-rektaufträgen als Teil des Projektpflichtenhefts.

14 Heft 20

Topbauten

Kosteneffizienz korreliert weitgehend mit anderen Qualitäten des nachhaltigen Bau-ens, insbesondere mit Energieeffizienz und mit Ressourcen schonendem Materialein-satz. Die Forderung zur Minimierung der grauen Energie für die Herstellung und Beschaffung führt zu einfacheren Struktu-ren und zu einem günstigen Verhältnis von Oberfläche zu Geschossfläche des Gebäu-des. Dämpfend auf die Lebenszykluskosten wirkt sich auch eine dem Objekt angemes-sene Technisierung des Gebäudes aus.

Fördernde Faktoren Sofern Investoren, Architekten und Fach-planer für die Wechselwirkung von Inves-titions- und Betriebskosten sensibilisiert sind, erleichtert dies die Realisierung von 2000-Watt-Bauten. Sinnvollerweise werden die Projektvarian-ten optimiert, um eine hohe Kompaktheit des Gebäudes und um einfache und durch-gehende Tragstrukturen und Schächte zu ermöglichen. Ein frühzeitiger Beizug von Fachleuten des Facility Managements empfiehlt sich insbesondere bei komplexen Bauaufgaben. Stolpersteine Lösungen werden komplizierter und damit aufwändiger und teurer, wenn Ener-gieeffizienz zu spät im Projektablauf einge-bracht wird. Die einseitige Gewichtung von Investiti-onskosten verzerrt die Entscheidungsgrund-lagen und unterschätzt die finanziellen Fol-gen des Bauens.

Die ersten Schritte im Entwurf prägen die spätere Entwicklung eines Projektes mass-geblich. Von den Vorgaben abweichende Festlegungen lassen sich später kaum mehr – oder nur mit einem grossen Aufwand – korrigieren. Deshalb ist eine Zusammen-arbeit von Spezialisten und Architekten in einer frühen Phase unverzichtbar. Dies gilt umsomehr, als dass in vielen Planungsbüros das Knowhow zur Planung von 2000-Watt-Bauten noch lückenhaft ist.

Fördernde Faktoren Beim Projektstart muss das ganze Pla-nungsteam sensibilisiert und motiviert werden. Motivation und Sensibilisierung ist auch zu Beginn der Ausführung wich-tig: Bauleiter und Unternehmer sind dann angesprochen. Für die Vorstudienphase mit Machbar-keitsabklärung und Auswahlverfahren bringt der Beizug von Fachplanern und Spezialisten grosse Vorteile. Im Idealfall begleiten von der Bauherr-schaft beauftragte Experten die Architekten im Entwurfsprozess. Als vorteilhaft erweisen sich eine offene Kommunikation, kurze Entscheidungs-wege, klare Verantwortlichkeiten und ein enger Sitzungsrhythmus. Ein Mobilitätsspezialist gehört zum Team; sein Aufgabenfeld geht über verkehrstechni-sche Aspekte hinaus.

Stolpersteine Fachplaner bringen wenig Erfahrung mit für die Mitwirkung in frühen Entwurfspha-sen. Sofern Fachplaner bei einer Weiterbear-beitung des Projektes nicht mit einer Beauf-tragung rechnen können, besteht für sie kaum Anreiz für ein dem Projekt angemes-senes Engagement.

These 5: LebenszykluskostenThese 4: Teamwork

Relevant für die Beurteilung eines 2000-Watt-Gebäu-des sind die gesamten Kosten über dessen Lebenszy-klus. Darin sind der Aufwand für die Erstellung, für Betrieb und Wartung, für Erneuerung und Instand-setzung sowie für den Rückbau enthalten.

Die interdisziplinäre Fachkompetenz ist Vorausset-zung für ein erfolgreiches 2000-Watt-Projekt. Dies gilt auch und vor allem für die ersten Entwurfsschrit-te, in denen Architekten und Fachplaner in einem Team eng zusammenarbeiten sollten.

Heft 20 15

Im Idealfall wird die Qualitätssicherung (QS) von ein und derselben Person über den gesamten Projektablauf wahrgenom-men – vom ersten Federstrich bis zum Betrieb. Zudem sollte die QS-Stelle die ganze Themenbreite kompetent abdecken. Neben der Betriebsenergie sind Aspekte der Mobilität und der grauen Energie eines Gebäudes der 2000-Watt-Gesellschaft von Bedeutung. Dabei geht die Aufgabe weit über die eigentliche Kontrolle hinaus: Die Beratung und die Motivation der Beteilig-ten ist ebenso wichtig.

Fördernde Faktoren Eine frühe Festlegung der Zuständigkei-ten für die Qualitätssicherung garantiert eine umfassende Bewertung des Projektes. Die QS Energie wirkt sich auch in ande-ren Bereichen aus: Energieeffizienz korre-liert weitgehend mit tieferen Investitions- und Betriebskosten. Ein QS-Auftrag endet erst in der Betriebs-phase des Gebäudes: Die Betriebsoptimie-rung und die sorgfältige Übergabe an die Nutzerschaft sind integraler Bestandteil einer Qualitätskontrolle. Ein zuverlässiger Nachweis über die Qua-lität des Gebäudes liefert ein Vergleich zwi-schen Planung und Betrieb aufgrund von Messungen.

Stolpersteine Eine Integration der QS-Stelle ins Pla-nungsteam kann zu Interessenkonflikten führen. Als neue Funktion im Planungs- und Bauprozess ist die QS Energie auf die Akzeptanz aller Beteiligten angewiesen. Andernfalls sieht sich die Stelle einem pas-siven Widerstand ausgesetzt und erfährt wichtige Informationen zu spät – Berater statt Polizist, heisst die Devise.

These 7: Innovation

Die für die 2000-Watt-Gesellschaft geeig-neten Bauten zeichnen sich durch viele überraschend einfache und kreative Ansätze aus. Dies ist kein Zufall: Die Optimierung zur Reduktion der grauen Energie und zur Schonung von Ressourcen verlangen nach schlanken Lösungen, neuen Planungswerk-zeugen und neuen Organisationsformen für den Planungs- und Bauprozess. Da diese unkonventionellen Lösungen zumeist auch zu Marktvorteilen führen, ist mit einer wei-teren Verbreitung derartiger Innovationen zu rechnen.

Fördernde Faktoren Die Berücksichtigung der grauen Energie, der Mobilität und der Lebenszykluskosten bringt neue Herausforderungen in den Pla-nungs- und Umsetzungsprozess. Ungewohnte Lösungsansätze zulassen und alle an der Planung und am Bau Beteiligten in den Kreativprozess einbeziehen. Das finanzielle Kriterium bei der Lösungssuche hilft einer Innovation in den Markt. Anwendung neuer Planungswerkzeuge für 2000-Watt-Gebäude wie das SIA Merkblatt 2032 «Graue Energie von Gebäuden» oder das SIA Merkblatt 2033 «Mobilität».

Stolpersteine Neue Entwicklungen bergen auch Risi-ken. Deshalb sollte eine Risikoanalyse dazu-gehören: Kein blauäugiger Enthusiasmus. Innovationen können aufwändige Prüf- oder Bewilligungsverfahren zur Folge haben. Der Zeitdruck in der Planung führt zum Festhalten an bekannten Lösungen.

These 6: Qualitätssicherung

Eine alle Phasen der Planung, der Realisierung und des Betriebs übergreifende Qualitätskontrolle ist entscheidend für den Projekterfolg. Sinnvollerweise ist eine Fachperson für diese Qualitätssicherung ver-antwortlich, die nicht als Investor oder als Planer in den Prozess involviert und direkt der Bauherrschaft unterstellt ist.

Die – zum Teil neuen – Anforderungen an Bauten der 2000-Watt-Gesellschaft führen häufig zu Inno-vationen. Mitunter handelt es sich um neue oder bewährte Technologien in ungewohnten Kombinatio-nen. Neue methodische Ansätze erleichtern gesamt-energetische Betrachtungen oder organisatorische Neuerungen.

16 Heft 20

Topbauten

InstrumentariumDie 2000-Watt-Gesellschaft strebt eine Reduktion des Primärenergieverbrauches auf 2000 Watt pro Kopf an, 17 500 Kilo-wattstunden pro Jahr. Heute sind es 6300 Watt (55 000 kWh). Durch Steigerung der Energieeffizienz und durch geeignete Wahl der Mittel (Gebäude, Verkehr) soll die Vision innerhalb mehrerer Generatio-nen Realität werden. Teil dieser Zielsetzung ist eine Reduktion des CO2-Ausstosses auf eine Tonne pro Person und Jahr. Durch Anwendung des Effizienzpfades Energie des SIA ergeben sich 2000-Watt-kompatible Bauweisen. Rund 40 Prozent der 2000 Watt, nämlich 800 Watt, ordnet der SIA dem Wohnen zu. Das gelingt nur in einem Minergie-P-Haus. Die Vorgabe der Vision ist – aus heutiger Sicht – ambitiös: Selbst ein achtsamer Lohas schafft vielleicht 3500 bis 4000 Watt. Das Akronym Lohas steht für «Lifestyle of Health and Sustainability», ein postmoderner Lebensstil, der sich an Gesundheit und Nachhaltigkeit orientiert.Der SIA-Effizienzpfad Energie ist der Standard für das Bauen in der 2000-Watt-Gesellschaft. Der Effizienzpfad basiert auf

einer gesamtenergetischen Betrachtung, in der der Ressourcenaufwand für die Erstel-lung und den Betrieb von Gebäuden sub-summiert ist. Die durch die Nutzung eines Gebäudes ausgelöste Mobilität gehört eben-falls dazu. Dieser Mobilitätsaufwand ist massgeblich durch den Standort beeinflusst. Minergie-P ist der Standard des Vereins Minergie für Bauten der 2000-Watt-Gesell-schaft. Er betrachtet den gebäudebezogenen Betriebsenergieverbrauch (ohne Betriebs-einrichtungen) sowie den Komfort. Minergie-P-Eco kombiniert die Anforde-rungen an Betriebsenergieverbrauch und Komfort mit gesundheitlichen und bauöko-logischen Vorgaben. SIA-Empfehlung 112/1 «Nachhaltiges Bauen – Hochbau»: Der umfassende Kriterienkatalog dient der Verständigung von Bauherrschaft und Planern, mitunter auch als Basis eines Vertrages (Ergänzung zum SIA Leistungsmodell). Die Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt bilden die Struktur. Die Empfehlung umfasst alle As pekte des nachhaltigen Bauens und greift weit über die anderen Instrumente hinaus.

SIA-Empfehlung 112/1 Nachhaltiges Bauen – Hochbau

SIA-Effizienzpfad Energie

Wirtschaft Umwelt Gesellschaft

Gebäudesubstanz Flexibilität

Instandsetzungs- undUnterhaltskosten Zugänglichkeit Systemtrennung

AnlagekostenBetriebskostenLebenszykluskosten

Graue Energie, Baustoffe Ressourcenarme Bauweise Rohstoffe, Verfügbarkeit Umweltbelastung Rückbau

Betriebsenergie Raumklima, Gebäudehülle Warmwasser Haushaltgeräte Beleuchtung Betriebseinrichtungen

Mobilität Standortwahl Anreizsysteme Technische Ausrüstung

AbfälleWasserBoden, Landschaft

Wohlbefinden, Gesundheit Innenraumluft Licht Lärm Sommerlicher Wärmeschutz

GemeinschaftGestaltungNutzung und ErschliessungSicherheit

Minergie-P-Eco

Nachhaltigkeit am Bau

Minergie-P-Eco hat einen gesundheitlichen «Flügel», der Effizienzpfad Energie berücksichtigt zusätzlich

Aspekte der Mobilität und die SIA-Empfehlung 112/1 umfasst alle Kriterien des

nachhaltigen Bauens.

Heft 20 17

Das Klima ändert sich. Forschung kann dies nichtverhindern, wohl aber Vorschläge liefern, wie sichBauten an deutlich höhere sommerliche Temperaturenanpassen lassen. Die interdisziplinäre Autorengruppe beleuchtet das Thema von einer ungewohnten Seite und schlägt Massnahmen vor, die heute schon in der Gebäudeplanung berücksichtigt werden sollten. Autoren: Conrad U. Brunner, Urs Steinemann, Jürg Nipkow

Es wird wärmer

Brunner Steinemann Nipkow

Bauen, wenn das Klima wärmer wird

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Faktor Verlag AG Postfach 8050 Zürich Tel. 044 316 10 60 Fax 044 316 10 61 [email protected] www.faktor.ch

Aus dem Inhalt Grundlagen Gebäudetypologie Lüftungs- und Klimaanlagen Klein-Klimageräte Elektrischer Energiebedarf für Kühlung und Luftförderung Massnahmenpakete und Empfehlungen Anhang

18 Heft 20

Topbauten

Zugegeben, das ist etwas speziell: Die Null-Energie-Wohnsiedlung Eulachhof wird zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgt. «Am Anfang wollte man uns ein Birken-stock-Image verpassen», sagt Reiner Gfeller von der Allianz Suisse, die den Eulachhof zusammen mit der Profond Vorsorgeein-richtung finanziert hat. Heute sind die Kri-tiker verstummt; das Energiekonzept funk-tioniert und der Wohnkomfort stimmt.Das Engagement der beiden Grossinves-toren deutet an, dass nachhaltige Bauten langfristig rentabel sind. Auf 5 % bis 10 % schätzt die Allianz Suisse die Mehrkosten für die Minergie-P-Eco-Wohnsiedlung. Die Mieter bezahlen gut die Hälfte davon, profitieren dafür von den markant tiefe-ren Nebenkosten – gute Luft, angenehme Lichtverhältnisse und tiefste Schallwerte inklusive. Kurzfristig rechnen die Inves-toren mit einer Minderrendite von 0,3 % gegenüber einem konventionellen Neubau – bleiben immer noch mehr als 4 % Net-torendite. Längerfristig könnte diese sogar noch ansteigen und die Mehrkosten ganz wettmachen. Gfeller: «Je höher die Energie-preise steigen, umso interessanter werden die Wohnungen für die Mieter. Wir können also mit tieferen Leerständen rechnen.»Vier Fünftel des Wärmebedarfes für Warm-wasser und Heizung wird mit Abwasser- respektive Abluftwärmepumpen gedeckt, der Rest kommt von der Kehrichtverbren-nungsanlage (KVA) über einen Fernwärme-anschluss ins Haus. Diese rund 51000 kWh Wärme erzeugt die KVA mit dem Abfall aus dem Eulachhof – 180 kg pro Person und Jahr. Der Strom für die Wärmepumpen

kommt, über das ganze Jahr gerechnet, vom Dach. Der Ertrag der Photovoltaikanlage deckt nicht nur den Wärmepumpenbedarf, sondern liefert auch noch den Strom für das Treppenhaus, die Tiefgarage, den Lift und die haustechnischen Hilfsbetriebe. Möglich ist dieses Versorgungskonzept vor allem deshalb, weil der Energiebedarf der Überbauung mit 132 Wohnungen enorm tief ist – über 5-mal tiefer als bei den meis-ten vergleichbaren Objekten. Die Dämm-werte der Fassaden sind entsprechend hoch. Die dreifach verglasten Fenster weisen U-Werte unter 0,8 W/m2 K auf. Die in Kastenbauweise erstellte Holzkonstruktion der Nordfassade ist mit Zellulosefasern und Mineralwolle gedämmt und erreicht bei einer Bautiefe von 49 cm einen U-Wert von 0,13 W/m2 K. Stirnseitig (Ost und West) sind die Werte noch tiefer; hier wurde die Holzkonstruktion mit dem dahinterliegen-den Backsteinmauerwerk kombiniert. Die passiven Solargewinne werden mittels einem innovativen System optimal genutzt: Jeweils neben den Fenstern sind in dafür vorgesehenen Fassadenöffnungen Elemente aus transparenter Wärmedämmung (TWD) eingebaut. Deren Oberfläche ist dank einer Prismastruktur so beschaffen, dass bei hohem Sonnenstand – also vor allem im Sommer, wenn keine zusätzliche Wärme erwünscht ist – ein Grossteil der Solarstrah-lung reflektiert wird. Ausserdem beinhal-ten die Elemente Latentwärmespeicher (Phase Change Material, PCM), die eine verzögerte Abgabe der Solargewinne an den Raum ermöglichen. Das Funktionsprin-zip ähnelt dem von Handwärmekissen: Bei starker Einstrahlung schmilzt das PCM und absorbiert die Sonnenenergie. Später, wenn es kühler ist, erstarrt es wieder und gibt die Wärme an die Räume ab. So profitiert man im Eulachhof auch in der Nacht von der täglichen Einstrahlung.

Es lohnt sich

Zwei institutionelle Grossinvestoren finanzieren die Null-Energie-Wohnsiedlung Eulachhof – ein gutes Zeichen für die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Bauten. Donald Sigrist

BauherrschaftAllianz Suisse Lebensver-sicherungs Gesellschaft,

ZürichProfond Vorsorgeeinrich-

tung, Rüschlikon

Projektentwicklung und Totalunternehmer

Allreal Generalunter-nehmung, Zürich

ArchitektGlassX Architektur &

Projekte, Zürich

Bauphysik, Bauökologie und Gebäudetechnik

Amstein + Walthert, Zürich

Standort Winterthur

Gebäudetyp Wohnüberbauung

Projektstand Baujahr 2006/2007

Energiebezugsfläche 20 400 m2

Gesamtbaukosten (BKP 1–9) Rund 55 Mio. Franken

Die Null-Energie-Wohnsied-lung Eulachhof in Winter-

thur wird zu 100 % mit erneuerbaren Energien ver-sorgt. (Allreal/Alex Wydler)

Heft 20 19

20 Heft 20

Topbauten

Faktor: Das Amt für Hochbauten trägt sehr viel zur Umsetzung des Legislaturziels «nachhaltige Stadt Zürich» bei und pro-pagiert dafür das Konzept «Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft». Ist das konkret genug?

Peter Ess: Wir freuen uns, dass das Thema endlich den angemessenen politischen Stellenwert bekommt. Bis vor zwei oder drei Jahren mussten wir um die politische Akzeptanz von Nachhaltigkeitsthemen kämpfen. Innert kurzer Zeit hat sich das

geändert: Verschie-dene parlamenta-rische Vorstösse verlangen von uns, 2000-Watt-kom-patibel zu bauen und uns auf erneu-erbare Energien zu konzentrieren. Die «2000-Watt-Gesell-schaft» ist aber erst

eine Vision. Nun braucht es Spezifikatio-nen. Das Einzige, was man sicher darüber weiss, ist, dass der persönliche Energiever-brauch auf 2000 Watt reduziert werden muss, und dies mit einer massgeblichen Reduktion der CO2-Emissionen einher zu gehen hat. Was es genau heisst, mit dieser personenbezogenen Leistung die Lebens-situation zu bewältigen, ist aber unklar. Wofür darf wie viel Energie gebraucht wer-den? Wie viel bleibt für das Bauen und für die Mobilität? Was heisst das für das Bauen von Schulhäusern, Spitälern oder Wohnun-gen?

Wie lautet ihre Antwort darauf?Ess: «Bauen für die 2000-Watt-Gesell-schaft» geht tendenziell in Richtung des Standards Minergie-P. Darüber ist sich die Bauszene wohl einig.

Heinrich Gugerli: Für den gebäudebe-zogenen Energieverbrauch ist Minergie-P gesetzt. Aber darüber hinaus müssen auch die Prozesse bei der Nutzung berücksichtigt werden. Im Spital, im Altersheim und beim Wohnen wird immer mehr Elektrizität verbraucht, während der Anteil des Wär-mebedarfs sinkt. Für den Energiebedarf bei Nutzungsprozessen existieren jedoch kaum klare Vorgaben.

Man spricht von einem zulässigen Energie-verbrauch von 840 Watt fürs Wohnen, das Erstellen der Gebäude inklusive. Gilt das auch für andere Bauten?Gugerli: Beim Stadtspital Triemli oder für die Erweiterung des Kunsthauses haben wir Zielwerte abgeleitet, die sich an der 2000-Watt-Gesellschaft orientieren. Aus-gangspunkt dafür ist ein Absenkpfad gegen-über dem aktuellen Energieverbrauch. Bei Gebäuden mit Spezialnutzung ist das Her-unterbrechen auf einen Energieverbrauch pro Kopf allerdings nicht zielführend. Demgegenüber müssen die unterschiedli-chen Lebenszyklen von Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen berücksichtigt werden. Die Parameter für die aktuellen Planungen beziehen sich dabei auf den Zeithorizont 2050. Dies bedeutet: Der gebäudebezogene CO2-Ausstoss soll mindestens den Anforde-rungen für 2050 genügen und muss dafür um den Faktor 4 reduziert werden. Dass Planer solche eindeutigen Vorgaben für die Umsetzung verlangen, ist nachvollziehbar. Aus Sicht der Bauherrschaft ist der Dialog unabdingbar, da gewisse Grundlagen erst noch zu definieren sind.

In der Fachwelt wird bereits von einer Variante Minergie-P plus gesprochen. Ist das der Königsweg zur 2000-Watt-Gesell-schaft?

Angemessener Stellenwert

Wofür darf wie viel Energie gebraucht werden? Was heisst das für das Bauen von Schulhäusern, Spitälern oder Wohnungen? Antworten geben Peter Ess und Heinrich Gugerli vom Amt für Hochbauten.

Standpunkt

«Der gebäudebezogene CO2-Ausstoss

soll mindestens den Anforderungen für

2050 genügen und muss dafür um den

Faktor 4 reduziert werden.»

Heinrich Gugerli

Siehe auch Porträt Triemli, Seite 24Trotte, Seite 32

Heft 20 21

Ess: Strengere Standards und eine bessere Energieeffizienz lassen sich überall dort rea-lisieren, je komplexer und technisierter ein Gebäude und je grösser seine Baumasse ist. Bei Kleinbauten wird es dagegen schwierig. Die Realität ist zudem die: Für jeden Bau sind unterschiedliche Gesetze und Bauvor-schriften zu beachten. Um Lärmschutzvor-schriften einzuhalten, braucht es oft ein zer-klüftetes Gebäude. Im städtischen Raum ist Lärm einer der wichtigsten Standortfaktoren und wirkt sich daher auf kompakte energie-effiziente Gebäudeformen ungünstig aus.

Sind die Einwände der Planer häufig, die auf Abstimmungsprobleme bei der Ener-gieeffizienz mit Kosten, Lärm und Brand-schutz hinweisen?Ess: Nein, die braucht es nicht, weil es sich da um die normale Ausgangslage für jedes neue Gebäude handelt. Als Bauherrschaft bereiten wir uns darauf vor, indem im Vor-aus eine Machbarkeitsstudie erstellt wird. Es ist unser Job, die Summe aller Anfor-derungen auszuloten und miteinander in

Einklang zu brin-gen. Wir wissen also, ob bei einem neuen Gebäude die Nut-zeranforderungen stimmen, in welcher Grössenordnung wir uns bei den Kosten bewegen, wie wir den Schallschutz bewältigen und welcher Ener-giestandard erreicht werden kann. Diese Botschaft ist mir deshalb sehr wichtig: Architektur und Gestaltung scheitern nicht an den hohen Kriterien für energieeffiziente Baustandards. Die Funktion, die Nachhal-tigkeit, ein gutes Preis-Leistungs-Verhält-nis und eine hohe städtebauliche Qualität müssen die Architekten herausfordern, um daraus gute Bauten zu realisieren.

Die Energieeffizienz ist also nur ein Grad-messer für Neubauten unter anderen. Hat sie trotzdem eine Chance, oder bleibt sie auf ein Nischendasein beschränkt?Ess: Die 2000-Watt-Vision ist langfristig angelegt. Wir müssen aber jetzt darauf hin-

«Bis vor zwei oder drei Jahren mussten

wir um die politische Akzeptanz von

Nachhaltigkeitsthemen kämpfen.»

Peter Ess

Peter Ess ist Direktor des Amts für Hochbauten der

Stadt Zürich (AHB) und Prä-sident des Vereins eco-bau.

22 Heft 20

Topbauten

arbeiten, weil die nachfolgenden Generati-onen sonst ein existenzielles Problem haben werden. Das heisst, die Prioritäten sind auf politischer Ebene neu zu setzen. Können wir uns derart hohe Lärmschutzanforde-rungen leisten und gleichzeitig energetisch suboptimal bauen? Es geht darum, die ver-schiedenen Abhängigkeiten und Einfluss-faktoren zu erkennen und übergeordnete Anpassungen vorzunehmen.Gugerli: Frühzeitig Zielkonflikte aufzuzei-gen und Lösungen dafür zu entwickeln, ist

ein wichtiger Teil unserer Arbeit. So führen wir mit den Lärmschutzfachstel-len von Kanton und Stadt Gespräche, um die planerischen Freiräume auszulo-ten. Auch mit der

Denkmalpflege wird diskutiert. So sind zwar Kompromisse im Einzelfall möglich. Doch für Auswahlverfahren hilft das nicht weiter. Da brauchen wir eindeutige Rah-menbedingungen und gleich lange Spiesse für alle Teilnehmenden.

Als Bauherrschaft können Sie freiwillig bessere Standards verlangen und das Aus-wahlverfahren wählen. Wie nehmen Sie diese Schlüsselfunktion wahr?

Ess: Wenn wir etwas wollen, dann errei-chen wir das. Und wir entscheiden, was wir wollen. Die Definition der Ziele, das For-mulieren der Aufgabe und die Abwägung unter den verschiedenen Anforderungen gehören zu unseren Aufgaben. Wir suchen in jedem Fall das Gebäude mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Energie-effizienz wird so in einen Kostenrahmen gestellt, wobei die Aussage, je nachhaltiger, umso teurer, nicht gilt. Bei einem Lebens-zyklus eines Gebäudes von 25 bis 30 Jah-ren schneiden nachhaltige Bauten bei den Kosten besser ab. Wir müssen heute etwas investieren, um im Lebenszyklus mehr zu ernten.Gugerli: Beim Stadtspital Triemli haben wir auf Minergie-P gesetzt, als der Standard für diese Nutzung noch gar nicht festgelegt war. Das war vor vier Jahren. Bei der Eröff-nung des Spitals im Jahr 2013 dürfte dieser Standard aber gerade einmal dem entspre-chen, was dannzumal Stand der Technik sein wird. Ess: Da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben: Beim Triemli haben wir nur gerade das gemacht, was es braucht, um bei der Inbetriebnahme kein veraltetes Gebäude zu haben. Wir haben dies aller-dings vorgedacht, als noch niemand von 2000 Watt gesprochen hat. Beim Ersatz der Siedlung Werdwies zeigt sich hinge-gen, dass wir mit wenig Geld mehr sogar einen besseren Energiestandard hätten erreichen können. Wäre der Bauentscheid vier Jahre später getroffen worden, besässen die Wohn bauten den Minergie-P-Standard und nicht nur Minergie. So haben wir uns selber überholt, was aber auch durch die Änderungen im politischen Konsens bedingt war.

Wie werden die eigenen Ziele an den gebauten Objekten überprüft? Gugerli: Bei grösseren oder komplexen Bauvorhaben führen wir nach Bauabschluss eine Erfolgskontrolle durch. Typischerweise im zweiten Betriebsjahr werden Messungen durchgeführt und mit den Planungswer-ten verglichen. Jedes dieser Objekte ist ein Pilotprojekt. Da stossen wir immer wieder auf Mängel. Zudem können zu Beginn der Betriebsphase weitere Optimierungen beim Energieverbrauch vorgenommen werden.

«Nachhaltigkeit meint mehr als nur das

Reduzieren des Energieverbrauchs und

der CO2-Emissionen.» Peter Ess

Heft 20 23

Ess: Genau, die gebaute Hülle beeinflusst nur einen Teil der Energiebilanz. Ich war kürzlich im Stadion Letzigrund und habe beobachtet, dass beim Training von drei Leichtathleten die energieeffiziente Beleuch-tung auf der höchsten Stufe eingeschaltet war, so wie es zum Beispiel für die Fern-sehübertragung eines Fussballspiels ver-langt wird. Das verbraucht zu viel Strom. «2000-Watt» heisst auch, dass in keiner Phase des Gebäudelebenszyklus ein wich-tiger Einflussfaktor unnötigerweise ver-passt wird. Wir müssen im Vorfeld auch den beteiligten Partnern aufzeigen, was wir gemeinsam für eine höhere Energieeffizienz erreichen können.

Wie geht es nun weiter? Wie erfolgt der Schritt von der Energieeffizienz zur Nach-haltigkeit?Gugerli: Beim «2000-Watt-Konzept» ste-hen Energie und Klimaschutz im Fokus. Die Umsetzung dieser Zielsetzung wird jedoch erst im Rahmen eines gesamtheitli-chen Ansatzes möglich und hier kommt die

Nachhaltigkeit in umfassendem Sinne ins Spiel. In die energetische Sanie-rung der bestehen-den Gebäude kön-nen wir zum Beispiel nicht beliebig viel Geld investieren, insbesondere im gemein-nützigen Wohnungsbau. So ergeben sich immer wieder Zielkonflikte zwischen 2000 Watt und weiteren Aspekten einer nachhal-tigen Entwicklung, für die wir Lösungen finden müssen. Ess: Nachhaltigkeit meint mehr als nur das Reduzieren des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen. Wir müssen aufpassen, dass der Rest nicht vergessen geht. Zu den weiteren Dimensionen gehört die behag-liche und gesunde Nutzung der Gebäude. Menschen arbeiten und wohnen in den Gebäuden und haben einen Anspruch auf Behaglichkeit. Interview: Paul Knüsel, Othmar Humm, Fotos: Gian Vaitl.

«Frühzeitig Zielkonflikte aufzuzeigen

und Lösungen dafür zu entwickeln, ist

ein wichtiger Teil unserer Arbeit.»

Heinrich Gugerli

Heinrich Gugerli leitet die Fachstelle Nachhaltigkeit des Amts für Hochbauten

der Stadt Zürich.

24 Heft 20

Topbauten

Dort, wo Kranke gesund gepflegt wer-den, beginnt die Stadt Zürich mit der Kur des vom Menschen hausgemachten CO2-Problems. Der kombinierte Neu- und Umbau des Stadtspitals Triemli wird das erste Hochbauprojekt der Stadt Zürich sein, das sich an den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft orientiert. Das Leuchtturm-projekt für die Umsetzung des Legislatur-ziels «nachhaltige Stadt Zürich» soll dazu beitragen, den Gesamtenergieverbrauch und die Emissionen der Treibhausgase auf ein generationenverträgliches Mass zu redu-zieren. Dazu haben sich die Verantwortli-chen im städtischen Hochbaudepartement Gedanken gemacht, als weder die politi-sche Exekutive der Stadt solches verlangte, noch ein zweckmässiger Baustandard dafür verfügbar war. In Angriff genommen wurde die Umsetzung dennoch: mit der Planung eines nachhaltigen Ersatzneubaus für das Bettenhaus. Dies ist auch die wirtschaftlich beste Lösung, da die bestehende Gebäude-struktur sich nicht an die Bedürfnisse eines zeitgemässen Pflegebetriebs anpassen lässt. Das Neubauprojekt wird die wichtigsten Elemente einer sparsamen Energiebilanz berücksichtigen: Betrieb, Baumaterialien und Mobilität. Das ab diesem Jahr sich im Bau befindliche Bettenhaus soll einen Standard aufweisen, der auch bei Inbe-triebnahme in ein paar Jahren dem Stand der Technik entspricht. Die Weichen dafür gestellt wurden durch einen Studienauftrag «Gebäudetechnik, Energie und Nachhal-tigkeit» für das ganze Spitalareal. Dieser hat zu einer Premiere bei einem städtischen Hochbauwettbewerb geführt. Das Gesamt-energiekonzept lag erstmals vor, als die Architektenteams eingeladen waren, sich Gedanken zum gestalterischen Entwurf des Bettenhauses zu machen. Im Detail geplant wird nun ein Bettenhaus mit kompakter Form und niedriger grauer Energie.

Berücksichtigt werden müssen die Anforde-rungen von «Minergie-P», die im Gleich-schritt zur Planung des Spitalumbaus erarbeitet worden sind. Konkret gefordert ist eine Minimierung des Betriebsenergie-bedarfs für Heizwärme, für die Gewährleis-tung des Raumkomforts im Sommer sowie für die Beleuchtung. Beleuchtung und elek-tronische Geräte haben eine hohe Energie-effizienzkategorie einzuhalten. Zusätzlich wird eine geringe Umweltbelastung bei der Herstellung und Verarbeitung der Bau-stoffe verlangt. Angestrebt wird sodann der Standard «Minergie-Eco». Für die künfti-gen Patienten ist das besonders wichtig: Die Lufthygiene und das Raumklima im Bet-tenhaus sollen der Gesundheit der temporä-ren Gäste förderlich sein.Die Energieversorgung für das gesamte Spitalareal soll nach der Erweiterung mit erneuerbaren Energieträgern abgedeckt wer-den. Der Mix soll aus einer Wärmegewin-nung aus dem 3000 Meter tiefen Erdreich (Tiefengeothermie), aus einer Holzfeue-rungsanlage, sowie aus Abwärme bestehen. Einzig als Absicherung für den Notfallbe-trieb ist ein fossiler Zusatz erforderlich. In der Gesamtbilanz kann der Ausstoss von CO2 bereits 2018 um den Faktor 4 redu-ziert werden. Eine Frage ist für die Tie-fengeothermie noch zu beantworten. Erst die Probebohrungen, die im nächsten Jahr stattfinden sollen, werden abschlie-ssend zeigen, ob die tiefen Erdschichten das erwünschte Temperaturniveau für eine Nutzung an der Oberfläche tatsächlich zu bieten haben.

Spital für die Klimakur

Das Bettenhaus wird zum Leuchtturm. Erstmals hat die Stadt Zürich den Neubau einer eigenen Immobilie auf die Anforderungen an die 2000-Watt-Gesellschaft ausgerichtet. Paul Knüsel

BauherrschaftStadt Zürich,

vertreten durch das Amt für Hochbauten

NutzerGesundheits- und Umwelt-departement, Stadt Zürich

Architekt (Bettenhaus)

Aeschlimann Prêtre Hasler Architekten AG, Zürich

Energiekonzept (Gesamtareal)

Enerconom AG, Bern

Die Erweiterung des Stadt-spitals Triemli umfasst den Neubau des Bettenhauses (Gebäude rechts) und den Umbau des Behandlungs-trakts (Hochhaus links).

(Stadt Zürich)

Siehe auch Interview Seite 20

Heft 20 25

Standort Stadt Zürich

Gebäudetyp Bettenhaus

Projektstand, Baujahr Baubeginn August 2008Eröffnung Ende 2013

Geschossfläche 65 500 m2

Gesamtbaukosten (BKP 1–9)

Objektkredit 290 Millionen Franken

Amt fuer Hochbautender Stadt ZuerichAmtshaus IIILindenhofstrasse 21Postfach8021 ZuerichTelefon 044 216 51 11Telefax 044 212 19 [email protected]

Birmensdorferstrasse 497 8063 Zuerich

Plan-Nr.

Auftrag/BAV Status

Format

Projekt-Nr.

Plot

Erstellung

Inventar-Nr.

FreigabeRevidiert:

40064 / 40072

Stadtspital Triemli Neubau Bettenhaus / Umbau Hauptgebäude

Vorprojekt plus

0 10 20 30 40 50mN

Behandlungstrakt

Hauptgebäude

Neues Bettenhaus

Situation

055

A3

25.04.07/LaS25.04.07/HaT

26 Heft 20

Topbauten

Heft 20 27

Für die Eawag, das ETH-Wasserforschungs-institut, war klar: Das Forum Chriesbach soll ein Vorzeigebau werden. Ein Nullener-giehaus, das mit einer minimalen Wärme- und Kühlenergie von 3,2 kWh/m2 Ener-giebezugsfläche auskommt. Als «absoluten Top-Bau» und «Leuchtturm für künftiges Bauen» bezeichnete Michael Kaufmann, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie, dann auch den blauen Glaskubus nach sei-ner Einweihung 2006.Das ambitiöse Ziel war erreicht: Die 150 neuen Arbeitsplätze brauchen deutlich weniger Energie als herkömmliche Arbeits-plätze – pro Arbeitsplatz 600 Watt statt 2000 Watt. Eigentliches Herzstück des Gebäudes ist die Lüftungsanlage. Durch 80 Rohre strömt Frischluft in einen Schacht im Untergeschoss. Sie wird im Erdboden temperiert. Im Sommer kühlt sie, im Win-ter heizt sie zusammen mit den in den Büros betriebenen Computern und anderen Elektrogeräten. Zusätzliche Wärme kommt aus dem Warmwasserspeicher, der durch Abwärme der Kälteanlagen im Personal-restaurant aufgeheizt wird. Die Wärme-dämmung besteht aus einer 30 cm dicken Schicht Mineralwolle.Zusätzlich beeinflussen blaue Glaslamel-len an der Fassade das Gebäudeklima: Je nachdem wie viel Sonneneinstrahlung erwünscht ist, öffnen sie sich oder schirmen das Gebäude ab. Aufs bestehende Fern-wärmenetz des Empa-Eawag-Areals muss deshalb nur bei extremen Kälteperioden zurückgegriffen werden – die vorgeschriebe-

nen 19 bis 26 °C konnten bis jetzt zu jeder Jahreszeit grösstenteils eingehalten werden.Zum Forum Chriesbach gehört auch die Verwendung von umweltfreundlichen Bau-substanzen wie Lehm und Recyclingbeton, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und ein Regenwasserspeicher für die Toiletten-spülung.Einfach war der Weg zum «absoluten Top-Bau» nicht: «Als wir das Gebäude 2002 projektierten, war ein derart hoher Ener-giestandard noch Neuland, denn Miner-gie-P war noch nicht ausformuliert», sagt Architekt Daniel Leuthold von Bob Gysin + Partner BGP. Bereits beim Start des Wett-bewerbs habe man schnell gemerkt, dass eine andere Art der Zusammenarbeit nötig ist: «Unser Pflichtenheft umfasste mehrere Bundesordner anstelle der damals üblichen dreissig bis vierzig A4-Seiten.»Beim Forum Chriesbach waren die Fach-planer deshalb viel mehr in den Entwick-lungsprozess eingebunden. «Der Bau entwi-ckelte sich interdisziplinär im Team», sagt Leuthold. Konkret hiess dies: Mehr Sitzun-gen und ständiger Abgleich von Energieda-ten und Plänen. Dieser Prozess schränke das freie architektonische Planen zwar etwas ein, fordere aber auch heraus. «Mit den stei-genden technischen Anforderungen ändert sich die Arbeit eines Architekten zwar, wird deswegen aber umso spannender», sagt Leuthold.Im Falle des Forums Chriesbach haben sich die Anstrengungen besonders gelohnt: Mit dem Solarpreis 2006, dem Swisspor-Innovationspreis 2006, dem Prix Watt d’Or 2007 und dem Velux-Stiftung-Tageslicht-Award 2007 heimste das Gebäude gleich haufenweise Preise ein und ist aktuell für weitere nominiert.

Forschen im Vorzeigebau

Architektur, Ökologie und Ökonomie – das Forum Chriesbach ist in jeder Sparte top. Um es zu bauen, war Zusammenarbeit wichtiger denn je. Raphael Hegglin

BauherrschaftEawag, Dübendorf

ArchitekturBob Gysin + Partner BGP, Zürich

GeneralunternehmungImplenia General-unternehmung AG, Dietlikon

Technikplaner3-Plan Haustechnik AG, Winterthur

Die blauen Glaslamellen an der Fassade beeinflus-sen das Gebäudeklima: Je nachdem wie viel Son-neneinstrahlung erwünscht ist, öffnen sie sich oder schirmen das Gebäude ab. (Roger Frei)

Standort Überlandstrasse 133, 8600 Dübendorf

Gebäudetyp Bürogebäude

Baujahr 2006

Energiebezugsfläche 11 170 m2

Gesamtbaukosten (BKP 2) 22,07 Millionen Franken

28 Heft 20

Topbauten

Ein klares Bekenntnis zum energieeffizien-ten Bauen zeichnet die Sanierung der zwei Mehrfamilienhäuser an der Zwinglistrasse aus. Einigkeit musste dabei nicht eigens erlangt werden: EcoRenova, die Bauherr-schaft der Zwinglistrasse hat sich die ener-getische Sanierung ins Leitbild geschrieben und das Architekturbüro Viridén + Partner ist auf energieeffiziente Sanierungen spezi-alisiert. Bauherrschaft und Planungsbüro sind personell wie finanziell verflochten. Das Resultat der engen Zusammenarbeit ist ein sanierter Altbau, der laut Karl Viri-dén auch fünf Jahre nach der Fertigstellung (2003) noch einer der sparsamsten Euro-pas ist. Das energieeffiziente Wohneigen-tum mit dem gehobenen Innenausbau hat als Symbol dabei geholfen, das bestens mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossene Langstrassenquartier aufzuwerten.Mit dem Baujahr 1881 gehören die Hof-randbebauungen an der Zwinglistrasse zu den ältesten Bauten im Zürcher Kreis 4, denkmalpflegerische Auflagen sind eine Selbstverständlichkeit. Neben der Beibehal-tung der typischen Lukarnen gehört dazu die zurückhaltende Gestaltung der Fassa-den. In die rund 4 m breite Lücke zwischen den beiden Nachbarhäusern durfte jedoch ein neuer Baukörper geschoben werden. Dass die strassenseitige Fassade gegenüber den Nachbarbauten heute um rund 12 cm vorspringt, ist der Denkmalpflege zu ver-danken. Sie trat für mehr Energieeffizienz

ein und kämpfte gemeinsam mit der Bau-polizei beim Tiefbauamt für ein erweiter-tes Überbaurecht (Trottoir). Strassenseitig wurde eine Kompaktdämmung (Mineral-wolle) von 14 cm möglich, beim Neubauteil sind es gar 24 cm.Durch die Bauweise mit vorgefertigten Holz elementen konnten Sanierung und Erweiterung in kurzer Zeit realisiert wer-den. Der Dachstock eines der bestehenden Häuser wurde zum Beispiel ganz abgebro-chen und durch ein vorgefertigtes Dachmo-dul ersetzt. In diesem Modul wurden die vom Denkmalschutz geforderten Lukar-nen ebenso integriert wie die dämmenden 36 cm Mineralwolle und die Sonnenkol-lektoren. Trotz der bescheidenen Ener-giekennzahl Wärme (25 kWh/m2 in den Wohnetagen) erreichen die Häuser den Minergie-P-Standard für Neubauten nicht ganz. Die Luftdichtigkeitsmessung ergab einen Wert von 1,4 1/h – gefordert werden 0,6 1/h. Der Minergie-Standard für Neu-bauten wird weit übertroffen. Jede Woh-nung ist heute mit einem separaten Lüf-tungsgerät ausgestattet. Über deren Zuluft werden die Wohnungen auch beheizt. Die nötige Heizwärme und das Warmwasser lie-fern grösstenteils die 40 m2 Sonnenkollek-toren auf dem Dach und ein modulierender Wandheizkessel (Gas). In den Wohnungen gibt es weder Radiatoren (Ausnahme Bad) noch Bodenheizungen, kleine Holzspeicher-öfen sorgen für die individuelle Wohlfühl-temperatur – leider ist die oft sehr hoch.Die Sanierung der Häuser 9 und 15 erhält voraussichtlich das erste Zertifikat des neuen Minergie-P-Standards für Sanierun-gen. Ein Topbeispiel, das wie so oft keine Schule gemacht hat. Trotz Kontakten von Viridén + Partner und der EcoRenova zu den Bauherrschaften der Nachbarliegen-schaften wurden dort bloss Pinselsanierun-gen weitab jeder Energieeffizienz realisiert.

Gepflegte Altbauten

Denkmalpflegerische Auflagen und energieeffiziente Bauweisen müssen sich nicht widersprechen. Marion Schild

BauherrschaftEcoRenova AG, Zürich

Architektur, RealisierungViridén + Partner AG, Zürich

EnergiekonzeptViridén + Partner AG, Zürich

EnergieplanungZurfluh Lottenbach, Luzern

Bauvorhaben, Label Sanierung, Erweiterung, Minergie für Neubauten ZH-457; ZH-491 (beinahe Minergie-P)

Standort Zwinglistrasse 9 + 15, Zürich (Kreis 4)

Gebäudetyp 2 Mehrfamilienhäuser innerhalb eines denkmalge-schützen Strassenzugs

Projektstand, Baujahr Realisiert, 2003

Energiebezugsfläche 905 m2 (Wohnungen), 209 m2 (Verkauf)

Gesamtsanierungs kosten (BKP 2)

3,3 Millionen Franken

Heft 20 29

Wie eine Klammer verbin-den die Balkone den neuen Zwischenbau (links) mit dem Altbau. (Nina Mann/Viridén + Partner AG)

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W

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30 Heft 20

Topbauten

Faktor: Sie haben sich intensiv mit 2000-Watt-kompatiblen Bauten auseinander gesetzt und Einblick in die meisten Pla-nungsprozesse. Was ist diesen Projekten gemeinsam?Katrin Pfäffli: Den Projekten gemein ist vor allem eine gute und motivierte Bau-herrschaft, die eine langfristige Perspektive besitzt. Diese zieht bei einem Bauentscheid nicht nur die heute bekannten Investitions-kosten sondern, auch die Lebenszykluskos-ten in Betracht, was einem gesamtheitlichen wirtschaftlichen Denken entspricht.Hansruedi Preisig: Eine gute Bauherr-schaft zeichnet sich darin aus, dass sie ein-deutige Ziele setzt und eine Vorstellung besitzt, was sie dafür leisten muss. Noch

besser und wünschbar ist, wenn die Bau-herrschaft das Ziel «2000 Watt» auch stra-tegisch verinnerlicht und in der Unterneh-mensphilosophie verankert.

Ist es möglich, dass insbesondere auch der Architekt das Ziel eines Projekts prägt?Preisig: Einen solchen Fall haben wir erlebt. Die Baueingabe eines neuen Geschäftshauses lag bereits vor, als sich die Bauherrschaft überzeugen liess, den Neubau 2000-Watt-tauglich zu bauen. Das geschah somit in einer relativ späten Projektphase. Möglich war dies aber nur, weil die bauli-chen Voraussetzungen dafür günstig waren. Das Projekt bestach von Anfang an durch eine hohe Kompaktheit.

Das Gebäudekonzept kann dem Ziel, 2000-Watt-tauglich zu bauen, also förder-lich sein. Geben nicht auch soziale und finanzielle Beweggründe den Ausschlag?Pfäffli: Die wichtigen Anreize dafür bil-den das Langzeitdenken, das Bewusstsein für den Energiekonsum und sehr oft ein Kostenbewusstsein. Denn ein energetisches Optimieren bringt auch ein kostenmässi-ges Optimieren mit sich. Die Baugenos-senschaft Zurlinden hat nachgerechnet und festgestellt, dass die Nebenkosten bei älteren, konven-tionellen Bauten wesentlich höher sind als bei neuen energie-effizienten Bauten. Somit leben Bewohner von Neubauten nur unwesentlich teurer, aber mit einer viel höheren Wohnqualität.

Entspricht dies auch der Denkweise der institutionellen Immobilienverwalter, die sich für tiefe Investitionen und hohe Ren-diten interessieren?

Strategisch verinnerlicht

Das Langzeitdenken und ein Kostenbewusstsein sind wichtige Beweggründe, 2000-Watt-tauglich zu bauen. Eine gute Bauherrschaft zeichnet sich durch eindeutige Ziele aus, sagen Hansruedi Preisig und Katrin Pfäffli, Mitautoren des SIA-Effizienzpfads Energie.

«Die grosse Herausforderung ist, den

gemeinsamen Nenner zwischen

Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu

finden.» Hansruedi Preisig

Hansruedi Preisig, Architekt SIA, unterrichtet an der Zür-

cher Hochschule für ange-wandte Wissenschaften und ist Inhaber eines Beratungs-

büros in Zürich.

Heft 20 31Preisig: Jeder, der auf dem Wohnungs-markt ein Produkt vermieten und lang-fristig anbieten will, muss sich Gedanken über die künftigen Kosten machen. Viele professionelle Investoren, wie zum Beispiel Versicherungen, haben das erkannt und beginnen, langfristig zu rechnen. Sie suchen einen Marktvorteil und sehen, wie der nied-rige Energieverbrauch eine Absicherung in der Zukunft bietet. Eine Wohnung mit geringen Nebenkosten wird bei steigenden Energiepreisen einfacher zu vermieten sein. Die 2000-Watt-kompatible Bauweise fasst daher weiter Fuss. Denn die hohen energe-tischen Anforderungen führen zu kompak-teren Bauten und einfacheren Systemen. Dies bedeutet einen geringeren Ressour-cenverbrauch, was schlussendlich geringere Kosten bewirkt. Das sagen auch professio-nelle Investoren.

Aber gilt nicht: Energieeffizient bauen gleich Mehrkosten?Preisig: Nicht wenn die Projekte frühzeitig darauf ausgerichtet werden. Wird das Kon-zept erst im Nachhinein angepasst, kostet es mehr. Den Ansatz, bereits beim Projek-tierungsauftrag anzusetzen, wollen wir wei-ter verfolgen. Darauf sind bereits mehrere Wettbewerbe ausgerichtet worden. Es ist sehr spannend zu beobachten, wie Archi-tekten mit ihren Entwürfen darauf reagie-ren, und dass Projekte möglich werden, die sowohl architektonisch als auch energetisch hohe Anforderungen zu erfüllen vermögen.

Darf von einer Steigerungsform von Minergie, über Minergie-P zur 2000-Watt-Gesellschaft gesprochen werden?Pfäffli: Ich würde die unterschiedlichen Standards für die Betriebsenergie nicht als Pyramide aufzeichnen. Die Auflagen wer-den von den SIA-Minimalanforderungen zu Minergie und Minergie-P zwar strenger. Doch beim Effizienzpfad geht es nicht ein-fach weiter nach oben sondern in die Breite. Die graue Energie und die induzierte Mobi-lität müssen ebenso mitberücksichtigt wer-den. Dieser weiterführende Ansatz ist nur beim Effizienzpfad berücksichtigt.

«2000-Watt-kompatibel» zu bauen, wird zum unerlässlichen Standard, sagt die

Stadt Zürich. Wel-che Probleme wer-den damit gelöst und welche nicht? Pfäffli: Eine 2000-Watt-kompa-tible Siedlung darf sich nicht nur auf den Fokus Energie beschränken. Dieses Kri-terium ist auch in den Wettbewerben nur eines von mehreren. Die Bauten müssen auch betrieblichen, architektonischen und städtebaulichen Aspekten genügen. Preisig: An erster Stelle kommt das Wohl-befinden der Bewohner. Die Leute müssen das Gebaute gern haben, sagt der Bünd-ner Architekt Gion Caminada. Die grosse Herausforderung ist, den gemeinsamen Nenner zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu finden. Architekten, die einfache und klare Strukturen entwerfen, bringen bei der Gestaltung, der Organisa-tion, der Energie und auch der Kosten vie-les unter einen Hut. Interview: Othmar Humm, Paul Knüsel, Foto: Gian Vaitl.

«Eine 2000-Watt-kompatible Siedlung

darf sich nicht nur auf den Fokus

Energie beschränken.» Katrin Pfäffli

Standpunkt

Katrin Pfäffli ist Architek-tin ETH/SIA, Mitabeiterin im Architekturbüro H. R.

Preisig und unterrichtet an der Hochschule für Technik

Zürich.

32 Heft 20

Topbauten

Die Form ist ein Blickfang: Der Grund-riss gleicht einem Schmetterling mit offe-nen Flügeln. Und Ost- und Westfassade sind mit erkerhaften Rippen versehen. Die «eigenwillige, aber auch geschickte Modu-lierung des Baukörpers» hat die Jury des städtischen Architekturwettbewerbs offen-sichtlich überzeugt, als sie das Projekt von

Enzmann + Fischer Architekten für das neue Altersheim Trotte in Zürich-Höngg aus-gewählt hat. Städtebaulich ist der Entwurf zwar gewagt. Der voluminöse und hoch-ragende Baukörper steht mitten in einem locker bebauten Wohnquartier. Aber genau darin steckt ein grosser Teil des gesuchten Potenzials: Das achtstöckige Gebäude ist

Nachhaltigkeit verleiht Flügel

Das achtstöckige Gebäude für das neue Altersheim Trotte in Zürich-Höngg ist derart kompakt konzipiert, dass der Bedarf für die Betriebsenergie fünfmal geringer ist als bei Neubauten, die dem gesetzlichen Minimum entsprechen. Paul Knüsel

Siehe auch Interview Seite 20

Heft 20 33

BauherrschaftStadt Zürich, vertreten durch das Amt für Hochbauten

NutzerAltersheime der Stadt Zürich

ArchitektEnzmann und Fischer Architekten AG, Zürich

Fachplaner3-Plan Haustechnik AG, WinterthurMenti + Martinelli, Luzern

Standort Stadt Zürich

Gebäudetyp Altersheim

Projektstand, Baujahr Baubeginn August 2010

Nutzfläche 7800 m2

Gesamtsanierungs-kosten (BKP 1–9)

Objektkredit 40 Millionen Franken (exkl. Reserven)

derart kompakt konzipiert, dass der Bedarf für die Betriebsenergie fünfmal geringer ist als bei Neubauten, die dem gesetzlichen Minimum entsprechen. Erstmals wurde in einem Projektwettbewerb der Stadt Miner-gie-P als Zielsetzung definiert. Dazu wurde die bewährte Wettbewerbskalkulation der Stadt Zürich mit einer einfachen Berech-nung der Primäranforderung und der Ökobilanz ergänzt und den Teilnehmen-den abgegeben. Der Ersatzneubau mit 95 Betten wird auf dem Areal eines der ältesten Altersheime in der Stadt entstehen. Geplan-ter Baubeginn ist der Sommer 2010.Bis dann will die Zeit genutzt sein – den klaren Vorgaben an den Baustandard zum Trotz: Gemäss Philipp Fischer von Enz-mann + Fischer Architekten muss die «ideale Grundvoraussetzung nämlich noch konkretisiert werden». Sprich: die kom-pakte Hülle gebaut und die erforderlichen Baumaterialien dafür gefunden werden. Denn für die grossen Fenster auf der Ostfassade braucht es zum Beispiel Glä-ser mit einem U-Wert von 0,5, was bis-lang nicht ab Stange erhältlich ist. Ebenso müssen die Handwerker auf «nicht alltäg-liche Konstruktionsweisen» aufmerksam gemacht werden. Kernstück daran ist die 40 cm mächtige hinterlüftete Aussenfas-sade aus Stahlbeton und einer Dämmung aus Steinwolle. «Der Arbeitsfluss für dieses 2000-Watt-kompatible Projekt läuft etwas anders als gewohnt», so Philipp Fischer. Der Austausch mit der Bauherrschaft funktio-niert intensiver, die Fachplaner sind stär-ker auf die unumstösslichen Vorgaben zu sensibilisieren und zudem ist vorzusehen, dass die Arbeiten auf der Baustelle stren-ger kontrolliert werden müssen. Dank dem intensiven Planungsprozess können die Architekten bereits einen kleinen Zwischen-erfolg vorweisen: Effektiv soll das Alters-heim Trotte mit dem Zertifikat Minergie-P-Eco ausgezeichnet werden können. Zum einen spricht dies für die kompakte Gebäu-

deform, die den Anteil an grauer Energie niedrig hält. Zum andern werden Ressour-cen geschont. Konkret wird möglichst viel Recyclingbeton als Baustoff verwendet. Zum andern werden für den Labelzusatz helle Räume sowie emissionsfreie Anstri-che und Oberflächen in den Innenräu-men verlangt. Das Altersheim soll allen Bewohnerinnen und Bewohnern damit eine behagliche und gesunde Ambiance bieten. Zusätzlich profitieren davon aber auch die willkommenen Gäste. Das Altersheim Trotte ist neben der ökologischen Vorgabe ebenso einem neuen sozialen Leitbild der Stadt verpflichtet. Bei allen neu zu erstel-lenden Objekten werden öffentlich zugäng-liche Gemeinschaftsflächen sowie Dienst-leistungsflächen für Drittnutzer eingeplant. Zuoberst unter dem leicht abgeschrägten Dach befinden sich Räume für Wellness und Fitness sowie zur Besinnung. «Auf-grund der attraktiven Aussicht» erhofft sich die Fachjury jetzt schon, dass «das öffentli-che Angebot dereinst stark genutzt wird». Grundriss in Schmetter-

lingsform.

34 Heft 20

Topbauten

Die Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK) baut aus: Der Geschäftssitz in Baden wird erweitert. Unmittelbar neben dem Kurpark entsteht ein neues Büroge-bäude, das Platz für 200 Mitarbeiterinnen und Mitabeiter bieten wird. Der Neubau ist kompakt und viergeschossig gestaltet. Quer dazu gelegt ist ein zweigeschossiger Trakt, der das neue mit dem bestehenden NOK-Hauptgebäude verbindet. Beiden ist ein markantes Äusseres eigen: Der bisherige Hauptsitz imponiert als dreistöckiger Sand-steinbau, der für die Zeit seiner Erstellung Anfang des letzten Jahrhunderts charakte-ristisch war. Ebenso zeitgemäss und prägend ist die Architektur des Erweiterungsbaus: Auffälligstes Merkmal des neuen Gebäudes wird die vorgehängte, sujetgestrahlte Glas-fassade. Aber mindestens so herausragend sind – als Sinnbild für den technischen Fortschritt beim Bauen – seine «inneren Werte»: Das neue Bürogebäude entspricht dem Standard «Minergie-Eco» und wird zudem dem SIA-Effizienzpfad Energie, Zielwert B, gerecht. Mit diesen Vorgaben will die Bauherrschaft höchste umwelt-technische Anforderungen erreichen und das Gebäude Ressourcen schonend betrei-ben. Denn für NOK als einer der gröss-ten Energieversorger in der Schweiz gehört das zu einem wichtigen Leitbild. Gemäss CEO Manfred Thumann sei man »sich der Bedeutung nachhaltigen Verhaltens bewusst. Wir werden uns weiterhin für die effiziente Nutzung von Energie einsetzen».Dieses umfassende Ziel auf den Bau eines Gebäudes zu übertragen ist trotzdem zum grossen Teil Neuland. Zum einen ist die Betriebsenergie des neuen NOK-Gebäudes im Vergleich zu konventionellen Bauten zu halbieren. Dafür sorgt neben der kompak-ten Bauweise eine 28 cm mächtige Dämm-schicht aus Steinwolle. Zum anderen haben die verwendeten Baumaterialien strengen

ökologischen Kriterien zu entsprechen und die graue Energie niedrig zu halten. Mitten in der Bauphase kann Reto Büh-ler, Leiter Bauökonomie der NOK, auch diesbezüglich eine positive Zwischenbilanz ziehen: «Anfänglich hatten wir zwar Mühe, Anbieter von Recyclingbeton zu finden, und befürchteten sogar Mehrkosten. Aber bestätigt wurde etwas ganz anderes: Recy-clingbeton ist qualitativ und ästhetisch gleichwertig und vor allem nicht teurer als herkömmliches Material.» So geht es nun bei jeder Submission weiter: Alle Bauteile und Komponenten sind auf den Energie-inhalt und die Absenz von Schadstoffen zu überprüfen. Gemäss den Kriterien für den Labelzusatz «Eco» muss ein Arbeitsplatz im neuen NOK-Bürogebäude nämlich ein gesundes Innenraumklima bieten. Da die Bauherrschaft vieles zum ersten Mal macht, schaut sie jeweils genau hin. «Wir haben ein umfangreiches Kontrollsystem einge-führt, damit die Vorgaben auf der Baustelle effektiv eingehalten, beziehungsweise die ökologischen Baumaterialien tatsächlich eingesetzt werden», führt NOK-Vertreter Reto Bühler aus. Wichtig ist aber die kons-truktive Zusammenarbeit: «Alle Beteiligten, Planer und Unternehmer, müssen sich dem Ziel, nachhaltig zu bauen, unterordnen.» Von der Bauherrschaft wird aber noch etwas mehr verlangt: Eine aufwändigere Planung und höhere Investitionen bei ein-zelnen Bauteilen sind in Kauf zu nehmen. Im Gegenzug setzt die NOK auf erneuer-bare Energieträger. Für Warmwasser und das Beheizen der Büros wird die Energie aus dem Boden und einem Fernwärmenetz angezapft. So werden sich allfällige Mehr-kosten beim Bau in wenigen Jahren dank niedrigeren Betriebskosten amortisieren lassen. «In 6 bis 8 Jahren nach Bezug wollen wir dieses Ziel erreicht haben», sagt Reto Bühler.

Neuland für Bauherren

Wo ist Recyclingbeton erhältlich? Wie ist der Energieinhalt der Bauteile zu überprüfen? Die Nordostschweizerische Kraftwerke AG hat Antworten für ihr nachhaltiges Vorhaben gefunden. Paul Knüsel

BauherrschaftNordostschweizerische Kraftwerke AG, Baden

ArchitektMeier Leder Architekten,

Baden

FachplanerHKP Bauingenieure, BadenWaldhauser Haustechnik,

Basel

QS NachhaltigkeitArchitekturbüro

H. R. Preisig, Zürich

NOK-Neubau mit vorge-hängter Glasfassade: Alle

Baumaterialien wurden eingehend auf Ökologie und

Gesundheit überprüft. (Meier Leder Architekten)

Heft 20 35

Standort Baden

Gebäudetyp Verwaltung (Büro, Konferenz-räume, Personalrestaurant)

Projektstand, Baujahr Bezug Sommer 2009

Geschossfläche 5600 m2

Gesamtbaukosten (BKP 1-9)

28 bis 34 Millionen Franken (inklusive Umbau angrenzen-der Gebäude)

15.09.06 / aa26.07.07 / pn

110/65 cm0213 Verenastrasse / 08 Pläne / Bauprojekt / 100

NOK Neubau Bürogebäude St. Verenastrasse, 5401 Baden0213 Bauprojekt

DatumRevidiert

FormatPfad

1 : 100

AussendämmungKalksandsteinBeton BacksteinSperrschicht

Datum und Index Änderung1. 2. 3. 4. 5. 6.7.8.

DatumRevidiert

FormatPfad

AussendämmungKalksandsteinBeton BacksteinSperrschicht ±0.00= 382.35

Grundriss P0

0 1 2 53 4

F F

Garage Frau van den Berg

Neubau Bürogebäude

St. Verenastrasse

Parzelle 1516

36 Heft 20

Topbauten

Faktor: Die Baugenossenschaft Zurlinden will mit der Neubausiedlung «Sihlbogen» und einer Erneuerung zweier Hochhäuser in der Sihlweid 2000-Watt-kompatibel werden. Wer hat den Stein dafür ins Rollen gebracht?Urs Frei: Die Initiative ging von unserem Vorstand aus. Wir wollten nicht einfach weiter wie bisher nach den Standards Minergie oder Minergie-P bauen, ohne auf die graue Energie und auf den Energiein-put der verwendeten Materialien zu ach-ten. Eine Dämmschicht braucht ihrerseits Energie und ist daher auch in die Bilanz einzubeziehen. Demgegenüber verursacht ein Haus auf der grünen Wiese, so energie-effizient es auch gebaut, Mobilität. Dies ist ebenfalls Teil des Gesamtenergieverbrauchs.

Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft ist daher umfassend gedacht. Nur dieses Kon-zept richtet den Fokus auf das Schonen aller Ressourcen.

Ist dieser Standard einfach erreichbar? Sind sie auf keine Ausschlusskriterien gestossen?Der Sihlbogen wurde nicht auf Anhieb 2000-Watt-kompatibel entworfen, da wir anfänglich eine Fassade aus Beton einplan-ten. In der Folge ging es daher darum, eine Alternative für das Material zu finden. Dank dem eigenen Brainpool und externer Experten wurde ein neues Produkt entwi-ckelt: eine Holzwand, die weniger graue Energie benötigt und auch sonst hervorra-gende Qualitäten aufweist. Das ist die span-

Eigene Skepsis hinterfragtDas Geschäft mit Liegenschaften braucht eine langfristige Denkweise. Urs Frei, Präsident der Baugenossenschaft Zurlinden, über die Beweggründe für 2000-Watt-kompatibles Bauen.

Standpunkt

Siehe auch Porträt Sihlbogen, Seite 38

Leonhard-Ragaz-Weg, Seite 40

Sihlweid, Seite 46

Heft 20 37nende Geschichte an sich: Ohne die Ziel-setzung, 2000-Watt-kompatibel zu bauen, wäre niemand auf die Idee gekommen, eine siebengeschossige und 100 Meter lange Siedlung im Holzbau zu erstellen. Dank dem Fokus auf einen tiefen Energiever-brauch werden neue Produkte entwickelt.

Sie sind Genossenschafter und Fensterfa-brikant. Wie wichtig ist das Fachwissen, dass solche Ziele verfolgt werden können?Wir sind eine Unternehmergenossenschaft, in der neben mir noch weitere Fachleute vertreten sind. Diese Spezialisten sind es gewohnt, skeptisch zu sein, und unser Vor-gehen sachlich zu hinterfragen. Gemein-sam haben wir uns überzeugt, den richtigen Weg zu beschreiten. Die Fakten sprechen für sich.

Welche Fakten? In den meisten Fällen heisst es doch: Energieeffizient bauen wird teurer als die konventionelle Bauweise.Wir haben tatsächlich gedacht, dass das Projekt Sihlbogen mit den «2000-Watt-Anforderungen» teurer wird. Deshalb haben wir einen Vergleich der Kosten und der grauen Energie zu den zuletzt erstell-ten Wohnbauten gezogen. So konnten wir den Nachweis erbringen, dass ein Gebäude mit einem hohen Anteil an grauer Energie ebenso hohe Kosten verursacht. An sich klingt diese Rechnung logisch: Energie, in welcher Materialisierungsform auch immer, ist gleich bedeutend mit Kosten. Das gab den Hauptausschlag, 2000-Watt-kompa-tibel zu bauen. Zumal wir so die Neben-kosten in den Genossenschaftswohnungen reduzieren …

Das heisst?In Siedlungen aus den 1950er und 60er Jahren, die bisher einmal erneuert wur-den, liegt der Mietzins bei 200 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Bei Neubau-ten rechnen wir mit 230 Franken. Erhel-lend aber ist der Vergleich der Nebenkos-ten: Bei Altbauten betragen sie 20 Franken pro Quadratmeter und Jahr, bei Neubau-ten im Minergie-Standard hingegen nur 7 Franken. Zusammengerechnet wohnt das Genossenschaftsmitglied in einem Neubau fast ebenso billig wie im 50jährigen Wohn-haus. Wenn die Heizölpreise weiter steigen,

werden sich die Wohnkosten in Altbauten tendenziell erhöhen. Die Folge wird ein Aufschrei unter den Mietern sein.

Aber nicht alle Immobilieninvestoren rech-nen gleich wie eine gemeinnützige Bauge-nossenschaft?Als Portfeuille-Manager eines Immobilien-fonds würden mich die Nebenkosten tatsächlich weniger interessieren. Umso wichtiger sind mir dann tiefe Erstellungs-kosten und eine hohe Rendite. Unzufrie-dene Mieter melden sich aber nicht bei mir, sondern rufen die Verwaltung an. Eine Bau-genossenschaft ist aber Portefeuillemanager und Verwalter in einem und daher gezwun-gen, strategisch umzudenken. Wir rechnen Kostenmiete und Nebenkosten zusammen, weil wir auf dem Wohnungsmarkt nicht zu den Verlierern gehören wollen. Das Geschäft mit Lie-genschaften braucht eine langfristige Denkweise. Das hat auch bei der Materi-alwahl Konsequen-zen. Bei Neubauten verzichten wir etwa auf kurzlebige Kompaktfassaden oder PVC. Höhere Investitionen kompensieren wir so mit einem günstigeren Unterhalt.

Braucht es also einen Umbruch auf dem Wohnungsmarkt und im Marketing von 2000-Watt-Siedlungen, bei dem die Mieter zu Ökopionieren werden?Wir hoffen genau darauf. Wir wollen Mie-ter finden, die ein solches Wohnumfeld bewusst suchen. Dabei denken wir auch an Zusatzleistungen, von denen umwelt-bewusste Mieter profitieren können. Zur Kompensation der eingeschränkten Zahl an Parkplätzen, die wir anbieten, geben wir ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs-verbundes ab. Finanzieren können wir dies mit den eingesparten Kosten leerstehender Parkplätze. Denn für jeden bisher gebau-ten Parkplatz zahlt die Baugenossenschaft mehr Zinsen, als sie einnimmt. Da nicht alle belegt werden können, kosten sie die Genossenschaft fast 200 000 Franken im Jahr.

Interview: Paul Knüsel, Foto: Gian Vaitl.

«Energie ist gleich bedeu tend mit

Kosten. Das gab den Haupt ausschlag,

2000-Watt-kompatibel zu bauen.»

Urs Frei ist Präsident der Baugenossenschaften Zur-linden und Turicum und Inhaber der Fensterfabrik Albisrieden.

38 Heft 20

Topbauten

Am südlichen Ende der Stadt Zürich, direkt an der Sihl, baut die Baugenossenschaft Zurlinden (BGZ) die Siedlung Sihlbogen. Auf dem rund 21 000 m2 grossen Areal ent-steht eine durchmischte Nutzung mit 200 Wohnungen, einem Gewerbezentrum und öffentlich zugänglichen Freiflächen. Die Siedlung soll das Quartier mit dem Fluss-ufer verbinden und den neuen, lebendigen Quartiermittelpunkt von Leimbach bil-den. Der Architekturwettbewerb formu-lierte zudem ein weiteres ehrgeiziges Ziel: Die Bebauung soll den Anforderungen der 2000-Watt-Gesellschaft entsprechen. Die Unternehmergenossenschaft Zurlinden legt Wert darauf, bei Neubauprojekten hin-sichtlich einer nachhaltigen Entwicklung im Wohnungsbau Zeichen zu setzen. Die Wettbewerbsbeiträge wurden in der Vor-prüfung durch ein Expertenteam bezüglich der 2000-Watt-Kompatibilität beurteilt. In der zweiten Runde konnten vier Teams ihre Projekte mit der Unterstützung eines Experten auch energetisch noch optimieren.Gewonnen hat die Ausscheidung das Pro-jekt «Lihsl» von Dachtler Partner Architek-ten. Seine einfache städtebauliche Setzung mit den weiten, offenen Räumen hat die Jury überzeugt. Zwei Scheibenbauten am Flussufer bieten Platz für 130 Wohnungen. Die siebengeschossigen Häuser sind je rund hundert Meter lang und 20 m hoch. Ein langgezogener Hofbau mit einer Nutzfläche von 6000 m2 ist für Verkauf und Dienstleis-tung vorgesehen.Die Umsetzung der 2000-Watt-Kompatibi-lität erfolgt anhand des SIA-Effizienzpfades. Dabei geht es nicht nur um eine möglichst tiefe Betriebsenergie des Gebäudes, auch die graue Energie und die Energie, welche die Bewohner mit ihrer Mobilität verbrauchen, spielen bei der Bewertung eine Rolle.Das Siegerprojekt schafft durch die hohe Kompaktheit der Baukörper ideale Vor-

aussetzungen für einen energieeffizienten Bau und Betrieb. Der Aufwand an grauer Energie soll ein neu entwickeltes Wand-system reduzieren – eine reine Betonwand hätte das 2000-Watt-Ziel nicht erreicht. Der Prototyp der «Top Wall» besteht aus 20 cm breiten und 10 cm dicken Bohlen aus massivem, einheimischen Nadelholz. Diese industriell vorgefertigten Bohlen werden auf der Baustelle senkrecht aneinander gefügt, davor kommen 16 cm Wärmedämmung, dann eine hinterlüftete Fassade. Auch zum Innenraum hin ist die Wand mit 8 cm Mineralwolle gedämmt. Statisch gesehen ist die Holzwand kein Problem: Versuche an der Berner Fachschule Architektur, Holz und Bau in Biel ergaben viermal höhere Stabilitätswerte als die einer konventionel-len Backsteinwand. Auch die Schall- und Wärmedämmung brachte bei Versuchen an der Empa überzeugende Ergebnisse. Weitere bauphysikalische Details werden noch abgeklärt. Ohne die Zielsetzung, 2000-Watt-kompatibel zu bauen, wäre bei einem Objekt von dieser Grösse die Wahl kaum auf Holz als Baustoff gefallen. Die Decken bestehen aus Gründen des Schall-schutzes und der verbesserten Wärmespei-cherfähigkeit aus Beton. Den Energieverbrauch für die Mobilität minimieren mehrere Faktoren: Aufgrund der nahegelegenen S-Bahn-Station versucht die BGZ die Parkplätze gemäss neuer städ-tischer Parkplatzverordnung PPV auf ein Minimum zu reduzieren. Ergänzt wird die gute Erschliessung durch einen Car-Sha-ring-Standort, zudem ist in der Wohnungs-miete ein kostenloses Abonnement für den öffentlichen Verkehr in der Stadt Zürich enthalten.

Holz statt Beton

Die Siedlung Sihlbogen in Zürich-Leimbach soll das Quartier mit dem Flussufer verbinden und den Anforderungen der 2000-Watt-Gesellschaft entsprechen. Christine Sidler

BauherrschaftBaugenossenschaft

Zurlinden, Zürich

ArchitekturDachtler Partner AG, Zürich

Bauleitung, Kosten-kontrolle

Caretta & Weidmann AG, Zürich

HaustechnikplanerRMB Engineering AG, Zürich

QS NachhaltigkeitArchitekturbüro

H. R. Preisig, Zürich

Erfinder, Planer Top WallHermann Blumer, Waldstatt

So wohnt man in der 2000- Watt-Gesellschaft: Die

hohe Kompaktheit der Bau -körper der Siedlung

Sihlbogen schafft ideale Voraussetzungen für

einen energieeffizienten Bau und Betrieb.

(Dachtler Partner AG)

Siehe auch Interview Seite 36

Heft 20 39

Standort Leimbachstrasse 5, 25, 33, Frymannstrasse 2 + 4, 8041 Zürich

Gebäudetyp 1. Etappe: Wohnen (2 Gebäude)2. Etappe: Gewerbe und Wohnen (1 Gebäude)

Projektstand Geplanter Baubeginn Herbst 2008, Fertigstellung 2010

Energiebezugsfläche 1. Etappe: 8636 m2 pro Gebäude (2-mal)2. Etappe: 10 250 m2

Gesamtbaukosten (BKP 2) ca. 90 Millionen Franken

40 Heft 20

Topbauten

Bezahlbare Wohnungen und soziale Durch-mischung – die Zürcher Baugenossenschaft Turicum bleibt bei den Leuten. Mit den Ersatzbauten am Leonhard-Ragaz-Weg in Zürich schlägt sie nicht wie viele andere Baugenossenschaften den Weg ins höhere Preissegment ein. Ein gutes Preis-Leistungs-verhältnis steht im Vordergrund. Allerdings nicht um dabei auf eine nachhaltige Bau-weise basierend auf den SIA-Effizienzpfad zu verzichten.Die Anforderungen der Bauherrin sind klar formuliert: Anstelle der heute sechs veralteten Genossenschaftsbauten aus den 1940er Jahren sollen bald Wohnungen für Familien, Paare und Alleinstehende ent-stehen. 4½-Zimmer-Wohnungen sollen zahlenmässig rund die Hälfte ausmachen, gefolgt von 30 % 3½-Zimmer-Wohnungen, 20 % 2½-Zimmer-Wohnungen und eini-gen wenigen 5½-Zimmer-Wohnungen. Der Netto-Mietpreis für eine 4½-Zimmer-Wohnung soll knapp unter 2000 Franken liegen.Günstig und energieeffizient: Bedeutet das grosse Abstriche beim Wohnkomfort? «Nein. Es ist unser Ehrgeiz Komfort, Gestaltung, Energieeffizienz und Baukosten unter einen Hut zu bringen», sagt Robert Haas, Architekt von Harder Haas Partner AG. Gründliche Planung, enge Zusammen-arbeit mit den Fachplanern und ein intelli-gentes Baukonzept seien allerdings Vor-aussetzung. Im Falle Leonhard-Ragaz-Weg

bedeutet dies kompakte Gebäude, zusam-mengelegte Schächte für Lift, Regenwasser, Elektrizität und Belüftung und möglichst wenig Unterterrainbauten. «Mit diesem Konzept können wir doppelt so viel Wohn-fläche wie vorher bauen, ohne die Grünflä-chen zu reduzieren.» Um trotz der engen Kostenvorgaben auch bei der Materialisie-rung und beim Heizsystem den Anforde-rungen von Minergie-P gerecht zu werden, setzt Architekt Haas zusammen mit der Bauherrschaft auf ein breites Expertenteam aus Fachleuten und Genossenschaftsver-tretern. Der gesamte Arbeitsprozess kann von allen involvierten Personen auf einer webbasierten Plattform mitverfolgt werden. «Jeder hat damit stets Zugriff auf den Stand der Dinge.» Die notwendige Zusammenar-beit werde so intensiviert.Die strengen Vorgaben der Bauherrin lei-ten die Architekten bei der Ideenfindung in eine gewisse Richtung. Als Ersatzbauten sind am Leonhard-Ragaz-Weg drei kom-pakte Doppelhäuser und ein riegelartiger Bau zur verkehrsreichen Gutstrasse hin geplant. Letzterer schirmt die Siedlung vom Lärm ab. Insgesamt soll die Siedlung 164 Wohnungen und sieben Gewerbeeinheiten umfassen. Ihre Planer legen viel Wert dar-auf, dass die das Umfeld prägende Garten-stadtatmosphäre in die Siedlung einfliesst. «Auch im urbanen Raum soll das Bedürf-nis nach grünen Flächen gedeckt sein», sagt Haas.

Mehr Platz dank Ersatz

Der Ersatzbau am Leonhard-Ragaz-Weg beweist: Günstig bauen und Energieeffizienz beissen sich nicht. Intelligente Konzepte sind allerdings Voraussetzung. Raphael Hegglin

BauherrschaftBaugenossenschaft Turicum,

Zürich

ArchitekturHarder Haas Partner AG,

Eglisau

LandschaftsarchitekturRotzler Krebs Partner,

Winterthur

TechnikplanerRMB Engineering, Zürich

QS NachhaltigkeitArchitekturbüro

H. R. Preisig, Zürich

Standort Leonhard-Ragaz-Weg, Zürich

Gebäudetyp Mehrfamilienhäuser

Projektstand Baubeginn ab 2009

Energiebezugsfläche 24 000 m2

Gesamtbaukosten (BKP 2) noch offen

Heft 20 41

23.2

3.5-Z.Whg83.7m2

14.0

17.3

14.5

17.3

14.0

23.2

2.5-Z.Whg66.6m2

4.5

18.4

18.4

2.4

7.7

4.5 7.7

23.2

3.5-Z.Whg83.7m2

14.0

17.3

14.5

17.3

14.0

23.2

2.5-Z.Whg66.6m2

4.5

18.4

18.4

2.4

7.7

4.5

7.7

23.2

3.5-Z.Whg83.7m2

14.0

17.3

14.5

17.3

14.0

23.2

2.5-Z.Whg66.6m2

4.5

18.4

18.4

2.4

7.7

4.5 7.7

4.5

17.3

14.0

23.2

2.5-Z.Whg66.6m2

7.7

23.2

2.5-Z.Whg68.2m2

14.0

16.3

2.5-Z.Whg66.6m2

4.5

18.4

18.4

7.7

2.4

Z 13.0

G 6.3

Z 13.8

G 6.3

Z 15.8

Z 13.8

Z 15.8

Z 13.8

Z 13.8

E/K 15.4

D 3.4

D 3.4

Z 13.8

E 9.6

B 4.8

W/E/K 35.5

E 9.6

W/E/K 35.5

B 4.8

G 5.0

W 21.2

B 4.9

Z 13.0

D 5.2

2.4

Z 11.0

E 10.3

W/E/K47.7

45.7

B 4.9

G 10.2

W/E/K32.4

B 4.9

G 10.2

G 6.3Z 15.8

Z 13.8

D 3.4

Z 13.8

Z 13.8

G 6.1

Z 15.8

Z 13.8

Z 13.8

D 3.4 W/E/K 35.5

W/E/K 35.5

B 4.8

B 4.8

E 9.6

E 9.6

Z 13.8

B 4.9

Z 13.0

D 5.8 2.4

B 4.9

G 10.2

G 6.3

W/E/K 35.5

Z 13.8

Z 13.8

W/E/K32.4

G 6.3

E 9.6

Z 15.8

Z 13.8

D 3.4

B 4.8

W/E/K 35.5

Z 13.8

G 10.2

Z 13.8

W/E/K43.0

G 6.3

E 9.6

Z 15.8

Z 13.8

W/E/K 35.5

Z 13.8

G 6.3

Z 15.8

Z 13.8

Z 15.8

Z 13.8W/E/K 35.5

2.7

Z 13.8

Z / Büro15.4

G 5.3

D 3.4

D 3.4

B 4.8

D 3.4

B 4.8

Z 13.8

Z 13.0

B 4.9

B 4.8

E 9.6

E 9.6

W/E/K32.4

E 10.4

Z 13.8 G 6.3

Z 15.8

Z 13.8

D 3.4

Z 13.8

Z 13.8

G 6.3

Z 15.8

G 6.3

Z 15.8

Z 13.8

G 6.3

Z 15.8

Z 13.8

W 32.4

D 3.4

D 3.4

D 3.4

Z 13.8

Z 13.8

B 4.9

G 10.2

W/E/K 35.5

E 9.6

B 4.8

W/E/K 35.5

G 10.2

E 9.6

W/E/K 35.5

W/E/K 35.5

B 4.8

B 4.8

Z 13.0

B 4.9

B 4.8

E 9.6

E 9.6

Z 13.8

Z 13.8

Z 13.0

W/E/K 45.2

W/E/K32.4

Z 13.8

G 10.2B 4.9

B 4.9

G 10.2

Z 13.8

Leonhard-Ragaz-Weg ZürichHarder Haas Partner AG

2.OG1:1000

08-03-20

Energieeffiziente Garten-stadt: Der Ersatzneubau der Genossenschaftssiedlung Leonhard-Ragaz-Weg in Zürich. (Raumgleiter GmbH) Geplant sind drei kompakte Doppelhäuser und ein rie-gelartiger Bau zur verkehrs-reichen Gutstrasse hin. (Harder Haas Partner)

42 Heft 20

Topbauten

Faktor: Wie anspruchsvoll ist das Entwer-fen von 2000-Watt-kompatiblen Gebäu-den?Samuel Bünzli: Grundsätzlich wird die Gestaltung und Planung von Gebäuden komplexer, da zusätzliche Kriterien berück-sichtigt werden müssen, welche die Archi-tektur bereits in der Entwurfsphase stark beeinflussen. Dies erfordert von Beginn an eine intensive Zusammenarbeit mit Fachpla-nern, insbesondere Bauphysikern und Haus-technikplanern. Das Planen und Bauen wird dadurch noch stärker zu einem interdis-ziplinären Prozess, welcher bereits in der Wettbewerbsphase beginnen sollte. Insofern erscheinen Generalplaner-Wettbewerbe als sinnvolles Instrument, um die Kontinuität in der Planung zu gewährleisten.

Was sind die neuen Knackpunkte, die ein Architekt beim gestalterischen Entwerfen zu berücksichtigen hat?Die energetischen Vorgaben haben zur Folge, dass die Gebäudevolumetrie und die Ausrichtung eine grössere Bedeutung bekommen. Eine gut gedämmte Hülle und ein sinnvolles Energiekonzept reichen alleine oft nicht aus, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Dies hat einerseits zur Folge, dass der gestalterische Spielraum massiv eingeschränkt wird. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Städtebau in einem sehr starken Mass durch die energetischen Vor-gaben bestimmt und vereinheitlicht wird. Anderseits ergeben sich Situationen, in welchen sowohl die Ausrichtung als auch die energetisch erforderliche Volumetrie eines Gebäudes durch den städtebaulichen Kontext oder die Nutzung eingeschränkt werden. Insbesondere in innerstädtischen Situationen kann daher eine Flexibilisie-rung hinsichtlich der energetischen Ziel-werte erforderlich sein.

Verursacht das 2000-Watt-kompatible Bauen also problematische Einschränkun-gen?Die erhöhten Anforderungen führen primär zu einem anspruchsvolleren und aufwän-digeren Planungsprozess: Die Erarbeitung eines sinnvollen Haustechnikkonzeptes wird wichtiger und die Koordination kom p lexer. Die Detaillösungen erfordern zusätzliche Abklärungen und die Wahl der verwendeten Materialien und Einzelbauteile wird eingeschränkt. Als Folge davon erhö-hen sich sowohl die Planungs- wie auch die Baukosten. Besteht von Seite der Bauherr-schaft ein Bewusstsein für diese Zusammen-hänge wird der Planungs- und Bauprozess nicht wesentlich eingeschränkt. Fehlt dieses Verständnis kann der Konflikt zwischen ökologischem Anspruch und ökonomi-schem Druck kaum aufgelöst werden.

Geht es aber nicht auch um Pionierarbeit?Natürlich, und gerade darum ist es sehr wichtig, dass sich alle am Planungsprozess Beteiligten dessen bewusst sind. Für viele Fragen gibt es noch keine abschliessenden Antworten. Dies hat zur Folge, dass Lösun-gen gemeinsam entwickelt und das Ver-ständnis dafür erarbeitet werden müssen: Minergie-P wurde anfänglich für Wohn-bauten entwickelt, für eine Nutzung mit sehr geringen internen Wärmelasten und beschränktem Tageslichtbedarf. Durch ein kompaktes Volumen, eine richtige Exposi-tion und eine gut gedämmte Gebäudehülle kann die Heizleistung und der Energiever-brauch relativ einfach optimiert werden. Im Gegensatz dazu sind bei einem Schulhaus, wie wir es in Cham-Hünenberg derzeit realisieren, die Rahmenbedingungen und somit auch die Anforderungen an das Ener-giekonzept ganz anders: Durch den grossen Tageslichtbedarf und die hohen internen Lasten kombiniert mit der hoch gedämm-

Sinnvoller Mittelweg

Der Entwurf von Bauprojekten, die energieeffizient, mit wenig grauer Energie und architektonisch hochwertig zu konzipieren und zu gestalten sind, kann Widersprüche verursachen, sagt Architekt Samuel Bünzli.

Standpunkt

Siehe auch Porträt Eichmatt, Seite 44

Heft 20 43

ten, luftdichten Gebäudehülle wird nicht mehr das Heizen sondern vielmehr die Überhitzung des Gebäudes zum zentralen Problem. Dadurch musste nach neuen Lösungsansätzen gesucht werden. Ein Pro-zess, der sehr intensiv und interessant war, aber nur zum Ziel führen konnte, weil sich alle daran beteiligten und ein reger Infor-mationsaustausch stattfand.

Stimmt die Schlussfolgerung, bei 2000-Watt-Gebäuden auf den Minergie-P-Stan-dard zu setzen?Geht es bei Minergie-P primär um den Energieverbrauch von Gebäuden, werden im Rahmen der 2000-Watt-Gesellschaft auch die Erstellung und die durch die Bau-ten verursachte Mobilität mitberücksich-tigt. Da es in beiden Fällen darum geht den Energieverbrauch zu reduzieren und Minergie-P im weitesten Sinne ein Teil der 2000-Watt-Betrachtung ist, erscheint es auf jeden Fall sinnvoll dies miteinzube-ziehen. Im Konkreten entstehen allerdings auch Widersprüche, die in der Sache selber liegen: Minergie-P bedingt eine sehr gut gedämmte Gebäudehülle, im Gegensatz dazu wird bei nachhaltigen Bauten auch die graue Energie miteinbezogen, was in der Gesamtbetrachtung unter Umständen zu weniger starken Aufbauten führen würde. Folglich müssen die am Projekt Beteiligten einen sinnvollen Mittelweg finden.

Was müssen die Bauherren tun, wenn sie die Ener-gieeffizienz beson-ders berücksich-tigen, gleichzeitig aber den Architek-ten wieder mehr gestalterische Freiheiten geben wollen?Grundsätzlich ist es auf jeden Fall sinnvoll – wenn nicht sogar Pflicht – den energe-tischen Aspekten mehr Bedeutung bei-zumessen und Gebäude zu erstellen, die eine wesentlich bessere Energiebilanz auf-weisen. Gleichzeitig muss man sich aber bewusst sein, dass sowohl die Zielwerte der 2000-Watt-Gesellschaft wie auch diejenigen von Minergie-P künstlich festgelegte Grös-sen sind. Die Gefahr besteht darin, dass man sich zu stark auf diese Werte fixiert und dadurch den Handlungsspielraum so einschränkt, dass ein Reagieren auf spezi-fische, erschwerende Rahmenbedingungen beinahe verunmöglicht wird. Das Hauptan-liegen sollte sein, möglichst viel Energie zu sparen und nicht einer Auszeichnung oder einem Label hinterherzueifern. Gleichzeitig darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass nicht nur energetische sondern auch archi-tektonische und städtebauliche Aspekte die Nachhaltigkeit und Lebensqualität unserer Städte bestimmen. Interview: Paul Knüsel, Foto: Gian Vaitl.

«Generalplaner-Wettbewerbe erscheinen

mir als sinnvolles Instrument, um die

Kontinuität in der Planung

zu gewährleisten.»

Samuel Bünzli ist Mitinha-ber von Bünzli & Courvoisier

Architekten in Zürich.

44 Heft 20

Topbauten

Der Fensterplatz im Schulzimmer ist berühmt, da er Schülerinnen und Schü-ler vom Zuhören abhalten soll. Aber auch unter Energieplanern ist dieser Platz berüchtigt. Hier entscheidet sich nämlich, wie nachhaltig ein Schulhaus geplant und gebaut wird. Komfort und Energiever-brauch hängen entscheidend von der Fens-terfläche ab: Grosse Fenster begünstigen den Einfall von Tageslicht und reduzieren den Bedarf für die künstliche Beleuchtung. Eine geringe Beleuchtungsleistung reduziert zudem den Stromverbrauch und produ-ziert weniger Abwärme. Denn von letzterer hat es bereits zu viel: Die für den Unter-richt eingesetzten Geräte und Computer sowie die Schulkinder sind derart relevante gebäudeinterne Wärmequellen, dass im neuen Schulhaus Eichmatt mehr Energie fürs Kühlen als für das Erwärmen benötigt wird. Das meint: Um zusätzlich die war-men Aussentemperaturen und die direkte Sonneneinstrahlung im Gebäudeinneren zu kompensieren, wird sanfte Klimatech-nik eingesetzt. Das Energiekonzept basiert auf Wärmepumpen, die das Erdreich je nach Bedarf zur Wärmegewinnung oder zur Pufferung benutzen, sowie einem thermo-aktiven Bauteilsystem. Die Vorlauftempe-raturen in den Rohrleitungen im Unter-lagsboden betragen nur wenig mehr als 20 Grad. An kalten Tagen sorgt dies zusam-men mit den internen Wärmequellen für die erforderliche Raumtemperatur. An den

übrigen Tagen wird der interne Wärme-überschuss an das Regulierungssystem im Boden übertragen und abgeführt. Die auf Sparsamkeit bedachte Gesamtbi-lanz lautet somit: Der Minergie-P-Standard reduziert den Aufwand für die Raumwärme auf rund 20 % eines üblichen Gebäudes; bezogen auf die gesamte Betriebsenergie (Raumwärme, Warmwasser, Licht und Apparate) sind es zudem weniger als die Hälfte eines konventionell gebauten Pro-jekts. Ein grosser Teil des Strombedarfs wird zudem mit Solarzellen auf dem Dach gedeckt. Die Realisierung wird einem Con-tractor übergeben, der die Anlage bis zum Bezug des Schulhauses in Betrieb nehmen wird.Auch die Architektur ist energetisch geprägt. Beim Wettbewerb wurden «2000-Watt-kompatible»-Vorschläge gesucht. Die eingereichten Projekte wurden nach SNARC auf ihre Nachhaltigkeit und den Minergie-P-Standard überprüft. Das Siegerprojekt stützt sich auf einen kom-pakten Baukörper ab, besitzt einen lang-gezogenen Grundriss und zieht sich um drei Lichthöfe. Die Gänge dienen ebenso der inneren Erschliessung wie als Aufent-haltsraum. Die Räume im dreigeschossigen Gebäude werden über die Höfe belichtet. Das Raumprogramm umfasst neben Räu-men für die Schule eine Musikschule, drei Kindergärten, eine Doppelturnhalle, eine Aula sowie die Hausmeisterwohnung. Die primäre Struktur besteht aus Eisen-beton; die Fassade wird in hoch wärme-gedämmter, vorfabrizierter Holzbauweise erstellt. Innerste und äusserste Schicht bestehen aus gehobeltem Lärchenholz. Für die Fenster sind dreifachverglaste Holzme-tallfenster vorgesehen.Das Vorhaben der Nachbargemeinden Hünenberg und Cham, ein gemeinsames ökologisches Schulhaus zu bauen, ist gut

Vorbild macht Schule

Die Nachbargemeinden Cham und Hünenberg wachsen zusammen. Ihr gemeinsames Engagement für energieeffizientes Bauen setzt im Kanton Zug neue Standards. Paul Knüsel

BauherrschaftEinwohnergemeinden Cham

und Hünenberg

ArchitektenBünzli & Courvoisier Architekten, Zürich

b+p baurealisation ag, Zürich

LandschaftsarchitektenVogt Landschaftsarchitekten

AG, Zürich

FachplanerMeierhans und Partner AG,

Schwerzenbach

Standort Eichmatt Cham und Hünenberg, Kanton Zug

Gebäudetyp Schulhaus (Klassenzimmer, Aula, Turnhalle)

Projektstand Bezug Herbst 2009

Geschossfläche 8581 m2 (nach SIA 416)

Gesamtbaukosten (BKP 1–9)

28,6 Millionen Franken

Die Fassade wird in hoch wärmegedämmter, vor-

fabrizierter Holzbauweise erstellt. Die äussere

Schicht besteht aus ge-hobeltem Lärchenholz.

Die Grundrisse der drei Ebe-nen zeigen die kompakte

Gebäudeform mit dem kom-binierten Platz für Erschlies-

sung und Aufenthalt.(Bünzli & Courvoisier)

Siehe auch Interview Seite 42

Heft 20 45

abgestützt. Beide zusammenwachsenden Gemeinden sind Mitglied im Verein «Ener-giestadt». Und der Chamer Gemeinderat hat sich in seinem Leitbild verpflichtet, bei Neubauten den Minergie-P-Standard zu erfüllen. Die Stimmbevölkerung hat dies offensichtlich verstanden: In allen dafür erforderlichen kommunalen Urnengängen ist das Projekt einhellig abgesegnet worden. Selbst die von Anfang an ausgewiesenen Mehrkosten von 1 Million Franken haben keine öffentliche Kritik am Schulhauspro-jekt ausgelöst. Womit die beiden Gemein-den innerhalb des Kantons Zug eine Vorrei-terrolle als ökologisch verantwortungsvolle Bauherrschaft einnehmen.

Ebene 3

S7

Ebene 2

Ebene 1

46 Heft 20

Topbauten

Zwei Hochhäuser der Genossenschaft Zurlinden prägen das Bild des Quartiers Leimbach am süd-westlichen Stadtrand von Zürich. Die Grundrisse und vor allem die Küchen und Bäder der Wohnhäuser aus den 70er Jahren sind veraltet. Die Häuser sollen auch energetisch auf den neusten Stand gebracht werden. Die Vorgabe der Baugenossenschaft Zurlinden ist bei die-sem Projekt, wie auch bei der Siedlung Sihlbogen die 2000-Watt-Kompatibili-tät. Die Genossenschaft hat dabei so gute Erfahrungen mit dem SIA-Effizienzpfad gemacht, dass das Instrument nun auch bei der Sanierung der beiden Hochhäuser zur Anwendung kommt.In einem ersten Schritt erstellte ein Energie-experte eine Vorstudie, die das Potenzial der energetischen Sanierung aufzeigt. Sie bildet die Arbeitsgrundlage für das beauftragte Architekturbüro Harder Haas Partner. Das Projekt steckt noch mitten in der Vorstu-dienphase: Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten für die Grundrisse und die Materialisierung der Fassade durchprobiert. Dabei sind die Architekten nicht auf sich selbst gestellt: Ein grosses Team, bestehend aus Energieexperten, Bauphysiker und Fas-sadenhersteller, arbeitet eng zusammen und sucht gemeinsam nach neuen Lösungen. Schwachstellen in den zwei Hochhäusern sind die aussenliegenden Treppenhäuser, über die viel Wärme verloren geht. Auch die Balkone in den Ecken sind grosse

Wärme brücken. Ziel der Sanierung ist es, eine möglichst kompakte, glatte Hülle, die wenig graue Energie aufweist, zu errei-chen. Da auf dem Areal noch eine Aus-nutzungsreserve von 40 m2 pro Geschoss besteht, könnten die Balkone als Wohn-raum genutzt werden. Statt daraus – wie so oft bei Sanierungen – einfach Wintergärten zu machen, spielen die Architekten auch andere Möglichkeiten durch. Eine Möglich-keit ist, in den Balkonraum die Küche ein-zubauen, die damit zu einem der schönsten Räume wird: Auf zwei Seiten Fenster und mit herrlichem Ausblick auf die Stadt. Die Fläche der alten Küche würde dem Wohn-zimmer zugeschlagen. Der Vorteil wäre, dass die Anzahl Zimmer gleich und die Wohnung bezahlbar bleibt. Denn anders als die benachbarte Genossenschaftssiedlung «Vista verde» mit ihren grossen Familien-wohnungen sollen die Sihlweid-Hochhäuser weiterhin Platz für 3½- und 2½-Zimmer-Wohnungen für 1- oder 2-Personen-Haus-halte bieten.Des Weiteren soll eine Wohnungslüftung die Energieverluste verringern. Geplant ist der Einbau von dezentralen Raumlüftern, die keine Lüftungskanäle brauchen – ein grosser Vorteil bei Sanierungen. Die Ölhei-zung wurde erst gerade saniert, ist sicher zu gross für das sanierte Haus, hier muss noch eine Lösung gesucht werden. Auch der Ein-satz von Photovoltaikzellen in der Fassade wird in Betracht gezogen.Eine grosse Herausforderung ist die Höhe der beiden Gebäude, die mit ihren 17 beziehungsweise 19 Geschossen gegen 60 m hoch sind. Das stellt besondere Anforde-rungen hinsichtlich Statik und feuerpolizei-lichen Auflagen. Auch der Sanierungsablauf muss gut geplant sein, denn die Bewohner bleiben während des Umbaus im Haus.

Hoch hinaus

Zwei Wohntürme aus den 70er Jahren werden auf den neusten Stand gebracht: Nach der Sanierung sollen sie gar 2000-Watt-kompatibel sein. Christine Sidler

Über die grossen Eck-balkone der Hochhäuser

Sihl weid in Zürich- Leimbach geht viel

Wärme verloren. (Harder Haas Partner AG)

BauherrschaftBaugenossenschaft

Zurlinden, Zürich

Architekt (Umbau)Harder Haas Partner AG,

Eglisau

IngenieureHenauer Gugler AG, Zürich

QS NachhaltigkeitArchitekturbüro

H. R. Preisig, Zürich

BauphysikEmpa, Thomas Frank,

Dübendorf

Haus B15 Haus B16

Standort Sihlweidstrasse 1, Zürich Leimbachstrasse 215, Zürich

Baujahr 1975 1974

Gebäudetyp Hochhaus, 17 Geschosse Hochhaus, 19 Geschosse

Projektstand In Planung, geplanter Baubeginn noch offen

EBF 20 000 m2

Gesamtbaukosten in Planung

Siehe auch Interview Seite 36

Porträt Sihlbogen, Seite 38

Heft 20 47