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Heilpflanzenforschung der WELEDA Herausgegeben von: Weleda- Naturals GmbH Zusammengestellt von: Michael Straub Eva Maria Walle Am Pflanzengarten 1 73527 Schwäbisch Gmünd Tel.: 07171/8748820 www.weleda-naturals.de März 2007 Eine Sammlung der Forschungsprojekte über Heilpflanzenanbau und Wildsammlung der WELEDA AG/WELEDA NATURALS GMBH und Kooperationspartnern

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Heilpflanzenforschung der WELEDA

Herausgegeben von: Weleda- Naturals GmbH

Zusammengestellt von: Michael StraubEva Maria WalleAm Pflanzengarten 173527 Schwäbisch GmündTel.: 07171/8748820www.weleda-naturals.de März 2007

Eine Sammlung der Forschungsprojekte über Heilpflanzenanbau und Wildsammlung der WELEDA AG/WELEDA NATURALS GMBH und Kooperationspartnern

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ie Wissenschaft hilft uns vor allem, dass sie das Staunen,

wozu wir von Natur berufen sind, einigermaßen erleichtere,

sodann aber, dass sie dem immer gesteigerten Leben neue

Fertigkeiten erwecke, zur Abwendung des Schädlichen und

Einleitung des Nutzbaren.

J. W. Goethe

D

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Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort 1

Wirtschaften im Einklang mit dem 2Naturgeschehen. Der WELEDA- Gartenals Rohstofflieferant

Wildsammlung

- Lungenflechte lobaria pulmonaria 13

- Arnika Arnica montana 20

- Ratanhia Krameria lappacea 26

Inkulturnahme

- Augentrost Euphrasia rostkoviana 32

- Meisterwurz Peucedanum ostruthium 39

- Taubnessel Lamium album 43

- Waldsauerklee Oxalis acetosella 51

- Ausgewählte Arzneipflanzen: 55*Herbstzeitlose Colchicum autumnale*Weiße Taubnessel Lamium album*ImmergrüneBärentraube Arctostaphylos uva-ursi*Maiglöckchen Convallaria majalis*Waldbingelkraut Mercurialis perennis

Anbauoptimierung

- Anzuchterde für Johanniskraut Hypericum 60

- Pflanzenstärkungsmittel bei Sonnenhut 67Echinacia angustifolia

- Mehltau bei Ringelblume Calendula 74

Herkunftsprüfung

- Wegwarte Cic orih um intybus 79

Inhaltsverzeichnis

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Vorwort

Es ist nichts Neues, schon seit Gedenken macht sich der Mensch die Heilkraft der Pflanzen zu Nutzen. Doch unsere Welt ist im stetigen Wandel und damit auch die Bedingungen für Wachstum und Wirkungsmöglichkeiten der Arzneipflanzen. An dieser Stelle muß der Mensch heute forschend tätig sein. Es gilt sich einzustellen auf die Veränderungen des Elementes der Erde und auf den existentiell notwendigen Umweltschutz. Hieraus ergeben sich für die WELEDA die drei Hauptforschungsgebiete im Heilpflanzenanbau:

- Stabilisierung der Pflanzenqualität durch ausgewählte Anbaustrategien

- Inkulturnahmen bedrohter Pflanzen- Nachhaltige Wildsammlung

All diese Bemühungen stehen für die WELEDA unter dem zentralen Anliegen, die Urqualität der Pflanzen hinsichtlich ihrer Lebenskräfte und Lebendigkeit zu erhalten und zur Entfaltung zu bringen.

Bas Schneiders, Geschäftsführer

Vorwort 1

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Wirtschaften im Einklang mit dem Naturgeschehen. Der WELEDA-Garten als RohstofflieferantDipl.-Ing.agr. Michael Straub Leiter Heilpflanzenanbau / Anbauprojekte, WELEDA Naturals GmbH

1. Einleitung

Die Weleda AG will als weltweit tätige Unternehmensgruppe den Menschen zur Wiedererlangung und Erhaltung ihrer Gesundheit dienen, dies geschieht gemäß dem durch Anthroposophie erweiterten Menschen- und Naturverständnis. Die Weleda entwickelt und vertreibt dafür Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel. Für die

Herstellung der Präparate werden in der Regel natürliche Substanzen verwendet, einen erheblichen Anteil an den Ausgangsstoffen haben Pflanzen, Pflanzenteile und ihre Extrakte.

Im Juli 2006 wurde die WELEDA-Naturals als Dienstleister für die internationale Gruppe mit den Bereichen Heilpflanzenanbau / Anbauprojekte, Tinkturenherstellung und internationale Beschaffung gegründet. Die GmbH betreibt auch ein Erlebniszentrum das Unternehmens- und Gartenführungensowie andere Veranstaltungen organisiert. Für die Sicherung der Qualität und Verfügbarkeit pflanzlicher Rohstoffe hat die Weleda im Wesentlichen zwei Standbeine:

• Eigene Wildsammlung und von Vertragspartnern• Anbau in weltweit sechs firmeneigenen Gärten und von Vertragspartnern

2. Wildsammlung

Der Anteil wild gesammelter Pflanzen, die in der Weleda verarbeitet werden ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Hauptgründe dafür sind:

• Pflanzenarten werden unter Naturschutz gestellt und dürfen nicht mehr gesammelt werden

Einleitung 2

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• traditionelle Sammler mit ausreichender Pflanzenkenntnis werden weni-ger

• Standorte für Wildsammlung werden durch Schadstoffeintrag verunrei-nigt oder überbaut

• firmeneigener Anbau bietet hohe Sicherheit, und ist bei Kleinmengen kostengünstiger

Die WELEDA hat traditonelle Handelsbeziehungen mit Wildsammlern, deren wirtschaftliche Existenz von dieser Tätigkeit heute und auch in Zukunft abhängt. Die Durchführung und Weiterentwicklung einer nachhaltigen Wildsammlung ist deshalb für alle Beteiligten immer wichtiger .

Die Wildsammlungsprojekte der WELEDA lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

• Zertifizierte Wildsammlung nach EU-Verordnung über den ökologischen Landbau

• Kultivierung von Wildpflanzen am natürlichen Standort• Ökologische Habitatpflege

2.1. Zertifizierte Wildsammlung nach EU-Verordnung 2092/91 über den ökologischen Landbau

Für die Produktion von Elixieren aus Früchten von Wildobstarten und Birken-blättern unterhält die WELEDA einige Anbauprojekte, ein erheblicher Anteil stammt aber auch aus zertifizierter Wildsammlung.

Um die Nachhaltigkeit der Wildsammlung zu gewährleisten und das Habitat, aus dem die Ernte stammt, nicht zu schädigen, werden diese Projekte von ei-nem unabhängigen und staatlich überwachten Institut ständig kontrolliert. Diese Kontrolle basiert auf der EU-Verordnung 2092/91 über den ökologischen Landbau, welche durch die ergänzende Verordnung 2608/93 vom 23. Septem-ber 1993 auf das Sammeln von Wildpflanzen ausgedehnt wurde. Bei Importwa-re aus Drittländern muß die Konformität der ökologischen Erzeugung / Samm-lung mit EU Normen vom Importeur nachgewiesen werden. Dazu wird eine um-fangreiche Dokumentation mit den folgenden Inhalten erstellt:

• Beschreibung der Sammelgebiete (z.B. Flurkarten und topographische Karten)

• Nachweis, daß das Sammeln die Stabilität des natürlichen Habitats und die Erhaltung der Arten im Sammelgebiet nicht beeinträchtigt (z.B.: in

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regelmäßigen Abständen vorzulegende Unbedenklichkeitsbestätigung der Untersten Naturschutzbehörde bzw. bei Drittländern von der jeweils zu-ständigen staatlichen Behörde).

• Bestätigung der Besitzer, daß in dem Sammelgebiet keine Mittel einge-setzt werden, die gemäß der Verordnung nicht zulässig sind (z.B. Pestizi-de), bzw. daß das mit der Wildsammlung befaßte Unternehmen, sowie die Kontrollstelle vorab über die Durchführung solcher Maßnahmen infor-miert werden. Gegebenenfalls Nachweise über die ökologische Vorbewirt-schaftung des Sammelgebiete z.B. Bestätigung des Eigentümers und Be-wirtschafters, etwa einer Forstbehörde, über die entsprechende Vornut-zung (Düngung, Schädlingsbekämpfung) des Sammelgebietes.

Seit 1993 bezieht die WELEDA junge Birkenblätter, die zu Birken-Elixier verarbeitet werden aus Wildsammlungen in Südböhmen. Sammelzeit ist Anfang Juni. Die Birken wachsen um die zahlreichen Moorweiher, entlang von Waldrändern und auf ehemaligen Lichtungen von typischen mitteleuropäischen Mischwäldern, die verschiedenen Standorte führen zu differenzierten Qualitäten. Die Birkenblätter aus der Region Budweis zeigen bei chemischen Untersuchungen bessere Qualitäten als das Sammelgut anderer Herkünfte. Das betrifft konkret den Gehalt an Flavonoiden, die v.a. in jungen Birkenblättern vorkommen und u.a. für die pharmakologische Wirkung verantwortlich sind. Für die WELEDA sind jedoch noch weitere Qualitätsmerkmale als nur die Resultate der Laboranalysen von Bedeutung, zum Beispiel kieselhaltiges Urgestein, das die Vitalität der Pflanze fördert.

2.2. Rekultivierung von Wildpflanzen am natürlichen Standort und in situ-Vermehrung

Als gegen Anfang der siebziger Jahre die Frage nach dem Artenschutz der Ar-nika aufkam, pachtete die WELEDA eine Anzahl von Wiesen im Südschwarz-wald und in der Schweiz. Das Ziel war damals, natürliche Habitate mit dort vorkommenden Pflanzen anzureichern, die aus Saatgut von der Umgebung ge-wonnen wurden. In dieses Forschungsprojekt wurde seitens der WELEDA sehr viel Zeit und Geld investiert, um die am besten geeigneten Böden, die beste Be-gleitflora, die geeignete Pflanzmethode etc. zu finden. Eine wissenschaftliche Begleitung von Teilen dieses Projekts wurde von der Universität Erlangen (E-CKERT und FÜRST, 1994) realisiert. Obwohl nun in den letzten Jahren ein re-lativ dichter Bestand in Biotopen vom Typ Magerrasen herangewachsen ist, wird deutlich, daß sich diese Rekultivierung für eine größere Ernte nicht eig-net.

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Die Arnika wächst sehr langsam und reagiert am Wildstandort gegenüber Ver-änderung von Lichtverhältnissen, Bodenfeuchtigkeit, der Mycorrhizasituation und nicht biotopge rechter Pflege mit Bestandsrückgang (SCHWABE, 1990).

Seit 2004 beteiligt sich die WELEDA AG zur Gewinnung eines Rohstoffes für Hustensirup an einem Projekt zur nachhaltigen Wildsammlung und in situ-Vermehrung der geschützten Flechtenart Lobaria pulmonaria. In diesem Pro-jekt wird genau definiert wie viel Flechten von wie viel Bäumen geerntet werden kann ohne dass die Art dadurch gefährdet wird. Zusätzlich werden Thal-lusfragmente transplantiert damit sich die Population schnell regeneriert und eine starkes Ausbreitungs- und Vermehrungspotential gefördert wird. Siehe den Beitrag von SCHEIDEGGER, ( 2006) in diesem Band.

2.3. Ökologische Habitatpflege

Ein Versuch im größeren Ausmaß wurde 1995 in den Vogesen (Chaumes) auf einer Fläche von ca. einem Hektar verlassener Wander-weide begonnen, wo die noch verbliebene kleine Arnikapopulation Gefahr lief durch Verbuschung vol-lends zurückgedrängt zu werden. Im Frühherbst des ersten Versuchs-jahres wurde das Grundstück von einem Landwirt gemäht, der größte

Teil der konkurrierenden Sträucher und das abgemähte Gras wurde entfernt. Auf einem Teil des Grundstücks wurde diese Maßnahme im nächsten Jahr nach der Arnikablüte wiederholt.Die Blütenstände haben durch diese Maßnahme nicht wesentlich zugenom-men, aber die Pflanzen waren vitaler und größer. Eine wissenschaftliche Beglei-tung wurde bis 2005 durch die Universität Metz sichergestellt.2001 wurde ein Vertrag mit einem Landwirt über die Pflege von einem 16 ha großen Areal abgeschlossen. Der Landwirt verpflichtete sich darin, ein den Be-dürfnissen der Arnika gemäßes Grasschnitt- und Weidesystem durchzuführen sowie auf den Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln zu ver-zichten.

Als weitere Konsequenz aus den Aktivitäten der WELEDA in dieser Region er-gab sich eine enge Zusammenarbeit mit der dortigen Bezirksregierung und ei-ner ansässigen Umweltschutzorganisation, die beide an dem Vertragsabschluß beteiligt sind. Das Interesse der Menschen vor Ort ist aus der Erkenntnis ent-

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standen, daß eine gezielte extensive Bewirtschaftung der Flächen und eine daraus resultierende Förderung der noch vorhandenen, aber stark zurückge-drängten Arnikapopulation als Leitpflanze, den originären Charakter der Regi-on wiederherstellt.Durch dieses Projekt konnte eine ideale Symbiose von wirtschaftlicher Nutzung und der Sicherstellung von hochwertigem pflanzlichen Rohstoff einerseits und Landschaftsschutz durch biotopgerechte Pflege andererseits gefunden werden.

Seit Mitte des Jahres 2005 ist WELEDA als Partner in dem Projekt „Conserva-tion of Eastern European Medicinal Plants-Arnica montana in Rumänien (MICHLER et.al. 2004) beteiligt. WELEDA definiert Qualitätsanforderungen, liefert Informationen über Arnika aus den zurückliegenden Projekten, beteiligt sich an den Kosten für eine neue Trocknungsanlage und kauft die gesamte ge-trocknete Ware (siehe den Beitrag von MICHLER et.al. „Nachhaltige Nutzung von Arnica montana aus Wildsammlung in Rumänien“ in diesem Band).

Für die Herstellung von Zahnpflegepräparaten verarbeitet die WELEDA die Wurzeln der Andenpflanze Rathania (Krameria lappacea). Seit 1999 engagiert sich die WELEDA AG in Peru mit dem Ziel eine dauerhafte nachhaltige Wild-samlung zu etablieren und vor Ort einen Anbau zu initiieren. Seit 2003 ist die GTZ in Form eines Private-Public-Partnerships (PPP) Projektes beteiligt. In die-sem Projekt wird ein Teil der botanischen Studien von der Fa. Botconsult durchgeführt (siehe den Beitrag von DOSTERT & WEIGAND, 2007 in diesemBand).

3. Vertragsanbau

Für Frischpflanzen und Drogen, die in größeren Mengen im pharmazeuti-schen Betrieb verarbeitet werden, so-wie für Pflanzen, die besondere Stand-ortbedingungen brauchen, pflegt die WELEDA Anbaupartnerschaften mit biologisch-dynamisch oder ökologisch wirtschaftenden Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betrieben im In-und Ausland. Alle Betriebe müssen nach EU-Verordnung 2092/91 über

den ökologischen Landbau zertifiziert sein und wenn möglich eine DEMETER-Verbandsanerkennung haben. Pflanzen, die besondere klimatische Ansprüche haben, die man daher in Deutschland nicht findet, werden auch im Ausland für die WELEDA angebaut. Darüber hinaus besteht selbstverständlich auch ein

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Austausch von Pflanzen, Pflanzenteilen, Tinkturen, Halbfertig- und Fertigpro-dukten mit ausländischen WELEDA- Niederlassungen sowohl in Europa als auch in Übersee. Die Auffindung von optimalen Standorten und Anbauern für die Kultivierung qualitativ hochwertiger Heilpflanzen stellt hohe Anforderungen. Die WELEDAwählt ihre Lieferanten erst nach genauen Analysen von Pflanzen und Boden aus, wobei auch die Nachbarschaft der Anbauflächen berücksichtigt wird - in Bezug auf potentielle Pestizidübertragung und mögliche Schwermetallbelas-tung durch nahegelegene Industrie und Verkehr. Einer Pestizidbelastung wird beispielsweise dadurch vorgebeugt, daß nur Felder ausgewählt werden, die nicht in der Hauptwindrichtung von konventionell bewirtschafteten Feldern liegen oder einen ausreichenden Abstand zu diesen haben. Für einige Pflanzenarten liegen allerdings noch keine Anbauerfahrungen vor, so daß eine Inkulturnahme erst systematisch erarbeitet werden muß.

4. Was ist biologisch-dynamischer Heil-pflanzenanbau?Um einen Heilpflanzenbetrieb ganzheitlich biologisch- dynamisch zu bewirtschaften ist es am besten, ihn als Organismus verstehen zu lernen, nur dann können wir mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten. Organismen haben die Fähigkeit der Selbstregulation. Es werden Fehlent-wicklungenrechtzeitig ausgeglichen, wenn

sich die einzelnen Organe eines Organismus in einer gewissen Harmonie gegenseitig beeinflussen. Dies geschieht aber niemals statisch sondern immer rythmisch wodurch der Kraftaufwand minimiert wird. Rhythmus ist die Ökonomie des Kraftaufwandes; Rhythmus führt Polaritäten zum Ausgleich. Ökologisch zu wirtschaften heißt, die Harmonie der Beziehungen der Lebewesen zueinander und zu ihrer Umwelt zu erkennen und zu fördern. Der Naturhaushalt wird durch komplizierte Mechanismen gesteuert und organisiert. In der anorganischen Natur bildet der Stoff aus seiner inneren Konstitution heraus die Form (Mineral), in der organischen Natur bildet der Organismus die Form, der Stoff wird gewechselt (Scheller 1991).

1. Alle Stoffe lebendiger Zusammenhänge befinden sich in Kreisläufen. Im Gartenbau allgemein werden insbesondere die Kreisläufe der Nährstoffe (Stickstoff, Phosphor, Kalium usw.) sowie die von Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasser beachtet. In jüngster Zeit findet vor allem der Kohlenstoff größere Bedeutung, wobei es mittlerweile bewiesen ist, daß eine ökologische Bewirtschaftung CO2 in Humus einbindet und damit zu einer Reduktion in der Atmosphäre beiträgt.

7Einleitung

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2. Abgestorbene Tier- und Pflanzenteile werden über viele Stufen durch die verschiedensten Organismen in ihre Grundelemente zerlegt. Der Substanzaufbau beginnt dann von neuem. Die Energie, welche diesenProzesse in Gang bringt, stammt von der Sonne.

3. Das geistige in der Natur hat im Laufe der Evolution eine unermeßliche Vielfalt an Lebensformen hervorgebracht, die in komplizierten Beziehungen zueinander stehen. Überall wo natürliche Systeme in ihrer Viefalt beeinträchtigt werden, geht nach kurzer Zeit auch ihre Stabilität verloren.

4. Ökosysteme die ähnlich einem Organismus funktionieren, regulieren sich weitgehendst selbst. Die Natur bedient sich der verschiedenartigsten Mechanismen, um ein Gleichgewicht zu halten. Zum Beispiel durch ein Räuber-Beute-Verhalten, wenn Marienkäfer Blattläuse fressen, oder durch Parasitismus, wenn Schlupfwespen Eier in Blattläuse oder Raupen ablegen.

Solche natürlichen Gleichgewichte bedeuten ein stetiges Auf und Ab von Lebensformen. Wenn sich bestimmte lebensbestimmende Faktoren zu stark verändern, beispielsweise durch extreme Witterung oder massive Eingriffe des Menschen, kann ein System zusammenbrechen und unter Umständen zu einer Massenver-mehrung von Schädlingen führen. Im biologisch-dynamischen Heil-

pflanzenanbau versuchen wir, diese Zusammenhänge zu beachten und zu nutzen. Dazu braucht es, neben der genauen Kenntnis über die Lebensweise der Lebewesen und einer hohen Aufmerksamkeit, eine gute Beobachtungsgabe, die ständig trainiert werden muß.Je genauer wir eine Betrachtung anstreben, desto ausschnitthafter wird unsere Wahrnehmung und desto klarer können wir sie gedanklich greifen, - die Ganzheit zerfällt dann allerdings. Bei dem Versuch einer ganzheitlichen Wahrnehmung im Gegenwartsaugenblick kommen wir in eine unbestimmtere Wahrnehmung bei der neben rationalen auch emotionale und unbewußte Elemente eine Rolle spielen, dies zusammen schafft eine Art von Übersichtsperspektive mit der ein ganzheitlicher Zusammenhang erfasst werden kann.

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Unser Wissen ist gegenüber der Weisheit, die im Aufbau und der Regulation von organismusartigen Zusammenhängen sichtbar wird, in der Regel sehr beschränkt. Das gesetzmäßige Zusammenwirken von Vorgängen in der anorganischen Natur verstehen wir mit Hilfe von Ursache -Wirkungsbeziehungen. Die Wirkung folgt aus der Ursache zwangsläufig ohne Freiheitsgrade. Wir bezeichnen einen solchen Zusammenhang als Mechanismus.Die Ebene, aus der die Reaktion des Organismus erfolgt, ist uns nicht in der gleichen Art erkenntnismäßig zugänglich, wie der gesetzmäßige Zusammenhang von Ursache - Wirkungsbeziehungen in der anorganischen Natur. Dies hat zur Folge, daß die Reaktion auf unsere Maßnahmen öfters anders ausfällt, als wir sie vorherbedacht haben. Da der Organismus sinnlich nicht wahrnehmbar ist, sondern nur geistig erfasst werden kann, müssen wir unsere Denkformen weiterentwickeln. Die wirklichen Probleme liegen in den Paradigmen unseres Denkens.Wir können mit verschiedenen Denkansätzen versuchen den Naturorganismus zu verstehen. Problemlösungen, die nach dem Mechanismuskonzept eingeführt werden, basieren in der Regel auf Suppression und Substitution. Nach dem Organismuskonzept werden nur Prozeßintensitäten verschoben oder verlagert, was man auch als Stimulation bezeichnen kann hierfür sind u.a. die biologisch-dynamischen Präparate ein gutes Handwerkszeug.

Gärtner, und Landwirte arbeiten seit Jahrhunderten sehr effizient mit der Natur. Beobachtungen zeigen, daß wir über das rationale Erfassen von Zusammenhängen hinaus eine erweiterte Wahrnehmung haben können, die eine Verbindung zur Weisheit des Naturorganismus herstellt (Intuition).Aufmerksamkeit bei der Arbeit ist im Landbau von grosser Wichtigkeit. Dies gilt insbesonders für den biologisch-dynamischen Heilpflanzenanbau, wo man den geistigen Teil der Wirklichkeit ernst nimmt und durch die Anwendung der biologisch-dynamischen Kompost- und Spritzpräparate in Kontakt tritt mit den Geistwesen in der Natur. Ein Bewußtseinsfortschritt ist möglich !

5. Firmeneigener Anbau in Schwäbisch Gmünd

Die WELEDA sieht sich durch ihr anthroposophisches Menschen- und Natur-verständnis dazu verpflichtet, aktiv an der Vermeidung und Bewältigung von Umweltproblemen mitzuarbeiten. Aus diesem Grunde wird der Heilpflanzengar-ten in Schwäbisch Gmünd seit über 85 Jahren für die Erzeugung von hochwer-tigen Frischpflanzen und Drogen zur Herstellung von Arzneimitteln biologisch-dynamisch bewirtschaftet.Der eigene Anbau dient vor allem der Bereitstellung von Frischpflanzen aber auch einigen Drogen zur Herstellung von Arzneimitteln und Kosmetik. Der Be-

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trieb ist zertifiziert nach EU-Verordnung 2092/91 über den ökologischen Landbau und hat eine DEMETER- Anerkennung. Durch diese Wirtschaftsweise ist sichergestellt, daß keine Pestizide oder andere giftige Stoffe zur Anwendung kommen.Der WELEDA- Garten wird als reichhaltiges Biotop gepflegt, mit naturnahen Teichen, Hecken und gezielter Nützlingsförderung, denn nur so ist es möglich, die Selbstregulation aufrecht zu erhalten, das heißt, eine übermäßige Ausbrei-tung von Krankheiten und Schädlingen zu vermeiden. Die große Pflanzenviel-falt trägt zudem zur ökologischen Stabilität bei, da über die gesamte Vegetati-onszeit Pollen und Nektar für Nutzinsekten vorhanden sind. So ist es möglich, selbst naturgeschützte Pflanzen die besondere Anforderun-gen an ihre Umgebungsbedingungen haben wie beispielsweise Hirschzungen-farn Phyllitis scolopendrium (L.) Newm. und Gelben Enzian Gentiana lutea L. an-zubauen. Derzeit werden von 14,5 AK (19 Mitarbeitern davon 11 Saisonkräfte) auf 17,5 ha ca.180 Heilpflanzenarten kultiviert, insgesamt befinden sich ca.300 Pflanzenarten auf dem Areal. Im Freiland werden vorwiegend ein- und mehrjährige einheimische Arten angebaut, darunter sind 25 verschiedene Ge-hölze von denen Blüten, Früchte oder Rinde geerntet werden.

Auf 2000 m² unbeheizter Folienhausfläche werden tropische Pflanzen wie z.B. Bryophyllum und wärmeliebende Pflanzen wie z.B. Tabak, Gewürzpaprika, To-mate und Artischocke gezogen. In einem heizbaren Gewächshaus mit 518 m² wird die Jungpflanzenanzucht für 150 Arten durchgeführt sowie einige Sukku-lenten wie z.B. Selenicereus grandiflorus (Königin der Nacht) und Lophophora williamsii (Peyotlkaktus) kultiviert. Eine zweite Gärtnerei zur Betreuung eines Schaugartens mit 1 ha Grünfläche, 2,6 FTE (3 Mitarbeiter) und mit ca.500 Pflanzenarten wird ebenfalls biologisch- dynamisch bewirtschaftet.

Zur Anzucht und Düngung im Gewächshausbereich und auf dem Freiland wird selbst hergestellter Kompost verwendet. Das übermäßige Auftreten von Schäd-lingen und Krankheiten wird im Gewächshaus vor allem durch sorgfältige Kul-turführung, gezielten Einsatz von gezüchteten Nützlingen und Pflanzenextrak-ten reguliert.

Über die rein ökologischen Maßnahmen hinaus, werden zusätzlich biologisch-dynamische Präparate zur Verbesserung des Kompostdüngers angewendet. Feldpräparate dienen der Förderung von terrestrischen und atmosphärisch-kosmischen Wachstumsfaktoren.

Zur Bereitstellung bestmöglicher Qualität wird die Bewirtschaftung und Ernte nach den folgenden klar definierten und dokumentierten Qualitätsnormen durchgeführt:

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• Arzneibücher DAB, HAB und EAB• Firmeneigene Spezifikationen• GAP,GHP (good agricultural and good harvesting practice)• EU-VO 2029/91 zum ökologischen Landbau• DEMETER- Richtlinien

Durch diese Normen wird neben der Bewirtschaftung die Beachtung von Quali-tätsmerkmalen wie z.B.:• Äußerer Qualität (Identität, Reinheit, Aussehen, Geruch und Geschmack)

• Innerer Qualität (wertgebende Inhaltsstoffe wie z.B. ätherische Öle oder unerwünschte Inhaltsstoffe wie z.B. Pyrolizidinalkaloide)unterstützt.

Eine weitere Aufgabe des Gartens ist die Inkulturnahme von Wildpflanzen, jährlich wird mindestens eine Pflanzenart neu in den Anbau genommen. Um dies systematisch durchführen zu können, besteht eine rege Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen staatlichen und privaten Forschungseinrich-tungen. In den letzten Jahren wurden schwerpuktmäßig Phyllitis scolopendri-um, Mercurialis perennis, L. Oxalis acetosella L., Colchicum autumnale, Lamium album, Convallaria majalis, Euphrasia rostkoviana und Peucedanum ostruthiumbearbeitet.

Außerdem nimmt die Schulung von Weleda Mitarbeitern und Kunden aus dem Gesundheitswesen (Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Hebammen, Kranken-schwestern, Physiotherapeuten) einen großen Raum ein.Der WELEDA Heilpflanzengarten ist 200 m neben der Pflanzenverarbeitung.Die auf Bestellung frisch geernteten Pflanzen werden mehrmals täglich angelie-fert, so daß keine Qualitätsverluste durch den Transport entstehen.

6. Zusammenfassung

Es ist nicht immer sinnvoll Wildpflanzen in Kultur zu nehmen.

Durch eine gezielte Habitatpflege mit entsprechender wissenschaftlicher Beglei-tung kann eine gefährdete Art wieder gefördert werden.

Zur Dokumentation und Kontrolle von Wildsammlungen können bestehende Kontrollinstitute (basierend auf der EU-VO 2092/91) herangezogen werden.

Bei der Pflanzenbeschaffung müssen über reine Qualitätsansprüche hinaus, soziokulturelle, ökologische und landschaftspflegerische Aspekte beachtet wer-

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den, die bei der WELEDA bereits Tradition haben und in Zukunft weiter ausge-baut werden

Firmeneigener Anbau bietet die größte Sicherheit, Qualität und ist bei Klein-mengen kostengünstig.

7. Literatur

ECKERT, S. und FÜRST, K. (1994): Vegetationskundliche und pflanzenökologi-sche Untersuchungen an Arnica montana L. im Südschwarzwald. Diplomarbeit Universität Erlangen.

MICHLER B., KATHE W., SCHMITT S. und ROTAR I. (2004): Conservation of Eastern European Medicinal plants: Arnika montana in Romania. Buletin USAMV-CN, Seria Agricultura, Volume 60:228-230.

SCHWABE, A. (1990): Syndynamische Prozesse im Borstgrasrasen: Reaktions-muster von Brachen nach erneuter Rinderbeweidung und Lebensrhythmus von Arnica montana L. Carolinea 48: 45-46

SCHEIDEGGER,C. (2006): Nachhaltige Wildsammlung und in situ-Vermehrung der geschützten Flechtenart Lobaria pulmonaria. Unveröffentlicht

SCHELLER, E. (1991): Forschungsansätze zum Verständnis des Organismus. Erkenntnisgrundlagen und Entwicklungsmöglichkeiten. In: Tagungsband vom 4. Internationalen Erfahrungsaustausch über Forschungsergebnisse zum Öko-logischen Obstbau. Weinsberg

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Nachhaltige Wildsammlung und in situ-Vermehrung der geschützten Flechtenart Lobaria pulmonaria

Christoph Scheidegger+, Isabelle Stähli & Andreas Ellenberger++ +Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und L ndschaft WSL/Zür cherstr. 111/ CH-8903 Birmensdorf, Schweiz

a i

++Weleda AG, Schweiz/ Dychweg 14/ CH-4144 Arlesheim/ Tel: +41 61 705 21 21

EinleitungDie Lungenflechte Lobaria pulmonaria (Abb.1) ist eine in Mitteleuropa durch Luftverschmutzung und Waldbewirtschaftung gefährdete Flechte. Im Rahmen dieses Projektes werden Ansätze für eine Artenschutzstrategie für waldbewohnende Flechten entwickelt, wobei klassische Ansätze des Populationsschutzes kombiniert werden mit einer nachhaltigen Nutzung dieser in der Pharmazie verwendeten Art.

Für die Herstellung eines Hustensirups werden pro Jahr etwa hundert Kilogramm Lungenflechte verarbeitet. Für die Industrie ist es in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden, die benötigten Mengen zu beschaffen und der Bedarf an dieser Flechtenart langfristig nicht gesichert. Für diese gefährdete und national geschützte Art wollen wir deshalb untersuchen, inwieweit der Artenschutz einer in der Pharmazie verwendeten

Art gezielt durch den Einbezug einer nachhaltigen Nutzung unterstützt werden kann. Qualitätsanforderungen an das gesammelte Material sowie ökonomische Aspekte sowohl des nicht- destruktiv gesammelten sowie des in- situ kultivierten Materials werden vom Industriepartner in dieser Forschungskooperation festgelegt.

Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung

Abb. 1: Lungenflechte

VerbreitungDie Lungenflechte Lobaria pulmonaria ist weit verbreitet. Sie kommt sowohl in feuchtgemässigten und borealen Regionen der nördlichen Hemisphäre als auch in kühleren tropischen Regionen vor. Während des letzten Jahrhunderts ist diese Art in ihrem Verbreitungsgebiet jedoch stark zurückgegangen und ist in vielen europäischen Ländern und aussereuropäischen Industrienationen heute vom Aussterben bedroht.

Lobaria pulmonaria ist in verschiedenen Ländern Mitteleuropas gesetzlich geschützt und darf nicht oder nur mit einer Ausnahmebewilligung gesammelt werden. Besteht kein rechtlicher Schutz, ist das Sammeln dieser Flechtenart an sich nicht verboten. Angesichts des dramatischen Rückgangs seit dem letzten Jahrhundert sollte sie aber möglichst schonend und nur dann gesammelt werden, wenn die lokale Population dadurch nicht gefährdet . L pulmonaria wächstvor allem am Stamm und an den Ästen von Laubbäumen in lichten Wäldern. Sie

. wird

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Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung 14

bevorzugt Bäume mit dicken Stämmen, deren rissige Rinde die Etablierung von Ausbreitungseinheiten und ein günstiges Mikroklima für das Wachstum der Flechte gewährleistet.

MorphologieLobaria pulmonaria besteht aus einer symbiotischen Lebensgemeinschaft zwischen einem Pilz, einer Grünalge und einem Luftstickstoff bindenden Cyanobakterium. Ein einzelnes Individuum von L. pulmonaria ist definiert durch den vom Pilz geformten Flechtenkörper, dem so genannten Thallus. Dieser bietet der Alge Schutz vor Herbivoren und starker Sonneneinstrahlung. Die Alge versorgt den Pilz ihrerseits mit Kohlenhydraten aus der Photosynthese. Der Thallus besteht aus rosettenförmig angeordneten Lappen, welche je nach Wuchsrichtung unterteilt werden in rinnen- und löffelförmige Lappen. Rinnenförmige Lappen sind oft schmal. Sie wachsen stammaufwärts und sind auf der ganzen Fläche mit der Borke verankert. Löffelförmige Lappen hingegen sind breiter. Sie wachsen stammabwärts und sind nur an der Lappenbasis mit der Borke verankert.

EntwicklungLobaria pulmonaria entwickelt sich relativ langsam. Der Thallus beginnt etwa 10 Jahre nach der Keimung erste vegetative Ausbreitungseinheiten (Soredien) an den Rändern seiner löffelförmigen Lappen zu bilden. Mit etwa 20 Jahren entstehen dort dann auch die ersten Fruchtkörper (Apothecien), in welchen die generativen Ausbreitungseinheiten reifen. Sobald die löffelförmigen Lappen überall an den Rändern und auf den Rippen Soredien produzieren, werden die Wachstumszonen der Lappenspitzen inaktiviert. Damit wird ein weiteres Längenwachstum verhindert.Alte löffelförmige Lappen produzieren eine große Menge an vegetativen und seltener auch generativen Ausbreitungseinheiten. Solche Lappen degenerieren jedoch nach Einstellen des Längenwachstums und werden durch neu gebildete Lappen ersetzt. Rinnenförmige Lappen hingegen bilden keine Ausbreitungseinheiten und können sich immer weiter verzweigen. Dadurch erneuern sie sich fortlaufend und sind sozusagen unsterblich. Sie sichern das Überleben und Fortbestehen eines Thallus. Trotz ihrer langsamen Entwicklung gilt L. pulmonaria unter Flechten als relativ schnellwüchsige Art. Sie kann in einer späten Entwicklungsphase und unter günstigen klimatischen Bedingungen bis zu 1 cm Längenwachstum pro Jahr erreichen.

FortpflanzungWährend Soredien unabhängig von der Populationsgrösse produziert werden, bilden in der Regel nur grosse und genetisch vielfältige Populationen Apothecien. Apothecien können nur dann gebildet werden, wenn Lappen von genetisch unterschiedlichen Individuen zusammen wachsen und spezielle Pilzfäden, die so genannten Spermatien und Trichogynen, miteinander verschmelzen. Sexuelle Vermehrung findet also vor allem zwischen Individuen unterschiedlicher Genotypen statt, die am gleichen Baum wachsen. Selbstbefruchtung findet bei L.pulmonaria vermutlich nicht statt. Vegetative und generative

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Ausbreitungseinheiten werden durch Wind, Regen und Tiere verbreitet. Das Stammabflusswasser spielt vor allem eine wichtige Rolle in der lokalen Ausbreitung der Flechte stammabwärts, während mit dem Wind und fliegenden Insekten grössere Distanzen überwunden und neue Bäume besiedelt werden können.

Testen einer Sammelanleitung Die laufenden Untersuchungen sollen testen, wie Vorkommen von L. pulmonariabeerntet werden können, ohne dass dadurch langfristig die Überlebenschance der Population reduziert wird. Das Forschungsprojekt beschäftigt sich deshalb unter anderem mit den folgenden Fragen:

1) In welchen Populationen darf gesammelt werden? 2) Welche und wie viele Thalli dürfen gesammelt werden? 3) Welcher Teil des Thallus darf gesammelt werden? 4) Welche Artenschutzmassnahmen sind parallel zur Beerntung von

Populationen sinnvoll? Die Abbildungen zu den Texten dienen dem besseren Verständnis.

Wie viele Bäume pro Population? Von allen mit L. pulmonaria besiedeltenBäumen eines Standorts (Population) müssen 15 von der Sammelaktion ausgeschlossen werden (Abb. 2). Sie gewährleisten das längerfristige Überleben der Population. Die Distanz zwischen den 15 Bäumen spielt keine Rolle.In Populationen mit nur 15 oder noch weniger besiedelten Bäumen darf deshalb nicht gesammelt werden.

Welche Thalli pro Baum? Es werden nur Thalli grösser als eine gespreizte Hand in die Sammelaktion einbezogen (Abb.3). Kleinere Thalli sollten nicht gesammelt werden. Sie sind wichtig für eine möglichst rasche Regeneration der lokalen Population am Stamm.

Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung

Abb. 3: Erntegröße des Thalli

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Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung 16

Wie viele Thalli pro Baum? Von allen Thalli, welche grösser als eine gespreizte Hand sind, müssen drei Thalli pro Baum aus der Sammelaktion ausgeschlossen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass sich die lokale Population eines Stammes noch reproduzieren kann. Damit bestenfalls drei verschiedene Genotypen erhalten bleiben, sollten die drei geschonten Thalli nicht in einer Falllinie liegen.

Welche Lappen? Es werden nur die löffelförmigen Lappen eines Thallus gesammelt. Diese dürfen jedoch vollständig geerntet werden. Die rinnenförmigen Lappen sind wichtig für Regeneration und Wachstum eines Thallus. Sie dürfen unter keinen Umständen gesammelt werden.

Gefällte Bäume An gefällten Bäumen, welche mit L. pulmonaria besiedelt sind, dürfen ohne Ausnahme alle Thalli vollständig gesammelt werden. Auf liegenden Bäumen sind die Lichtbedingungen so ungünstig, dass L. pulmonaria nicht überleben würde.

Artenschutzmaßnahmen durch Transplantation von Thallusfragmenten

ZieleDie Transplantation von Thallusfragmenten ist ein integraler Bestandteil der Anleitung zum nachhaltigen Sammeln in einer L. pulmonaria Population und verfolgt zwei Ziele. Einerseits kann dadurch der Verlust von Thalli kompensiert werden, welche beim Sammeln möglicherweise Schaden nehmen, sich nicht mehr regenerieren können und absterben. Andererseits soll durch die Transplantation von fünf Thalli verschiedener Genotypen nebeneinander an einen Stamm die sexuelle Vermehrung in einer Population unterstützt werden. Diese Ausgleichsmassnahme hat demnach nicht nur die blosse Erhaltung einer L.pulmonaria Population zum Ziel, sondern fördert gleichzeitig auch deren Ausbreitungs- und Vermehrungspotential.

Material

- Heftklammern aus Aluminium. Normale Heftklammern aus Stahl rosten und schädigen die Flechte.

- Scharfes Messer / Schere - Wasserspray

Vorgehen: Wahl geeigneter Bäume für die TransplantationIn jeder L. pulmonaria Population werden vier Bäume ohne L. pulmonaria Bewuchsfür die Transplantation ausgewählt. Diese vier Bäume müssen zur Hauptträgerbaumart gehören. Unter Hauptträgerbaumart versteht man diejenige Baumart, auf welcher L. pulmonaria in einer Population am häufigsten vorkommt. Sie kann von Standort zu Standort variieren. Typisch für das Mitteleuropa sind

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Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung 17

Rotbuche (Fagus sylvatica), Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior)sowie Eichen (Quercus robur und patraea).

Es muss sichergestellt werden, dass die vier ausgewählten Bäume noch mindestens 50 Jahre im Bestand bleiben und nicht vorher gefällt werden. Die Auswahl der Bäume muss deshalb mit dem zuständigen Forstdienst abgesprochen werden.

Die für die Transplantation ausgewählten Bäume sollten einen Stammdurchmesser von mindestens 20 cm auf Brusthöhe haben, damit die Transplantate sich in der rissigen Borke gut verankern können und ein ideales Mikroklima vorfinden. Die Baumstämme sollten nicht durch Äste beschattet werden (Abb. 4 und 5). Ideal sind mit Laub- und Lebermoosen lückig besiedelte Baumstämme (Abb. 6), wo ein für das Wachstum der Transplantate günstiges Mikroklima herrscht. Für die Schweiz typische Moose sind zum Beispiel Zypressen-Schlafmoos (Hypnum cupressiforme), Eichhornschwanzmoos (Leucodon sciuroides), Kratz-Lebermoos (Radula complanata) und Sack-Lebermoos (Frullania dilatata).Gänzlich unbesiedelte Stämme könnten Indiz für ein ungünstiges Mikroklima sein und sind für die Transplantation nicht geeignet. Sehr dicht besiedelte Stämme, zum Beispiel mit Krustenflechten oder dicken Moospolstern (Abb. 7), eignen sich ebenfalls nicht für die Transplantation. Hier ist der Konkurrenzdruck zu gross, die Transplantate können sich nicht gut entwickeln oder werden sogar überwachsen und sterben ab.

Abb. 5: In einem lückigen Wald ist genügend Licht für die Photosynthese vorhan-den. Die direkte Sonnenein-strahlung ist aber dank be-nachbarten Bäumen nicht zu stark.

Abb. 4: Durch benachbarte Bäume beschattete Baum-stämme sind für eine Transplantation ungeeignet.

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Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung 18

Abb. 6: Die Thallusfragmente werden in die Lücken zwischen Moose (hier: Hypnum cupressi-forme) transplantiert.

Abb. 7: In dicken Moospolstern (hier: Hypnum cupressiforme)können Transplantate nicht gedeihen.

Wahl geeigneter Thallusfragmente für die Transplantation Es werden je fünf Thallusfragmente an die Stämme der vier ausgewählten Bäume transplantiert.Die fünf Thallusfragmente pro Baum müssen von fünf verschiedenen, nicht benachbarten Bäumen derselben Population stammen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Transplantate unterschiedliche Genotypen haben. Geeignete Thallusfragmente sind die Spitzen von gesunden, jungen, löffelförmigen Lappen mit intakter Wachstumszone (Abb. 8). Lappen, welche bereits entlang des gesamten Randes vegetative Ausbreitungseinheiten (Soredien) und möglicherweise auch schon generative Ausbreitungseinheiten (Apothecien) produzieren, sind nicht geeignet (Abb. 9). Jedes Thallusfragment sollte etwa 4 x 2 cm gross sein.

Abb. 8: Junge löffelförmige Lappen eignen sich als Transplantate.

Abb. 9: Lappen mit Soredien (weisse Körner) und Apothecien (rote Becher) wachsen nicht mehr und sind als Transplantate ungeeignet.

Apothecien

Soredien

.

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Anleitung zur Transplantation Die Anleitung zur Transplantation beinhaltet drei Schritte, die im Folgenden detailliert beschrieben und mit Abbildungen verdeutlicht werden.

1. Fünf geeignete Thallusfragmente (Abb. 10) vorsichtig mit einem Messer oder einer Schere vom Thallus abschneiden. Die Thallusfragmente gut mit Wasser befeuchten. Sie dürfen nicht trocken und spröde sein.

Lungenflechte: Testen einer Sammelanleitung

Abb. 10: Größe des Thallusfragmentes

2. Fünf geeignete Plätze an einem Baumstamm suchen (Abb. 11). Die Thallusfragmente werden auf Augenhöhe untereinander und nebeneinander in die Lücken zwischen die anderen Epiphyten gesetzt. Die Distanz zwischen den fünf Transplantaten sollte etwa 20 cm betragen.

3. Die Thallusfragmente mit je zwei bis vier

Heftklammern aus Aluminium eng an die Borke heften, die Ränder dürfen dabei jedoch nicht verletzt werden (Abb. 12). Jedes Thallusfragment muss die Borke zu mehr als 50% berühren, wobei nur die Ränder etwas vom Stamm abstehen dürfen.

Die Spitze des Thallusfragments ist jeweils stammaufwärts gerichtet.

Abb. 11: Platzierung der Thallusfragmente

Abb. 12: Anheften der

Zeitpunkt des Sammelns und Transplantierens Lobaria pulmonaria kann zu allen Jahreszeiten gesammelt werden, bevorzugt jedoch in regenreicheren Perioden. Dann sind die Thalli so gut durchfeuchtet, dass sich beim Abschneiden der löffelförmigen Lappen nicht gleich der ganze Thallus von der Baumrinde löst. Die Transplantation erfolgt jeweils unmittelbar nach dem Ernten der Thallusfragmente und sollte nicht bei Minustemperaturen erfolgen. Erst wenn sich alle Thalli einer Population wieder vollständig regeneriert haben, darf dort erneut gesammelt werden. Der Regenerationsprozess dauert vermutlich ca. fünf Jahre, variiert aber von Thallus zu Thallus. Deshalb muss der Zustand einer Population vor einer weiteren Besammlung kontrolliert werden.

Fragmente

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Nachhaltige Nutzung von Arnica montana aus Wild-sammlung in RumänienDr. Barbara Michler, Dr. Florin Pacurar1Dr. Fischer, Ifanos-Landschaftsökologie, Forchheimer Weg 46, D-91341 Röttenbach2USAMV Cluj-Napoca, Calea Manastur nr.3, cod postal 4600, Cluj-Napoca, Romania

Das Institut für Landespflege, Dr. Evelyn Rusdea, Prof. Dr. Werner Konold, sowie das Waldbau- Institut, Prof. Albert Reif der Universität Freiburg führten von 2000-2004 ein Forschungsprojekt zur nachhaltigen Regionalentwicklung in ei-ner traditionellen Kulturlandschaft in Osteuropa am Beispiel des Apuseni Gebirges in Rumänien durch1 (Rusdea et al. 2005). Seit mehr als 20 Jahren wer-den im Projektgebiet Arnikablüten ge-sammelt. Ein Aspekt im Leitprojekt „Heilpflanzen“ war es, die Datengrund-

lage zur nachhaltigen Nutzung von Arnica montana (Arnika) zu schaffen (Michler 2005a, b).

Folgende Ziele wurden verfolgt:

! Erfassung des Habitattyps von Arnica

! Ermittlung des Blütenertrags von Arnica montana

! Risikobewertung der Ressource

! Strategie einer nachhaltigen Nutzung

Arnica montana ist nach der BArtSchV (Bundes- Artenschutz- Verordnung) besonders geschützt und im Anhang V der FFH- Richtlinie (Flora- Fauna- Habitat-Richtlinien) aufgeführt. Der Lebensraumtyp (Nardus stricta grassland, Code 6230)ist in der FFH-Richtlinie, Anhang I, als prioritärer Lebensraum eingestuft. Dies bedeutet, dass der Lebensraum (Habitat) und in der Konsequenz auch die Art in der EU sehr selten sind. Der kommerziellen Nutzung sind Grenzen gesetzt. Der Lebensraum der Arnika ist in der EU in den vergangenen Jahren durch Aufgabe der Weidenutzung, Aufforstung von Grenzertragsflächen und Intensivierung der Weiden und Wiesen durch Düngung dezimiert worden.

Das Projektgebiet befindet sich im nordwestlichen Teil von Rumänien im Zentrum des Apuseni-Gebirges (Abbildung ). Die Region stellt eine traditionelle Kulturland-schaft dar. Streusiedlungen, Holzhäuser, Wald- und Weidenutzung, traditionelle Bewirtschaftungsweisen wie Hutungen, geschneitelte Bäume und Feldgraswechselwirtschaft prägen das Landschaftsbild. Das vielfältige Erschei-

1 (www.proiect-apuseni.org). Das Projekt wurde mit Mitteln des BMBF, Förderkennzeichen 0339720/5 finanziert

Wildsammlung Arnika 20

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nungsbild der Landschaft ist ein Produkt der traditionellen Landnutzung. Die Landwirtschaft ist bisher wenig mechanisiert, Herbizide oder Kunstdünger werden kaum verwendet (Reif et al 2005 a, b,c). In den Vegetationsaufnahmen von Reif finden sich 491 Arten (ohne Moose und Flechten), darunter 242 Taxa von Arzneipflanzen. Das Vorkommen einer Art in einer Florenliste oder Verbreitungskarte gibt jedoch keinen Aufschluss über die Menge an erntbarer Droge. Für die Nutzung einer Arzneipflanze ist relevant, wieviel Biomasse des verwendeten Pflanzenteils vorhanden ist.

Das Modell zur Ertragsabschätzung besteht aus den Komponenten

! Erfassung des Habitattyps

! Kartierung der aktuellen Verbreitung im Untersuchungsgebiet

! Bestimmung der Anzahl Blütentriebe pro Fläche anhand einer Stichprobe

! Bestimmung der Anzahl der Blüten pro Blütentrieb anhand einer Stichprobe

! Bestimmung des Trockengewichts der Blütenköpfe

! Berechnung der Produktion für das Untersuchungsgebiet

2001 wurden 50 Flächen identifiziert und vegetationskundlich erfasst. Anhand der Vegetationsaufnahmen von Reif et al. (2005c) und der Artzusammensetzung der Arnikahabitate wurde ein einfacher Kartierschlüssel zur räumlichen Erfassung der Arnikahabitate erstellt. 2002 wurde eine Kartierung im Maßstab 1:5.000 durchgeführt und eine digitale Karte der Arnikavorkommen auf der Basis des IKONOS Satelittenbildes angefertigt. Bearbeitet wurde eine Fläche von 4.787 ha. Der Anteil des Offenlandes beträgt 1.308 ha, davon sind 287 ha Flächen mit Arnikavorkommen. Dies entspricht 6 % der Gesamtfläche und 22 % des Offenlandanteils. Insgesamt wurden 213 Flächen abgegrenzt. Die kleinste Fläche hatte 102 m2, die größte Fläche 42 ha. Das arithmetische Mittel liegt bei 13.471 m2, der Median bei 3.956 m2. Das bedeutet, dass 50 % der Flächen kleiner als 0,39 ha sind.

Die Anzahl der Blütenköpfchen pro Fläche konnte nur indirekt über die Anzahl der Blütentriebe (Stengel) bestimmt werden, da vielfach die Köpfchen auf den Flächen gepflückt waren. Die Anzahl der Blütentriebe wurde 2001 in 50 Untersuchungsflächen anhand einer Zufallsstichprobe von 256 Transekten (30 x 2m) und 2002 in 38 Untersuchungsflächen anhand einer Zufallsstichprobe von 187 Transekten gezählt. Der Median der Blütentriebe in allen Untersuchungsflächen lag 2001 bei 24 Stück pro 60 m2, 2002 bei 55,75 Stück. 2002 fanden sich statistisch signifikant mehr Blütentriebe (U-Test, p < 0.001). Die Streuung (Interquartilbereich) innerhalb eines Jahres ist in beiden Jahren etwa gleich.

Die Anzahl der Blütenköpfchen pro Blütentrieb wurde an 4.800 Blütentrieben ermittelt. Pro generativer Trieb wurden im Durchschnitt 1,9 Blütenköpfchen ermittelt.

Wildsammlung Arnika 21

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Die Bestimmung des Trockengewichts erfolgte anhand von 25 Proben mit insgesamt 2290 Blütenköpfchen, die bei Raumtemperatur bis zur Gewichtskonstanz getrocknet wurden. Die Schätzung ergab 2695 Blütenköpfchen pro kg getrockneter Arnikablüten.

Der Ertrag pro Hektar berechnet sich für das Jahr 2001:

hakgkgBlütenm

mStengelBlütenmStengel /82,2/269560

10000/9,160/242

22

=⋅

⋅⋅

Für 2002 erhält man analog 6,5 kg/ ha. In 287 ha Arnikahabitaten finden sich rechnerisch 2001 etwa 809 kg und 2002 etwa 1865 kg Arnikablüten (trocken).

Risikobewertung der Ressource

Während der Erhebungen wurde festgestellt, dass Arnika häufig nur vegetativ vorkommt und Blütentriebe fehlen. Dies kann eine populationstypische Eigenschaft sein, auf Übernutzung hindeuten oder die Folge von Licht- oder Nährstoffmangel sein. Zur Dokumentation wurde die Anzahl der generativen Triebe und die Anzahl der vegetativen Triebe in Quadraten zu 1 m2 gezählt und die Blührate berechnet. Im Jahre 2001 wurde eine Stichprobe von 243, 2002 von 378 Quadraten untersucht. Der Anteil der blühenden Triebe am Gesamtteil der Triebe (Medianwert) lag 2001 bei 11 %, 2002 bei 7 %. Der Unterschied ist statistisch signifikant (U-Test, p <0.001), aber insofern nicht beunruhigend, da sich bei näherer Betrachtung der Daten herausstellte, dass die Anzahl der vegetativen Individuen zugenommen hat, während die Anzahl der blühenden Individuen der Population gleich blieb.

Mit einem Habitatmodell (Fischer 1994) wurde auf der Basis von Standortskarten die potentielle Verbreitung von Arnika im Untersuchungsgebiet modelliert. Das Habitatmodell prognostiziert 1.276 ha „potenzielle Arnikaflächen“, was 26 % der Gesamtfläche entspricht. Deutlich mehr als die aktuelle Verbreitung. Aktuell sind diese Flächen bewaldet, aufgedüngt oder überweidet. Ein Habitatverlust im Untersuchungsgebiet in der Vergangenheit durch Intensivierung ist plausibel.

Strategie einer nachhaltigen Nutzung

Die Sammler erhielten im Jahr 2002 pro kg Frischdroge etwa 0,50 €. Die Landwirte (Besitzer), die die Wiesen bewirtschafteten, sind am Arnikageschäft nicht beteiligt. Dies bedeutet, dass sie keine Motivation haben, die Standorteextensiv zu bewirtschaften. Aus Sicht der Besitzer ist eine Intensivierung der Wiesen zur Ertragssteigerung wünschenswert.

Eine nachhaltige Nutzung der Arnikabestände erfordert:

! Einbindung der Besitzer der Flächen

! Qualifizierung der Sammler zur nachhaltigen Qualifizierung der Sammler zur Steigerung der Qualität des geernteten Materials

Wildsammlung Arnika 22

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! Monitoring der Flächen zur Bestandssicherung

! Produktschöpfung vor Ort

! Verkürzung der Handelsketten durch den direkten Weg zum Produzenten oder Verbraucher

Diese Ziele werden in einem Folgeprojekt: �Conservation of Eastern European Medicinal Plants � Arnica montana in Romania� verfolgt (Michler et al. 2004). Dieses Projekt, mit einer Laufzeit von drei Jahren, wurde vom WWF-UK in Zusammenarbeit mit dem Donau-Karpaten-Programm des WWF initiiert und wird durch die Darwin Initiative finanziert2. Projektleitung, Dr. Susanne Schmitt, WWF, UK. Projektpartner sind die Fakultät für Agronomie, Prof Rotar der Universität für Agronomie und Tiermedizin in Cluj, sowie die Gemeinde Gărda-de-Sus im Apuseni Gebirge. Das Projekt hat das Ziel, ein System zur nachhaltigen Nutzung der Blüten von Arnica montana zu entwickeln, das die Art und der Lebensraum erhält und die Einkünfte der Bevölkerung erhöht. Projektkomponenten sind:

! Untersuchungen zum Habitat von Arnica montana

! Monitoring der Arnikapopulation

! Untersuchungen der Handelskette

! Untersuchungen zur Alters- und Geschlechtsstruktur der Sammler und Landwirte

! Aufbau einer lokalen Organisation, die die Ressource beobachtet und den Handel betreibt

! Bau einer lokalen Trockenanlage, die von der lokalen Bevölkerung betrieben werden kann.

Das Projektgebiet wurde vergrößert. Die Methoden zum Monitoring des Arnikabe-standes wurden verfeinert. Untersuchungen zur Biomasseproduktion und Artzu-sammensetzung der Flächen ermöglichen eine Bewertung des landwirtschaftlichen Ertrages und der Biodiversität (Michler et al. 2005c). Der Nährstoffhaushalt der Böden wurde bestimmt um den Zusammenhang zwischen Nährstoffversorgung und Ertrag einerseits und Biodiversität der Flächen andererseits zu analysieren. Vegetationskundliche und faunistische Untersuchungen zur Biodiversität der Flä-chen dokumentieren die naturschutzfachliche Bedeutung der Arnikahabitate. Für die Sammler wurde ein Leitfaden zu nachhaltigen Erntemethoden und zur Quali-tätssteigerung des geernteten Materials erstellt. Die Sammler sind mehrfach trai-niert worden. Ein Boniturschema zur Bewertung des frisch geernteten Materials wurde entwickelt und getestet. Die Qualität des gesammelten Materials hat sich deutlich verbessert (Tămaş et al. 2006).

2 www. arnica-montana.ro

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Für die Landbesitzer wurde ein Leitfaden zum Management der Arnikahabitate erstellt. Während zweier Ernteperioden sind Trocknungsversuche durchgeführt worden. Basierend auf den Erfahrungen der Pilottrockenanlage erstellte ein Architekt der Organisation „Architects for Humanity“ einen professionellen Bauplan zum Bau einer Trocknungsanlage, den Lokale unter Federführung professioneller rumänischer Zimmerleute im Frühjahr 2006 umsetzten. Die Technik ist der lokalen Infrastruktur und dem technischen Stand der lokalen Bevölkerung angepasst. Es handelt sich um ein Holzhaus mit Hordentrocknern. Die Kapazität entspricht bei einem Ernte- und Trocknungszeitraum von vier Wochen einem Volumen von etwa 6000 kg frischer Arnikablüten. Die Blütenwerden bei etwa 40 °C getrocknet. Zum Bau des Trockenhauses wurden lokale Rohstoffe verwendet. Als Energiequelle wird lokal geschlagenes Holz benutzt. Ortsansässige wurden trainiert das Monitoring der Arnikabestände und die Trock-nung der Arnikablüten durchzuführen. Es wurde eine lokale Association namens ECOFLORA und eine lokale Firma, eine LTD, namens ECOHERBA gegründet. Auf-gabe von ECOFLORA ist es die Ressource und die Habitate zu beobachten sowie die Arnikablüten zu trocknen. ECOHERBA unterhält die Geschäftsbeziehungen und betreibt den Export. Die 2006 geernteten und getrockneten Arnikablüten sind von der Schweizer Firma IMO biozertifiziert worden. Die Firma WELEDA und ECOHERBA haben gemeinsam die Basis für eine Geschäftsbeziehung entwickelt. Durch die lokale Wertschöpfung werden in der Region höhere Einkünfte erzielt.

Die sozioökonomische Situation der Menschen in den Bergen ist sehr sensitiv. Die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft werden sich durch den EU-Beitritt Rumäniens verändern. Zum Erhalt der Arnikaflächen ist es wichtig ein System zu schaffen, das Anreize für eine extensive Bewirtschaftung der Flächen bietet. Gleichzeitig bedarf es weiterer alternativer Einnahmequellen um der Bevölkerung ein wirtschaftliches Überleben zu ermöglichen.

LiteraturFischer, H.S. (1994): Simulation der räumlichen Verteilung von Pflanzengesellschaften auf der Basis von Standortskarten. Dargestellt am Beispiel des MaB-Testgebiets Davos. - Veröff. Geobot. Inst. ETH, Stiftung Rübel, Zürich, 122, 143 S.

Michler Barbara, Kathe Wolfgang., Schmitt Susanne. and Rotar Ioan. (2004): Conservation of Eastern European Medicinal plants: Arnica montana in Romania. Buletin USAMV-CN, Seria Agricultura, Volume 60: 228-230.

Michler Barbara (2005a): Arznei- und Gewürzpflanzen. In: Rusdea at al., Culterra 34: 172-180.

Michler Barbara (2005b): Leitprojekt „Heilpflanzen“. In: Rusdea et al., Culterra 34: 378-380.

Michler Barbara, Rotar Ioan. Pacurar Florin, Stoie Andrei (2005c): Arnica montana, an endangered species and a traditional medicinal plant: The biodiversity and

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productivity of its typical grasslands habitats. Proceedings of EGF, Estonia.S. 336-340

Reif Albert, Barbara Michler , Evelyn Rusdea (2005a): Feldgraswirtschaft im Apuseni-Gebirge, Rumänien. Tuexenia 25: 141-149.

Reif Albert, Eckhard Auch, Josef Bühler, Katja Brinkmann, Ioan A. Goia, Florin Pacurar, Evelyn Rusdea (2005b): Landschaft und Landnutzung im Apuseni-Gebirge Rumäniens. Carinthia II195./115. Jahrgang. S. 161-201.

Reif Albert, Gheorghe Coldea, Harth Georg (2005c): Pflanzengesellschaften des Offenlandes und der Wälder. In Rusdea et al, Culterra 34: 78-87.

Rusdea Evelyn., Reif Albert., Povara Ioan, Konold Werner. (Hrsg) (2005): Perspektiven für eine traditionelle Kulturlandschaft in Osteuropa. Ergebnisse eines inter- und transdisziplinären, partizipativen Forschungsprojektes in Osteuropa. Culterra 34, Freiburg, 401 S.

Tămaş Mircea, Vlase Laurian, Crişan Gianina (2006): The Analyses of Arnicae Flos from Romania according to the European Pharmacopoea. Proceedings of 4th Conference on Medicinal and Aromatic Plants of South-East European Countries: S. 569-572.

Abbildung 1: Lage des Untersuchungsgebietes

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Biologische Aspekte einer nachhaltigen Wildsammlung von Ratanhia (Krameria lappacea (DOMBEY) BURDET &SIMPSON ) in Peru

Nicolas Dostert * botconsult GmbH * Bergmannstr. 19 * 10961 BerlinMaximilian Weigend * Institut für Biologie – Systematische Botanik und Pflanzengeographie * Freie Universität Berlin * Altensteinstr. 6 * 14195 Berlin

Die Ratanhia-Wurzel ist eine in der peruanischen Volksmedizin seit langem etablierte Pflanzendroge, die aufgrund ihres Gerbstoffgehaltes als Arzneipflanze und zum Färben verwendet wird. Bisher wird die Stammpflanze in Peru ausschließlich wild gesammelt. Dies gilt sowohl für den kommerziellen Export, als auch für die lokale Nutzung. Allein für den Export werden jährlich über 30 t in Peru gesammelt (Weigend & Dostert 2005).

Zur Untersuchung der Ökologie, des Parasitismus, der Kulturfähigkeit und von Maßnahmen zur nachhaltigen Wildsammlung von Ratanhia wurden in den Jahren 2003 bis 2006 umfangreiche Untersuchungen in der Gegend von Arequipa an den Beständen von K. lappacea durchgeführt. Da bisher keine Daten zu den grundlegenden biologischen Eigenschaften dieser Pflanzenart vorlagen, bilden diese Untersuchungen die Grundlage für die Sicherung der Nachhaltigkeit und der Qualität der verwendeten Droge. Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen eines Private-Public-Partnerships der WELEDA AG und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Die wissenschaftlichen Untersuchungen wurden in einer Zusammenarbeit der botconsult GmbH, des Instituts für Biologie der Freien Universität Berlin und der Universidad Nacional San Augustín de Areuqipa, Peru, durchgeführt und werden noch bis Ende 2007 weitergeführt.

Für die nachhaltige Bewirtschaftung der Ratanhia-Bestände in Rahmen der Rohstoffbeschaffung der WELEDA AG wurde in Zusammenarbeit mit der INRENA (Institut für natürliche Ressourcen, Peru) ein Schutzgebiet von 2000 ha eingerichtet, in welchem auch der überwiegende Anteil der wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt wurde. Dieses Gebiet befindet bei San Antonio (Peru, Department Arequipa, Provinz Arequipa, Distrikt Yarabamba).

Die Ergebnisse aller im Rahmen dieses Projektes durchgeführten Untersuchungen werden zur Zeit in einem Resource Assessment Template zusammengestellt, welches sowohl die Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit als auch für den Management Plan („plan de manejo“) bilden soll. Auf diese Weise können den Exporteuren und Sammlern die biologischen Grundlagen von Krameria, die Populationsdynamik und die Vorgehensweise bei einer Festlegung der nachhaltigen Erntemenge bzw. einer nachhaltigen Ernte näher gebracht werden.

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Ratanhia- Blüte –DieBlütenmorphologie ist eines derauffälligsten Charakteristika der Krameriaceae

Die StammpflanzeDie Krameriaceae sind eine kleine Pflanzenfamilie mit nur einer Gattung und 18 Arten (Simpson 2004). Die Verbreitung der Arten ist auf die Amerikas beschränkt. Die Gattung findet sich vor allem in offener und saisonal trockener Vegetation, nur wenige Arten findet man auch gemäßigten Lebensräumen in Nord- und Südamerika � im Norden bis Kansas, USA und im Süden bis Mittelchile (Simpson 1989).

Bei Ratanhia handelt es sich um Krameria lappacea (DOMBEY) BURDET & SIMPSON. RUIZ und PAVONbeschrieben die Art 1794 als K. triandra ohne zu

wissen, dass die Art 10 Jahre zuvor von DOMBEY schon einmal beschrieben wurde. Dieses Missverständnis wurde erst 1983 von BURDET und SIMPSON aufgeklärt,weshalb in der Literatur und im Handel die Art häufig noch unter dem ungültigen Namen Krameria triandra RUÍZ & PAVÓN geführt wird.

Die typische K. lappacea ist ein halbkugeliger Strauch mit einer Höhe von ca. 30�80 (100) cm und einem Durchmesser von bis zu 1 (−1,5) m. Die Pflanzen sind an der Basis sehr stark verzweigt mit flachen, oft dem Boden aufliegenden Zweigen, was oft zu einem mattenartigen Wuchs führt.

Ökologie und ParasitismusEs gibt eine große Anzahl von Samenpflanzen, die Wasser und lösliche Substanzen von anderen lebenden Organismen aufnehmen. Der Parasitismus innerhalb der Gattung Krameria wurde zum ersten Mal Anfang des 20. Jahrhunderts (Cannon, 1910) nachgewiesen. Die erste anatomische Untersuchung der Haustorien von Krameria erfolgte erst 1975 (Musselman, 1975) bei K. lanceolata. Bisher war nur von den nordamerikanischen Vertretern der Gattung Krameria bekannt, dass sie zwar selbst Photosynthese betreiben, aber über Haustorien als Xylemparasiten Nährsalze aus den Wurzeln von Wirtspflanzen beziehen. Die ersten Untersuchungen im Rahmen dieses Projektes beschäftigten sich daher mit der naheliegenden These, dass auch die in Peru vorkommende Krameria-Art diese halbparasitische Lebensweise hat. Bei den Untersuchungen wurde dann zum ersten Mal nachgewiesen, dass auch diese Art ein Halbparasit ist. Ratanhia scheint relativ wahllos an Wirtspflanzen der verschiedensten Pflanzenfamilien zu parasitieren und bildet Haustorien an den Wurzeln einer Vielzahl von Gefäßpflanzen (aus so unterschiedlichen Familien wie Ephedraceae, Ledocarpaceae, Asteraceae, Cactaceae, Poaceae, Portulacaceae � nachgewiesen in Arequipa). Diese Haustorien konnten sowohl am Wildstandort in vivo, als auch in Kultur im Rhizotron nachgewiesen werden.

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Keine der aus Arequipa als Wirtspflanzen nachgewiesenen Arten konnte in den anderen Beständen von Krameria in den Departmentos Cajamarca, Ancash und La Libertad nachgewiesen werden. Die Art parasitiert dort zweifellos an anderen Wirtspflanzen. Es gelang der direkte Beweis für Parasitismus an Croton(Euphorbiaceae) und Waltheria (Sterculiaceae). Krameria scheint also sehr wenig wirtsspezifisch zu sein.

Das Wurzelsystem ausgewachsener Krameria-Pflanzen besteht aus einer relativ kurzen Primärwurzel, von der nahe der Oberfläche Lateralwurzel abzweigen. Diese Lateralwurzeln sind sehr wenig verzweigt und erstrecken sich nahezu horizontal bis zu einer Entfernung von 3(—4) m von der zentralen Achse. Die maximale Länge dürfte noch erheblich größer sein, da in Rahmen dieser Studien hauptsächlich mit

der Entwicklung der Jungpflanzen wird allerdings zunächst eine längere Primärwurzel gebildet, deren Spitze mit der Bildung der Lateralwurzel abstirbt – die Primärwurzel endet dann meist ca. 20 cm unter der Erdoberfläche. Alle Wurzeln sind glatt, verholzt und zeigen weder Fein-noch Haarwurzeln.

Die Haustorien treten in unterschiedlicher Form und Größe auf. Normalerweise enden die Seitenwurzeln in Haustorien und bilden rundliche, schwarze Strukturen zwischen < 1 mm und 4 mm Breite und < 1 mm und 10 mm Länge. Ähnliche Größen sind auch für K. lanceolata beschrieben (Musselman, 1975). Die Haustorienbildung kann dabei zwischen Seitenwurzeln von Ratanhia und den Haupt- und den Seitenwurzeln der Wirte stattfinden.

Inkulturnahme und AnbauUntersuchungen zur Anbaufähigkeit wurden im Jahr 2004—2005 in kleinem Rahmen durchgeführt. Hierzu mussten sowohl die Wirtspflanzen als auch Krameria zuerst angezogen werden. Die Untersuchungen zu Vermehrungsmöglichkeiten und Kultivierbarkeit zeigen, dass sich K. lappaceasowohl durch Hartholz-Stecklinge als auch durch Samen vermehren lässt. Krameria zeigt unter Gewächshausbedingen je nach Vorbehandlung Keimraten zwischen 8% und 44% und unter Laborbedingungen zwischen 35% und 92%. Die höchsten Keimraten wurden bei Beschädigung bzw. Entfernung der Samenschale und einer Behandlung mit 10 ppm AG3-Lösung erzielt. Die quantitative Auswertung der Stecklingsvermehrung zeigt, dass sich auch die untersuchten Wirtspflanzen (Ambrosia, Grindelia, Opuntia und Encelia) gut durch Stecklinge vermehren lassen und dieses eine Möglichkeit für den Feldanbau darstellt.

Ratanhia-Wurzel – Handelsübliche Form auf dem lokalen Markt in Arequipa, Peru

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Ratanhia-Frucht – Die Samen bleiben beiKrameria in die klettenartigen Früchte eingeschlossen und werden recht effizient durch Tiere ausgebreitet

Untersuchungsgebiet – Typisches Habitat von Ratanhia, Schutzzone in San Antonio, Peru

Auf Grundlage der Keimrate von Krameria, der Möglichkeit zur vegetativen Vermehrung der Begleitflora und der nachgewiesenen Haustorienbildung kann die Kulturfähigkeit von Krameria positiv bewertet werden. Allerdings weisen die Daten auf ein extrem langsames Wachstum von Krameria hin (7—15 Jahre bis zur Erntefähigkeit), so dass die Kulturwürdigkeit negativ zu bewerten ist. Die lange Kulturzeit und damit verbundene Pflege der Kultur, die Mitkultur der Begleitarten und die geringe Erntemenge lassen den Anbau von Krameria in Rahmen eines „normalen“ Feldanbaus nicht wirtschaftlich durchführen.

NachsaatDie Möglichkeit einer Nachsaat am Wildstandort wurde im Untersuchungsgebiet in San Antonio in den Jahren 2004—2006 untersucht und bewertet. Es war zu klären in wie weit eine Nachsaat zur Verjüngung der natürlichen Populationen und damit zur Nachhaltigkeit der Wildsammlung beitragen kann. Die Naturverjüngung wurde hierbei einer durch gezielte Nachsaat unterstützen Verjüngung gegenübergestellt. Es konnte gezeigt werden, dass das auf die Versuchsflächen ausgebrachte Saatgut bei ausreichend Niederschlägen keimt und sich

Jungpflanzen etablieren. Eine Naturverjüngung der Ratanhia-Populationen findet allerdings nicht jedes Jahr statt, sondern nur in Jahren mit ausreichend Niederschlag. In diesen Jahren erfolgt die Keimung nicht nur während der Regenzeit, sondern verstärkt auch während der folgenden Trockenzeit, wobei die Keimrate dieser zeitlich versetzten Keimung höher lag als während der Regenzeit. Auf den Versuchflächen wurde durch diese Nachkeimung eine Keimrate (Anzahl der Sämlinge) zwischen 0 % und ca. 30 % erreicht. Für einige (halb-)parasitische Pflanzen wurde nachgewiesen, dass sie eine zeitlich versetze Phänologie aufweisen. .h. die Entwicklung erfolgt einige Zeit später, nachdem die Wirtspflanzen schon d

einen Großteil ihrer Entwicklung abgeschlossen haben und in ausreichender Zahl als Wirte zur Verfügung stehen. Dieses scheint auch bei Ratanhia der Fall zu sein.

Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung ist eine Nachsaat von Krameria im Sammelgebiet somit durchaus sinnvoll und kann, auch auf Flächen auf denen Krameria(bereits) sehr selten ist, zur Etablierung neuer Pflanzen führen.

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Nachhaltigkeit der ErnteDa sich die kommerzielle Kultur von Krameria kompliziert und zeitaufwendig darstellt, wurden in den Jahren 2004—2005 in dem Schutzgebiet der Firma WELEDA bei San Antonio Nachhaltigkeitsuntersuchungen durchgeführt. Mit diesen Studien sollte die Möglichkeit einer nachhaltigen Wildernte untersucht werden. Aufgrund der Erfahrungen in Kultur ist es möglich das Alter der vorhandenen Jungpflanzen abzuschätzen, so dass man über eine Bestandsgröße hinaus auch eine Abschätzung der Naturverjüngung, und damit der jährlich nachwachsenden Menge an Ratanhia durchführen kann.

Zur Erhebung der Bestandsgröße wurden drei Regionen ausgewählt, die ökologisch den wesentlichen Flächentypen des Schutzgebietes entsprechen. Es wurden dabei jeweils Flächen von 100 m2 abgesteckt, und darauf die Anzahl der erwachsenen (Alter > ca. 5 Jahre), jungen (Alter 3—5 Jahre), 2- und 1-jährigen Pflanzen sowie Sämlingen aufgenommen. Auf Grundlage der hier nur verkürzt dargestellten Untersuchungen ergibt sich aus der Anzahl der Pflanzen in den verschieden Altersklassen rechnerisch eine standing crop von 40—60 t und eine nachwachsende Menge von ca. 10 t/a.

In der letzten Ernteperiode wurden im Schutzgebiet insgesamt 1 t Krameria-Wurzeln geerntet, was nach unserer Erhebung 10% der geschätzten jährlich nachwachsenden Menge entspricht. Aufgrund der konservativen Schätzungen dürfte es sich hierbei zweifellos um eine nachhaltige Nutzung handeln, solange nur diese Menge aus der Schutzzone entnommen wird. Wir gehen davon aus, dass diese Erntemenge einen vernachlässigbaren Effekt auf die Population haben wird. Natürliche Schwankungen der Populationsgröße auf Grund von klimatischen Veränderungen oder hohem Weidedruck (Guanacos und wilde Esel) haben wahrscheinlich einen größeren Einfluss auf die Population. Da die Sammler vorzugsweise ältere Pflanzen ernten ist es allerdings möglich, dass sich mittelfristig die Alterstruktur der Population zu Gunsten jüngerer Pflanzen verschiebt.

Die wissenschaftliche Untersuchung der Biologie von Ratanhia und eine Etablierung der Methoden zur Bewertung von Populationsgröße und Naturverjügung bilden die Grundlage für eine Strategie zur nachhaltigen Nutzung dieser Ressource. Auch wenn diese ersten Untersuchungen von einer nachhaltigen Nutzung ausgehen, sollten Populationsgröße und -struktur regelmäßig beobachtet werden, um die Erntemenge gegebenenfalls anzupassen.

Literatur

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Cannon, W. A. 1910. The root habits and parasitism of Krameria canescens Gray.In D.T. Macdougal and W. A. Cannon. The conditions of parasitism in plants. Publ. Carnegie Inst. Wash. 129: 1-60

Musselman, L. J. 1975. Parasitism and haustorial structure in Kramerialanceolata (Krameriaceae). A preliminary study. Phytomorphology 25: 416-422.

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Weigend, M.; Dostert, N. 2005. Towards a standardization of biological sustainability: Wildcrafting Rhatany (Krameria lappacea) in Peru. Medicinal Plant Conservation 11:24-27

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Untersuchungen zur Inkulturnahme von Augentrost (Euphrasia officinalis)B. Waßmann, W. Claupein; Universität Hohenheim, M. Straub Weleda Gärten

EinleitungE. officinalis ist ein Sammelname, unter dem Linné viele Arten zusammenfasste. Die therapeutisch verwendeten Stammpflanzen sind vor allem E. rostkoviana, E. stricta, E. minima, E. latifolia (8, 17). In der Medizin und Pharmazie, neuerdings auch in der Kosmetik, verwendet man das ganze Kraut des Augentrosts (Herba Euphrasia), frisch oder getrocknet. Als Inhaltsstoffe sind Iridoidglykoside wie Aucubin, Catepol, Euphrosid und Ixorosid, Ligane, Phenylpropanglykoside, Quercetin- und Apigeninglykoside, Flavonoide, Gallotannine, Kaffee- und Ferulasäure, Bitterstoffe sowie ätherisches Öl beschrieben worden (11, 12, 17). In der Homöopathie wird die Tinktur aus frischen Pflanzen äußerlich sowie innerlich zur Behandlung von Augenentzündungen eingesetzt sowie auch bei Arthrose, Rheuma, Gicht, Magenbeschwerden und Prostataleiden. Neben einer großen Artenvielfalt weist die Gattung Euphrasia den Semiparatismus auf. Diese Semiparasiten besitzen zwar chlorophyllhaltige Blätter, zapfen jedoch über Haustorien den Xylemstrom der Wirtspflanzen an, da ihr schwach ausgeprägtes Wurzelsystem nicht genügend Wasser und Nährstoffe aufnehmen kann (7). Die Gattung Euphrasia ist im nördlichen und mittleren Eurasien, Australien, Neuseeland und im südlichen Südamerika verbreitet. Jedoch kommt sie nur im gemäßigten Klimabereich vor, welcher entweder vom Breitengrad sowie von der Höhenstufe bestimmt wird (6). Typische Standorte sind wenig gedüngte Wirtschaftwiesen, besonders Bergwiesen sowie Magerrasen, ferner aber auch Sumpfwiesen. Die Gattung wird als lichtbedürftig bezeichnet, da mit zunehmendem Konkurrenzdruck um Licht, bedingt durch Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung von Wiesen und Weiden, ein stärkere Rückgang der Augentrostbestände registriert worden war (10).

Ziel der vorliegenden Arbeit bestand in der Gewinnung grundlegender pflanzenbaulicher Kenntnisse, die für eine Inkulturnahme der Art E. rostkovianavon Bedeutung sind. Dabei sollten erstens geeignete Keimbedingungen und bei vorliegender Dormanz Möglichkeiten zur Dormanzbrechung gefunden werden, zweitens unterschiedliche Pflanzen auf ihre Eignung als Wirtspflanzen getestet und drittens E. rostkoviana Pflanzen im Freiland an gewünschten, jedoch Art untypischen Standorten mittels pflanzenbaulicher Maßnahmen etabliert werden.

Material und MethodenBisher existierten keine Sorten von Euphrasia mit bestimmten Qualitäts- und Ertragseigenschaften auf dem deutschen Markt (3). Für die Versuche konnte von der Saatgutfirma Rieger- Hofmann bis zu 6, 0 g Saatgut aus drei Wildbeständen bezogen werden. Die Herkunftsgebiete der Samen stammten aus der Region Feldberg, Halle (Saale) und den Alpen Österreichs, gesammelt im Zeitraum zwischen August und September 2001. Nach den allgemeingültigen

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Bestimmungen der internationalen Vorschriften für die Prüfung von Saatgut (1) wurde die Tausendkornmasse bestimmt, sowie ein Test auf Lebensfähigkeit nach dem Grundsatz des topographischen Tetrazoliumverfahrens (TTC- Test) am Institut für Pflanzenzüchtung der Universität Hohenheim durchgeführt.

KeimversucheIn Keimversuchen am Institut für Pflanzenbau der Universität Hohenheim wurde der Einfluss von Temperatur und Licht geprüft. Die Behandlungen, die zwischen dem 22.01.02 und 13.06.02 getestet worden waren, sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1: Unterschiedliche Temperatur- und Lichtbehandlungen zur Brechung der Dormanz von E. rostkoviana in Petrischalen im Keimschrank. L= Dauerlicht; D= Dauerdunkelheit

Behandlung 1.- 3. Woche4. Woche-Versuchsende

1 20 °C/L 20 °C/L2 WT**/L WT/L3 5 °C/L WT/L4 5 °C/D WT/L5 5 °C*/L/KNO3 WT/L6 20 °C/D 20 °C/D7 5 °C/L 5 °C/L8 5 °C/D 5 °C/D

.*= 10 Tage bei 5°C ** WT= Wechseltemperatur von je 12 h 20 °C und 30 °C

Wegen unzureichender Saatgutmengen konnten nicht die Saatgutpartien aller Herkunftsgebiete mit allen Behandlungen untersucht werden. Die Keimversuche wurden nach internationalen Regeln für Saatgutprüfung in ventilierten Keimschränken durchgeführt (1). Ziel dieser Untersuchungen war, die Behandlung mit der höchsten Keimrate zu finden. Für die Keimraten wurden die Mittelwerte und Standardfehler aus dem prozentualen Anteil gekeimter im Verhältnis zu den ausgelegten Samen der 4 Wiederholungen aller Behandlungen errechnet.

GefäßversucheDer Semiparas tismus auf Wirtspflanzen ließ sich in Gefäßversuchen i(dünnwandige Plastikschalen; Länge= 18, 5 cm; Breite=13 cm; Höhe= 6,5 cm; mit 26 eingesetzten Löchern; gefüllt mit einer Erdmischung aus „Filder“ (Lehm, Torf und Sand im Verhältnis zwei zu eins zu eins) im Gewächshaus der Universität Hohenheim am besten kontrollieren. Neben drei Temperaturbehandlungen wurden die drei Gramineen Agrostis capillaris (Ac), Festuca rubra rubra (Frr), sowie Dactylis glomerata (Dg) als Wirtspflanzen fünf Tage vor der Aussaat der Euphrasia Samen in die Versuchsgefäße hinzugesät. Im Gewächshaus waren die Gefäße der natürlichen Beleuchtung, im Klimaschrank künstlichem Dauerlicht ausgesetzt. Als unterschiedliche Temperaturbehandlungen waren die Samen der Behandlung eins (>20°C) während der gesamten Versuchdauer einer Temperatur von > 20°C

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im Gewächshaus ausgesetzt. Bei den Behandlungen zwei (5°C/>20°C) und drei (5°C+Eis/>20°C) wurden die Gefäße direkt nach der Aussaat von E. rostkoviana für ca. 3 Wochen (13. März bis zehnter April 2002) in einen Klimaschrank bei einer Temperatur von 5°C gestellt. Die Behandlung drei unterschied sich von Behandlung zwei durch dreimalige Verabreichung von zerstoßenem, demineralisiertem Eis auf die Versuchsgefäße während drei Wochen bei 5°C. Nachden 3 Wochen wurden die Versuchsgefäße der Behandlung zwei und drei aus dem Klimaschrank gemäß Anlageplan zwischen den im Gewächshaus bereits aufgestellten Gefäßen der Behandlung eins eingegliedert. Jede Temperaturbehandlung wurde mit jeder Wirtspflanze kombiniert, so dass 9 Behandlungen mit je 4 Widerholungen angelegt, also 36 Versuchsgefäße zu 6 balancierten, unvollständigen Blöcken mit GENDEX Modul BIB.EXE randomisiert wurden (9). Ziel der Untersuchungen war, die Behandlungen mit den meisten und größten Pflanzen zu finden.

Kulturmaßnahmen im GewächshausWährend der Versuchsdauer wurden anfangs die Versuchsschalen einmalig mit Compo® Guano plus Urgesteinsmehl gedüngt. Danach wurden die daraufhin stark wachsenden Gramineen mehrmals zurück geschnitten um E. rostkovianaausreichend Licht zu gewähren.

FreilandversucheDie Freilandversuche wurden im Zeitraum vom 17. März 2002 bis zum 2. August durchgeführt. In einem bereits bestehenden Wiesenbestand auf dem Gelände des Weleda- Heilpflanzengartens in Wetzgau bei Schwäbisch Gmünd (450 müNN; mittlerer Jahresniederschlag 905 mm; mittlerer Jahrestemperatur 9,6°C; toniger Lehmboden) wurden Mitte März 2002 Samen von E. rostkoviana ausgesät. Es sollte die bereits bestehenden Pflanzengesellschaft des Wiesenbestandes auf ihre Eignung als Wirtspflanzspektrum von E. rostkoviana getestet werden. Nach Bestimmung der Arten im Frühjahr 2002 wurden 20 zufällig ausgewählte Parzellen mit einer Größe von 0,03 m² angelegt. Sie wurden als repräsentative Stichrobe des gesamten Wiesenbestandes gewertet, in denen E. rostkoviana Samen eingesät wurde. Von den eingesäten E. rostkoviana Samen wurden die Anzahl Pflanzen sowie die Entwicklungsstadien bis zur ersten Blüte dokumentiert, Am 2. August 2002 wurden alle E. rostkoviana Pflanzen geerntet und deren Einzelgewicht und das Pflanzengewicht pro Parzelle als Frischmasse bestimmt. Es wurde ebenso die Verteilung der Anzahl Pflanzen über den Versuchszeitraum und die Verteilung der Pflanzengewichte mittels des Graphikogramms Sigma- Plot (4.0) dargestellt.

ErgebnisseKeimversucheDie Samen der Herkunft Feldberg und der Herkunft Österreich waren zu 75% und 85% lebensfähig. Die Tausendkornmasse der Herkunft Feldberg ist 0,192 g und damit signifikant höher als die der Herkunft Österreich mit 0,175 g. Bei den

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Untersuchungen zur Bestimmung geeigneter Keimbedingungen erzielten die Samen der Herkunftsgebiete Feldberg und Österreich jeweils höhere Keimraten nach dreiwöchiger Temperatureinwirkung von 5°C als bei 20 ° oder 30°. Die Keimraten der Samen der Herkunft Feldberg wurden weder durch Kaliumnitrat noch durch Licht oder Dunkelheit signifikant beeinflusst. Bis zu 4% keimten bei 20°C und Dauerlicht, die anderen Samen waren dormant. Die Samen der Herkunft Österreich erreichten bei 20°C und Dauerlicht eine Keimrate von unter 1 Prozent. Erst nach 10 Tagen bei einer Temperatur Einwirkung von 5°C und Kaliumnitrat wurde eine Keimrate von 8 Prozent erreicht, sobald die Petrischalen in 20 °C und 30°C Wechseltemperatur gestellt wurden. Bei 5°C keimten bis zur dritten Woche keine Samen, jedoch bis zu 45% nach umsetzen in 20 und 30°C Wechseltemperatur. Eine stetig steigende Keimrate bis zu 74% ließ sich durch konstante 5°C über 15 Wochen erzielen. Hingegen wurde bei anfangs 3 Wochen 5°C und danach 20 und 30 °C Wechseltemperatur ab der 5. Woche keine weitere Keimung beobachtet.

GefäßversucheEine ähnliche Temperaturabhängigkeit der Anzahl Pflanzen (Keimlinge) wurde in den Gefäßversuchen im Gewächshaus ermittelt. Die Behandlungen die 3 Wochen bei 5°C im Keimschrank standen (mit und ohne Eisgaben), hatten signifikant höhere Keimraten beziehungsweise mehr Pflanzen gebildet als die die im Gewächshaus verblieben und Temperaturen über 20 °C ausgesetzt waren. Acht Wochen nach der Aussaat war die maximale mittlere Anzahl Pflanzen aller Varianten bei den Behandlungen mit anfangs 5°C erreicht. Im weiteren zeitlichen Verlauf ging die Anzahl Pflanzen zurück. Bis zur 16. Woche wurde die Anzahl Pflanzen dokumentiert, die sich unter gegeben Bedingungen auf Wirtspflanzen etablieren und bis zur Blüte entwickeln konnten. Ein signifikanter Unterschied des Prüfmerkmals Pflanzenanzahl wurde in Bezug auf die Wirtspflanze A. capilaris, D. glomerata und Festuca rubra rubra nicht gemessen. Auch im Wuchs von E. rostkoviana fielen keine Unterschiede auf, die auf ein unterschiedliches Nährstoffangebot der Wirtspflanzen hätten hinweisen können.

FreilandversucheDie klimatischen Bedingungen nach der am 17. März erfolgten Aussaat waren mit mindestens 15 Tagen Bodenfrost ausreichend zur Brechung der Dormanz der Samen der Herkunft Österreich. Es erschien 4 Wochen nach der Aussaat zwischen 0 und 795 Keimlinge/m² in den zufällig ausgewählten Parzellen. In der 6. Woche bei einem 14 cm hohen Wiesenbestand wurden die Keimlinge mit einer Höhe von 1 cm überschattet. Nach dem Rückschnitt der potentiellen Wirtspflanzen traten ab der 7. Woche erste Pflanzenverluste auf. Bis zur 10. Woche hatten die Pflanzen einen gestauchten Wuchs und bis 8 Blattpaare ausgebildet. Eine darauf folgende Etablierung auf den Wirtspflanzen wurde aufgrund des auffälligen Entwicklungsschubes, sichtbar an der Zunahme der Anzahl Zähne am Rand der neu gebildeten Blätter angenommen. In der 12. Woche bildeten sich Seitentriebe und in der 14. Woche öffneten sich die ersten Blütenköpfchen an den Haupttrieben, später auch an den Seitentrieben. In der 17. Wochen (2. August

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2002) wurden sämtliche Euphrasia Pflanzen geerntet und einzeln gewogen sowie das Gesamtgewicht je Parzelle ermittelt. Der Mittelwert lag zum Erntezeitpunkt bei 179 Pflanze/m². 50% der Parzellen hatten zwischen 60 und 232 blühende Pflanzen/m². Von allen Parzellen (0,6 m²) auf der Versuchswiese wurden insgesamt 0,142 kg geerntet.

DiskussionDie Dormanz konnte signifikant erst bei einer Temperatur von 5°C gebrochen werden. Für den Anbau bedeutet dies eine frühzeitige Aussaat im Herbst oder Winter, um eine ausreichende natürliche Stratifikation zu gewährleisten. Für die Anzucht im Gewächshaus sollten die angefeuchteten Samen mindestens 3 Wochen im Kühlschrank stratifiziert werden. Licht oder Dunkelheit hatten in den Untersuchungen keinen Einfluss auf die Höhe der Keimraten. Die EuphrasiaPflanzen, die in den Gefäßversuchen gemeinsam mit den Gräsern als Wirtspflanzen angezogen wurden, entwickelten sich zu schmächtigen, jedoch blühenden Pflanzen. In den Untersuchungen konnten also bei Agrostis capilaris, Dactylis glomerata und Festuca rubra rubra etablierte E. rostkoviana angetroffen werden (16, 19). Für die Anzucht sollten bereits etablierte, kräftig, bewurzelte Wirtspflanzen verwendet werden. Dies erscheint ebenso wichtig zu sein wie die Auswahl der Wirtspflanzen (8, 14, 18-21). Eine Etablierung auf den Wirtspflanzen wurde durch den auffälligen Wachstumsschub der Blätter erkannt. Das Zurückschneiden der Wirtspflanzen bis zur ersten Verzweigung von E. rostkovianaerwies sich während der Versuche als notwendig, um eine Beschattung der Pflanzen zu vermeiden (19). Ebenso war eine gute Wasserversorgung während der gesamten Wachstumszeit wichtig. (15). Die starke Transpiration kommt im raschen Welken nach dem Pflücken der Pflanzen zum Ausdruck (6). Bei einer Düngung kann Euphrasia die Nährstoffe indirekt über die Wirtswurzeln aufnehmen, jedoch ist dann ein erhöhter Wuchs und Beschattung durch die Wirtspflanzen zu erwarten. Die große Variationsbreite der Frischmassegewichte (g/m²) sowie die stark variierende Anzahl Pflanzen/m² zeigen dass in zukünftigen Untersuchungen der Einfluss weiterer Kulturmaßnahmen zu prüfen ist, damit im Anbau hohe und sichere Erträge erzielt werden können. Bei einem Bedarf von 100 kg Frischmasse müssten unter ähnlichen Bedingungen wie bei den Untersuchungen 240 g Saatgut auf einer Fläche von 414 m² ausgesät werden (Abb. 1). Wegen der sehr geringen Aussaatmenge und folglich geringen Pflanzenernte ist die Hochrechnung auf 100 kg ein grober Schätzwert. Eine zukünftige Aussaat könnte auf schmalen, gefrästen Streifen (30 cm) erfolgen, die alternierend zwischen Gras- oder Grünlandstreifen (60 cm) angelegt sind. Diese Streifen können dann mit einem Rasenmäher kurz gehalten werden. Der Erntezeitpunkt des frischen blühenden Krauts lag zwischen Juli und Oktober. Für die Gewinnung von Saatgut werden die Monate August und September empfohlen.

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Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Okt Nov Dez

Aussaat der Wirtspflanzen

Aussaat von E. rostkoviana

Keimung von E. rostkovianaZurückschneiden hoher Wirtspflanzenausreichende Feuchtigkeit gewährleisten

Etablierung auf der Wirtspflanze

Bildung Seitentriebe

Blühphase

Ausfall reifer Samen

Ernte der Frischmasse

Abb. 1: Zeitplan einer möglichen Kultivierung vn E. rostkoviana nach de nErgebnissen der Freilandversuche in Schwäbisch Gmünd 2002

ZusammenfassungAugentrost (Herba Euphrasiae), das für pharmazeutische und kosmetischeProdukte verwendet wird, stammt derzeit aus Wildsammlungen. Die in der Pharmazie aufgeführte Stammpflanze Euphrasia officinalis L. ist ein Sammelname und steht für eine Artengruppe, zu der auch E. rostkoviana Hayne gezählt wird. In den Untersuchungen wurden Samen aus Wildbeständen der Art E. rostkovianaverwendet und zuerst auf Lebensfähigkeit sowie Keimfähigkeit geprüft. Anschließend wurde die Anzucht auf verschiedenen Wirtspflanzen in gewächshaus- und Freilandversuchen durchgeführt. Das Hauptziel war, E. rostkoviana auf einer vorgesehenen Wiesenfläche zu etablieren, um konkrete Anbaukenntnisse zu erhalten. Eine zufriedenstellende Keimung von E. rostkoviana, erfolgte im Keimschrank, im Gewächshaus sowie im Freiland nach mindestens dreiwöchiger Stratifikation bei 5°C. Auf den untersuchten Wirtspflanzen Agrostis capillaris, Dactylis glomerata und Festuca rubra rubra konnte sich E. rostkovianaetablieren, jedoch gab es keinen signifikanten Unterschiede während des Aufwuchses. Die Pflanzen im Freilandversuch waren im Wuchs kräftiger, was auf einen Ernährungsvorteil älterer Wirtspflanzen schließen lässt. Die Gesamtpflanzenernte von E. rostkoviana ergab ein durchschnittliches Frischpflanzengewicht von 241,6 g/m². Bei einem Frischpflanzenbedarf von 100 kg hätten 240 g Saatgut auf einer Fläche von ca. 415 m² ausgesät werden müssen.

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21.Zopfi H-J. The genetic basis of ecotypic variants of Euphrasia rostkoviana Hayne (Scophulariaceae) in relation to grassland management, Morphologie, Geobotanik, Oekophysiologie. Flora 1998;193:41-58.

Inkulturnahme Augentrost 38

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Inkulturnahme von Meisterwurz (Peucedanum ostruthium)E.M. Walle, Dr. S. Gruber, Prof. W. ClaupeinInstitut für Pflanzenbau und Grünland, Universität HohenheimFruwirthstr. 23, D- 70599 Stuttgart

Einleitung:Die Meisterwurz (P. ostruthium) ist eine Gebirgspflanze Europas und wächst natürlicher-weise ab 1400 m Höhe. Typische Standorte sind Bachufer, feuchte Schutthalden, Grünerlen-gebüsche und schattige Felsausläufer. Der weiß blühende Doldenblütler bildet große, dreilappige und gezahnte Blätter sowie Rhizome und Ausläufer aus, die in der Arzneimittelherstellung hauptsächlich eingesetzt werden. Heutzutage wird die Pflanze vor allem wegen ihrer appetitanregenden und verdauungsfördernden Wirkung verwendet.

Grund der Inkulturnahme ist der Schutz der natürlichen Standorte, Sicherheit vor natür-lichen und anthropogenen Einflüssen, sowie die Erzielung einer gleichmäßigen Qualität und Quantität der Erträge.

Ziel dieser Arbeit waren eine optimale Vermehrungsstrategie zu entwickeln, geeignete Pflanzendichte und Bodeneigenschaften in Feldversuchen zu ermitteln und dabei eventuell auftretenden Veränderungen morphologischer und inhaltstofflicher Art zu identifizieren. Aus den gesammelten Ergebnissen sollte schließlich eine Anbauanleitung erstellt werden.

Material und Methoden:Vermehrung: Samen unterschiedlicher Herkünfte wurden im Labor mit verschiedenen Methoden, u.a. Temperaturbehandlung, zur Keimstimu-lierung behandelt und die jeweilige Keimrate erfasst. Die Rhizome, gewachsen auf verschiedenen Bodensubstraten, wurden längs in 2 cm breite Jungpflanzen geteilt und die Anzahl Jungpflanzen pro Mutterpflanzen ermittelt.

Inkulturnahme Meisterwurz 39

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Kultivierung: Der am Standort Schwäbisch Gmünd natürlich vorkommende Boden wurde jeweils mit Kalkmehl, Kalkschotter, Torf und Sand modifiziert, um den Einfluss auf das Wachstum von Pflanzen unterschiedlicher Herkunft zu beobachten. In weiteren Versuchen wurden verschiedene Pflanzabstände auf Ertrag, Beikrautbesatz und morphologische Ausprägung der Wurzel ge-prüft.

Qualität: Tinkturen aus Pflanzen verschiedener Wildherkünfte und Kulturstandorten wurden mit Hilfe der Dünnschichtchromatographie verglichen. Blattreihen, ebenfalls von Pflanzen aus Wildsammlung und aus Anbau wurden dokumentiert, um mögliche Unterschiede in Form- und Vitalkraft feststellen zu können.

Ergebnisse und Diskussion:

Die Keimrate hing stark von der jeweiligen Behandlungsmethode und dem Alter der Samen ab. Kälteeinwirkung von 2°C über vier Wochen, führte mit 25% zur höchsten Keimrate der geprüften Varianten (Abb. 1). Diese Keimrate ist verglichen mit handelsüblichem Saatgut von Kulturpflanzen sehr niedrig.

Abb. 1: Wirkung verschiedener Methoden zur Keimstimulierung von Meisterwurzsamen.

Die jeweilige Bodenzusammensetzung hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum der Meisterwurz. Messungen von Höhe, Ausläufer und Blattausbreitung/Pflanze erzielten nahezu gleiche Ergebnisse (Abb. 2). Dies war zu erwarten, da Meisterwurz auch am Wildstandort auf unterschiedlichen Gesteinsarten anzutreffen ist.

Behandlungen:1 Warmwasser, 40°C, 20 Min.2 Wechseltemperatur 20/2°C, jeweils 12 Std. 3 Kochendes Wasser ,10 Sek.4 Ritzen, 1/3 längs des Samen5 Trocknen, 24 Std. 40°C6 Frischsamen, direkt7 Frischsamen, 4 Wochen lagern bei 15 °C8 Kälte, 2 °C, 4 Wochen9 Frost -10 und -5 °C, 4 und 8 Wochen

0

5

10

15

20

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1 2 3 4 5 6 7 8 9

[%]

Inkulturnahme Meisterwurz 40

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Abb. 2: Entwicklung der Blattausbreitung (Pflanzendurchmesser) auf unterschiedlichen Substraten

Die Vermessungen der Pflanzen mit unterschiedlichem Pflanzabstand zeigten, dass es keine bedeutenden Unterschiede gab (Abb. 3). Nachteilig war allerdings der größere Beikrautdruck bei weitem Abstand.

Abb. 3: Stengelausbreitung in Abhängigkeit von Pflanzabstand und Substrat, mit Standardabweichung

In der Dünnschichtchromatographie zeigten sich geringfügige Veränderungen, die mit der Höhe der Standorte korrespondierten. Die Ergebnisse der DC von Pflanzen aus dem Anbau entsprachen denen der wildgesammelten aus dem Gebirge (Abb. 4)

02468

101214

30 cm

Schotter

30 cm

Natürlich

100 cm

Schotter

100 cm

Natürlich

[cm

]

29.6.18.9.

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18.5. 29.6. 18.9.

[Datum]

[cm

]

LehmSand/TorfKalk

Inkulturnahme Meisterwurz 41

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Abb. 4: Dünnschichtchromatographie. Linkes Bild: Wildstandorte Rechtes Bild: Anbau

Bei den Blattreihen konnte beobachtet werden, daß die Pflanzen vom Wildstandort deutlicher, feiner und differenzierter ausgeformte Blätter hatten.

Abb. 5: Blattreihe (verschiedene Blattpositionen an einer Pflanze): Linkes Bild: Wildstandort Rechtes Bild: Anbau

Zusammenfassung

• Die Inkulturnahme von Meisterwurz ist möglich.• Die Vermehrung kann grundsätzlich generativ sowie vegetativ durchgeführt

werden, wobei die vegetative Vermehrung aus Gründen der sichereren und schnelleren Jungpflanzenentwicklung vorzuziehen ist.

• Für eine erfolgreiche generative Vermehrung sollte das Saatgut vier Wochen bei 2°C gelagert werden.

• Saatgut sollte möglichst erntefrisch ausgesät werden.• Meisterwurz lässt sich auf jedem Boden kultivieren, wobei Kalk auch in

diesem Anwendungsbereich positiv für das Wachstum ist. • Tinkturen aus dem Anbau lassen eine gleiche Wirksamkeit vermuten wie

Tinkturen aus Wildsammlungen.

Information: Eva Maria Walle Tel.: 0176/ 238 69 453Email: [email protected]

Inkulturnahme Meisterwurz 42

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Inkulturnahme Weiße Taubnessel 43

Bodenuntersuchung zur Inkulturnahme von Lamiumalbum L. Indra Baumgart, Universität Bonn

EinleitungDie Weiße Taubnessel wächst wild, vor allem an Zäunen, Hecken, Wegen und Gräben ruderalen Geländes (Schmeil, 1967), an Waldrändern und auf Wiesen (Hollerbach, 1998). L. album wird spätestens seit dem Mittelalter bei gynäkologischen Problemen,insbesondere bei der Entbindung, angewendet (Bown, 1996). Ebenso gibt es Literaturangaben über ihren Gebrauch in anderen medizinischen Fällen, wie beiKatarrhen der Atem- und Harnwege (Tomanovà, 1981; Schlosser, 1991) als auch bei Magen- und Darmstörungen. Haupt- Wirk- und Inhaltsstoffe in dem Kraut, Blättern und in den Blüten sindätherische Öle, Gerbstoffe, Schleimstoffe, Saponine, Flavonoide, Cholin und Iridoide. (Schönfelder, 1988; Hollerbach, 1998; Schlosser, 1991; Hoppe, 1975).Neben den Hauptinhaltsstoffen werden weitere Substanzen in der Literaturgenannt. Hierzu gehören Histamin, Tyramin, Methylamin, Isoqueritin und biogene Amine (www 8).Die Inkulturnahme der Weißen Taubnessel und dementsprechende konkrete Anbauempfehlungen sind in der Literatur nicht zu finden.In dieser vorliegenden Arbeit soll der Einfluss unterschiedlicher Böden auf das Wachstum von L. album untersucht werden, um damit Empfehlungen für den planmäßigen Anbau dieser Heilpflanze zu erleichtern. Das Ziel ist, quantitativ und qualitativ hochwertige Erträge zu erreichen. Hierfür sind die Anzahl der Triebe, die Triebhöhe, Blütenkränze und die daran sitzenden Scheinquirlen sowiedie Reinheitsqualität des Erntegutes von entscheidender Bedeutung.

Systematik, Herkunft und Verbreitung Der Name L. album leitet sich aus dem Griechischen (laimos = Rachen, Schlund)ab und bezieht sich auf den Blütenaufbau (Bown, 1996), der an einenaufgesperrten Rachen erinnert (Triska, 1976). Systematik: Die Weiße Taubnessel gehört zur Gruppe der Lamiales, unter der Pflanzenfamilien wie die Rauhblattgewächse, die Bienenpflanzen und die großeGruppe der Lippenblütler zusammengefasst werden. L. album ist der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae/Labiatae) zuzuordnen und der Gattung Lamium.Herkunft und Verbreitung: Die Herkunft der Weißen Taubnessel ist durch dieLiteratur nicht eindeutig zu klären. Man nimmt jedoch an, daß sie ihr Ursprungsgebiet in Sibirien hat (Klemme u. Holtermann, 1996). Die GattungLamium ist im gesamten Raum Eurasiens, sowie in Nordafrika verbreitet (Bown, 1996).Die Weiße Taubnessel ist hingegen nur in weiten Teilen Europas und Asiens zu finden, wobei sie im Süden sehr selten ist (Schönfelder, 1988).

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Inkulturnahme Weiße Taubnessel 44

BotanikWurzelstock: Unterirdische, verzweigte Stengel, die schuppenförmige Blättertragen, bilden den Wurzelstock. Die Schuppenblätter umhüllen schützend dieKnospen, die sich in ihren Achseln bilden, sowie die zarten Enden der Zweige, die den Boden durchdringen. Später schrumpfen sie ein. Stengel: Triska (1976) beschreibt, daß dem reich verzweigten, Ausläufertreibenden Wurzelstock zahlreiche aufrechte, vierkantige und gegenständig beblätterte, hohle Stengel entspringen, die von unten her häufig rotviolettüberlaufen und abstehend flaumig behaart sind. Dort, wo die Blätter entspringen, besitzt der Stengel Verdickungen, so genannte Stengelknoten. Liegt der Knoten auf dem Boden auf, so werden so genanntesprossbürtige Wurzeln gebildet, die die Pflanze mitverankern helfen (Schmeil, 1967).Blätter: Die Blätter sind kreuzweise, gegenständig angeordnet und weisen eine dreieckige bis spitz-eiförmige, scharf gesägte Form auf. Genauso, wie der Stengel sind sie fein behaart (Hollerbach, 1998).Blüten: Die sitzenden Blüten wachsen in den Deckblattachseln in Scheinquirlen (Tomanovà, 1981). Dabei stehen in jeder Achsel 3-7 Blüten, welche auch die Stengelseiten verdecken, an denen keine Blätter entspringen (Schmeil, 1967). Die röhrenförmigen, zweilippigen Blüten bilden sich büschelförmig im Frühjahr (Bown, 1996). Die Blüte ist über den ganzen Sommer zu beobachten (www 1).

Vermehrung, Anbau, Ernte und TrocknungVermehrung: Die Vermehrung erfolgt entweder durch Aussaat, durch Teilung desWurzelstocks oder durch Stecklinge nicht blühender Triebe im Herbst oderFrühling (Bown, 1996).AnbauL. album bevorzugt feuchten, entwässerten Boden (Bown, 1996). Der pH-WertAnspruch liegt bei 5 - 6 (www 2). Angaben über konkrete Düngungsgaben bei L.album sind in der Literatur nicht zu finden, sie ist aber bei Pott (1995) alsnitrophile Pflanze beschrieben. Die nahe verwandte L. maculatum wird als mittelstarkzehrend eingestuft. L. album wächst sowohl an sonnigen Plätzen als auch im Halbschatten (Bown, 1996). Sie gehört zu den thermophilen Pflanzen(Pott, 1995).Bei der Weißen Taubnessel werden sowohl die Blüten (Flores lamii albi), das Taubnesselkraut (Herba lamii albi) als auch die frischen Blätter (Laminum album)geerntet (Hoppe, 1975).

Material und MethodenEs handelt sich bei der hier vorliegenden Untersuchung um einen Gefäßversuch.Die Gefäße, 10 Liter große Kunststoffboxen, wurden mit fünf differenzierten Böden verschiedener Standorte gefüllt, im Hausgarten auf Gut Ostler angeordnet, bepflanzt und bonitiert.Die Witterungsdaten Temperatur und Niederschlag wurden täglich aufgezeichnet.Im Versuchszeitraum betrug der Durchschnitt der maximalen Tagestemperatur

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45Inkulturnahme Weiße Taubnessel

25,6 °C, der der minimalen Tagestemperatur 14,5 °C. Die Summe der Niederschlagsereignisse während des Untersuchungszeitraums betrug insgesamt328 mm.Der einfaktorielle Gefäßversuch wurde mit vier Wiederholungen (a, b, c, d)angelegt.Die Versuchsglieder sind folgendermaßen charakterisiert: BBV: Lehmig- schluffiger Sand (Löß), nährstoffreich, pH-Wert 7, 80DDV toniger Schluff (Löß), verarmt, pH-Wert 6,1, Bodenentnahme aus 0-Parzelle AFV Toniger Schluff (Löß), pH-Wert 6,2, aus ökologischer Landbau-Nutzung,SAND sandiger Sand (Löß), pH-Wert 6,BEE Schluffiger Lehm, pH-Wert 4; Grünlandzahl 42

Beschaffung der Böden, BodenanalyseUm den Nährstoffgehalt der Böden zu ermitteln wurden am Institut für Pflanzenbau der Universität Bonn verschiedene Analysen durchgeführt

Tab. 1: Nährstoffanalyseergebnisse der verschiedenen BödenP2O5 * K2O * Org. Substanz N C Protein pH

Boden [mg/100g] [mg/100g] % % % %

BBV 26,91 D 46,82 E 2,37 0,153 1,171 0,960 7,0DDV 21,48 C 10,33 B 1,54 0,114 0,696 0,713 6,1AFV 13,89 B 8,59 B 1,56 0,106 0,589 0,667 6,2SAND 22,63 C 17,29 C 2,63 0,171 1,672 1,074 6,0BEE 12,57 B 43,4 D 5,59 0,244 2,829 1,531 4,0

* Großbuchstaben B – E geben die Versorgungsstufen des jeweiligen Nährstoffs im Boden an:B = mittel, C = hoch, D = sehr hoch, E = extrem hoch (aus Landesarbeitskreis Düngung 1998)

Am 25. Juni wurden die Jungpflanzen mit Ballen in die mit den unterschiedlichen Böden gefüllten Gefäße gepflanzt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen alle Pflanzen einevergleichbare Höhe, Triebzahl und Farbe auf. Sie hatten bis dato keine Blütenentwickelt.Die erste, von insgesamt 5 Bonituren, am 4.8.1999 erfolgte fünf Wochen nach derPflanzung bei Beobachtung der ersten Blütenbildung. Die späteren Bonituren wurden je nach Entwicklung der Pflanzen in Abständenvon 7 - 30 Tagen wiederholt. Entscheidend für die Durchführung einer Bonitur war die Ausbildung von Scheinquirlen und Blüten. Bei der Bonitur wurden folgende Merkmale erfasst: 1. Anzahl der Triebe pro Gefäß. 2. Pflanzenhöhegemessen am höchsten Trieb in [cm]. 3. Durchschnittliche Anzahl der Scheinquirlen pro Trieb. 4. Länge des Blühhorizontes gemessen von untersterScheinquirle bis zur Triebspitze in [cm]. 5. Farbe gemessen in einer Skala von 1 -6 (1 = hellgrün-gelb, 6 = dunkelgrün).

Statistische Auswertung: Wenn die Varianzanalyse des F-Tests signifikanteUnterschiede der Varianzkomponenten (Ftab Fvers) nachwies, wurde anschließend mit dem Tukey-Test bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % eine Untersuchung auf signifikante Mittelwertsdifferenzen vorgenommen.

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Inkulturnahme Weiße Taubnessel 46

Ergebnisse und DiskussionEinfluss der unterschiedlichen Böden auf die TriebzahlL. album scheint besondere Ansprüche an den Kalium- und Stickstoffgehalt desBodens zu stellen. Böden mit guter Stickstoff- und Kaliversorgung scheinen einelängere Ernteperiode zu ermöglichen als arme Böden, welche mit negativen, oderabnehmenden anstatt zunehmenden Zuwachsraten reagieren.

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

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35,0

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Boniturzeitpunkt

An

zah

lder

Pri

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BBVDDVAFVSANDBEE

BBV 15,3 20,0 22,3 23,3 22,3

DDV 8,5 10,8 9,3 11,3 10,8

AFV 13,3 14,0 15,8 14,5 14,3SAND 12,0 19,3 21,8 26,5 35,0

BEE 14,0 18,0 18,5 20,3 31,5

1. Termin 2. Termin 3. Termin 4. Termin 5. Termin

a

b

abab

ab

a

b

ab

aab

a

b

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a

ab

ab

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a

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b

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a

Abb. 1: Entwicklung der Triebzahlen auf den zu prüfenden Böden zum Boniturtermin

Über gute Stickstoff- und Kaliversorgung bei einem günstigen pH-Wert könnte die Bildung von Trieben und damit Scheinquirlen und Blüten positiv beeinflußtwerden. Der Massenertrag pro Pflanze könnte um 100 % gesteigert werden (Abb.1). Dies ergibt sich, wenn man beispielsweise die möglichen Erträge von DDV mit denen von SAND oder BEE vergleicht.

Einfluss der unterschiedliche Böden auf die PflanzenhöheDas Wachstum der Taubnessel scheint in drei Phasen abzulaufen, in denen jeweils bestimmte Wachstumsprozesse in der Pflanze gefördert oder gehemmt werden. Die Produktion neuer Triebe steht in Konkurrenz zum Längenwachstum schon bestehender Triebe. Bei einem guten Nährstoffangebot können vermutlich beide Prozesse nebeneinander stattfinden. Für die Blütenernte sind beide Wachstumstypen von Bedeutung. Das Triebwachstum ist unter dem Aspekt der möglichen Erntemenge jedoch stärker zugewichten.BEE und SAND sind die Böden, auf denen sowohl die längsten Triebe als auch eine sehr hohe Anzahl neuer Triebe über den gesamten Versuchszeitraum hinweg gebildet wurden. Beide könnten als geeignete Standorte für den Anbau von L.album herangezogen werden (Abb. 2)

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47Inkulturnahme Weiße Taubnessel

Auf allen anderen Böden wurde innerhalb des Versuchszeitraums das Längenwachstum zu Ungunsten des Triebwachstums favorisiert. Zu keinemZeitpunkt konnte festgestellt werden, daß beide Wachstumsprozesse parallelrealisiert wurden. Sie sind deshalb bezüglich der Blütenproduktion ungünstiger zu bewerten als die Varianten SAND und BEE.

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

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35,0

Boniturzeitpunkt

Wuc

hshö

he in

cm BBVDDVAFVSANDBEE

BBV 28,8 28,3 26,8 24,3 26,0DDV 24,5 21,5 20,5 20,1 27,3AFV 21,0 20,6 19,5 20,9 24,0SAND 27,0 26,3 26,8 29,8 26,5BEE 29,0 29,0 30,5 31,8 27,3

1. Termin 2. Termin 3. Termin 4. Termin 5. Termin

a

ab

b

ab

aab

bc

c

abc

a

ab

b b

ab

a

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aa

aa

a

Abb. 2: Darstellung der unterschiedlichen Wuchshöhen von L .album

Einfluss der unterschiedlichen Böden auf die ScheinquirlenBezüglich der Scheinquirlenproduktion erzielt wiederum der Boden BEE diebesten Ergebnisse (Abb. 3). Auf ihm produziert L. album nicht nur die meisten Scheinquirlen pro Trieb, sondern auch die meisten Scheinquirlen pro Pflanze, da auf ihm auch die Triebproduktion sehr günstig verläuft. Auf BEE werden bis zu dreimal so viele Blütenkränze gebildet wie auf DDV und AFV. Zudem sind über den gesamten Versuchszeitraum die potentiellen Blütenernten gegenüber allen anderen Böden relativ gleichmäßig verteilt. Dadurch können arbeitswirtschaftlichungünstige Ertragsspitzen und Ertragsdepressionen vermieden werden. AFV schneidet ähnlich wie DDV auch bei diesem Parameter vergleichbar schlecht ab. Auf ihm werden die wenigsten Scheinquirlen pro Trieb gebildet. Trotzdem lässt der Boden eine geringfügig größere Produktion an Scheinquirlen pro Pflanze als auf DDV erwarten. Die Haupternte findet scheinbar vor allem zu den ersten beiden Terminen statt. SAND und BBV nehmen bezüglich der Blütenkranzausbildung eine Mittelstellungein. Bei SAND scheinen jedoch vor allem die letzten beiden Erntetermine von entscheidender Bedeutung zu sein, was für den Anbauen von Interesse sein könnte, wenn jahreszeitlich gesehen, späte Ernten erwünscht sind.

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48Inkulturnahme Weiße Taubnessel

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

Boniturzeitpunkt

Anz

ahld

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chei

nqui

rlen

pro

Trie

b (g

emitt

elt)

BBVDDVAFVSANDBEE

BBV 3,4 3,4 1,0 1,6 1,6DDV 3,1 3,1 1,0 1,3 1,4AFV 2,3 2,3 1,0 0,6 1,1SAND 3,0 2,9 2,0 2,6 1,9BEE 4,0 4,1 2,5 2,8 2,4

1. Termin 2. Termin 3. Termin 4. Termin 5. Termin

ababc

c

bc

a

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c

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a

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a

ab

ab

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a

Abb. 3: Durchschnittliche Anzahl der Scheinquirlen pro Trieb bei L. album auf verschiedenen Böden

Einfluss der unterschiedlichen Böden auf die BlühhorizontlängeBEE ist der Boden auf dem die besten Ergebnisse bezgl. Blühhorizontlänge und Reinheit des Erntegutes festgestellt wurden. Bei einem Schnitt könnte man auf diesem Boden die höchsten Erträge erwarten (Abb. 4).

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

Boniturzeitpunkt

Län

ge

des

Blü

hh

oriz

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esp

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[cm

]

BBVDDVAFVSANDBEE

BBV 11,5 11,3 3,1 4,6 4,4DDV 11,9 11,0 2,8 3,9 3,5

AFV 7,0 7,0 2,6 2,3 3,0

SAND 11,0 10,8 6,4 5,9 5,0

BEE 13,5 13,3 4,8 7,4 6,0

1. Termin 2. Termin 3. Termin 4. Termin 5. Termin

ab ab

b

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abab

b

ab

a

a aa

a

a aa

a

a

a

aa

a

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Abb. 4: Länge des Blühhorizontes bei L .album auf den untersuchten Böden zu den einzelnenBonituren

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Inkulturnahme Weiße Taubnessel 49

Das Erntegut scheint zudem vergleichbar rein zu sein. Der geringste Stengelanteil und die meisten Blüten sind im Erntegut dieser Variante enthalten. Auf SAND produziert L. album über den Boniturzeitraum eineGesamtblühhorizontlänge von 808,3 cm pro Gefäß, das sind etwa 45 cm weniger, als auf BEE. Dennoch liegt SAND diesbezüglich im guten Bereich. Die Reinheit dermöglichen Schnittmenge auf SAND ist jedoch als eher schlecht zu bewerten. Das würde bedeuten, daß das Erntegut einen vergleichbar hohen Stengelanteil beinhaltet.AFV erzielt die geringste Blühhorizontlänge von 307,5 cm. Die Reinheit desErntegutes ist als mittelmäßig einzustufen.

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Inkulturnahme Weiße Taubnessel 50

Literaturverzeichnis

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Hollerbach, E. und K. (1998)Kraut und Unkraut zum Kochen und Heilen. Seite 173-174. Sphinx Verlag, Basel.

Hoppe, H. A. (1975)Drogenkunde. Band 1, 8. Auflage, Seite 631-632, Walter de Gruyter Verlag, New York.

Klemme, B. und Holtermann, D. (1996)Un-Kräuter zum Genießen - Noch mehr Delikatessen amWegesrand, Walter Rau Verlag, Düsseldorf.

Klemme, B. und Holtermann, D. (1996)Delikatessen am Wegesrand, Walter Rau Verlag, Düsseldorf.

Pott, R. (1995)Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. Seite 393. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

Schlosser, S. (1991) Wildpflanzen Mitteleuropas, Nutzung und Schutz. Seite 279. Deutscher LandwirtschaftsverlagBerlin GmbH.

Schmeil, O. (1967)Pflanzenkunde. Band 1, Seite 33-37. Verlag Quelle und Meyer, Heidelberg.

Schönfelder, P. und I. (1988)Der Kosmos Heilpflanzenführer, Europäische Heil- und Giftpflanzen. Seite 88. Franckh`scheVerlagshandlung, Stuttgart.

Storl, W. D. (1982)Der Garten als Mikrokosmos, Biologische Naturgeheimnisse als Weg zur besseren Ernte. Seite 280-282 und Seite 135. Hermann Bauer Verlag, Freiburg im Breisgau.

Tomanová, E. (1981)Das große Buch der Pflanzen in Feld und Wald. Seite 190. Mosaik Verlag GmbH, München.

Triska, J. (1976)Kosmos Pflanzenwelt, Europäische Flora, Gesellschaft der Naturfreunde. Franckh`scheVerlagshandlung, Stuttgart.

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www 8, (2000) http://www.odont.aau.dk/LibHerb2/pn0011.htm

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Abb. 1: Oxalis acetosella L.

Versuche zur Inkulturnahme von Oxalis acetosella L.

Dipl.-Ing. (FH) Mario Schubert, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) University of Applied Sciences, Fachbereich Landbau/ Landespflege

EinleitungIm Rahmen einer Diplomarbeit sollten erste Untersuchungen zur Inkulturnahme von Oxalis acetosella L. durchgeführt werden. Die Arbeit soll einen Grundstein legen für weitere Versuche, die den späteren Anbau von Waldsauerklee als Heilpflanze ermöglichen.Der Bedarf nach einem Inkulturnahmeverfahren ergab sich, durch die sehr hohen Qualitätsanforderungen, welche WELEDA an ihre Rohstoffe stellt sowie auch aus Artenschutz- und Kostengründen. Die Preise für Wildsammlungen steigen stetig. Durch die Kultivierung von Oxalis acetosella L. unter biologisch-dynamischen Anbaubedingungen will man dem Streben nach ständiger Qualitätskontrolle bestmöglich gerecht werden.

BotanikOxalis acetosella L. gilt als Leitart der ungefähr 850 Arten umfassenden Gattung Oxalis. Zusammen mit 7 weiteren Gattungen gehört sie zur Familie der Oxalidaceae.Vom Habitus ist der Waldsauerklee eine zartgebaute Halbschattenpflanze die bis zu 15 cm hoch werden kann (Abb. 1).Geographisch erstreckt sich deren Verbreitung über die fast ganze nördliche gemäßigte Zone, von den britischen Inseln bis nach Sibirien.Oxalis acetosella L. ist nach DÜLL [3] die schattenverträglichste, heimische Blütenpflanze. Sie gedeiht am besten an Standorten, an denen das Licht weniger als 30 % der vollen Strahlungsstärke erreicht. Die volle Photosyntheseleistung erzielt der Sauerklee schon bei rund 10 % des Tageslichtes. Noch bei 1 % des Tageslichtes kann er überdauern [1].Die Art zeigt eine spezielle Anpassung an schattig, humose Standorte. Am stärksten frequentiert in Zentraleuropa sind dichte Laub- und Mischwälder im Flachland.Oxalis acetosella L. ist an natürlichen Standorten auf stark sauren bis sauren öden und selten bei neutralen pH-Wert Bereichen anzutreffen. [1, 2, 3] Begründet darauf, wurde in den durchgeführten Versuchen unter anderem eine pH- Wert-Absenkung im Boden vorgenommen.

Inkulturnahme Waldsauerklee 51

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Material und MethodenUm die Bedingungen für eine Inkulturnahme von Oxalis acetosella L. untersuchen zu können, wurde auf einer Freifläche des Heilpflanzengartens der Firma WELEDA AG ein Feldversuch angelegt.Die Untersuchungen hatten zum Ziel, wichtige limitierende sowie fördernde Wachstumsfaktoren von Oxalis acetosella L. zu erkennen und nachzuweisen. Die Faktoren Licht, pH-Wert und Nmin-Gehalt im Boden wurden hierbei untersucht und statistisch ausgewertet. Ein im Garten der Firma WELEDA AG befindlicher Schattentunnel galt als potentieller Kulturstandort und sollte im Hinblick auf seine Lichtbedingungen mit dem Versuchs- sowie einem Waldstandort verglichen werden. Es wurden Inhaltsstoffanalysen durchgeführt sowie der Gehalt am therapeutisch wirksamen Inhaltsstoff Oxalsäure ermittelt und mit Pflanzen aus einem natürlichen Waldstandort verglichen. Die Versuchsanlage bestand aus einem Licht- und einem Schattenversuch. Der Lichtversuch befand sich auf freiem Feld, der Schattenversuch wurde durch ein Zelt mit einer doppelten Lage Schattiergewebe realisiert (Abb. 2).

Abb. 2 Versuchsanlage mit Lichtversuch und Schattentunnel

Die im Schattentunnel vorherrschende Beleuchtungsstärke entsprach während des Versuchszeitraumes durchschnittlich 16% der des Tageslichtes. In beiden Versuchen waren jeweils zwei verschiedene pH-Wert-Stufen und drei verschiedene Stickstoff-Stufen mit je 4 Wiederholungen zufällig verteilt. Während des Versuches wurden 14-tägig alle Wiederholungen bonitiert sowie den einzelnen Varianten zur Bestimmung der Nmin- und pH-Werte Bodenproben entnommen. Pro Variante wurde eine Mischprobe untersucht, bestehend aus 4 Einzelproben entsprechend der Anzahl der Wiederholungen. Die quantitative Oxalsäurebestimmung erfolgte volumetrisch in Form einerRedoxtitration. Die Lichtmessungen erfolgten photometrisch mit einem Luxmeter in 15 cm über dem Erdboden.

Inkulturnahme Waldsauerklee 52

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ErgebnisseStickstoff Die Versuchsergebnisse haben gezeigt, dass durch eine zusätzliche Stickstoffdüngung von 50 kg N/ha eine Wachstumssteigerung erreicht werden konnte. Der fehlende Zuwachs bei einer Steigerung auf 100 kg N/ha lassen auf einen für Oxalis acetosella L. suboptimalen Nmin-Gehalt am Versuchsstandort schließen. Zwischen den verschiedenen Düngestufen sowie Düngeformen konnte auf das Pflanzenwachstum bezogen aber keine signifikanten, nur tendenzielle Unterschiede konstatiert werden.

pH-WertMit zwei Screeningversuchen wurde die p -H Wert-senkende Wirkung von Alunit sowie elementaren Schwefel untersucht. Bei Alunit erzielten selbst große Mengen von 10 t/ha innerhalb von 14 Wochen keine herabsenkende Wirkung des pH-Wertes im Boden. Mit dem Einsatz von elementaren Schwefel jedoch, wurde schon bei einer Verwendung von 1,25 t S /ha eine deutliche pH-Wert- Absenkung erreicht. Das vegetative Pflanzenwachstum wurde durch die gesenkten ph- Werte aber nicht beeinflusst.

LichtBei der Ermittlung der maximalen Lichtintensität für einen zukünftigen Oxalis acetosella L.-Kulturstandort konnten folgende Beobachtungen gemacht werden. Während des Versuchszeitraumes wurde ein Herabsenken der Blattspreiten bei folgenden Beleuchtungsstärken festgestellt. 66% der ermittelten Lichtwerte lagen in einem Bereich zwischen 6000 und 9000 lx.

InhaltstoffanalyseZur gaschromatographischen Analyse von Oxalis acetosella L. wurde dasätherische Öl, hergestellt aus der Trockenmasse, der drei Versuchsvariantenverwendet. Erst mit einer Einwaage von 20,5 g TM zur Herstellung des ätherischenÖles konnte eine repräsentative Anzahl an Verbindungen detektiert sowie identifiziert werden. Für die dünnschichtchromatographischen Untersuchungender alkoholischen Auszüge von Oxalis acetosella L. erwies sich die Kombination aus DC-Fertigplatte: Kieselgel 60, Laufmittel: Ethylacetat/100 %ige Ameisensäure/ Wasser (80/10/10), Tauchreagenz: Anisaldehyd in methanolischer Schwefelsäure, sowie die Betrachtung unter 365nm UVLicht als die am besten geeignetste Methode. Eine Zuordnung zwischen Pflanzen- und Vergleichssubstanzen konnte aber noch nicht vollzogen werden.

OxalsäuregehaltDie Versuchsvariante die mit 50 kg N/ha in Form von Kompost gedüngt wurde, konnte neben den besten Wachstumsparametern auch den höchsten Gehalt an löslicher Oxalsäure aufweisen. Der ermittelte Wert betrug 0,18 % Oxalsäure in der Frischmasse. In den Pflanzen der Kontrollvariante des Versuches wurden 0,13 % und den am Waldstandort gewachsenen 0,16 % in der Frischmasse ermittelt.

Inkulturnahme Waldsauerklee 53

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Ein Zusammenhang zwischen dem Gehalt löslicher Oxalsäure und derStickstoffernährung von Oxalis ließ sich aber nicht aufzeigen.

KeimversuchBei Keimversuchen konnte eine Keimung der O. acetosella-Samen nicht erreichtwerden. Weder bei verschiedenen Herkünften des Saatgutes (natürlicherWaldstandort oder Versuchsanlage), noch durch den Zeitpunkt der Ernte oder durch Unterschiede in den Methoden (Licht, Temperatur) konnte ein Auflaufen des Samens erreicht werden.

ZusammenfassungFür Oxalis acetosella L. hat als wachstumslimitierender Faktor der pH-Wert im Boden des Versuchstandortes nur eine indirekte und für eine Inkulturnahmeuntergeordnete Bedeutung.Oxalis acetosella L. reagiert bei den am Standort vorherrschenden Nmin- Gehalten im Boden signifikant positiv auf eine zusätzliche Stickstoffdüngung. Folgende Hypothese wurde aufgestellt: Die gesteigerten Wachstumskennwerte im Stickstoffdüngungsversuch sind ursächlich auf die durch erhöhte Nitratgehalte im Boden verbesserte Ca-Ernährung zurückzuführen. Es zeigte sich eine signifikante Unverträglichkeit der Pflanze für heißtrockene Witterung und Beleuchtungsstärken über 10000 lx. Ab einer Beleuchtungsstärke von 15000 lx [4] kann es in den Blattspreiten zu Chlorophyllverlusten durch Photooxidation kommen [2]. Hierbei haben aber noch die Faktoren Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine regulierende Bedeutung.Ein Zusammenhang zwischen dem Gehalt löslicher Oxalsäure und derStickstoffernährung von Oxalis konnte nicht postuliert werden. FolgendeHypothese wurde aufgestellt: Der Anteil an löslicher Oxalsäure in den oberirdischen Pflanzenteilen von Oxalis acetosella L. geht nach der Blütezeit zurück. Der als Kulturstandort geplante Schattentunnel bietet bezüglich seinerLichtbedingungen günstigste Voraussetzungen für eine Kultivierung von Oxalis acetosella L. Eine Aussaat kann beim derzeitigen Erkenntnisstand über dasKeimverhalten nicht empfohlen werden. Eine Umpflanzung aus einemWaldstandort stellt die derzeit einzige Alternative dar.

Literatur[1] ELLENBERG, H., WEBER H. E., DÜLL, R., WIRTH, V., WERNER, W., PAULISSEN, D.1992: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Scripta Geobotanica[2] PACKHAM, J.R. 1978: Biological flora of the British Isles. Oxalis acetosella L. Journalof Ecology 66 (1978). Blackwell Scientific Publ., Oxford. 669-693.[3] RODENKIRCHEN, H. 1997: Evidence for a nutritional disorder of Oxalis acetosella L.on acid forest soils, Part I : Cintrol situation and effects of dolomitic liming and acidirrigation. Plant and Soil (1998), 199: 141-152[4] RODENKIRCHEN, H. 1992: Experimentelle Untersuchungen zur Wirkung von Stoffeinträgenauf Waldbodenpflanzen unter besonderer Berücksichtigung der Mineralstoffernährungvon Oxalis acetosella L. Habil., LMU München. 235 S.

Inkulturnahme Waldsauerklee 54

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Die Inkulturnahme ausgewählter Arzneipflanzen: Herbstzeitlose, Weiße Taubnessel, Immergrün, Maiglöckchen und Waldbingelkraut Dr. Stefan Zimmer

Seit Urzeiten werden Arzneipflanzen wegen ihrer schmerzlindernden und heilenden Eigenschaften vom Menschen hoch geschätzt und eingesetzt. In der heutigen Zeit steht das Bewußtsein für eine gesunde und natürliche Lebensweise wieder mehr im Vordergrund und somit nimmt das Interesse an Phytopharmaka wieder zu. Weitere Gründe für das zunehmende Interesse an nebenwirkungsarmen Naturheilmitteln liegen in der hohen Wertschätzung des Verbrauchers an der Phytotherapie und an dem Bestreben nach Selbstmedikation. Der durch die große Nachfrage entstandene Mehrbedarf an Drogen kann durch die teilweise gängige Wildsammlung der Arzneipflanzen und durch den inländischen Anbau nicht mehr sichergestellt werden. Für einen heimischen Anbau von Arzneipflanzen sprechen darum die steigenden Qualitätsansprüche der verarbeitenden Industrie und eine immer strengere Naturschutz-gesetzgebung,welche die Wildsammlungen mehr und mehr einschränkt.Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes der WELEDA AG und des Instituts für Pflanzenbau wurden seit 1999 auf dem Versuchsgut Dikopshof und dem Versuchsfeld Bonn-Poppelsdorf Anbauversuche mit den ausgewählten Arzneipflanzen- Herbstzeitlose (Colchicum autumnale),- Weiße Taubnessel (Lamium album),- Immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi),- Maiglöckchen (Convallaria majalis) und- Waldbingelkraut (Mercurialis perennis)durchgeführt.

Abb. 1: Herbstzeitlose, Weiße Taubnessel, Immergrüne Bärentraube, Maiglöckchen und Waldbingelkraut (Quelle: Thomé, 1885)

Ziel des Projekts war es, die oben aufgeführten wildwachsenden Pflanzen in einen feldmäßigen Anbau zu überführen, der sich an den Richtlinien des Ökologischen Landbaus orientieren sollte. In den Versuchen wurde geprüft, welchen Einfluß

Inkulturnahme ausgewählter ArzneipflanzenAArzneipflanzenMaiglöckchen

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, Uni Bonn

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Bodenart, Pflanzmaterial, Pflanztermin, Düngung, Anbausystem und Erntezeitpunkt auf das Wachstum und die Ertragsstruktur der ausgewählten Arzneipflanzen haben.

Um das Wachstum der einzelnen Arzneipflanzen zu beschreiben und mit anderen Versuchsergebnissen vergleichen zu können, wurde für jede Art in Anlehnung an die BBCH-Skalen ein Schema der einzelnen Entwicklungsstadien erstellt. Mit Hilfe dieses Schemas wurden in regelmäßigen Abständen das Wachstum der Arzneipflanzen bonitiert und zusätzlich die spezifischen Ertragsparameter erfaßt. Die gewonnenen Versuchsergebnisse sind abschließend zu einer für jede Arzneipflanze erstellten Anbauempfehlung zusammengefaßt worden.

Abb. 2: Boniturschemen der ausgewählten Arzneipflanzen (Quelle: Zimmer 2003)

In den Versuchen hat sich gezeigt, daß es sehr schwer zu bewerten ist, welcher Einfluß letztendlich von den Testfaktoren ausging und inwieweit die Unterschiede nicht doch durch das Pflanzmaterial bedingt waren.Über die Standortansprüche der ausgewählten Arzneipflanzen konnten in der Literatur nur wenige und dann teilweise gegensätzliche Aussagen gefunden werden. Diese Angaben wurden nicht immer durch die Versuchsergebnisse bestätigt. Zum Beispiel wird bei einer Inkulturnahme die Konkurrenz der Beikräuter gebrochen und so kann sich die Arzneipflanze auch auf Standorten ausbreiten, an denen sie sich sonst nicht gegenüber anderen Pflanzen durchsetzen könnte.Das Klima auf dem Versuchsgut Dikopshof ist für das Wachstum der untersuchten Arzneipflanzen überwiegend als geeignet zu bewerten. Es fehlt allerdings der Vergleich zu anderen Standorten.Für einen optimalen Vergleich der verschiedenen Bodenarten im Gefäßversuch “Boden“ hätten diese auf gleiches Nährstoff- und pH-Wertniveau aufgedüngt werden müssen. Daher konnte keine klare Aussage über den Einfluß der Bodenart gemacht werden, sondern nur über den Boden als Summe der unterschiedlichen physikalischen, chemischen und biologischen Bestandteile.Auf Grund der durchgeführten Düngungsversuche können zwar Aussagen über die Verträglichkeit einer Düngung und deren Auswirkungen auf das Pflanzen-wachstum gemacht werden, doch müssen diese Erkenntnisse durch Steigerungs-versuche der einzelnen Nährstoffe ergänzt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß sich die ermittelten Nährstoffentzüge der untersuchten Arzneipflanzen - mit

Inkulturnahme ausgewählter ArzneipflanzenAArzneipflanzenMaiglöckchen

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Ausnahme der Weißen Taubnessel - auf einem sehr niedrigen Niveau befanden. Weiterhin ist zu beachten, daß die Nährstoffentzüge aus Gefäß- und Parzellener-trägen errechnet wurden und daher schwer auf einen großflächigen Anbau übertragbar sind. Der Standort Dikopshof ist als sehr fruchtbar zu bewerten, und die ohnehin schon geringen Nährstoffgaben der organischen Dünger konnten daher nur teilweise ihre Wirkung zeigen. Außerdem muß beachtet werden, daß sich die Nährstoffgehalte der organischen Dünger sehr stark unterscheiden können und deren Wirksamkeit von Rottegrad, Witterung, Bodenlebewesen und Ausbringungszeitpunkt abhängig ist. Daher kann keine pauschale Empfehlung der Düngermengen gegeben werden. Die organische Düngung sollte vielmehr als Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit angesehen werden und sich nach den Versorgungsstufen des Standortes und den Nährstoffentzügen der Arzneipflanzen richten.Die geprüften und empfohlenen Anbausysteme umfassen nicht alle Möglichkeiten einer Inkulturnahme und müssen durch weitere ergänzt werden. Es zeigte sich jedoch, daß durch recht einfache Lösungen, wie z.B. die Beschattung des Waldbingelkrauts, ein erheblich besseres Pflanzenwachstum erzielt werden kann. Beim Anbau solcher Wildpflanzen bedarf es des pflanzenbaulichen Geschickes und der Bereitschaft zur Improvisation und Handarbeit. Gerade bei der Beikrautkontrolle ist das Jäten von Hand unerläßlich. Hier sollte jedoch abgewogen werden, inwieweit das Beikraut die Kultur schädigt oder durch eine Artenvielfalt Nützlinge fördert.

Abb. 3: Beschattungsversuch Waldbingelkraut

Im Feldanbau sind bis auf wenige Ausnahmen keine nennenswerten Krankheiten und Schädlinge aufgetreten. Dies kann zum einen durch die kleine Anbaufläche und den Anbau von sehr unterschiedlichen Kulturen bedingt sein. Zum anderen müssen aber noch längerfristige Anbauversuche abgewartet werden, um fundierte Aussagen treffen zu können.Die ermittelten Erträge der Arzneipflanzen sind nur schwer auf einen feldmäßigen Anbau zu übertragen. Es handelt sich hier um Erträge aus Versuchsparzellen, welche in der Regel über den Praxiserträgen liegen. Auch hier müssen die Ertragszahlen noch durch langjährige Ergebnisse bestätigt werden. Die geprüften und diskutierten Erntemethoden sind im Praxiseinsatz zu erproben und durch genaue Datensammlungen wie Qualitäts-beeinflussung, Trocknungstemperaturen und Sortiereigenschaften zu ergänzen.

Inkulturnahme ausgewählter Arzneipflanzen 57

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Über eine Mechanisierung des Anbaues entscheidet letztendlich die auf dem Betrieb vorhandene Technik, welche eventuell für die entsprechende Kultur modifiziert werden muß. Auch hier sollte der Anbauer über ein gewisses Improvisationstalent verfügen.Die Bestandsetablierung der Herbstzeitlose war in den durchgeführten Versuchen als positiv zu bewerten, und es konnten stabile Erträge ermittelt werden. Auffällig war dabei, daß im Gegensatz zu den übrigen Arzneipflanzen mit einer Düngung eine Ertragssteigerung erzielt wurde. In dem Mechanisierungsversuch ist es gelungen, die Herbstzeitlose unter praxisnahen Bedingungen anzubauen und die anfallende Handarbeit zu reduzieren. So konnte für diese Arzneipflanze eine umfassende Anbauempfehlung erstellt werden, mit

Abb. 4: Mechanisierungsversuch Herbstzeitlose

Mit der Weißen Taubnessel wurden nur Gefäßversuche durchgeführt. Die Versuchsergebnisse sind daher nicht durch Ergebnisse eines Feldanbaues bestätigt worden. Im Vergleich zu den anderen Arzneipflanzen war die Taubnessel besonders anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Ein weiteres Problem für eine kommerzielle Nutzung ist der erhebliche Arbeitsaufwand bei der Blütenernte. Auf Grund der starken Verbreitung in Deutschland müßte die Weiße Taubnessel mit dem vorliegenden Anbautelegramm dennoch feldmäßig angebaut werden können.Die Immergrüne Bärentraube erwies sich im Anbau als eine sehr unproblematische Pflanze und etablierte sich bereits nach einer Vegetationsperiode vollständig auf den Versuchsflächen. Sie sollte auf eher trockenen Standorten oder auf schweren Böden in Dammkultur angebaut werden. Eine Düngung erwies sich nicht als ertragssteigernd und ist daher auf gut versorgten Standorten nicht notwendig. Der Anbau des Maiglöckchens war in den Versuchen als nicht gelungen zu bewerten. Nicht zuletzt die geringen Triebzahlen wiesen auf eine nicht gelungene Bestandsetablierung hin. Eine Beschattung des Maiglöckchens hatte zwar einen positiven Einfluß auf dessen Wuchs, erbrachte jedoch nicht den erwünschten lückenlosen Bestand. Es zeigte sich, daß das Maiglöckchen keine besonderen Ansprüche an die Bodenart stellt und auf schweren und leichten Böden gleichermaßen gut angebaut werden kann. Eine Düngung hatte keinen positiven Einfluß auf das Wachstum. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann das Maiglöckchen feldmäßig nicht sicher angebaut werden.

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Mit Hilfe einer Beschattung konnte sich das Waldbingelkraut im Feldversuch schnell etablieren und zeigte einen deutlich vitaleren Wuchs als beim Anbau in praller Sonne. Eine solche einfache Maßnahme zeigt, daß durch die Simulation der Bedingungen am natürlichen Standort – in diesem Falle lichte Laub- und Mischwälder – erhebliche Ertragssteigerungen erzielt werden konnten. Das Waldbingelkraut sollte eher auf schwereren Böden angebaut werden, der Anbau auf einem Sandboden erwies sich im Versuch als weniger geeignet. Beim Waldbingelkraut empfiehlt sich besonders eine Herbstpflanzung. Außerdem sollte stets auf eine ausreichende Wasserversorgung geachtet werden. Die Düngung hatte in den Versuchen eine leicht positive Wirkung auf die Wachstumsparameter. Der Nährstoffentzug des Waldbingelkrauts ist jedoch sehr gering.

Die auf den Versuchsergebnissen basierenden Anbautelegramme müssen durch weitere Anbauversuche und letztendlich durch einen großflächigen Anbau bestätigt und ergänzt werden. Schließlich sollte geprüft werden, inwieweit sich die pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffe der einzelnen Arzneipflanzen durch die pflanzenbaulichen Maßnahmen in ihrer Konzentration und Zusammensetzung verändern.Letztendlich entscheidet aber trotz vorliegender Anbauempfehlungen der Anbauer mit seinem pflanzenbaulichen Geschick und der Bereitschaft zur Improvisation über das Gelingen der Anlage einer Arzneipflanzenkultur.

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Optimierung von Pikiersubstraten für Hypericum perforatum L.D. Kolbl1, R. Schulz2, M. Straub3 und V. Römheld2

EinleitungIn den letzten Jahren sind in der Aufzucht von Hypericum perforatum L. mehrmals Ausfälle aufgetreten. Es sollte daher aufgeklärt werden, ob das betriebseigene, kompostbetonte Pikiersubstrat für den Jungpflanzenausfall verantwortlich ist oder ob es andere Ursachen hat.

Material und MethodenDas Pikieren in die mit unterschiedlichen Substrat gefüllten Multitopfplatten fand einen Monat nach der Aussaat in Saatschalen (eigenes Substrat mit 30 Vol % Sand) statt. Tabelle 1 zeigt die getesteten Substrate.

Substrate A B C D1 D2 EZusammen-

setzung60% Torf

40%Kompost80% Torf

20%Kompost70% Torf

30%Kompost100%

Kompost100%Torf

Bestandteil des

Komposts

85% Mist 15%Pflanzenreste

100% Grün-kompost

100% Grün-kompost

10% Mist 70%

Holzhäcksel20% Apfel-

trester

-

Rottezeit 1-2 Jahre 6 Monate 6 Monate 2 Jahre -Aufdüngung

pro m³5 kg Horn-

mehl4 kg Horn-

mehl4 kg

Maltaflor1Thomasphos-

phat, Ge-steinsmehl

wie D1 zusätz-

lich Pflanze

n-jauche

1,5 kg Mineral-dünger

Tabelle 1: Charakterisierung der verwendeten Substrate

Die pikierten Jungpflanzen kamen randomisiert in ein Kastenbeet ins Freie. Für das Eingewöhnen der Außenbedingungen diente drei Wochen lang ein darüber gespanntes Schattiergewebe mit einem Lichtdurchlass von 44% vom Tageslicht. Beregnet wurde je nach Witterungsverhältnissen. Das Umstellen der Multitopfplatten geschah zwei Mal in der Woche.

Bonitur und AnalysenDie gezogenen Substratproben geben Gehalte etwa zum Zeitpunkt des Pikierens wieder. Folgende Parameter wurden ermittelt: pH-Wert, Volumengewicht, Gesamt-und verfügbaren Nährstoffgehalte und SalzgehalteDie Pflanzen wurden sechs und elf Wochen nach der Aussaat nach folgenden Prüfmerkmalen hin bonitiert: Pflanzenhöhe, Blattfarbe, Nekrosen und Rotfärbungen der untersten Blätter.Nach der Bestimmung der Trockensubstanz der Einzelpflanzen zu Versuchendewurden für die Nährstoffanalysen die zermahlenen Pflanzenproben nach den folgenden Elementen untersucht: K, Na, Mg, P, Cl und N.Aufgrund der mit fortschreitender Entwicklung zunehmenden Aufhellung der Blattfarbe der Pflanzen aus Substrat (D) wurden bei der Hälfte der Wiederholungen eine Jauche- und Algenbehandlung durchgeführt.

Pikiersubstrat Johanniskraut 60

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Statistische AuswertungMittelwertsunterschiede wurden mit dem Statistikprogramm SAS 6.12 ermittelt, Pflanzenhöhe mit der einfaktoriellen Varianzanalyse, Nekrosen und Rotfärbungen mit dem verteilungsfreien Kruskal- Wallis Test (p = 0.01). Bestanden signifikanteUnterschiede, wurde ein Mittelwertsvergleich mit dem Tukey-Test ausgeführt. Gleiche Buchstaben in Tabellen und Abbildungen bedeuten, dass zwischen den Mittelwerten keine signifikanten Unterschiede bestehen.

ErgebnisseDas betriebseigene Substrat (A) wies zu Kulturbeginn hohe bis sehr hohe pflanzenverfügbare Nährstoffe auf verglichen mit den Soll-Werten (Tab.2).Insbesondere Kalium zeigte im Substrat etwa vierfach höhere, Phosphor dreifach höhere Werte auf. Zu Versuchsende zeigten die Pflanzen aus dem betriebseigenen Substrat (A) den kräftigsten Wuchs (Abb.1). Auch die schon frühzeitig (sieben Wochen nach der Aussaat) auftretenden Nekroseerscheinungen der ältesten Blätter (Abb.2), beeinträchtigten den Pflanzenwuchs nur in geringem Maße.

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

A B C D1 D2 E

Substrate

Pfla

nzen

gew

icht

(g T

M)

Abb. 1: Einfluss der Substrate auf das Pflanzengewicht (g TS)

b

a

bb b

b

a

cd

ab

bcd

d

abc

0

10

20

30

40

50

60

A B C D1 D2 ESubstrate

Pfla

nzen

nekr

osen

(%) 19.6. 24.7.

Abb. 2 Einfluss der untersuchten Substrate auf die Zahl nekrotischer Pflanzen (%); unterschiedliche Buchstaben innerhalb eines Boniturzeitpunktes bedeuten signifikante Differenzen mit P = 0,01

Pikiersubstrat Johanniskraut 61

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Die beobachteten Nekrosen sind auf einen hohen Salzgehalt zurückzuführen,insbesondere durch Kalium- und Sulfationen im Substrat (Tab. 2).

Tabelle 2: Salz- und Ionengehalte der Substrate und einem Soll-Anzuchtsubstrat

Pflanzen aus den Substraten (C) und (E) zeigten gegen Versuchsende jedoch Rotfärbungserscheinungen der Basalblätter was mit Spitzennekrosen verbunden war (Abb.3). Zum zweiten Boniturzeitpunkt bestanden signifikante Unterschiede der Mittelwerte zwischen dem betriebseigenen Substrat (A) und den anderen Substraten. Anthocyanhaltige Pflanzen wie Johanniskraut reagieren bei Stresssituationen, wie einer Mangelernährung, mit Rotfärbungserscheinungen ihrer Organe.

aa

aaaa

a

b

aaa

c

0

20

40

60

80

100

120

A B C D1 D2 ESubstrate

Pfla

nzen

mit

rote

n B

asal

blät

tern

(%) 19.6. 24.7.

Abb. 3 Einfluss der untersuchten Substrate auf die Zahl der Pflanzen mit rotgefärbten Basalblättern (%); unterschiedliche Buchstaben innerhalb eines Boniturzeitpunktes bedeuten signifikante Differenzen mit P = 0,01

Die Pflanzenanalysen ergaben, daß die Pflanzen unter Stickstoff- und Phosphormangel litten (Tab.3).Ihre Gehalte lagen unter denen des betriebseigenen Substrates (A). Die pflanzenverfügbaren Nährstoffe waren zum Versuchsende schon aufgebracht.Pflanzen aus dem unbehandelten Substrat (D1) wiesen ebenso Stickstoff- und Phosphormangel auf (Tab.3). Dagegen zeigten zum Versuchsende die Pflanzen aus den behandelten Substrat (D2) in den Boniturmerkmalen Blattfarbe und Rotfärbung, dem Trockengewicht sowie in den Ergebnissen der Pflanzenanalysen eine ausreichende bis gute Nährstoffversorgung an. Pflanzen aus Substrat (B)

A B C D E Soll-Anzucht Salzgehalt (g KCl/l)

2,4 1,6 1,7 1,0 0,6 0,5-1,0 1

K (mg/l), CAT 1647 476 424 274 104 60-400 2Cl (mg/l), H2O 202 114 107 119 14 400 3Na (mg/l), H2O 44 55 59 102 25 550 4

SO4 (mg/l), H2O 1047 411 284 162 355 -N (mg/l), CAT 197 357 199 84 66 50-200 2P (mg/l), CAT 200 78 94 11 50 10-70 2

Pikiersubstrat Johanniskraut 62

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lagen, von der Pflanzengesundheit her betrachtet, hinter den Pflanzen aus dem betriebseigenen Substrat (A).

Nährstoffgehalte (nutrient concentrations) (%)Substrat-proben)

Nges P K Mg Na Cl

A 1,83 0,26 1,68 0,15 0,02 0,44B 1,68 0,22 1,39 0,21 0,02 0,43C 1,32 0,18 1,33 0,16 0,03 0,42

D1 1,51 0,18 1,32 0,19 0,02 0,30D2 2,3 0,24 1,77 0,19 0,03 0,55E 1,4 0,18 1,22 0,18 0,02 0,60

Tab.3: Nährstoffgehalte (% T.S.) der Gesamtpflanzen (Spross ohne Wurzel) aus den untersuchten Substraten zu Versuchsende

DiskussionBeurteilung der Stickstoffversorgung Die Pflanzen aus dem betriebseigenen Substrat (A) waren während des gesamten Versuchs ausreichend mit Stickstoff versorgt (Abb.1, Tab.3). Offensichtlich lieferten der Kompostanteil sowie das erst kurz vor dem Pikieren zugeführte Hornmehl ausreichend Stickstoff für die Jungpflanzen. In Zusammenhang dazu weist Scherrer (14) auf die Notwendigkeit einer Substrataufdüngung trotz 40%-igen Kompostanteils hin. Berner (3) stellt ebenso fest, daß je nach Feuchte und Temperatur nur 0-10% des Gesamtstickstoffs des Komposts im ersten Jahrpflanzenverfügbar werden. Der hohe Stickstoffgehalt im Substrat (B) ist vermutlich auf die zweimonatige Lagerung vor der Substratprobenahme zurückzuführen (Tab.2). Nach Gottschall und Vogtmann (6) setzt feinvermahltes Hornmehl bei genügender Feuchte und Wärme innerhalb kurzer Zeit hohe Mengen von organischem Stickstoff in pflanzenverfügbares Nitrat um. So stellte Gottschall et al. (7) bei einer viermonatigen Lagerung des Substrates bei 11,5°C mittlerer Lagerungstemperatur fest, daß bei einer Aufdüngung von vier Gramm Hornmehl pro Liter Substrat die Nmin-Werte von 120 auf 360 mg/l anstiegen.Die zu Versuchsende beobachtenden Stickstoff-Mangelsymptome an den Pflanzen aus Substrat (C) hängen mit dem eingesetzten Maltaflor zusammen. Aufgrund der schnellen Wirkung dieses pflanzlichen Aufdüngungsmittels konnten die Pflanzen zu Kulturbeginn schnell und ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden, zeigten gegen Ende aber Mangelsymptome. Die unbehandelten Pflanzen aus dem torffreien Substrat (D1) kamen aufgrund desnährstoffarmen Kompostrohmaterials und unzureichender Aufdüngung ebenfalls in eine Stickstoff-Unterversorgung.

Nekrosen aufgrund des hohen SalzgehaltsRöber und Schaller (12) geben für empfindliche Pflanzen als Richtwert für den Salzgehalt im Substrat 0,5-1 g/l an. Der ermittelte Wert aus Substrat (A) lag weit darüber (Tab.2). Besonders H. perforatum ist nach Ellenberg et al. (5) sehr salzempfindlich. Aufgrund des hohen Salzgehalts baut sich ein osmotisches

Pikiersubstrat Johanniskraut 63

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Potential auf, das eine Erschwerung der Wasser- und somit der Nährstoffaufnahme bewirkt. Neben der allgemeinen Salzwirkung sollte bei Verdacht auf Salzschäden auch die spezielle Wirkung einzelner Ionen betrachtet werden: denn die Nekroseerscheinungen an den Blättern aus dem Substrate (A) sind auch auf die begleitenden Anionen von K zurückzuführen, in erster Linie auf Chlorid- und Sulfat-Ionen. Die Chloridgehalte allein erreichten jedoch nicht den von Beltz (1) toxischen Wert (Tab.2). Somit dürften allein aus den Chloridgehalten keine Schadwirkungen zu erwarten sein. Nach Rader et al. (11) weisen, bei gleichen Mengen, Kaliumchlorid-Dünger 2,5-fach höhere Salzindices auf als Kaliumsulfat-Dünger. Danach nimmt die schädigende Wirkung an Pflanzen mit dem Salzindex zu. Der 5-fach höhere Sulfatgehalt entspricht demnach einem Chloridgehalt von 400 mg/l. Addiert man hierzu den analytischen Wert, kommt man durchaus auf die für die Pflanze toxisch wirkenden Chloridwerte, die man aber allein aus den Chloridgehalten der Ergebnisse der Pflanzenanalyse nicht entnehmen kann (Tab.3).

Beurteilung der RotfärbungBei anthocyanhaltigen Pflanzen wie H. perforatum, kann es bei Stresseinwirkung zu Rotfärbungen ihrer Organe kommen (10).Die Rotfärbungen an den ältesten Blättern der Pflanzen aus den Substraten (B, D1, E), sind auf eine Mangelernährung von Stickstoff und Phosphor zurückzuführen. Nach Bergmann (2) kommt es bei Stickstoffmangel infolge von Zuckeranreicherungen zu einer erhöhten Anthocyanbildung.

Beurteilung des Jauche- und AlgeneinsatzesDer verbesserte Zustand der behandelten Pflanzen aus Substrat (D2) konnte zum einen auf die Stickstoffdüngewirkung zurückgeführt werden, obwohl die Pflanzenjauche nur etwa 0,001 % Stickstoff bzw. das Algenpräparat nur 0,03 % Stickstoff aufwiesen. Trotzdem zeigten die geringen Stickstoffgehalte in den Präparaten eine Wirkung auf die Pflanzen (Abb.1, 2, 3; Tab.3): Dies liegt daran, dass die Pflanzen zwei Mal pro Woche behandelt wurden und daher eine ständigewenn auch geringe Nährstoffzufuhr erhielten. Neben Stickstoff sind wahrscheinlich noch andere Nährstoffe für den sichtbaren Effekt verantwortlich, die aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter untersucht wurden. Hinweise über die Brennesseljauche liefern Schmid und Henggeler (15): Demnach ist die Brennesseljauche reich an Calcium, Kalium und Stickstoff, hauptsächlich Ammoniumstickstoff. Die in dem Versuch eingesetzte Pflanzenjauche bestand neben Brennnessel auch aus Beinwell sowie anderen regional vorkommenden Kräutern. Wildpflanzen verfügen noch über eine reichhaltige Mischung von Vitalstoffen, wie Auxinen, Vitaminen, Enzymen und Abwehrstoffen, wie Phenole, die den Kulturpflanzen auf ihren Weg von Inkulturnahme, Anbau und Züchtung teilweise verloren gegangen sind (16).

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ZusammenfassungEs sollte geklärt werden, inwiefern der aufgetretene Jungpflanzenausfall von Hypericum perforatum L. in der untersuchten Gärtnerei durch ein unausgewogenes Nährstoffangebot in dem betriebseigenen Pikiersubstrat (A) zusammenhängt. Hierzu wurde dieses Substrat mit denen anderer Substrathersteller verglichen:

(A) 40% vorwiegend Stallmistkompost, 60% Torf, Aufdüngung mit Hornmehl;(B) 20% Grünkompost, 80% Torf, Aufdüngung mit Hornmehl;(C) 30% Grünkompost, 70% Torf, Aufdüngung mit Maltaflor;(D1) 100% Kompost, Aufdüngung mit Thomasphosphat; (D2) zusätzlich Brennesseljauche und Algenbehandlung;(E) TKS1: 100% Torf, Aufdüngung mit Mineraldünger.

Die Pflanzen wurden nach Pflanzenhöhe, Blattfarbe, Nekrosen und Rotfärbungen der untersten Blätter bonitiert und Substrat- und Pflanzenanalysen durchgeführt.Zu Versuchsende nach drei Monaten zeigten die Pflanzen in Substrat (A) den kräftigsten Wuchs. Auch die als Folge eines hohen Salzgehaltes (2,4 g/l) im Substrat (A) schon frühzeitig (sieben Wochen nach Aussaat) auftretenden Nekroseerscheinungen der ältesten Blätter beeinträchtigten den Pflanzenwuchs nur geringfügig. Pflanzen in Substrat (C), (D1) und (E) zeigten gegen Versuchsende infolge Stickstoff- und Phosphormangel Rotfärbungserscheinungen der Basalblätter verbunden mit Spitzennekrosen. Die Gehalte lagen 20-30% unter denen des betriebseigenen Substrates. Dies traf für die zusätzlich mit Brennesseljauche und Algenpräparaten behandelten Pflanzen (D2) nicht zu. Unter Beachtung der Stickstoffreisetzungsrate und des Nährstoffvorrats, insbesondere eines zu hohen Salz- und Kaliumgehaltes, ist das betriebseigene Substrat auch in Zukunft für die Jungpflanzenanzucht von Johanniskraut geeignet.

Literature

1. Beltz H: Komposte für Container-Substrate: auf die Qualität kommt es an. Dt. Baumschule (3), 1997: 154-155.

2. Ellenberg H, Weber H E, Düll R, Wirth V, Werner W, Paulissen D: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Scripta Geobotanica Bd. XVIII. 1991; 3. Auflage. Erich Goltze Verlag, Göttingen.

3. Gottschall R, Vogtmann H: Zum Düngewert von Komposten bei unterschiedlicher Rottesteuerung, Forschungsbericht aus dem Fachgebiet Methoden des alternativen Landbaus, GhK. 1987

4. Gottschall R, Thon M, Vogtmann H: Möglichkeiten der Produktentwicklung aus Komposten: Erden und Substrate.- Witzenhäuser Abfalltage, IGW, GH- Kassel. 1989

5. Rader L F, White L M, Whittaker C W: The salt index- a measure of the effect of fertilizers on the concentration of the soil solution. Soil Science 55, 1943: 201-218.

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6. Röber R, Schaller K: Pflanzenernährung im Gartenbau. 1985; 3. Aufl., Ulmer

7. Scherrer D: Kompost als Torfersatz in der Jungpflanzenanzucht. Ökologie + Landbau 92, 22. Jg. 1994: 26-27.

8. Schmid O, Henggeler S: Biologischer Pflanzenschutz im Garten, 9. Aufl., 2001: 194-195, Ulmer Verlag Stuttgart.´´

9. Weinhold F: Salzschäden durch Kompost im Substrat. Substratanalyse vor Kulturbeginn erforderlich. Taspo v. 130 (27), 1996; S. 5.

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Abbildung 1:Echinacea angustifoliamit charakteristischkonisch nach obengewölbtem Blütenboden.

Echinacea pallida var. angustifolia:Untersuchungen zu mikrobiellen Schadursachen sowie zum Einfluss von Pflanzenstärkungsmitteln auf den ErtragA. Serr1, A. Kortekamp2, H. Buchenauer3, 1Universität Rostock, Institut für Landnutzung, 18051 Rostock; 2Universität Hohenheim, Institut für Sonderkulturen und Produktionsphysiologie, 70593 Stuttgart; 3Universität Hohenheim, Institut für Phytomedizin, 70593 Stuttgart.

1. EinleitungAufgrund ihrer immunstimulierenden, antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften finden aus der Gattung Echinacea hauptsächlich drei Arten – E. pallida (NUTT.) NUTT. var. angustifolia (DC.) CRONQ. (Schmalblättriger Sonnenhut), E. pallida (NUTT.) var. pallida CRONQ. (Blassblütiger Sonnenhut) und E. purpurea (L.) MOENCH

(Purpur Sonnenhut) – besondere Beachtung. Bis zur Überarbeitung der Gattung Echinacea durch BINNS et al. (2002) war für den Schmalblättrigen Sonnenhut, der Gegenstand der hier präsentierten Arbeit ist, die Bezeichnung Echinacea angustifolia DC. var. Angustifolia gebräuchlich (MCGREGOR, 1968). In Anlehnung an McGregor soll E. pallida var. angustifolia in der vorlie-genden Kurzfassung der Diplomarbeit, die in Kooperation mit der Weleda AG entstand, künftig als E. angustifolia angesprochen werden. Bislang wurde E. angustifolia im

betriebseigenen Heilpflanzengarten nicht in ausreichenden Mengen produziert und der jährliche Bedarf durch einen ökologisch wirtschaftenden Vertragsanbauergedeckt. Der Anbau des Schmalblättrigen Sonnenhuts erwies sich bislang als äußerst problematisch, da zahlreiche Krankheiten oder physiologische Schäden auftraten, wodurch das Wachstum der Pflanzen stark verzögert oder sogar Totalausfälle in der Jungpflanzenanzucht zu verzeichnen waren. Da mikrobielle Schaderreger häufig für solche Schäden verantwortlich sind, sollten bei der Bearbeitung dieser Diplomarbeit, neben pflanzenbaulichen Ursachen auch phytopathogene Erreger als Verursacher in Betracht gezogen werden. Schließlich wurde untersucht, ob Widerstandskraft und Gesundheit der Pflanzen erhöht wer-den können. Dazu wurden verschiedene vorbeugend wirkende Pflanzenstärkungs-mittel bzw. Saatgutbehandlungen getestet.

2. Material und Methoden

2.1 Isolierung von Mikroorganismen aus PflanzenmaterialZunächst wurden von oberflächendesinfizierten Pflanzenteilen und Samen Mikro-organismen isoliert und auf verschiedenen Nährmedien kultiviert. Anschließend wurden diese Organismen anhand physiologischer Tests, mittels Sequenzierung

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oder morphologischer Besonderheiten näher charakterisiert. Zur Überprüfung der Phytopathogenität der Bakterien- und Pilzisolate wurden Echinacea- sowie Tabak-Pflanzen und Sonnenblumen mit den isolierten Mikroorganismen inokuliert und eventuell auftretende Schadsymptome bonitiert.

2.2 Einsatz von Pflanzenstärkungsmitteln und SaatgutbehandlungenUm zu testen, ob die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegenüber schädlichen Einflüssen verbessert werden kann, wurden vier Stärkungsmittel geprüft. Darüber hinaus wurden verschiedene Saatgutbehandlungen getestet. Zur Überprüfung der Pflanzenverträglichkeit erfolgte zunächst ein Vorversuch mit 5 Pflanzen. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden die Varianten für den Hauptversuch geplant und jeweils 12 Pflanzen verwendet. Die genauen Angaben zur Anwendung der Präparate und Beizen im Hauptversuch sind der Tabelle 1 zu entnehmen.

Tabelle 1: Übersicht über die im Hauptversuch verwendeten Pflanzenstärkungs- bzw. Pflanzenhilfsmittel* (Nr. 1-7) und Saatgutbehandlungen (Nr. 8-11)

- Name, Bezeichder Behandlung Präparate-Typ

Anwendungs-Art Hersteller

Konzentration.-

dichte (cfu), Temperatur (°C)

Aufwand-menge

-zeipunkt

1. FZB24®WG

Pflanzen-stärkungs-mittel

Beiz- und Giessbrühe

FZB BiotechnikGmbH 0,2 g / l 2 l / m2

1 zur Aussaat2 nach dem Pikieren3 nach Endtopfpflanzung4 alle 4- 6 Wochen

2. Myco-Sin

Pflanzen-stärkungs-mittel Spritzbrühe

Dr. Schaette AG 1 %ig (w/v)

15 ml /Pflanze

1. nach dem Pikieren2. alle sechs Wochen

3. PRORADIX®

Pflanzen-stärkungs-mittel

Saatgut-behandlung

SOURCON-PADENAGmbH&CoKG

1 x 1011 cfu / kgSaatgut

Beizung durch den Hersteller

Behandlung der Samen vor Aussaat

4. PRORADIX®

Pflanzen-stärkungs-mittel

Beiz- und Angiessbe-handlung

SOURCON-PADENAGmbH&CoKG 5 x 1012 cfu / l 2 l / m2

1.zur Aussaat2. nach dem Pikieren3. alle vier Wochen

5. Tillecur

Pflanzen-stärkungs-mittel

Saatgut-behandlung

Dr. Schaette AG 22 %ig (w/v)

60 µl / 1g Samen

Behandlung der Samenvor Aussaat

6. SPS-mikrob*Pflanzen-hilfsmittel

Beiz- undSpritzbrühe

Dr. SchaetteAG 2 %ig (v/v)

15 ml /Pflanze

1. zur Aussaat2. zweiTage später3. nach dem Pikieren4. zwei tage später5. alle vier Wochen

-Sin + SPSmikrob*

Pflanzenhilfs-und stärkungs-mittel

Beiz- und Spritzbrühe

Dr. SchaetteAG

1 %ig (w/v)2 %ig (v/v)

15 ml /Pflanze

1. zur Aussaat2. zweiTage später3. nach dem Pikieren4. zwei tage später5. alle vier Wochen

8. Arena C®chemischeBeizung

Saatgut-beizung Bayer Ag 0,2 %ig (v/v)

20 µl / 1 g Samen

Behandlung der Samenvor Aussaat

9. Warmwasser-behandlung -

Saatgut-behandlung 45 °C -

Behandlung der Samen vor Aussaat

10.K -beizung -

Saatgut-behandlung 2,3 x 105 cfu / ml -

Behandlung der Samen vor Aussaat

Melasse/Vinasse -Saatgut-behandlung 0,2 %ig (v/v) -

Behandlung der Samen vor Aussaat

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2.3 Verwendete PikiersubstrateUm den Einfluss des Substrats auf das Wachstum und die Entwicklung der Echi-nacea- Pflanzen zu untersuchen, wurden zwei Pikiersubstrate verwendet. Ein Pikiersubstrat wurde von der Weleda AG zur Verfügung gestellt und als „Weleda-Substrat“ bezeichnet. Die Mischung des zweiten Pikiersubstrates wurde selbst vorgenommen und soll im Folgenden als „Substrat-Mischung“ bezeichnet werden.Die Zusammensetzung beider Substrate wurde an der Landesanstalt für Landwirt-schaftliche Chemie an der Universität Hohenheim analysiert.

2.4 Ernte der Versuchspflanzen und Bestimmung der TrockenmasseZur Ermittlung der Biomasse wurde nach 144 Vegetationstagen die Trockenmasse(TM) der Pflanzen ermittelt. Dazu wurden die Pflanzenteile in einem Trocken-schrank bei 85-90 °C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und die TM bestimmt.

2.5 Statistische AuswertungDie Auswertung der mittleren TM-Erträge erfolgte nach Wurzeltransformation durch Varianzanalyse. Die Mittelwertunterschiede wurden mit einem multiplen t-Test geprüft, die Auswertung erfolgte mittels SAS® (Version 8e).

3. Ergebnisse3.1 Identifikation der Bakterien- und PilzisolateAus der folgenden Tabelle 2 ist ein Teil der Ergebnisse der Bakterien- und Pilzidentifikation zu entnehmen. Die Bestimmung der Bakterien erfolgte u. a. mit dem sogenannten BLAST (Basic Local Alignment Search Tool) der NCBI Daten-bank. Die pilzlichen Organismen wurden anhand ihrer morphologischen Merk-male identifiziert.

Tabelle 2: Ausgewählte Ergebnisse der Identifikation der von den Echinacea-Pflanzen und –Samen isolierten Bakterien und Pilze

Bakterienisolat 1. Ergebnis BLAST/Art Pilzisolat ArtB1 Enterobacter cloacea P1 Sclerotinia minor*B2 Ochrobacter anthropi P2 Dendryphiella infuscansB3 Enterobacter cloacea P3 Mariannaea elegansB4 Stenotrophomonas maltophilia P4 Acremonium alternatum*B5 Bacillus megaterium P5 Fusarium proliferatum var. proliferatum*B6 Leclerica adecarboxylata P6 Cadosporium herbarum*B7 Teichococcus ludipueritae P7 Aphanocladium album*B8 Leahibacter adecarboxylata P8 Fusarium poae*B9 Pantoea agglomerans* P9 Endrophragmiella cambrensis*B10 Pseudomonas saccharophila P10 Alternaria dianthi*B11 Enterobacter cloacea P11 Ulocladium chartarum

P12 Alternaria petroselini*P13 Fusarium sacchari var. sacchari*P14 Fusarium oxysporum var. oxysporumP15 Fusarium ventricosumP16 Fusarium tabacinum* P17 Trichoderma harzianum

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Abbildung 3: Varianten der Pflanzenstär-kung aus dem Hauptversuch.Behandlungen mit gleichen Buchstabensind nicht signifikant voneinander verschieden (α = 0,05)

Zudem wurden physiologische und biochemische Eigenschaften der Bakterien be-stimmt. Zur Bestimmung dieser Merkmale wurden u. a. zwei standardisierte Test-systeme (BBL®Crystal™-ID-System und API20NE®) verwendet. Von den in Tabelle 2 aufgeführten 11 Bakterienisolaten konnten 5 Stämme eindeutig identifiziert werden (fett hervorgehoben), von denen ein Stamm potenziell phytopathogen* ist. Alle isolierten Pilze konnten anhand morphologischer Besonderheiten identifiziert und 11 davon als phytopathogen* angesehen werden. Die an den Echinacea-Pflanzen sowie an Tabak und Sonnenblume durchgeführten Infektionsversuche ergaben keine eindeutigen Krankheitssymptome. Beispiele für typische Ergebnisse aus diesen Infektionsversuchen sind in Abbildung 2 zu sehen. Die hier gezeigtenEchinacea angustifolia-Pflanzen wurden mit unterschiedlichen Bakterienisolaten inokuliert. Eine Pathogenität der Bakterien- und Pilzstämme war an keiner der verwendeten Testpflanzen zweifelsfrei nachzuweisen.

Abbildung 2: Echinacea-Pflanzen vier Wochen nach Durchführung der Infektionsversuche mit Bakteriensuspensionen der Isolate B1, B2, B4 und B9.

3.2 Einfluss der Pflanzenstärkungsmittel und SaatgutbehandlungenIn der folgenden Abbildung 3 werden die Ergebnisse der Pflanzenstärkungs-varianten des Hauptversuchs gezeigt. Dargestellt sind die Mittelwerte der Trockenmasseerträge. Bei der „Kontrolle Pflanzenstärkung“ wurden die Pflanzen mit Wasser besprüht.Wie deutlich aus der Abbildung 3 zu entnehmen ist, unterschied sich ausschließlich die Behandlung mit PRORADIX®-DS signifikant von den Kontrollen. Folglich wurden nur bei dieser Variante deutlich höhere mittlere Trockenmasseerträgegeerntet. Es geht aus der Abbildung ferner hervor, dass durch das alleinige Abbrausen der Pflanzen mit Wasser vergleichbare oder höhere Erträge erzielt wurden, als z. B. durch Anwendung von FZB24®WG oder PRORADIX®-WG

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Abbildung 4: Varianten der Saatgutbehandlungaus dem Hauptversuch.Behandlungen mit gleichen Buchstabensind nicht signifikant voneinanderverschieden (α = 0,05).

erlangt werden konnte. Ebenso deutlich wird jedoch auch, wie stark die erzielbaren Erträge von dem ver- wendeten Substrat abhingen. Bei den Varianten Myco-Sin, SPS-mikrob oder Myco-Sin + SPSmikrob wurden z. B. keine Pflanzenaus dem Weleda- Substrat geerntet. In der folgenden Abbildung 4 sind die Ergebnisse der Saatgutbehandlung des Hauptversuchs dargestellt.Aus Abbildung 4 wird ersichtlich, dass bis auf die Positivkontrolle, in Form der

chemischen Beizung mit Arena C®, bei keiner Saatgutbehandlung, ein im Vergleich zur Negativkontrolle, signifikant höherer Ertrag geerntet wurde. Somit war keine der getes-teten Varianten der Saatgutbe-handlung in der Lage, eine im Ver-gleich zur Kontrolle signifikante Ertragssteigerung zu bewirken. Wie bereits bei den Varianten der Pflan-zenstärkung ist auffällig, dass das verwendete Substrat ebenfalls einen Einfluss auf die Erntemenge hatte. Durch Varianzanalyse (F- Test) wurde nachgewiesen, dass die Unterschiede der Ernte- mengen zwischen beiden Substraten, in bei-den Versuchen, signifikant waren. Eine Interaktion zwischen Substrat

und Behandlung war statistisch jedoch nicht feststellbar.

4. DiskussionVon den 11 isolierten Bakterien konnten 5 Stämme eindeutig identifiziert werden, da zusätzlich zur molekularbiologischen Charakterisierung physiologische und biochemische Merkmale untersucht wurden. Zudem konnten alle 17 Pilzisolate anhand ihrer Morphologie identifiziert werden. Durch die Infektionsversuche konnte nicht geklärt werden, ob und welche Pathogene für den Befall an den Echi-nacea- Pflanzen verantwortlich waren. Ursachen hierfür sind u. a. in den Gewächshausbedingungen zu sehen, die für erfolgreiche Infektionen suboptimal waren. Zudem gibt es zahlreiche Mikroorganismen, die sich auf Nährmedien nicht kultivieren lassen und somit für Charakterisierungen und Pathogenitätstests nicht vorliegen. Im nächsten Schritt wurde daher geklärt mit welchen Pflanzenstär-kungspräparaten oder Saatgutbehandlungen die Widerstandsfähigkeit der Echina-cea-Pflanzen erhöht werden kann, um signifikant höhere Erträge erzielen zu kön-nen.Eine Wechselwirkung von Behandlung und Substrat war statistisch nicht nach-weisbar. Die Überlebensrate der pikierten Echinacea-Pflanzen war jedoch lt. Chi-Quadrat-Test bzw. dem exakten Test von Fisher, eindeutig von dem verwendetenSubstrat abhängig. Hier nicht veröffentlichte Untersuchungsergebnisse der Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie an der Universität Hohenheim er-

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gaben im Weleda-Substrat doppelt so hohe Kaliumgehalte wie in der Substrat- Mi-schung. Aus der Literatur ist zu entnehmen (DACHLER und PELZMANN, 1989), dassE. angustifolia zu den stark salzempfindlichen Pflanzen zählt. Das vermehrte Absterben der pikierten Jungpflanzen im Weleda-Substrat war somit vermutlich auf den stark erhöhten Kaliumgehalt zurückzuführen.Den geringsten Einfluss auf eine zufrieden stellende Erntemenge hat den hier dar-gestellten Ergebnissen zufolge die Behandlung der Pflanzen mit Stärkungsmitteln bzw. des Saatguts mit unterschiedlichen Beizungen. Wie sich zeigte, waren sogar einige Pflanzenstärkungsmittel nicht pflanzenverträglich bzw. zeigten keine Ef-fekte, so dass niedrigere Erträge erzielt wurden, als durch das Abbrausen der Pflanzen mit Wasser. Die Ergebnisse des Vorversuchs, hinsichtlich Pflanzenver-träglichkeit, bestätigten sich im Hauptversuch. Folglich muss für optimale Erträge die Pflanzenverträglichkeit getestet werden, bevor eine großflächige Behandlung erfolgt. Im Hauptversuch zeigte bei den Saatgutbehandlungen die Positivkontrolle, in Form der chemischen Saatgutbeizung mit Arena C®, deren Anwendung bei der Weleda AG nicht zugelassen ist, die besten Ergebnisse. Da die für die Weleda AG zugelassenen Saatgutbehandlungen jedoch nicht den gewünschten Effekt hatten, ist es für eine optimale Ernte unerlässlich, gesundes Saatgut mit einer hohen Keim- und Lebensfähigkeit zur Verfügung zu haben. Wie Tetrazolium-Untersu-chungen am Saatgut zeigten (Ergebnisse nicht dargestellt), können einzelne Saat-gutpartien bis zu 100 % aus nicht lebensfähigen Samen bestehen. Die für die Ver-suche verwendete Saatgutpartie wies einen Anteil an lebensfähigen Samen von 79 % auf. Der Test auf Lebensfähigkeit lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Ge-sundheit der Samen zu. Neben der Saatgutbeizung mit Arena C® erwies sich die Warmwasserbehandlung als ein geeignetes Mittel, um den Ertrag zu erhöhen. Da diese Methode einfach und effektiv ist, wurde diese Behandlung bereits in der Pra-xis bei der Weleda AG getestet und zufrieden stellende Ergebnisse erzielt.

ZusammenfassungZiel dieser Diplomarbeit war die Ermittlung derjenigen Schadursachen, die bei derPflanzenanzucht an Echinacea-Pflanzen auftraten. Dazu wurden Mikroorganismenvon oberflächendesinfizierten Pflanzenteilen sowie Samen isoliert und kultiviert. Insgesamt konnten 11 Bakterien- und 17 Pilzstämme auf Nährmedien kultiviert werden. Anhand physiologischer, morphologischer bzw. sequenzanalytischer Untersuchungen wurden diese Mikroorganismen näher charakterisiert. Von den kultivierbaren Mikroorganismen wurden 5 Bakterien und alle 17 Pilze eindeutig identifiziert.Welche dieser Organismen die Krankheitssymptome verursachten, konnte durchInfektionsversuche nicht eindeutig geklärt werden. Ferner wurde untersucht, ob und durch welche Pflanzenstärkungsmittel bzw. Saatgutbehandlungen der Ertrag von Echinacea angustifolia signifikant erhöht werden kann. Durch den Einsatz des Pflanzenstärkungsmittels PRORADIX®-DS und Saatgutbeizung mit Arena C® (Posi-tivkontrolle) konnten im Hauptversuch signifikant höhere Trockenmasseerträge, im Vergleich zur Kontrolle, erzielt werden.Es konnte gezeigt werden, dass:• die Widerstandsfähigkeit von E. angustifolia durch kommerzielle Präparate nur unzureichend gefördert wird und auch durch eine kostengünstige Warmwasserbe-

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handlung der Samen ebenso zufrieden stellende Ergebnisse erzielt werden kön-nen.• es für eine optimale Jungpflanzenanzucht bei der Weleda AG unerlässlich ist, ausreichend lebensfähiges und gesundes Saatgut von Echinacea angustifolia zur Verfügung zu haben.• die Zusammensetzung der verwendeten Pikiersubstrate durch die Salzempfind-lichkeit der Echinacea-Pflanzen für eine optimale Jungpflanzenanzucht von ent-scheidender Bedeutung ist.

Literatur

Binns, S. E.; Baum, B. R.; Arnason, J. T. (2002) A taxonomic reversion ofEchinacea (Asteraceae: Heliantheae), Sys. Bot. 27 (3): 610-632.

Dachler, M.; Pelzmann, H. (1989) Heil- und Gewürzpflanzen, Anbau – Ernte –Aufbereitung,Österreichischer Agrarverlag, Wien.

McGregor, R. L. (1968) The taxonomy of the genus Echinceae (Compositae), TheUniversity of Kansas Science Bulletin, XLVIII: 113-142.

Serr, A. (2003) Echinacea pallida var. angustifolia: Untersuchungen zu mikrobiel-len Schadursachen sowie zum Einfluss von Pflanzenstärkungsmitteln auf denErtrag, Diplomarbeit, unveröffentlicht.

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Biologische Bekämpfung von Podosphaera xanthii (CASTAGNE) an Calendula officinalis L. und Unter-suchungen zum InfektionszyklusD. Heibertshausen1, A. Kortekamp2 und H. Buchenauer3

1Forschungsanstalt Geisenheim - Fachgebiet Phytomedizin, Von-Lade-Str. 1, D-65366 Geisenheim; [email protected]

2 Institut für Sonderkulturen und Produktionsphysiologie, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart

3 Institut für Phytomedizin, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart

EinleitungIm Heilpflanzengarten der Firma Weleda AG in Wetzgau (Schwäbisch Gmünd) spielt der Anbau der Arzneipflanze Calendula officinalis L. (Ringelblume) eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2003 wurden auf ca. 18 % der gesamten Anbaufläche des Heilpflanzengartens C. officinalis kultiviert. Sie findet in Arzneimitteln, Kosmetikprodukten sowie in der Calendulakinderpflegeserie der Firma Weleda AG Verwendung. Durch den Befall der Ringelblume mit dem Echten Mehltau Podosphaera xanthii (syn. Sphaerotheca fuliginea auct. p.p., Sphaerotheca fuscaauct. p.p.) kann die Qualität sowie der Ertrag der Herba-Ernte gefährdet sein (Abb.1). Vor diesem Hintergrund wurde eine Diplomarbeit zur Biologischen Bekämpfung von Podosphaera xanthii (Castagne) an Calendula officinalis L. im Jahr 2003 durchgeführt.

Abb. 1 : Schadsymptome an Calendula officinalis: a beginnender und b fortgeschrittener Mehltaubefall an den Blättern; c Feldversuch im Heilpflanzengarten der Weleda AG (2003)

Im Heilpflanzengarten, der nach Demeter- Richtlinien bewirtschaftet wird, werden zur Reduzierung des Befalls von P. xanthii an C. officinalis bereits zahlreiche Vorkehrungen getroffen. Nach den Vorgaben des Demeter- Verbandes werden Kompost- und Mistgaben und biologisch-dynamische Präparate ausgebracht. Des weiteren erfolgt die Aussaat von C. officinalis bereits im Zeitraum Ende März bis Anfang April bei einem Reihenabstand von 0,75 m, somit kann die maschinelle Ernte bereits in den Monaten Juni und Juli erfolgen.

2 m

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Da diese Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Eindämmung des Befalls des Echten Mehltaus an der Arzneipflanze führen, sollte im Rahmen dieser Arbeit ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Echten Mehltaus Podosphaera xanthii(CASTAGNE) an Calendula officinalis L. für den Heilpflanzengarten der Firma Weleda AG gefunden werden.Mit Hilfe von licht- und rasterelektronenmikroskopischer Methoden sollten Informationen zum Infektionszyklus und zur Morphologie von P. xanthii gewonnen werden. Hinweise zur Epidemiologie des Pilzes sollten Messungen der Temperatur, der Luftfeuchte und des Niederschlages ergeben. Durch Versuche im Gewächshaus (Universität Hohenheim) sowie im Freilandversuch (Heilpflanzengarten; Firma Weleda AG) sollten verschiedene Pflanzenstärkungsmittel und Pflanzenschutzmittel auf ihre Wirkung hinsichtlich einer Bekämpfung des Echten Mehltaus im ökologischen Anbau getestet werden.

Material und Methoden

MikroskopieDie morphologischen Strukturen und der Infektionszyklus von P. xanthii wurden licht- und rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Die Studien mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops (Zeiss DSM 940, Zeiss Oberkochen) erfolgten nach Kang und Buchenauer (2000) bzw. Kortekamp et al. (1998). Zur lichtmikroskopischen Darstellung der Infektionsstrukturen wurden die Blattproben zunächst in Ethanol (96%) entfärbt, anschließend in Wasser überführt, mit wässrigem Kongorot 1% (Sigma, Deisenhofen), Phloxin B 0,1% (Sigma, Deisenhofen) oder Calcofluor 0,01% (Sigma, Deisenhofen) in 50 mM Phosphatpuffer pH 8,0 gefärbt und mittels eines Zeiss Axioskop 2 bei Durchlicht-oder Auflichtfluoreszenz mikroskopiert.

Feldversuch In der Vegetationsperiode des Jahres 2003 wurde der Freilandversuch im Heil-pflanzengarten der Fa. Weleda AG in Wetzgau am Standort `Schafswiese` mit der Sorte ’Erfurter Orange’ durchgeführt. Hierzu wurden 24 Parzellen mit jeweils 2 m2

Fläche randomisiert verteilt und je Parzelle mit 0,5 l der folgenden Präparate in den angegebenen Konzentrationen einmal pro Woche behandelt: BioBlatt Mehltaumittel (0,15%), Milsana (1,8%), Netzschwefel Stulln WG (0,4%), Hornkiesel (0,0075%) mit Wasserglas (0,75%) sowie Steinhauer s Mehltauschreck (0,25%). Eine künstliche Inokulation mit P. xanthii erfolgte mit frisch sporulierendem Blattmaterial aus den Gewächshausversuchen. Die Kontrolle wurden durch Besprühen mit Wasser behandelt. Die Bonitur wurde nach einem international verwendeten Schema von 1–9 nach Steinberger (2000) vorgenommen, wobei 0 kein Befall und 9 sehr starker Befall bedeuten. Während der Monate Juli und August 2003 wurden im Bestand in 20 cm Höhe die Luftfeuchte, die Temperatur und der Niederschlag gemessen. Das Experiment wurde randomisiert angelegt mit vierfacher Wiederholung. Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Programm SAS und dem Tukey s-studentized-range-Test, die grafische Darstellung mit dem Programm Sigma Plot. Für den Feldversuch wurde eine ANOVA durchgeführt.

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Ergebnisse und Diskussion

MikroskopieMit licht- und rasterelektronenmikroskopischen Methoden konnte die neueste Zuordnung des Erregers P. xanthii (zuvor Sphaerotheca fuliginea) in die GattungPodosphaera in die Sektion Sphaerotheca, Subsektion Sphaerotheca nach Braun u. Takamatsu (2000) anhand morphologischer Merkmale bestätigt werden. Die Konidien von P. xanthii benötigten bis zu 24 h zur Ausbildung einer Keimhyphe (Abb. 2a) und eines Appressoriums (Abb. 2b), konnten jedoch bereits 48 h nach Inokulation größere Blattareale mit Hyphen überziehen. Nach 4 Tagen waren auf den Blättern bereits mit bloßem Auge runde weißliche Pilzkolonien zu erkennen, welche nach weiteren 3 Tagen Konidienträger mit Konidien ausbildeten (Abb. 2c). Zu diesem Zeitpunkt konnten die neu gebildeten Konidien bereits durch leichtes Schütteln der Blätter oder leichte Windbewegungen abgelöst werden und somit neue Blätter bzw. benachbarte Pflanzen infizieren.

Abb. 2 : Licht- ra xanthii: a Konidie mit Keimhyphe (Pfeil); b Myzel mit Septen (Pfeile); c Cleistothecium a+b Balkenjeweils 50 µm

Besonders nach längeren Trockenperioden wurden auf den infizierten Blättern Cleistothecien sichtbar. Diese besaßen die für Echte Mehltaupilze typischen Appendizes, welche jedoch keine besonderen morphologischen Strukturenaufwiesen (Abb. 2c). Die Cleistothecien enthielten einen Ascus mit bis zu 8 Ascosporen, in dem sich je nach Reifestadium zwischen 6 und 8 Ascosporen befanden. Auch wenn während des Pilzwachstums Konidien in sehr großer Zahl gebildet wurden, welche ein rasches Ausbreiten des Pilzes ermöglichten, stellt die Verbreitung über Cleistothecien bzw. Ascosporen einen weiteren wichtigen epidemiologischen Aspekt dar. Möglicherweise dienen die reichlich vorhanden Appendizes an den Cleistothecien einer festen Anheftung an neue Wirtspflanzen und stellen ferner evtl. eine Anpassung an eine Verbreitung durch Insekten dar, wie dies bereits für andere Arten der Gattung Podosphaera beschrieben wurde (Ingold 1971, Zheng 1985). Da P. xanthii auf verschiedenen Unkräutern wieXanthium, Senecio und Papaver anzutreffen ist (Jarvis et al. 2002), könnten diese

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Pflanzen in manchen Regionen eine Überwinterungsalternative darstellen. Allerdings zeigt P. xanthii - wie auch andere Mehltaupilze - eine gewisse Wirtsspezifität. Übertragungsversuche auf andere Wirtspflanzen scheiterten genauso, wie eine Infektion von Calendula mit anderen P.-xanthii-Isolaten (z. B. von Cucumis sativus).

FreilandversucheNach Auswertung der Versuche im Freiland konnten die Ergebnisse aus den Gewächshausversuchen in Bezug auf die beiden Testpräparate Steinhauer s Mehltauschreck und BioBlatt Mehltaumittel bestätigt werden.Beide Produkte wiesen ein unzureichendes Regulierungspotenzial gegenüber P. xanthii auf. Eine Kombination aus Wasserglas und Hornkiesel zeigte keinensignifikanten Effekt hinsichtlich der Befallsreduktion. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der Befall in den Kontrollparzellen auf Grund der trockenen Witterungsbedingungen sehr niedrig war. Die Versuchsvarianten Netzschwefel und Milsana unterschieden sich signifikant von den übrigen Varianten und zeigten bei einem geringen Befall ein untereinander vergleichbares und gutes Potenzial zur Eindämmung des Echten Mehltaus.

ZusammenfassungIm ökologischen Anbau werden durch einen Befall mit dem Echten Mehltau (Podosphaera xanthii CASTAGNE) an der Arzneipflanze Calendula officinalis L. (Ringelblume) Ertrag und Qualität stark vermindert. Daher wurde der Entwicklungszyklus des Pilzes mikroskopisch dokumentiert und anschließend Gewächshaus- sowie Freilandversuche mit v. a. protektiv wirkenden Pflanzen-stärkungsmitteln bzw. konventionellen Fungiziden durchgeführt. Bei der Anwendung von Azoxystrobin (Fungisan®, nur im Gewächshaus) und Netzschwefel konnte ein Befall mit P. xanthii und dessen Ausbreitung wirkungsvoll unterdrückt werden. Bei den Pflanzenstärkungsmitteln zeigte lediglich ein Extrakt ausReynoutria sachalinensis (Milsana®) bei niedrigem Befallsdruck ein akzeptables Regulierungspotenzial, wohingegen Präparate auf Basis von Lezithin (BioBlatt Mehltaumittel), Silikaten (Wasserglas, Hornkiesel), Natriumhydrogenkarbonat (Steinhauer s Mehltauschreck) sowie verschiedene Pflanzenöle (TRF-FU-08®) in der eingesetzten Konzentration nahezu wirkungslos waren. Temperaturen über 15°C und eine relative Luftfeuchte über 80% scheinen für eine Etablierung vonP. xanthii im Bestand notwendig bzw. förderlich zu sein.

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Literatur: Braun U, Takamatsu S (2000) Phylogeny of Erisiphe, Microsphaera, Uncinula(Erysipheae) and Cycstotheca, Podosphaera, and Sphaerotheca (Cystotheceae) inferred from rDNA ITS sequences—some taxonomic consequences. Schlechtendalia 4, 1–33.

Ingold CT (1971) Fungal spores: their liberation and dispersal. Clarendon Press, Oxford.

Kang Z, Buchenauer H (2000) Cytology and ultrastructure of the infection of wheat spikes by Fusaium culmorum. Mycol Res 104, 108–1093.

Kortekamp A, Wind R, Zyprian E (1998) Investigation of the interaction ofPlasmopara viticola with susceptible and resistant grapevine cultivars. J Plant Dis Protec 105, 475–488.

Steinberger J (2000) Feldversuchswesen. In: Entrup NL, Oehmchen J (Hrsg) Lehrbuch des Pflanzenbaus. Mann, Gelsenkirchen, S. 761–785.

Zheng R (1985) Genera of the Erysiphaceae. Mycotaxon 22, 209–263.

Weitere Informationen zu dieser Arbeit finden sie unter:

Heibertshausen, D, Kortekamp, A (2004) Infektionszyklus und biologische Bekämpfung von Podosphaera xanthii, dem Echten Mehltau der Ringelblume (Calendula officinalis). Gesunde Pflanze 56, 201-207.

Heibertshausen, D, Kortekamp, A, Buchenauer, H (2004) Biologische Bekämpfung von Podosphaera xanthii (CASTAGNE) an Calendula officinalis L. im Freiland und Gewächshaus sowie Untersuchungen zum Infektionszyklus. Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Forstwirtsch. 396, 493-494.

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Vergleich dreier verschiedener Typen von WegwarteTorsten Arncken, Forschungsinstitut am Goetheanum, CH-4143 [email protected]

Warum wirken Heilpflanzen?In der heutigen Wissenschaft wird davon ausgegangen, daß die Wirkung der Heilpflanzen auf Molekülen beruht, die von der Pflanze durch biochemische Prozesse hergestellt werden. Diese Moleküle passen zu Rezeptoren im Menschen und lösen eine spezifische Reaktion des Organismus aus, welche die Heilung bewirkt. Es gibt also einen molekularen Zusammenhang.

In der anthroposophischen Wissenschaft wird darüber hinaus davon ausgegangen, daß die Wirkung der Heilpflanze darauf beruht, welche Formen und Aromen die Pflanze im Zusammenhang mit dem Jahreslauf und den Standortbedingungen hervorbringt. In diesen ganzheitlichen Erscheinungsbildern sieht man inhaltliche Zusammenhänge mit dem menschlichen Organismus und mit dem Seelenleben des Menschen. Hier gibt es zusätzlich einen geistigen Zusammenhang.

Um dieses Geistige „sehen“ zu lernen, benötigt ein anthroposophischer Wissenschaftler eine mehrjährige Ausbildung, in der er viele Beobachtungenund Erfahrungen direkt in der Natur mit Pflanzen macht. Dies wird systematisch erübt, indem zum Beispiel jede Woche derselbe Standort gemalt wird. Durch das lange Betrachten und das Verinnerlichen durch das Malen, verbindet sich der ganze Mensch mit den sich im Jahreslauf verwandelnden Erscheinungen und damit auch mit den diesen zugrunde liegenden Kräften. Ein neues Bewusstsein entsteht dann, wenn es gelingt, innerlich die Bilder ineinander übergehen zu lassen und sich von der Welt der Gegenstände in die Welt der Verwandlungen, die so genannte ätherische Welt einzuleben. Durch diese und weitere Techniken gelangt man in Bewusstseinsebenen, die einem sonst nicht gegenwärtig sind. Hierzu gehört es auch, durch Gedankenkontrolle und Meditation in seinem eigenen Inneren Strukturen zu schaffen, die Organe für geistig Wesenhaftes sein können. Zum Beispiel lernt man die Tätigkeit des Wurzelsystems in seinem sich Verbinden mit den Qualitäten der Bodenwelt als Bild für menschliche Sinnestätigkeit zu sehen, als Art, in die Welt zu schauen. Und in erster Annäherung kann man sich vielleicht vorstellen, daß eine sich zielgerichtet eintiefende Pfahlwurzel der Malve Bild für etwas anderes ist, als ein den ganzen Boden durchdringendes Gewebe von Weizenwurzeln. Es ist einmal so, als würde der Betrachter in einer Landschaft einen einzelnen Baum zielgerichtet herauslösen und das andere Mal versuchen, die ganze Landschaft auf sich wirken zu lassen.

In diesem kurzen Bericht möchte ich Ergebnisse einer Arbeit mit Wegwarte vorstellen. Sie wurden zuerst in Jochen Bockemühls Buch „Leitfaden zur Heilpflanzenerkenntnis“ (Band 2) veröffentlicht. Dieser Arbeit gehen in dem Buch 30 Seiten Vorarbeiten mit Wegwarte voraus, auf die ich Interessierte gerne verweise.

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Drei Herkünfte von WegwarteUm feine Verschiebungen der Heilqualität in Zusammenhang mit Gestaltveränderungen, wie sie im Anbau bei der WELEDA auftreten, zu erfassen, wurden im Rahmen von Versuchen am Forschungsinstitut der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum drei Typen von Wegwarte verschiedener Herkunft (Botanische Gärten Hohenheim, Basel und Nantes) in Gefäßen angebaut. Gefragt wurde nach dem Zusammenhang zwischen Gestalt, Aroma und Geschmack dieser Typen und nach einer möglicherweise daraus ableitbaren Heilwirkung.

Die Abbildung Nr. 1 zeigt jeweils ein typisches Blatt aus der Blattreihe: Das Blatt der Pflanze aus Hohenheim ist oval, ohne Randgliederung, jenes aus Basel löwenzahnähnlich und jenes aus Nantes mit stark reduzierter Blattfläche. Verglichen mit der vollständigen Blattreihe der Wegwarte in Abbildung Nr. 2 lässt sich das Blatt des Hohenheim-Exemplars im ersten Schritt als ein frühes Blatt in die Blattfolge einordnen, jenes aus Basel erscheint mit typischen Blättern wie aus dem mittleren Segment der Vergleichsreihe und jenes aus Nantes wirkt wie

blütennäher orientiert.Dem entspricht in gewissem Sinne die Form der Wurzeln: das Hohenheim-Exemplar bildet eine dicke, rübenartige Wurzel aus, die milde schmeckt. Das Basel-Exemplar bildet eine etwas verdickte und etwas bittere Wurzel und das Nantes-Exemplar eine dünne, sehr bittere Wurzel aus.

Geruch und Geschmack von Blättern und BlütenHerkunft ⇒ Hohenheim Basel NantesBlattgeruch süß, fruchtig fermentiert,

rauchigsüß, aromatisch, herb

Blütenduft Herb fruchtig, mild herb, bitter, heuartig

Blattgeschmack süß, pollenartig frisch, herb cremig, schwachBlütengeschmack likörartig, bitter fruchtig, kirschig weich, sehr bitterGesamteindruck rundlich,

kindlichmittlerer Typ sparrig, alt

Diese schematische Aufstellung gibt die inhaltsvollen Erlebnisse nur ungenügend wieder. Auffallend ist, dass sich in allen Proben der typische Duft der Wegwarte zeigt und es sich bei allen um Nuancen dessen handelt, was wir eigentlich suchen: das Wesentliche der Wegwarte.

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Abb. 1: Blatttypen

(Cichorium Intybus)

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Die ungegliederten Blätter des Exemplars aus Hohenheim gehen eher in eine Art abschließende Fruchtbildung. Die Substanz nimmt Fruchtcharakter an. Der Formverlust, den die Pflanzen aus Hohenheim zeigen, entspricht Tendenzen, die generell Nahrungspflanzen auszeichnet.

Die Pflanzen aus Nantes mit ihrer sehr starken Gliederung weisen etwas Herbes, Holziges, Trockenes auf. Die aufbauende, vegetative Qualität ist reduziert, die feinere Ausgestaltung stärker betont.

Die Pflanzen aus Basel mit den löwenzahnartigen, gesägten Blättern zeigen die für Wegwarten unserer Gegend typische Gestalt. Hier ist der vegetative Strom mit dem formenden Strom in einen harmonischen Ausgleich getreten.

In der feineren Ausgestaltung der Pflanzen aus Nantes zeigt sich verstärkt das Kieselprinzip. In dieser an der Sinnesbeobachtung geführten Gedankenbewegung stellt der Nantes-Typus die am stärksten verfeinerte Substanz dar. Der fruchtartige Typ aus Hohenheim hat eine embryonalere und damit vegetativere Form ausgebildet. Hier ist die Substanz nicht so stark verfeinert.

Unter dem Gesichtspunkt der Angaben von Rudolf Steiner zu Bitterstoffen, Kali und Kiesel zeigt sich die Form aus Hohenheim kalibetont in Richtung Nahrungspflanze. Die fruchtartige, kindlich wirkende Pflanze der Herkunft Hohenheim wäre vielleicht eher bei Erkrankungen von Kindern anzuwenden, bei denen auch die Lebenskräfte mit der zarteren Bitterkeit zu unterstützen sind.Die Form Nantes erscheint kieselbetont, die Blattfläche ist zurückgedrängt in Richtung der Dornbildung. Die Kaliseite kommt höchstens dadurch zur Geltung, dass der Stängel im Verhältnis zu den verschwindenden Blattflächen sehr dick ist. Auch schmeckt diese Pflanze am bittersten, betont also die Richtung der Verholzung, Festigung (Kohlenstoff). Die Blüte duftet nur schwach, und es kommen keine vegetativen Anteile herein. Diese Substanzen wären vielleicht eher bei alten Menschen anzuwenden, die mit ihrem Körper schon selber stark in Abbauprozessen engagiert sind und die viel stärkerer Reize bedürfen. Im Vergleich zu diesen beiden Formen steht diejenige aus Basel in der Mitte und wäre vielleicht die Substanz, die den allgemeinen Anwendungsbereichabdecken könnte.

Zusammenfassend gesagt besteht die Arbeitshypothese dieser Art Forschung also darin, daß sich in den Sinneserscheinungen der Heilpflanze bildhafte und funktionale Zusammenhänge zu Krankheitsvorgängen beim Menschen erkennen lassen. Die selber gesunde Heilpflanze ist Bild für eine krankhafte Vereinseitigung im Menschen und kann ihm gleichzeitig helfen, diese zu überwinden, weil beide denselben geistigen Ursprung haben.

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Die WELEDA AG und die WELEDA NATURALS GMBH danken allen Forschern und Autoren für die Unterstützung

und ihre Beiträge!

Danksagung

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Notizen