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Heino Apel, Beate Günther Mediation und Zukunftswerkstatt Prozeßwerkzeuge für die Lokale Agenda 21 Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Online im Internet: URL: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-1998/apel98_01.pdf Dokument aus dem Internetservice texte.online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp

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Heino Apel, Beate Günther Mediation und Zukunftswerkstatt Prozeßwerkzeuge für die Lokale Agenda 21

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

Online im Internet:

URL: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-1998/apel98_01.pdf

Dokument aus dem Internetservice texte.online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung

http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp

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Abstract Heino Apel, Beate Günther (1998): Mediation und Zukunftswerkstatt „Partizipation“ oder „Bürgerbeteiligung“ – diese Schlagworte sind seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wieder hochaktuell geworden. Die Agenda 21 sieht Konsultationsprozesse zur Gemeindeplanung vor, an denen alle gesellschaftlichen Gruppen teilhaben sollen. In zunehmendem Maße ist es Aufgabe von Bildungseinrichtungen, diese Konsultationen professionell zu unterstützen. In diesem Band werden die „Zukunftswerkstatt“ und das „Mediationsverfahren“ auf ihre Tauglichkeit als Prozeßwerkzeuge zur „Lokalen Agenda 21“ abgeklopft. Die „Zukunftswerkstatt“ als ein von Robert Jungk für die Ökologie-Bewegung entwickeltes Konzept hat längst Einzug in die Bildungshäuser gehalten. Dagegen ist die „Mediation“ als Instrument der Konfliktmittlung bislang anderen Feldern vorbehalten geblieben. Entsprechend wird der Methode „Mediation“ mehr Raum in der Darstellung eingeräumt, nach der Basisinformation wird sie anhand von Fallbeispielen illustriert und kritisch evaluiert. Beide Autoren (Apel: Zukunftswerkstatt/Günther: Mediation) leiten ihre Hinweise aus aktuellen Praxiserfahrungen ab. Daher ist dieses Methodenbuch auch ein lesenswerter Kommentar zu den Beteiligungsprozessen in deutschen Kommunen aus der Sicht von Bildungsakteuren. Aus Sicht der Erwachsenenbildung ist bemerkenswert, welches Verständnis von „zukunftsfähiger“ Bildung hier nebenbei präsentiert wird: Bildungseinrichtungen bieten Dienstleistungen an, in Kooperation mit anderen Akteuren und zum Teil außer Haus. Das dürfte nicht nur für Multiplikatorlnnen des Ökologie-Ressorts von Interesse sein!

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Heino Apel, Beate Günther

Mediation undZukunftswerkstatt

Prozeßwerkzeuge für dieLokale Agenda 21

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Mediation und Zukunftswerkstatt : Prozeßwerkzeuge für dieLokale Agenda 21 / Deutsches Institut für Erwachsenenbildung.Heino Apel ; Beate Günther. – Frankfurt /M. : DIE, 1999 (Perspektive Praxis) ISBN 3-933222-15-X

© 1998 DIE Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e.V.Hansaallee 150, 60320 Frankfurt/M.Layout/Satz/Umschlag: Grafisches Büro Horst Engels, Bad VilbelDruck: Druckerei Lokay(Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier)Nachdruck nur mit Erlaubnis des DIE

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung e.V. (DIE) ist ein Service-institut der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz(WGL), der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern.Als wissenschaftliches Serviceinstitut vermittelt es zwischen Forschungund Praxis der Erwachsenenbildung. Seine Tätigkeit besteht vor allemdarin,– für Wissenschaft und Praxis Informationen, Dokumente und Materia-

lien zur Verfügung zu stellen,– in Konferenzen, Arbeitsgruppen und Projekten die Erwachsenenbil-

dung/Weiterbildung wissenschaftlich und praktisch zu entwickeln,– Publikationen zu wissenschaftlichen und praktischen Fragen der Er-

wachsenenbildung/Weiterbildung herauszugeben,– Forschungsarbeiten zu initiieren und Forschungen durchzuführen,– Forschungsergebnisse in Fortbildung und Beratung zu vermitteln.

Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mit-teln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter demFörderkennzeichen W0894.00 gefördert.

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Inhalt

Vorbemerkungen .................................................................................. 5

Heino ApelLokale Agenda 21 – vom Gegeneinander zu neuen Allianzen1. Zur Entstehung der Lokalen Agenda 21 ...................................... 92. Erfahrungen zum Konsultationsprozeß ..................................... 11

Heino ApelDie Zukunftswerkstatt als Baustein sozialer Problemlösungstechniken1. Grundlegendes zur Zukunftswerkstatt ...................................... 142. Die Zukunftswerkstatt nach Jungk/Müllert ................................ 163. Stärken des Zukunftswerkstatt-Konzeptes ................................. 204. Probleme, Schwierigkeiten im Konzept der Zukunftswerkstatt . 214.1 Konsistenz der Phasen, innere Dramaturgie ............................. 214.2 Die Kritikphase – immer der geeignete Einstieg? ...................... 234.3 Die Wirkung von Kreativitätstechniken – verordnete Utopie? .. 244.4 Der Faktor Zeit – gleiches Maß für ungleiche Prozesse ............ 254.5 Die Realisierung der Realisierung – wer hilft der Gruppe

„danach”? ................................................................................. 264.6 Die Rolle des/der ModeratorIn ................................................. 274.7 Der Umgang mit Hierarchien und disparaten

Zielvorstellungen ...................................................................... 295. Die Zukunftswerkstatt als Instrument bei Lokalen Agenda-

21-Prozessen ............................................................................ 31

Beate GüntherMediation in öko-sozialen Gestaltungsprozessen1. Rahmenbedingungen und Prozeßgestaltung von

Umweltmediationsverfahren .................................................... 341.1 Informationen zur (Umwelt-)Mediation .................................... 341.2 Zum Setting von Umweltmediationsverfahren ......................... 512. Fallbeispiele ............................................................................. 882.1 Beispiel A: Mediationsverfahren begleitend zur PCB-

Sanierung der Moabiter Grundschule im Auftrag desBezirksamtes Tiergarten von Berlin (PCB-Verfahren) ................ 88

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2.2 Beispiel B: Mediationsverfahren zur Vorbereitung undBegleitung der „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN fürTeile der Berliner Bezirke Prenzlauer Berg, Weißenseeund Friedrichshain im Auftrag der Berliner Senats-verwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz undTechnologie (URBAN-Projekt) .................................................. 95

3. Möglichkeiten und Grenzen des Mediationseinsatzesin Prozessen der Lokalen Agenda 21 ...................................... 123

3.1 Übertragung eines projektorientierten Mediationssettingsauf längerfristig ausgerichtete vielschichtige Agenda-21-Prozesse? ................................................................................ 127

3.2 Mediation zur Artikulation, Integration und Aushandlungvon Visionen, Leitbildern und Wünschen? ............................. 127

3.3 Mediation als Methode der Bürgerbeteiligung in Agenda-21-Prozessen? ......................................................................... 130

3.4 Mediation zur Aushandlung von Strategien und zurBearbeitung aktueller Konflikte, oder: Wer entscheidet,wo es langgeht? ...................................................................... 136

3.5 Anregungen für einen differenzierten Umgang mitAnsprüchen und Methoden .................................................... 144

Literatur ........................................................................................... 151

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Vorbemerkungen

In diesem Band werden die „Zukunftswerkstatt“ und das „Mediationsver-fahren“ auf der Folie der Diskussionen zur Lokalen Agenda 21 vorgestellt.Aus der Sicht der Erwachsenenbildung ist die Beteiligung am lokalpoliti-schen Geschehen nichts grundsätzlich Neues, aber doch etwas, das inder Sparte „politische Bildung“ mehr schlecht als recht in die Praxis um-gesetzt wird. Bei einer Beteiligung an öffentlichen Planungsvorhaben, beider Unterstützung von Bürgerinitiativgruppen oder einfach bei der Durch-führung eines politischen Forums begeben sich Bildungsträger auf eineGratwanderung. Häufig wird von außen der Vorwurf erhoben, das Enga-gement des Bildungsträgers sei politisch einseitig.

Aus dem Bildungsbereich selbst steht der politischen Beteiligung ein Bil-dungsverständnis entgegen, nach dem Bildungsangebote in Seminarräu-men oder in anderen, klar definierten Lernräumen stattzufinden habenund in die Form von Vorträgen, Kursen, Seminaren oder Exkursionen ge-gossen werden müssen. Was davon abweicht, läßt sich schwer planenund berechnen und sprengt den Rahmen des Normalarbeitstages.

Diese Sichtweise eines am Schulunterricht orientierten Bildungsverständ-nisses beginnt sich zu ändern. Bildungseinrichtungen wandeln sich zuDienstleistern bei der Unterstützung von Lernprozessen. Das liegt ganzim Sinne einer Entwicklung zum lebenslangen Lernen. So wie Bildungsich „entgrenzt“ (Kade/Nittel 1995), sollten auch Bildungseinrichtungenin allem aktiv werden, was der Wissensvermittlung und, allgemeinernoch, der Problemlösungssuche dient. Die Bildung verläßt damit z.T. ih-ren angestammten Seminar-Lernort und begibt sich zum Kunden vor Ort.Auch im Kontext von „Deregulierung“ und „Individualisierung“ schlägtden mit Schule assoziierten Bildungseinrichtungen Skepsis entgegen.Nicht mehr das Dozieren ist angesagt, sondern das Gestalten von „Lern-umgebungen“ und damit die Moderation.

Während bislang die Moderation z.B. von Zukunftswerkstätten in derRegel von frei schaffenden ModeratorInnen angeboten wurde, könntezukünftig diese Dienstleistung zum Standardangebot vieler Bildungsein-richtungen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies auchfür die Dienstleistung Mediation gelten.

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Aktueller Bedarf ist entstanden durch die Lokale Agenda 21. Die Agenda21, ein Aktionsplan für das 21. Jahrhundert, der von 174 Regierungen inRio 1992 unterzeichnet wurde, sieht unter anderem Konsultationsprozes-se zur Gemeindeplanung vor, an denen alle gesellschaftlichen Gruppenteilnehmen sollen. Aufgabe von Bildungseinrichtungen wird es sein, die-sen Konsultationen professionelle Prozeßunterstützung zukommen zulassen. Diese kann im Vermieten von Räumlichkeiten, in der Übernahmevon Organisationsleistungen und im „Verleih“ von geschulten Moderati-onskräften bestehen.

Wenn Methoden angefragt werden, die eine erfolgreiche Prozeßführunggarantieren sollen (z.B. für eine Leitbildformulierung zur Stadtentwick-lung, an der sich unterschiedliche Interessenvertreter beteiligen), wird oft-mals eine Zukunftswerkstatt in Erwägung gezogen. Erwartet man für dieEntwicklung und Umsetzung strittiger Konzepte und Projekte heftige Aus-einandersetzungen und Interessenkonflikte, wird der Einsatz einer Me-diation erwogen. Wir werden im folgenden ausführen, daß beide Metho-den nicht genuin für Agenda-21-Prozesse ausgelegt sind. Dennoch wei-sen sowohl die Zukunftswerkstatt als auch die Mediation Potentiale auf,die unter bestimmten Voraussetzungen erfolgversprechend in Agenda-Prozessen eingesetzt werden können. Es werden Leistungen und Grenzensowie die notwendigen Rahmenbedingungen für einen sinnvollen Einsatzder Methoden dargelegt. Dabei verträgt die Methode der Zukunftswerk-statt – nicht zuletzt begründet in ihrem gesellschaftspolitischen Anspruchund ihrer inzwischen mehrere Jahrzehnte umfassenden Praxis – größereModifikationen als die Gestaltung von Mediationsverfahren.

Die Methode Zukunftswerkstatt wurde von Robert Jungk im Kontext derBürgerinitiativbewegung der 70er Jahre entwickelt, um Laien ein profes-sionelles Werkzeug zur Entwicklung von Alternativen zu herrschendenExpertenvorstellungen in die Hand zu geben (vgl. Jungk/Müllert 1989;Kuhnt/Müllert 1996). Zukunftswerkstätten haben in den vergangenen Jah-ren einen Bedeutungswandel erfahren. Sie werden in der Praxis sehr vielmehr in Bildungsstätten als bei der Durchsetzung von Bürgervorstellungenfür eine bessere Zukunft eingesetzt. Die Mediation ist zwar eine alte Kul-turtechnik, ihre aktuelle Ausgestaltung als Planungs-, Verhandlungs- undGestaltungsmethode wurde aber vor allem in den USA entwickelt. Dortwird sie u.a. als Konfliktbearbeitungsstrategie zur Verminderung von zeit-und kostenaufwendigen juristischen Auseinandersetzungen praktiziert.

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Der Einsatz von Mediation erfolgt in Deutschland in verschiedenen Hand-lungsfeldern einerseits nur mit verhaltenen Erfolgen, andererseits wirdMediation als Lösungsinstrument in sozial-ökologischen Konfliktfeldernim Kontext der Lokalen Agenda 21 sehr häufig genannt und eingefordert.Dies liegt u.a. darin begründet, daß zwar der Begriff, nicht jedoch die jenach Aufgabe divergierenden Essentials der Methode ausreichend be-kannt sind.

Beide Techniken gründen methodisch auf Moderationsverfahren, die inden Lehrplänen erziehungswissenschaftlicher Studiengänge neuerdingsunter dem Stichwort „Methodenlehre“ aufgeführt, in der Studienpraxishäufig jedoch zu wenig angeboten werden. Eine direkte Ausbildung zum„Zukunftswerkstattmoderator“ oder zum „Mediator“ wird an den deut-schen Universitäten (noch) nicht angeboten. (Im Anhang sind Adressenaufgeführt, die zu Weiterbildungsfragen in den beiden Feldern Auskunftgeben können.)

Zu Moderationstechniken und Zukunftswerkstätten gibt es zahlreicheVeröffentlichungen, zur (Umwelt-)Mediation fehlt noch ein deutschspra-chiges Methoden-Standardlehrbuch, obwohl auch für diesen Bereichzahlreiche Artikel zu Einzelaspekten publiziert worden sind. Der vorlie-gende Band konzentriert sich auf Anwendungsaspekte dieser Methodenbei der Gestaltung sozial- und umweltpolitischer Prozesse. Bei der Dar-stellung von Zukunftswerkstätten wird auf die Literatur verwiesen, wäh-rend die Darstellung der Mediation etwas grundsätzlicher expliziert wird.

Den PädagogInnen, BeraterInnen und politisch Engagierten, die bereitsüber Moderationserfahrung verfügen, soll konkrete Hilfestellung gegebenwerden, wenn sie Prozesse der lokalen politischen Konsensfindung initi-ieren und begleiten wollen. Weil es um die Bewältigung von Zukunftsauf-gaben geht, die jenseits eingeschliffener Sachzwangsvorstellungen erfol-gen sollten, erscheint die kreativitätsorientierte Methode der Zukunfts-werkstatt adäquat. Weil es dabei in der Regel um die prozeßhafte Über-windung von konfligierenden Zukunftsvisionen geht, muß das ursprüng-lich für homogene Gruppen gedachte Instrument der Zukunftswerkstattjedoch weiterentwickelt werden.

Damit Mediation sich – je nach Aufgabenfeld spezifisch ausgestaltet –bewähren kann, werden aktuell methodische Klarheit, Qualitäts- und

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Ausbildungsstandards angestrebt. Aus diesem Grund billigen die Promo-toren dieser Methode den Verfahren unter der Bezeichnung „Mediation“bei allem Verständnis für den akuten Anpassungsbedarf nur ein einge-schränktes „Abdriften“ in methodische Grauzonen zu. Nicht nur, aberauch bei Agenda-21-Prozessen führt dies in der Praxis dazu, daß zwarMediationselemente eingesetzt werden, die Rahmenbedingungen undRegeln einer „klassischen“ Mediation jedoch häufig nur eingeschränkterfüllt werden können.

Durchgeführt werden dann z.B. auf die Situation zugeschnittene Konflikt-moderationen oder kooperative Planungsprozesse unter Einbezug vonStrategien der Konfliktbearbeitung oder der Bürgerbeteiligung. Da es le-diglich darum geht, nicht wissentlich „Etikettenschwindel“ zu betreiben,ist dieses Vorgehen sowohl legitim als auch erfolgversprechend. Es sollteaußerdem nicht verkannt werden, daß gerade in den auch für die Umset-zung der Agenda 21 interessierenden Handlungsfeldern oft genug Aufga-ben anstehen, die eine eng an der Mediationstheorie ausgerichtete Ver-fahrensgestaltung und Abgrenzung erschweren.

Der vorliegende Band will also anregen, Methodiken einer Prozeßbeglei-tung für lokalpolitisches Handeln verstehen und anwenden zu lernen.

Im 1. Kapitel beschreiben wir in Kürze die Eigentümlichkeiten der inDeutschland sich vollziehenden Konsultationsprozesse zur lokalen Agen-da 21. Schwerpunkte sind dabei die Kommunikationsprobleme und dieRolle, die Bildungseinrichtungen dabei spielen können.

Im 2. Kapitel wird die Methode Zukunftswerkstatt insbesondere unter demAspekt ihrer Schwierigkeiten und Grenzen bezogen auf bestimmte An-wendungserfordernisse diskutiert. Sie wird dann als ein Teilinstrument zurFindung sozialer Problemlösungen in einem komplexen Moderationspro-zeß beschrieben.

Im 3. Kapitel wird in die Grundlagen der Mediation, insbesondere derUmweltmediation, eingeführt. Beispiele und Erfahrungen aus der Praxissollen das Verständnis dieser Methode erleichtern, und es werden dieAnwendungsmöglichkeiten, aber auch die Grenzen von Mediation undMediationselementen in Agenda-21-Prozessen aufgezeigt.

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Heino Apel

Lokale Agenda 21 – vom Gegeneinander zu neuenAllianzen

1. Zur Entstehung der Lokalen Agenda 21

Die Agenda 21 ist ein Aktionsplan für das 21. Jahrhundert, der auf derWeltkonferenz in Rio 1992 von 174 Staaten unterzeichnet wurde. In demPapier, an dessen Formulierung zum ersten Mal sehr stark auch Nichtre-gierungsorganisationen (NRO) beteiligt waren, geht es wesentlich darum,daß sich die Staaten verpflichten, auf kommunaler und Länderebene Pla-nungen einzuleiten, die für einen besseren Ressourcenschutz, für mehrsoziale Gerechtigkeit und für langfristig wirtschaftliche Absicherung ga-rantieren sollen. Das politisch Innovative besteht darin, daß die Planer-stellung ein sehr großes Maß an bürgerlicher Partizipation, d.h. an Mit-sprache aller gesellschaftlichen Gruppen, impliziert. Die in der Agenda21 formulierte „neue Politik“, bei der nicht mehr der Klassenkampf, son-dern die Allianz der demokratischen Kräfte unterstellt wird, ist wahr-scheinlich auch eine Folge des kurz davor erfolgen Zusammenbruchs dessozialistischen Blocks.

Inhaltlich liegt dem Papier eine Kompromißformel zugrunde zwischendenen, die insbesondere in der Dritten Welt ökonomisches, soziales undtechnologisches Wachstum für eine bessere Welt wünschen, und denen,die den Schutz der Artenvielfalt, den Schutz der Atmosphäre bzw. gene-rell den Schutz der Lebensbedingungen für heute und für die zukünfti-gen Generationen im Auge haben. Entwicklungspolitisch formuliert wur-de dieser Kompromiß bereits im Brundtland-Bericht 1987, der für dieKonferenz von Rio in der Agenda 21 handlungspolitisch aufbereitet wor-den ist.

Auf 298 Seiten1 widmen sich je drei Abschnitte der ökonomisch sozia-len, der ökologischen und der politischen Dimension, zuletzt wird dieFrage der Umsetzung erörtert. Im Kapitel 28 „Initiativen der Kommunenzur Unterstützung der Agenda 21“ wird die besondere Bedeutung der

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Kommune für lokale ressourcenrelevante und soziale Entscheidungenherausgestellt, und es wird gefordert, daß sich bis 1996 die Mehrzahl derGemeinden einem kommunalen Konsultationsprozeß unterzogen undKonsens hinsichtlich einer „kommunalen Agenda 21“ für die Gemein-schaft erzielt haben sollte. Auf Länderebene sollte eine Unterstützung undVernetzung der Kommunen zum Erfahrungsaustausch gefördert und dieKommunen sollten angehalten werden, Programme durchzuführen undzu überwachen, die die Beteiligung von Frauen und Jugendlichen an Pla-nungs- und Umsetzungsprozessen garantieren.

Auf der Nachfolgekonferenz „Rio +5“ in New York 1997 mußte festge-stellt werden, daß alle Unterzeichnerstaaten mit der Umsetzung der Agen-da 21 im Verzug sind. Auch in Deutschland sind die Agenda-Aktivitätensehr spät angelaufen.2 Unterstützung, Koordination oder Steuerung aufBundesebene hat es zunächst überhaupt nicht gegeben, und gibt es innennenswerter Weise auch heute noch nicht. Die ersten, die überhauptmit Aktivitäten zur Lokalen Agenda 21 begonnen haben, waren einzelneGemeinden. Die von BUND und MISEREOR in Auftrag gegebene Studie„Zukunftsfähiges Deutschland“ (1995) löste eine größere Debatte in derFachöffentlichkeit aus, in deren Folge etliche lokale Aktivitäten von un-terschiedlichen Trägern initiiert wurden. Einer breiteren Öffentlichkeit istbis heute der Begriff „Agenda 21“ größtenteils unbekannt. In den politi-schen Sonntagsreden findet man hingegen zunehmend eine leerformel-hafte Beschwörung des Begriffes „Nachhaltigkeit“, der das wesentlicheZiel der Agenda 21 umreißt.

Es ist schwierig, zum Stand der Lokalen Agenda 21 (LA21) Zahlen anzu-geben. Wir schätzen, daß es z.Zt. in ca. 500 deutschen Gemeinden nen-nenswerte LA21-Aktivitäten gibt, daß in vielen aber noch keine politi-schen Beschlüsse existieren.

Das Jahr 1997 kann als eine gewisse Wende angesehen werden, weil dieLänder aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, Programme formulierenund bescheiden ausgestattete Büros und Koordinierungsstellen einrich-ten (Hessen, NRW, Bayern). Bis dahin gingen alle lokalen Aktivitäten vonkommunalen Akteuren, wie Kirchen, Bildungsträger (Volkshochschulen),Verbände (BUND), oder von einzelnen persönlich engagierten Mitarbei-terInnen aus den Umweltämtern aus. Damit ist die Phase erreicht, wo perDekret die Forderung auf eine Kommune zukommt, Aktivitäten zur Agen-

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da 21 zu entwickeln! In Europa nehmen insofern die Deutschen eine ge-wisse Sonderrolle ein, als z.B. in den meisten nordischen Ländern dieAgenda-Aktivitäten von jeher viel stärker vom Staat initiiert werden.

2. Erfahrungen zum Konsultationsprozeß

Das Agenda-Konzept von Rio steht quer zu traditionellen Planungsstruk-turen, in denen die Partizipation von Bürgern an Planungsentscheidun-gen rechtlich nur minimal verankert ist. Auch verträgt sich die allgemei-ne Zielsetzung (Botschaft) der Agenda nicht mit dem bislang gepflegtenWachstums- und Fortschrittsparadigma marktwirtschaftlich orientierterGesellschaften: sei es die Forderung nach Ressourcenschonung, sei es dersoziale Ausgleich mit den Ländern der Dritten Welt, sei es die ethischeVerpflichtung für die Mit- und Nachwelt.

Aus diesen Gründen hat sich die Umweltbewegung bislang als eine Op-positionsbewegung gegen das herrschende Wachstumssystem verstanden.Die Akteure „Staat“ und „Industrie“ wurden von vielen Umweltbeweg-ten und Sozialengagierten als Feindbilder gepflegt, die erst allmählich (mitdem Regierungsengagement der Grünen und mit der wachsenden Veran-kerung und teilweisen Verwirklichung von Umweltschutzzielen in öffent-lichen und privaten Bereichen) „aufzuweichen“ beginnen. Die Agendaverlangt von den Initiativen, daß sie nun die „etablierten“ lokalen Akteu-re als Kooperationspartner ansehen sollen (neue Allianzen), und umge-kehrt wird von der Kommunalverwaltung und von herrschenden Reprä-sentanten erwartet, Bürgervertretungen als konstruktive Mitentscheiderund nicht mehr als reine Störenfriede anzusehen. Dieser Wechsel imRollenverständnis ist keineswegs unproblematisch. Ein Agenda-Gremiumist nicht demokratisch legitimiert, es ist ein selbstbestimmtes Expertenfo-rum, das sich, ohne Verantwortung tragen zu müssen, in parlamentarischoder privatrechtlich geregelte Prozesse einmischt. Gerade im unkonven-tionellen, die Ressorts und politischen Grenzen sprengenden Arrange-ment der Agenda-Akteure liegt eine Chance, auch innovative Wege ein-zuschlagen. Ebenso droht freilich auch die Gefahr des Scheiterns, z.B. desAbbruches oder der Handlungsblockade für ein solches Gremium. Letzt-lich beinhaltet ein Konsultationsprozeß für eine Lokale Agenda 21 eineneue Qualität in der politischen Kommunikation in einer Gemeinde. Dasqualitativ Neue nach Rio besteht darin, daß aus einer konfrontativen Kom-

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munikation eine produktive, kooperative Kommunikationskultur entwik-kelt werden muß. Das erfordert von denen, die diesen Prozeß vorantrei-ben wollen, neben psychologischem und politischem Feingefühl eineprofessionelle Methodenkompetenz bzgl. der Techniken, mit denen maneinzelne und Gruppen ins Gespräch und zu Ergebnissen führen kann.

Der Konsultationsprozeß einer Lokalen Agenda 21 ist in der Regel sehrvon lokalen Strukturen abhängig, abstrakt sind aber meist die drei folgen-den Ebenen zu beachten:3

• Erstellung eines Leitbildes (Plattform, langfristiges Handlungspro-gramm)

• Ermöglichung einer politischen Kultur der Konsensfindung (Kommu-nikation zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen)

• Der planerische Weg, Einleitung erster Handlungsschritte für eine zu-kunftsfähige Kommune.

Jede Ebene ist konfliktträchtig und hängt mit der anderen zusammen.Ohne eine politische Streitkultur wird es keinen tragfähigen Konsens ge-ben, und ohne diesen wird es nicht zu Handlungen kommen. Erste Hand-lungen setzen Zeichen der Machbarkeit und des Vertrauens in die Akteu-re, was weitere Planungsoffensive und weitgehendere Zielvorstellungenbeflügelt.

Die Zahl der „Rezeptpublikationen“, wie man in solche Prozesse ein-steigt, wächst stetig, obgleich immer wieder ausschließlich die lokalenBedingungen darüber entscheiden, wie ein solcher Prozeß initiiert unddauerhaft am Leben erhalten werden kann. Ein Standardproblem dürftedas Hineinwachsen in das oben angesprochene Rollenverständnis sein.Zu leicht gerät ein Agenda-Forum zur politischen Schaukampfbühne, wodie immer schon bekannten Positionen neu aufgerollt werden und mansich gegenseitig mangelnden Sachverstand und Kompetenzanmaßungvorwirft. Eine andere Gefahr ist die Harmoniesucht. Man steigert sichgemeinsam in die große historische Verantwortlichkeit hinein und ent-wirft Pläne und Ziele, von denen jeder weiß, daß sie unrealistisch sind.Umgekehrt gibt es Tendenzen, den Sachzwang walten zu lassen und daszur Agenda zu erklären, was man zum Umweltschutz zu tun ohnehingesetzlich verpflichtet ist.

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Diese Probleme deuten an, daß bei jeder prozeßbegleitenden Methode,mit der Verhandlungen zur Ziel- und Strategiefindung geführt werden,eine Ergebnissicherung mit Augenmaß betrieben werden muß. Ganzgleich, ob auf einem Bürgertreff Agendaziele diskutiert, an einem „run-den Tisch“ eine Aktion verhandelt oder in einer Zukunftswerkstatt einStadtteilkonzept ersonnen werden soll – immer müssen sich die Mode-rierenden der Verantwortung bewußt sein, daß eine Kommunikationskul-tur über einen so komplexen Gegenstand wie die Agenda 21 nur dannFortbestand hat, wenn sie auf kleinschrittig erreichten Ergebnissen auf-bauen kann. Diskussionszeit ist insbesondere für einflußreiche Akteureein äußerst knappes Gut, das sehr effizient genutzt werden muß, wenndie Kommunikationskultur zwischen den Gruppen nicht abreißen soll.

Aus dieser sicher sehr vereinfachten Kurzcharakteristik der Agenda-Pro-zesse in etlichen Kommunen Deutschlands wird ersichtlich, daß eineVielfalt unterschiedlichster Kommunikationsakte notwendig ist, um neuelokale politische Entscheidungen zuwege zu bringen. Dazu gibt es kei-nen methodischen „Königsweg“, um diesen Prozeß zu begleiten. Wederkann eine von einem Stadtdirektor (Dezernent) geleitete Konferenz denAnspruch eines partizipativen Konsultationsprozesses erfüllen, noch läßtsich mit einer Zukunftswerkstatt ein verbindliches Leitbild für das näch-ste Jahrhundert entwickeln (vgl. Apel u.a. 1998).

Mit entsprechender Vorsicht werden wir im folgenden zwei Methoden,die vom Anspruch her dem Thema sehr angemessen erscheinen, unterder Perspektive ihrer „Agenda-Tauglichkeit“ detailliert vorstellen.

Anmerkungen

1 Die deutsche Fassung ist beim Umweltministerium zu beziehen.

2 1996 ergab eine Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik, daß von den 157 ant-wortenden Städten 83 die Entwicklung einer lokalen Agenda als ihre Aufgabe ansehen.Bei nur 27 Städten lag ein Stadtverordnetenbeschluß dazu vor (Rösler 1996).

3 In Anlehnung an Positionen des ICLEI, vgl. Zimmermann 1997

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Heino Apel

Die Zukunftswerkstatt als Baustein sozialerProblemlösungstechniken

1. Grundlegendes zur Zukunftswerkstatt

Es gibt keine Statistik über die z.Zt. in Deutschland durchgeführten Zu-kunftswerkstätten. Man darf aber davon ausgehen, daß sie seit ihrer „Er-findung“ durch Robert Jungk in den 70er Jahren bis heute eine relativ star-ke Verbreitung erfahren haben. Nicht zuletzt spricht die sehr häufige Er-wähnung von Zukunftswerkstätten als Instrument für einen Konsultations-prozeß zur Lokalen Agenda 21 für den großen Bekanntheitsgrad und fürdie hohen Erwartungen an diese Methode.

Entwickelt wurden Zukunftswerkstätten in den 70er Jahren als Instrumentfür den politischen Kampf von Bürgerinitiativen zur besseren Durchset-zung ihrer Interessen bezüglich einer lebenswerten Zukunft. Robert Jungkwollte soziale Phantasie entfalten helfen, die zu Konfliktlösungen führenund sich – befreit von Sachzwängen – gegen Einfallslosigkeit oder Profit-streben herrschender Verhältnisse wenden sollte. Mit seinen Visionen ei-ner Utopie vom besseren Leben, mit seiner Orientierung auf eine bessereZukunft hat Robert Jungk sehr viel von dem vorweggenommen, was heu-te den Kontext der Debatte um die „Zukunftsfähigkeit“ von Wirtschaft undGesellschaft unter Globalisierungsbedingungen bestimmt.

Methodisch hat sich Robert Jungk von seinen Recherchen in den USAzum Buch „Der Atomstaat“ inspirieren lassen. Er lernte im Pentagon dieAnwendung moderner Kreativitätstechniken zur Planung strategischerKriegsspiele kennen, wo es um innovative Lösungen für sehr komplexeSituationen ging. Moderationstechnik, Brainstorming und Visualisierungvon Ergebnissen sind „inhaltsneutral“, d.h., sie lassen sich natürlich auchauf strategische Zukunftsplanung für ein friedliches Miteinander anwen-den. So entwickelte Jungk ein methodisches Instrumentarium, das aus denStaaten stammte, aber vor allem in Deutschland und einigen Nachbar-länden verbreitet wurde.

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Nach fast 20 Jahren hat sich das gesellschaftspolitische Grundverständ-nis, auf dem die Prinzipien der Zukunftswerkstatt beruhen, verändert.Jungks Konzept ist ein Produkt der 68er Zeit. Mit Rückgriff auf Hegelund Marx wurde ein z.T. zu einfaches dichotomisches sozial-ökonomi-sches Modell gezeichnet. Es dominierte der Glaube an das Gute imMenschen, der nur durch die sozialen Verhältnisse „entfremdet“ schien.Die Marxsche Vision vom Proletariat als dem – historisch bestimmten –zukünftigen Träger einer befreiten Gesellschaft mutierte in vielen intel-lektuellen Köpfen der 68er-Zeit zu einem verklärten Bild von den Bür-gerinitiativen als utopischem Kern einer sich herausbildenden neuenGesellschaft.

Auf die Zukunftswerkstatt bezogen hieß das, daß die TeilnehmerInnenals Betroffene ein prinzipiell gutes Anliegen gegen einen prinzipiell rück-ständigen, uneinsichtigen Herrschaftsapparat durchzufechten hatten. Esgab klare Feindbilder: Mit sozialer Phantasie gegen den Apparat! Es gabauch die erste große Enttäuschung über die Rolle der Wissenschaft bzw.die Rolle der wissenschaftlich ausgebildeten Experten, deren Kompe-tenz und Unabhängigkeit von ihrem Auftraggeber in Frage gestellt, zu-mindest aber entmystifiziert wurden. Das hatte zur Folge, daß im Ur-sprungskonzept einer Zukunftswerkstatt keine Experten als Wissensträ-ger vorgesehen waren. Experte waren fortan jede Bürgerin und jederBürger selbst.

So wie die Vorstellung vom Proletariat als neue Klasse entzaubert wur-de, so verflog auch schon rein quantitativ in den 80er Jahren die Ideevon den die Gesellschaft verändernden Initiativen. Die außerparlamen-tarische Opposition sammelte sich zur Partei der Grünen. Aus den Keim-zellen einer neuen Gesellschaft wurden Mitregierende in der „alten“Gesellschaft.

Die Illusion vom guten Unten und vom bösen Oben zerschellte an Vor-stellungen zur „neuen Unübersichtlichkeit“, aus der Klassengesellschaftentwickelte sich die Risikogesellschaft und schließlich die Erlebnisgesell-schaft. Während die Zielgruppe der ursprünglichen Zukunftswerkstatteine relativ homogene Bürgerversammlung mit gleichem Wertemusterdarstellte, gehen wir heute von „Milieus“ und von Wertepluralitäten aus,wobei die zugehörigen Individuen zu politischen, kulturellen und sozia-len Aspekten sehr unterschiedliche Einstellungen aufweisen können.

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Bevor wir zu den Konsequenzen dieser veränderten Konstellation für dasKonzept Zukunftswerkstatt kommen, wollen wir in aller Kürze den An-satz beschreiben.

2. Die Zukunftswerkstatt nach Jungk/Müllert

Eine ‚klassische‘ Werkstatt besteht aus 5 Phasen:

1. In der Vorbereitungsphase werden die Methode, ihre Regeln und dergeplante Ablauf (im Konsens mit den Betroffenen) vorgestellt. Als er-ster Einstieg kann mit den Teilnehmenden zusammen der Raum für dieZukunftswerkstatt vorbereitet werden (sofern das nicht schon gesche-hen ist). D.h., Tische, die sich trennend zwischen Teilnehmende schie-ben, sind aus dem Raum bzw. aus der Mitte des Raumes zu entfernen.Stellwände, Papiermaterial, Stifte etc. müssen griffbereit liegen. DieTeilnehmenden sollten in einer offenen Runde sitzen können, so daßsie jederzeit interagieren und an die Pinwände treten können.

2. Der eigentliche Einstieg beginnt mit der Kritikphase, in der das zu lö-sende Problem detailliert kritisch durchleuchtet werden soll. Man be-ginnt mit einer visualisierten Brainstorming-Runde, bei der eine allge-meine, kritische Frage zu dem herrschenden Problemzustand formu-liert wird. In Gruppenarbeit werden Thesen auf ein großes Papier ge-schrieben, die nachträglich ausgeschnitten und gruppiert werden, da-mit die Kritikpunkte visuell festgehalten sind.1 Im Sinne des Brainstor-mings gelten folgende Spielregeln: Verbot ausschweifender Diskussio-nen, des assoziierenden Anknüpfens an bereits entwickelte Ideen, Ver-bot von ‚Killerphrasen‘, Primat der Quantität (Sammeln) etc. Die ge-wonnenen Ergebnisse (visualisierte Einsichten) werden nach Zusam-mengehörigkeit gegliedert (‚clustern‘) und mit Gruppenüberschriftenversehen. Es kann anschließend für eine Auswahl auf das Relevante‚bepunktet‘, d.h. bewertet werden. Gelegentlich bietet es sich an, nachder ersten Sammlung von Kritikpunkten diese in einer weiteren Phasezu vertiefen. Dabei ist auch Methodenwechsel möglich, so daß in ei-ner solchen Phase eine reflexive Diskussion erfolgen kann, wobei wie-derum das Resultat eine visualisierte Ergebnissicherung sein muß.

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3. Nach der Problemaufarbeitung schreitet eine Zukunftswerkstatt nichtunmittelbar zur Problemlösung, sondern sie versucht, mit den Teilneh-menden zunächst eine Utopie zu entwerfen bzw. an einer überhöhtenZeichnung zukünftiger Möglichkeiten zu arbeiten. In dieser sogenann-ten Phantasiephase sollte eine entspannte Atmosphäre herrschen, dieräumlich und spielerisch hergestellt werden muß. Der Übergang kannz.B. durch eine Phantasiereise, Meditation, mediale Unterstützung etc.eingeleitet werden. Es kann dann z.B. mit der Umkehrung der ausge-wählten wesentlichsten Punkte der Kritikphase begonnen werden (Ne-gation der Negation), um zu utopischen Lösungen zu gelangen. DieBeteiligten sollten frei von Sachzwängen in Brainstormtechniken undkreativem Spiel über phantastische Lösungen nachdenken. Ein wesent-liches Kriterium für die Auswahl der Darstellungsformen besteht dar-in, daß sie möglichst anders als herkömmliche, allein rational orien-tierte Problemlösungsformen sein sollten. Die so ‚ersponnenen‘ Lösun-gen/Strategien stellen eine originelle Fundgrube für wirklich zukunfts-weisende Wege dar. Sie werden in einem ‚Ideenspeicher‘ ohne Rück-sicht auf ihre praktische Realisierbarkeit gesammelt. In einem zweitenSchritt (der bisweilen auch erst in der Realisierungsphase begonnenwird) müssen diese Ideen ‚transformiert‘, d.h. auf einen realisierbarenKern zurückgeführt werden.Nach Robert Jungk wird in dieser Phase die soziale Phantasie der Be-teiligten entfaltet. Etwas pragmatischer ausgedrückt, geht es darum, dieProblemlösung zu verfremden und in ‚verkehrten‘, ‚untypischen‘, nichtstreng rationalen bzw. rein textlichen Darstellungsformen wie Malen,Rollenspiel, Sketch, Reportage auszudrücken. Das hat kreativitätswek-kende Wirkung, weil von Alltags- und Berufszwängen befreit Aus-drucksformen entstehen können, die Dinge zutage bringen, die bei ei-nem unmittelbar ‚rationalen‘ Zugang u.U. nicht gesehen worden wä-ren.

4. In der Realisierungsphase werden die entstandenen Ideen auf ihreTauglichkeit zur Umsetzung geprüft und bewertet. Ist ein Lösungsweggefunden, so wird am Schluß schriftlich fixiert, wer wann was wie womacht (Aktionsplan). Dieses Pflichtenheft ist das Logbuch für die fol-gende permanente Werkstatt (5. Phase) – die Realisierung der Lösungs-konzepte (vgl. Abb. 1)

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Im Extremfall kann jede Phase in ca. einer Stunde ‚durchgezogen‘ wer-den (Kurzwerkstatt). Am häufigsten verbreitet ist wohl die „Wochenend-werkstatt“ mit halbtägigen Phasen, nur selten wird eine Werkstatt wäh-rend einer ganzen 5-Tage-Woche (z.B. im Bildungsurlaub) durchgeführt.

In der Anlage und im Detail können sich heute durchgeführte Zukunfts-werkstätten, die sich alle auf die Begründer berufen, durchaus erheblichvoneinander unterscheiden.

Es gibt z.B. die „Methodenwerkstatt“. Hierbei geht es dem Veranstalternicht um die Lösung eines komplexen Problemfalles, sondern er möchtedie Methode als solche vorstellen oder in seinem Seminarablauf einenstimulierenden Methodenwechsel haben. Die Moderatoren von Zukunfts-werkstätten sind über Aufträge wie „Können Sie bei uns moderieren, wir

Phasen der ZukunftswerkstattVorphase: Vorbereitung auf die Methode, Inhalte

➔ Kritikphase:- Generalkritik- Clustern, Bewerten- Vertiefung- evtl. Ursachen angehen

➔ Phantasiephase:Übergang (Musik, Spazierengehen, Phantasiereise)I. kreativer Teil: Brainwriting, Rollenspiel, Sketche, Malen, ...II. Übergang: Interpretation der Ideen und kreativen Bilder

bzgl. ihres Realitäts-/Verwertungsgehaltes

➔ Realisierungsphase:a) Findung/Formulierung von Konzepten, Lösungsstrategienb) Bewertung/Prüfung dieser Strategienc) Festlegung praktischer Schritte/Perspektiven

Permanente Werkstatt: Implementation der Schritte

Abb. 1: Schema der (Haupt-)Phasen einer Zukunftswerkstatt

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möchten mal eine Zukunftswerkstatt durchführen?“ nicht sehr glücklich,weil sie ihr Instrument immer noch als einen handlungsorientierten, pro-zeßbegleitenden Ansatz verstehen und nicht als ein Simulationsspiel.

Der klassische Fall, daß eine Bürgerinitiative eine Zukunftswerkstatt ver-anstaltet, um so ihre Aktion für ein besseres Umfeld voranzubringen, istin den 80er Jahren aufgrund der Schwäche der Initiativbewegungen kaumerfolgt. Der häufigste Anwendungstypus fand in Bildungseinrichtungenstatt, mit mehr bildungs- oder organisationspolitisch orientierter Thema-tik. Aus dem handlungspolitischen Instrument wurde damit ein Lösungs-konzept, das sich auch für mehr theoretische oder prozeßorientierte Fra-gen eignete. Eine Werkstatt mit dem Titel „Zukunft der Umweltbildung“,die mit Studenten durchgeführt wird, hat mehr die Funktion, die Teilneh-menden aus ihrem Bildungsalltag zu reißen und sie eigenständig für Pla-nungskonzepte für die Zukunft zu sensibilisieren, als ihnen damit bereitskonkrete, bessere Handlungsperspektiven in die Hand zu geben. Teilbe-reiche der Organisationsentwicklung, wie die Frage nach der zukünfti-gen Organisationsstruktur oder nach einer neuen Corporate Identity, las-sen sich durchaus erfolgreich mit einer Zukunftswerkstatt bearbeiten, so-lange gewisse Voraussetzungen zwischen den Teilnehmenden und denAuftraggebern vorab geklärt sind. Neuerdings wird die Zukunftswerkstattim Rahmen der Lokalen Agenda 21 wieder verstärkt im Sinne ihrer ur-sprünglichen Bedeutung als ein „Bürgerinitiativinstrument“ eingesetztbzw. diskutiert.

Methodisch lassen sich Zukunftswerkstätten grob danach typologisieren,welchen Raum die kreativitätsfördernden Techniken einnehmen bzw. wiestark der oder die ModeratorIn auf nichtrationale Gestaltungselementesetzt. Pointiert formuliert, kann man mehr „bauch-“ und mehr „kopf”-la-stige Werkstätten unterscheiden.

Eine weitere mit der Methodik verbundene offene Frage stellt die explizi-te Berücksichtigung gruppendynamischer bzw. psychosozialer Kompo-nenten dar. Während Norbert Müllert das aus der TZI stammende Postu-lat „Störungen haben Vorrang“ für eine Zukunftswerkstatt ausschließt, gibtes VertreterInnen, die bevorzugt mit Mitteln des Psychodramas Zwischen-schritte und Ergebnisfindungen in einer Zukunftswerkstatt betreiben. Ge-nerell ist das methodische Spektrum in einer Werkstatt stark vom metho-dischen Hintergrund der ModeratorInnen geprägt.

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Schließlich kann man auch den Ansatz von Utopiefindung in der Phan-tasiephase weniger im Sinne Jungks als kreative Evokation von sozialerPhantasie, sondern mehr pragmatisch als Lösungsfindung unter Ausnut-zung von Kreativitätstechniken interpretieren, was unter anderem dazuführt, daß in ‚normalen‘ Moderationen der Baustein einer Phantasiepha-se eingefügt wird, um treffsicherer und mit mehr Motivation seitens derTeilnehmenden zu originellen Lösungen zu kommen.

3. Stärken des Zukunftswerkstatt-Konzeptes

Zwischen vielem aus der 68er Zeit, was uns heute bereits als angestaubtbzw. überholt erscheint, glänzt die Zukunftswerkstatt immer noch alszeitgemäß hervor. Ihre ‚Philosophie‘, Prozeßbeteiligte ernstzunehmen, sienicht mit Vorgaben einzuschränken, sondern ihnen strukturierte Freiräu-me zu gewähren, in denen sie sich ungehindert entfalten können, ist mehrund mehr in den Managementtheorien aufgegriffen worden. ZentraleEntwicklungsvorgaben und lineare Kommandostrukturen erwiesen sichnicht nur in der staatlichen Bürokratie der 60er und 70er Jahre als depla-ziert, sie funktionieren auch nicht in den großen marktbeherrschendenUnternehmen. Techniken, die das lokale Erfahrungswissen der Beteilig-ten produktiv werden lassen – und genau das tut eine Zukunftswerkstatt–, sind heute mehr denn je gefragt.

Im Bildungssektor stellen Methoden des selbständigen Arbeitens in Grup-pen, in denen die Teilnehmenden selbst bestimmen, was sie weiter ver-tiefen wollen, wo sie die Probleme sehen und welche Lösungen sie fürgeeignet halten, immer noch beste Reformpädagogik dar, die leider in derPraxis häufig nicht erreicht wird. Die Attraktivität von Zukunftswerkstät-ten im Bildungsbereich beruht darauf, daß von ihnen auch heute nochprogressive methodische Impulse ausgehen, die in der herrschenden Pra-xis innovativ wirken können.

Selbst wenn eine Gruppe eine Problemlösung erarbeitet, die ebenso ineinem Buch nachzulesen wäre, so bewirkt der Prozeß des Selber-Erarbei-tens eine ganz andere Identifikation mit den Inhalten und ihrer späterenUmsetzung in die Praxis. Damit fördert die Methode Akzeptanzen undMotivationen bei Prozeßveränderungen.

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Zukunftswerkstätten leben vom sozialen Lernen, das neuerdings von denKonstruktivisten in den Erziehungswissenschaften so gepriesen wird. D.h.,die Kommunikationsform bzw. das Miteinander-Ringen um neue Lösun-gen, das Darstellen in verschiedenen Zeichenformen (Rollenspiele, Bil-der etc.) helfen den einzelnen bei ihrer individuellen Rekonstruktion derWirklichkeit.

4. Probleme, Schwierigkeiten im Konzept der Zukunfts-werkstatt

Unabhängig von den voranstehend skizzierten Vorzügen gibt es natürlichauch Hürden und Schwachstellen im Konzept, über die in den einschlä-gigen Lehrbüchern wenig geschrieben wird. Im folgenden werden me-thodische Schwierigkeiten erwähnt, die bei professioneller Moderationund unter der Voraussetzung eines angemessenen Themas durchaus zubewältigen sind. Hingewiesen wird aber auch noch einmal auf die ver-änderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die in Teilen eine neueReflexion des Ansatzes erzwingen.

4.1 Konsistenz der Phasen, innere Dramaturgie

Kritik-, Phantasie- und Realisierungsphase sind drei methodisch-konzep-tionell sehr unterschiedliche Bausteine mit je offenen Entwicklungen. ImIdealfall muß sich ein konsistenter Strang der thematischen Entwicklungzwischen den Phasen ergeben. D.h., eine perfekte Werkstatt muß im Zeit-rahmen in der Kritikphase bewältigbare, von der Gruppe akzeptierte Kern-fragen destilliert haben, für die im Einstieg in die Phantasiephase geeig-nete Fragen zu formulieren sind, die zu produktiven utopischen Darstel-lungen mittels geeigneter kreativer Techniken führen. Aus diesen Darstel-lungen müssen alle spannenden Ideen gefiltert und zu brauchbaren Ide-en transformiert werden. In der Realisierungsphase müssen die Teilneh-menden genügend Kompetenz und ‚ideologischen Abstand‘ bewahren,um unter den gefundenen Strategien die tauglichsten bzw. die „best of“auszuwählen. Im Aktionsplan müssen die Akteure gefunden werden, diefür die Durchführung der beauftragten Fragestellungen die geeignetensind. Das ist ein äußerst anspruchsvolles Programm in Anbetracht nureines Moderators und eines kurzen Zeitbudgets.

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Unterstellen wir eine gute Ideenproduktion in der Phantasiephase, dannfragt sich, nach welchen Kriterien diese Ideen sortiert werden sollen.Denkt man beim Bewerten schon an die Realisierbarkeit, bremst man diesoziale Phantasie bzw. den Kreativitätsstrom zu früh; bewertet man nachAbstrusität, bürdet man der Transformation zur Realität vielleicht zu vielauf. Der/die ModeratorIn steht unter dem Druck, die ‚fruchtbarsten‘ Ide-en herausstellen zu müssen, ohne das selbst im voraus wissen zu kön-nen. Ungeklärt ist die Frage, wer eigentlich die Ideen selektiert. Die Teil-nehmenden sind im phantastischen Spiel die unbeschwerten Ideenpro-duzenten, sie können nicht gleichzeitig auf deren produktiven Gehaltachten. Also müssen andere Teilnehmende (bei Gruppenarbeit), in jedemFall aber der Moderator als neutraler Begleiter die Selektion vornehmen.Die Gefahr, daß die Ideen herausgefiltert werden, die den Anwesendenvertraut und politisch erwünscht sind, ist groß. Damit verschenkt dieGruppe aber die Chance, auf wirklich Neues, Innovatives zu stoßen.

Unabhängig davon, ob in der Realisierungsphase sehr gute Ideen mitHinblick auf ihren Realisierungs- und Innovationsgrad angekommen sind,entsteht häufig das unter ModeratorInnen bekannte Problem, daß nunplötzlich bei der Realbewertung die schöne, auch gruppendynamischangenehme Zeit vorbei ist und der harte Wind der Realitätsprüfung zuspüren ist. Während in der Phantasiephase Sachzwänge ignoriert werdenkonnten, dürfen jetzt die Teilnehmenden unter bewußter Beachtung derSachzwänge nicht wieder in die hemmende Einschätzung des „es gehtsowieso nichts“ zurückfallen. Die „Realitätsfalle“ darf den Ideenstromnicht blockieren, denn gerade bei der Beurteilung, ob eine Maßnahmeunter den herrschenden politischen Verhältnissen machbar ist, ist wieder-um auch Phantasie gefragt. Eine kleinkarierte, buchhalterische Punktever-gabe zur Beurteilung guter Ideen aus der Phantasiephase wird mit Sicher-heit zu deren Ablehnung führen. Wir haben heute – und hier berührenwir prinzipielle Unterschiede gegenüber der Gründerzeit der Zukunfts-werkstatt – mit Sicherheit eine Problemverschiebung. Es besteht heuteweniger ein Mangel an Strategien für eine bessere Zukunft als vielmehrein Mangel an Ideen, wie man diese Strategien umsetzt. D.h., die Reali-sierungsphase, die von den Gründern mehr einen technischen Selektions-und Durchführungscharakter zugewiesen bekommen hatte, muß das ei-gentlich schwierige Problem der Umsetzung von Strategien lösen. In derPlanung einer Werkstatt sollte darum für diese Phase genügend Zeit vor-gesehen werden.

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Ein weiteres Problem der Realisierungsphase besteht darin, daß für dieBeurteilung der Machbarkeit vorgeschlagener Strategien häufig Experten-wissen notwendig ist, das bei den Teilnehmenden unter Umständen nichtvorliegt. Reinhard Sellnow schlägt als Kriterienkatalog zur Bewertung vonIdeen die Sparten „positiv“, „negativ“ und „interessant“ vor, wobei unterder letzten Sparte auch die offenen Fragen zu notieren sind. Wie soll manaber in der Gruppe zu einem arbeitsfähigen Entschluß kommen, wennwesentliche Beurteilungsfragen als noch offen angesehen werden müs-sen?

Die „Konsistenzfrage“ einer Moderation könnte am Ende selbstkritischlauten: „Wäre man auch ohne die beiden Phasen zuvor zu den Ergebnis-sen gekommen?“ Oder: „Hätte man sich eine Phase schenken können?“Oder: „Hat man nicht viel zu viel Zeit auf eine Phase verwendet?”

4.2 Die Kritikphase – immer der geeignete Einstieg?

Sich einem Problem über Kritik zu nähern, ist zweifellos auch ein Erbedes 68er Zeitgeistes. Herrschende Verhältnisse mußten durch Kritik ent-larvt, der „Verschleierung“ der wahren Verhältnisse mußte durch Kritikentgegengearbeitet werden. Nach der Hegelschen Dialektik führt dieNegation der Negation zu einer neuen Erkenntnisdimension. Dies solltez.B. mit dem Umdrehen der Kritikargumente als Startpunkte für die Uto-piephase erreicht werden.

Lernpsychologisch betrachtet, kann das Kritisieren bzw. das Versinken inSchwierigkeiten sehr leicht demotivierend wirken. Zum Beispiel wirdüber Umweltrisiken ohnehin gerne in katastrophischen Metaphern be-richtet. Wenn eine Gruppe alles zusammenträgt, was sie an Umweltun-bill täglich erfährt, dann kann sie geradezu verzweifeln angesichts derdabei entstehenden Negativkataloge. Warum sollte jemand, der eine bes-sere Welt entwerfen will, nicht besser mit dem Sammeln gelungener Bei-spiele beginnen? (Diesen Rat gibt der/die ModeratorIn übrigens gerne denTeilnehmenden in der Phantasiephase, wenn der Ideenstrom stockt – dasist eigentlich zu spät.)

Die Kritikphase hat – nüchtern betrachtet – die Aufgabe, die Gruppe mitdem Problemstand detailliert vertraut zu machen; das sollte dem Sach-

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verhalt angemessen und muß nicht immer mit Kritik verbunden sein.Methodisch ist dabei das „Trichterprinzip“ zu beachten, d.h., von einemmöglichst breiten Einstieg muß die arbeitende Gruppe zum Wesentlichenfinden. Die Verschärfung auf das Kritisierenswerteste kann leicht aberauch den Blick dafür verstellen, daß Lösungen vielleicht auch aus einerganz anderen Ebene zu erwarten sind. Wie gelangt man zu dieser, wenndie konzentrierte Kritik den Startpunkt für die Phantasiephase definiert?Geht man den Einstieg in eine Werkstatt mehr bilanzierend an (z.B. mitder Frage: Was gefällt uns, was gefällt uns nicht?), dann befinden sich dieTeilnehmenden bereits am Start in der Sammlung von positiven Argumen-ten und Ideen auch ohne negative Dialektik. Der Autor plädiert aus sei-nen Erfahrungen im Umweltbereich dafür, die „Kritikphase“ besser alseine „Problemerfassungsphase“ zu definieren.

4.3 Die Wirkung von Kreativitätstechniken – verordnete Utopie?

Ob am Samstagmorgen um 9.30 Uhr eine Teilnehmergruppe auf Kom-mando (bzw. nach methodischen Hinführungstricks) wie geplant in ei-nen besonderen Zustand versetzt werden kann, in dem die Ideen nur sosprudeln, ist überaus fraglich. Was einem Erfinder bzw. einem kreativenMenschen in bestimmten, sich meist zwanglos und zufällig ergebendenentspannten, auf die Person zugeschnittenen Situationen gelingt, dasmöchten Kreativitätstechniken durch stimulierende Rahmenbedingungenfür jede/n TeilnehmerIn geplant realisieren.

Nüchterne Teilnehmer von Werkstätten, die Kreativitätstechniken skep-tisch gegenüberstehen, lassen sich gut mit folgendem Argument gewinnen:Man stelle sich einen Programmierer vor, der in einem schwierigen Pro-gramm einen Fehler entdeckt, dessen Ursache er bei rationaler Prüfungaller Schritte absolut nicht finden kann. Aber als er abends entspannt in derBadewanne liegt und überhaupt nicht aktiv an seine Arbeit denkt, fällt ihmplötzlich intuitiv ein, wo die Ursache seines Programmierproblems liegenkönnte. D.h., völlige Entfernung von seinem Arbeitsplatz und eine völligandere Methodik verhelfen ihm zu kreativen Einsichten. Ein wesentlichesMoment seiner Eingebung besteht sicher gerade darin, daß er sich nichtvorgenommen hat, eine Programmlösung zu finden, sondern daß diesganz unvermutet erfolgte. Diesen „Badewanneneffekt“ möchte die Phan-tasiephase einer Werkstatt auf dem Verordnungswege erreichen.

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Man darf wahrscheinlich froh sein, wenn es gelingt, einer Gruppe bzw.ihren einzelnen Mitgliedern Verklemmungen und Blockaden zu nehmen,so daß sie in eine ungehinderte, normale Gruppenproduktivität geraten.Der Zeitdruck (z.B. beim Brainwriting) und der Perspektivwechsel beiRollenspielen, beim Malen etc. sorgen zumindest dafür, daß viele Ideenentstehen, so daß die Gruppe mehr zustande bringen kann, als wenn sieeinfach miteinander debattieren würde. Eine wissenschaftliche Überprü-fung, ob eine Problemlösungstechnik mit Kreativeinlage weiterkommt alseine normal moderierte Problemlösungssuche, ist dem Autor nicht be-kannt. Auch ist in Erfahrungsberichten zu Zukunftswerkstätten über dieEffizienz der Phantasiephase wenig nachzulesen. Daß diese Phase allge-mein als unumstößlicher Bestandteil empfunden wird, hängt mit demParadigma einer an einer utopischen Vision ausgerichteten Zukunftsge-staltung zusammen. Nicht zuletzt sprechen aber auch der starke Metho-denwechsel, der Spaß und das Spielerische für die allgemeine Akzeptanzdieser Phase, mit der frischer Wind in eine ansonsten meist trockene Se-minarpraxis gebracht wird.

4.4 Der Faktor Zeit – gleiches Maß für ungleiche Prozesse

Kommunizieren, verstehen, zustimmen, akzeptieren etc. sind kognitiveLeistungen, die ein eigenes Zeitbudget haben. Für eine Kommunikationüber bestimmte praktische oder theoretische Fragen haben wir aus Un-terrichtsstunden, Seminaren, Vorträgen etc. eine gewisse kulturelle Übungerworben, so daß es ein gewisses „Seminarmaß“ gibt, nach dem die Prä-sentation und Diskussion neuer Themen gewinnbringend in mehrerenStunden abgehandelt werden kann. Das heißt, ein halber Vormittag füreine Kritikphase, die alle auf einen gewissen Problemstand bringen sollund die wesentlichen Fragen thematisiert, scheint ein durchaus angemes-sener Zeitraum zu sein.

Für kreatives Arbeiten sind, wie voranstehend angedeutet, eine entspann-te Atmosphäre und ungewöhnliche Darstellungsformen hilfreich. Bezüg-lich der Zeit gibt es die Erfahrung, daß wichtige Dinge, bei denen auchgute Einfälle produziert werden, meist in relativ kurzer Zeit erfolgen kön-nen. D.h., viel Zeit muß keineswegs viel Kreativität zur Folge haben.Norbert Müllert äußerte sich einmal gegen lange Zukunftswerkstätten, wiesie z.B. in Bildungsurlauben (5 Tage) praktiziert wurden, da sie keine bes-

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seren Resultate bringen als Wochenendwerkstätten. D.h., auch eine Phan-tasiephase mag z.B. mit einem halben Tag auskommen, wobei es sehrdarauf ankommt, welche Methoden Anwendung finden sollen. Wer mitder Technik „Brainwriting“ arbeitet (vgl. Wack u.a. 1993, S. 33) kann so-gar in sehr kurzer Zeit sehr viele Ideen generieren, wer künstlerisch ge-staltend mit konstruktiven Elementen arbeitet, wird entsprechend dafürRaum einplanen müssen.

Ein wesentliches Zeitproblem stellt sich aber, wenn z.B. in der Realisie-rungsphase scheinbar rational, logisch selektiv zwischen verschiedenenStrategien, die später handlungsleitend sein werden, ausgewählt werdensoll. Solange man in Seminarmanier zwischen verschiedenen Optionenwertet (logisch-rationale Ebene), kann man dies in einem angemessenenZeitraum tun. Wenn man aber verantwortlich einer Option den Zuschlaggeben soll, dann ist der oder die einzelne damit um so eher überfordert,je innovativer, d.h. je ungewöhnlicher und der Alltagsroutine widerspre-chender diese Option ist. Bevor das Bewußtsein ganz neue Dinge auf-nehmen kann, die Risiken und unabsehbare Möglichkeiten enthalten,bedarf es einer inneren Auseinandersetzung damit, die Zeit, Abstand undmehrfache Erwägung aus unterschiedlichen Perspektiven braucht. Schoneine Nacht zwischen zwei beliebigen Phasen, die durch einen sehr lok-keren, gemeinsamen Abend eingeleitet wurde, kann die Dynamik einerGruppe und ihre Zielorientierung entscheidend verändern. Dinge zuüberschlafen, in Ruhe mit anderen zu bereden, beeinflußt Entscheidun-gen und Einstellungen. Der Anspruch, in der Realisierungsphase zukunfts-weisende Projekte festzuklopfen, ist reichlich überzogen und wird ver-haltenspsychologischen Erkenntnissen nicht gerecht.

4.5 Die Realisierung der Realisierung – wer hilft der Gruppe „da-nach”?

Lösungen bzw. Handlungsstrategien aus innovativen Zukunftswerkstättenweisen über normale bzw. herrschende Strategien hinaus, weshalb ihreDurchsetzung in der Regel mit mehr Widerstand zu rechnen hat. So sindsie schwieriger umzusetzen als „normale“ Lösungen, damit können dieeinzelnen im Aktionsplan festgelegten Akteure überfordert sein. Ohneweitere Prozeßbegleitung kann deshalb die Durchsetzung unkonventio-neller Strategien in der Realität leicht scheitern. Es kann an der Professio-

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nalität der Beauftragten mangeln oder an ihrer versiegenden Motivationliegen. Robert Jungk hat es als Idealfall angesehen, daß eine WerkstattAnlaß für die Gründung eines sozialen Projektes wird, in dem die Reali-sierungen weiterhin in gemeinsamer Arbeit angegangen werden können.Wenn das aber nicht der Fall ist, sollte unbedingt schon bei der Planungder Werkstatt eine Nachbetreuungsphase vorgesehen werden, die als Pro-zeßunterstützung für die Realisierung konzipiert ist.

4.6 Die Rolle des/der ModeratorIn

Die Vergabe der Moderation einer Zukunftswerkstatt an eine Person ist –abgesehen von der erwarteten Professionalität des Moderators – ganzwesentlich auch eine Frage des Vertrauens, das zwischen der Gruppe unddem Moderator aufgebaut werden soll. Im besten Falle sollte ein intensi-ves Vorgespräch erfolgen, in das nach Möglichkeit die Mehrzahl der po-tentiell Teilnehmenden eingebunden ist, damit die Gruppe entscheidenkann, ob sie willens ist, sich mit diesem Moderator in das Abenteuer ei-ner Zukunftswerkstatt zu stürzen. Und damit es sich nicht um ein Aben-teuer mit offenem Ausgang handelt, sollte auch vorher festgelegt werden,was das Moderationsziel ist und welche Konsequenzen nach erfolgterModeration gezogen werden sollen.

Nach der Lehrbuchdefinition soll ein Moderator ein neutraler Regelwäch-ter und Denkprozeßbegleiter sein. Aber selbst in „normalen“ Moderatio-nen üben Moderatoren unvermeidlich auch inhaltlich strukturierende unddamit ergebnisbeeinflussende Wirkungen aus (vgl. Apel 1988). Diese Si-tuation verschärft sich im Fall der Zukunftswerkstatt, die doch eine rechtrigide Rahmenstruktur vorgibt, in der ein Moderator wesentliche Naviga-tionsschritte zu initiieren hat.

Das Stimulieren, wenn der Kritikfluß, der Ideenfluß oder aber das Bewer-ten nicht vorankommen, stellt bereits eine Gratwanderung zwischenGedankenhilfe und Manipulation dar. Ist es das Ziel der Phasen, daß Teil-nehmende das entwickeln, was in ihrem Horizont liegt, oder sollen siedurch weitere Stimuli auf einen „höheren“ Stand gehoben werden, dender oder die ModeratorIn noch überblickt? Beim Sammeln in der Kritik-phase kann beispielsweise ein im Thema sehr versierter Moderator denEindruck haben, daß die Gruppe noch lange nicht alles notiert hat, was

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an Kritikpunkten denkbar ist. Soll er nun stark darauf drängen – möglichstnoch durch Hinweise auf bislang unerwähnte Bereiche –, daß die Samm-lung vollständig wird, oder hält er sich sehr zurück und beläßt die Grup-pe in ihrem Niveau der Problembearbeitung? Wenn sich die Moderationstark einbringt, kann ihr die Gruppe im nachhinein dankbar sein, wennUnerwartetes doch noch zutage kam – es kann aber auch möglich sein,daß damit Nennungen erfolgt sind, hinter denen die Teilnehmenden nichtstehen, die sie im weiteren Verlauf kaum verdichtend bearbeiten können.Die Moderation einer Werkstatt steht damit vor denselben Problemen, dieeine organisierte Betreuung von selbstgesteuerten Lerngruppen hat (vgl.Apel 1994).

Ein noch heikleres Problem stellen die Konzeption und die spezifischenFrageformulierungen der Übergänge dar. Der methodische Einstieg in diePhantasiephase hängt z.T. von den Räumlichkeiten, der Ausstattung undder Umgebung ab, er wird meist bei der Vorausplanung des Konzeptesfestgelegt. Wie flexibel sollte die Moderation sein, wenn sich herausstellt,daß die Ergebnisse der Kritikphase schlecht zu dem gewählten Einstiegpassen? Den aus der Kritikphase resultierenden Schritten für die Phanta-siephase kommt inhaltlich eine entscheidende Rolle zu. Ein „falsch“formulierter Utopieauftrag kann einen wichtigen Arbeitsstand der Kritik-phase verschütten, falsche Hinweise bei der Ideenauswahl in der Phan-tasiephase können kreative Einfälle vernichten etc. Das heißt, währendbei reinen Moderationen die Prozeßkontrolle ausreicht, kommt der For-mulierung der Arbeitsaufträge, der visuellen Strukturierung, den metho-dischen Arbeitsvorschlägen etc. eine sehr große inhaltliche Bedeutung fürdie Ergebnisfindung einer Werkstatt zu. Von der Moderation wird dabei,wie vorausgehend schon betont, eine sehr hohe methodische Kompetenzmit großer Sensibilität für die behandelte Thematik abverlangt. Anderer-seits hat die Moderation hier erhebliche Eingriffsmöglichkeiten, so daßdas Werkstattresultat nicht mehr allein ein Gruppenergebnis darstellt,sondern auch manipulativ (lehrerhaft) von der Moderation mit gestaltetsein kann.

Da eine Werkstatt das Spiel der rechten und linken Gehirnhälften durchrationale und intuitive Phasen zu nutzen sucht, muß auch die Moderati-on das Instrumentarium dieser unterschiedlichen Zugänge beherrschen.Da dies bei den wenigsten Personen der Fall ist, haben wir in der Realitätentweder „bauchlastige“ oder „kopflastige“ Werkstätten. Wenn sich ein

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methodisch gut eingespieltes Paar (am besten Mann und Frau) zur Mode-ration einfindet, kann es aufgrund der sich ergänzenden weiblichen bzw.männlichen Kommunikationsstile den Anforderungen noch am ehestengerecht werden.

4.7 Der Umgang mit Hierarchien und disparaten Zielvorstellungen

Die Teilnehmenden einer zu moderierenden Gruppe sind grundsätzlichals gleichberechtigt anzusehen. Das gilt selbstverständlich auch für dieTeilnehmenden von Zukunftswerkstätten. In einer Bürgerinitiative gibt esnatürlicherweise nach dem Sozialstatus, der Ausbildung, dem Geschlechtund dem Alter unterschiedliche TeilnehmerInnen, aber in ihrem Anlie-gen sind es Gleichgesinnte. Das ändert sich, wenn z.B. eine Zukunfts-werkstatt zur Organisationsentwicklung eines Betriebs durchgeführt wird.Die Vorstellung (der Zweck der Werkstatt), daß alle eine bessere Betriebs-struktur wünschen, ist eine schöne Fiktion, die zu allgemein ist, um nichtan bestehenden (und unveränderbaren) Personalstrukturen jederzeitscheitern zu können. Eine Werkstatt über die zukünftige Abteilungsstruk-tur in einem Betrieb kann von den Teilnehmenden als ein partizipativesInstrument der Mitbestimmung angesehen werden, während der Abtei-lungsleiter und Personaldirektor diese Werkstatt dazu nutzt, um heraus-zufinden, was die Leute denken, wie stark sie sich mit dem Unterneh-men identifizieren und wie sie sich persönlich einbringen. Im Sinne ei-nes „Qualitätszirkels“ kann sich die Leitung letztlich ein paar interessan-te Organisationsaspekte der Werkstatt zu eigen machen, ansonsten aberihre Abteilungsorganisationsplanung völlig abweichend von den Werk-stattergebnissen durchführen. In diesem Falle hat es keinen klaren Kon-trakt gegeben, was Zweck und Konsequenzen der Werkstatt sein sollen.Sie ist durch hierarchische Organisationsstrukturen u.U. gegen die Teil-nehmerinteressen instrumentalisiert worden.

Was geschieht, wenn Vorgesetzte und abhängig Beschäftigte zusammenin einer Werkstatt sitzen? Welche Dynamiken löst die Teilnahme eineshohen politischen Beamten oder eines Vertreters einer geldgebenden Stif-tung aus, zu denen Abhängigkeitsverhältnisse seitens der anderen Teil-nehmenden bestehen? Diese Fragen haben sich zur Entstehungszeit desKonzeptes noch nicht gestellt, und für den Umgang mit spezifischen Teil-gruppen gibt es bislang keine speziellen Methodenvorschläge. Kritisch ist

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dabei natürlich nicht das Abhängigkeitsverhältnis an sich, sondern diedamit möglicherweise verquickte Koppelung mit dem bearbeiteten The-menfeld. Für diese Fälle sollte ein klärendes Vorgespräch zwischen denbeteiligten Personen und der Moderation erfolgen, in dem die Rollen inder Werkstatt thematisiert werden.

Die klassische Thematik der 70er Jahre, für die die Werkstätten ersonnenwurden, bestand im Konflikt zwischen zwei Zielvorstellungen. Zum Bei-spiel wollte die Verwaltung eine Müllverbrennungsanlage vor Ort instal-lieren, und eine Initiative wehrte sich gegen diese Anlage. Sie plante ineiner Zukunftswerkstatt Alternativen gegen das staatliche Müllkonzept.

Die „Oppositionskultur“ dieser Zeit gibt es so nicht mehr. Gefragt sindstatt dessen „Allianz-Konzepte“, die aus unterschiedlichen Vorstellungenein Gemeinsames hervorbringen sollen, das mehr als der kleinste gemein-same Nenner aller Beteiligten ist. Kann eine „klassische“ Zukunftswerk-statt diese Aufgabe erfüllen? Im voranstehenden Konfrontationsmodelleint alle Teilnehmenden einer Werkstatt die gemeinsame Vorstellung vondem, was sie nicht wollen. Im Allianzmodell fehlt diese einende Kraft.Jeder gesellschaftspolitische Akteur zieht an seinem Strang, muß an sei-nen Vorteil denken und weiß noch nicht, wohin eine mögliche gemein-same Lösung ihn bringen wird. Ausgangsbedingungen sehr divergieren-der Rollenvorstellungen im gesellschaftpolitischen Konzert der Teilneh-menden widersprechen der Methodik einer Zukunftswerkstatt. Schon dieKritikphase setzt einen gemeinsam als schlecht/unbefriedigend empfun-denen Zustand voraus, gegen den aus unterschiedlicher Perspektive Ar-gumente gesammelt werden. Im Allianzmodell müßte von vielen Zustän-den ausgegangen werden, die jeweils akzeptiert oder aber abgelehntwerden. Anstelle der Frage „Was stört uns alle?“ müßte z.B. gefragt wer-den: „Wo könnten wir uns treffen?“ Auch die Phantasiephase setzt einehalbwegs homogene Grundvorstellung voraus, weil andernfalls die uto-pische Vision des einen als Horrorbild im Verständnis des anderen er-scheinen kann. Wenn damit die Grenzen der Zukunftswerkstatt als einModell zur Aushandlungslösung politisch widerstreitender Gruppen auf-gezeigt sind, soll das nicht heißen, daß eine Werkstatt für solche Prozes-se untauglich ist.

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5. Die Zukunftswerkstatt als Instrument bei Lokalen Agenda-21-Prozessen

Ködelpeter nennt vier Ziele, die für eine Zukunftswerkstatt im Agenda-21-Prozeß geeignet sein können (Ködelpeter 1998):– einen Einstieg in die Lokale Agenda zu schaffen– Leitbilder/Leitsätze für eine nachhaltige Entwicklung einer Gemeinde/

Region zu entwickeln– Lokale Agenda-Arbeitskreise zu konkreten Projekten zu führen– eine arbeitsfähige und kreative lokale/regionale Agenda-Gruppe zu

bilden.

Um nicht in die oben angedeuteten Schwierigkeiten zu geraten, ist demnur mit Einschränkung zuzustimmen. In einer größeren Gemeinde mitentweder unübersichtlichen politischen Strukturen oder aber mit deutlicheinseitigen politischen Ausrichtungen in vielen Gremien sollte ein Ein-stieg in die Lokale Agenda gewiß nicht mit einer Zukunftswerkstatt ver-sucht werden. Die Ursache liegt darin,– daß die notwendigen Abstimmungsmechanismen als Basis einer brei-

teren Akzeptanz in solchen Situationen meist nicht gegeben sind– daß mehrstufige Etappen auf unterschiedlichen Ebenen beschritten

werden müssen.

Eine Werkstatt würde sich wahrscheinlich in der Kritikphase an unver-söhnlichen Widersprüchen aufreiben, Veranstalter müßten dann zurKenntnis nehmen, daß es für das Ersinnen von Visionen und gar für ihreRealisierungsmöglichkeiten politisch noch viel zu früh ist.

Denkbar ist allerdings, daß eine Gruppe handlungswilliger Akteure, diegemeinsam in ihrer Kommune einen Agendaprozeß initiieren wollen,beschließt, eine Werkstatt zur Ideefindung zu machen.

Auch die pauschale Zielsetzung, mit einer Zukunftswerkstatt Leitbildergenerieren zu wollen, unterschätzt den langwierigen Kommunikations-prozeß, der notwendig ist, um in den Wertebildern politischer Kontrahen-ten Bedingungen für neue Koalitionen und veränderte Einstellungen zuschaffen. Eine wesentliche Voraussetzung für eine Leitbildfindung mittelseiner Werkstatt wäre, daß ein entsprechendes Forum oder ein Arbeitskreisbereits einen Konsens über eine einzuschlagende Richtung gefunden hat,

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so daß es wesentlich darum geht, in dieser Richtung besonders innovati-ve bzw. zukunftsweisende Ideen, Strategien und Projekte zu finden.

Auch die letzten beiden Ziele, wobei die Zukunftswerkstatt sich dembegrenzteren Themenfeld eines Arbeitskreises bzw. seiner Gründung wid-men soll, sind sicher nur dann zu erreichen, wenn die Teilnehmendenmit gewissen homogenen Voraussetzungen antreten. Trotz der geäußer-ten Bedenken ist Ködelpeters Beitrag zum Thema durchaus lesenswert.Seine angeführten Beispiele funktionieren, weil es sich dabei in der Re-gel um überschaubare, kleinere Gemeinden handelt bzw. um jeweiligeAkteursgruppen, die sich als eine Gesinnungsgemeinschaft fühlen konn-ten.

Es kann hier kein alternativer Katalog für Anwendungsfelder von Zukunfts-werkstätten vorgelegt werden. Es erscheint uns allerdings ratsam, die Vor-stellung aufzugeben, eine Zukunftswerkstatt sei das Instrument per se beieiner Suche nach Visionen für die Zukunft. In einem Lokalen Agenda-21-Prozeß muß ein sehr dornenreicher, strategisch verschlungener Weg be-schritten werden, der viele Ebenen hat, die jeweils in eigenen Prozeß-schritten zu durchlaufen sind, die auf den lokalpolitischen Zustand einerGemeinde abgestimmt sein müssen. Dabei kann eine Zukunftswerkstattein wichtiger Schlüssel in einem Prozeßschritt sein, wenn es darum geht,für eine gefundene Balance Identifikationen herzustellen, die Kommuni-kation zu verbessern oder einer produktiven Ideenfindung Unterstützungangedeihen zu lassen.

Wenn eine Zukunftswerkstatt nicht mehr die alleinige Methode zur Lö-sung eines Problems ist, dann verändert sich auch in der Realisierungs-phase der Stellenwert des alles entscheidenden Aktionsplans, bei dem diezukünftigen Schritte festgeschrieben werden. Sowohl die Planenden (ins-besondere der Auftraggeber) als auch die Teilnehmenden müssen im vor-aus sehr deutlich festlegen, was man von der Werkstatt erwartet bzw.welchen Verbindlichkeitsgrad welche Ergebnisse haben sollen. Zum Bei-spiel ist es durchaus möglich, eine Werkstatt in der Gründungsphase ei-nes Arbeitskreises zu einem lokalpolitischen Thema sehr ergebnisoffeneinzusetzen, um die Teilnehmenden aufeinander einzustimmen (eineIdentifikation mit dem Kreis und seinem Thema zu erreichen) und ihnenin angenehmer Weise bei der Themen- oder Projektfindung behilflich zusein. Es wäre klarzumachen, daß die Themengenerierung nichts Verpflich-

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tendes hat (um nicht gleich zu Beginn Blockaden zu provozieren), son-dern daß das Finden (in der Phantasiephase) und das Diskutieren (in derRealisierungsphase) mehr ein Testfeld ist, bei dem alle Beteiligten bereitsdie gegenseitigen Kooperationsfähigkeiten und Schmerzgrenzen in einerproduktiven Atmosphäre austesten können. Das wirkliche Aushandeln dergefundenen Ergebnisse würde damit aus der Werkstatt herausgenommenund einem längerfristigen Prozeß verschiedenster Verhandlungsformenausgesetzt werden.

Umgekehrt kann aber auch eine Werkstatt sehr ergebnisorientiert definiertwerden, indem alle Beteiligten in einem Vorvertrag festlegen, daß diegefundenen Ergebnisse (konsensual oder mehrheitlich entstanden) in ei-ner bestimmten Form in die politische Administration Eingang zu findenhaben. Hier fällt dem Moderator einer Werkstatt die wichtige Aufgabe zu,den gesamten Konsultationsprozeß zu überschauen und in diesen dieWerkstatt als eine Teilstück sinnvoll und produktiv zu integrieren. Das istunter Umständen eine schwierige Aufgabe, weil man im voraus nichtweiß, was sich thematisch und dynamisch in der Werkstatt entwickelnkann.

Es muß auch nicht immer eine ganze Zukunftswerkstatt sein, die als Pro-zeßbaustein Eingang findet. Im Spiel divergierender Vorstellungen, dienicht aus einer Phantasiephase stammen, sondern die aus den Ideentanksder anwesenden Ideologieträger kommen, können jedoch Elemente ei-ner Realisierungsphase sehr fruchtbar sein, indem die vorgeschlagenenIdeen einer gemeinsamen nüchternen Überprüfung ihrer Realisierbarkeitunterzogen werden. Das heißt, ein prozeßbegleitender Moderator greiftsich in diesem Falle die „Realisierungsphase“ heraus, die er in seineModeration als methodischen Teilschritt einbringt.

Anmerkung

1 Heute werden meistens Kärtchen verwendet (Kärtchentechnik), was allerdings nicht die-selbe Nähe schafft wie die gemeinsame Arbeit an einem großen Papier.

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Beate Günther

Mediation in öko-sozialen Gestaltungsprozessen

1. Rahmenbedingungen und Prozeßgestaltung von Umwelt-mediationsverfahren

1.1 Informationen zur (Umwelt-)Mediation

1.1.1 Was ist Mediation?

Mediation ist in den letzten Jahren einerseits zu einem Schlagwort gewor-den, andererseits ist aber oft noch wenig bekannt, was ein Mediations-verfahren tatsächlich ausmacht und von anderen Formen der Konfliktmitt-lung oder Bürgerbeteiligung unterscheidet. Die Erfahrung zeigt, daß nichtalles, was an Runden Tischen oder in anderen Gremien verhandelt wird,einem Mediationsverfahren entspricht. Daher werden zunächst der An-spruch und die Besonderheiten der Methode, ihre Entwicklung sowie diebisherigen Einsatzbereiche vorgestellt. Für eine vertiefende Darstellungwird auf Erfahrungen aus dem Bereich der Umweltmediation zurückge-griffen. Die Darstellung beruht im wesentlichen auf den Praxiserfahrun-gen der Autorin, ergänzt um ausgewählte Beiträge aus Falldokumentatio-nen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema. Dabei kannes nicht um eine auch nur annähernd erschöpfende Darlegung des aktu-ellen Diskussionsstandes über die Implementierung von (Umwelt-)Media-tion gehen, auch würde eine in sich abgeschlossene methodische Anlei-tung den Rahmen sprengen. Es soll jedoch versucht werden, wesentlicheAspekte darzustellen und zur vertiefenden Auseinandersetzung mit Me-diation anzuregen.

Mediation („Vermittlung“) in der nachfolgend vorgestellten Form ist einin den USA entwickeltes Modell zum Interessenausgleich und zur Kon-fliktlösung durch Verhandeln unter Einschaltung eines neutralen Dritten.Tradierte Formen der Konfliktbewältigung aus verschiedenen ethnischenund religiösen Gruppen wurden mehr oder weniger bewußt integriert.Mediationsverfahren sind Beispiele für Strategien alternativer Konfliktlö-sungen (USA: Alternative Dispute Resolution, ADR). „Alternativ“ bedeu-

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tet in diesem Zusammenhang, daß sie als nicht durch Verfahrensgesetzeformalisierte, vor- bzw. außergerichtliche Möglichkeit der Streitbeilegungeingesetzt werden. Inzwischen werden Mediationsverfahren in vielenLändern der Erde für sehr unterschiedliche Aufgaben eingesetzt und müs-sen dabei die jeweiligen Konfliktkulturen berücksichtigen.

Diese bewährte Definition eines Mediationsverfahrens kann je nach An-wendungsfeld und Ansprüchen an die Ausgestaltung von Mediationspro-zessen um weitere spezifische Merkmale erweitert oder abgewandeltwerden (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung 19961 ). Essentiell ist in jedem Fall derEinsatz eines neutralen Kofliktmittlers, der keinen Vorteil von irgendei-ner Option des möglichen Verfahrensausgangs hat. Er oder sie soll all-parteilich sein, so daß keine der beteiligten Parteien übervorteilt wird. Obund in welchem Umfang ein Mediator inhaltliche Vorgaben für die Ent-wicklung des Mediationsverfahrens oder auch Lösungsvorschläge fürKonflikte einbringt, wird in der wissenschaftlichen Literatur unterschied-lich gesehen und hängt in der Praxis sehr von den konkreten Aufgabenund der Persönlichkeit des Mediators/der Mediatorin ab. Die Teilnahmean einem Mediationsverfahren ist für alle Beteiligten freiwillig. Es soll einfairer Umgang miteinander in dem Mediationsprozeß sichergestellt wer-

Ein Mediationsverfahren ist ein• freiwilliger,• informeller,• kooperations- und konsensorientierterPlanungs- und Verhandlungsprozeß zur Entwicklung• sachgerechter,• weitgehend gemeinsam getragenerProblemlösungen unter Einbezug eines neutralen, allparteilichenKonfliktmittlers (Mediators).Leitziel ist die Sorge für ein faires Gesprächsklima, das gekennzeich-net ist durch• einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen• das Einbringen von Interessen und Vorschlägen in den Problem-

lösungsprozeß• das gemeinsame Entwickeln neuer Lösungen.

© Beate Günther

Abb. 1: Wesentliche Merkmale eines Mediationsverfahrens

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den. Im Hinblick auf Verfahrensfragen sowie bezüglich der Sachlösun-gen wird ein weitestmöglicher Konsens angestrebt. Die Verhandlungser-gebnisse werden z.B. als gemeinsam getragener Arbeitsbericht oder alsVereinbarung zwischen allen Beteiligten festgehalten, so daß die auf die-ser Basis getroffenen Entscheidungen überprüfbar bleiben.

Bereits diese kurze Beschreibung läßt erkennen, daß Mediationsverfah-ren nicht nur verkürzt unter dem Aspekt einer ergebnisorientierten Kon-fliktlösung betrachtet werden dürfen. Es geht vielmehr auch darum, un-ter welchen Rahmenbedingungen Konsense oder Kompromisse erreichtwerden. Als kommunikative Voraussetzungen lassen sich z.B. Anforde-rungen und Kriterien für einen fairen Diskurs formulieren.2 So soll dieBeteiligung möglichst aller betroffenen Parteien sichergestellt sein. Diesehaben gleiche Rechte und Pflichten, sollen ihre jeweiligen kritischenAnmerkungen und Interessen gleichberechtigt artikulieren und einbrin-gen können. Als eine wesentliche Voraussetzung hierfür werden der füralle Beteiligten gewährleistete Zugang zu Informationen, der Informati-onsaustausch und das wechselseitige, aktive Zur-Kenntnis-Nehmen derunterschiedlichen Argumente angestrebt. Auf strategische Aussagen, diedazu dienen, die Gesprächspartner bewußt zu täuschen, soll im Rahmender Mediation verzichtet werden. Auf der fachlich-inhaltlichen Ebene isteine kompetente Problemerfassung und -strukturierung eine notwendigeVoraussetzung für einen solchen Diskurs.

Aus dem Dargelegten geht auch hervor, daß Mediationsverfahren einempartizipatorischen und emanzipatorischen Anspruch verpflichtet sind.Den Beteiligten eines Interessenkonfliktes oder den von Planungen Be-troffenen sollen mit Unterstützung des Mediators Bedingungen gebotenwerden, unter denen sie selbst maßgeblich an der Verständigung darüber,welcher Art die Aufgaben, Probleme und Konflikte „eigentlich“ sind, so-wie an der Entwicklung von Lösungen mitwirken können.

Die innerhalb der Mediation erarbeiteten Vorschläge haben i.d.R. denStatus von Empfehlungen an Entscheidungsträger, seien es Behörden,politische Gremien oder Gerichte, die vor Beginn eines Mediationsver-fahrens ihre Bereitschaft erklären sollten, diese in ihre Entscheidung so-weit wie sachlich möglich und gesetzlich zulässig einzubeziehen. Me-diation unterstützt daher das Sich-Einmischen und das Mitgestalten derBelange, die nicht nur ExpertInnen, Fachbehörden und Planer angehen,

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sondern auch betroffene BürgerInnen und Interessenverbände. Diese brin-gen durch ihre VertreterInnen oder auch durch sachkundige Einzelperso-nen ihre Interessen in die Mediationsverfahren ein.3 Dies sind die An-satzpunkte dafür, daß Mediationsverfahren im Umwelt- und Planungsbe-reich zu den Bürgerbeteiligungsmodellen gezählt werden (vgl. Zschiesche1996; Bühler/Rieger 1996). In ihrem Verlauf kann es zur Bildung unge-wöhnlicher Koalitionen oder neuer Allianzen kommen, wenn es um Ver-fahrensfragen oder Sachlösungen geht.

1.1.2 Ursprünge der Mediation in den USA

Die Entwicklung der Mediation in Deutschland wurde maßgeblich durcheinen Wissens- und Erfahrungstransfer aus den USA beeinflußt. Daher sollan dieser Stelle auf die Entwicklung und den weitgefächerten Anwen-dungsbereich von Mediation in den USA hingewiesen werden, nicht zu-letzt deshalb, weil immer wieder entsprechende Vergleiche als Basis oderauch in Abgrenzung zur deutschen Perspektive herangezogen werden.

Mediationsverfahren haben in den USA eine lange Tradition. Bereits 1913entstand als eine der ersten Mediationseinrichtungen ein „Board of Me-diation and Conciliation“ für Arbeitskonflikte bei den Eisenbahnen. Fürdie neuere Mediationsentwicklung seit den 70er Jahren war die Gründungdes „National Institute for Dispute Resolution“ (NIDR) im Jahr 1983 inWashington ein wichtiger Schritt. In diesem arbeiteten mehrere Stiftun-gen zusammen. NIDR bewirkte eine breite Akzeptanz und institutionelleVerankerung der Mediation „von oben“. Als komplementäre Entwicklung„von unten“ schlossen sich KonfliktmanagerInnen und MediatorInnen ineiner Art berufsständischer Vereinigung, der „Society of Professionals inDispute Resolution“ (SPIDR) zusammen. 1995 hatte SPIDR USA-weit über3.000 Mitglieder aus verschiedenen Mediationsbereichen, davon dieHälfte aus dem Bereich der politischen Mediation, zu dem Aufgaben z.B.der Bürgerrechtsbewegung und der Umweltmediation gezählt werden.Außerdem gibt es zahlreiche weitere Mediationsorganisationen und Netz-werke, in denen MediatorInnen organisiert sind (vgl. Zilleßen o.J.).

Mediationsverfahren werden in den USA als außergerichtliche Möglich-keit der Streitbeilegung z.B. bei Familien- und Nachbarschaftskonfliktenebenso eingesetzt wie bei Produkthaftungsfällen, Mietstreitigkeiten, Ar-

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beitsplatzkonflikten oder bei politischen Konflikten um Bauvorhaben,Standortentscheidungen für technische Anlagen usw. Selbst bei Konflik-ten zwischen ethnischen Gruppen in Bürgerkriegen oder zwischen Na-tionalstaaten findet Mediation Anwendung.

Hohe Scheidungsraten bei einer generell hohen Bereitschaft der Ameri-kanerInnen, ihr Recht einzuklagen, sowie die dort gesetzlich gegebenenChancen auf hohe Entschädigungssummen und Schmerzensgelder habenzu einer chronischen Überlastung der Gerichte geführt. Dies waren gün-stige Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Dienstleistung Media-tion, denn unter den gegebenen Umständen entlastet Mediation die Ge-richte, die Verfahren kosten weniger Geld und führen schneller zu Ent-scheidungen. Lokale Mediationszentren bieten für Konflikte im privatenBereich (Scheidung, Nachbarschaftsstreit, Schulkonflikte usw.) sowie beikleineren Straftaten zum Teil kostenlos ihre Dienste an. Diese Zentrenwerden von angestellten und ehrenamtlichen MediatorInnen unterstützt.Professionelle MediatorInnen arbeiten darüber hinaus als Einzelpersonenoder in Büros, Organisationen und Verwaltungen.

Für Auseinandersetzungen im Vorfeld höherer Gerichtsverhandlungenund abhängig von den Regelungen in einzelnen Bundesstaaten dürfen insolchen Fällen nur MediatorInnen mit juristischer Ausbildung tätig wer-den. Auch im Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsmediation sowie in derFamilienmediation wird professionelle Unterstützung angeboten.

Mit der Verabschiedung des „Administrative Dispute Resolution Act“ imJahr 1990 wurden US-Bundesbehörden zum Einsatz alternativer Konflikt-lösungsmethoden aufgefordert. Jede Behörde und zahlreiche Ministeriensollen entweder eigene MediatorInnen einsetzen können oder mit zuge-ordneten externen MediatorInnen zusammenarbeiten. Das Gesetz stellteine wesentliche Grundlage für die Entwicklung der politischen Mediati-on dar, zu der auch Mediationsverfahren zur Beilegung von Umwelt- undPlanungskonflikten gehören (vgl. Gaßner u.a. 1992; Besemer 1996).

1.1.3 Anwendungsfelder für Mediation in Deutschland

In Deutschland werden Mediationsverfahren seit Mitte der 80er Jahre undzunehmend in den 90er Jahren angewandt. Je nach Anwendungsfeld

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unterscheiden sich die Rahmenbedingungen für eine Mediation, dennochfolgt die Mediation im wesentlichen den in der Kurzdefinition genanntenGrundsätzen.

Auch in Deutschland wird Mediation sowohl ehrenamtlich als auch alsDienstleistung von Einzelpersonen, Büros und Organisationen, z.T. auchvon Behörden („Täter-Opfer-Ausgleich“) angeboten. Die Anwendungbzw. die Nachfragen sind jedoch mit den amerikanischen Verhältnissennicht vergleichbar. Eine tragfähige Nachfrage für professionelle Mediato-rInnen entwickelt sich nur langsam.

Selbstverständlich können MediatorInnen ehrenamtlich tätig werden.Gleichzeitig werden aber zu Recht hohe Erwartungen an eine professio-nelle Durchführung der Mediation gestellt, denen ehrenamtliche Media-torInnen schon wegen des häufig großen personellen und organisatori-schen Aufwandes oft nicht ausreichend entsprechen können. Zunehmendsetzt sich auch die Erkenntnis durch, daß Mediation neben großem Enga-gement und fallbezogener Sachkenntnis ein professionelles „Handwerk“voraussetzt.

Ausgewählte Anwendungsfelder von Mediation in Deutschland:• Familienmediation (bei Trennungen, Scheidungen und der Rege-

lung von familiären und partnerschaftlichen Konflikten)• Schulmediation (Regelung von Konflikten zwischen SchülerInnen,

LehrerInnen und Eltern) und Peer-Mediation (Einsatz von Kindernund Jugendlichen als Konfliktlotsen, vgl. z.B. Hagedorn 1996)

• Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung sowie Wiedergut-machung als Mittel der Strafrechtspflege

• Mediation bei umweltrelevanten Vorhaben• Mediation in Arbeit und Wirtschaft• Interkulturelle Mediation zwischen Angehörigen verschiedener

ethnischer oder religiöser Gruppen

© Beate Günther

Abb. 2: Ausgewählte Anwendungsfelder von Mediation in Deutschland

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1.1.4 Anmerkungen zur Professionalisierung und Institutionalisierung derMediation in Deutschland

In Abschnitt 1.1.2 wurde dargelegt, daß es in den USA verstärkt seit den70er Jahren eine Entwicklung hin zum Einsatz professioneller Konflikt-mittlerInnen in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen gibt. Diesging einher mit der Entwicklung eines breit gefächerten Aus- und Weiter-bildungsangebots von Kurzlehrgängen über berufsbegleitende Jahresaus-bildungen bis hin zu Universitätsstudiengängen für alle Anwendungsbe-reiche der Mediation. Die bereits genannten Mediationsorganisationenund Netzwerke erarbeiten u.a. auch Qualitäts- und Ausbildungsstandards,vermitteln Mediationsaufträge oder führen sie selbst durch.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Ausbildungsstandards wur-de z.B. von den SPIDR-Mitgliedern (vgl. hierzu auch Kap. 1.2.3 „Initiie-rungsphase”) intensiv diskutiert, welcher Art die Anforderungen sind, diesich aus der Vielfalt der Aufgaben von MediatorInnen herleiten lassen.Als Ergebnis wurde festgehalten, daß MediatorInnen über Fähigkeiten,Fertigkeiten und Kenntnisse verfügen sollen, die nur z.T. durch Ausbil-dungen und Erfahrungen erworben werden können. Sie beruhen ebensoauf persönlichen Voraussetzungen und Eigenschaften (vgl. Zilleßen 1996/1998, S. 230 f.; Gaßner u.a. 1992, S. 19ff.).

Auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren eine Entwicklung hin zurInstitutionalisierung der Mediation. Sie ist in den verschiedenen Anwen-dungsfeldern unterschiedlich weit fortgeschritten. Kennzeichnend für die-se Entwicklung ist in jedem Fall der Zusammenschluß praktizierenderMediatorInnen zu Vereinen und Interessenverbänden, die bezogen auf ihrSelbstverständnis und ihre Aufgaben in etwa der Organisation SPIDR (vgl.Abschnitt 1.1.2) entsprechen.

Im Rahmen eines Workshops der Universität Oldenburg im Oktober 19974

wurde der aktuelle Sachstand zur Aus- und Weiterbildungssituation derMediatorInnen aus den bekannten Anwendungsfeldern in Deutschlandsowie in Österreich und der Schweiz vorgestellt. Es zeigte sich, daß dieEntwicklung in den einzelnen Bereichen unterschiedlich weit fortgeschrit-ten ist, u.a. in Abhängigkeit davon, ob und in welcher Form sich die Media-torInnen der Anwendungsbereiche organisiert haben. Daher können dienachfolgenden Ausführungen nur den Sachstand 1997/98 wiedergeben.

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Die in Deutschland in den verschiedenen Themenfeldern arbeitendenMediatorInnen haben unterschiedliche fachliche Ausbildungen bzw. Aus-gangsberufe (z.B. Jura, Psychologie, Pädagogik, Theologie, weitere Sozi-alwissenschaften, Ingenieurberufe, Naturwissenschaften und Verwal-tungsfachausbildungen). Sie machten während ihrer Berufspraxis die Er-fahrung, daß in vielen Fällen der Einsatz von Mediation eine sinnvollemethodische Erweiterung sein würde. Die Kenntnisse der fachlichen Be-lange sowie die Basis für die hohe soziale und kommunikative Kompe-tenz, die die Arbeit als MediatorIn erfordert, wurden in unterschiedlichemUmfang im Zuge dieser Ausbildungen bzw. der entsprechenden Berufs-erfahrung erworben.

Je nach Ausgangsqualifikation sollen die Kompetenzen der Ausgangsbe-rufe und -erfahrungen ergänzt werden durch weitere für eine Mediations-tätigkeit notwendige Kenntnisse, z.B. über Konflikttheorie, Gruppendy-namik, Sozialpsychologie usw. Darüber hinaus erfordert jedes Mediati-onsanwendungsfeld noch spezifische fachliche Kenntnisse und Fähigkei-ten. Der Einsatz- bzw. Konfliktbereich z.B. für Umweltmediation weist imVergleich zum Setting der Familienmediation neben grundsätzlichenGemeinsamkeiten im Hinblick auf die jeweiligen Interessenlagen sowieauch auf die spezifischen Inhalte und formellen bzw. informellenRahmenbedingungen erhebliche Unterschiede auf.

Eine Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch unter PraktikerInnen und Wis-senschaftlerInnen bieten zahlreiche Fachtagungen und Workshops.5

Für FamilienmediatorInnen gibt es in Deutschland eine Ausbildungsord-nung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation,6 nach derprivate Fortbildungseinrichtungen Aus- und Weiterbildungsangeboteentwickelt haben. Für die Mediation im Bereich Täter-Opfer-Ausgleichführt das Servicebüro für Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung7

gemeinsam mit dem Bildungswerk der Deutschen Bewährungs-, Gerichts-und Straffälligenhilfe (DBH) e.V. einjährige berufsbegleitende Lehrgängezur „Grundqualifizierung zum Konfliktberater“ durch.

Ende 1997 haben sich UmweltmediatorInnen nach einer fast zweijähri-gen Konstituierungsphase zur Interessengemeinschaft Umweltmediation(IGUM) e.V. zusammengeschlossen.8 Etwa zeitgleich wurde als ein Pro-jekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) der Förderverein für

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Umweltmediation e.V.9 gegründet. Ziel des Fördervereins ist die Imple-mentierung der Umweltmediation in Deutschland. Der Förderverein weistdaher strukturell und im Hinblick auf seine Zielsetzungen Paralellen zumNIDR-Ansatz auf.

Aus der IGUM ging eine Arbeitsgruppe „Aus- und Weiterbildung“ hervor.In ihr arbeiten IGUM-Mitglieder und MitarbeiterInnen des FördervereinsUmweltmediation e.V. mit finanzieller Unterstützung der DBU gemein-sam an der Entwicklung eines Curriculums für die Ausbildung von Um-weltmediatorInnen. Im Auftrag des Fördervereins werteten Mitarbeiter desInstituts für öffentliche Planung der Universität Oldenburg bereits vorlie-gende Mediationsaus- und -weiterbildungskonzepte aus und prüften sieim Hinblick auf die spezifischen Anforderungen an UmweltmediatorIn-nen. Diese Vorarbeiten bilden zusammen mit den Praxiserfahrungen derIGUM-Mitglieder die Basis für die Curriculumentwicklung. Nach Fertig-stellung des Curriculums soll dieses in einer Testphase von den Umwelt-mediatorInnen selbst erprobt und verfeinert werden. Auf diese Weise sol-len tragfähige Ausbildungsstandards für UmweltmediatorInnen erarbeitetwerden.

Im Jahr 1997 hat sich der Bundesverband für Mediation in Wirtschaft undArbeitswelt e.V. gegründet, der zur Zeit ebenfalls an Aus- und Weiterbil-dungsstandards und -konzepten arbeitet.10

MediatorInnen verschiedener Aufgabenbereiche sind auch im Mediatione.V.11 organisiert und arbeiten in regionalen und thematischen Arbeits-gruppen zusammen. In ihm sind z.B. SchulmediatorInnen und Mediato-rInnen, die interkulturelle Mediation anbieten, organisiert. Auch der Me-diation e.V. erarbeitet zur Zeit Ausbildungsrichtlinien für eine allgemei-ne Mediationsausbildung.

Für einige Anwendungsfelder von Mediation in Deutschland gibt es zwareinzelne, in Ausgestaltung und zeitlichem Umfang unterschiedliche An-gebote von erfahrenen MediatorInnen, Beratungsbüros, Vereinen oderUniversitätseinrichtungen, jedoch (noch) keine einheitlichen, allgemeinanerkannten Aus- und Weiterbildungsstatuten. Dies sollte keinesfalls ein-seitig als Defizit begriffen werden. Die damit verbundene Vielfalt an An-geboten bietet die Chance, unterschiedliche inhaltlich-methodische An-sätze zu realisieren und auf verschiedene Bedarfe hin auszugestalten.

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Es zeigt sich also, daß für einige Anwendungsfelder, z.B. für die Umwelt-mediation, die Diskussionen über die Anforderungen und Rahmenbedin-gungen an eine standardisierte Ausbildung einschließlich einer Zertifizie-rung noch andauern, auch wenn die Orientierung auf ein Mindestmaßan Qualitätsstandards der Mediationsangebote und damit der Aus- undWeiterbildungsvoraussetzungen grundsätzlich unstrittig ist. In anderenBereichen, z.B. der Familienmediation, ist dieser Prozeß, ebenfalls nachlängeren Bemühungen, vorläufig abgeschlossen.

Diskutiert wird zur Zeit noch, daß einerseits zwar die Vergabe von Lehr-gangszertifikaten oder der Erwerb eines Universitätsabschlusses zum „Eu-ropean Master of Mediation“ neben dem persönlichen Gewinn zumNachweis von Kompetenz gegenüber potentiellen Auftraggebern in ei-nem sich entwickelnden Dienstleistungsmarkt dienen kann. Andererseitswird aber eine nur formal und nicht fachlich begründete Ausgrenzungnicht-zertifizierter MediatorInnen befürchtet. Daraus könnte eine Ver-pflichtung entstehen, sich auf eine zeitlich und finanziell aufwendige Aus-oder Weiterbildung einzulassen, obwohl der Markt diese Investition viel-leicht (noch) nicht lohnt. Dieser Skepsis stehen jedoch zahlreiche Anfra-gen von InteressentInnen nach einer Mediationsaus- und -weiterbildunggegenüber.

1.1.5 Mediation als Bildungsinhalt und gruppenbezogener Lernprozeß

Da Mediation zur Zeit in zahlreichen Zusammenhängen als Verfahreneingefordert oder diskutiert wird, soll an dieser Stelle die nur scheinbartriviale Forderung aufgestellt werden, daß die Ausübung von Mediationverantwortungsbewußt erfolgen sollte. Wer sich an diese Aufgabe heran-wagt, sollte sich prüfen, inwieweit er oder sie über die notwendigen in-haltlichen und kommunikativen Kompetenzen verfügt, um einen hoch-komplexen Gruppenprozeß zu leiten. Es sollte gerade auch PädagogIn-nen, an die sich dieses Buch als eine Hauptzielgruppe richtet und die sichals Lernende, Lehrende und AnwenderInnen mit Mediation befassen, be-wußt sein, daß allein das z.B. in einem Wochenendworkshop erworbeneWissen über Mediation nicht gleichzusetzen ist mit der Erfahrung und derKompetenz, solche Verfahren selbst zu betreuen. Außerdem sollen dieAusführungen zur Mediation helfen zu verstehen, daß nicht jeder ange-leitete Diskussionsprozeß in Gruppen bereits ein Mediationsverfahren

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darstellt. Diese Herangehensweise unterstützt die Glaubwürdigkeit derMethode und ihrer ProtagonistInnen, zu denen sich auch die Autorinzählt.

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich im wesentlichen auf die Qua-lifizierung von MediatorInnen. Es besteht daneben jedoch bei vielenMenschen und Institutionen ein erhebliches Interesse an Informationenüber Mediation, so daß z.B. im Rahmen von Informations- und Bildungs-veranstaltungen Grundlagen und Fallbeispiele aus den einzelnen Berei-chen vorgestellt werden.

Darüber hinaus zeigt die bisherige Praxis z.B. in Umweltmediationsver-fahren, daß potentielle Verfahrensbeteiligte nicht nur allgemeine Informa-tionen über Mediation benötigen, sondern im Zuge des Verfahrensvor-laufs eine hinreichende Vorbereitung der TeilnehmerInnen erfolgen soll-te auf das, was sie in einem Mediationsverfahren erwartet und welcheBeiträge sie selbst leisten können, um zum Gelingen des Prozesses bei-zutragen.12

Partizipatorisch ausgerichtete Planungs-, Konfliktmittlungs- und Entschei-dungsprozesse sind immer auch gemeinsame Lernprozesse, selbst wennsie nicht primär mit dieser Begründung initiiert werden. Dennoch sindsie explizit zumindest mit der Zielsetzung eines Informationszugewinns,eines „Empowerments“ strategisch schwächerer Beteiligter sowie impli-zit mit verschiedensten Aspekten sozialen Lernens, z.B. der konstrukti-ven Bewältigung von Interessenkonflikten, verbunden.

Beteiligungs- und Konfliktmittlungsprozesse müssen – nicht nur, aberauch – in ihrer Funktion als Lernprozesse inhaltlich und methodisch or-ganisiert werden. Vor den damit verbundenen Aufgaben stehen zuneh-mend nicht nur professionelle ModeratorInnen, MediatorInnen und Päd-agogInnen, sondern auch viele, die solche Prozesse, z.B. im Umfeld derAgenda-21-Aktivitäten, vor Ort betreuen, außerdem Personen bzw. Insti-tutionenvertreterInnen, die als Beteiligte in solche Prozesse eingebundensind.

In der aktuellen Diskussion um den Stand und die zukünftigen Aufgabender Umweltbildung verändern und erweitern sich Inhalte, Methoden undRollenverständnis der PädagogInnen. Eine Möglichkeit für ein umwelt-

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pädagogisches Aufgabenfeld wird in der Organisation und Begleitungvon Partizipationsprozessen als einer Form des organisierten Lernens ge-sehen.

Dies deckt sich mit den Erfahrungen aus der Praxis und der derzeit aktu-ellen Diskussion um eine Institutionalisierung der (Umwelt-)Mediation inDeutschland zur Etablierung eines Berufsfeldes einschließlich Qualitäts-standards und Aus- und Weiterbildungsinhalten.13

Am Beispiel der Umweltmediationsverfahren in Deutschland wird deut-lich, daß diese sich großer wissenschaftlicher Aufmerksamkeit erfreuen.Es werden dabei bisher i.d.R. politologische, soziologische, auch psycho-logische Fragestellungen bearbeitet. Der Einrichtung des „Settings“, derVorbereitung der Beteiligten – wie es z.B. in den USA bei größeren Ver-fahren üblich ist – oder der umfangreichen Informationsarbeit, den tat-sächlich eingesetzten Moderations- und Konfliktmittlungsmethoden so-wie dem Prozeßmanagement wird dagegen bisher noch wenig Aufmerk-samkeit geschenkt. Diese Fragestellungen sind bisher eher Gegenstandeines informellen Erfahrungsaustausches zwischen PraktikerInnen.

Im Zuge der bisher angestellten Überlegungen zur Entwicklung einesAusbildungscurriculums für UmweltmediatorInnen sowie zur Nachfragenach Schulungen und Prozeßberatungen sind jedoch genau diese Aspektevon Interesse. Weiterhin berühren sie inhaltlich neben den genanntenAspekten zahlreiche weitere Anforderungen, z.B. an Risikokommunika-tion oder Organisationsentwicklung, ebenso wie Aspekte der Gruppen-dynamik oder die Diskussion um Leitbilder, „community”-Ansprüche desKommunitarismus usw. und knüpfen damit wiederum an die Standortde-batte der Umweltbildung an, die sich gerade in diesem Bereich neu ori-entiert.

1.1.6 Hintergrund und Entwicklung der Umweltmediation

Mittlerweile wurden in Deutschland die Erfahrungen aus über 60 Mediati-onsverfahren mit Umweltbezug ausgewertet (vgl. Jeglitza/Hoyer 199814 ,S. 180; Gans 1994). Eine allgemeinverbindliche Definition, was in genau-er Abgrenzung zu anderen Verfahrenstypen unter Umweltmediation zuverstehen ist, liegt derzeit noch nicht vor. Der Begriff wird um einige de-

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finitorische Essentials herum (z.B. Vorliegen eines verhandlungsfähigenKonfliktes mit Umweltbezug, Einsatz eines neutralen Konfliktmittlers,Konsens- bzw. Ergebnisorientierung im Hinblick auf die Konfliktlage, Prin-zip der Interessenrepräsentanz der Beteiligten, Partizipationsansatz usw.)autorenspezifisch formuliert. Aufgrund des thematisch breiten Anwen-dungsfeldes sowie der damit verbundenen unterschiedlichen Rahmenbe-dingungen werden z.T. auch moderierte kooperative Planungsprozessemit einbezogen. Daher sollte die genannte Zahlenangabe eher als Orien-tierungswert verstanden werden (vgl. Hammerbacher Umweltconsult199715 , S. 3ff.; Claus 199616 ).

Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten bei umweltbedeutsamenVorhaben stellen ein umwelt- und gesellschaftspolitisch weitreichendesProblem dar. Diese Entwicklung hat eine Vorgeschichte: Ausgelöst durchdie gesellschaftspolitischen Entwicklungen in den sechziger Jahren for-mierten sich in den siebziger und achtziger Jahren im Zuge der Anti-Atom-Bewegung Bürgerinitiativen und Umweltverbände. Neben inhalt-lichen Forderungen standen solche nach stärkeren Mitwirkungsmöglich-keiten bei umweltrelevanten Planungen. Die Politik beantwortete dieAnforderungen an einen verstärkten Schutz für Natur und Umwelt mitüberwiegend sektoral ausgerichteten Fachgesetzen (z.B. Bundesimmissi-onsschutzgesetz 1974, Abfallgesetz 1977 usw.). Auch die Möglichkeitenund Grenzen von Bürgerbeteiligung sowie die Einflußmöglichkeiten vonUmweltverbänden wurden rechtlich – vorwiegend durch Beteiligung införmlichen Planungs- und Zulassungsverfahren – geregelt.

Planungs-, Zulassungs- und auch Sanierungsverfahren nehmen viel Zeit,Geld und personelle Ressourcen in Anspruch. Dennoch stoßen die Ergeb-nisse bei den Beteiligten oft nicht auf große Zustimmung oder werden alsin der Sache unbefriedigende Lösung empfunden. Das Vertrauen der Be-troffenen in die Kompetenz der per Gesetz mit der Lösung betrauten Po-litiker und Behördenmitarbeiter sowie die ihnen zuarbeitenden Expertenist begrenzt, obwohl diese sich in ihrem Selbstverständnis um sach-dienliche, unter ökologischen und rechtlichen Aspekten vertretbare Ent-scheidungen bemühen. Fast jedes Projekt mit Auswirkungen auf Anwoh-ner und/oder die Umwelt sieht sich daher inzwischen Anzweifelungen(besser Anfeindungen) ausgesetzt. Hinzu kommt, daß aus Sicht der be-troffenen Bürger und Umweltverbände die Form, d.h. die Art und Weiseder Entscheidungsfindung und Verkündigung von Politik/Verwaltungshan-

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deln insgesamt als unfair gewertet wird und bestehende Bürgerbeteili-gungsmöglichkeiten im Rahmen von gesetzlich geregelten Verfahren alsunzureichend oder als Alibi-Veranstaltungen abqualifiziert werden.

Die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsangebote führten somit dazu,daß umweltrelevante Planungen unter fachlichen Aspekten zunehmend„rechtlich wasserdicht“ wurden, jedoch nicht die Erwartungen erfüllten,die einerseits engagierte Bürger und Umweltverbände, andererseits dieunter Problemlösungsdruck und Investitionsbedarf stehenden Behördenund privaten Investoren in die Verfahrensregelungen gesetzt hatten. Emp-finden die einen die rechtlichen Beteiligungsangebote häufig als Farce(siehe oben), beklagen die anderen lange Planungszeiten und umfangrei-che Umweltschutzauflagen (vgl. Dose 1994).

Die Antworten auf diese Defizite sind von zwei Tendenzen geprägt: DieBundesregierung erläßt – ausgelöst durch Entwicklungen in den neuenBundesländern – „Beschleunigungs- und Maßnahmegesetze“, die mit ei-nem Abbau von Beteiligungsrechten von Betroffenen verbunden sind.Stellvertretend seien hier nur das Verkehrswegeplanungsbeschleuni-gungsgesetz (1991), das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandge-setz (1993) sowie das Planungsvereinfachungsgesetz (1994) genannt. Vordem Hintergrund der Deregulierungsbemühungen und der Reduzierungder Möglichkeiten für Verbände und Bürger, Einfluß auf umweltrelevantePlanungen zu nehmen, z.B. durch die Novellierung des Bundesimmissi-onsschutzgesetzes, gewinnt der Einsatz von Mediationsverfahren zuneh-mend an Bedeutung. Fatal wäre es, wenn auf diesem Weg in Verwaltungund Politik das offizielle Interesse am Einsatz von Mediationsverfahrensteigt, gleichzeitig hart erstrittene Bürgerrechte jedoch auf Kosten derUmwelt zurückgenommen würden (vgl. Zilleßen 199817 , S. 67ff.).

Eine zweite Tendenz besteht darin, die Erfahrungen der Bürgerbeteiligungzu evaluieren und sie in bewährten oder neuen Partizipationsmodellenund Informationsangeboten positiv weiterzuentwickeln. Hier ist die Um-setzung der EG-Informationsrichtlinie in bundesdeutsches Recht (Um-weltinformationsgesetz 1994) als Basis ebenso zu nennen wie auch an-dere Beteiligungsansätze, z.B. der methodische Ansatz von Planungszel-len und Zukunftswerkstätten (vgl. Holtkamp/Stach 1995; Bischoff u.a.1995; Akademie für Technikfolgenabschätzung 199518 ). Im Trend liegtdaher die Suche nach tragfähigen Kompromissen oder zumindest nach

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dem größten gemeinsamen Nenner – sogenannten Konsensinseln – an-statt der blanken Durchsetzung behördlicher oder privater Entschei-dungen.

Die seit der Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahre1992 angeregte Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung („sustaina-ble development“) ist ein Beleg dafür, daß sowohl die dabei zu berück-sichtigenden komplexen fachlichen und gesellschaftlichen Aspekte alsauch die Formulierung von Zielen, Handlungsoptionen und Umsetzungs-strategien nicht ohne Partizipation und Diskurse zu bewältigen sein wer-den. In diesen Kontext ist auch Mediation als Beispiel für diskursive Ver-fahren einzuordnen.

1.1.7 Thematische Schwerpunkte in Mediationsverfahren mit Umwelt-bezug

Der Einsatz eines Mediators, der als neutrale Instanz zwischen den un-terschiedlichen Interessen- bzw. Konfliktparteien vermittelt, erfolgte in derBundesrepublik Deutschland zunächst überwiegend in bereits ausgespro-

Thematische Schwerpunkte Prozentualerder Umweltmediationsverfahren Anteil aus 64in Deutschland erfaßten Verfahren• Abfallwirtschaftliche Fragestellungen (z.B.

Abfallwirtschaftskonzepte, Technologieentschei-dungen, Standortsuchen für abfallwirtschaftliche 40%Anlagen)

• Sanierungsmaßnahmen von Altlasten (z.B. unzu-reichend gesicherte und erstellte Deponien, durch 20%Industrie und Militär verursachte Umweltschäden)

• Fälle aus den Bereichen Naturschutz, Verkehr,Chemie 26%

• Verfahren zu atomrechtlichen Anlagen(Landessammelstellen für schwach radioaktive 14%Abfälle) und sonstige

© Beate Günther

Abb. 3: Prozentuale Anteile der Themenschwerpunkte in der Umweltmediation auf der Basiseiner Umfrage des MEDIATOR Zentrums für Umweltkonfliktforschung und -management,Oldenburg19

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chen verfahrenen Konstellationen und Situationen. Ein prominentes Bei-spiel hierfür ist die Sanierungsplanung für die SonderabfalldeponieMünchehagen in Niedersachsen. Weitere Beispiele für den Einsatz vonMediation als Instrument des akuten Krisenmanagements sind die Planun-gen von Abfalldeponien und Abfallbehandlungsanlagen (vgl. Gaßner/Günther 1994), bei festgestellten bewohnten Altlasten (vgl. Grosser/Schmidt 1994) sowie bei strittigen Verkehrsprojekten (vgl. Ministerium fürStadtentwicklung ... 199520 ; Sellnow 1995; Claus/Wiedemann 1994).

Sinnvoller, erfolgversprechender und für alle am Verfahren Beteiligteneinfacher zu bewältigen ist jedoch der Einsatz eines Mediationsverfah-rens zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht alle (Vor-)Entscheidungenbezüglich eines Planungsprozesses getroffen wurden. Dies gilt für Pla-nungs- bzw. Konzeptionsphasen z.B. für Aufgaben der Stadtentwicklung,für Abfallwirtschaftskonzepte im Vorfeld von weiter zu treffenden techni-schen Entscheidungen, aber auch für Nutzungskonzepte eines sanftenTourismus. Beginnt ein Mediationsverfahren in einer solchen frühen Pha-se, ist es in der Sache einfacher, eine konstruktive Beteiligungs- und Streit-kultur in einem Verfahren zu entwickeln, als Beteiligungs- und Mit-wirkungsmöglichkeiten erst dann anzubieten, wenn sich die Betroffenenmit ihren jeweils unterschiedlichen Interessenlagen bereits gegen geplan-te Vorhaben wehren. Mediation wird daher nach bereits vorliegendenErfahrungen auch eingesetzt, wenn es gilt, bei Planungen und Kon-

© Jeglitza/Hoyer

Abb. 4: Themenstruktur der Umweltmediationsverfahren (Quelle: Jeglitza/Hoyer 1998,S. 180)

2radioaktive

Abfälle

9Verkehr

9Chemie

GentechnikEnergie 5

Umwelt-programme

6Abfallkonzepte

13Entsorgungs-

anlagen

2Naturschutz

5Sondermüll

13Altlasten

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zeptentwicklungen über ein Vorhaben detailliert zu informieren, verschie-dene Interessen einzubinden und zwischen diesen einen Interessenaus-gleich durch Verhandlung zu erreichen (vgl. Mediator 1996). Wenn al-lerdings die Planungssituation noch so offen ist, daß sich die Diskussionnur im Spekulativen bewegt, fehlt meist die fachliche und/oder persönli-che Betroffenheit und somit ein wesentlicher Anreiz, sich auf einen Me-diationsprozeß einzulassen.21

Sinnvoll ist auch der Ansatz, daß Kooperation in der Mediation auf ver-schiedenen Ebenen stattfinden sollte, z.B. im Rahmen von Politikdialo-gen auf Bundes- und Landesebene, ergänzt durch eine auf deren Ergeb-nissen aufbauende kooperative Maßnahmeplanung vor Ort (vgl. Zilleßen1998, S. 12ff.). Die an solchen Dialogen zu beteiligenden Interessenver-treterInnen unterscheiden sich entsprechend den Diskurs- bzw. Verhand-lungsebenen.

SchwerpunktKrisenmanagement/

Konfliktmittlung, z. B.

• Standortsuchprozesse für uner-wünschte, weil umweltbelastendeAnlagen (z. B. Abfalldeponien, Ab-fallbehandlungsanlagen, Kraftwer-ke, Chemiewerke)

• aktuelle Altlastensanierung• Verkehrsprojekte (z. B. Trassenfüh-

rungen, Einzelmaßnahmen)...

• Einsatz bei bereits eskalierten Kon-flikten aus nebenstehenden Berei-chen

SchwerpunktInteressenvermittlung/

Konzeptentwicklung, z.B.

• Regional-/Stadtentwicklung, Stadt-teilplanungen

• Infrastrukturplanung (z. B. Ver-kehrskonzepte, Abfallwirtschafts-konzepte; Energie-, Bodenschutz-konzepte, Mobilitätsplanungen;Planung sanfter Tourismus/Natur-schutz)

weitere mögliche Einsatzfelder:• Leitbild-Konkretisierung/Umset-

zungsplanung/Realisierung des An-spruchs auf eine dauerhaft trag-fähige Entwicklung: Agenda 21

• Öko-Audit...

Mediationim Umweltbereich

© Beate Günther

Abb. 5: Aufgabenschwerpunkte der Umweltmediation am Beispiel verschiedenerEinsatzfelder

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Durch den Einsatz von Mediation sollen die grundgesetzlich verankertenStrukturen in Politik und Verwaltung nicht ausgehebelt oder umgangen,sondern um ein konsultatives Element ergänzt werden (vgl. Schmidt1996). Umweltprobleme sind hochkomplex und erfordern entsprechendquerschnittsorientiertes Arbeiten, das allein durch die politisch und ad-ministrativ Zuständigen, ergänzt durch Experten, oftmals nicht ausrei-chend realisiert werden kann. Umweltkonflikte berühren sehr oft Gemein-wohlinteressen und damit die Lebenswelten zahlreicher BürgerInnen. DerEinbezug der Erfahrungen, Sichtweisen und Zielvorstellungen vonBürgerInnen, Gruppen und Institutionen im Rahmen von Mediationsver-fahren, die in „klassische“ Planungen nicht oder nur in geringem Umfangeingebunden werden, trägt außer zu einem Kompetenzzuwachs in derSache auch zu einer höheren Legitimation der auf dieser Basis getroffe-nen Entscheidungen bei.

1.2 Zum Setting von Umweltmediationsverfahren

1.2.1 Ziele und Aufgaben der Umweltmediationsverfahren

Mediation ist ebenso wie andere Formen von Konfliktbearbeitung undBeteiligungsverfahren nur eine Möglichkeit unter mehreren. Die Verfah-ren bieten ein methodisches Gerüst, das jeweils unter Wahrung der ver-fahrenstypischen Eigenschaften für die jeweilige Situation spezifisch aus-gestaltet werden muß.22 Die folgenden Ausführungen beziehen sich aufdie spezifischen Belange der Umweltmediation, die sich in einigenAspekten von anderen Mediationsfeldern unterscheiden, und spezifizie-ren die allgemeinen Ausführungen zu Mediation in Abschnitt 1.1. Hier-auf wird an charakteristischen Punkten besonders hingewiesen.

Nachfolgend werden einige Ziele und Aufgaben von Mediationsverfah-ren genannt, die u.a. als Grundlage für Überlegungen dienen können, obin einer bestimmten Situation Mediation oder besser ein anderes Verfah-ren sinnvoll eingesetzt werden kann. Wenn interessierte InitiatorInnendiese Frage positiv beantwortet haben, können die „Stichworte“ (Abb. 6)Grundlage von motivierenden Gesprächen sein, um für eine Beteiligungan einem Mediationsprozeß zu werben.

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Die Mediation führt InteressenvertreterInnen unter verschiedenen Aspek-ten zusammen:

Stichworte zu den Zielen und Aufgaben eines Mediationsverfahrens

• Es wird ein Rahmen geboten, der die oft mit Mißtrauen verfolgten sepa-raten Verhandlungen zwischen einzelnen Beteiligten für andere Betroffe-ne öffnet, was zu größerer Transparenz der Interessenlagen und Verhand-lungspotentiale führt.

• Es werden allen Beteiligten gleichermaßen Informationen aus dem Teil-nehmerInnenkreis oder über externe Inputs zugänglich gemacht.

• Es gibt einen Zugewinn an Kreativität und Lösungsvorschlägen aus denSynergieeffekten der gemeinsamen Arbeit, der über eine bloße Additionder Einzelbeiträge hinausgeht.

• Es kommen Menschen miteinander ins Gespräch, die sich ggf. nur ausder Lokalpresse oder gar nicht kennen und sich andernfalls nicht persön-lich kennengelernt hätten.

• Es treffen InteressenvertreterInnen in einem gesetzten Rahmen zusammen,die vielleicht schon seit Jahren miteinander in einem institutionellen undggf. daraus erwachsenen persönlichen Streit liegen, d.h. eine gemeinsa-me Konfliktvorgeschichte haben.

• Es werden Vereinbarungen in Form einer „Geschäftsordnung“ getroffen,die die Art und Weise der gemeinsamen Arbeit regeln. Die Zusammenar-beit ermöglicht eine wechselseitige Kontrolle darüber, wie mit Informa-tionen, Argumenten und strategischen Potentialen umgegangen wird.„Geheimabsprachen“ oder „Kungeleien“ werden in der Gruppe z.B.durch eine Offenlegung „sanktioniert“.

• Es werden Konsense oder Teilkonsense zu strittigen Fragen erarbeitet.• Interessenlagen und daraus resultierende Konflikte werden aufgedeckt,

ihre Ebenen analysiert und aufgabenbezogen bearbeitet, „Schlamm-schlachten“ zwischen einzelnen Parteien sollen so möglichst vermiedenwerden.

• Weitere Vereinbarungen beziehen sich auf die zu behandelnden Aspekteund Fragestellungen (Arbeitsprogramm), ggf. notwendige Zusatzinforma-tionen (z.B. ergänzende Gutachten), die von den Beteiligten erarbeitetwerden.

• Handlungsempfehlungen (z.B. in Form von Beschlüssen) sowie Maßnah-men zur Überprüfung der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Verfah-ren (Monitoring).

• Es können bei Bedarf Kompensationslösungen z.B. für Umweltbelastun-gen oder Standortnachteile verhandelt und ihre Umsetzungsmodalitätenfestgelegt werden.

© Beate Günther

Abb. 6: Stichworte zu den Zielen und Aufgaben eines Mediationsverfahrens

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1.2.2 Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Konfliktmittlung

Damit eine Motivation für die Mitwirkung der einzelnen Parteien an ei-nem Mediationsprozeß gegeben ist, müssen verschiedene Voraussetzun-gen erfüllt sein. Hierzu gehört die grundsätzliche Verhandelbarkeit bzw.Gestaltungsfähigkeit des Aufgaben- und Konfliktfeldes. Stark wertebela-stete Positionen, z.B. zu Fragen des Einsatzes von Kernenergie, gelten alsnur sehr begrenzt bis gar nicht kompromißfähig. Weiterhin müssen in derSache tatsächlich Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume vorhandensein. Planungen dürfen nicht so weit fortgeschritten sein, daß kaum nochEntscheidungsvarianten möglich sind. Ist der Verhandlungsspielraum zuklein, fühlen sich die potentiellen VerfahrensteilnehmerInnen dazu auf-gerufen, lediglich bereits beschlossene Dinge öffentlich abzusegnen. DieVerfahren sehen sich dann dem Vorwurf des Mißbrauchs zur reinen Ak-zeptanzbeschaffung für ungeliebte Vorhaben ausgesetzt.

Vor allem von Mitgliedern der Bürgerinitiativen und Umweltverbände, diesich häufig als die schwächeren Akteure eines Planungs- und Verhand-lungsprozesses begreifen, wird energisch darauf gedrungen, das Mediati-onsverfahren nicht dazu zu verwenden, kritisches Potential, begrenztepersonelle und finanzielle Ressourcen einzubinden, um damit Widerstän-de zu neutralisieren. Erweist sich der nicht unerhebliche Aufwand fürehrenamtlich Tätige als „Sandkastenspiel“, sinkt die Bereitschaft, sich aufdiskursive Verfahren einzulassen (vgl. Tils 1997; Günther/Zschiesche1995).

1.2.3 Planungs- und Arbeitsphasen eines Mediationsverfahrens

Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines Mediations-verfahrens erfolgt in verschiedenen Arbeitsschritten, die die nachfolgen-de Phaseneinteilung (Abb. 7) wiedergibt.23 Die Erläuterung der einzel-nen Phasen erfolgt auf der Grundlage von Praxiserfahrungen der Autorin,ergänzt durch Fallstudien, Projektberichte und -auswertungen. Es mußjedoch darauf hingewiesen werden, daß dabei zwar typische Aspektehervorgehoben werden, jeder Mediationsprozeß aber seiner eigenen, derAufgabe und den Rahmenbedingungen entsprechenden Verfahrenslogikfolgt.

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Phasen des Mediationsverfahrens

Initiierungsphase• Anstoß zum Verfahren, ggf. Ausschreibung durch Auftraggeber• Auswahl eines vorläufigen Verfahrenskonzeptes, eines Mediators/ei-

ner Mediatorin oder eines Mediationsteams aus verschiedenen Ange-boten

Vorbereitungsphase• Erstellen einer Situations- bzw. Konfliktanalyse• Kontaktaufnahme und Auswahl der betroffenen InteressenvertreterIn-

nen und VerhandlungsteilnehmerInnen• Konkretisierung des Verfahrenskonzeptes• Erste Festlegung des Problemhorizontes und des Verhandlungs-

rahmens (Worum geht es?)• Einrichten eines Runden Tisches oder Forums• Erste Verständigung über die Regeln der Zusammenarbeit (Geschäfts-

ordnung)Arbeitsphase des Runden Tisches: Konfliktbearbeitung, Erarbeitung vonHandlungs- und Verhandlungsoptionen• Verständigung über die Eingrenzung der Aufgaben, Themen, Konflikt-

lagen, die bearbeitet werden sollen• Informationsbeschaffung und Informationsausgleich organisieren• Interessen hinter den Positionen der Beteiligten herausarbeiten• Diskurs auf diese Interessen konzentrieren, nicht auf die Positionen• zwischen den Beteiligten möglichst eine „win-win-Situation“ errei-

chen, in der für alle Beteiligten ein mehr oder weniger positives Er-gebnis oder zumindest ein Interessenausgleich (s.u.) erarbeitet wer-den kann und niemand als „Verlierer“ zurückbleibt

• Problemlösungen erarbeiten• Verhandlungspakete schnüren, Interessenausgleich anstrebenUmsetzungsphase• Dokumentation der Ergebnisse• Einspeisung in den Entscheidungsprozeß• Bindung der Parteien an Verhandlungsergebnisse, Kontrollverein-

barungen• ggf. Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit und Lösung künf-

tiger Konflikte treffen

© Beate Günther

Abb. 7: Planungs- und Arbeitsphasen eines Mediationsverfahrens

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Initiierungsphase

Ausschreibungen, Akquisition und erste Konzeptabstimmung

In der Initiierungs- und der Vorbereitungsphase von Mediationsverfahrenwerden die Weichen für einen mehr oder weniger guten Verlauf des Ver-fahrens gestellt. Entsprechend sorgfältig sollte vorgegangen werden. Kon-zeptionelle und verfahrensorganisatorische Versäumnisse holen die Be-teiligten meist wieder ein, kosten in der Arbeitsphase unnötig Zeit undbelasten als „Hausaufgaben“. Unvorhergesehenes passiert durch die Dy-namik des Prozesses ohnehin noch genug.

Umweltmediationsverfahren werden häufig dadurch angeregt, daßeinzelne Konfliktparteien von bereits durchgeführten Verfahren Kenntniserhalten und deren Anwendung für die jeweils eigene Situation als erfolg-versprechend ansehen. Dies gilt für Behörden ebenso wie für Bürgerin-itiativen. Die Beauftragung professioneller MediatorInnen bzw. Mediato-renteams erfolgt jedoch in der Regel durch für die einzelnen Vorhabenfederführende Verwaltungen auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebe-ne. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, daß z.B. Umweltverbän-de oder Bürgerinitiativen nur über geringe Finanzmittel verfügen und eineBeauftragung aus eigener Kraft meist nicht möglich ist. Dennoch könnenVertreterInnen einzelner Konfliktparteien z.B. im Vorfeld der Ausschrei-bung einer Mediation zumindest ein gewisses Mitspracherecht dabei for-dern, welche Anforderungen an eine Mediation bzw. an eine/n Mediato-rIn gestellt werden sollten. Es wird auch vorgeschlagen, die Vorbereitungeines Mediationsverfahrens als relativ eigenständigen Verfahrensabschnittbereits mit dem späteren Mediationsplenum vorzunehmen und sowohldie Festlegung der Rahmenbedingungen als auch die Anforderungen andie MediatorInnen unter einer mediationserfahrenen Leitung in einemGruppenprozeß vorab zu erarbeiten. In diesem Prozeß können im Vor-feld der stärker auf die Inhalte bezogenen Arbeitsphase die für eine kon-struktive Arbeit notwendigen Bedingungen und Regeln in einer gemein-samen Lern- und Übungsphase erprobt und festgelegt werden (vgl. Fiet-kau 1997). Dieses Vorgehen ist jedoch relativ aufwendig. Auch wenn derStellenwert einer sorgfältigen Verfahrensvorbereitung unbestritten ist, wirdein eventueller Wechsel des Mediators/der Mediatorin als Ergebnis derAusschreibung nach der den Kontakt und das Vertrauen aufbauenden Vor-bereitungsphase u.U. als problematisch angesehen, weil man damit er-neut in eine Startsituation gerät.

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Die Kommerzialisierung von Umweltmediation als Dienstleistung wurdevon potentiellen Konfliktbeteiligten unter den genannten Umständen zumTeil mit Mißtrauen verfolgt. Die Finanzierung von Mediationsverfahrendurch Planungsträger stößt bei VorhabenkritikerInnen oftmals zunächstauf Vorbehalte, da die Neutralität der MediatorInnen in dieser Kon-stellation angezweifelt wird („Wess‘ Brot ich eß‘, dess‘ Lied ich sing‘ ...“).Wenn ein Mediationsverfahren über ausreichenden Gestaltungsspielraumund eine realistische Chance für die Berücksichtigung der Mediationser-gebnisse verfügt, tragen die Offenlegung von Vertragsvereinbarungen, dieim Konsens vereinbarten Regeln der Zusammenarbeit sowie die faireDurchführung der Mediation dazu bei, dieses Mißtrauen weitgehend aus-zuräumen.

Neutrale Finanzierungen, wie sie in den USA24 z.B. über Fonds regel-bar sind (vgl. Zilleßen 1998), stehen in Deutschland noch aus. Eine Aus-nahme bilden in gewissem Maße aus Forschungsmitteln geförderte Mo-dellprojekte. Sie stellen zwar eine Auftragsforschung verschiedener Bun-desministerien dar, diese stehen jedoch dem inhaltlichen Verfahrensaus-gang distanzierter gegenüber als behördliche Planungsträger oder Inve-storen.25

Haben sich potentielle Auftraggeber darauf geeinigt, ein Mediationsver-fahren durchzuführen und dieses Anliegen an eine Auswahl geeignet er-scheinender MediatorInnen heranzutragen, wird dieses ab einem gewis-sen Auftragsvolumen meist beschränkt ausgeschrieben, d.h., es wird einbegrenzter Kreis von MediatorInnen zu einer Angebotsabgabe aufgefor-dert. Kleinere Verfahren können je nach Auftragssumme ohne die forma-le Bindung an Ausschreibungsbedingungen vergeben werden. Die in denAusschreibungstexten genannten Anforderungen an eine Verfahrensge-staltung sind im Hinblick auf ihren Konkretisierungsgrad sehr verschie-den, dies hängt nicht zuletzt von den Kenntnissen über Mediation sowievon vorliegenden Referenzbeispielen für das aktuelle Aufgabenfeld ab.Oftmals sind die Anforderungen noch sehr allgemein gehalten.

In jedem Falle müssen die MediatorInnen bereits mit der Angebotsabga-be eine erste Konzeption des geplanten Verfahrens vorlegen. Diese wirdim Vorfeld einer Beauftragung im Dialog mit den Auftraggebern meistnoch überarbeitet, eine weitere Überarbeitung und Konkretisierung er-folgt im Rahmen der Vorbereitungsphase. Die Dynamik von Mediations-

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verfahren erfordert jedoch auch während der gesamten Laufzeit eine be-gleitende Konzeptanpassung im Zuge des Verfahrensmanagements.

(Vor-)Auswahl der MediatorInnen

Bei der Auswahl der MediatorInnen sollte darauf geachtet werden, daßVorhaben und Konfliktsituation zu den MediatorInnen passen müssenbzw. umgekehrt. Insgesamt gesehen ist eine für den jeweiligen Problem-zusammenhang angemessene Verbindung aus Kenntnissen, Erfahrungenund Persönlichkeit gefordert. Ergänzend zu den Ausführungen zur Me-diation allgemein (vgl. Abschnitt 1.1.1) und den Entwicklungen bezüg-lich der Aus- und Weiterbildung von MediatorInnen in Deutschland (vgl.Abschnitte 1.1.4 und 1.1.5) lassen sich ergänzend einige Auswahlkriteri-en für MediatorInnen zusammenfassen (vgl. auch Fietkau 1994):

Auswahlkriterien für (Umwelt-)MediatorInnen

Neutralität und AllparteilichkeitMediatorInnen sollen gegenüber den unterschiedlichen Interessen und Zielsetzun-gen des Problemfeldes neutral sein. Neutralität bedeutet jedoch nicht, daß dieMediatorInnen keine eigenen Ansichten in der Sache haben dürfen. Sie dürfenaber keine Verfechter einer spezifischen Position sein oder diese im Verfahrenbegünstigen. Neutralität ist somit keine feste Eigenschaft, sondern die Fähigkeit,die übertragene Rolle angemessen auszufüllen, d.h. unterschiedliche Interessenim Verfahren gleichberechtigt zu behandeln. Hierfür brauchen die MediatorIn-nen einen Vertrauensvorschuß der Verfahrensbeteiligten, den sie im Verlauf derMediation einlösen müssen.

Soziale KompetenzDie MediatorInnen sollen den Mediationsprozeß so gestalten können, daß dieGesprächs- und Handlungsfähigkeit der Beteiligten entwickelt und aufrechterhal-ten wird. Dafür sind u.a. Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Gruppenund Gruppenprozessen sowie Konfliktdynamik notwendig. Weiterhin sollten sieallgemein über eine angemessene Sensibilität im Umgang mit Menschen, Infor-mationen und Situationen verfügen, so daß sich die Beteiligten in ihrem Anliegenvon den MediatorInnen ernstgenommen und verstanden fühlen. Zur sozialenKompetenz gehören auch Verhandlungsgeschick sowie organisatorische Kennt-nisse und Fähigkeiten, die für das Verfahrensmanagement unerläßlich sind.

FachkompetenzDie Erfahrung zeigt, daß den MediatorInnen nur dann Vertrauen und Akzeptanzgegenüber ihrer Leitungskompetenz für Mediationsprozesse entgegengebracht

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Die MediatorInnen übernehmen meist in kleinen Teams die Konzeption,Vorbereitung, Ausgestaltung und Nachbereitung der Verfahren. Das Ver-fahrensmanagement hat viele Gemeinsamkeiten mit der Bildungs- bzw.Tagungsorganisation. So müssen logistische und organisatorische Aufga-ben gelöst werden, dazu gehören auch eine umfangreiche Informations-beschaffung und -aufbereitung sowie die Betreuung aller Beteiligten. Jenach Aufgabe und Bedarf werden Informationen über Vorträge, Gutach-ten, Exkursionen oder andere thematische Zugänge organisiert und ein-bezogen. Die Informationsarbeit erstreckt sich bei komplexen Verfahrennicht nur auf die Betreuung der Foren oder der Runden Tische selbst, son-dern begleitet mit vielfältigen Formen der Öffentlichkeitsarbeit oder mitzusätzlichen Informationsveranstaltungen die Mediationssitzungen.

werden, wenn sie auch die inhaltlichen Aspekte der behandelten Thematik ver-stehen. Dies setzt für Umweltmediation fallbezogen ein technisches, juristisches,politisches und verwaltungsorganisatorisches Grundwissen voraus. Weiterhin soll-ten Erfahrungen in Informationsvermittlung, Öffentlichkeitsarbeit und Präsentati-on vorhanden sein. Es sollte daher nach den Vorkenntnissen und bisherigen Ar-beitsfeldern der MediatorInnen gefragt werden.

Persönliche Unabhängigkeit und angemessener sozialer StatusVor dem Hintergrund, daß die Dienstleistung Mediation in Deutschland als Un-terhalts-/Erwerbsgrundlage noch nicht sehr tragfähig ist, wird gefordert, daß be-auftragte MediatorInnen ein Verfahren nicht um jeden Preis durchführen müssen.Es sollte ihnen möglich sein, Verfahren ohne existenzbedrohende Verluste an Fi-nanzen und Image zu verändern, abzubrechen oder an andere MediatorInnenabzugeben.MediatorInnen müssen in Umweltmediationsverfahren Leitungsfunktionen über-nehmen können. Diese Rolle können sie nicht einseitig für sich festlegen, sie sollteihnen von den Prozeßbeteiligten übertragen werden. Sie müssen daher einenangemessenen persönlichen und/oder institutionellen Hintergrund und eine ent-sprechende Standfestigkeit haben, um in Krisensituationen das Verfahren zusam-menhalten zu können. Dies hat dazu geführt, daß in Deutschland je nach Aufga-be und Prozeßbeteiligten bislang vor allem Persönlichkeiten mit hohem sozialenRang, ausreichender Lebenserfahrung und überwiegend männlichen Geschlechtsdiese Aufgabe übernahmen, z.B. Hochschulprofessoren und Anwälte. Mit zuneh-mender Anzahl der Verfahren, der Ausweitung der Einsatzbereiche sowie der Pro-fessionalisierung der MediatorInnen differenziert sich auch diesbezüglich dasAnforderungsprofil, u.a. fließen zunehmend erfolgreich „weibliche“ Kompeten-zen in das Berufsfeld und seine Organisationen ein.

© Beate Günther

Abb. 8: Auswahlkriterien für (Umwelt-)MediatorInnen

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Aufgaben einer Mediatorin/eines Mediators

• Konzeption, Strukturierung und Organisation des Mediationsprozesses(allgemeines Verfahrensmanagement, Betreuung des Runden Tisches, ver-schiedener weiterer Veranstaltungsformen sowie der Öffentlichkeitsarbeit)

• Moderation des Runden Tisches• Gewährleistung eines fairen Kommunikations- und Aushandlungsprozes-

ses• Identifikation und Einbeziehung der relevanten Akteure, Motivierung zur

Beteiligung• Nicht vertretenen Interessen ggf. ein angemessenes Gewicht verleihen• Gegenseitiges Mißtrauen und Informationsasymmetrien abbauen helfen• Sorge tragen für eine Machtbalance• Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Kommunikationsprozesses

auch in kritischen Situationen• Sorge tragen für die Dokumentation und Transparenz des Prozesses• Überprüfung der Umsetzung von Vereinbarungen (Monitoring, Erfolgs-

kontrolle)

© Beate GüntherAbb. 9: Aufgaben einer Mediatorin bzw. eines Mediators

Vorbereitungsphase

Hintergrundrecherchen im Rahmen der Konflikt- bzw. Situationsanalyse

Nach der Beauftragung wird in der Vorbereitungsphase eine Situations-analyse durchgeführt, zu der neben der Recherche zur Sache auch eineAnalyse der speziellen Konfliktsituation gehört.

Die MediatorInnen informieren sich über die fachlichen Gegebenheiten,z.B. über den Stand der Planungen für eine Ortsumgehung, einer Stand-ortsuche für eine abfallwirtschaftliche Anlage oder eines Sanierungskon-zepts. Weiterhin werden Hintergrundrecherchen zur allgemeinen Situa-tion vor Ort durchgeführt und in Form von Standortprofilen ausgearbei-tet, z.B. über das Verkehrsaufkommen, die wirtschaftlichen Gegebenhei-ten in der Innenstadt und die potentiellen Auswirkungen einer Umge-hungsstraße für den Wirtschaftsverkehr, das vorliegende Abfallwirt-schaftskonzept, Angebote der umliegenden Entsorgungsräume oder die

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Einwohnerstruktur einer Siedlung, um daraus Ansprüche an das Umfeldableiten zu können. Als Grundlage können bereits vorhandene Materia-lien und Daten herangezogen werden, die bei Bedarf um weitere, auf dasMediationsverfahren bezogene Erhebungen oder Gutachten, soweit sievom Auftraggeber finanziert werden, ergänzt werden können.

Zur vertiefenden Konzeption und Verfahrensvorbereitung gehört es, her-auszufinden, welches die jeweiligen Interessen- bzw. Konfliktparteiensind, ihre Positionen zu erfragen und sie für eine Mitwirkung an einemdiskursiven Verfahren zu gewinnen. Einige der zu beteiligenden Parteienstehen meist schon fest bzw. sind bekannt. Hierzu gehören z.B. die Ver-treterInnen der Fachplanung, bereits organisierte Bürgerinitiativen undvon der Planung berührte Vereine und Interessenverbände, die teilweiseidentisch sein können mit den sogenannten Trägern öffentlicher Belange,d.h. Fachbehörden und Verbände, die auch in förmlichen Planungsver-fahren um Stellungnahmen zu den Vorhaben gebeten werden. Darüberhinaus gibt es aber meist noch zahlreiche weitere Interessen, die es zuberücksichtigen gilt. Welche das sind, ergibt sich aus Gesprächen derMediatorInnen mit Personen vor Ort, die weitere AnsprechpartnerInnennennen können. Hierbei geht das Interesse einer Mediation oftmals übereinen planungstechnischen und/oder ingenieurwissenschaftlichen Zu-gang hinaus und bietet die Chance, verstärkt auch andere, z.B. sozialeAspekte einzubeziehen.

Da es in einem Mediationsverfahren darum geht, alle wichtigen Interes-sen angemessen über RepräsentantInnen zu beteiligen, sollten die folgen-den Fragen geklärt werden (vgl. Glasl 1997, S. 105ff.). Je nach Aufgaben-stellung sind diese Fragen zu modifizieren und zu ergänzen.

Wer ist wie in das Vorhaben bzw. in die damit verbundenenInteressenkonstellationen involviert?

• Wer sind die betroffenen Interessengruppen bzw. die zu beteiligendenParteien?

• Wie sind die beteiligten Interessengruppen organisiert, z.B. als Partei,Amt, Kirchengruppe, Bürgerinitiative oder Verein? Gibt es darüber hin-aus wichtige Einzelpersönlichkeiten, die die Interessen- bzw. Konflikt-landschaft beeinflussen?

• Wer sind die Kernpersonen und/oder MeinungsführerInnen der Interes-sengruppen?

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© Beate Günther

Abb. 10: Leitfragen zu den Interessengruppen bzw. Konfliktbeteiligten im Rahmen einerSituationsanalyse

• Welche Beziehung haben die RepräsentantInnen zu den Gruppenmitglie-dern, die sie repräsentieren sollen bzw. wollen? Sind sie z.B. als Reprä-sentantInnen anerkannt, oder vertreten sie pointiert eine Sondermeinung,die nur wenige mittragen? Folgt die Gruppe ihren Empfehlungen aus ei-ner Mediation?

• Sind die Interessengruppen deutlich voneinander abzugrenzen hinsicht-lich ihrer Positionen, ihrem Anliegen, der in ihnen vertretenen Personen?Gibt es in den Zielsetzungen und Anliegen Überschneidungen und/oderPersonen, die in mehreren beteiligten Parteien aktiv sind?

• Wie sind die Interessengruppen strukturiert? Gibt es Hierarchien? Wie lau-fen z.B. Entscheidungsprozesse ab?

• Wie stark sind die Parteien jeweils für sich betrachtet in den Konflikt ein-gebunden? Wie und in welchen „Arenen“ (siehe unten) agieren sie zumaktuellen Zeitpunkt?

• Welche Selbst- und Fremdwahrnehmung haben die Beteiligten von sichund anderen? Welche Rollen werden übernommen bzw. zugewiesen?

• Welche Interessenkoalitionen und/oder Konfliktlinien lassen sich zwi-schen den Beteiligten feststellen?

Kontaktaufnahme zu den Mediationsbeteiligten und aktivierendeInterviews

Die bereits genannten fachlichen Recherchen, die Information über An-sprechpartner, potentielle Verfahrensbeteiligte, ihre Positionen und Inter-essen werden häufig durch den Einsatz von Fragebögen in Verbindungmit aktivierenden Interviews ergänzt. Mit den aktivierenden Interviews(vgl. Bischoff u.a. 1996, S. 27) sollen sowohl Informationen gewonnenals auch Denk- und Handlungsprozesse angeregt und für eine Beteiligungan der Mediation geworben werden. Die Interviews können z.B. anhandeines kurzen Leitfadens durchgeführt werden, der speziell für die Situati-on formulierte Fragen enthält. Sichtweisen, Einschätzungen zur Selbst-und Fremdwahrnehmung der Konfliktbeteiligten sollen erfragt werden.Die MediatorInnen nehmen hierfür telefonisch Kontakt zu den gewünsch-ten GesprächspartnerInnen auf, erläutern ihr Vorhaben und vereinbareneinen Gesprächstermin. Die Gespräche werden protokolliert und vor ei-ner weiteren Bearbeitung/Auswertung ggf. den GesprächspartnerInnennoch einmal zur Kenntnis vorgelegt.

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Nachfolgend werden zwei unterschiedliche Leitfäden für Interviews vor-gestellt. Der erste war Bestandteil einer Mediation, die die Sanierung ei-ner mit dem Schadstoff PCB (polychlorierte Biphenyle) belasteten Grund-schule in Berlin betraf (vgl. Fallbeispiel A). Es galt, Konflikte zwischen denMitgliedern des Sanierungsbeirates (PCB-AG), der sich aus VertreterInnender Schulleitung, der Lehrerschaft, der Eltern und verschiedener Verwal-tungsabteilungen des Bezirkes zusammensetzte, zu vermitteln (Mediati-on mit dem Schwerpunkt Krisenmanagement). Die Interviews wurden mitden Mitgliedern der PCB-AG geführt.

Situationsanalyse im Vorfeld einer Mediation der PCB-AG an derGrundschule Moabit/Bezirk Tiergarten von Berlin

Interviewleitfragen:

I. Zum Sachverhalt der PCB-Belastung:1. Wie und wann haben Sie von der PCB-Belastung in der Grundschule

Moabit erfahren?2. Haben Sie /Ihr Kind die PCB-Belastung vor Bekanntwerden der Situation

bemerkt? Wenn ja, wie?3. Wie haben Sie auf den Verdacht bzw. das Wissen um die PCB-Belastung

reagiert?4. Welche Konsequenzen hat die PCB-Belastung auf den Schulbetrieb? Wie

gehen alle unmittelbar Betroffenen (SchülerInnen, LehrerInnen, Schullei-tung, Hausmeister, Reinigungspersonal, Eltern) mit dieser Situation um?

II. Schildern Sie aus Ihrer Sicht, wie sich die Suche nach Lösungen bisherentwickelt hat:

1. Beschreiben Sie bitte den bisherigen Ablauf sowie den aktuellen Sach-stand der Sanierungsbemühungen aus Ihrer Sicht.

2. Welche Hintergrundinformationen und andere Hilfestellungen gab es be-züglich der Bewertung der festgestellten PCB-Werte (Richt- und Grenz-wert-Diskussion)?

3. Haben sich die Mitglieder der AG auf eine gemeinsam getragene Bewer-tung des Belastungsausmaßes durch PCB verständigen können?

4. Welche Sanierungsziele wurden daraus abgeleitet? Inwieweit sind dieseinnerhalb der PCB-AG sowie in den durch sie vertretenen Gruppen/Ver-waltungsstellen konsensfähig?

5. Es wurde ein Auftrag an ein Ingenieurbüro zur Sanierungsplanung/-durch-führung vergeben. Welche Erwartungen haben Sie an die Zusammen-arbeit mit dem Ingenieurbüro?

6. Welche Aspekte/Aufgaben im Zusammenhang mit der PCB-Belastung lie-ßen sich bisher aus Ihrer Sicht gut bearbeiten, welche sind dagegen be-sonders problematisch (gewesen)?

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III. Zur Arbeit der PCB-AG und zum Einsatz von Mediation:1. Wie hat sich die PCB-AG zusammengefunden? Wie ist die Rückkopplung

zu der Elternschaft und dem Kollegium sowie zu anderen Stellen, Gremi-en usw. geregelt?

2. Welchen Arbeitsauftrag hat sich die AG gegeben? Wie wurde dieser „fort-geschrieben”?

3. Welche Absprachen und Regeln wurden für die Zusammenarbeit zwi-schen den Beteiligten getroffen? Sind diese schriftlich fixiert (z.B. in Pro-tokollen)?

4. Haben sich außerdem weitere, nicht ausdrücklich abgesprochene „Re-geln“ und „Traditionen“ herausgebildet, z.B. im Hinblick auf die Diskus-sionsführung, den Umgang mit Informationen/Öffentlichkeit, Zeitabspra-chen, Themenfestlegung, den Umgang mit Anregungen und Kritik, evtl.benötigte Mittel für Materialien und externe Beratung usw.?

5. Worin lagen bzw. liegen aus Ihrer Sicht die Stärken und/oder Problemein der gemeinsamen Arbeit?

6. Gab es bereits Ansätze, diese Probleme aufzulösen? Mit welchem Ergeb-nis?

7. Haben Sie Vorschläge für die Gestaltung der weiteren inhaltlichen undgemeinsamen Arbeit sowie für die Organisation dieser Zusammenarbeit?

8. Welche Gesichtspunkte sollten Ihrer Ansicht nach bei der Situations-analyse außer den hier angesprochenen noch berücksichtigt werden?

9. Haben Sie zuvor bereits von dem Einsatz von Mediation oder anderenVermittlungs- und Beteiligungsverfahren bei kontroversen Planungen oderin anderen Einsatzfeldern gehört? Welche Erwartungen haben Sie an denEinsatz der Mediation für die PCB-AG?

Berlin, 22.03.1996

Ein weiteres Beispiel dokumentiert einen Gesprächsleitfaden zur Einlei-tung einer Konzeptmediation zum Einsatz von Fördermitteln der Europäi-schen Union (EU) für die Stadtentwicklung in einem Fördergebiet, das zudrei ehemals Ostberliner Bezirken gehört. Vorbereitet wurde eine Bür-gerbeteiligung zum Einsatz dieser Mittel für Projekte zur ökologischen,sozialen und arbeitsmarktfördernden Entwicklung in benachteiligtenStadtquartieren. Die Interviews wurden mit VertreterInnen unterschiedli-cher Ämter der beteiligten drei Bezirke, von Vereinen und Stadtteilgrup-pen, Sanierungsträgern und Kirchengemeinden und mit weiterenMultiplikatorInnen aus dem Fördergebiet geführt. Das Mediationsverfah-ren zur Bürgerbeteiligung wird in Abschnitt 2. ausführlicher dargestellt.

© Beate GüntherAbb. 11: Interviewleitfragen

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EU-Gemeinschaftsinitiative URBANEntwicklungsschwerpunkt „Modellwerkstatt öko-soziale

Infrastruktur”

Interview-Leitfaden für Gespräche mit MitarbeiterInnen der Bezirksämter undMultiplikatorInnen im Fördergebiet zur Vorbereitung eines Beteiligungs- undMediationsverfahrens „Innovationswerkstatt“ für die Ausgestaltung und Um-setzung des Entwicklungsschwerpunktes (ES) 3

I. Informationen über das Fördergebiet:1. Welchen Bezug hat der/die InterviewpartnerIn zum Fördergebiet?2. Wie ist das Fördergebiet in diesem Rahmen einzuschätzen? Wie ist das

Gebiet zu charakterisieren hinsichtlich z.B.:a) lokaler Umweltsituationb) Wohnungsbestandc) Infrastruktur (Verkehrsanbindung, Einkaufs- und Versorgungsmöglich-

keiten etc.)d) sozialer Struktur (sozioökonomische Struktur der Bewohner, regiona-

le Identität, Problemgruppen im Viertel)e) sozialer Netzwerkef) sonstiger Merkmale

II. Problem- und Konfliktlandschaft im Fördergebiet:1. Welches sind Besonderheiten und funktionierende Strukturen im Förder-

gebiet (Viertel), die gestärkt werden sollten?2. Welches sind die dringlichsten Probleme im Fördergebiet (Viertel)?3. Welche Sofortmaßnahmen sind zur Bearbeitung der Probleme nötig? Was

ist langfristig nötig?4. Was sollte aus Sicht des Interviewpartners im ES 3 für das Fördergebiet

geleistet werden?5. Welche Probleme sollten/könnten im Rahmen des URBAN-Projektes an-

gegangen werden?

III. Projekte und Netzwerke im Fördergebiet:1. Welche Initiativen und Projekte gibt es im Fördergebiet (im Viertel)? Wel-

che Initiativen/Projekte sind für den ES 3 von URBAN besonders wichtig?2. Wer sollte in eine Diskussion über eine ökologische und soziale Stadt-

entwicklung in Ihrem Bezirk einbezogen werden? Wer sollte ein Mitspra-cherecht haben?

3. Wen sollten wir zu diesem Thema im Vorfeld noch befragen?

IV. Gestaltung der InnovationswerkstattDie Innovationswerkstätten dienen der Ideenfindung für Projekte im Rahmendes ES 3, der Begleitung der Projektauswahl sowie dem Ausgleich zwischenkonkurrierenden Interessen.

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1. In welchen thematischen Bereichen sollten Ihrer Ansicht nach Projektefür den ES 3 liegen?

„Grün im Kiez“ – Freiräume für Jugendliche, Kinder und Menschen imViertelökologisches Bauen und Sanierungrationelle Energieversorgungsozialverträgliche Verkehrsgestaltungkiezbezogene soziale Einrichtungen für spezielle Zielgruppen,und zwar:.............................................................................................andere, und zwar: ...............................................................................

2. Mit welchen Prioriäten sollten die Themen behandelt werden?3. Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen müssen Ihrer Ansicht

nach gegeben sein, damit die Innovationswerkstatt erfolgreich arbeitenkann?

Berlin, Juni/Juli 1996

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)Abb. 12: Interviewleitfragen zur Situationsanalyse im Rahmen des URBAN-Projektes

Der Stellenwert der Vorgespräche sollte nicht unterschätzt werden, dennsie sind häufig der erste, vertrauensbildende Kontakt zwischen Media-torInnen und MediationsteilnehmerInnen. Vor allem Interessenvertrete-rInnen, die bis dahin ihre Positionen aus ihrer Sicht nur unzureichendwahrgenommen sehen, begrüßen oftmals diese Form der Einbindung.

Jedoch werden gegenüber den MediatorInnen auch Vorbehalte bis hinzur Ablehnung einer Mediation geäußert, z.B. wenn Konfliktbeteiligteden Eindruck haben, sie sollen sich auf eine Akzeptanzbeschaffungs-maßnahme einlassen, oder wenn sie von vornherein bessere Chancendarin sehen, im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Planungsver-fahren oder vor Gericht ihre Interessen durchzusetzen, so daß sie nichtauf Kompromißlösungen im Zuge von Aushandlungsprozessen setzen.Die Prüfung, ob ein anderes strategisches Verhalten besser dazu geeig-net sein könnte, die jeweiligen Interessen zu realisieren, sollte offendiskutiert werden. Abgesehen davon, daß das Erstreiten von Rechtenvor Gericht mit Unsicherheiten, Zeitverlust, Kosten und ggf. politischenQuerelen verbunden sein kann, beraubt sich die Gruppe, die an einemMediationsverfahren nicht teilnimmt oder in dessen Verlauf aussteigt,eventuell wichtiger Informationszugänge und frühzeitiger Mitgestaltungs-möglichkeiten.26 In jedem Fall sollten die MediatorInnen die Vorbehal-te ernstnehmen und sowohl auf die Grenzen wie auf die Chancen einer

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Beteiligung verweisen. Die Entscheidung, ob jemand an dem Verfahrentatsächlich teilnimmt, bleibt jedoch letztlich den GesprächspartnerIn-nen entsprechend dem Freiwilligkeitsgrundsatz überlassen.

Zusammensetzung des Mediationsplenums

Auf der Basis der genannten Recherchen und Befragungen wird dasVerfahrenskonzept konkretisiert. Hierzu gehört u.a. die Benennung derInteressenrepräsentantInnen, aus denen sich die Mediationsrunde, meistals Runde Tische oder Foren bezeichnet, zusammensetzen soll. Die Be-zeichnungen für dieses Plenum werden nicht einheitlich benutzt und sindzum Teil auch mit anderen Verfahrensansprüchen belegt (vgl. Renn199627 ). Dies gilt z.B. für das Selbstverständnis und die Funktionszuwei-sungen für Runde Tische aus den Wendeerfahrungen in den neuen Bun-desländern. Nachfolgend soll unter einem Runden Tisch dennoch dasPlenum der am Mediationsverfahren beteiligten InteressenvertreterInnenverstanden werden.

Die Vorentscheidung über die Zusammensetzung der Mediationsrundetreffen die MediatorInnen. Korrekturen und Nachbenennungen werdenbei Bedarf noch zu Beginn der Arbeitsphase des Runden Tisches mit denbis dahin Beteiligten abgestimmt. Es wird seitens der MediatorInnen auchdarauf geachtet, daß z.B. neben personen- oder institutionenbezogenenPartikularinteressen auch Gemeinwohlinteressen, z.B. Gesundheits-schutz, Naturschutz, soziale Belange usw., angemessen in den Mediati-onsprozeß eingebracht werden.

Umweltmediationsverfahren werden meist von relativ großen Gruppenvon ca. 25 bis 40 Personen, in Einzelfällen sogar mehr, getragen. Es mußregelmäßig eine Abwägung zwischen einem möglichst vollständigen Ein-bezug der betroffenen Interessen und einer Teilnehmerbegrenzung zugun-sten der Arbeitsfähigkeit der Gruppe erfolgen. Eine Möglichkeit, dem gro-ßen Informationsbedarf bei öffentlichen Verfahren entgegenzukommen,ist die Einrichtung eines Innenkreises, der dem Mediationsplenum ent-spricht, und eines Außenkreises, in dem Gäste und StellvertreterInnen derim Innenkreis vertretenen InteressenrepräsentantInnen die Sitzungen ohneRederecht mitverfolgen können28 (vgl. z.B. Sellnow 1997, S. 15f.). Obeine solche Regelung getroffen werden sollte, ist Gegenstand der Ge-schäftsordnung.

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Umweltmediationsverfahren unterscheiden sich hierin von Verfahren inanderen Mediationsfeldern, z.B. beim Täter-Opfer-Ausgleich oder derFamilienmediation, in denen die an dem Delikt oder an der Trennungoder Scheidung Beteiligten zusammen mit den MediatorInnen in einerrelativ intimen Situation verhandeln. Die einzelnen Verhandlungen eben-so wie ihre Ergebnisse sind i.d.R. nicht von öffentlichem Interesse. Hierinliegt ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Umweltmediation. DieGruppengröße bestimmt außerdem die Arbeitsformen und den Umgangmit Informationen, Standpunkten, Konflikten wesentlich mit. Neben demMediationsplenum können z.B. bei Verfahren, die die Interessen einergrößeren Region oder mehrerer Standortkommunen betreffen, auch Re-gionalgruppen und thematische Arbeitskreise eingerichtet werden. Außer-dem ist meist ein Projektbüro vor Ort tätig, von dem aus Mitglieder desbeauftragten Mediationsteams das Verfahren betreuen und als Ansprech-partner zur Verfügung stehen (vgl. Barbian u.a. 1998; Gaßner/Henschel1994).

Konkretisierung des Verfahrenskonzeptes im Situationsbericht

Die Ergebnisse der aktivierenden Interviews oder der Fragebögen werdenausgewertet, schriftlich festgehalten und fallbezogen in mehr oder weni-ger anonymisierter Form den Befragten zurückgespiegelt. Sie sollten ge-meinsam mit den fachlichen Recherchen, mit Erläuterungen zu den Ziel-setzungen, Aufgaben, inhaltlichen Schwerpunkten und dem vorläufiggeplanten Ablauf der Mediation sowie mit Vorschlägen für die Zusam-mensetzung des Runden Tisches und einem Geschäftsordnungsentwurfin einem Situationsbericht zusammengestellt werden. Dieser Situations-bericht ist dann das Ergebnis der Vorbereitungsphase und wird bei öffent-lichen Verfahren meist allen Beteiligten und weiteren Interessierten zurVerfügung gestellt. Mit einer sachbezogenen, fairen, die Beteiligten nichtbloßstellenden Darlegung der Interessen- bzw. Konfliktlage belegen dieMediatorInnen auch hier ihren Allparteilichkeits- bzw. Neutralitätsan-spruch. Rückmeldungen und Ergänzungen zum Situationsbericht sindgewünscht. Der Situationsbericht bildet eine wichtige Grundlage für dieweiteren Arbeitsschritte.

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Arbeitsphase des Runden Tisches: Konfliktbearbeitung und Interessen-ausgleich, Erarbeitung von Verhandlungs- und Handlungsoptionen

Festlegung des Arbeitsprogramms und der Geschäftsordnung

Die Vorbereitungsphase mündet in die Einberufung des Mediationsple-nums, des Runden Tisches. Mediationsverfahren sind in vielfacher Hin-sicht individuelle und gruppenbezogene Lern- und Planungsprozesse, fürdie die MediatorInnen den Rahmen vorgeben, die Verfahren inhaltlichund organisatorisch ausgestalten und anleiten. In welchem Umfang siedabei selbst konzeptionelle oder inhaltliche Vorgaben einbringen unddiese zur Diskussion stellen, hängt vom jeweiligen Selbstverständnis undden zu bearbeitenden Aufgaben ab. Da Umweltmediationsverfahren je-doch zur Lösung vorgegebener oder gemeinsam definierter Planungsauf-gaben oder strittiger Sachprobleme eingesetzt werden, sollen die Verfah-ren zwar in bezug auf die Art des Ergebnisses offen, dennoch aber ziel-orientiert auf die Aufgaben bezogen durchgeführt werden. Umweltme-diationsverfahren haben daher i.d.R. einen zeitlich begrenzten Projekt-charakter. Hierin unterscheiden sich die Runden Tische einer Mediationz.B. von den Runden Tischen in der Wende-Tradition, die zu dieser Zeitpolitische Entscheidungsmacht wahrgenommen haben, sowie von eini-gen derzeit einberufenen Runden Tischen in den neuen Bundesländern,die oftmals den Charakter langfristig eingerichteter Beiräte, z.B. in Kom-munen oder auf Landesebene, haben (vgl. Ullmann 1996).

Die Betreuung eines Mediationsverfahrens erfordert ein gutes Verfahrens-und Veranstaltungsmanagement einschließlich einer durchdachten Logi-stik. Umweltmediationsverfahren können sich z.B. bei einem etwa vier-wöchigen Sitzungsturnus über wenige Monate bis hin zu mehreren Jah-ren erstrecken. Da die meisten Verfahren aufgaben-, d.h. projektgebun-den durchgeführt werden, wird eine zeitliche Begrenzung auf einen an-gemessenen Planungshorizont, bei Standortsuchen z.B. von einem hal-ben Jahr bis eineinhalb Jahre, angestrebt.

Bei der Wahl der Veranstaltungszeiten, -räumlichkeiten usw. muß auf diezeitliche Verfügbarkeit der Mitwirkenden ebenso geachtet werden wiez.B. auf Ferienregelungen, Anfahrtswege, die Saaltechnik oder Verpfle-gungsmöglichkeiten. So sind zusätzliche Abendtermine zwar bei haupt-amtlich Beteiligten, z.B. aus der Verwaltung oder der Geschäftsstelle ei-nes Naturschutzvereins, nicht sonderlich beliebt, aber andere Berufstäti-

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ge haben nur zu dieser Zeit die Chance, sich zu beteiligen. Da die Sit-zungen allen Beteiligten auf unterschiedliche Weise Arbeit, Geduld, To-leranz und Durchhaltevermögen abverlangen, sollte das Ambientezweckmäßig und angenehm sein. Ungeheizte Säle, eine schlechte Aku-stik und fehlende Pausengetränke können eine mehrstündige Sitzung er-heblich belasten.

Die Auftaktsitzung des Runden Tisches dient dazu, daß sich die Beteilig-ten kennenlernen und die inhaltlichen und organisatorischen Grundla-gen für die gemeinsame Arbeit vorläufig miteinander abstimmen. DieMediationspraxis läßt den Schluß zu, daß mindestens ein bis zwei Me-diationssitzungen notwendig sind, sich am Runden Tisch auf der Basis derVorschläge aus der Vorbereitungsphase über die Spielregeln des Mediati-onsverfahrens und seine Zielsetzungen, Aufgaben und Arbeitsschwer-punkte zu verständigen. Die MediatorInnen bzw. das Mediationsteamschlagen i.d.R. ein vorläufiges Arbeitsprogramm vor, das im Zuge desVerfahrensverlaufs in Abstimmung mit den TeilnehmerInnen aktualisiertund fortgeschrieben wird.

Weiterhin ist es notwendig, daß sich die TeilnehmerInnen des RundenTisches und die MediatorInnen darüber verständigen, auf welche Pla-nungsebenen und ggf. Konfliktbereiche sich die gemeinsame Arbeit be-ziehen soll. Damit klärt man frühzeitig ab, was möglichst erfolgreich be-arbeitet werden kann bzw. welche Aspekte aller Erfahrung nach außer-halb der gegebenen Beeinflussungsmöglichkeiten liegen. So kann mansich z.B. über die Folgen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Vor-behandlung von Siedlungsabfall, über EU-Fördervorgaben für eine Stadt-teilentwicklung oder die Arbeitsmarktförderung des Bundes streiten, eswird jedoch kaum möglich sein, diese auf regionaler oder kommunalerEbene außer Kraft zu setzen. Es sollte statt dessen darauf geachtet wer-den, welche Konflikte und Interessenlagen zugänglich sind und wie dieBeteiligten kreativ, aber rechtlich abgesichert mit diesen Bedingungenumgehen können. Es bleibt darüber hinaus immer noch der Weg, überpolitisches Engagement, z.B. in Form von Resolutionen oder gezielterÖffentlichkeitsarbeit, diesen Rahmen zu erweitern.

Die Spielregeln der Zusammenarbeit sollten in einer überschaubaren, derAufgabe angemessenen Geschäftsordnung festgelegt und um den vorläu-figen Arbeitsplan ergänzt werden.

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Die Geschäftsordnung eines Runden Tischesregelt u.a. folgende Punkte:

• Im Verlauf der gemeinsamen Arbeit zu behandelnde Fragestellungen undeinen vorläufigen Arbeitsplan (ggf. als Anlage)

• Umgang mit und Zugang zu Informationen (z.B. Gutachten, Planungsun-terlagen, Protokolle, Verfahrensdokumentation)

• öffentliches und nichtöffentliches Tagen des Runden Tisches• Kompetenzen der MediatorInnen (Verfahrenssteuerung, Veranstaltungs-

leitung)• Rederecht für Gäste• Presse- und Öffentlichkeitsarbeit• Meinungsbildungs- und Abstimmungsmodalitäten• Einladungs- und Arbeitsformen• allgemeine Verpflichtungen zu fairem Umgang aller Beteiligten mitein-

ander (Verbindlichkeit der Teilnahme, Kommunikationsrechte und Pflich-ten)

• Umgang mit ggf. vorhandenen Finanzmitteln, die dem Runden Tisch zurVerfügung stehen (Fonds)

• Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der Spielregeln

© Beate Günther

Abb. 13: Inhalt einer Geschäftsordnung für einen Runden Tisch

Arbeitsformen des Runden Tisches

Auf der inhaltlichen Ebene spielen der bereits mehrfach erwähnte gleich-berechtigte Zugang zu Informationen sowie die Chance, die eigenenSichtweisen in die Diskussion einzubringen, eine wichtige Rolle. Dieverschiedenen Informations- und Mitteilungsbedarfe und die damit mög-licherweise verbundenen Vorwürfe einzelner Beteiligter, in der Sache vonanderen (vorsätzlich) nicht umfassend genug informiert oder unzurei-chend wahrgenommen worden zu sein, müssen mit Unterstützung derMediatorInnen aufgearbeitet werden. Diese Informationsarbeit kann Ko-pier- und Versandaktionen von bereits vorliegenden Plänen und Gutach-ten ebenso umfassen wie die Organisation eines ExpertInnenhearings, dieBeauftragung und Anhörung zusätzlicher Gutachter oder die Ausrichtungeiner Exkursion. Es kann aber auch schon ausreichen, Kurzreferate ein-zelner Verfahrensbeteiligter, z.B. VertreterInnen des Stadtplanungsamtesoder der Bürgerinitiative, für die nächste Sitzung zu vereinbaren.

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Um in großen Gruppen innerhalb der Sitzungstermine neben Informati-onsaustausch, Diskussionen und ggf. Abstimmungen im Plenum aucheinzelne Fragestellungen inhaltlich erarbeiten zu können, ist es oftmalssinnvoll, das Plenum in Arbeitsgruppen aufzuteilen. Arbeitstechnischkönnen innerhalb des Mediationsprozesses aufgabenbezogen und teil-nehmerorientiert die Methodenvielfalt der Erwachsenenbildung, anderePartizipationsmethoden, Rollenspiele, geleitete Meditationen usw. inte-griert werden. Das gleiche gilt für den Einsatz von Moderationsmetho-den und Präsentationstechniken.

Es braucht meist einige Sitzungstermine, bis sich ein Gruppenverständ-nis und eine tragfähige Arbeitsbasis entwickelt haben. Wie gut und schnellsich diese entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab, z.B. von denKonfliktpotentialen und der Komplexität der Aufgaben bzw. Vorhaben.Die Zusammenarbeit verändert sich im Verlauf der Mediation qualitativund wird, nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Begegnungen der Be-teiligten, intensiver. In den Arbeitszusammenhang sinnvoll eingeplantelängere gemeinsame Arbeitsphasen, z.B. Exkursionen oder auch längereWorkshops, die genügend Zeit für „Pausengespräche“ lassen, können die-se Entwicklung fördern.

Auch wenn der Runde Tisch als das Herzstück jedes Mediationsprozes-ses angesehen werden kann, wird dessen Arbeit vor allem in größerenUmweltmediationsverfahren von zahlreichen anderen Veranstaltungsfor-men begleitet, zu denen auch andere Beteiligungsverfahren wie z.B. Zu-kunftswerkstätten oder Aktivitäten der klassischen Öffentlichkeitsarbeitgehören können. Im Vorfeld von Mediationsverfahren zu raumplaneri-schen Fragestellungen, z.B. Sanierungsvorhaben, Standortsuchen oderTrassenführungen, werden die ingenieurtechnischen Unterlagen allge-meinverständlich aufbereitet, Informationsmaterialien, Modelle und Kar-ten an öffentlich zugänglichen Stellen ausgelegt und die interessiertenBürgerInnen, Ämter und Träger öffentlicher Belange um ihre Meinung ge-beten. Auf diese Weise werden oftmals zusätzlich zu der gesetzlich vor-gesehenen Bürgerbeteiligung erweiterte Auslegungs- und Einwendungs-verfahren angeboten, oder diese werden erweitert.

Da Runde Tische immer nur eine begrenzte Öffentlichkeit erreichen, bie-tet es sich z.B. an, zusätzlich Informationsveranstaltungen oder Work-shops zu Zwischenergebnissen oder speziellen Themen für die interes-

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sierte Öffentlichkeit zu veranstalten. Je nach Thema sollte der Runde Tischüber gewählte SprecherInnen und/oder die MediatorInnen eine offensivePressearbeit leisten, um die häufig sperrigen Themen möglichst sachlichrichtig in die Medien zu bringen.

Ebenen der Konfliktmittlung und des Interessenausgleichs

Es kann an dieser Stelle keine umfassende Einführung in Konflikttheorienund Konfliktbearbeitung gegeben werden. Dennoch sollen einige wesent-liche Aspekte zumindest benannt werden und zur weiteren Vertiefunganregen.

Umweltbezogene Konflikte können als soziale Konflikte beschriebenwerden. Soziale Konflikte können in Interaktionen zwischen Personen,Gruppen oder Organisationen entstehen, wobei wenigstens eine ParteiUnvereinbarkeiten im Denken, Verstehen, Wahrnehmen und/oder Füh-len und/oder Wollen mit anderen Parteien erlebt und sich dadurch in derRealisierung eigener Absichten, Gefühle usw. negativ beeinträchtigt sieht.Zu den Interaktionen dieser Art zählen nicht allein eindeutige physischeGewaltanwendungen, sondern auch viele andere Formen der Kommuni-kation und des Umgangs miteinander (vgl. Glasl 1997, S. 15ff.).

Auch wenn Interessengegensätze, um die es in dem hier diskutierten Zu-sammenhang geht, nicht notwendigerweise zu i.d.R. verbalen Angriffenund anderen Konflikthandlungen führen müssen, enthalten sie doch einmehr oder weniger großes Konfliktpotential. So können z.B. verschiede-ne Ideen zur nachhaltigen Stadtentwicklung so lange gut nebeneinanderBestand haben, wie sie nicht über Programme und Projekte um Sachdien-lichkeit, öffentliche/politische Zustimmung und Finanzen konkurrieren.Es kann sich also lohnen, sich unter dieser Erwartung bereits auf konzep-tioneller Ebene mit den Konfliktpotentialen zu befassen und mit diesensoweit wie möglich produktiv umzugehen.

Die Aufschlüsselung und Eingrenzung der Konflikte bzw. der unterschied-lichen Interessenlagen sowie die Vereinbarung über das gemeinsameVorgehen zu ihrer Bearbeitung sind wesentliche Schritte zu Beginn einesMediationsverfahrens. Hilfreich hierfür und für die daraus zu ziehendenKonsequenzen der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen

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und der Konfliktbearbeitung ist es, sich über den Konfliktrahmen sowiedie anstehenden Konflikttypen zu orientieren (vgl. Glasl 1997, S. 47ff.29 ).

Für die Konfliktsituation kann zunächst der Konfliktrahmen bzw. die Are-na, in der sich die Konflikte zeigen, bestimmt werden.

Merkmale

• Konflikte, die sich zwischen zweioder mehreren Einzelpersonen oderin kleinen Gruppen abspielen

• überschaubares Beziehungsgefüge• direkter Kontakt

• Konflikte, die sich zwischen denKleingruppen sozialer Einrichtungenmittlerer Größe (Schulen, Behörden,Firmen) manifestieren

• Konflikte zwischen kleineren Einhei-ten dieser Einrichtungen (z.B. zwi-schen einzelnen Teams, Abteilungen,VertreterInnen dieser Einheiten)

• oft sind keine direkten Kontakte mehrmöglich

• geringer oder kein persönlicherKontakt

• Kommunikation über Gruppenvertre-terInnen („Debattenreden von Volks-tribunen für ihre Parteien”)

• die Ziele, Strukturen, Aufgaben undAbläufe der Organisationen bestim-men das Geschehen wesentlich mit

• auch bestehende mikro-sozialeKonflikte werden überlagert

• Konflikte, die sich zwischen verschie-denen Organisationen und Kollekti-ven quasi öffentlich abspielen

• komplexe Situation: mehrere Kom-plexitätsniveaus sind miteinanderverschachtelt

• EinzelvertreterInnen der Organisatio-nen und Gruppen agieren ausdrück-lich vor den verschiedenen Ansprü-chen ihrer gesellschaftlichen Rollenund persönlichen Dispositionen

• erhöhter Zwang zur Rückkopplung indie vertretenen Gruppen

• öffentlicher Aktionsrahmen, Politikund Medien bestimmen oftmals dieKommunikation mit

Beispiel

• Konflikte in kleinen Teams• Familienkonflikte• Situation im Täter-Opfer-

Ausgleich zwischen Straffälli-gen, Opfern und ggf. Justizver-treterInnen

• Streit über ein Vermarktungs-konzept zwischen Produktions-und Marketingabteilung, aus-getragen über die Abteilungs-leiterInnen

• Konflikte zwischen den Mitglie-dern eines ämterübergreifen-den Planungsstabes der Ver-waltung

• Konflikte zwischen Verwaltung,Parteien, BürgerInnen, Exper-tInnen, z.B. über Fragen derVerkehrsentwicklung in derInnenstadt

• Konflikte zwischen den Betei-ligten und Betroffenen zurErrichtung technischer Analgen

• Konflikte zwischen Sportverein,Schulen und Gastronomie überdie Nutzung einer privatenSporthalle

• Konflikt zwischen landwirt-schaftlichen Betrieben, Markt-betreiber und lokalem Wirt-schaftsamt über die Beschik-kung des Ökomarktes

Beziehungsrahmen

Mikro-sozialeArena

Meso-sozialeArena

Makro-sozialeArena

© Beate Günther

Abb. 14: Die Konfliktarena: Mikro-, Meso- und Makrokonflikte (eigene Darstellung mitBezug auf Glasl 1997, S. 60ff.)

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Für die Bestimmung des Konfliktrahmens ist es entscheidend, ob dieKonflikthandlung innerhalb eines kleinen sozialen Rahmens zum Tragenkommt oder ob sie die Funktionen eines größeren sozialen Feldes beein-trächtigt. Je großräumiger die Arena ist, in der die Konflikte ausgetragenwerden, desto komplexer und verschachtelter ist naturgemäß die Situati-on.

Umweltkonflikte manifestieren sich häufig als Konflikte der makro-sozia-len Arena, es sind Interessen verschiedener Akteursgruppen betroffen, undes besteht ein öffentliches Interesse an den Konfliktgegenständen. Sieenthalten jedoch auch Anteile der Meso- und Mikro-Ebene, die bei einernäheren Befassung mit der Situation und den involvierten Gruppen bzw.deren RepräsentantInnen zutage treten.

Destruktive und konstruktive Konfliktaustragung, Konflikttypen

Konflikte werden von vielen Menschen als störend, unangenehm unddestruktiv wahrgenommen. Die Vorstellung von einer Welt ohne Konflikteist jedoch unrealistisch, und ein solcher Zustand wäre auch nicht beson-ders erstrebenswert, da Konflikte, wenn sie konstruktiv ausgetragen wer-den, sehr viel kreatives Potential freisetzen und somit die Basis für Verän-derungen sein können. Im Rahmen von Mediationsverfahren geht es da-her auch nicht darum, Konflikte und Interessengegensätze zu vermeidenoder zu unterdrücken, sondern vielmehr darum, sie als Ansatzpunkte fürdie Suche nach sachdienlichen und weitgehend tolerierten bis akzeptier-ten Lösungen zu nutzen.

Eine destruktive Konfliktaustragung zeichnet sich u.a. dadurch aus, daßInteressengegensätze in Meinungsverschiedenheiten münden, bei denenzwischen den sachbezogenen Streitinhalten und der Person oder Institu-tion des Streitpartners nicht mehr unterschieden wird. Dadurch wird imVerlauf der Auseinandersetzung die jeweils andere Person oder Instituti-on zunehmend als Problem gesehen.

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Daher ist es für eine konstruktive Konfliktbearbeitung notwendig, sichgemeinsam darüber zu verständigen, was das Problem ist, worum es „ei-gentlich“ geht, und die Aufgaben und Probleme dann unter diesen Vor-aussetzungen in einer gemeinsamen Anstrengung zu bearbeiten.

Es sollte für eine konstruktive Konfliktbearbeitung auch angestrebt wer-den, nicht nur zwischen Personen und Problemen, sondern auch zwi-schen Positionen und Interessen zu unterscheiden (vgl. Fischer/Ury 1984).So kann z.B. ein Landwirt, auf dessen Gelände eine Abfalldeponie ge-baut werden soll, sich für deren Bau aussprechen (Position zum Vorha-ben), weil er bei einer positiven Entscheidung unrentables Land veräu-ßern kann (Interesse), während seine Nachbarn sich dagegen aussprechen(Position), weil sie ein negatives Image für ihre landwirtschaftlichen Pro-dukte vermeiden möchten (Interesse).

Sicherte z.B. der Landkreis als Deponiebetreiber den Landwirten eineAbnahmegarantie für ihre Produkte durch die kreiseigenen Kantinen zu,da für das angebaute Gemüse keine Belastungen zu erwarten sind, wür-den diese Landwirte mit einer Deponieansiedlung eher einverstanden seinkönnen. Auf diese Weise ließe sich für alle Beteiligten eine sogenanntewin-win-Lösung realisieren, bei der es also nicht Gewinner und Verlierernach dem Prinzip „entweder – oder“ geben soll, sondern nach dem Prin-

© Christoph Besemer (1995, S. 25)

Abb. 16: Konstruktive Konfliktaustragung: Die Probleme werden erkannt und gemeinsamgelöst.

B

AProblem

© Christoph Besemer (1995, S. 24)

Abb. 15: Destruktive Konfliktaustragung: Die andere Person oder Institution wird als dasProblem gesehen.

B

A

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zip „sowohl – als auch“ möglichst viele Interessen unter einen Hut ge-bracht werden.

Ergänzend zu den genannten Überlegungen kann es für eine Konflikt-bzw. eine Situationsanalyse hilfreich sein, die anstehenden Konflikte ver-schiedenen Konflikttypen zuzuordnen. Auch hierfür hält die Literatur viel-fältige systematische Ansätze bereit. Sie sollten unter pragmatischenAspekten (Was hilft in der konkreten Situation zum Erfassen und zumBearbeiten der Konflikte weiter?) zur Orientierung und zur Entwicklungeiner Konfliktbearbeitungsstrategie geprüft und herangezogen werden.

In einem ersten Zugriff sollte davon ausgegangen werden, daß Konflikteimmer einen Sachanteil und einen Beziehungsanteil haben, die mitbe-stimmt werden durch die Wertvorstellungen der Beteiligten sowie diesozialen, politischen und weiteren Faktoren des Lebensumfeldes. Hierausläßt sich z.B. die folgende Konflikttypisierung herleiten (vgl. Fischer/Ury1984, S. 83ff.; Wiedemann 1995, S. 35ff.; Besemer 1995, S. 27).

Viele Konfliktsituationen sind u.a. deshalb komplex, weil sie von mehre-ren Konflikttypen bestimmt werden. In Umweltmediationsverfahren wer-den i.d.R. Konflikte ausgetragen, die von politischen, wirtschaftlichen,rechtlichen und auch ästhetischen Aspekten sowie von verschiedenenWertvorstellungen geprägt sind. Mediationsverfahren zur Standortsuchefür abfallwirtschaftliche Anlagen werden z.B. durch ein unterschiedlichesRisikoempfinden für potentiell negative Umweltauswirkungen der ver-schiedenen Abfallbehandlungsanlagen (giftige Rauchgase aus thermi-schen Behandlungsanlagen, Sachverhaltskonflikte, z.T. Werte-Konflikte,Geruchsbelästigung durch Kompostierung, Lärm durch Müllfahrzeugeusw.) bestimmt, außerdem durch Mißtrauen von Anwohnern und Um-weltschützern in die eingesetzte Technik und deren Handhabung durchdie Betreiber solcher Anlagen, da deren Handeln als nicht ausreichendtransparent empfunden wird (Sachverhaltskonflikt, Strukturkonflikt gegen-über „der Entsorgungsindustrie“ oder „denen da oben“, die die Entschei-dungen treffen und die Folgen nicht kontrollieren (können)).

Damit zum einen die Beteiligten in einem Mediationsprozeß den Sach-bezug in der Problembearbeitung erreichen und zum anderen eine ge-deihliche Zusammenarbeit überhaupt ermöglicht werden kann, ist esnotwendig, die gegenseitigen Vorbehalte und Positionen daraufhin zu

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Sachverhaltskonfliktesind verursacht durch• Mangel an Information• Fehlinformation• unterschiedliche Einschätzungen darüber, was wichtig ist• unterschiedliche Interpretation von Daten• unterschiedliche Vorgehensweise zur Bewertung der Situation, der Da-

ten usw.

Interessenkonfliktesind verursacht durch• angenommene oder tatsächliche Konkurrenz• reale inhaltliche Interessen• Verfahrensinteressen/strategische Interessen• psychologische Interessen

Beziehungskonfliktesind verursacht durch• starke Gefühle• Fehlwahrnehmungen oder Stereotypen• mangelnde oder fehlerhafte Kommunikation• wiederholtes als negativ empfundenes Verhalten

Wertekonfliktesind verursacht durch• verschiedene Kriterien zur Bewertung von Ideen oder Verhalten• sich ausschließende, widersprechende Ziele innerer Werte der Beteilig-

ten• unterschiedliche Lebensformen, Ideologien und Religionen

Strukturkonfliktesind verursacht durch• ungleiche Kontrolle, Eigentumsverhältnisse oder Verteilung von Ressour-

cen• ungleiche Macht und Autorität• geographische, physische oder umfeldbezogene Faktoren, die die Zusam-

menarbeit behindern• Zeitzwänge• destruktive Verhaltens- oder Interaktionsmuster

© Beate Günther

Abb. 17: Beispiel für eine Typisierung von Konflikten (nach Besemer 199530 , S. 31, verän-dert)

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prüfen, welche Bereiche eher der Sachebene und welche eher der Bezie-hungsebene zugerechnet werden können. Steckt z.B. hinter den Vorbe-halten des Bauamtsleiters gegen einen Sanierungsvorschlag nur die sach-bezogene Befürchtung, diese sei zu teuer, oder lehnt er auch oder imwesentlichen den Vorschlag deshalb ab, weil er seit Jahren mit dem Ar-chitekten nicht gern zusammenarbeitet? Fällt es zwei PolitikerInnenschwer, miteinander über die zukünftige Verkehrsgestaltung im Innen-stadtbereich zu sprechen, weil sie sich im letzten Wahlkampf über diePresse persönlich beleidigt haben?

Beziehungskonflikte drücken sich darin aus, wie die Beteiligten mitein-ander umgehen. Sie beruhen vor allem auf der unterschiedlichen eige-nen und fremden Wahrnehmung der Personen in ihren verschiedenenRollen. Diese Rollenzuweisungen werden häufig nicht ausdrücklich ge-nannt oder aber als Klischees in Diskussionen eingesetzt.

Für einige Mitglieder eines Runden Tisches zur nachhaltigen Stadtteilent-wicklung könnte sich folgende Zusammenstellung ergeben:

Beteiligte

Sanierungsträger

Bauplanungsamt

Amt für Wirt-schaftsförderung

Mieterverein

ParteienvertreterIn

Fremdeinschätzung

profitorientierter Dienstleister,der sich selbst ein Denkmalsetzen will

dem Behördenschimmel ver-pflichtet, unflexibel, ängstlichund bürgerfern

zu einseitige Wahrnehmungder Stadtnutzung als Wirt-schaftsraum, weist non-profit-Ideen als irrelevant/störend zu-rück

Unterstützer/Blockierer von fi-nanziell tragfähigen Maßnah-men

der Wahlperiode und Parteiin-teressen verpflichtet, opportu-nistisch auf Lobbyismus undStimmenfang aus

Selbsteinschätzung

Anbieter von kompetentenund kreativen Gestaltungs-ideen/Problemlösungen

sachorientierte Planer undEntscheidungsträger, auffachliche, finanzielle Ange-messenheit und baurechtli-che Sicherheit bedacht

dem wirtschaftlichen Wohl-ergehen der Stadt bzw. seinerGewerbetreibenden ver-pflichtet

Anwalt der Mieter im Gebiet,dem Schutz vor Übervortei-lung der wirtschaftlichSchwächeren verpflichtet

rechtmäßige Mandatsträger,verantwortliche Entscheiderüber Pläne und Finanzen

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© Beate GüntherAbb. 18: Beispiele für die Selbst- und Fremdeinschätzung von MediationsteilnehmerInnen

BI für mehrGrün in der Stadt

Marketing-GemeinschaftHauptstraße

Anwohnervertre-tung des Sanie-rungsgebiets

ADAC

VertreterIn derKirchengemeinde

Elternbeirat derGrundschule

organisierte Bürgermeinungfür eine umwelt- und sozial-verträgliche Stadtgestaltung,dem Allgemeinwohl ver-pflichtet

engagierte Vertretung füreine attraktive und wirt-schaftlich tragfähige Ge-schäftsstraße

gewählte AlltagsexpertInnenfür Wünsche und Erfordernis-se im Sanierungsgebiet

Vertreter einer ausgewoge-nen, sicheren Verkehrswege-gestaltung

VertreterIn sozialer undkirchlicher Interessen, Unter-stützung z.B. von „schwä-cheren“ Anwohnergruppen

VertreterIn eines kinder-freundlichen und sicherenWohnumfeldes

Verhinderte Kleingärtner miteinseitigem Öko-Anspruch/Lobby für ein angenehmesWohnumfeld

einseitig am Geldsäckel orien-tierte Selbshilfeeinrichtung derGeschäftswelt

mäkelige, uneinige bis uninter-essierte Bewohnerlobby, dieGutes oft nicht zu schätzenweiß/Bürgervertretung derSanierungsbetroffenen, Einsatzfür deren Interessen im Sanie-rungsprozeß

Betonpistenorientierte Autofah-rerlobby/Lobby für eine ausrei-chende Parkraumplanung inder Innenstadt

fachlich nur begrenzt kompeten-te VertreterIn sozialer Belange

einseitige Interessenvertretungvon Schul- und Kinderinteres-sen, z.T. als Vehikel genutzt zureigenen Profilierung

Aus der Tabelle geht bereits hervor, daß die Typisierungen und Wahrneh-mungen je nach eigenem Standpunkt bzw. Interesse der Bewertendenunterschiedlich sein können. Die Typisierungen können bei bereits fest-gefahrenen Konfliktvorgeschichten („Mit dem/der konnte ich noch nie!“)und/oder sehr kontroversen Mediationsthemen, z.B. die Planung abfall-wirtschaftlicher Anlagen oder Sanierungsvorhaben (vgl. Grosser/Schmidt1994), auch sehr viel drastischer ausfallen, so daß z.B. Umweltschutz-gruppen seitens der Vorhabenträger als weltfremde Fortschrittsverhinde-rer, die Investoren aus der Gegenperspektive als rücksichtslose, techno-logiefixierte Geschäftemacher angesehen werden.

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Es kann daher sehr hilfreich sein, die jeweilige Selbst- und Fremdwahr-nehmung der Personen und der durch sie vertretenen Institutionen imVerlauf der Mediationssitzungen aufzubrechen und auch zu thematisie-ren. Die Durchbrechung der Vorannahmen und Stereotypen kann einegute Basis für die inhaltliche Arbeit sein. Hinter den Rollen werden ein-zelne Menschen und differenziertere Problemsichten erkennbar.

So wurde z.B. auf der Grundlage der oben dargelegten Interviewleitfra-gen im Rahmen der Situationsanalyse im Vorfeld einer Mediation derPCB-AG an der Grundschule Moabit (s.o.) erfaßt, welche Erfahrungen dieBeteiligten bisher bei der Lösung des Problems miteinander gemacht ha-ben. Die Interviews ergaben, daß in diesem Mediationsverfahren weni-ger Dissense in Sachfragen bestanden als wechselseitige Enttäuschungenund Kränkungen über die Art und Weise der Zusammenarbeit im Sanie-rungsbeirat. Es zeigten sich neben dem auch vorhandenen Verständnisfür die Haltungen der anderen Beteiligten unterschiedliche Wahrnehmun-gen und Erwartungshaltungen, die zum Teil stark von dem jeweiligen in-stitutionellen Rahmen geprägt waren. Die ElternvertreterInnen sahen ihreÄngste vor einer Gesundheitsbeeinträchtigung ihrer Kinder durch PCBunzureichend wahrgenommen, eben „typisch Behörde“. Die Vertreter desHochbauamtes schätzten hingegen den Kontrollanspruch der Eltern imHinblick auf die bei der Sanierung eingesetzten Baustoffe als in Teilenüberzogen und in der Sache nicht zielführend ein.

Als Ergebnis der Interviews wurden die unterschiedlichen Selbst- undFremdwahrnehmungen dargestellt und allen InterviewpartnerInnen vor-gelegt (vgl. Günther 199631 ). Dies erhöhte bei allen Beteiligten die Ein-sicht und das Verständnis für die unterschiedliche Wahrnehmung derSanierungsprobleme und ihrer Lösungen und ermöglichte es, in der Me-diation während der Beiratssitzungen auf die unterschiedlichen verwal-tungsbedingten Sachzwänge, Informationsbedarfe und Empfindlichkeiteneinzugehen.

Obwohl die Analyse der Konfliktebenen sehr wichtig ist, lassen sich Kon-flikte auf der Beziehungsebene zwischen den Personen oder der durchsie vertretenen Institutionen in Umweltmediationsverfahren jedoch nurso weit bearbeiten, wie die Offenlegung von z.B. Konfliktvorgeschichten,Streitebenen, Hintergrundinteressen usw. zur Lösung des Sachproblemsbeitragen (vgl. Günther 1997). Die Konfliktvorgeschichte zwischen den

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Beteiligten spielt in einen Mediationsprozeß hinein, muß von den Me-diatorInnen beachtet werden, kann aber nicht im Vordergrund stehen. Essollte keine Rückschau betrieben, sondern „nach vorn“ gearbeitet undverhandelt werden. Ein Umweltmediationsverfahren kann und darf au-ßerdem keine Therapie zur Bearbeitung persönlicher Probleme einzelnerBeteiligter sein. Wo im Einzelfall die Grenzen zu ziehen sind, läßt sichnicht pauschal entscheiden und hängt u.a. von den Aufgaben, den Betei-ligten und den MediatorInnen ab. Viele potentielle Verfahrensbeteiligtehaben erhebliche Vorbehalte gegen den Einbezug der persönlichen Ebe-ne und Formen der „Selbsterfahrung“. Sie drängen auf einen stringentenSachbezug in der Diskussion (vgl. Holznagel/Ramsauer 199732 ).

Die Bereitschaft der Beteiligten, sich auf Konfliktlösungen oder inhaltli-che Diskussionen einzulassen, die möglicherweise zu Kompromissen füh-ren, hängt auch davon ab, welchen Konfliktgewinn sie aus ihrer Positionziehen (vgl. Fietkau 1997; Glasl 1997, S. 147f.). Für Bürgerinitiativen, diesich mit dem Anliegen gegründet haben, eine Umgehungsstraße durch-zusetzen oder eine Hausmülldeponie zu verhindern, sind solche Konflikt-lagen identitätsstiftend. Das gilt natürlich auch für andere Akteure.„Schnelle“ oder „einfache“ Lösungen untergraben unter psychologischenAspekten die Existenzberechtigung dieser Akteure, erzeugen deshalb zu-nächst Widerstände und verlangen eine sorgfältige Problembearbeitung.

Für die MediatorInnen gilt es generell darauf zu achten, daß ihr Wissenund ihre Erfahrungen aus vergleichbaren Verfahren sie nicht zur verbal-argumentativ begründeten „Abkürzung“ von Gruppenprozessen verleiten.Beteiligte erleben den jeweiligen Konfliktfall subjektiv als einzigartig. Vie-le Aspekte, die den MediatorInnen vertraut sind, müssen dennoch in ei-nem gemeinsamen Lernprozeß mit der Gruppe bearbeitet werden, sei esnun die Geschäftsordnung oder seien es inhaltliche Fragen (vgl. Fietkau1997).

Problemlösungen und (Teil-)Konsense erarbeiten

Entsprechend der Zielsetzung, innerhalb eines Mediationsverfahrens eineweitgehende Transparenz bezüglich der mit einem Vorhaben verbunde-nen Interessenlagen herzustellen, um zu sachdienlichen Lösungen zukommen, wird versucht, die Interessen- und Konfliktlagen zielorientiert

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zu bearbeiten. Die MediatorInnen sind dafür verantwortlich, daß die Be-teiligten hierbei nicht bloßgestellt, ihre eigenen Grenzsetzungen entspre-chend der Freiwilligkeit einer Beteiligung akzeptiert und sie zur gemein-samen Entwicklung von Lösungen geführt werden. Die zu Beginn desMediationsverfahrens vereinbarten Spielregeln bzw. die Geschäftsord-nung sollen diesen Prozeß unterstützen.

Da Mediationsverfahren in der Regel dann eingesetzt werden, wenn esum schwierige Aufgabenstellungen und Konfliktlagen geht, kann nichterwartet werden, daß in allen strittigen Punkten einvernehmliche Lösun-gen erreicht werden. Als Erfolg sind auch Teillösungen bzw. Teilkonsense(„Konsensinseln“) zu bewerten. Die (Teil-)Konsense gehen ein in die Be-schlüsse des Forums bzw. des Runden Tisches. Diese werden, ggf. ver-bunden mit Minderheitsvoten, als entscheidungsvorbereitende Empfeh-lung den EntscheidungsträgerInnen in Verwaltung, Politik, Wirtschaft,Verbänden usw. zugeleitet.

Es sollte aber nicht nur auf die „Endprodukte“ der Verfahren geachtetwerden. Zwar sind z.B. Voten für eine von drei Trassenführungen einerUmgehungsstraße oder für bzw. gegen eine im Verlauf des Verfahrensmodifizierte Sanierungsvariante ein vorweisbares Resultat. Mediationsver-fahren leben aber auch von den im Verlauf des Gesamtprozesses erreich-ten Übereinkünften, seien es Konsense über das weitere Vorgehen, dieAuswahl von Gutachtern, Planungsmoratorien, den Einsatz von Finanz-mitteln oder andere prozeßbezogene Schritte. Weiterhin sollten natürlichdie konstruktive Bearbeitung von Konflikten sowie auch die allgemeineVerbesserung der Zusammenarbeit zwischen einzelnen beteiligten Per-sonen und Institutionen als Ergebnisse wahrgenommen werden.

In der klimatischen Verbesserung der Zusammenarbeit sehen viele Mit-wirkende bereits einen Gewinn aus einem Mediationsverfahren. Dennochführt der Zuwachs an persönlichem Verständnis nicht notwendigerweisezu veränderten inhaltlichen Positionen, die ja u.a. durch die Interessen-lagen der vertretenen Gruppen oder politische Interessenkonflikte mitbe-stimmt werden. Mediation kann aber ein anderes Umgehen mit verblei-benden Dissensen bewirken. Je nach Anspruch und Wahrnehmung redu-zieren einige Beteiligte ihre Erwartungen daher auch darauf, ein Mediati-onsverfahren als eine zeitlich befristete „soziale Insel“ im politischen All-tagsgeschehen anzusehen, die nur wenig Einfluß auf die Konstellationen

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außerhalb dieses geschützten Rahmens haben muß. Die unterschiedli-chen Erwartungshaltungen beeinflussen den Prozeß und müssen von denMediatorInnen wie von der Gruppe bewältigt werden (vgl. Fietkau 1994,S. 33ff.).

Gerade vor diesem Hintergrund sollten sich alle Beteiligten dessen be-wußt sein, daß es in Mediationsprozessen in vielfältiger Form um Machtgeht. Mediation hat den Anspruch, ein Informations- und Machtungleich-gewicht durch gesetzte Spielregeln und Rahmenbedingungen wenn schonnicht gesamtgesellschaftlich außer Kraft zu setzen, so doch für einen fai-ren Diskurs zumindest zu „unterbrechen“. Die InteressenvertreterInnenübernehmen verschiedene Rollen in der Gruppe, die durch gesellschaft-liche, institutionelle und persönliche Faktoren bedingt sind. Diese bestim-men das Verhalten bzw. den Verhandlungsstil mit.33

Dies zeigt sich u. a. bei einem weiteren wichtigen Faktor für den Verlaufdes Mediationsprozesses: der Rückkopplung der Informationen und Aus-handlungsergebnisse zwischen dem Mediationsplenum und den reprä-sentierten Interessengruppen. Im Verlauf der gemeinsamen Arbeit lassensich Maximalpositionen und Schwarz-Weiß-Argumentationen meist nichtüber längere Zeit plausibel aufrechterhalten. Es kommt bei den Beteilig-ten zur differenzierteren Problemwahrnehmung, die erreichten Kompro-misse und Lösungen entsprechen nicht immer den Erwartungen der In-teressengruppen. Die Haltungen der Mediationsbeteiligten können da-durch von denen ihrer Interessengruppe abweichen. Die RepräsentantIn-nen haben daher die Aufgabe, über den Diskussionsstand regelmäßig inihren Institutionen, Verbänden, Bürgerinitiativen usw. zu berichten undsich ein Mandat für ihren Beitrag im Mediationsplenum zu holen, damitbeides nicht auseinanderdriftet (vgl. Glasl 1997, S. 162ff.34 ).

Umsetzungsphase

Dokumentation der Mediationsergebnisse als Beitrag zur Entscheidungs-vorbereitung

Um die Verfahrenstransparenz sowie die Zielorientierung der gemeinsa-men Arbeit zu gewährleisten, ist eine sorgfältige Dokumentation derMediationsverfahren notwendig. Bereits im Rahmen der Vorbereitungs-

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phase wird i.d.R. in einer dem jeweiligen Verfahren angemessenen Formein Situationsbericht einschließlich der Auswertung der Interviews oderMaterialrecherchen erstellt. Zur Dokumentation der Arbeitsphase gehö-ren Veranstaltungs- bzw. Sitzungsprotokolle sowie Zwischen- und Ab-schlußberichte. Im Rahmen der einzelnen Sitzungen der Runden Tische,Arbeitsgruppen oder anderer Arbeitsformen entstehen als Basis hierfürz.B. Wandzeitungen, Metaplan-Protokolle, Fotos, werden Tischvorlagen,Gutachten, Exkursionsprotokolle usw. angefertigt.

Die Auswertung der einzelnen Arbeitsergebnisse sowie ihre Integrationin Tischvorlagen, Beschlußvorlagen, Berichte einschließlich abschließen-der Empfehlungen des Runden Tisches erfolgt meist durch das Media-torenteam, kann aber auch von Mediationsbeteiligten oder in Zusam-menarbeit ausgeführt werden. Üblicherweise werden die erarbeitetenUnterlagen dem Runden Tisch, den Planungsträgern und den Auftragge-bern der Mediation mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet und nacheiner abschließenden Diskussion und ggf. Überarbeitung vom RundenTisch offiziell verabschiedet. Auch Teilkonsense haben ihre Funktion,zeigen sie doch deutlich, wo die Konsens- und Konfliktlinien in bezugauf die bearbeiteten Fragestellungen liegen bzw. wie sie auch nach in-tensiver Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen bestehenbleiben.

Bindung der Parteien an die Mediationsergebnisse

Die Ergebnisse der Mediation haben i.d.R. entscheidungsvorbereitendeFunktion. Sie sind kein Ersatz für die gesetzlich verankerten Verwaltungs-verfahren und Zuständigkeiten des politisch-administrativen Systems. Siekönnen dessen Möglichkeiten jedoch ergänzen. Inwieweit die gesetzlichlegitimierten EntscheidungsträgerInnen (z.B. in Behördern und Parlamen-ten) oder Investoren, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz einenAnspruch auf Anlagengenehmigung haben, die Mediationsergebnisseberücksichtigen, liegt letztlich in deren Ermessen, rechtlich verpflichtetsind sie dazu derzeit nicht (vgl. Hammerbacher Umweltconsult 1997).35

Es bestehen noch erhebliche Unsicherheiten darüber, ob und wie infor-melle und formelle Verfahrensregelungen miteinander gekoppelt werdenkönnen. Dabei geht es vor allem um Fragen der rechtlichen Einschätzung

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und des Stellenwertes informeller Beteiligungsverfahren. Außerdem dür-fen sich die EntscheidungsträgerInnen in Verwaltungs- und Gerichtsver-fahren nicht dem Eindruck der Befangenheit und Vorabfestlegung durchdie Mediation aussetzen. Es ist aber grundsätzlich anzustreben und auchrechtlich möglich, die Ergebnisse von Mediationsverfahren, die im Vor-feld oder begleitend zu formellen Planungsprozessen – wie z.B. Raum-ordnungsverfahren, Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung und derBauleitplanung – erarbeitet werden, in die Abwägungsprozesse als ergän-zendes Votum aus einem Partizipationsprozeß einzubeziehen (vgl. Me-diator 1996; Hammerbacher Umweltconsult 1997, S. 15f.).

Es können darüber hinaus u.a. Vereinbarungen auf freiwilliger oder aufvertraglicher Basis getroffen werden, um ausgehandelte Optionen festzu-halten (vgl. Gaßner u.a. 1992, S. 126ff.36 ; Jeglitza/Hoyer 199837 ).

Grundsätzlich gehört die Bindung der Entscheidungsträger an die Umset-zung der Mediationsergebnisse aufgrund der fehlenden rechtlichen Vor-gaben noch zu den problematischen Aspekten. Die Mehrzahl der als „er-folgreich“ eingeschätzten Verfahren erzielten Teilkonsense, und nur einTeil der Verhandlungsergebnisse wurde implementiert (vgl. Weidner1996, S. 35).

1.2.4 Vorschlag für Erfolgskriterien von Umweltmediationsverfahren

In der Literatur zur Umweltmediation findet sich eine Vielzahl unter-schiedlicher Ansätze, die Ergebnisse bzw. den Erfolg von Mediationspro-zessen zu erfassen und zu evaluieren. Wie diese Kriterien formuliert sind,hängt vom erkenntnisleitenden Interesse ab. Es können z.B. demokratie-theoretische Aspekte der Bürgerbeteiligung und der alternativen Konflikt-lösung ebenso Gegenstand der Betrachtung sein wie Feinstrukturen desDialogs im Verfahrensverlauf.38

Wenn man sich über den Erfolg oder Mißerfolg von Mediationsverfahrenverständigen will, kann es sinnvoll sein, zwischen fachinhaltlichen, pro-jektbezogenen und prozeßbezogenen Anforderungen zu unterscheidenund hierfür entsprechende Kriterien zu entwickeln. Die Einstellungen derBeteiligten zu den Ergebnissen einzelner Mediationsverfahren wurdennach Abschluß der Verfahren durch den Einsatz von Fragebögen erho-

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ben, deren Fragestellungen jeweils auf den konkreten Fall ausgerichtetwaren. Für einzelne Projekte erfolgten Prozeßbeobachtungen, Erhebun-gen und Auswertungen der Mediationssitzungen im Rahmen einer sozi-alwissenschaftlichen Begleitforschung (vgl. Holzinger/Lackmann 1995;Kämper/Vorwerk 1996).

Unter fachlichen Aspekten, d.h. ausgehend z.B. von dem zu lösendenProblem, eine schlüssige, unter fachplanerischen, rechtlichen, wirtschaft-lichen, sozialen und anderen relevanten Gesichtspunkten tragfähigeStadtteilsanierung durchzuführen, kann ein Verfahren u.a. dann als erfolg-reich betrachtet werden, wenn eine solche Sanierung in einem angemes-senen Zeitraum realisiert werden kann. Wie die fachlichen Kriterien for-muliert werden sollten, hängt von den Aufgabenstellungen ab.

Diese an einer gewissen Planungsrationalität ausgerichtete Bewertungwird jedoch ergänzt aus den jeweils interessegeleiteten, subjektiven Blick-winkeln der an einem Mediationsprozeß Beteiligten.

Anzahl, Art und Inhalte von Konsensen und verbliebenen Dissensen ge-ben ebenfalls Auskunft über den Verlauf der Mediation. Inwieweit ausihnen allgemeine Erfolgskriterien abgeleitet werden können, ist jedochnur begrenzt festlegbar. So kann ein Konsens z.B. zur Hofgestaltung dieBewohnerInnen eines Wohnblocks bis auf wenige Ausnahmen zufrieden-stellen. Wenn jemand seine Interessen nicht ausreichend berücksichtigtsieht und die Begründung hierfür nicht anerkannt wird, wird diese Situa-tion sich auf die subjektive Bewertung des Mediationsverfahrens nieder-schlagen. Vergleichbares gilt für potentielle Anwohner einer Abfalldepo-nie, die sich gegen eine solche gewehrt haben und diese im Rahmen derMediation doch nicht abwenden konnten.

Zu den auf den Mediationsprozeß selbst bezogenen Aspekten gehört dieEinschätzung der Beteiligten, ob sie im notwendigen Umfang und zu fai-ren Konditionen an einer Planung bzw. einer Entscheidungsvorbereitungbeteiligt wurden. Die Fairness-Kriterien umfassen z.B. den Zugang zuInformationen ebenso wie die Sicherstellung einer funktionierenden Kom-munikationsplattform im Rahmen der Sitzungen, so daß sich niemandunbotmäßig angegriffen oder unzureichend einbezogen fühlt (vgl. Media-tor 1996, S. 88f.).

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Es sollte auch bedacht werden, ob der Gesamtaufwand an Zeit, Kosten,psychischer Belastung für alle Beteiligten usw. in einem sinnvollen Be-zug zum Vorhaben stand und gerechtfertigt war (vgl. Wiedemann 1995,S. 128ff.).

Nachfolgend werden einige Aspekte für Erfolgskriterien vorgeschlagen,die so oder in abgewandelter Formulierung in der Literatur zum Themahäufig genannt werden. Sie beziehen sich sowohl auf die Mediationsin-halte als auch auf prozeßbezogene Aspekte.

Die Formulierung von Erfolgskriterien kann auch Gegenstand des Media-tionsverfahrens selbst sein, wenn ein von allen Beteiligten akzeptierter,transparenter Bezugsrahmen für eine spätere Erfolgskontrolle angestrebtwird.

Aspekte für Erfolgskriterien von Umweltmediationsverfahren

• Fachliche Überzeugung und Angemessenheit der Sachlösungen

• Wahrung der Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie ökonomische Ver-tretbarkeit der Lösungen

• Anzahl, Art und Inhalte der erreichten Konsense bzw. der verbliebenenDissense

• Unmittelbare und frühzeitige Information und Beteiligung der Betroffe-nen

• Gewährung einer funktionierenden Kommunikationsplattform zur ge-meinsamen Problemdefinition und -bearbeitung sowie zu einer konsen-sualen Lösungssuche

• Einsatz für eine „Waffengleichheit“ im Diskussions- und Verhandlungs-prozeß

• Transparenz des Verfahrens durch ausreichende Dokumentation der(Teil-)Ergebnisse

• Versicherung der Beteiligten, sich an die Verfahrensspielregeln und an-dere Übereinkünfte zu halten

• Abschließendes Urteil der Beteiligten, trotz aller Schwierigkeiten noch-mals an einem solchen Mediationsverfahren mitzuwirken

© Beate Günther

Abb. 19: Vorschläge für Erfolgskriterien von Umweltmediationsverfahren

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2. Fallbeispiele

Als „Brücke“ zwischen der Methodenvorstellung und den Überlegungenzum Einsatz von Mediationselementen in Agenda-21-Prozessen werdendie in Teil 1.2.3 bereits genannten Mediationsbeispiele bezüglich ihresAufbaus und ihrer wesentlichen inhaltlichen Zielsetzungen exemplarischdargelegt.39

2.1 Beispiel A: Mediationsverfahren begleitend zur PCB-Sanierung derMoabiter Grundschule im Auftrag des Bezirksamtes Tiergarten vonBerlin (PCB-Verfahren)40

Der Einsatz von Konfliktmittlern als neutrale Dritte bei umstrittenen Um-weltplanungen unter dem Stichwort „Mediation“ wird in der Regel mit gro-ßen Vorhaben, z.B. Standortsuche von Abfallbehandlungsanlagen, Tras-senführungen oder Sanierung von größeren Altlasten, in Verbindung ge-bracht. Es soll nachfolgend ein Beispiel für ein eher kleineres Mediations-verfahren auf kommunaler Ebene vorgestellt werden, um zu zeigen, daßdie Methode auch in diesem Rahmen eingesetzt werden kann. Bei derGestaltung des Verfahrens wurden Erfahrungen aus Mediationen im Be-reich bewohnter Altlasten sowie Anforderungen an eine kooperative Sa-nierungsplanung einbezogen (vg. Buchholz 1994; Grosser/Schmidt 1994).

2.1.1 Konfliktpotentiale und Gestaltungsbedarf

Wenn es in diesem Fallbeispiel (Schwerpunkt Krisenmanagement undKonfliktmittlung) um die spezifische PCB-Problematik geht, so steht siein diesem Zusammenhang nur beispielhaft für viele vergleichbare Fälle,in denen sich Menschen und Institutionen meist unvermittelt mit einerGesundheitsgefährdung konfrontiert sehen, die die Bewertung des Gefah-renpotentials, seine Abwehr und die Bewältigung der damit verbundenenfachlichen, organisatorischen und finanztechnischen Probleme notwen-dig machen.

Die Risikowahrnehmung sowie die jeweils angestrebten Lösungsstrategi-en der Beteiligten können stark voneinander abweichen und zu heftigenKonflikten führen. Diese beziehen sich nicht allein auf sogenannte Sach-

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fragen, sondern resultieren häufig aus dem unterschiedlichen Umgang mitÄngsten sowie aus Vorbehalten gegenüber dem Umfang und der Glaub-würdigkeit von Informationen. Eine Mediation muß jeden dieser Aspektebzw. jede Ebene berücksichtigen.

Hinter der Abkürzung „PCB“ verbindet sich die Substanzgruppe der po-lychlorierten Biphenyle, die als Werkstoffe in der industriellen Produkti-on seit den 30er Jahren vielfach eingesetzt wurden. PCB sind vor allemzwischen 1955 und 1975 in großen Mengen als Zusatzstoffe („Weichma-cher“) in Fugenmaterialien und Dichtungsmassen, z.B. in Gebäudedeh-nungsfugen zwischen Betonfertigteilen sowie in Anschlußfugen bei Fen-stern und Türen, genutzt worden. Dies führte zu der Vermutung, daß be-sonders Neubaugebiete aus den 70er Jahren mit PCB belastet sind. DieVerwendung in offenen Systemen, z.B. in Farben, Lacken, Dichtungsmas-sen und Bremsflüssigkeiten, führte neben der Entsorgung des Stoffes dazu,daß PCB inzwischen weltweit verbreitet und in Luft, Gewässern, Boden,aber auch über die Nahrungskette in Pflanzen und Tieren sowie immenschlichen Körper aufzufinden sind. Seit Ende der 60er Jahre ist dieumwelt- und gesundheitsschädigende Wirkung von PCB bekannt, und seit1978 ist die Verwendung von PCB in offenen Systemen in der Bundesre-publik verboten. 1989 wurde eine PCB-Verbotsordnung verabschiedet.41

In Berlin wurde die PCB-Problematik in öffentlichen Gebäuden, vor al-lem in Schulen, Turnhallen und Kindertagesstätten, seit Mitte der 90erJahre systematisch aufgegriffen, ca. 220 Gebäude wurden untersucht undz.T. saniert.

In der 6. Grundschule Moabit (Bezirk Berlin-Tiergarten) hatte man in ei-nigen Räumen aufgrund von Kontrollmessungen eine erhöhte Raumluft-belastung bis zu 8.550 ng PCB/m3 festgestellt, die eine Beseitigung derSchadstoffquelle bzw. eine angemessene Sanierung der Räume erforder-lich machte. Nach den bis dahin in Berlin angewandten Kriterien galtdiese Schule eigentlich nicht als PCB-verdächtig, denn sie ist in Massiv-bauweise errichtet und hat keine Dehnungsfugen im Innenbereich. Wei-tere Messungen ergaben, daß bis auf einen Raum alle Räume des sog.„Altbaus“ der Schule aus dem Jahr 1965 einschließlich Turnhalle, Mehr-zweckraum, Verwaltungstrakt, Flure und Hausmeisterwohnung PCB-be-lastet waren. Als Schadstoffquelle wurde nach intensiver Suche ein bisdahin in Berlin nicht bekannter Einsatz für PCB in der dauerelastischen

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Fugenmasse des Heizungssystems gefunden, der mit den bis dahin anbestimmten Bauphasen und Gebäudetypen orientierten Prüfrastern (s.o.)nicht erfaßt worden war (vgl. Bohrer u.a. 1996).

Auf Initiative des Bezirksamtes Tiergarten wurde eine Arbeitsgruppe PCB(PCB-AG) eingerichtet, in der VertreterInnen der betroffenen Eltern undder Schule, der mit der Problematik befaßten Verwaltungsstellen des Be-zirks sowie des mit der Ausarbeitung eines Sanierungskonzeptes beauf-tragten Ingenieurbüros seit dem Frühjahr 1995 zusammenarbeiten. Ent-sprechend der o.g. PCB-Richtlinie wurden alle Räume mit über 2.700 ngPCB/m3 Raumluftbelastung sofort gesperrt. Durch organisatorische Maß-nahmen, u.a. die Anmietung von Containern zur Auslagerung von Klas-sen, konnten darüber hinaus auch Räume mit einer Raumluftbelastungüber 1.500 ng PCB/m3 geschlossen werden.

Dennoch erwies sich die Zusammenarbeit trotz eines offensiven Umgangsder Abteilung Volksbildung und des Umweltamtes mit allgemeinen Infor-mationen zur PCB-Bealstungssituation als sehr konfliktträchtig, so daß vorallem auf Drängen der Elternvertretung im Februar 1996 der Auftrag füreine Situationsanalyse zur Vorbereitung eines Mediationsverfahrens fürdie Arbeitsgruppe PCB von der Verwaltung vergeben wurde. Die Arbeitder PCB-AG wird seit Mai 1996 durch Mediation begleitet.

Zwischenzeitlich ist die Sanierung der Grundschule schon weit fortge-schritten. Die sanierte Mehrzweckhalle konnte neben anderen Räumenim Rahmen eines großen Schulfestes wieder in Betrieb genommen wer-den.

2.1.2 Was kann ein Mediationsverfahren zum Sanierungserfolgbeitragen?

Die allgemeinen Zielsetzungen eines Mediationsverfahrens im Zuge derSanierung PCB-belasteter Innenräume und anderer Sanierungsverfahrenlassen sich wie folgt zusammenfassen:

• Transparenz des Planungs- und Entscheidungsprozesses durch frühzei-tige und umfassende Information und Beteiligung aller betroffenen Stel-len,

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• Schaffen eines Informationsgleichgewichts durch Offenlegung der Da-ten und allgemeinverständliche Aufbereitung des Fachwissens,

• Bereitstellen und Aufrechterhalten eines Gesprächsrahmens zur fairengemeinsamen Problemabschätzung und -lösung („Waffengleichheit“),

• Versachlichung der Diskussion, weitgehende Aufarbeitung von Vorbe-halten und Ängsten infolge der Belastungssituation,

• Problemabschichtung, Ermittlung von Konsens- und Konfliktpositio-nen, z. B. hinsichtlich der Einschätzung des Gefährdungspotentials unddes notwendigen Sanierungsaufwandes,

• Aushandlung und Vereinbarung von Übereinkünften und Absprachen,z. B. hinsichtlich der Form der gemeinsamen Arbeit, des Umgangs mitInformationen, der Auswahl von Gutachtern, evtl. zusätzlichenUntersuchungen, Sanierungszielen, -umfang und -methoden, Kosten-regelungen usw.,

• Einfordern der Wahrung fachlicher Belange, z. B. der Rechtmäßigkeit,Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit der Maßnahmen, In-formationszugewinn durch Beratung,

• Regelungen zum Umgang mit der Öffentlichkeit, z. B. der Presse, desBezirks-/Stadtrates, der Nachbarschaft usw.,

• Legitimationszuwachs und damit verbunden höhere Akzeptanz derEntscheidungen bezüglich der Gefährdungsabschätzung und desSanierungsverfahrens.

Diese allgemeinen Zielsetzungen wurden für die Situation in Moabit, d.hauf einen konkreten Fall hin, angewandt.

2.1.3 Bausteine und Verfahrensschritte

Nachfolgend werden die einzelnen Bausteine und Verfahrensschritte alsÜbersicht aufgeführt.

0. Initiierungsphase/Vorlauf• Erstinformation der Mediatorin durch das Bezirksamt (PCB-Belastung,

Sanierungsbedarf, Konfliktsituation aus Sicht der Abteilung für Volks-bildung und Umweltschutz), Anfrage nach Einsatzmöglichkeit fürMediation,

• Ausarbeitung des vorläufigen Konzeptes, Angebotsabgabe,

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• diverse Abstimmungen (Verwaltung/Politik, Auftragnehmer/Auftragge-ber),

• Vorstellung des Mediationskonzeptes und der Moderatorin in derPCB-AG,

• diverse Rückkopplungen, Beauftragung.

I. Vorbereitungsphase: Situationsanalyse• Vertiefte Recherche zum Sachstand der PCB-Belastung bzw. Sanie-

rungsplanung und zur Konfliktvorgeschichte,• Entwicklung eines Interviewleitfadens,• Durchführung von 11 Einzelinterviews, Protokolle,• Auswertung der Gespräche (Abgleich Selbst- und Fremdwahrneh-

mungen):Worum geht es in den Konflikten inhaltlich (Inhaltsebene)?Welche Probleme gibt es in der Zusammenarbeit (Beziehungsebene)?

• Zusammenfassung der Ergebnisse im Situationsbericht, Vorstellungder Hauptkonflikt- und Konsenspunkte in der PCB-AG,

• Entwurf und Abstimmung einer Arbeitsvereinbarung für die Zusam-menarbeit in der PCB-AG.

II. Informations- und Verhandlungsphase: Moderation der PCB-AG• Moderation der Sitzungen der PCB-AG, Protokoll,• Abstimmungsgespräche mit einzelnen Beteiligten, Ansprechpartnerin

für Rückfragen zum Vorgehen,• Betreuung des Info-Briefes (gemeinsam mit dem Schulamt Tiergarten).

III. Umsetzungsphase: Sorge tragen für die Umsetzung von Verhand-lungsergebnissen

• Einhaltung der Arbeitsvereinbarung prüfen, z.B.: Informationszugang/-austausch soweit wie möglich/nötig sicherstellen, Sanierungsschrit-te, Zeitplan transparent halten, auf vereinbarte Arbeitsschritte und Ko-operationsformen hinweisen,

• bei Bedarf „Rückschläge“ und „Fortschritte“ bearbeiten, z.B. beiunvorhergesehenen Sanierungshürden.

Im Rahmen der Situationsanalyse sind mit Mitgliedern der PCB-AG aufder Basis der in Teil 1.2.3 vorgestellten Leitfragen Gespräche geführtworden, um aus verschiedenen Perspektiven Angaben zur Vorgeschich-

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te, zu Lösungsansätzen in der Sache und über Formen der gemeinsamenArbeit innerhalb der PCB-AG zu erhalten.

Die Ergebnisse der Vorbereitungsphase wurden in einem Situationsbe-richt zusammengefaßt. Dieser Bericht wurde den Mitgliedern der Arbeits-gruppe als ein gemeinsames Ergebnis der Vorbereitungsphase vorgelegt.Die Darstellung der Gespräche in einem Situationsbericht strebte an, diejeweils subjektiven Wahrnehmungen einer in der Sache und im Umgangmiteinander schwierigen Zusammenarbeit so weit aufzuschlüsseln, daßfür alle Beteiligten die Konfliktlinien und Mißverständnisse, aber auchÜbereinstimmungen und positive Erfahrungen nachvollziehbar werdenund als Grundlage für eine in Zukunft konstruktivere Zusammenarbeitgenutzt werden können.

Auf der Grundlage der ausgewerteten Interviewergebnisse wurde einVorschlag für eine Vereinbarung für die Zusammenarbeit der Arbeits-gruppe ausgearbeitet.

Seit Mai 1996 wurden fünf Sitzungen der PCB-AG von der Mediatorinbetreut. Hinzu kamen Abstimmungsgespräche, eine Präsentation desMediationsverfahrens in einer Schulausschußssitzung der Bezirksver-ordnetenversammlung und zahlreiche telefonische Rücksprachen mitden Mitgliedern der PCB-AG zu Sachfragen und einzelnen Aspekten derZusammenarbeit.

Neben der externen Sitzungsleitung lag das Schwergewicht der Mediati-on vor allem darin, immer wieder zwischen verschiedenen Wahrnehmun-gen und Arbeitsweisen der Beteiligten zu vermitteln und um Verständnisfür die Ansprüche, Abwehrhaltungen und unterschiedlichen sensiblenPunkte zu werben. Wenn diese Klippen genommen waren, konnten auchschwierige Sachfragen bearbeitet werden.

Ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern der PCB-AG erfolgtneben den direkten Kontakten und Arbeitszusammenhängen über einenPCB-Informationsbrief (Umfang 1-2 Seiten, ggf. Anlagen), der auf Anre-gung des Schulamtes zur Kurzinformation über den Sachstand der Sanie-rung bei bestehendem Informationsbedarf den AG-Mitgliedern sowie ei-nigen anderen Interessierten zugeschickt wird. An seiner Ausgestaltungkönnen sich alle Mitglieder der AG beteiligen und ihren Informationsbe-

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darf, z.B. anstehende Fragen, Kurzmitteilungen zwischen den Sitzungs-terminen usw., beisteuern.

© Beate Günther

Abb. 20: Handlungsrahmen für die Mediation begleitend zur PCB-Sanierung der Grund-schule Moabit

PCB-Sanierung Grundschule MoabitR a h m e n b e d i n g u n g e n

externe Beratung,z.B. Ingenieurbüros,

Labore

allgemeineÖffentlichkeit

SchuleLeitung,

Kollegen, Schüler

Image der SchuleSchuljahr/-planungallg. Gesundheits-/Umweltbewußtseinusw.

Stand der Technikrechtliche VorgabenFinanzsituationVerwaltungsaufbau

Umweltamt

ElternvertretungSchulamt

Hochbauamt

Gesundheitsamt

Politik(BVV)

Presse

Kommunikations-/Konfliktebenen

INHALTSEBENE

BEZIEHUNGSEBENE

beteiligteAkteure

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2.1.4 Was hat die Mediation für die Sanierungsbemühungen gebracht?

Stichworte hierzu:• Neutrale Moderation der Sitzungen der PCB-AG,• Festlegung der Diskussionsergebnisse in einem extern angefertigten

Protokoll,• Arbeitsvereinbarung als Bezugsmöglichkeit bei Unzufriedenheiten im

Umgang miteinander,• Klärung sachlich strittiger Punkte,• stärkere Versachlichung der Diskussionen,• relativ geregelter Informationsaustausch über den Sachstand der Sanie-

rung (Transparenz),• infolgedessen zügige Einigung über die angestrebten Sanierungsschrit-

te, größeres Verständnis für anfallende Probleme bei der Sanierungs-durchführung (Verzögerungen der Bauausführung, Belastungen für dieSchule usw.), letztlich größere Akzeptanz der Maßnahmen,

• gemeinsame Freude über unstrittige Sanierungs(fort)schritte.

Weiterhin teilweise problematische Aspekte:• Unterschiedliche Einschätzung des wechselseitigen Informationsbe-

darfs der Beteiligten,• Skepsis bzw. Kontrollbedarf gegenüber der Umsetzung der abgestimm-

ten inhaltlichen Ansprüche an die Sanierung (z.B. hinsichtlich der Zu-sicherung, durch entsprechende Vorgaben der Bauverwaltung bei dennotwendigen Baumaßnahmen im Zuge der Sanierung zukünftigeSchadstoffbelastungen soweit wie möglich zu vermeiden),

• anlaßbezogen gelegentlich Irritationen im Umgangsstil miteinander.

2.2 Beispiel B: Mediationsverfahren zur Vorbereitung und Begleitungder „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN für Teile der Berliner BezirkePrenzlauer Berg, Weißensee und Friedrichshain im Auftrag der Ber-liner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz undTechnologie (URBAN-Projekt)42

2.2.1 Konfliktpotentiale und Gestaltungsbedarf

In Kapitel 1. wurde allgemein dargelegt, welche Elemente (Umwelt-)Me-diationsverfahren umfassen und in welchen Verfahrens- und Bearbei-

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tungsschritten Mediationsverfahren ablaufen können. Hier soll ein Bür-gerbeteiligungsverfahren vorgestellt werden, das in seiner inhaltlich-me-thodischen Ausrichtung in vielen Aspekten einem Mediationsverfahrenmit den Schwerpunkten Interessenartikulation, -vermittlung und Konzept-entwicklung entspricht (vgl. Kap. 1.1.5). Es weist auch Merkmale vonmoderierten kooperativen, d.h. stark beteiligungsorientierten Planungs-verfahren auf, wie sie z.B. im Zuge von Stadtentwicklungsplanungendurchgeführt werden.

Die Gemeinschaftsinitiative URBAN ist ein Förderprogramm der Europäi-schen Union (EU) zur Entwicklung benachteiligter Stadtquartiere und wirdeuropaweit in über 100 Städten durchgeführt. Es sollen Maßnahmen• zur wirtschaftlichen Entwicklung,• zur sozialen Eingliederung benachteiligter Gruppen,• zur Sanierung der Infrastruktur und• zur Verbesserung der Umweltbedingungengefördert werden. Die Projekte sollen modellhaft Katalysatorwirkung aufihr Umfeld entwickeln.

Das Berliner URBAN-Programm wird von mehreren Berliner Senatsver-waltungen getragen. Es wurde 1995 von der Europäischen Kommissionbewilligt und folgt dabei einem bereits durch die EU-Vorgaben angeleg-ten integrierten Ansatz, der davon ausgeht, daß z.B. Umweltschutzmaß-nahmen und soziale Projekte zugleich positive lokale Beschäftigungs- undWirtschaftseffekte haben sollen. Bis Ende 1999 müssen alle Mittel gebun-den sein. Projekte im sozialen Bereich, die z.B. benachteiligte Gruppenwie psychisch Kranke, ethnische Minderheiten, sozial Schwache usw.einbinden, sollen Beiträge zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ortleisten und damit zu einer Aufwertung des städtischen Umfeldes führen.Übergeordnetes Ziel des Berliner URBAN-Programms ist die Einrichtungund Sicherung lokaler Arbeitsplätze (vgl. Beratungs- und Service-Gesell-schaft Umwelt 1995). Die Realisierung des Berliner URBAN-Programmsist daher in ihren Zielsetzungen den Ansprüchen der Lokalen Agenda 21bezüglich der integrierten Betrachtung von Ökologie, Ökonomie undsozialen Anforderungen verpflichtet.

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Das Berliner URBAN-Programm hat drei Schwerpunkte (vgl. Rösner1997).43

Mit dem Entwicklungsschwerpunkt „Modellwerkstatt öko-soziale Infra-struktur“ sind folgende Zielsetzungen verbunden (vgl. ebd.):

a) Gewerbe, Soziales und Kultur

• Ausstattung vorhandener oder neu einzurichtender Nachbarschafts-zentren und Treffpunkte mit umweltschonender Technik mit dem Ziel,Voraussetzungen für eine stadtteilnahe Gesundheits- und Sozialbetreu-ung zu schaffen

• Schaffung von Umweltbewußtsein in Verbindung mit der Ausstattungvon Jugendfreizeiteinrichtungen, Seniorentreffpunkten und Behin-dertenwerkstätten

• Einrichtung von Informations- und Weiterbildungsstätten zur Einglie-derung von sozial benachteiligten Menschen, welche besonders denUmweltbereich als geeignetes Tätigkeitsfeld für sich entdecken.

b) Technik

• Förderung von Projekten in den Bereichen Energie und Verkehr priva-ter und öffentlicher Träger

• Gründung von Dienstleistungsgesellschaften, die in diesem Bereichaktiv werden und den von Umweltbelastungen Betroffenen direkt zu-gute kommen.

© Verena Rösner

Abb. 21: URBAN – Das Berliner Programm: Entwicklungs- bzw. Förderschwerpunkte

Entwicklungs-schwerpunkt 1

„Eingliederungsozialer und wirt-

schaftlichBenachteiligter”

Entwicklungs-schwerpunkt 2

„Verbesserung vonEinrichtungen desBildungsbereiches

und Schulsanierung“

Entwicklungs-schwerpunkt 3

„Modellwerkstattöko-soziale

Infrastruktur“

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c) Bürgernähe

• Öffentliche Veranstaltungen und Workshops für Bürgerinnen und Bür-ger

• Internationaler Austausch mit Berliner URBAN-Partnerstädten.

Das Fördergebiet, in dem allein die URBAN-Mittel eingesetzt werdendürfen, umfaßt Teile der Berliner (Ost-)Bezirke Prenzlauer Berg, Fried-richshain und Weißensee. Seine Grenzen sind nicht identisch mit denVerwaltungsgrenzen der Bezirke, was einerseits manche Planungen er-schwert, andererseits zur Zusammenarbeit über Bezirksgrenzen hinweganregen sollte.

Das Fördergebiet ist bei allen kiezbezogenen strukturellen Unterschiedengekennzeichnet durch• mangelnde wirtschaftliche Prosperität,• eine hohe Zahl von Arbeitslosen- und SozialhilfeempfängerInnen,• komplexe ökologische Mißstände und hohe Umweltbelastungen,• schlechte Bausubstanz, Modernisierungsbedarf vor allem bei Gründer-

zeit- und Plattenbauten,• defizitäre bzw. in ihrem Bestand gefährdete technische, soziale und

kulturelle Infrastruktur (vgl. Beratungs- und Service-Gesellschaft Um-welt 1995).

Für die Realisierung des Entwicklungsschwerpunktes 3 „Modellwerkstattöko-soziale Infrastruktur“ hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung,Umweltschutz und Technologie (SenSUT) die Federführung. Andere Se-natsabteilungen sowie die Berliner Service-Gesellschaft Umwelt (B.&S.U.)als Gesamtprojektträger sind eingebunden.

Die Entscheidung der Senatsverwaltung, die Bürgerbeteiligung in Formeines Mediationsverfahrens auszuschreiben, beruhte auf der Kenntnis ei-niger EntscheidungsträgerInnen über diese Methode und ihr Anwen-dungsspektrum.

Die Realisierung der URBAN-Projekte des Entwicklungsschwerpunktes„Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ sollte die Bedürfnisse derBewohnerInnen und der Initiativen des Fördergebiets berücksichtigen. Eswurde weiterhin davon ausgegangen, daß angesichts der angespannten

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Haushaltslage in Berlin auf Landes- und Bezirksebene viele potentielleProjektnehmerInnen, vor allem freie Träger, Verbände, Stadtteilvereinesowie kleine und mittelständische Unternehmen, um die URBAN-Förder-mittel konkurrieren würden und daher ein erhöhtes Konfliktpotential mitder Vergabe von Fördermitteln verbunden ist.

Da die EntscheidungsträgerInnen sich jedoch gerade von diesen Ein-richtungen kreative Ideen für die Realisierung des URBAN-Programmserwarteten, sollte ein Verfahren eingesetzt werden, das eine breiteBeteiligung der Zielgruppen des Programms bei der Entwicklung undAusgestaltung sowie der Konkretisierung der allgemeinen EU-Förder-richtlinien verbinden würde. Weiterhin sollten konkurrierende Vorstel-lungen soweit wie möglich offengelegt, sachlich diskutiert und gelöstwerden.

Das URBAN-Programm gibt allgemeine Rahmenbedingungen für zu för-dernde Projekte vor. Dieser Rahmen sollte inhaltlich von den „Expertenvor Ort“ – den Menschen im Fördergebiet – gefüllt werden. Die Ideen,Vorschläge und Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens, die im Rahmenverschiedener sozialwissenschaftlicher Umfragen und Erhebungen sowiein unterschiedlichen Veranstaltungsformen ausgearbeitet wurden, sollteneine Entscheidungshilfe für die Senatsverwaltung sowie die B.&S.U. beider Projektgestaltung und -auswahl sein.

Die MEDIATION GmbH Berlin wurde im Juli 1996 von der federführen-den Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Techno-logie (SenSUT) beauftragt, in Kooperation mit Dipl. Psychologin ErikaDechert-Knarse für den Entwicklungsschwerpunkt „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ eine Bürgerbeteiligung in Form eines Mediations-verfahrens durchzuführen. Die Mediatorinnen setzten diese Aufgabe abApril 1997 ausgegründet als Mediationsteam URBAN fort.44

Der Einsatz eines Mediationsteams, das nicht im Fördergebiet verankertist und im Gegensatz zu den potentiellen Antragstellern aus den beteilig-ten Bezirken über den konkreten Auftrag hinaus keine Eigeninteressen aneiner weiteren Projektförderung oder Präferenzen für einzelne Projekteaus dem Programm im URBAN-Gebiet verfolgt, entspricht dem Neutrali-tätsanspruch der Mediation. Kooperative Planungsverfahren hingegenwerden auch von den mit einer Planung selbst beauftragten Ingenieurbü-

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100

ros begleitend angeboten und erhalten dadurch methodisch einen ande-ren Charakter.

2.2.2 Verfahrensbausteine

Das Mediationsteam entwarf im Zuge der Initiierungsphase das Beteili-gungsverfahren unter Einbindung von Mediationselementen. Es arbeitetehierbei eng mit der Senatsverwaltung als Auftraggeber sowie mit derB.&S.U. als Gesamtprojektträgerin zusammen. Es gab zunächst einenmehrmonatigen Abstimmungsbedarf über die Rollenverteilung zwischenden Senatsverwaltungen, dem Gesamtprojektträger und dem Mediations-team, ehe eine gute, tragfähige Basis der Zusammenarbeit erreicht war.

Die einzelnen im Konzept dargelegten Verfahrensschritte und Bausteinesind eine spezifische Ausgestaltung der im ersten Teil beschriebenenMediationselemente. Im Rahmen einer Vorbereitungsphase wurden dieim Zuge der Antragstellung erhobenen Informationen zu dem Förderge-biet spezifisch für die Ansprüche des Beteiligungsverfahrens zum Förder-schwerpunkt „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ verbreitert, umvertiefende Angaben zur Problem- und Konfliktlandschaft im Förderge-biet zu erhalten. Es sollten erste Angaben zu den Bedarfen und damit zuden thematischen Schwerpunkten des Beteiligungsverfahrens abgeleitetwerden. Daher sollte der Einbezug von Erfahrungen und Ansprüchen derverschiedenen Zielgruppen gewährleistet werden, die in einem erstenZugang in 30 Interviews auf der Basis eines Interview-Leitfadens (sieheKapitel 1.) erfragt wurden. Diese wurden ergänzt durch die Auswertungvon Studien und anderen Materialien, z.B. der Bezirksämter sowie an-derer Institutionen und Forschungseinrichtungen, und abgerundet durchBegehungen vor Ort. Darüber hinaus wurden Kontakte zu Informations-trägern, MeinungsführerInnen und VertreterInnen verschiedener Inter-essengruppen aufgebaut, die in das Beteiligungsverfahren einbezogenwerden sollten. Zum Abschluß der Vorbereitungsphase wurde ein Situa-tionsbericht vorgelegt und den InterviewpartnerInnen sowie weiterenVerfahrensbeteiligten zur Kenntnis und Rückkopplung zugestellt.

Im Mittelpunkt des Beteiligungsverfahrens stand die Einrichtung einerInnovationswerkstatt als Mediationsplenum, ein Gremium aus Vertrete-rInnen verschiedener im Fördergebiet ansässiger Interessengruppen, Ver-

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eine, Bezirksverwaltungen usw. Die TeilnehmerInnen verstanden sich alsein Beirat zur URBAN-Realisierung.

Wie meist bei umfangreicheren Mediationsverfahren wurden weitereVeranstaltungen durchgeführt, in diesem Fall eine zweitägige Zukunfts-werkstatt und ein eintägiger Workshop zum Thema „Energie“ vor Beginnder Sitzungen der Innovationswerkstatt sowie weitere ganztägige thema-tische Workshops begleitend und nach Abschluß der Innovationswerk-statt. Es zeigte sich, daß in den Workshops aufgrund der jeweils aktuellanderen Zusammensetzung der TeilnehmerInnen zwar themenbezogenneue Anregungen für URBAN-Projekte erwartet werden durften. Es warjedoch zu jedem Termin notwendig, Hintergrundinformationen zumkomplexen Förderprogramm sowie zum Anspruch der Bürgerbeteiligungzu geben, da das Workshop-Angebot auf einen sehr unterschiedlichenInformationsstand der Beteiligten traf. Die kontinuierliche Arbeit der In-novationswerkstatt bot dagegen die Chance, auf einer gemeinsam erar-beiteten Wissensgrundlage fachlich zu diskutieren und eine vertiefte

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 22: Übersicht über die Themenschwerpunkte der Sitzungen der Innovationswerkstatt

Termin

Di., 08.10.1996

Di., 29.10.1996

Mi., 20.11.1996

Mi., 11.12.1996

Mi., 08.01.1997

Mi., 05.02.1997

Sitzung

1. Innovationswerkstatt(Auftaktveranstaltung)

2. Innovationswerkstatt

3. Innovationswerkstatt

4. Innovationswerkstatt

5. Innovationswerkstatt

6. Innovationswerkstatt(Zwischen-)Bilanz

Themen- bzw.Arbeitsschwerpunkte

Rahmenbedingungen der Innovations-werkstatt, Ziele, Aufgaben, Inhalte

Vorschläge für zu bearbeitende Projekt-felder und -ideen, Ergänzungen derTeilnehmerInnen

Diskussion zum Projektfeld „Stärkungder lokalen Ökonomie“

Bearbeitung des Projektfelds „Entwick-lung stabiler Strukturen”“

Bearbeitung des Projektfelds „Begeg-nungsstätten“

Rückblick auf die bisherigen Arbeits-ergebnisse, Empfehlungen zu Projektenund Förderkriterien, Anforderungen aneinen Interessenausgleich.Wie geht´s weiter?

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© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 23: Verfahrensbausteine des Beteiligungsverfahrens

Übersicht zumBürgerbeteiligungsangebot / Mediationsverfahren

„Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“

Zukunftswerkstatt„Ideen für einen

lebenswerten Stadtteil“

Workshop„Energie“

Workshop„Ökologisches Zentrum

AuferstehungskircheFriedrichshain“

Workshop„Schaffung von Lehrstellenim URBAN-Fördergebiet“

Workshop„URBANe Projekte

von/für Frauen“

InformationsforumÖffentliche Diskussion der

Ergebnisse desBeteiligungsverfahrens

Workshop„Nationaler Austausch

URBAN-Städte“

Workshop„Internationaler Austausch

URBAN-Städte“

Sachstandsbericht

Empfehlungenzur weiteren Ausgestaltung der „Modellwerkstatt öko-

soziale Infrastruktur“

Vorbereitung desBeteiligungsverfahrens

– Ortstermine– Interviews– Materialauswertungen

Situationsbericht

Ergebnisse der Vorbereitungsphase

Innovationswerkstatt

– Prüfung und Entwicklungvon Projektideen

– Diskussion von Projektideen– Erarbeitung eines Maßstabs für dieProjektgestaltung und -bewertung

Entscheidungsvorbereitende Beratung undInteressenausgleich

Workshops

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Kenntnis der im URBAN-Programm gesetzten Rahmenbedingungen auf-zubauen.

Nach Abschluß der Sitzungen der Innovationswerkstatt wurden die biszum März 1997 erreichten Ergebnisse des Verfahrens in einem Sach-standsbericht vorgelegt.

Weiterhin waren drei Veranstaltungen zur Präsentation und Vernetzungder Ergebnisse des bisherigen Beteiligungsverfahrens vorgesehen.

Alle Veranstaltungen wurden in ausführlichen Protokollen dokumentiert.Das Mediationsteam hat sehr aufwendig bereits die Vorbereitungsphase,aber auch alle Veranstaltungen der Innovationswerkstatt sowie die Work-shops dokumentiert und rückgekoppelt, um allen Beteiligten einen Be-zug zu ihrer bisherigen Arbeit sowie eine „Umsetzungskontrolle“ im Hin-blick auf die Empfehlungen der Innovationswerkstatt zu ermöglichen. Einsorgfältiger Umgang mit Diskussionsergebnissen bis hin zu detailliertenFormulierungsvorschlägen war eine wichtige Grundlage für die Akzep-tanz der MediatorInnen.

2.2.3 Wer wurde in der Innovationswerkstatt beteiligt?

Bereits im Rahmen der Vorbereitungsphase wurde angestrebt, einen Teil-nehmerInnenkreis zusammenzustellen, der sowohl den Kriterien der Re-präsentativität verschiedener Interessen und Zielgruppen sowie der Krea-tivität genügt als auch eine lokale Verankerung im Fördergebiet hat. Zielwar es, TeilnehmerInnen zu finden, die aufgrund ihrer beruflichen Arbeit,ihres privaten Engagements oder ihrer besonderen Kenntnisse im Bereichder Stadtentwicklung den URBAN-Programmschwerpunkt „öko-sozialeModellwerkstatt“ mit Leben füllen können.

Es wurden Akteure bzw. RepräsentantInnen aus folgenden Interessen-bzw. Aufgabenbereichen einbezogen:• Umwelt,• Wohnen/Sanierung,• Jugend und Kinder,• ältere Menschen,• Frauen und Alleinerziehende,

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• Arbeitslose,• Gewerbe/Wirtschaft,• Kultur,• Behinderte,• AusländerInnen,• Netzwerke lokaler Stadtentwicklung.

Die Bereiche wurden ausgewählt, um einerseits das Fördergebiet räum-lich und themenbezogen repräsentativ abzubilden und andererseits diein URBAN ausgewiesenen Zielgruppen des Programms zu integrieren. Fürden Bereich Wohnen/Sanierung wurden die Betroffenenvertretungen dervorhandenen bzw. ehemaligen Sanierungsgebiete angesprochen, weildarin eine Chance gesehen wurde, schon vorhandene gewählte Bürger-vertretungen im Fördergebiet für unser Anliegen einbinden zu können.In den anderen Bereichen wurde versucht, Akteure zu gewinnen, die alsExperten und/oder besonders engagierte Einzelpersonen jeweils auch vonanderen Gruppierungen, die sich u.U. mit demselben Themenbereichbeschäftigen, als kompetente Personen anerkannt sind.

Die Interessen der Bezirke wurden über VertreterInnen der drei Bezirks-verwaltungen eingebunden. Diesen BezirksvertreterInnen wurde konzep-tionell ebenso wie den VertreterInnen der Senatsverwaltung für Stadtent-wicklung, Umweltschutz und Technologie sowie der B.&S.U. für die Ar-beit in der Innovationswerkstatt eher eine beratende Funktion zugedacht,da ihre Aufgaben vornehmlich in der „Fördermittelverwaltung“ sowie inder Abstimmung zwischen Verwaltungsinteressen auf Senats- und Bezirks-ebene bestehen.

Abb. 24 zeigt zusammengefaßt die Ziele und Aufgaben der Innovations-werkstatt, wie sie aus den Vorgaben der Auftraggeber, dem Gesamtan-spruch des Beteiligungsverfahrens sowie den Ergebnissen der Vorberei-tungsphase konzeptionell abgeleitet und den TeilnehmerInnen vom Me-diationsteam vorgeschlagen wurden. Im Verlauf der ersten Sitzung derInnovationswerkstatt wurden diese entsprechend dem Bedarf des Gremi-ums diskutiert, konkretisiert und erweitert (vgl. Rösner 1997).

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© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 24: Übersicht über die Ziele und Aufgaben der Innovationswerkstatt

Vorschläge aus Sichtdes Mediationsteams ...

Informationsvermittlung

Vernetzte Problemlösungenerarbeiten

neue Projektfelder entwickeln

Projektideen diskutieren

Maßstab für Projektgestaltungund -bewertung entwickeln

Empfehlungen für Prioritäten beider Gestaltung und Projektaus-wahl erarbeiten

Räumliche Zuordnung der Pro-jekte: Schwerpunkte bei der UR-BAN-Umsetzung herausarbeiten

fairen Abwägungs- und Auswahl-prozeß gewährleisten

Interessenausgleich herstellen

... ergänzt aus Sicht der TeilnehmerInnen:

• Beratung und Interessenaustausch• Anregungen für die eigene Arbeit erhalten• Informationsaustausch und Transparenz für

die Gestaltung des URBAN-Programms ge-währleisten

• Verbindung zu Sanierungsbelangen bewirken• Integration ausländischer Mitbürger anstreben• Vernetzung von URBAN-Projekten mit Bemü-

hungen zur Lokalen Agenda 21 anstreben• Behinderte als gleichberechtigte Partner an-

kennen• Synergieeffekte suchen und nutzen• Vernetzung zur Politik schaffen• Vernetzung der Innovationswerkstatt mit wei-

teren Akteuren und Handlungsträgern aufbau-en

• soziale Strukturförderung unterstützen• bezahlte Arbeitsplätze mit Anspruch schaffen• vertiefte Bedarfsanalyse, aufbauend auf dem

Situationsbericht durchführen/anregen• Schaltstellen für Entwicklungen bilden/ beste-

hende bewegen

• Situationsbericht/Bedarfsanalyse als Diskussi-onsgrundlage in die nächsten Sitzungen über-nehmen

• langfristige Entwicklungen sicherstellen, mitURBAN nicht nur kurzfristige Modellprojekteanschieben

• Katalysatorwirkung der Innovationswerkstattaufbauen

• Anwaltsfunktion für Betroffene übernehmen

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Vor dem Hintergrund, daß die Innovationswerkstatt einen zeitlich be-grenzten Auftrag im Fördergebiet übernommen hat, wurde auch überlegt,wie die Strukturen der Innovationswerkstatt langfristig weitergeführt oderin bestehende Ansätze vor Ort integriert werden könnten. Zeitlich paral-lel zur Arbeit der Innovationswerkstatt entwickelten sich neben anderenstadtteilbezogenen Netzwerken in allen beteiligten Bezirken Initiativkrei-se und andere Aktivitäten zur Lokalen Agenda 21. VertreterInnen der be-zirklichen Netzwerke und Agenda-Gruppen arbeiteten z.T. in der Inno-vationswerkstatt mit und sicherten so einen gewissen Informationsaus-tausch. Es zeigte sich immer deutlicher, daß sich im Hinblick auf die Pro-blemanalyse sowie die Ausarbeitung allgemeiner Entwicklungsziele undLösungsansätze die Bemühungen für das URBAN-Fördergebiet und diebezirklichen Anstrengungen ergänzen könnten und sollten. Nicht zuletztvor diesem Hintergrund baten sowohl der Bezirksbürgermeister vonPrenzlauer Berg als auch Vertreter der dortigen Bezirksverordnetenver-sammlung um Informationsgespräche und eine regelmäßige Zusendungder Sitzungsprotokolle. Inzwischen griffen die Initiativkreise Fragestellun-gen aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren auf und betreuen diese bis heu-te eigenständig weiter. Außerdem bestand grundsätzlich die Möglichkeit,bei Erfüllen der Förderkriterien Agenda-Projekte innerhalb des Förderge-biets über das URBAN-Programm fördern zu lassen, auch wenn diesesantragstechnisch oftmals mit hohen Hürden verbunden war.

2.2.4 Teammoderation, Arbeitsformen

Die Veranstaltungen der Innovationswerkstatt wurden, wie das Beteili-gungsverfahren insgesamt, von einem Mediationsteam gestaltet. Teamar-beit ist i.d.R. bei umfangreicheren Mediationsverfahren allein aus arbeits-technischen Gründen notwendig, sie kann jedoch unterschiedlich aus-gestaltet werden. In diesem Fall wurden die Sitzungen gemeinsam aufbe-reitet, unterschiedliche Kompetenzen und Wahrnehmungen der einzel-nen Bearbeiterinnen konnten so zusammengeführt werden. Die Leitmo-deration der Sitzungen wurde von den drei Mediatorinnen je Sitzungster-min und Workshop im Wechsel übernommen, wobei die anderen Team-mitarbeiterinnen die Moderation unterstützten. In strittigen Fragen lag dieLetztentscheidung bei der für die jeweilige Veranstaltung verantwortli-chen Moderatorin.45

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Die nichtöffentlichen Sitzungen fanden bei einer relativ engen Veranstal-tungsabfolge direkt im Anschluß an die übliche Arbeitszeit der beteilig-ten Berufstätigen statt und dauerten ca. drei bis vier Stunden. Nebenmoderationstechnischen Überlegungen gehörte die Bereitstellung eineskleinen Imbiß sowie die Auswahl rollstuhlzugänglicher Räume im För-dergebiet zur Vorbereitung der Termine.

Damit die einzelnen Aspekte der komplexen Themen innerhalb der en-gen Zeitschiene bearbeitet werden konnten, war es regelmäßig notwen-dig, das Plenum der Innovationswerkstatt in Arbeitsgruppen zu teilen undderen Ergebnisse im Plenum wieder zusammenzuführen. Als Arbeitstech-niken wurden in der Innovationswerkstatt eingesetzt:• Gruppen- und Plenumsarbeit bzw. -diskussionen im Wechsel,• vielfältige Metaplan-Techniken zur Sammlung, Strukturierung, Bewer-

tung und Dokumentation der Beiträge,• Anfertigen von Wandzeitungen zur Unterstützung der Informations-

übermittlung zwischen einzelnen Arbeitsgruppen,• themenbezogene Referate und Berichte durch externe ReferentInnen

und durch TeilnehmerInnen der Innovationswerkstatt,• im Einzelfall vorbereitende Arbeitsgruppen außerhalb der Sitzungster-

mine,• vereinzelt Spiele und andere Kreativitätstechniken.

2.2.5 Neue Projektfelder entwickeln, Projektideen diskutieren, Empfeh-lungen zur Projektauswahl formulieren

Die Innovationswerkstatt hatte zum Ziel, aufbauend auf den Erfahrungenzu dringenden Bedarfen der im Fördergebiet repräsentierten Bezirke neueProjektfelder und einzelne Projektideen zu entwickeln. Die Vorschlägeaus dem Kreis der InteressenvertreterInnen aus dem Fördergebiet solltendie der B.&S.U. und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umwelt-schutz und Technologie bereits vorliegenden Projektvorschläge erweiternund somit die Projektpläne für die „Modellwerkstatt öko-soziale Infra-struktur“ unterstützen.

Um der Arbeit in der Innovationswerkstatt eine Orientierung zu geben,informierte die B.&S.U. über Anzahl und Themen der ihr bereits vorlie-genden Projektvorschläge.46 Diese konnten nur sehr begrenzt in der In-

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novationswerkstatt diskutiert werden und traten zugunsten der von denTeilnehmerInnen vorgeschlagenen Inhalte in den Hintergrund. Um den-noch einen Bezug zu diesen Bereichen herzustellen und die an die Bür-gerbeteiligung gerichtete Beratungserwartung exemplarisch zu erfüllen,wurde eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Themenfeld „Ener-gieprojekte“ sowie mit dem Projektvorschlag „Ökologisches ZentrumAuferstehungskirche“ im Rahmen der thematischen Workshops ermög-licht.

Ausgehend von den Erhebungen und Gesprächen in der Vorbereitungs-phase sowie von Vorschlägen aus der vor Beginn der Innovationswerk-statt durchgeführten Zukunftswerkstatt (1. Workshop) benannten die Teil-nehmerInnen in der 2. Sitzung weitere Projektbereiche, die aus ihrer Er-fahrung heraus wichtig schienen. In einem nächsten Arbeitsschritt wur-den diese zu größeren thematischen Komplexen zusammengefaßt unddann gemeinsam eine Auswahl der in den weiteren Sitzungen zu disku-tierenden Projektfelder getroffen. Es sollten Empfehlungen zu Projektfel-dern und -ideen erarbeitet werden. Diese sollten von den in der Innova-tionswerkstatt vertretenen (oder anderen) Institutionen weiter bearbeitetoder durch den Gesamtprojektträger ausgeschrieben werden.

Die TeilnehmerInnen dokumentierten durch ein Bewertungsverfahren eindeutliches Interesse an der Bearbeitung der folgenden Projektfelder:47

1. Stärkung der lokalen Ökonomie2. Tragfähige Strukturen im Fördergebiet/in den Bezirken entwickeln3. Begegnungsstätten im Kiez.

Ökologische und soziale Projektthemen (u.a. zu den Themen Verkehr,Behindertenbelange, Energie, ökologisches Bauen) folgten, jedoch mitdeutlich geringerer Punktzahl.

In der Betonung von gewünschten Aktivitäten zur Ökonomie- und damitzur Arbeitsmarktentwicklung spiegelt sich die Lebenssituation der Men-schen wider. Ökologische und soziale Aspekte, die in den Projekten desEntwicklungsschwerpunktes „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“zum Tragen kommen sollen, wurden dennoch von den TeilnehmerInnennicht als Gegensatz hierzu, sondern als zu integrierende Anforderungenverstanden, was sich bei der weiteren Ausarbeitung der Projektfelder undden Anforderungen zu einzelnen Projektideen bestätigte.

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In der hohen Bewertung des Projektfeldes „Tragfähige Strukturen im För-dergebiet/in den Bezirken entwickeln“ kristallisierte sich der grundlegen-de Wunsch aller TeilnehmerInnen heraus, kurzfristige, evtl. als aufgesetztund fremdbestimmt erlebte „Modellprojekte“, die mit der Lebenswelt derBewohnerInnen im Fördergebiet wenig zu tun haben, zu vermeiden. An-gestrebt wurden hingegen längerfristige Perspektiven, die soweit wiemöglich nach Ablauf einer Anschubfinanzierung durch URBAN-Mitteleigenständig weitergeführt werden können. Die Möglichkeiten und Gren-zen dieses Anspruchs, vor allem für soziale Projekte, die im klassischenSinne nicht „marktfähig“ sind, wurden detailliert diskutiert. An dieser Stel-le stehen (zumindest formal) die Erwartungen der TeilnehmerInnen denVorgaben der EU-Förderrichtlinien für URBAN entgegen, die Beispiele füreine modellhafte Stadtentwicklung erwarten. Es kommt also stark daraufan, wie diese Fördervorgaben interpretiert und konkretisiert werden kön-nen.

Der Anspruch an Integration wurde, soweit es die konkreten Projektvor-schläge oder spezielle Bedarfe im Einzelfall zulassen, auch für die Belan-ge einzelner Zielgruppen wie Behinderte, Arbeitslose, Senioren, zuge-wanderte Personengruppen aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion usw.formuliert, eine Ausgrenzung oder Separierung sollte vermieden werden.Dies drückte sich dann sehr deutlich in den Vorschlägen zur Ausgestal-tung des Projektfeldes „Begegnungsstätten im Kiez“ aus, in die die Wün-sche nach Gemeinschaft, generationsübergreifenden Kontakten undNachbarschaft, d.h. Reaktivierung der räumlich-sozialen Bindungen, ein-flossen.

Die ausgewählten Projektfelder wurden in weiteren Sitzungen exempla-risch im Hinblick auf ihre Ziele, die Einbindung in die URBAN-Philoso-phie sowie auf die von den TeilnehmerInnen für den Entwicklungsschwer-punkt 3 erarbeiteten Gestaltungs- und Auswahlkriterien (s.u.) ausführli-cher diskutiert. Es wurden ebenfalls exemplarisch konkrete Projektvor-schläge erarbeitet.

Nach der Entscheidung der TeilnehmerInnen für eine Bearbeitung u.a. desThemenschwerpunkts „Stärkung der lokalen Ökonomie“ wurden z.B. inder 3. Sitzung der Innovationswerkstatt weitere, z.T schon konkretereProjektideen herausgearbeitet:48

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© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 25: Entwicklung und Konkretisierung von Projektideen zum Schwerpunkt „Stärkungder lokalen Ökonomie”

1. Es wurde die Einrichtung einer kommunalen Entwicklungsagen-tur vorgeschlagen, welche die Ressourcen der sozialen Projekteund deren Bedürfnisse ermittelt und eine Vernetzung leistet, dieüber das URBAN-Programm hinausgeht.

2. Gefordert wurden auch Integrationsnetze für Dauerarbeitslose,die über die Familie hinausreichen.

3. Als eine Möglichkeit der Selbsthilfe und gleichzeitig Neudefiniti-on von Arbeit wurde auf Tauschsysteme hingewiesen.

4. Auch ein mögliches URBAN-Projekt für einen Gewerbehof mitökologischer Ausrichtung wurde als ein wertvoller Beitrag zurlokalen Ökonomie im Fördergebiet gesehen, da solch ein Modell-projekt Ausstrahlung auf das gesamte Gewerbe im Bezirk hätte.Arbeitsplätze mit ökologischer Komponente zu schaffen ist zudemeine Aufgabe, die das Gewerbe nicht allein aus eigener Kraftbewältigen kann.

5. Ein weiterer Vorschlag bezog sich auf die Schaffung einer Dienst-leistungsgesellschaft für „grüne Jobs“. Solch ein Projekt würdeebenfalls gut in den Rahmen von URBAN passen.

6. Man könnte auch bereits durch andere Programme geförderte Be-triebe in die Pflicht nehmen, „ökologische Lehrstellen“ zu schaf-fen.

In der 5. Sitzung zum Themenschwerpunkt „Entwicklung von dauerhaf-ten Strukturen“ wurden ausgewählte Projektideen in Arbeitsgruppen zuEmpfehlungen an die Entscheidungsträger formuliert:

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Wir empfehlen der Senatsverwaltung, diese Projektidee zu verfolgen:

Ökonomisch und ökologisch-sozialer Infrastruktur-Report

Das Projekt dient der Evaluation der Ressourcen im Kiez in Form einerDefizitanalyse, die gezielt auf ausgesuchte Fragestellungen hin ausgerich-tet ist. Dazu gehört beispielsweise die Situation der Lücke-Kinder49 oderder desolate Zustand vieler öffentlicher Gebäude.

Hieraus soll ein Konzept entwickelt werden, wie die Kommune (bzw. derjeweilige Stadtteil) mit den vorhandenen, beschränkten Ressourcen „re-pariert“ werden kann. Dazu gehören auch Aspekte wie Kooperation derKMUs und Projekte, ein notwendiger Interessenausgleich und Strategienzum Umgang mit den Konkurrenzsituationen. Von besonderem Interes-se ist der Gemeinwesensektor, für dessen Stärkung günstige Rahmenbe-dingungen geschaffen werden sollen.

Folgende Anforderungen sind bei diesem Projekt besonderszu beachten:

• Wichtig sind die Kooperation und das Voneinander-Lernen• Es soll ein konkretes Projekt aus dieser Konzeption entwickelt und um-

gesetzt werden (innerhalb der URBAN-Laufzeit!)• Gebiete und Inhalte der Studie müssen exakt definiert werden, damit

der Umfang der Studie überschaubar bleibt• Ko-Finanzierung durch Bezirke (Bürgermeister gewinnen)

Ebenfalls empfehlen wir der Senatsverwaltung, diese Projektideezu verfolgen:

Einrichtung einer lokalen Beschäftigungs- und Entwicklungsagentur

Der Infrastruktur-Report könnte die erste Aufgabe solch einer neu einge-richteten Agentur sein, die sich dann auch engagiert um die Umsetzungder Ergebnisse kümmert. Aufgabenfeld der Agentur ist der Aufbau einerlokalen Ökonomie.

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 26: Beispiele für eine ausgearbeitete Projektempfehlung der Innovationswerkstatt andie EntscheidungsträgerInnen

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Die Projektfelder und bereits ausformulierten Ideen aus den verschiede-nen Beiträgen des Beteiligungsverfahrens, vor allem jedoch aus der Ar-beit der Innovationswerkstatt, wurden vom Mediationsteam für die 6. Sit-zung der Innovationswerkstatt in einem Empfehlungsbogen zusammen-gestellt und den TeilnehmerInnen mit der Bitte um eine Bewertung zuge-schickt. Die TeilnehmerInnen sollten in einem ersten Durchgang 15 Punk-te auf die ihnen am wichtigsten erscheinenden Projektvorschläge vertei-len (Spalte A) und damit gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtent-wicklung, Umweltschutz und Technologie sowie der B.&S.U. Empfehlun-gen aussprechen, welche Projekte aus der Sicht der Interessenvertreter beieiner Förderauswahl Priorität haben sollen. In diesem Auswahlschrittkonnten potentielle Projektträger auch ihre eigenen Ideen als prioritärempfehlen.

In einem zweiten Durchgang sollten 15 Punkte auf die Projektideen ver-teilt werden, die der B.&S.U. für eine Ausschreibung (Spalte B) empfoh-len und die damit auch anderen Projektinteressierten zugänglich gemacht

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 27: Prioritäten der Innovationswerkstatt für eine Projektauswahl aus verschiedenenProjektfeldern

Welche Projekte sind Ihnen am wichtigsten?Aufteilung nach Projektfeldern

1. Projektfeld Stärkung der lokalen Ökonomie, insgesamt:Davon:1.1 Lokale Arbeitsmarkt-Initiativen1.2 Lokale Wirtschaftsförderung1.3 Einzelprojekte

2. Projektfeld Entwicklung tragfähiger Strukturen /Selbstorganisation unterstützen

3. Projektfeld Freizeitgestaltung, Begegnungsstätten,Nachbarschaftshilfe

4. Angebote für verschiedene Zielgruppen

5. Aufgaben der Umweltgestaltung, insgesamt:Davon:5.1 Ökologisches Bauen5.2 Energie(beratung)5.3 Kreislaufwirtschaft / Abfallberatung5.4 Verkehrsgestaltung5.5 Grün im Kiez

Anzahl der vergebenenPunkte (Spalte A)

85

561910

13

29

28

21

14358

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werden. Eine Interessenkollision zwischen IdeengeberInnen und poten-tiellen KonkurrentInnen wurde durch dieses Splitting vermieden.

Die Punktevergabe entsprach den bereits dargelegten Schwerpunkten undverdeutlichte die Prioriäten der TeilnehmerInnen.

2.2.6 Maßstab für Projektgestaltung und -bewertung entwickeln, Empfeh-lungen für die Prioritätensetzung bei der Projektauswahl erarbeiten

Der seitens der EU vorgegebene und vom Gesamtprojektträger zu gewähr-leistende Förderrahmen wurde den TeilnehmerInnen in der 1. und 2. Sit-zung der Innovationswerkstatt von der B.&S.U. vorgestellt. Da entspre-chend der querschnittsorientierten URBAN-Zielsetzung dieser allgemei-ne Rahmen für die Ausgestaltung und Realisierung von Projekten aberInterpretations- und damit Entscheidungsfreiräume bietet, wurden von der

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 28: Empfehlungen der Innovationswerkstatt für die Ausschreibung von Projekten be-zogen auf Projektfelder

Projektfeld und zugeordneter Wunsch für eineProjektausschreibung

1. Projektfeld Stärkung der lokalen Ökonomie, insgesamt:Davon:1.1 Lokale Arbeitsmarkt-Initiativen1.2 Lokale Wirtschaftsförderung1.3 Einzelprojekte

2. Projektfeld Entwicklung tragfähiger Strukturen /Selbstorganisation unterstützen

3. Projektfeld Freizeitgestaltung, Begegnungsstätten,Nachbarschaftshilfe

4. Angebote für verschiedene Zielgruppen

5. Aufgaben der Umweltgestaltung, insgesamt:Davon:5.1 Ökologisches Bauen5.2 Energie(beratung)5.3 Kreislaufwirtschaft / Abfallberatung5.4 Verkehrsgestaltung5.5 Grün im Kiez

Anzahl der vergebenenPunkte (Spalte B)

38

2410

4

4

5

7

9

–1161

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Innovationswerkstatt in mehreren Arbeitsschritten Empfehlungen zur Kon-kretisierung dieses Förderrahmens erarbeitet.

Bereits die dargelegten Ziele und Aufgaben der Innovationswerkstatt ent-halten Anforderungen an die Gestaltung von Projekten zur „Modellwerk-statt öko-soziale Infrastruktur“, die in ihrem Gehalt weitgehend mit denallgemeinen URBAN-Kriterien übereinstimmen. Diese allgemeinen UR-BAN-Kriterien wurden aus der Sicht der TeilnehmerInnen im Verlauf der2. Sitzung in einer ersten Diskussion ergänzt:

Anforderungen an und Bewertungskriterien für Projekte

des Entwicklungsschwerpunktes 3

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 29: Anforderungen an und Bewertungskriterien für Projekte

... der EU / B.&S.U.

• Zusätzlichkeit (Projekte dürfennicht staatliche Pflichtaufgabenerfüllen)

• Wirkungsgrad (bzgl. der Um-welt-, Wirtschafts-, Sozialeffekte)

• Weiterbetrieb nach Ablauf• Öffentlichkeitskonzept/interna-

tionale Kooperation• Integrativer Ansatz• Innovationsgehalt (Neuigkeits-

wert; Modellhaftigkeit für Berlin)• Verknüpfung EFRE/ESF-Mittel• Bedeutung für das Fördergebiet• Einbindung in den Kiez• Bürgerbeteiligung• Zielgruppenorientierung

... ergänzt durch die TeilnehmerInnen

• Einbindung und Verbindung unter-schiedlicher Zielgruppen

• Vernetzung von Zielgruppen, Projektfel-dern und Entwicklungsschwerpunkten

• verschiedene ökologische Sektoren quer-schnittsorientiert behandeln

• Anspruchsgruppen benennen• Zusammenarbeit unterschiedlicher An-

spruchsgruppen• Projekte sollten/müssen an vorhandenen

Strukturen anknüpfen• sozialer Anspruch der Projekte muß deut-

lich werden• Nachhaltigkeit bzgl. Strukturen/Kontinui-

tät• nicht nur für, sondern mit den Zielgrup-

pen Projekte entwickeln und durchführen• „Personenzentrierte Planung“/Zielgruppe

„Einzelne“• Angebote nicht nur für „Problemgrup-

pen“, sondern für „normale“ Leute• Lebenszusammenhänge im Kiez stärken

Problematisch:• Langfristiger Weiterbetrieb für soziale

(Modell-)Projekte nicht möglich!• Wie soll damit umgegangen werden?• hierzu Rückmeldung/Appell an die EU!

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Es erwies sich zu dem Zeitpunkt als methodisch hilfreich, die Diskussionüber Auswahlkriterien nicht weiter allgemein, sondern zunächst ange-wendet auf die gewählten thematischen Schwerpunkte zu führen. ImZusammenhang mit den in der Innovationswerkstatt bearbeiteten Projekt-feldern wurden daher aufgaben- bzw. themenbezogen weitere Rahmen-bedingungen und Anforderungen für die Ausgestaltung einzelner Projekt-felder und Projektideen formuliert und diskutiert.

Die Entwicklung einer solchen Diskussion, die Konkretisierung von Vor-schlägen zu Projektempfehlungen sowie die darauf aufbauende Verall-gemeinerung von Anforderungen, Gestaltungs- und Auswahlkriterien sollhier exemplarisch für das Projektfeld „Begegnungsstätten“ dargestelltwerden.

Es wurde u.a. von dem seitens der EU vorgegebenen Kriterium ausgegan-gen, daß bei Projekten ihre „Einbindung in den Kiez“, ihr „Wirkungsgradvor Ort“ geprüft werden muß. Die TeilnehmerInnen der Innovationswerk-statt interpretierten und ergänzten aus ihrer Sicht hierzu, daß „die Lebens-zusammenhänge im Kiez gestärkt“ und die Projekte „nicht nur für, son-dern mit den Zielgruppen“ entwickelt werden müssen und in dieser Wei-se eine „Bürgerbeteiligung“ stattzufinden habe, die ja ebenfalls als An-spruch der EU vorliegt.

In der 4. Sitzung der Innovationswerkstatt wurde das Kriterium „Le-benszusammenhänge im Kiez stärken“ vertiefend diskutiert und aus derSicht der TeilnehmerInnen noch weiter mit Inhalt gefüllt. Kernaussagewar, daß der Zusammenhang von Wohnen, Arbeiten und Leben im Kiezgestärkt werden müßte. Es sollte alles im Kiez vorhanden sein, was zurunmittelbaren Bewältigung des Alltagslebens benötigt wird und den All-tag angenehmer gestaltet. Zur Stärkung der Lebenszusammenhänge imKiez würde auch die Berücksichtigung ökologischer Aspekte, eine Ver-besserung der Arbeitsmarktsituation, eine Verbesserung des Wohnumfel-des sowie das Herstellen von Synergieeffekten durch eine Verknüpfungunterschiedlicher Aktivitäten beitragen. Es handele sich somit um ein Kri-terium, das die komplexe Programmatik des URBAN-Programms gut wi-derspiegelt.

Zur „Stärkung der Lebenszusammenhänge im Kiez“ gehören nach Ansichtder TeilnehmerInnen außerdem Orte für einen gesellschaftlichen Aus-

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tausch, sei es in Form von Betroffenenvertretungen, Plattformen oder Treff-punkten. Dort sollte die Weitergabe von Informationen, eine Diskussiondrängender Probleme im Kiez, eine Aktivierung der BürgerInnen sowieeine Vernetzung verschiedener Gruppen stattfinden bzw. entwickelt wer-den. Diese Orte sollten generations- und zielgruppenübergreifend dieBewohner im Kiez ansprechen.

In Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit sind unter dem Stichwort „Stär-kung der Lebenszusammenhänge“ neue soziale Infrastrukturen zu för-dern, die den Zusammenbruch der Sozialbeziehungen nach der Wendeund die Zunahme von Einzelhaushalten berücksichtigen sowie Hilfen zurindividuellen Krisenbewältigung anbieten. Auch die Vermittlung von Frei-zeit als Wert gehört in diesen Zusammenhang. Immer wieder wurde aufdie Notwendigkeit zur Vernetzung der Projekte hingewiesen.50

In Arbeitsgruppen wurden entsprechend dieser Forderung einzelne Pro-jektvorschläge entwickelt und mehrfach überarbeitet. Eine Projektemp-fehlung, die auch Kriterien umfaßt, die die EntscheidungsträgerInnen fürdie Ausgestaltung und die Auswahl entsprechender Projektanträge anle-gen sollen, ist nachfolgend aufgeführt:51

Wir empfehlen der Senatsverwaltung, diese Projektidee zu verfolgen:

Offene Kieztreffs für alle Zielgruppen der Bevölkerung- Information / Begegnung / Kommunikation

Folgende Anforderungen sind bei diesem Projektbesonders zu beachten:

• Die Kieztreffs sollen vor allem Orte sein, an denen Information zurVerfügung gestellt und ausgetauscht wird. Dies darf jedoch nichtvorbestimmt oder geprägt werden, z.B. durch die Verwaltung, son-dern soll ein breites Spektrum von Menschen und Gruppierungeneinbeziehen.

• Eine Kooperation von sowohl Bezirksverordnetenversammlung(BVV)/Bezirksamt/Freien Trägern/offenen Gruppen als auch Betrof-fenenvertretungen/Vereinen ist deshalb anzustreben.

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Die Kriteriendiskussion folgte insgesamt gesehen einem deduktiv-induk-tiven Vorgehen, das zwischen der Ebene allgemeiner Anforderungen undderen Umsetzung in konkrete Projektvorschläge mehrfach wechselte.Entsprechend wurde auch zu anderen Themenfeldern vorgegangen.

Um die Entwicklung allgemeiner, projektfeldübergreifender Kriterien inder Innovationswerkstatt zu unterstützen, faßte das Mediationsteam diein verschiedenen Zusammenhängen geäußerten Kriterien in einem Fra-gebogen52 so weit wie möglich inhaltlich zusammen. Dieser Fragebogenwurde den TeilnehmerInnen der Innovationswerkstatt zwischen der 3.und 4. Sitzung der Innovationswerkstatt zugesandt mit der Bitte, zu deneinzelnen Formulierungsvorschlägen für allgemeine Kriterien ihre Zustim-mung, Ablehnung oder weitere Vorschläge anzumerken. Die zurückge-schickten und mit zahlreichen Anmerkungen versehenen Fragebögenwurden in mehreren Schritten ausgewertet und dienten als Grundlage für

© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 30: Beispiel für eine Projektempfehlung der Innovationswerkstatt einschließlich Aus-wahlkriterien für die Gestaltung von Kieztreffs im Fördergebiet

• Es sollen mehrere Begegnungsstätten eingerichtet werden, die un-terschiedliche Bedürfnisse der AnwohnerInnen auffangen. Ansät-ze sind dabei schon vorhanden und könnten ausgebaut werden,z.B. eine Nutzung der Schülerspeisestätte („Freßwürfel“) in derThomas-Mann-Straße.

• Es sollten kommunale Standorte genutzt werden, weil damit lau-fende Kosten wie Mieten wegfallen.

• Es muß eine/n AnsprechpartnerIn für den Kieztreff geben, der/diejedoch nicht einer bestimmten Gruppierung angehört. Deshalbsollte ein regelmäßig tagender ehrenamtlicher Lenkungsausschußeingerichtet werden, der die Aktivitäten in dem zur Verfügung ste-henden Raum koordiniert. Zentral sind die politische Neutralitätund Selbstorganisation – nur die Rahmenbedingungen sollten vomBezirksamt gestellt werden.

• Als wichtiger Aspekt wurde angemerkt, daß es nicht ausschließ-lich zielgruppenspezifische Angebote geben sollte. Ziel sollte dieVermischung unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen sein.

• Es sollte eine Vielfalt an Arbeitsformen verwirklicht werden; derKieztreff sollte kiezspezifisch und bezirksspezifisch sein.

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einen Bewertungsmaßstab der Innovationswerkstatt53 , der mit den Teil-nehmerInnen in der 6. Sitzung ausführlich diskutiert und abgestimmtwurde. Auf dieser Basis wurde ein Kriterienkatalog für die Projektaus-wahl und -gestaltung vorgelegt.54 Er faßt die Empfehlungen der Teilneh-merInnen an die EntscheidungsträgerInnen zur Gestaltung und Auswahlvon Projekten zusammen.

Im Zuge der Erarbeitung des Kriterienkatalogs werden auch Empfehlun-gen für die Prioritätensetzung bei der Gestaltung und Projektauswahl ge-geben. Eine streng formale Vorgabe erwies sich dabei als nicht zielfüh-rend, da sehr unterschiedliche Projekte zu betrachten sind, die jeweilsEinzelfallentscheidungen erfordern, und ihre Wirkung im Gesamtgefügeder URBAN-Projekte sowie anderer Aktivitäten im Fördergebiet bedachtwerden muß. In diesem Zusammenhang sollte auch auf die räumlicheZuordnung der Projekte bei der URBAN-Umsetzung geachtet werden.

Die Arbeit der Innovationswerkstatt war nach der 6. Sitzung im Winter1997 abgeschlossen. Die TeilnehmerInnen beteiligten sich jedoch wei-terhin an der Diskussion um die Realisierung der „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ im Rahmen der nachfolgend angebotenen themati-schen Workshops.

2.2.7 Konfliktmittlung im Verlauf des Beteiligungsverfahrens

Der Auftrag, eine Bürgerbeteiligung zur „Modellwerkstatt öko-soziale In-frastruktur“ in Form eines Mediationsverfahrens zu gestalten, ging übereine Informationsvermittlung, d.h. eine differenzierte Form der Öffentlich-keitsarbeit, hinaus. Dem Anliegen der EntscheidungsträgerInnen, Projek-te bedarfsgerecht zu akquirieren und zu gestalten, entsprach aus der Per-spektive der interessierten Öffentlichkeit bzw. potentieller Projektträgerder Wunsch nach einer größtmöglichen Transparenz des Fördermitttel-einsatzes sowie der Einbindung der artikulierten Interessen vor Ort.

Um den Mediationsanspruch einzulösen, bestand eine Aufgabe desMediationsteams darin, mit den verschiedenen Verfahrensbausteinen dieVoraussetzungen für dieses transparente Vorgehen zu schaffen. Weiter-hin galt es, entsprechend dem Mediationsauftrag dafür Sorge zu tragen,daß im Zusammenwirken zwischen den Entscheidungsträgern sowie den

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Interessenvertretern in der Innovationswerkstatt und potentiellen Projekt-trägern ein fairer Projektauswahl- und -abstimmungsprozeß ermöglichtwird. Hierfür hat es sich als notwendig erwiesen, zwischen verschiede-nen Interessen und Positionen zu vermitteln.

Im Zuge der Dokumentation wurde das Verfahren unter der Zielsetzung,einen fairen Abwägungs- und Auswahlprozeß und einen Interessenaus-gleich zu gewährleisten, daraufhin ausgewertet, welche Interessenkonflik-te bzw. Konfliktebenen aus der Perspektive des Mediationsteams beson-ders deutlich wurden.

Konfliktbereiche:

Zuschnitt des Förderge-biets, das einige sozialeBrennpunkte nicht ent-hielt

Ansprüche und allg. Aus-gestaltung des URBAN-Programms, z.B. nachModellcharakter der Pro-jekte

Stichwort Zusammenar-beit innerhalb der Innova-tionswerkstatt und in de-ren Umfeld:

Arbeitsklima und Moti-vation für Diskussion istdurch Einzelbeiträge bela-stet, mißverständlicheKolportierung einzelnerSachverhalte; Sanktionie-rung von Aussagen einzel-ner Beteiligter

Sachstand zur 6. Sitzungder Innovationswerkstatt:

notgedrungen Akzeptanz,da nicht zu ändern wg.EU-Vorgaben und BerlinerVorabstimmungen;z.T. Ansicht, daß dasFördergebiet exemplarischdie vielfältigen Strukturender innerstädtischen Ost-berliner Bezirke umfaßt

notgedrungen Akzeptanz,da nicht zu ändern wg.EU-Vorgaben;Aufstellung des Projektbe-reichs „Stabile Strukturenschaffen“, Empfehlungenzu Projektinhalten undKriterien

Die Zusammenarbeit hatsich positiv entwickelt,anfängliche Unstimmig-keiten wurden bilateraloder unter Einbezug derMediatorinnen beigelegtoder neutralisiert

Lösungsmöglichkeiten (?):

das Beste daraus machen;Forderung nach frühzeiti-gem Einbezug der Bürgerbei Festlegung des näch-sten EU-Programms

Auswahl und Förderungentsprechender Projekte,Unterstützung langfristigerPerspektivenentwicklung,vertiefte Bedarfsanalysen

Bezug aller Beteiligten aufdie Arbeitsvereinbarung si-cherstellen;keine Stellvertreterkonflik-te pflegen, bei denen es ei-gentlich um ganz andereAuseinandersetzungenzwischen einzelnen Perso-nen oder Institutionen geht

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© Mediationsteam URBAN (Erika Dechert-Knarse, Brigitte Gans, Beate Günther)

Abb. 31: Konfliktbereiche und Lösungsvorschläge

Stichwort Konkurrenz:

Konkurrenz um Projektin-halte („Ideenklau“, Mehr-fachbeantragung gleicherProjektideen)

Konkurrenz um Projekt-trägerschaft/Koordination

Projektideen nur z.T.wechselseitig bekannt;Projektideen nicht auf Be-darf abgestimmt, doppel-ter Aufwand/Verbrauch öf-fentlicher Mittel;

Projektideen mit sachbe-zogen notwendiger Bün-delungsfunktion werdennicht oder ohne Abstim-mung zwischen den zubeteiligenden notwendi-gen Partnern beantragt;keine Akzeptanz der„Konkurrenten“

offensive Abstimmung po-tentieller Träger unterein-ander (Beispiel Energie-projekte);Mediationsteam als Neu-trale einbeziehen;Zuweisung von Koopera-tionen durch die Entschei-dungsträger akzeptieren;bei Unstimmigkeiten Me-diation (s.o.)ungelöst: Umsetzung derVermittlungslösung bez.des Stadtführers für Behin-derte

Öffnung „starker“ Trägerfür Kooperationen, klareRegelungen zu Projekt-inhalten und Aufgaben-verteilungen vornehmen,fest vereinbaren und ggf.mit Mediation abstimmenbzw. prüfen lassen;Kooperation mit denEntscheidungsträgern nö-tig im Hinblick auf Vorga-ben

Das Mediationsteam hat entsprechende Aufgaben vielfach „begleitend“,d.h. im Zusammenhang mit inhaltlichen Diskussionen im Zuge der Mo-deration und Verfahrensgestaltung wahrgenommen. Hierzu gehörte z.B.der Einsatz von Arbeitsformen, die auch den zurückhaltenderen Teilneh-mern ausreichend Raum zur Artikulation ihrer Vorstellungen gab, eben-so wie ein sorgfältiger Umgang mit Arbeitsergebnissen, damit niemandstrukturell benachteiligt wurde. Dabei erwies sich ein Interessenaus-gleich auf der inhaltlichen Ebene, z.B. bei der Formulierung der Projekt-ideen oder des Kriterienkatalogs, als zwar mühsam, aber durchaus leist-bar.

Offensichtliche inhaltliche oder arbeitstechnische Probleme wurden z.T.auch in Einzelgesprächen mit Teilnehmern zu klären versucht, in denen

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ihre persönliche oder institutionelle Situation im Hinblick auf das Anlie-gen der Innovationswerkstatt besprochen wurde. Dabei ging es vor allemdarum, um Verständnis für andere Sichtweisen zu werben, Abstimmun-gen und Koalitionen anzuregen, um damit z.B. die Chancen für die Rea-lisierung der Ziele und Projektwünsche zu erhöhen.

2.2.8 Zur Umsetzung der Arbeitsergebnisse aus der Innovationswerkstatt

Die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens haben empfehlenden Charak-ter. Das Angebot für eine Bürgerbeteiligung, gerade wenn es seitens derEntscheidungsträgerInnen gewünscht und damit an die angestrebten Ziel-gruppenvertreter herangetragen wird, ist eine sensible Angelegenheit.

Das in der Regel ehrenamtliche Engagement der InteressenvertreterInnenin der Innovationswerkstatt war bezüglich der Zusammenarbeit mit denEntscheidungsträgerInnen mit einem Vertrauensvorschuß dahingehendverbunden, daß die Empfehlungen aus der Bürgerbeteiligung nachvoll-ziehbar bei der Beratung zur Projektentwicklung sowie den Förderent-scheidungen mit herangezogen werden würden. Diese Erwartung wurdebislang nur zum Teil eingelöst. Ein Versuch, die bis zum Juli 1998 bewil-ligten Projekte zu dem als wichtigstes Projektfeld erachteten Bereich „Stär-kung der lokalen Ökonomie“ in Beziehung zu setzen, zeigte z.B., daßhierzu bislang nur eine Bewilligung erfolgt ist (Projekt „Lehrstellenoffen-sive”). Zu diesem Zeitpunkt lagen für den Entwicklungsschwerpunkt 3insgesamt 120 Anträge vor, von denen knapp 40 in einer engeren Wahlfür eine Bewilligung sind (vgl. Mediationsteam URBAN 1998). Da dieRealisierung der „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruktur“ noch andau-ert, ist es für eine abschließende Evaluation, in welchem Umfang denEmpfehlungen aus der Bürgerbeteiligung gefolgt wurde, jedoch noch zufrüh.

Das Projektberatungs- und -prüfungsverfahren verlangt sowohl von An-tragstellerInnen als auch von den EntscheidungsträgerInnen viel Geduldbis zur Förderentscheidung. Dies liegt nicht nur nach Einschätzung derfederführenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutzund Technologie vor allem an dem integrierten Ansatz des URBAN-För-derprogramms (Einsatz ESF- und EFRE-Mittel und die sich hieraus erge-benen inhaltlichen und formalen Ansprüche an die Projekte). Aus dieser

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Struktur heraus ergibt sich u.a. die Notwendigkeit, mehrere Verwaltungs-stellen und Service-Gesellschaften bei der Antragsbegutachtung einzube-ziehen. Weiterhin ergeben sich haushaltstechnische Verzögerungen beider Bereitstellung der Kofinanzierungs-Mittel durch das Land Berlin oderdie Bezirke. Diese und weitere Aspekte, z.B. die ungeklärte finanzielleTragfähigkeit von Projekten nach dem Auslaufen einer Anschubfinanzie-rung durch URBAN, führten im Verlauf des URBAN-Programms zu Ermü-dungserscheinungen bei interessierten (potentiellen) AntragstellerInnen.Eine Diskussion über diese Schwierigkeiten ergab, daß ein verstärktes„Coaching“ für Projekte und AntragstellerInnen hilfreich sein könnte (vglebd. 1998). Da die URBAN-Mittel bis Ende 1999 verplant werden müs-sen, ist jedoch in nächster Zeit mit einer Zunahme der Förderentscheidezu rechnen.

Die EntscheidungsträgerInnen der Senatsverwaltungen für Umweltschutz,Stadtentwicklung und Technologie sowie die Senatsverwaltung für Wirt-schaft und Betriebe und der B.&S.U. nahmen an allen Sitzungen der In-novationswerkstatt und an den Workshops teil, konnten so den Meinungs-bildungsprozeß über weite Strecken mitverfolgen. Kurz nach der Durch-führung der letzten Sitzung der Innovationswerkstatt kam es durch dieAuslagerung einer Verwaltungsabteilung zu einer Umstrukturierung derSenatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie,die dazu führte, daß alle zuvor mit dem Beteiligungsverfahren befaßtenAnsprechpartnerInnen zur gleichen Zeit wechselten. Obwohl sich diebisherigen Mitwirkenden und die neu mit einem bereits fortgeschrittenenBeteiligungsprozeß befaßten SenatsmitarbeiterInnen um eine Weiterfüh-rung der Zusammenarbeit bemühten, brauchte es einige Anstrengungenauf allen Seiten, um an die bis dahin gelaufenen Entwicklungen anzu-knüpfen. In den Workshops, die nach der letzten Sitzung der Innovati-onswerkstatt stattfanden, ergaben sich daher immer wieder Diskussionenzur Interpretation der weit gefaßten Förderrichtlinien und der Berücksich-tigung der bis dahin entwickelten Projektschwerpunkte und -ideen. Zuden Aufgaben des Mediationsteams gehörte es in dieser Phase, informa-torische und methodische Brücken zu bauen, so daß eine Fortsetzung dergemeinsamen Arbeit gelingen konnte.

Auch wenn für ein Mitgestalten seitens der EntscheidungsträgerInnenimmer wieder geworben wurde, bestand bei vielen der Angesprochenenvor Ort aufgrund negativer Vorerfahrungen und Frustrationen (u.a. aus

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Sanierungsplanungen) ein latentes Mißtrauen, ob dieses Angebot auf sei-ten der EntscheidungsträgerInnen tatsächlich ernst gemeint sei. Es ist da-her für alle Beteiligten eine Frage der langfristigen Glaubwürdigkeit, fürdie Berücksichtigung der erarbeiteten Empfehlungen in geeigneter Weiseeinzustehen. Es gehört zu den Aufgaben der Mediation, auf diesen Um-stand nachdrücklich hinzuweisen.

Das Bürgerbeteiligungsverfahren trug in mehrfacher Hinsicht zu einerVernetzung von Personen, Institutionen und Aktivitäten bei und war einwichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit zum Berliner URBAN-Pro-gramm. Auch wenn hierbei die Vorhaben im Rahmen der „Modellwerk-statt öko-soziale Infrastruktur“ im Mittelpunkt des Interesses standen, gehtder Effekt der Arbeit in der Innovationswerkstatt darüber hinaus. So ver-deutlichen sowohl die von den TeilnehmerInnen angestrebten Projektin-halte als auch die Auswahlkriterien deren Bestreben, trotz aller Schwie-rigkeiten, Konkurrenzen und Vorbehalte untereinander zu einem für dieMenschen im Fördergebiet langfristig sinnvollen Einsatz der URBAN-Mit-tel beizutragen. In einer Situation, in der fast alle freien Träger und Ver-bände um ihre Existenzgrundlagen kämpfen müssen und die Haushalts-mittel der Bezirke nicht einmal für die Pflichtaufgaben ausreichen, ha-ben die ZielgruppenvertreterInnen trotz aller (berechtigten) Eigeninteres-sen gemeinsam Kriterien, Handlungsfelder und Projektideen für einenachhaltige Entwicklung im Fördergebiet entwickelt.

3. Möglichkeiten und Grenzen des Mediationseinsatzes inProzessen der Lokalen Agenda 21

In der Folge der UN-Konferenz in Rio de Janeiro im Jahre 1992 hat sichdie Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung auch in Deutschlandintensiviert. VertreterInnen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen,politischer und wirtschaftlicher Ebenen sowie verschiedener wissen-schaftlicher Disziplinen entwerfen Szenarien und verhandeln Strategiensowie Rahmenbedingungen, unter denen die Bedürfnisse der heutigenGeneration erfüllt werden und gleichzeitig die Lebensgrundlagen dernachfolgenden erhalten bleiben können.

Da die Aktivitäten zur Konkretisierung und Umsetzung der Lokalen Agen-da 21 in Deutschland maßgeblich von kirchlichen, friedens-, entwick-

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lungspolitisch und ökologisch engagierten Gruppen ausgehen, wird de-ren Anliegen häufig verkürzt als ein ökologisches Programm zum globa-len Klimaschutz verstanden. Es ist oftmals nicht bewußt, daß die LokaleAgenda 21 eine Integration verschiedener Ansprüche gebietet. Zu ihrenwesentlichen Anliegen gehört es, daß das Streben nach Nachhaltigkeitunter Berücksichtigung von Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangenerfolgen soll. Die Auseinandersetzung mit diesem komplexen Anliegenberührt die grundlegende Frage, wie wir und andere in Zukunft lebenwollen und können. Hierauf in dem gebotenen Rahmen Antworten zufinden kann nur unter Einbezug und Teilhabe der betroffenen Menschengelingen. Es gibt zwar wissenschaftliche Erkenntnisse, die in eine solcheDiskussion einbezogen werden müssen, für manche anzustrebende Ent-wicklungen auch Vorbilder, die die Orientierung erleichtern, aber keinefertigen Lösungen für die jeweils konkrete Situation vor Ort, sei es lokaloder national. Vielmehr müssen wir uns auf einen gesellschaftlichenSuch-, Entwicklungs- und Entscheidungsfindungsprozeß einlassen, derunter inhaltlichen, politischen und kommunikativen Aspekten zwarhöchst anspruchsvoll und interessant, über viele Strecken aber auch an-strengend und mit Interessenkonflikten sowie unbequemen Einsichten,Enttäuschungen usw. verbunden sein wird.

Nimmt man das Integrations- und Partizipationsgebot der Agenda 21ernst, so können die Entwicklung von Leitlinien, der Entwurf von Program-men zu ihrer Konkretisierung sowie die Entwicklung von Projekten undMaßnahmen in unserer Gesellschaft letztlich nur im Zuge von diskursi-ven Prozessen mit den Menschen vor Ort und in den Regionen erfolgen,in enger Anbindung an die legitimierten EntscheidungsträgerInnen. Er-gänzt und begleitet von übergreifenden landesweiten (vgl. BayerischesStaatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 1997) undnationalen Bemühungen sowie im internationalen Austausch gewinnensolche Prozesse noch. Der Lokal- bzw. Regionalbezug ermöglicht bei al-ler Komplexität des Anspruchs die Orientierung auf einen zunächst über-schaubaren Gestaltungsraum. Die Menschen sind Experten ihres Umfel-des, sie können sich mit den Aufgaben und Ergebnissen eines lokal aus-gerichteten Agenda-Prozesses identifizieren. Für die Agenda-Entwicklun-gen auf kommunaler Ebene stellt die Charta von Aalborg55 einen wichti-gen Bezugsrahmen dar. Auch sie enthält ein Kooperations- und Beteili-gungsgebot sowie eine knappe Auflistung der Arbeitsschritte, die eineKommune anstreben sollte:

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• über die Lokale Agenda 21 zu informieren und für eine Mitwirkung zuwerben,

• eine Bestandsaufnahme von Problemen durchzuführen,• Ziele und Leitbilder zu erarbeiten,• Maßnahmen und Projekte davon abzuleiten,• nicht zuletzt Finanzierungsmöglichkeiten für die Prozesse selbst sowie

den daraus sich entwickelnden Handlungsbedarf zu erschließen.

Es ist weiterhin notwendig, Akteure aus allen gesellschaftlichen Gruppenin diese Agenda-21-Prozesse einzubeziehen. Dies hat zur Voraussetzung,daß nicht nur Umweltbewegte, sondern z.B. auch UnternehmerInnen,LandwirtInnen, AutoschlosserInnen, KindergärtnerInnen, SchülerInnenusw. über die Inhalte und Anliegen der Lokalen Agenda 21 informiertsind, damit sie für sich und ihre Lebenszusammenhänge Anknüpfungs-punkte erkennen. Wenn zuvor festgestellt wurde, daß die Agenda 21 inletzter Konsequenz auffordert, Lebensstile zu hinterfragen, so soll damitjedoch nicht Verzicht gepredigt, sondern die Anregung verbunden wer-den, nach lebbaren, umsetzungsfähigen Schritten für einen verantwortli-chen Umgang mit Ressourcen zu suchen.

Entsprechende Aktivitäten zur Umsetzung der Lokalen Agenda 21 lassensich in vielen Kommunen in Deutschland feststellen.

Die aus 150 Rückantworten einer Befragung von Kommunen gewonne-nen Ergebnisse über die in Agenda-Prozessen eingesetzten Kommunika-tionsformen (vgl. Rösler 1997, S. 24) ergab, daß hierzu überwiegend eher„klassische“ Arbeitsformen wie Pressearbeit, Vorträge, Ausstellungen,Bürgerberatung, Informationsschriften und auch Veranstaltungen derVolkshochschulen angegeben wurden. Aber auch der Einsatz von infor-mellen Beteiligungs- und Konfliktmittlungsverfahren, z.B. Runde Tische,Zukunftswerkstätten, Mediation und Planungszellen, wird als Möglichkeitgesehen, kreative Potentiale von BürgerInnen in Entscheidungen einzu-beziehen, Kommunikationsdefizite und -barrieren abzubauen, Informati-onszugewinn zu sichern und Sachlösungen eine breitere Legitimation zugeben. In zahlreichen Handbüchern zur Lokalen Agenda und in Metho-denratgebern werden die Methoden entsprechend aufgeführt, u. a. auchMediation (vgl. Bundesumweltministerium u.a. 1998; Apel u.a. 1998).

Der Einsatz von Zukunftswerkstätten, Runden Tischen, moderierten Ar-

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beitsgruppen sowie in letzter Zeit auch von Zukunftskonferenzen und derMethode Open Space in Prozessen der Lokalen Agenda läßt sich aufgrundvon Erfahrungsberichten belegen. Recherchen zum Einsatz der Mediati-on ergaben, daß diese zwar als Option gewünscht, jedoch kaum reali-siert wurde. Auch die in der DIFU-Erhebung genannten Fälle erwiesensich, zum Teil aufgrund fehlender Kenntnisse über Mediation, auf Nach-fragen als Verwechselungen mit Runden Tischen oder anderen Formender (Konflikt-)Moderation (vgl. Sellnow 199856 ). Wo liegen die Proble-me?

In den folgenden Abschnitten wird folgenden Fragen nachgegangen: Kön-nen Verfahren, die dem methodischen Ansatz der Mediation, speziell derUmweltmediation, entsprechen, ein integrativer, konfliktmittelnder undBeteiligung gewährleistender Beitrag für Prozesse der Lokalen Agenda 21sein? Wie und in welchem Umfang können z.B. Mediationselemente insolche Prozesse sinnvoll integriert werden? Gibt es Grenzen oder verän-derte Ansprüche an ihren Einsatz? Die Ausführungen zum Einsatz vonMediation in Agenda-21-Prozessen sollten als Anregung und Diskussions-beitrag zu einem Anwendungsfeld verstanden werden, in dem es natur-gemäß noch kaum Erfahrungen auszuwerten gibt (vgl. Fuchs 1998, S. 3).Dies gilt insbesondere für das Bestreben, darüber nachzudenken, inwie-weit Mediation in einem gebotenen Ausmaß flexibel auf spezifische An-wendungsbelange hin ausgestaltet werden kann, ohne sich von ihren spe-zifischen Ansprüchen und methodischen Essentials zu weit zu entfernen.

Neben der Orientierung an ersten Erhebungen und Forschungsergebnis-sen über den Einsatz von Mediation, anderen Beteiligungsverfahren undKommunikationserfahrungen in Agenda-21-Prozessen soll dies auf derBasis eines Erfahrungsausschnitts erfolgen, der auf einer Vernetzung mitAgenda-Akteuren bezüglich der Gestaltung von Agenda-Prozessen inKommunen unterschiedlicher Größenordnung und Rahmenbedingungen,eigener Mediations-, Moderations- und Managementerfahrungen sowieauf Seminar- und Beratungstätigkeiten beruht.57 Da eine Übersicht überalle Varianten einer Prozeßgestaltung in diesem Rahmen nicht leistbar ist,erhebt diese Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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3.1 Übertragung eines projektorientierten Mediationssettings auf län-gerfristig ausgerichtete vielschichtige Agenda-21-Prozesse?

Die Agenda 21 verpflichtet zu Partizipation und Interessenausgleich aufsehr verschiedenen Ebenen. Beide Anforderungen sind in der Praxis kaumvoneinander zu trennen und führen fast zwangsläufig zu dem Anspruch,Konfliktlösungen nicht autoritär und nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip,sondern im Zuge von Konsensfindungsprozessen anzustreben.

Orientiert man sich an einer allgemeinen Definition von Mediationsver-fahren, bieten sie auf den ersten Blick eine methodische Unterstützungsowohl für Partizipationsbestrebungen und die Interessenartikulation alsauch für eine Konfliktbearbeitung. 58 Die Problematik des Mediationsein-satzes in Agenda-Prozessen zeigt sich erst bei genauerem Hinsehen:

Aktivitäten der Lokalen Agenda 21 z.B. auf kommunaler Ebene werdenmeist als längerfristige Prozesse angelegt und unterscheiden sich in die-ser Hinsicht von vorhabenbezogenen, zeitlich befristeten Projekten, inderen Rahmen (Umwelt-)Mediation bisher für eingegrenzte Konflikte undAufgaben eingesetzt wurde.

3.2 Mediation zur Artikulation, Integration und Aushandlung von Visio-nen, Leitbildern und Wünschen?

Die Entwicklung und Abstimmung von Leitbildern und Zielen ist mit Kon-troversen und Interessenkonflikten verbunden, die einer professionellenKonfliktmoderation bedürfen, um Ergebnisse für die Handlungsebenehervorzubringen. Zu den Zielen einer Konfliktmoderation gehört es, dieArtikulation der Interessen zu ermöglichen, für Verständnis und Toleranzzu werben, neben den Interessen und Bedürfnissen einzelner auch dasGemeinwohl in die Überlegungen einzubringen. Es wird jedoch von ei-nigen erfahrenen Mediatoren bezweifelt, ob Leitbilder, Visionen und viel-fältige subjektive Meinungen, Ansprüche und Vorurteile eine tragfähigeVerhandlungsgrundlage im Sinne einer „klassischen“ Mediation darstel-len. Weiterhin wird hinterfragt, ob es Sinn macht, bereits auf dieser allge-meinen Ebene überhaupt einen Konsens oder handlungsleitende Kompro-misse anzustreben, denn viele ökologisch, ökonomisch und sozial moti-vierte Ansprüche seien zunächst erst einmal berechtigt und können als

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solche nebeneinander bestehen. Wünsche seien zulässig, müssen nichtverhandelt werden. Als Beispiel werden jeweils nachvollziehbare, kon-kurrierende Nutzungsinteressen an den städtischen Verkehrsraum ge-nannt. Erst wenn es darum gehe, konkrete, konfliktträchtige Projekte undMaßnahmen, z.B. die Einführung von Busspuren in einem Stadtviertel,einzuführen, könne erfolgversprechend über die Durchsetzung von Inter-essen, die Auflistung und die Prioritätensetzung von Maßnahmen verhan-delt werden (vgl. Sellnow 1998, S. 52f.).

Diese Einwände sind berechtigt und gehören zu den Überlegungen imVorfeld einer Mediation, ob die Methode grundsätzlich den anstehendenAufgaben und Konflikten adäquat ist. Eine Präferierung der Konfliktmo-deration, die weniger strikt an die Verfahrensgestaltung gebunden ist alsdie Mediation, wird u.a. damit begründet, daß es auf der Ebene der „Wün-sche“ ggf. auch wenig Verhandlungspotentiale im Sinne von Verhand-lungsmacht der Beteiligten gebe. Orientiert man sich jedoch daran, daßneben dem Anspruch, zu verhandeln, auch die Artikulation und die Inte-gration von divergierenden Interessen zu den wesentlichen Aufgaben ei-ner (Konzept-)Mediation59 gehören, deren Ergebnisse entscheidungs-vorbereitende, politikberatende Funktion haben sollen, so verschiebensich zwar die Gewichte, der Rahmen einer Mediation kann aber im Prin-zip gewahrt werden. Daher sollte auch die von verschiedenen gesell-schaftlichen Ansprüchen, Interessen und eben auch Wünschen bestimmteEbene der Leitbild- und Programmentwicklung als potentielles Anwen-dungsfeld von Mediation nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.Geht man davon aus, daß die Leitbilder im Sinne von letztlich (kommu-nal-)politischen Vorgaben Folgen haben sollen, werden hier Weichengestellt, Prioritäten für die Vergabe von Finanzen und anderen Ressour-cen festgelegt.

Es sollte unter pragmatischen Gesichtspunkten eher darauf geachtet wer-den, bis zu welchem Konkretisierungsgrad und bis zu welchem Detailder Wünsche und Ansprüche man sich verständigen muß, um zu-mindest mittelfristig handlungsfähig zu sein oder Ergebnisse zu erhal-ten, die in weiteren Schritten, ggf. in einem gestuften Vorgehen nachfol-gend auf der Projekt- und Maßnahmeebene konkretisiert werden könn-ten.60 Hierbei kann die Strategie dienlich sein, sich auf Teilkonsense alsArbeitsgrundlagen zu verständigen und „Restkonflikte“ stehen zu las-sen.61

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Ein Hinderungsgrund für ein gestuftes Vorgehen und Aushandeln vonOptionen besteht aber darin, daß dieses eine inhaltliche und zeitlicheVerfahrenslogik voraussetzt, die bei der Dynamik der kommunalen Agen-da-21-Prozesse nur eingeschränkt erwartet werden kann. Damit stößt einederartige Überlegung für den Einsatz von Mediation wieder an Grenzen.In der Praxis der Agenda-Prozesse wird z.B. die Leitbild- und Programm-diskussion meist parallel zur Planung und Umsetzung von ersten Projek-ten und zur Indikatorenentwicklung geführt (was sind – vor Ort – nach-haltige Projekte?), nicht zuletzt deshalb, weil die Auseinandersetzung mitnur einer Ebene den Mangel der jeweils anderen sehr deutlich zeigt:Welchen Kriterien sollen Projekte im Sinne einer Agenda 21 entsprechen?Wie lassen sich die allgemeinen Leitbilder operationalisieren? Anhandwelcher Parameter wird ihr „Nachhaltigkeitserfolg“ gemessen?

Da jeder Agenda-Prozeß seine eigenen Rahmenbedingungen, Strukturenund Abläufe hat, kann nur für den Einzelfall überlegt werden, ob und inwelchem Umfang die Einhaltung einer zeitlichen Abfolge (Bestandsauf-nahme – Vision/Leitbildentwicklung – Indikatorenfestlegung – Projektie-rung usw.) für einzelne Handlungsfelder einzufordern ist. Da die Prozes-se ihre Kraft und ihre Attraktivität aus einem Spannungsfeld zwischengesellschaftspolitischem Diskurs, prozeßbezogenem Projektmanagementund offenen Beteiligungsangeboten beziehen, ist ein striktes Reglementin Abhängigkeit von den örtlichen Kompetenz- und Entscheidungs-strukturen oftmals ohnehin nicht durchzusetzen und zugunsten eines le-bendigen Prozesses auch nicht immer erstrebenswert.

Die Abwägung, auf welche Aufgabenstellung man sinnvollerweise mitdem Einsatz von Mediation reagieren könnte, sollte auch in Agenda-Pro-zessen vor allem bezüglich des inhaltlichen Zuschnitts und der jeweilserwartbaren Ergebnisse geprüft werden. Es gibt Handlungsfelder, die auf-grund ihrer Komplexität und der mit ihnen verwobenen Interessenlagenim Hinblick auf eine erfolgversprechende Mediation ohnehin schwierigzu strukturieren sind, so daß eine inhaltliche und/oder räumliche Eingren-zung und Konkretisierung des Konfliktrahmens dringend geboten ist. Diekommunale Verkehrsplanung gehört, so zeigen die Erfahrungen, mit Si-cherheit dazu.

Als ein weiteres komplexes Handlungsfeld erweist sich das Anliegen, dashier mit „nachhaltige Zukunft der Arbeit und Beschäftigung“ umschrie-

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ben werden soll. Dieser der ökonomischen und sozialen Dimension derAgenda 21 verpflichtete Bereich gewinnt vor allem in den neuen Bun-desländern als Motivation für ein Agenda-Engagement an Bedeutung. Erzieht sich darüber hinaus durch alle Diskussionen über die Finanzierbar-keit der Agenda-21-Arbeit, die in vielen Fällen nur über den Einsatz vomABM- und anderen Fördermitteln begonnen und häufig genug dadurchnicht kontinierlich fortgeführt werden kann. Mit welchen Inhalten, wel-chem Instrumentarium, einschließlich der Mediation, und in welchenStrukturen dies auf kommunaler Ebene überhaupt geleistet werden kann,gehört derzeit zu den interessantesten Aspekten der Aufgaben- und Me-thodendiskussion im Umfeld der Agenda 21.

3.3 Mediation als Methode der Bürgerbeteiligung in Agenda-21-Prozessen?

In Mediationsverfahren werden VertreterInnen betroffener Interessen voneiner strittigen Planung oder einem Vorhaben als VerhandlungspartnerIn-nen eingebunden. Das damit verbundene Partizipations- und Konsul-tationsangebot richtet sich also an ausgewählte, durch ein Mandat derjeweiligen Interessengruppen legitimierte Beteiligte.

Das Partizipations- und Konsultationsanliegen in Agenda-21-Prozessenist jedoch i.d.R. vielschichtiger. Die Agenda-Prozesse zeichnen sich da-durch aus, daß einerseits gegenüber der breiten Öffentlichkeit die Infor-mation über und das Engagement für Agenda-Themen angestrebt werden,andererseits fachliche Arbeit geleistet werden soll und muß. Es werdendaher sinnvollerweise unterschiedliche Strukturen und Veranstaltungsfor-men ausgewählt, entwickelt und eingesetzt.

Information und Einbezug der breiten Öffentlichkeit

Hierfür eignen sich verschiedene Formen der klassischen Öffentlichkeits-arbeit ebenso wie Informations- und Beteiligungsangebote in Form ver-schiedener Veranstaltungen, z.B. Informations- und Diskussionsveranstal-tungen, Gesprächsrunden in Volkshochschulen, Stadtteilfeste usw. AlsVeranstaltungsformen, die zu einer Mitwirkung motivieren, können z.B.Planungszellen eingerichtet und Zukunftswerkstätten angeboten werden.

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Auch die Methode Open Space und die Gestaltung von Zukunftskonfe-renzen (vgl. zur Bonsen 199762 ) gewinnen zunehmend an Aufmerksam-keit. Reizvoll könnte auch der Einsatz von Planning for Real63 zu Pla-nungsaufgaben im Wohnumfeld sein. Je nach Ausrichtung sind diese Ver-fahren auch für spezifische Aufgaben von bereits engagierten Beteiligtenangebracht.

Die Erfahrungen zeigen, daß das Interesse der breiten Öffentlichkeit, d.h.der sogenannten DurchschnittsbürgerInnen, für Agenda-Themen und füreine Mitwirkung zu wecken ein schwieriges Unterfangen sein kann, wennkeine konkreten Anknüpfungspunkte dafür zu erkennen sind, was dieAgenda 21 für die Menschen im Alltag oder in ihrem sonstigen Bezugs-feld bedeuten kann. Erst dann werden überhaupt ein Mitwirkungsan-spruch artikuliert und entsprechende Möglichkeiten eingefordert. WelcheHerausforderung die zuvor zu leistende Motivierung sein kann, wissenAgenda-Aktive nur zu gut.

Hier bestehen Parallelen zu Erfahrungen aus Umweltmediationsverfah-ren. Ohne eine hinreichende persönliche oder institutionelle Betroffen-heit durch einen (potentiellen) Konflikt ist das Interesse gering, sich miteinem Vorhaben im Rahmen einer Mediation auseinanderzusetzen.

Mitwirkungsangebote für die interessierte Öffentlichkeit

Im Verlauf der Agenda-Prozesse soll unter Einbindung aller wichtigenAkteure und der interessierten Öffentlichkeit auf der Basis einer Bestands-aufnahme der aktuellen Situation vor Ort ausgearbeitet werden, „was zutun ist“. Als Strukturen hierfür werden Runde Tische oder Foren als Ple-nen der Agenda-Prozesse eingerichtet. Die meisten Prozesse streben zwarnach der Einbindung möglichst vieler/aller örtlich relevanter Interessen-gruppen und meinungsführenden Institutionen; welche Gruppen undPersonen sich letztlich engagieren, läßt sich jedoch nicht immer steuern.Problemdruck, Themen, Motivationslagen, Finanz- und Zeitbudgets be-stimmen die Zusammensetzung und die Möglichkeiten für eine kontinu-ierliche Arbeit der örtlichen Akteursgruppen und die Fluktuation der En-gagierten stark mit.

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Diskussion am Beispiel: Der Runde Tisch zur nachhaltigen Entwicklungin Berlin und Brandenburg

Ein positives Beispiel für eine relativ ausgewogene und ein breites Spek-trum gesellschaftlicher Akteure einbindende Zusammensetzung ist z.B.der länderübergreifende Runde Tisch zur nachhaltigen Entwicklung inBerlin und Brandenburg.64 Die Gründung des Runden Tisches wurde am17. Juni 1997 durch den Berliner Umweltsenator und den Brandenburgi-schen Umweltminister ausdrücklich begrüßt. Sein Plenum, der Innenkreisdes Runden Tisches, setzt sich zusammen aus dreißig Delegierten ausWirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und sozialen Bewegungen beiderLänder. Er versteht sich als ein Akteursnetzwerk, in dem viele gesellschaft-liche Gruppen und FunktionsträgerInnen aus unterschiedlichen Hand-lungsfeldern, mit unterschiedlichen Interessen, Strategien und Alltags-praktiken aufeinandertreffen. Das bringt für die TeilnehmerInnen die An-forderung mit sich, ihre Belange zu einer Vielzahl anderer ins Verhältniszu setzen und nach Synergien und Kompromißlösungen zu suchen. Dar-aus entwickeln sich als Ergebnis einer „lernenden Organisation“ Chan-cen, gemeinsame Vorhaben zu entdecken und sie mit mehr Kompetenz,Durchsetzungsvermögen und einer breiteren gesellschaftlichen Akzep-tanz realisieren zu können.

Um dies zu erreichen und über die Zeit aufrechtzuerhalten, waren um-fangreiche Vorverhandlungen und motivierende Gespräche notwendig.Der Runde Tisch wurde von einem Initiativkreis angeregt und in einemeineinhalbjährigen konsultativen Prozeß mit Agenda-Aktiven einberufen.

Die Mitglieder verstehen sich als Ideengeber und MultiplikatorInnen desAgenda-Prozesses, auch hat das Gremium insgesamt eine Mittlerfunkti-on zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteursgruppen und Ent-scheidungsträgerInnen. Mit Bezug zu der im Sinne der Agenda 21 ange-strebten Zusammenarbeit aller wichtigen gesellschaftlichen Akteure ge-winnt der Prozeß zwar so an Repräsentativität, das Plenum des RundenTisches hat aber bisher weder das Selbstverständnis noch die inhaltlicheKontinuität und die Tagungsdichte erreicht, die für themen- und aufga-benbezogene Mediationsprozesse notwendig wären. Dies kann aufgrundder bisher vorliegenden Erfahrungen auch für die meisten Foren und Run-den Tische in anderen Kommunen angenommen werden.

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© Beate Günther

Abb. 32: Runder Tisch für nachhaltige Entwicklung in Berlin und Brandenburg

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Der Runde Tisch tagt, wie viele dieser Gremien, ca. vier- bis fünfmal imJahr und befaßt sich abhängig vom Verlauf des Gesamtprozesses in Ber-lin und Brandenburg mit unterschiedlichen Themen.

Da an den nach repräsentativen Aspekten zusammengesetzten Innenkreisdes Runden Tisches der Wunsch nach Mitsprache und Mitwirkung wei-terer Agenda-Aktivisten herangetragen wurde, tagt er öffentlich. Gästesind im sogenannten Außenkreis des Runden Tisches willkommen undwurden auf der Basis einer gemeinsamen Planung des erweiterten Vor-bereitungskreises bisher je nach Thema und Arbeitsweise in ad-hoc-Ar-beitsgruppen und in die Diskussion des Innenkreises einbezogen. Hier-bei wurde zwar dem Partizipationsanspruch Genüge getan, für die inhalt-liche Kontinuität hatte dieses Vorgehen jedoch nicht nur positive Auswir-kungen (siehe unten).

Der Runde Tisch befaßt sich mit regional bedeutsamen bzw. länderüber-greifenden Themen, indem er Berliner und Brandenburger Belange stra-tegisch zusammendenkt, auch wenn dies aufgrund der nicht erfolgtenLänderfusion mit politischen und administrativen Hürden einhergeht. Erist in seiner Arbeit verbunden mit weiteren Akteuren und z.T. themenbe-zogen arbeitenden Akteursnetzwerken auf gesamtstädtischer Ebene, mitden Agenda-Aktivitäten in den Berliner Bezirken65 und den noch verhal-tenen Entwicklungen in den Kommunen und Landkreisen im Land Bran-denburg. Diese Strukturen sind über RepräsentantInnen wiederum amRunden Tisch vertreten.66 Mit Hilfe einer wissenschaftlich betreuten Be-fragung67 der Mitglieder des Runden Tisches und der Diskussion der Er-gebnisse wurden zusammengefaßt drei Aufgabenfelder festgelegt:• Die Konkretisierung von Leitbildern einer nachhaltigen Entwicklung in

Berlin und Brandenburg• Die Generierung und Förderung von exemplarischen Projekten nach

gemeinsam entwickelten Kriterien• Die Propagierung der Strategie einer nachhaltigen Entwicklung und die

Unterstützung entsprechender Initiativen und Projekte in Berlin-Bran-denburg.

Dies soll unter Einbezug neuer Formen der gesellschaftlichen Kommuni-kation geschehen, um Transparenz und Partizipation als Bedingungen füreinen konstruktiven und ergebnisorientierten Dialog zu ermöglichen. Andieser Befragung sind weniger die auf den ersten Blick unspektakulären

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genannten Aufgaben interessant als die Tatsache, daß die Befragung eineAuseinandersetzung mit den Themen auslöste und hierüber eine Entschei-dung herbeigeführt werden konnte. Die Realisierung der Aufgaben stellteine weitere Herausforderung dar.

Die vom Innenkreis angeregte inhaltliche Arbeit findet, wie in den mei-sten anderen Agenda-Prozessen auch, in thematischen Fachrunden undArbeitsgruppen statt, die sich aus Mitgliedern des Plenums des RundenTisches sowie weiteren themenbezogenen Fachleuten zusammensetzen.Es wurden bislang eingerichtet:• Fachrunde Energie und Beschäftigung• Fachrunde Flächenmanagement• Fachrunde Ernährung• Arbeitsgruppe „Perspektive Nachhaltigkeit/Leitbilder”• Arbeitsgruppe „Projektentwicklung”• Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeitskriterien und deren Verbreitung”• Arbeitsgruppe „Vernetzung und Lobbying”• Initiative zur Einrichtung eines „Unternehmensnetzwerks“.

Perspektivisch sind zur Bearbeitung dieser Themenfelder Projekt- undForschungskooperationen geplant, die u.a. Bürgerbeteiligungsverfahrenund konsultative Elemente realisieren sollen. Es ist nicht auszuschließen,daß sich für definierte, konkrete Konflikte und Aufgaben der Einsatz vonMediation als zielführend erweist, aber angestrebt wird dies in program-matischen Entwürfen erst einmal nicht. Damit verbunden zeigt sich viel-leicht auch ein psychologischer Aspekt bei der Vorplanung, die u.a. mitdem Akquirieren von Kooperationspartnern und Finanzmitteln verbundenist. Es ist in jedem Falle attraktiver, für ein Projekt in Kategorien von ko-operativer Planung und Diskursen zu argumentieren als bereits vorab mitder Aussicht auf die Notwendigkeit, Mediation als eine Strategie der Kon-fliktmittlung einbinden zu wollen.

Für alle Verfahrenstypen gilt, daß sie nur gelingen, wenn ausreichendpersonelle und damit verbundene finanzielle Mittel zur Verfügung stehen,damit eine professionelle Durchführung gewährleistet ist. Bei knappenöffentlichen Haushalten werden dann in Agenda-Prozessen verständli-cherweise Prioritäten zu setzen sein.

Reizvoll, aber nicht unproblematisch ist für die Arbeit in Agenda-Prozes-

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sen das Zusammentreffen von Menschen mit sehr unterschiedlichen per-sönlichen und institutionell bedingten Kompetenzen und Kommunikati-onserfahrungen. In Verbindung mit einer hohen Fluktuation in Arbeits-gruppen kann dies aber auch sehr kontraproduktiv sein, der Zugewinnaus dem Zusammentreffen von Laien und ExpertInnen aus unterschiedli-chen Bereichen im Sinne eines wechselseitigen Informationszugewinnsund damit Lernprozesses und der Vernetzung wird dadurch etwas aufge-hoben. Je nach Zielsetzungen müssen entsprechende Regelungen zurVerfahrensgestaltung getroffen werden.

Zielgerichtetes Planen und Arbeiten an Runden Tischen und in offenenDiskursen folgt anderen Regeln als das Vorgehen in einzelnen Instituten,Firmen oder Verwaltungen. Konsultative Prozesse sind zeitintensiv, Infor-mations- und Motivations„lücken“ müssen aufgearbeitet werden, umsachdienliche Ergebnisse zu erhalten. Zu einem ExpertInnen-Laien-Di-lemma kann es vor allem dann kommen, wenn über das Angebot an Par-tizipation basisdemokratisch Ziele und Maßnahmen eingefordert werden,die rechtlich, fachlich oder finanziell „unsinnig“ sind (vgl. Sellnow 1998,S. 53). Hier gilt es bei Bedarf entsprechend gegenzusteuern. In Mediati-onsverfahren gehört der Abbau von Informationsungleichgewichten zuden wichtigsten Verfahrenselementen. Inwieweit dieses mit dem gleichenAufwand in Agenda-Arbeitszusammenhängen notwendig ist und auchgeleistet werden kann, muß im Einzelfall entschieden werden.

3.4 Mediation zur Aushandlung von Strategien und zur Bearbeitung ak-tueller Konflikte, oder: Wer entscheidet, wo es lang geht?

Agenda-Prozesse bedürfen unbedingt einer Koordination und organisa-torischen Betreuung. Hierfür ist in Abhängigkeit von den örtlichen Gege-benheiten ein Agenda-Büro notwendig, zumindest eine Anlaufstelle, dieden Prozeß zusammenhält. An der Bereitschaft der Kommunen, solcheAgenda-Büros zu unterstützen, läßt sich erfahrungsgemäß auch die Ernst-haftigkeit der Agenda-Bemühungen seitens der EntscheidungsträgerInnenin Politik und Verwaltung erkennen.

Die Betreuung des Runden Tisches zur nachhaltigen Entwicklung in Ber-lin und Brandenburg erfolgte, ebenso wie die Arbeit anderer Akteure,zunächst ausschließlich ehrenamtlich. Dann gab es im Jahr 1997 eine

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geringe Förderung aus Mitteln der Berliner Senatsverwaltung für Stadtent-wicklung, Umweltschutz und Technologie, die in diesem Jahr aufgestocktwurde, so daß zumindest über Teilzeit-Werkverträge ein vierköpfigesKoordinationsteam ein Agenda-Büro betreuen und die Sitzungen des Ple-nums moderieren kann. Auch die Arbeit der drei Fachrunden wird inzwi-schen gefördert, die kürzlich entstandenen Arbeitsgruppen tagen bis aufweiteres noch ehrenamtlich.

Diese Entwicklung spiegelt die zunehmende politische Aufmerksamkeitfür den Agenda-Prozeß in Berlin, die sich u.a. in der Einrichtung einerEnquêtekommission zu den Voraussetzungen für eine nachhaltige Ent-wicklung des Berliner Abgeordnetenhauses zeigt. Auch die Senatsverwal-tungen haben ein gemeinsames Agenda-Büro eingerichtet. Das Themabeschäftigt inzwischen auch den Landtag in Brandenburg. Vor diesemHintergrund gewinnt die Arbeit aller Agenda-Akteure an Bedeutung, wassich aktuell in einer breiten Diskussion der Beteiligten über die Fortführungund weitere Strukturierung des bisherigen Agenda-Prozesses nieder-schlägt.

Nicht nur die Strukturentwicklung selbst, sondern auch die geplantenVorhaben und der Umgang mit den zu erwartenden Ergebnissen sindbereits jetzt Gegenstand engagierter bis kontroverser Diskussionen undVerhandlungen.

Die Entwicklung von Strategien und Handlungsoptionen erfolgt am Run-den Tisch und in seinen Gremien stufenweise, möglichst nach dem Kon-sensprinzip. Das Koordinationsteam wird konzeptionell und bei der Be-treuung der Gremien unterstützt durch Mitglieder des Innenkreises, ge-meinsam bilden sie den etwa zehnköpfigen erweiterten Vorbereitungs-kreis, der die Strategien des Runden Tisches vorstrukturiert. Der erweiter-terte Vorbereitungskreis ist somit ein halböffentliches Gremium, in deminzwischen relativ offen und deutlich Positionen ausgetauscht und Kon-troversen ausgetragen werden, so daß Handlungsoptionen deutlich her-ausgearbeitet werden können. Wichtige Diskussionsstände, Fragen undArbeitsaufträge werden, ebenso wie Sachstände aus den Fachrunden undArbeitsgruppen, dem Innenkreis des Runden Tisches zur Diskussion undAbstimmung vorlegt.

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Im Rahmen des Runden Tisches wurden bislang als Methoden der Strate-gieentwicklung und Konfliktbearbeitung eingesetzt:• moderierte Plenumssitzungen des Runden Tisches,• Strategiediskussionen und Streitgespräche innerhalb des Koordinations-

büros,• moderierte Abstimmungsgespräche und Strategiedebatten im erweiter-

ten Vorbereitungskreis,• moderierte Sitzungen der Fachrunden und Arbeitsgruppen,• Durchführung einer Fragebogenaktion unter den TeilnehmerInnen des

Innenkreises,• Abstimmungsgespräche zwischen VertreterInnen der verschiedenen

Agenda-Akteure und -Netzwerke in Berlin und Brandenburg,• Abstimmungsgespräche zwischen einzelnen Personen und/oder Inter-

essenvertreterInnen außerhalb des Runden Tisches, z.B. mit Entschei-dungsträgerInnen in Politik und Verwaltung sowie mit Kooperations-partnerInnen.

Für die weitere Arbeit ist die Ausrichtung einer größeren Veranstaltungunter Einbezug von Elementen der Zukunftskonferenz und/oder Zukunfts-werkstatt geplant.

Die Auflistung zeigt, daß der Einsatz von Konfliktmoderation situations-abhängig oftmals erforderlich ist. Mediation als Verfahren unter Einbezugeines neutralen Dritten fand jedoch noch in keinem Fall statt, auch wenndas Verfahren bekannt ist und einige Akteure auch bereits in Umweltme-diationsverfahren eingebunden waren.

Widersprüchliche Anforderungen an die Gestaltung von Agenda-21-Prozessen

Die Anforderungen an die Moderation des Runden Tisches zeichnen sichdurch einige Widersprüchlichkeiten aus, die sich aus der einerseits ge-forderten Konsensorientierung und einer weiteren Forderung nach einemergebnisorientierten, „autoritären“ Vorgehen während der Sitzungen er-geben.

Eine Analyse zeigte, daß diese Widersprüche u.a. der Situation geschul-det sind, daß in den Runden Tisch und in alle seiner Gremien Personen

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mit sehr verschiedenen Kommunikationsgewohnheiten, inhaltlichen undorganisatorischen Erwartungen und mit unterschiedlichen Ergebnisorien-tierungen eingebunden sind. Einige TeilnehmerInnen erwarten in über-schaubaren Zeiträumen konkrete Projektvorschläge, fachliche Anregun-gen und Informationen, andere verfolgen solche deutlichen Vorgabenoder Initiativen einzelner Beteiligter eher mit Mißtrauen und setzen aufeine gemeinsame prozeßhafte Entwicklung, auf den Diskurs.

Gruppendynamisch schwierig wird es immer dann, wenn diese verschie-denen inhaltlichen Ansprüche, Mentalitäten, Arbeitsstile unreflektiertaufeinandertreffen und die im ersten Zugriff auf die Problematik um Inte-gration bemühten Beteiligten einschließlich der Moderation sozusagen iminhaltlich-organisatorischen Patt landen.

Hier setzte nach den bisherigen Erfahrungen der Arbeit am Runden Tischein gemeinsamer Lernprozeß ein. Die Erfahrungen sowie die jeweiligenpersönlichen und institutionell geprägten Ansprüche an die Arbeit desRunden Tisches wurden als solche thematisiert und und nicht auf einerinhaltsbezogenen Ebene stellvertretend bearbeitet. Es wurden Vorschlä-ge aus dem Kreis der TeilnehmerInnen an das Koordinatorenteam heran-getragen und diskutiert, weitere erarbeitet und nach Möglichkeiten ge-sucht, mit denen die unterschiedlichen Erwartungen bezüglich Inhaltenund Arbeitsformen produktiver miteinander verbunden werden können.68

Der erweiterte Vorbereitungskreis kam zu der Schlußfolgerung, daß vor-handene Konflikte produktiv für die inhaltlichen und organisatorischenPlanungen der Arbeit genutzt und nicht vermieden werden sollten, z.B.durch• die Einbindung aktueller Themen in eine Diskussion und mehr Mut

zum Konflikt und zum kreativen Streiten• mehr Konzentration auf die vorhandenen Kräfte am Runden Tisch, um

die TeilnehmerInnen und Organisationen „abzuholen und einzubin-den”

• die verstärkte Einbindung der am Runden Tisch vertretenen Akteure,z.B. auch in die Moderation

• die Bereitschaft zum Einsatz/zur Mitwirkung unter anderen Modera-tions- und Arbeitsformen und Sitzungsmodalitäten.

Die dargestellte widersprüchliche Situation bezüglich Arbeitsstilen undErgebniserwartungen decken sich mit Ergebnissen der Begleitforschung

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zu der Vielfalt der kommunikativen Anforderungen und Organisations-strukturen von Agenda-21-Initiativen69 , die u.a. am Beispiel der Agenda-Initiativen in ausgewählten Berliner Bezirken erhoben wurden.

Es wird organisationssoziologisch davon ausgegangen, daß Agenda-Initia-tiven wesentliche Merkmale von Non-Profit-Organisationen aufweisen,sie dienen einem öffentlichen oder politisch definierten Bedarf und ha-ben nicht den Zweck, Gewinne zu erwirtschaften. Legitimität erlangensie auf der Basis normativer, politischer Vorgaben, u.a. der Agenda 21selbst. Die Effektivität ihrer Wirkung kann nicht am Gewinn abgelesenwerden, sondern muß hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Auswirkungenbzw. Wirkungen auf die Beteiligten beurteilt werden (vgl. de Haan u.a.1997, S. 20).

Die Untersuchung geht davon aus, daß ein wesentlicher Faktor für denErfolg von Agenda-21-Prozessen die Frage ihrer Organisation sowie derin ihnen ablaufenden Kommunikations- und Entscheidungsprozesse ist.Zur Evaluation der Agenda-Initiativen unter dieser Hypothese wurden vieridealtypische Organisationsmodelle unter verschiedenen Aspekten zu-sammengestellt.

© Forschungsgruppe Umweltbildung. (1997)

Abb. 33: Übersicht über die Organisationsmodelle und Beschreibungsaspekte von Agen-da- und Umweltinitiativen (ebd., S. 22)

Organisations-struktur

Strategie

Diskursstruktur

Denkstil

Kooperations-modell

Flache Hierar-chien

Einbeziehung vie-ler

GleichberechtigteKommunikation

ProzeßorientiertesDenken

Initiationsmodell

Hierarchisierung

Aufforderung zurZurückhaltung

Unterweisung

ZielorientiertesDenken

Verwaltungs-modell

BürokratischeHierarchisierung

Unterstützung lei-sten

Berichterstattung,wenig Diskussion

Entlastunsorien-tiertes Denken

Netzwerkmodell

MultizentrischeStruktur

Verbundenheit aufZeit

Know-how aus-tauschen

Effizienzorientier-tes Denken

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In einem weiteren Schritt wurden Stärken und Schwächen der Organisa-tionsmodelle abgeleitet:

Kooperationsmodell

• Verantwortlichkeitensind breit gestreut

• Alle Entscheidungenwerden durch einenerzielten Konsensherbeigeführt

• Spontaneität undKreativität des Ver-haltens, gute „Grup-penatmosphäre”

• Hohe Flexibilität undTransparenz, da Pla-nung, Koordinationund Durchführung ineiner Einheit zusam-mengefaßt sind

Initiationsmodell

• Hierarchie sorgt fürStabilität und Konti-nuität

• Klare Strukturen undVerantwortlichkeitenerleichtern Orientie-rung

• Routinen befreienvom Zwang, ständigneu aushandeln zumüssen

• Berechenbarkeit desVerhaltens der Ak-teure

Verwaltungsmodell

• Forciert die Erstel-lung eines präzisenKonzeptes, das nachaußen vertreten undverantwortet werdenmuß

• Klare Strukturen undVerantwortlichkeitenerleichtern Orientie-rung

• Strukturelle Freiräu-me ermöglichen dieEntfaltung von Krea-tivitätspontentialen

Netzwerkmodell

• Hohe Flexibilitätund breite Partizipa-tion

• Wenig Zeitaufwandfür Organisationsfra-gen: Die Problemlö-sung steht im Vor-dergrund

• Die Akteure stehenin intensivem Kon-takt zueinander,agieren jedoch auto-nom

• Aufgrund zeitlicherBegrenztheit drohenkeine Ermüdungser-scheinungen

Die Stärken der vier Organisationsmodelle

Kooperationsmodell

• Tendenz zum Grup-pendruck: Alle müs-sen mitmachen

• Häufig lange Debat-ten, insbesondereüber Organisations-fragen

• Unklare, erst auszu-handelnde Definitio-nen der Rolle deseinzelnen erzeugtUnsicherheiten

• Durch das Fehlenvon Regulierungsme-chanismen ist Machtschwer zu erkennenund läßt sich kaumoffen thematisieren

Initiationsmodell

• Mangelnde Flexibili-tät aufgrund starrerStrukturen

• Kommunikationwird auf ein Min-destmaß beschränkt

• Häufig Intranspa-renz: einseitige Infor-mationskanäle

• Einschränkung vonKreativitäts- und Par-tizipationspotentia-len

• Unsicherheit in be-zug auf Identifikati-on mit dem Vorha-ben

Verwaltungsmodell

• Hoher Bedarf anKommunikation fürAbstimmung undKoordination

• Lange Informations-wege

• Unterschätzungstruktureller Konflik-te

Netzwerkmodell

• Geforderte Kompe-tenz und notwendiggroßes Engagementder Akteure als Se-lektionsfaktor

• Unübersichtlichkeitund Unbestimmtheit

• Unterschätzungstruktureller Konflik-te

Die Schwächen der vier Organisationsmodelle

© Forschungsgruppe Umweltbildung (1997)Abb. 34: Die Stärken und Schwächen der vier Organisationsmodelle (ebd., S. 23)

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Die reale Organisationsstruktur der untersuchten Agenda-Initiativen zeig-te erwartungsgemäß nicht den idealtypischen Charakter einzelner Model-le und war daher kaum in reiner Form anzutreffen. Dennoch konnten alleOrganisationsmodelle mit Beispielen aus der Agenda-Praxis belegt wer-den. Der Schwerpunkt der Agenda-Initiativen lag dabei auf dem Koope-rations- und Initiationsmodell. Die Zuordnung ist jedoch nicht statisch,es ließen sich auch Veränderungen der Initiativen von einem Modell zumanderen feststellen.

Nimmt man diese Modelle als Interpretationsfolie für die Strukturierungund Entwicklung, so gilt dies auch für den Runden Tisch zur nachhalti-gen Entwicklung in Berlin und Brandenburg. Seine Entwicklung ging ausvon einem nicht ganz so streng gefaßten Initiationsmodell und zeichnetsich aktuell durch Merkmale des Kooperations- und Netzwerkmodellsaus.

Ergänzend ist dazu anzumerken, daß zumindest zu Beginn von Agenda-Prozessen die einzelnen eingebundenen Akteure aufgrund ihrer persön-lichen „Unternehmenskultur“ ihre Erwartungen auf die Organisation unddie Kommunikationsabläufe projizieren und damit jeder Akteur „in sei-ner eigenen Veranstaltung“ sitzt. Erst im Verlauf der gemeinsamen Arbeitbewegen sich Erwartungen und gesetzte Rahmenbedingungen wie obengeschildert aufeinander zu.

Diese Beobachtung läßt sich ebenso in anderen Kooperationszusammen-hängen feststellen und ist auch ein wesentlicher Effekt in Mediationsver-fahren. Es gehört zu den Aufgaben der Moderation/Mediation, Rahmen-bedingungen zu schaffen, die es den Beteiligten ermöglichen, sich füreinen Pespektivenwechsel zu öffnen und ihre Selbst- und Fremdwahrneh-mung zu hinterfragen, ohne damit die Angst vor dem Verlust der eigenenPosition zu verbinden. Die Moderation/Mediation sollte z.B. durch akti-ves Zuhören und ein angemessenes Maß an Spiegeln der Interessen, Ver-haltensweisen und Emotionen Beispiele für ein Kommunikationsverhal-ten geben, das die Basis legt für die Entwicklung einer positiven Kom-munikations- und Streitkultur.

Wichtig für alle Beteiligten in diesen und vergleichbaren Prozessen ist esaber auch, ab und zu Grenzen zu ziehen und mit Abstand anzuerken-nen, daß solche Prozesse eine Eigendynamik haben, die die Gruppe als

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Ganzes betreffen und nicht dem Handlungskalkül einzelner Akteure,auch nicht der Moderation/Mediation und den ProzeßgestalterInnen,unterliegen.

Bezogen auf die Ansprüche an die Gestaltung der untersuchten Agenda-Initiativen wurde denn auch festgestellt:

„Die Mehrheit der Akteure wünscht sich ein Organisationsmodell in denInitiativen, das auf breiten Verantwortlichkeiten und Kooperationen be-ruht. Viele Akteure halten jedoch ein Modell, in dem stärker hierarchischverfahren wird und in dem eine kleine Gruppe von Personen existiert, die‚die Fäden in der Hand hält‘, für das, was am besten machbar ist (im Sin-ne von: zum Erfolg führen)“ (Rheingans u.a. 1998, S. 60).

Dies führt zu schwer auflösbaren Ambivalenzen, die verdeutlichen, daßes zwischen dem, was sich Akteure wünschen (Wunschprojektionen), unddem, was sie für machbar halten (Machbarkeitsprojektionen), häufig Dif-ferenzen gibt, die sich nicht nur auf organisatorische Fragen beziehen. Esgibt einen ausgeprägten Wunsch nach Gleichberechtigung, nach Ent-scheidungen, die durch einen erzielten Konsens herbeigeführt werden,andererseits wartet man auf ‚eine starke Hand‘ (ebd.).

Trotz der zwischenzeitlich vorliegenden Handbücher mit Empfehlungenzur Initiierung und Gestaltung von Agenda-Prozessen gilt nach wie vordie Feststellung, daß „... eine Agenda-Initiative mit sehr hohen Anforde-rungen konfrontiert (ist). Sie hat es mit komplexen Zielbündeln zu tun undmuß sehr unterschiedliche und teilweise gegensätzliche Ansprüche be-rücksichtigen und ausbalancieren. Sie kann sich nicht auf bekannte Vor-gehensweisen stützen und muß sich mit ganz spezifischen Problemsitua-tionen auseinandersetzen. Kurz: Eine Agenda-Initiative hat mit allenSchwierigkeiten eines sogenannten ‚offenen Auftrags‘ zu kämpfen. Da-bei wird sie mit Problemen konfrontiert, von denen sie i.d.R. zunächstsehr wenig weiß: Geklärt werden muß bei Arbeitsbeginn so ziemlich al-les“ (de Haan u.a. 1997, S. 20; vgl. auch Schwarz 1995, S. 66).

Auch wenn diese Feststellungen vor dem Hintergrund großstädtischerErfahrungen getroffen wurden, gelten sie grundsätzlich auch für die Si-tuation in kleinen und mittleren Kommunen, die ihre Agenda-21-Aktivi-täten meist stärker in bestehende Strukturen einbinden oder auf ausge-

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wählte Handlungsfelder beschränken wollen. Spätestens bei der inhaltli-chen Auseinandersetzung mit den Agenda-Ansprüchen sind vergleichbareFragen zu klären.

3.5 Anregungen für einen differenzierten Umgang mit Ansprüchen undMethoden

Die meisten Agenda-21-Prozesse in Kommunen sehen die Einrichtungeines Agenda-Büros oder zumindest einer entsprechenden Koordinie-rungsstelle vor, viele den Einsatz von ModeratorInnen, die die SitzungenRunder Tische, Arbeitsgruppen oder anderer Gremien leiten sollen, ggf.sind sie auch selbst MitarbeiterIn des Agenda-Büros oder anderweitigBeteiligte des Agenda-Geschehens vor Ort. Diese Situation kann für eineBetreuung der Agenda-Prozesse eine gute Basis sein, da die Kenntnis derInteressenlagen und der Entscheidungsstrukturen neben einem professio-nellen Einsatz von Moderationstechniken wichtig ist. Auch für Konflikt-moderationen kann diese Ausgangssituation vielfach noch ohne Rollen-konflikte bewältigt werden.

In bezug auf den Einsatz von Mediation könnte es unter solchen Voraus-setzungen aber problematisch werden. Konstitutives Element der Media-tion ist der Einsatz interessenneutraler, allparteilicher Konfliktmittler. Dieo.g. ModeratorInnen der Prozesse werden dieser Anforderung im stren-gen Sinn nur bedingt gerecht werden können, vor allem, wenn sie starkin den Agenda-Prozeß vor Ort eingebunden und damit „zu dicht dran“sind. Dennoch sollten sie ihre Moderationsaufgaben um Mediationsele-mente erweitern und diese für das „Alltagsgeschäft“ des Agenda-Prozes-ses einsetzen. Die Grenzen zwischen einer umfassenden, engagierten(Konflikt-)Moderation und einer Mediation sind dabei trotz aller Metho-denorientierung oftmals fließend. Verstehen sich die ModeratorInnenauch als ProzeßgestalterInnen, so sollten sie, wie es in größeren Umwelt-mediationsverfahren üblich ist, den Partizipationsanspruch durch weite-re Verfahrenstypen ergänzen und außerdem in längerfristig betreutenGremien das Interesse und die Bereitschaft zum Einsatz unterschiedlicherArbeitsformen wecken.

Für akute, sachbezogen eingrenzbare Konflikte, z.B. zur Planung undUmsetzung bestimmter Vorhaben, oder für spezielle Abschnitte einer

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Leitbilddiskussion kann darüber hinaus ein/e MediatorIn „von außen“eingesetzt werden. Dies entspricht dem bewährten, projektorientiertenSetting von Mediationsverfahren z.B. im Umweltbereich und seinenRahmenbedingungen. Diese externen MediatorInnen können außerdemals ProzeßberaterInnen fungieren, um z.B. die ModeratorInnen oder be-teiligte Akteure in Einzelfragen oder besonderen Situationen mit Abstandzum Geschehen zu beraten.

Auf diese Weise könnten, wie dies z.T. schon in den USA im Bereich derMediation angestrebt wird, Gestaltungs- und Konfliktbewältigungs„syste-me“70 vereinbart und etabliert werden, die integrierter Bestandteil derPlanungs- und Partizipationsstrukturen der Agenda-Prozesse sind.

In dieser Hinsicht sollten auch der Methode (Umwelt-)Mediation paral-lel zur Ausarbeitung und Etablierung von Qualitätsstandards Chanceneingeräumt werden, sich gemeinsam mit neuen Einsatzfeldern und ori-entiert an den Rahmenbedingungen in Deutschland methodisch zu ent-wickeln.

Für die Auseinandersetzung sowohl mit inhaltlichen als auch mit prozeß-orientierten Aspekten sind ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch und derEinbezug guter Beispiele aus anderen Agenda-21-Prozessen bzw. ande-ren Verfahrenstypen anregend und motivierend für ein weiteres Engage-ment. Trotz aller Hürden belegt das bereits festzustellende breite Engage-ment, daß Agenda-Arbeit Raum gibt für kreative Ideen, das Zusammen-treffen mit interessanten und interessierten Menschen und darüber hin-aus unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten dringendnotwendig ist.

Anmerkungen

1 Der Tagungsband vermittelt einen ersten Überblick über die verschiedenen Einsatzfel-der der Mediation in Deutschland und zeigt die Möglichkeiten und Grenzen einer dieAnwendungsbereiche übergreifenden Begriffsbestimmung.

2 Vgl. in Anlehnung an das Habermas’sche Diskursmodell: Renn 1996, S. 101-112.

3 Das Einbringen von Standpunkten durch RepräsentantInnen verschiedener organisierterInteressengruppen und -träger, z.B. von Verbänden, Bürgerinitiativen, Behörden, Wirt-schaftsorganisationen usw., ist ein wesentliches Strukturmerkmal der Mediation. Sieunterscheidet sich hierin deutlich von anderen Beteiligungsverfahren wie z.B. der Pla-nungszelle, deren TeilnehmerInnen nach dem Zufallsprinzip und nicht nach Betroffen-heit oder Interessengruppen ausgewählt werden.

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4 Gemeinsamer Workshop „Ausbildung von Mediator(inn)en“ des Instituts für öffentlichePlanung, der Interdisziplinären Forschungsstelle Familienwissenschaft und des Zentrumsfür wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Oldenburg am 3./4. Oktober 1997;die Universität Oldenburg bietet ab WS 1998/99 ein Kontaktstudium „Mediation“ an.

5 Für die Umweltmediation gibt es z.B. seit vielen Jahren Veranstaltungen in der Evange-lischen Akademie in Rehburg/Loccum, die in der von der Akademien herausgegebenenReihe Loccumer Protokolle dokumentiert sind.

6 Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM) c/o Rechtsanwalt und NotarClaus R. Heße, Haspelstr. 24, 35037 Marburg.

7 Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (1996), a.a.O., Anhang; Anschrift: TOA-Servicebüro,Mirbachstr. 2, 53132 Bonn.

8 Interessengemeinschaft für Umweltmediation (IGUM) e.V. c/o Erika Dechert-Knarse, Jo-hannisbergerstr. 8, 14197 Berlin.

9 Förderverein Umweltmediation e.V., Matthias-Grünwald-Str. 1-3, 53175 Bonn. Der Ver-ein richtet u.a. Workshops und Seminare als Teil einer Lernwerkstatt Umweltmediationaus, die u.a. von den PraktikerInnen der IGUM mitgestaltet werden.

10 Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt, c/o RA Anke Voswinkel, Ohm-str. 18, 80820 München.

11 Mediation e.V., Verein zur Förderung der Verständigung in Konflikten, Rosenanger 20,31505 Steyerberg.

12 Die Bereitschaft der meisten Auftraggeber, diese Vorbereitung in angemessenem Um-fang als Basis für ein erfolgreiches Verfahren zu finanzieren, ist jedoch nicht sehr ausge-prägt. Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.2.3.2 und Fietkau 1997.

13 Die Autorin ist Mitglied der AG Weiterbildung der Interessengemeinschaft Umweltme-diation (IGUM) e.V.

14 64 Verfahren wurden im Rahmen einer Studie dokumentiert und ausgewertet (Stand1996).

15 Die Autorinnen der Studie führen als Sachstand für 1997 15 weitere Umweltmediati-onsverfahren auf.

16 Claus verwies 1995 auf ca. 30 Umweltmediationsverfahren, wandte jedoch im Vergleichzu Jeglitza/Hoyer andere (engere) Auswahlkriterien für Mediationsverfahren an.

17 Zilleßen bezieht sich u.a. auf Diskussionsbeiträge zu dieser Problematik von ChristianSchrader, Fachhochschule Fulda.

18 Die Projektbetreuung erfolgt durch Ortwin Renn und MitarbeiterInnen.

19 Eigene Darstellung, basierend auf den Angaben von Jeglitza, Matthias/Hoyer, Carsten(1998), a.a.O., S. 180f. 64 Verfahren wurden im Rahmen der Studie dokumentiert undausgewertet (Stand 1996).

20 Das Verfahren wurde vom Horst Zilleßen und dem Team der MEDIATOR GmbH Olden-burg durchgeführt.

21 Im Vorgriff zum Teil 3 soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß dieser Effektauch von vielen OrganisatorInnen Lokaler Agenda-21-Prozesse beklagt wird, wenn esdarum geht, Akteursgruppen für eine Mitwirkung zu gewinnen, die für sich keinen kon-kreten Anknüpfungspunkt für eine Beteiligung erkennen können, z.B. weil sie Leitbild-

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Diskussionen als zu abstrakt empfinden und die Aufgaben zur Umsetzung der LokalenAgenda 21 vor Ort (noch) nicht fest umrissen sind.

22 Neben der Methode der Zukunftswerkstatt seien hier als Verfahrenstypen für umweltre-levante Aufgaben z.B. noch Planning for Real, Planungszelle und die Anwaltsplanunggenannt. Es können selbstverständlich auch „klassische“ Informations- und Beteiligungs-angebote, z.B. Bürgerversammlungen, Befragungen, Ausstellungen, Auslegungs- und Ein-wendungsverfahren, Exkursionen usw. aufgaben- und zielgruppenspezifisch entspre-chend ihrer Leistungsfähigkeit und -grenzen eingesetzt werden.

23 Initiierungsphase und Vorbereitungsphase werden häufig auch zusammengefaßt, so daßsich daraus alternativ ein dreiphasiger Ablauf ergibt.

24 Auch in den USA werden die Kosten der meisten Verfahren von Behörden übernom-men, aber ca. 40% werden von Stiftungen finanziert.

25 Mediation ist inzwischen ein gut eingeführtes Feld sozialwissenschaftlicher Forschung.Vgl. hierzu nur einige unvollständige Hinweise, z.B. auf die Veröffentlichungen desWissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) gGmbH, Reichpietschufer 50,10785 Berlin; der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, In-dustriestr. 5, 70565 Stuttgart; des Forschungszentrums Jülich GmbH, ProgrammgruppeMensch, Umwelt, Technik (MUT), Postfach 19 13, 52425 Jülich (Schwerpunkt Risiko-kommunikation); des Instituts für öffentliche Planung an der Universität Oldenburg,Ammerländer Heerstr. 114-118, 26129 Oldenburg; zum Bereich interkulturelle Media-tion vgl. z.B. die Veröffentlichungen des Berghof Forschungszentrums für konstruktiveKonfliktbearbeitung, Altensteinstr. 48a, 14195 Berlin.

26 Vgl. hierzu die Ausführungen zum „BATNA”-Konzept (Best Alternative to a NegotiatedAgreement) in: Mediator 1996, S. 123ff.

27 Renn setzt z.B. im Rahmen eines mehrstufigen kooperativen Diskurses Bürgerforen imSinne des von Peter Dienel entwickelten Planungszellen-Verfahrens ein.

28 Diese Aufteilung des Teilnehmerkreises wurde u.a. auch bei Runden Tischen zu abfall-wirtschaftlichen Themen angewandt, z.B. von der MEDIATION GmbH Berlin und derMEDIATOR GmbH Oldenburg.

29 Glasl gibt eine Übersicht über verschiedene Konflikttypologien und Systematisierungs-ansätze.

30 Besemer orientiert sich bei der aufgeführten Konfliktsystematik und zugeordneten Inter-ventionsmöglichkeiten an Chris Moore (1986): The Mediation Process, San Francisco.

31 Im Gegensatz zu Situationsberichten zu anderen Verfahren, z.B. zu Standortsuchen oderanderen öffentlichen Planungen, wurde der hier genannte Bericht aufgrund der mögli-chen Zuordnung von einzelnen Äußerungen zu den interviewten Personen zu derenSchutz als vertraulicher interner Bericht des nicht öffentlich tagenden Sanierungsbeira-tes behandelt. Dies war u.a. deshalb nötig, um eine Veröffentlichung einzelner Aussa-gen in der an diesem Fall sehr interessierten Presse zu vermeiden.

32 Die Autoren entwickelten einen Moderationsstil, der den mündlichen Verhandlungenin Verwaltungsgerichtsverfahren entsprach. Ein Moderator übernahm die Rolle des Vor-sitzenden, während der andere eine beobachtende und unterstützende Rolle übernahm.Eine solche Arbeitsteilung Moderation/Co-Moderation ist jedoch auch in nicht so strengformal geführten Verfahren üblich. Im Vorfeld hatten sich die Beteiligten auf eine zügigeVorgehensweise geeinigt. So wurde die Angst einiger Beteiligter vor dem „Zerreden derProbleme“ oder „psychologischer Betreuungsarbeit“ genommen. Auch wenn die Wider-stände nicht immer so deutlich formuliert werden, sollte man sie nicht unterschätzen.

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33 Stellvertretend für die zahlreich vorliegende Literatur zum Thema Gruppendynamik seihier auf König 1996 verwiesen, der diese Aspekte theoretisch sowie im Kontext grup-pendynamischer Schulungen erläutert. Sie lassen sich auch auf Umweltmediationspro-zesse übertragen.

34 Glasl führt verschiedene Typen der GruppenrepräsentantInnen auf, die Anliegen in spe-zifischer Form in Verhandlungsprozesse einbringen: Der Typus „Volkstribun“ sieht sichals Sprachrohr einer Gruppe, befindet sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zudieser und wird in seiner Verhandlung weitgehend von der Gruppenstimmung und -er-wartung beeinflußt. Der Typus „Senator“ hat zwar die Interessen der Gruppe klar vorAugen, mißt sich jedoch selbst einen eigenen Ermessensspielraum zu, er nimmt einerelativ unabhängige Haltung ein und ist auch gewillt, gegenüber der eigenen Gruppeunpopuläre Ansichten zu vertreten und durchzusetzen. Der Typus „König im Exil“ hateigentlich keine faktische Verbindung zu einer Hintermannschaft, pocht aber darauf,Volkes Stimme oder eine schweigende Mehrheit zu vertreten. Er handelt weitgehend imSelbstmandat und setzt darauf, daß aufgrund der berechtigten Positionen diese im wei-teren Verlauf der Dinge schon von der Mehrheit als gerechtfertigt angenommen werden.Anknüpfend an diese Typisierung weist Glasl auf Zugänge und Hemmnisse beim Ver-handeln mit diesen Typen von RepräsentantInnen hin. Auch wenn er die Typisierung imKontext institutionengebundener Konflikte der meso-sozialen Arena, etwa innerhalb vonBetrieben oder Firmen, entwirft, lassen sich doch einige Strukturen auch auf Konflikteder makro-sozialen Arena in Umweltmediationsverfahren übertragen. Erfahrene Media-torInnen können diese Typisierungen sicherlich noch erweitern.

35 In anderen Ländern, z.B. in den USA, ist die Anwendung von Mediationsverfahren be-reits gesetzlich geregelt. Auch in Deutschland wird diskutiert, ob und wie Mediation alsverbindliches Entscheidungsinstrument verankert werden soll. Der Entwurf für ein Um-weltgesetzbuch der Unabhängigen Sachverständigenkommission greift dies als Anfor-derung für Genehmigungsverfahren auf.

36 Als Ergebnis der Verhandlungen wurde ein MVA-Vertrag zwischen den Betreibern derMüllverbrennungsanlage in Bielefeld und einer Bürgerinitiative abgeschlossen, in demu.a. Monitoring-Möglichkeiten zum Nachvollzug der durch die Anlage verursachtenEmissionen vereinbart wurden. Der Vertrag wurde jedoch nach den Kommunalwahlenaufgrund veränderter Ratsmehrheiten abgelehnt.

37 Die Verfahrensdokumentation umfaßt auch die erzielten Ergebnisse im Überblick.

38 Eine aktuelle Zusammenstellung von Evaluationskriterien für Umweltmediationsverfah-ren findet sich in Hammerbacher Umweltconsult 1997,S. 17ff.

39 Zusammenstellung und Auswertung verschiedener Umweltmediationsverfahren findensich z.B. in Jeglitza/Hoyer 1998.

40 Die Ausführungen beruhen auf der Zusammenfassung aus Günther 1997.

41 Vgl. Verordnung zum Verbot von polychlorierten Biphenylen, polychlorierten Terphe-nylen und zur Beschränkung von Vinylchlorid (PCB-, PCT-, VC-Verbotsverordnung) vom18. Juli 1998. Bundesgesetzblatt 38 11989) 1482-1484

42 Die Darstellung erfolgt auf der Basis des Sachstandsberichtes und der im zugehörigenMaterialband dokumentierten Protokolle der einzelnen Sitzungen der Innovationswerk-statt und ergänzender Veranstaltungen (vgl. MEDIATION gmbH Berlin/MediationsteamURBAN 1997).

43 Verena Rösner faßt in ihrer Darstellung die Angaben aus den drei im Rahmen der Öf-fentlichkeitsarbeit von der B.&S.U. vorgelegten URBAN-Flyern zusammen.

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44 Die Autorin übernahm ab März 1998 andere Aufgaben, Erika Dechert-Knarse und Bri-gitte Gans betreuen das Projekt weiterhin.

45 Dieses Vorgehen ist nicht auf jedes Verfahren übertragbar, vor allem dann nicht, wenndurch den Wechsel der Leitmoderation zuviel Unruhe provoziert wird oder wenn in sehrkonfliktträchtigen Verfahren die Autorität und Mittlerkompetenz auf eine bestimmte Per-sönlichkeit hin ausgerichtet ist. Teammoderation bietet aber in jedem Fall die Chance,mit bewußt verteilten Rollen und Personen unterschiedliche Sensibilitäten und Zuwen-dungsangebote einzubringen.

46 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll zur 3. Sitzung der In-novationswerkstatt, Sachstandsbericht/Materialband.

47 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll zur 2. Sitzung der In-novationswerkstatt, Sachstandsbericht/Materialband.

48 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll zur 3. Innovationswerk-statt, S. 8, Sachstandsbericht/Materialband.

49 Damit sind Kinder gemeint, für die aufgrund ihres Alters keine vorhandene betreuendeEinrichtung (Kindergarten, Hort) „zuständig“ ist.

50 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll zur 4. Sitzung der In-novationswerkstatt, 11. Dezember 1996, Themenschwerpunkt „Tragfähige Strukturenentwickeln“, Sachstandsbericht/Materialband.

51 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll zur 5. Sitzung der In-novationswerkstatt, 08.01.1997, Themenschwerpunkt „Begegungsstätten“, Sachstands-bericht/Materialband.

52 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Fragebogen zu den Auswahlkri-terien Sachstandsbericht/Materialband.

53 Vgl. Mediation GmbH Berlin/Mediationsteam URBAN: Protokoll der 4. Sitzung, Sach-standsbericht/Materialband, sowie vgl. Sachstandsbericht, Anhang VII: Kriterien für dieProjektauswahl und -gestaltung im Rahmen der „Modellwerkstatt öko-soziale Infrastruk-tur“.

54 Vgl. ebd. sowie auch Protokoll zur 6. Sitzung, 05.02.1997, „Zwischenbilanz“, Material-band.

55 Vgl. Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbestän-digkeit (Charta von Aalborg) (1994), Aalborg/Dänemark.

56 Autorensonderdruck abrufbar im Internet unter http://www.mitarbeit.de

57 Die Autorin ist Moderatorin und gemeinsam mit Frank Baumann, E.O. Müller und Chri-stina Rastig Mitglied des Koordinationsbüros des Runden Tisches zur nachhaltigen Ent-wicklung in Berlin und Brandenburg. Die Trägerschaft für das Koordinationsbüro hat dieStiftung Mitarbeit Bonn/Berlin übernommen. Kontakt: Koordinationsbüro des RundenTisches zur nachhaltigen Entwicklung in Berlin und Brandenburg, c/o Stiftung Mitarbeit,Friedrichstr. 165, 10117 Berlin, Tel./Fax 030/204 10 79

58 Vgl. Förderverein Umweltmediation e.V. (Hrsg.): Faltblatt Umweltmediation. Innovati-ves Konfliktmanagement: Als ein Hauptanwendungsgebiet der Umweltmediation impolitisch-konzeptionellen Bereich wird die Umsetzung des Leitbildes einer nachhalti-gen Entwicklung sowie die Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz für Umwelt undEntwicklung in Rio aufgeführt.

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59 Vgl. hierzu die in Kap. 1.7 dargelegten Anwendungsfelder im Bereich Umweltmediati-on

60 Die mehrstufige Mediationsabfolge wurde z.B. für Aufgaben zur Festlegung von umwelt-relevanten rechtlichen und verfahrenstechnischen Vorgaben im Bereich der Abfallwirt-schaft vorgeschlagen, es liegen hierzu jedoch noch keine Umsetzungserfahrungen vor.

61 Diese Strategie wurde z.B. auf einem Workshop zum Thema „Erfolgreiche Umweltme-diation – Vom Umgang mit schwierigen Zeitgenossen“ im Rahmen der ersten Mitglie-derversammlung der Interessengemeinschaft Umweltmediation am 31.01.1997 in derEvangelischen Akademie in Rehburg/Loccum vorgestellt.

62 Als Internet-Version unter http://ourworld.compuserve.com/homepages/mzurbonsen/MzBS9.htm

63 Planning für Real ist ein mobilisierendes Planungsverfahren, das 1977 von einer Bewoh-nerInnengruppe in Verbindung mit der Universität Nottingham und der NeighbourhoodInitiatives Foundation in Großbritannien entworfern wurde (vgl. Bonas/Schwarz 1996).

64 Vgl. Runder Tisch zur Nachhaltigen Entwicklung in Berlin: Zwischenbilanz und Perspek-tiven. Tischvorlage zur Sitzung des Runden Tisches am 29.09.1998, erarbeitet vom er-weiterten Vorbereitungskreis (Mitglieder des Koordinationsbüros und des Innenkreises),Veröffentlichung in Vorbereitung.

65 Die einzelnen Bezirke sind z.B. bezogen auf ihre Einwohnerzahl vergleichbar mit Groß-und Mittelstädten und in ihrer städtischen Struktur sehr unterschiedlich. Auch die Rah-menbedingungen und die Verläufe der Agenda-21-Prozesse weisen deutliche Unter-schiede auf.

66 Informationen über den Berliner Agenda-Prozeß und die Aktivitäten seiner Akteure, u.a.des Runden Tisches zur Nachhaltigen Entwicklung in Berlin und Brandenburg, werdenmonatlich veröffentlicht in: Berliner Briefe – Nachrichten zur Lokalen Agenda 21. Hrsg.Grüne Liga Berlin e.V., Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin, Tel. 030/443391-64, e-mail:[email protected]

67 Die wissenschaftliche Begleitung des Runden Tisches zur nachhaltigen Entwicklung inBerlin und Brandenburg erfolgt u.a. durch Prof. Dr. Eckart Hildebrandt und Jana Rückert,Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Eine entsprechende Veröffent-lichung zu der angegebenen Befragung ist in Vorbereitung.

68 Die Autorin dankt ausdrücklich allen Beteiligten für Kritik, Anregungen und das Einbrin-gen vielfältig vorhandener Erfahrungen in Kommunikationsprozessen.

69 Als Agenda-21-Initiativen werden in dieser Untersuchung die Organisationsstruktur undProzeßgestaltung zusammengefaßt.

70 Diese Überlegung greift einen Vorschlag zur Etablierung von „dispute system designs“auf, den der amerikanische Mediator Chris Moore im Rahmen eines Workshops der„Lernwerkstatt Umweltmediation“ des Fördervereins für Umweltmediation e.V. am30.08.1997 in Bonn erläutertete.

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Autor/innen

Beate GüntherJahrgang 1957, Studium der Biologie, Germanistik und Pädagogik inGöttingen und Wien; arbeitet als freiberufliche Moderatorin, (Um-welt-)Mediatorin und Trainerin sowie als Schulungsleiterin für das Bürofür Umweltpädagogik Potsdam;aktuelle Arbeitsschwerpunkte im Aufgabenfeld Lokale Agenda 21 alsModeratorin des Runden Tisches zur nachhaltigen Entwicklung in Berlinund Brandenburg, der Konfliktmittlung in Unternehmen und Verbändensowie in der Erwachsenenbildung;zuvor langjährige Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin/Projektlei-terin im Bereich Umweltmediation, kooperative Planungs- und Beteili-gungsverfahren; Koordinatorin und Referentin in der umweltschutzbezo-genen Fort- und Weiterbildung.

Dr. Heino ApelJahrgang 1942, Dipl.-Mathematiker, Volkswirt, Ökosystemforschung und-beratung, Entwicklungshilfetätigkeit, Lehraufträge; wissenschaftlicherMitarbeiter des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE), zustän-dig für den Bereich Umweltbildung; seit 1995 Leitung der ClearingstelleUmweltbildung des DIE, die zentral das Thema „Rolle der Bildung imAgenda-21-Prozeß“ verfolgt. Methodenschwerpunkte sind Moderation,Zukunftswerkstätten und Teleteaching. Zahlreiche Zukunftswerkstättenund Moderationen von Agenda-Arbeitskreisen durchgeführt. Aktive Teil-nahme (Arbeitsgruppe Bildung) am Frankfurter Agenda-21-Prozeß.