18
6/17/2014 1 Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik IFIP-Jahrestagung 2014 Gerechtigkeit – Instrumente für eine gerechte Stadt 12 Juni 2014 12. Juni 2014 Dr. Gerlinde GUTHEIL-KNOPP-KIRCHWALD IFIP, TU Wien Justin KADI, M.Sc. SRF, TU Wien & AISSR, Universiteit van Amsterdam Wohnen in der gerechten Stadt - Inhalt 1. „Gerechte Stadt“ – Zugänge aus der Planungstheorie 2 G ht St dt“ Id lt d l i ti d? 2. Gerechte Stadt“: Idealtyp oder real existierend? 3. Beispiele für gerecht(er)e Städte in Bezug auf Wohnen: Amsterdam und Wien 4. Herausforderungen (auch) in „good practice“ - Städten: V äd d Wh ä kt i A t d d 2 Veränderungen der Wohnungsmärkte in Amsterdam und Wien seit 1990 und Zugang für ärmere Haushalte 5. Fazit und Diskussionsimpulse

Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

1

Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik 

IFIP-Jahrestagung 2014

Gerechtigkeit – Instrumente für eine gerechte Stadt

12 Juni 201412. Juni 2014

Dr. Gerlinde GUTHEIL-KNOPP-KIRCHWALDIFIP, TU Wien

Justin KADI, M.Sc. SRF, TU Wien & AISSR, Universiteit van Amsterdam

Wohnen in der gerechten Stadt - Inhalt

1. „Gerechte Stadt“ – Zugänge aus der Planungstheorie

2 G ht St dt“ Id lt d l i ti d?2. „Gerechte Stadt“: Idealtyp oder real existierend?

3. Beispiele für gerecht(er)e Städte in Bezug auf Wohnen: Amsterdam und Wien

4. Herausforderungen (auch) in „good practice“ - Städten: V ä d d W h ä kt i A t d d

2

Veränderungen der Wohnungsmärkte in Amsterdam und Wien seit 1990 und Zugang für ärmere Haushalte

5. Fazit und Diskussionsimpulse

Page 2: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

2

1.

Gerechte Stadt – Zugänge aus der Planungstheorie

3

Die Idee der gerechten Stadt

Zunehmende Aufmerksamkeit in letzten Jahren (Fainstein, 2010; Uitermark, 2009; Connell, 2012)(Fainstein, 2010; Uitermark, 2009; Connell, 2012)

Ziel: Planungsevaluation aus verteilungsorientierter Sicht

Fokus auf Staatsintervention und soziale Frage in der Stadtentwicklung / -planung

In gerechter Stadt gibt es Interventionen, die vor allem die Situation von benachteiligten Haushalten verbessert (vgl Rawls Konzept der sozialen Gerechtigkeit)

4

(vgl. Rawls, Konzept der sozialen Gerechtigkeit)

Grundidee: Laissez-faire Kapitalismus produziert Ungleichheiten, der eine verteilungsorientierte Politik entgegenwirken kann

Page 3: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

3

Wohnen im Modell der gerechten Stadt

In gerechter Stadt: Staatsinterventionen um Wohnungen vom Markt abzukoppeln und verteilend einzugreifenvom Markt abzukoppeln und verteilend einzugreifen (Fainstein, 1999)Leistbarer Wohnraum für ärmere Haushalte verfügbar

(Grundrecht auf Wohnen)

Wohnen für ärmere Haushalte auch in attraktiven Nachbarschaften, geringe Segregation (vgl. SpatialJustice, Soja)

5

Jus ce, Soja)

Grundidee: Vielfältiges Marktversagen am Wohnungsmarkt begründet Staatsintervention Wohnungspolitik

2.

„Gerechte Stadt“:

Idealtyp oder real existierend?

6

Page 4: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

4

Die gerechte Stadt – Idealtyp oder real existierend?

Gerechte Stadt als Idealtyp• Aber impliziter Vergleich europäische vs amerikanische StadtAber impliziter Vergleich europäische vs. amerikanische Stadt

• regulierte vs. marktliberale Stadt

Anlehnung an Literatur zu „europäischer Stadt“ (Musterd & Ostendorf, 1998; Kazepov, 2005)• De-kommodifizierte Wohnungsmärkte in europäischen

Städten mit geringeren Wohnungsproblemen und geringerer sozial-räumlicher Spaltung

7

sozial räumlicher Spaltung

Sprechen wir über Gerechte Stadt als Realtyp eher Frage eines Kontinuums GerechteRE Stadt

Amsterdam Wien

Die gerechte Stadt – Idealtyp oder real existierend?

Beispiele für gerechteRE Städte

8

Q: www.wien.gv.atQ: Jan-Willem van Aalst, nl.wikipedia.org (CC)

Page 5: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

5

Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt

Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen des Fordistischen WohlfahrtsstaatsRahmen des Fordistischen Wohlfahrtsstaats • Förderung von sozialem Wohnbau durch Objektförderung und

ergänzende Subjektförderung

• Wohnungsgenossenschaften als „verlängerter Arm“ staatlicher Wohnungspolitik

• Strikte Mietregulierung, auch im privaten Mietwohnungsmarkt mit Mietobergrenzen und teilweise öff. Belegungsrechten

• In Amsterdam: Bodenmarkt großteils in öffentlicher Hand mit

9

• In Amsterdam: Bodenmarkt großteils in öffentlicher Hand mit Verpachtung von Land

Amsterdam als „Pseudo-Wohnungsmarkt“ (van der Veer& Schuiling, 2005)

Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt

49,450%

60%

Wohnungsmarktstruktur Amsterdam 2009

21,8

28,8

0%

10%

20%

30%

40%

10

Sozialer Wohnungssektor mit Mietregulierung und Vergaberichtlinien

Rund 80% des privaten Mietwohnungsmarkts mit sozialer Wohnungsfunktion

Q: Wonen in Amsterdam (WiA) Survey, eigene Berechnungen

Private rental Social housing Owner‐occupied

Page 6: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

6

Sozialer Wohnbau:

• bietet qualitativ hohe Wohnqualität und moderates Mietniveau (van der Veer & Schuiling, 2005)

• fördert sozial räumliche Mischung durch räumliche Verteilung

Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt

• fördert sozial-räumliche Mischung durch räumliche Verteilung des Sektors (Musterd, 2014)

• ist ein sozial-strukturell gemischtes Segment

3rd quintile

4th quintile

5th quintile

Einkommensgruppen nach Wohnungssektoren Amsterdam 2009

11

0% 20% 40% 60% 80% 100%

1st quintile

2nd quintile

3rd quintile

regulated rental non‐regulated rental ownership

Q: Onderzoek en Statistiek, 1995; 2009; own calculations. Regulated = social or private rental dwellings with rents below liberalization limit, non-regulated = rental dwellings with rents above liberalization limit, ownership = owner-occupied dwellings

Wien als Beispiel für eine gerechtere Stadt

Traditionelle Politik zur De-Kommodifizierung von WohnraumWohnraum• Staatliche Leistungserbringung: Kommunaler Wohnbau, aktive

Bodenpolitik

• Förderung des „dritten Sektors“: Wohnungsgemeinnützigkeit

• Regulierung des privaten Wohnungsmarkts, insbesondere durch Mietrecht

• Angebots- und nachfrageseitige Anreize: Wohnbauförderung, Wohnbeihilfen

12

Wohnbeihilfen

Politisches Committment zu Wohnversorgung (Wohnungssicherungsgesetz 2013) –trägerübergreifende Maßnahmen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und Delogierung

Page 7: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

7

Wien als Beispiel für eine gerechtere Stadt

900.000

1.000.000

Wohnungen in Wien 2011

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

700.000

800.000

Sonstige juristische Personen

Privatperson(en)

Gemeinnützige Bauvereinigung

Körp. Öff. Rechts

Gebäudeeigentümer/in

MRG-Mietzins

15% 20%

13

> 50% der Mietwohnungen in öffentlicher / gemeinnütziger Hand Mietzinsregulierung gemäß MRG im (privaten) Altbau

0

100.000

Wohnungen insgesamt

davon Hauptmiete

davon Baujahr vor 1945

Mietzins-regulierung

25% 33%

Q: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2011

Besonders preisgünstige Segmente am Wiener Mietwohnungsmarkt: • Alte, nicht aufkategorisierte Gemeindewohnungen (Zwischenkriegszeit,

Nachkriegszeit)• Ausfinanzierte Genossenschaftswohnungen (1950er, 1960er)• Alte Mietverträge in privater Altbaumiete

Wien als Beispiel für eine gerechtere Stadt

Alte Mietverträge in privater Altbaumiete

80

100

120

140

Whg.

Mietwohnungen in Wien nach Wohnungsaufwand pro m2

Ø Wohnungsaufwand (€/m2)Gemeindewohnung 5,9GBV: 6,6Private Miete 7,4

Kategoriemieten alt,Gemeindebau 

GBV‐MietenAlt      Neu Privat, freie 

Miete, Richtwert, Neuvermietung

14

0

20

40

60

Bis unter 2,00  

2,00 bis 

unter 3,00  

3,00 bis 

unter 4,00  

4,00 bis 

unter 5,00  

5,00 bis 

unter 6,00  

6,00 bis 

unter 7,00  

7,00 bis 

unter 8,00  

8,00 bis 

unter 10,00  

10,00 bis 

unter 12,00  

12,00 und mehr  

Tsd. W

Euro

Quelle: Statistik Austria, Wohnen 2012

Privat befristet: 9,8Gesamt: 6,8

Page 8: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

8

Wohnqualität in Wien• Untersuchungen bescheinigen hohe Wohnqualität in Wien bzw.

Ö, auch für arme Haushalte (Wohnfläche pro Person, Überbelag,

Wien als Beispiel für eine gerechtere Stadt

Ausstattung, Umgebung) (Czasny 2004, Czasny/Stocker 2007, SORA 2010, EU-SILC 2011)

• Relative Benachteiligung in Wien traditionell besonders für

Junge Haushalte (hohe Wohnkosten)

Einkommensschwache Mehrkindfamilien (Überbelag)

Haushalte mit Migrationshintergrund (Eintrittsbarrieren, Wohnkosten)

S di SORA 2010 (A B f 199 2003 2008)

15

• Studie SORA 2010 (Auswertung Befragungen 1995, 2003, 2008): Benachteiligte Gruppen, insbesondere MigrantInnen, konnten in Bezug auf Wohnqualität aufholen

Dekonzentration im gründerzeitlichen Problembestand, Zunahme in Gemeindebau (Öffnung für Nicht-Ö 2006) und Eigentum

Rechtsverhältnis der Wohnung (Angaben in % der Befragten)

Wien als Beispiel für eine gerechtere Stadt

16Q: SORA, 2010

Page 9: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

9

Wohnqualität und Wohnkosten im internationalen Vergleich

16

18

Quote schwerer wohnungsbezogener Deprivation in dichtbesiedelten Gebieten, EU-27, 2011

2

4

6

8

10

12

14

16

17

.

Definiert als der Anteil aller Haushalte mit Netto-Wohnungskosten (nach Wohnbeihilfe) > 40% des verfügbaren Einkommens. Q: EU-SILC, 2011.

0

Latv

ia

Rom

ania

Hun

gary

Bulg

aria

Cro

atia

Italy

Pola

nd

Slov

enia

Gre

ece

Aust

ria

Portu

gal

Cze

chR

epu…

EU-2

7 (1

)

Lith

uani

a (2

)

Fran

ce

Esto

nia

Den

mar

k

Luxe

mbo

urg

Uni

ted

King

d…

Swed

en

Ger

man

y

Switz

erla

nd

Icel

and

(2)

Slov

akia

Nor

way

Irela

nd (3

)

Mal

ta (4

)

Belg

ium

Cyp

rus

Finl

and

Spai

n

Net

herla

nds

Wien und Amsterdam als Beispiel für gerechtere Städte

Ergebnis: Umfassend de-kommodifizierteWohnungsmärkte in Amsterdam und Wien spielen eineWohnungsmärkte in Amsterdam und Wien spielen eine wichtige Rolle für:

• eine vergleichsweise hohe Wohnqualität

• ein im Durchschnitt niedriges Wohnkostenniveau

d t i ök i h S ti

18

• moderate sozio-ökonomische Segregation

Page 10: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

10

33.

Herausforderungen (auch) in „good practice“ -Städten:

Veränderungen auf den Wohnungsmärkten in Amsterdam und Wien seit 1990 und Implikationen für Zugang zu Wohnraum für ärmere Haushalte

19

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Amsterdam

Veränderung des Wohnungsangebots

Veränderungen in der Wohnungspolitik und am Wohnungsmarkt• Seit Mitte der 1990er keine direkte Mietwohnungsförderung und politischer

Fokus auf Wohnungseigentum• De-facto Privatisierung von Wohnungsgenossenschaften und Verkauf von

Sozialwohnungen zur gezielten Erhöhung des Eigentümeranteils• Preisanstiege im regulierten Sektor durch Mietrechtsliberalisierung• Starker Anstieg von Eigentumssegment mit explodierenden Preisen

20

Veränderung der Wohnungsnachfrage

Einkommenspolarisierung und Zuwanderung niedrigqualifizierter Haushalte Erhöhter Wohnraumbedarf von wenig zahlungskräftigen Gruppen

Page 11: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

11

80%

Anteil Eigentumswohnungen am gesamtem Neubau, Amsterdam, 1988 - 2009

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Amsterdam

22%26%

21%

55%

35%

58%

70%

61% 60%

40%

63%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

21

12%

0%

10%

1988 1990 1992 1994 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

Q: Central Bureau of Statistics, The Netherlands

60%

70%

Wohnungsmarktsektoren Amsterdam, 1995 ‐ 2009

10%

15%

Veränderungen Mietwohnungsmarkt Amsterdam nach Preissegmenten

1995 ‐ 2009

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Amsterdam

0%

10%

20%

30%

40%

50%

1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

‐25%

‐20%

‐15%

‐10%

‐5%

0%

5%

€1 ‐ € 149 €150 ‐€299

€300 ‐€449

€450 ‐€599

€600 ‐€799

€800 and b

22

Private rental Social housing Owner‐occupied

Index für verkaufte Eigentumswohnungen in der Region Amsterdam im Jahr 2009: 272.5 (1995 = 100)

€299 €449 €599 €799 above

Q: Wonen in Amsterdam (WiA) Survey, eigene Berechnungen; Inflationsbereinigt, 2009 Preise

Q: Wonen in Amsterdam (WiA) Survey, eigene Berechnungen

Page 12: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

12

Zugang zu Wohnraum für arme Haushalte in Amsterdam heute

Teurer, expandierender Eigentumssektor mit Schwierigkeit für die meisten armen und Mittelklassehaushalte (!) Zugang zu finden

Sozialwohnungssektor mit niedriger Mobilität und langen Wartezeiten

Zunehmende Knappheit von verfügbaren preisgünstigen Mietwohnungen, vor allem in zentralen Lagen

Leistbarkeit relativ stabil für arme Haushalte, vor allem aufgrund von treffsicherem Wohnbeihilfensystem

Probleme für Neuankömmlinge (Kadi & Musterd, 2014)

23

Probleme für Neuankömmlinge (Kadi & Musterd, 2014)• MigrantInnen (geringes Wissen über sozialen Wohnungssektor, fehlenden

Dokumenten, Sprachbarrieren)

• Junge Haushalte (Problem der Haushaltsneugründung)

Soziale Netzwerke, Kenntnis des Markts und Bereitwilligkeit für informelle / illegale Wohnverhältnisse zunehmend wichtig für Zugang (Boterman et al., 2013)

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Wien

Veränderung des Wohnungsangebots

Veränderungen in der Wohnungspolitik und am WohnungsmarktWohnungsmarkt• Kein kommunaler Wohnbau seit 2004, Rückgang des

geförderten Wohnbaus 2011

• Partielle Liberalisierung des privaten Mietwohnungsmarkts (MRG-Novelle 1994, Einführung Richtwertmiete im Altbau, Erleichterung Befristung)

• Stark gestiegene Eigentumspreise (Wohnen als Anlageprodukt)

24

Veränderung der Wohnungsnachfrage

Einkommenspolarisierung und Zuwanderung niedrigqualifizierter Haushalte• Erhöhter Wohnraumbedarf von wenig zahlungskräftigen

Gruppen

Page 13: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

13

40,9%43,0% 42,3%45%

50%

Wohnungsmarktsektoren Wien, 1991 ‐ 2011

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Wien

17,4% 17,5%19,0%

32,7%

33,1%33,3%

,

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

25

9,0%6,4% 5,3%

0%

5%

1991 2001 2011

Owner‐occupied Private rental Social rental Others

Source: Statistik Austria, GWZ 1991, 2001. For 2011: Statistik Austria Census 2011, p. 119. “Social rental” category includes rental units owned by non-profit provider or public authorities (Federal, province or city). “Others” category includes employer-provided housing and unknown legal basis. Only registered residences, vacant units or units without registration not included.

8000

Förderungszusicherungen (Neubauwohnungen) Wien

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Wien

6900

2480

4810

2000

3000

4000

5000

6000

7000

26

0

1000

Q: IIBW (2013) Datenbasis: BMF, IIBW.  Eigene DarstellungQ: Feilmayr (TU Wien); Datenbasis: Austria Immobilienbörse(A!B), ATI‐TU Wien

Page 14: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

14

Herausforderungen für die gerechtere Stadt: Wien

Mögliche Lagezuschläge im regulierten priv. Mietwohnungsmarkt 1994 ‐ 2014

Neuer Lagezuschlag nur bei neuen Mietverträgen berechenbar  Anreiz zu Befristung (Befristungsquote 2011:

€ 5

€ 6

€ 7

€ 8

€ 9

zu Befristung (Befristungsquote 2011: 63% aller Neuabschlüsse; WIFO 2012)

27Q: Magistratsabteilung 25, Lagezuschlagsrechner Online, eigene Abfrage und Darstellung

Q: Magistratsabteilung 25, Stand: April 2014 € 0

€ 1

€ 2

€ 3

€ 4

Wohnungsmarktbarrieren für arme Haushalte in Wien

Privater Mietwohnungsmarkt• Gestiegene Mieten im

Altbau (Stichwort Lagezuschlag)

Gemeindewohnungen (Normale Vergabe mit Vormerkschein)• Schrumpfendes Angebot • Nachfrageüberhang / lange

Wartezeiten

Gemeinnützige Bauvereinigungen• Neubau (zu) hohe Preise /

Eigenmittelerfordernisse• Geringes Angebot im

Wohnungsmarktsegmente (Miete)

Leistbar? Zugänglich?

Leistbar?Zugänglich?

Lagezuschlag)• z.T. Diskriminierung

(Auswahl der Mieter)

Wartezeiten• Nicht-EU-Bürger erst nach 5 J. in

Ö zur Vormerkung berechtigt

• Geringes Angebot im Altbestand (u.a. Weitergaberechte)

Leistbar?Zugänglich?()

()~

()

~Wohnbeihilfe mildert das Leistbarkeitsproblem, kann es aber nicht beseitigen.

„Markt“ ohne Wohnungen Wohnungen „ohne Markt“

28

Wohnungslosenhilfe / Betreute Wohnformen / Soziale Wohnungsvergabe • Ca. 5.000 Wohnungen (ohne Notschlafstellen) bei

verschiedenen Anbietern• Nach Situation der Klienten differenziertes Angebot• Bei bescheinigter „Wohnfähigkeit“: Bevorzugte

Zuweisung in Gemeindebau (Soziale Wohnungsvergabe der MA 50)

Illegale Massenquartiere

Wohnungslosigkeit

Page 15: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

15

Zugang zu Wohnraum für arme Haushalte in Wien heute

Bsp. Wiener Wohnen: Angebot versus Nachfrage

Gemeindewohnungen in Wien: Wohnungszuweisungen im Vergleich zur Zahl der Vorgemerkten 

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

35.000

29

0

5.000

0 000

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Anzahl der Wohnungszuweisungen ingesamt Stand Vorgemerkte Haushalte insgesamt

44% der Vormerkungen (04/2014) beziehen sich auf Haushalte, die bereits in einer Gemeindewohnung leben und nach einer anderen (passender, größer etc.) bzw. einer zweiten (Trennung, Haushaltsgründung) Wohnung suchen.

Zugang zu Wohnraum für arme Haushalte in Wien heute

Bsp. Wiener Wohnen: Neubelegungen pro Jahr

„Soziale Wohnungsvergabe“ (2004-2013):• Ca. 20% der Neuvergaben• Ca. 10% im Gemeindebau-

Bestand• Starke Konzentration in einzelnen

AnlagenHä fig mehrfach belastete

30Eigene Darstellung. Datenbasis: Wiener Wohnen, Jahr 2013, gerundet.

• Häufig mehrfach belastete Personen (materiell, psychosozial, gesundheitlich) Gefahr überforderter

Nachbarschaften

Page 16: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

16

44.

Fazit und Diskussionsimpulse

31

Fazit: Wohnen in der gerechteren Stadt heute

Wohnungspolitik kann Beitrag zu gerechterER Stadt leisten

Aber auch Veränderungen in „good practice“ Städten:• Re-Kommodifizierung, Umwandlung in Eigentum und steigende Bodenpreise führen zu

sinkendem Angebot an leistbaren Wohnungen, vor allem in zentralen Lagensinkendem Angebot an leistbaren Wohnungen, vor allem in zentralen Lagen

• Zugang zu vorhandenen günstigen Segmenten oftmals schwierig

• Gefahr steigender räumlicher (und segmentbezogener) Polarisierung und Segregation

Offensichtlicher Zielkonflikt in der Wohnungspolitik:• Förderung der sozialen Durchmischung durch einen integrierten Ansatz

• Hohe Treffsicherheit der Förderungen durch residualen Ansatz (soziales Auffangnetz)

Politische Frage

Dominanter Trend in Richtung einer Wohnungspolitik als soziales Auffangnetz,

h i d ti ‘ Städt

32

auch in ‚good practice‘ Städten

Polit-ökonomische Rahmenbedingungen als wichtiger Kontext der

Wohnungspolitik

Page 17: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

17

Diskussionsimpulse

Keine Wohnungspolitik ohne Bodenpolitik – insbesondere in Städten

• Sozialpflichtigkeit des (Grund-)eigentums stärker einfordern

Eine gerechtere Stadt braucht mehr als Wohnungspolitik

• Wohnen zentral auch eine Einkommensfrageg

• Integrierte Ansätze nötig, u.a. mit Arbeitsmarktpolitik, Bildungspolitik, Integrationspolitik, Sozialpolitik, Stadtentwicklungspolitik

Generationengerechtigkeit stärken

• Nicht jedeR erbt ein Einfamilienhaus oder eine Gemeindewohnung

• Gefahr, dass Junge zusehends zurückfallen (Prekäre Arbeit und befristete Miete)

Sozialen Zusammenhalt stärken – auch über Wohnungspolitik

• Überforderte Nachbarschaften verhindern Dekonzentration als Lösung?

• Gesellschaftliche Integration benachteiligter Gruppen anstelle Polarisierung: Wer

33

• Gesellschaftliche Integration benachteiligter Gruppen anstelle Polarisierung: Wer trägt die Verantwortung und wie?

Wiedererstarken des Staates und/oder zivilgesellschaftliche Ansätze?

• Wiederaufnahme des kommunalen Wohnbaus / öffentliche Belegungsrechte?

• Gemeinschaftliche Wohnformen, Genossenschaften, NGOs?

• Alternativen zu Miete und Eigentum (u.a. „Share Economy“) ?

Zielkonflikte und Knappheit: „Essential injustice“ in der Wohnungspolitik?

Quellen (1)

AMANN, W., MUNDT, A. (2014): Armutspolitische Dimensionen von Gemeindewohnraum, gemeinnützigem Wohnbau und Wohnbauförderung. In: DIMMEL, N. et al. (2014): Handbuch Armut in Österreich. Zweite, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Innsbruck Wien Bozen: StudienVerlag.

CZASNY, K. (Hg.) (2004): The Importance of Housing Systems in Safeguarding Social Cohesion in Europe, SOCOHO. SRZ Stadt- und Regionalforschung GmbH

CZASNY/STOCKER (2007): Wohnzufriedenheit im heimischen Wohnungswesen. In: HOSCHER et al (Hg.): Jahrbuch des Vereins für Wohnbauförderung 2007

FAINSTEIN, S. (2010) The just city, Ithaca: Cornell University Press.

KADI, J. & S. MUSTERD (in press): Housing for the poor in a neoliberalizing just city: Still affordable, but increasingly inaccessible. Tijdschrift vor Economische en Sociale Geografie, accepted for publication.

KAZEPOV, Y., ed. (2005) Cities of Europe: Changing Contexts, Local Arrangements, and the Challenge to Social Cohesion. Oxford: Blackwell.

KUNNERT, A., BAUMGARTNER, J. (WIFO 2012): Instrumente und Wirkungen der österreichischen Wohnungspolitik. http://www.wifo.ac.at/

IFES Institut für empirische Sozialforschung GmbH (2005): Mietkosten junger Arbeitnehmerhaushalte in Ballungsgebieten. Im Auftrag der AK Wien.

IIBW (2013): Wohnbauförderung 2012

34

MARCUSE, P., CONNOLY, J., NOVY, J., POTTER, C. & J. STEIL (2009) Searching for the just city. London: Routledge.

MUSTERD, S. & W. OSTENDORF, eds. (1998) Urban Segregation and the Welfare State. London: Routledge.

MUSTERD, S. (2014) Public housing for whom? Experiences in an Era of Mature Neo-liberalism: The Netherlands and Amsterdam, Housing Studies. Online first, http://dx.doi.org/10.1080/02673037.2013.873393.

SOJA, E. (2010) Seeking Spatial Justice. London: University of Minnesota Press.

SORA Institute for Social Research and Consulting (2010) Wohnqualität und soziale Gerechtigkeit in Wien. Ein Vergleich von Wohnqualität und BewohnerInnenstrukturen zwischen 1995 und 2008. Im Auftrag der MA 50 –Referat Wohnbauforschung.

Page 18: Herausforderungen einer gerechten Wohnungspolitik - · PDF file6/17/2014 5 Amsterdam als Beispiel für eine gerechtere Stadt Politik zur De-Kommodifizierung von Wohnraum im Rahmen

6/17/2014

18

Quellen (2)

STATISTIK AUSTRIA, Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) 1991, 2001 und 2011STATISTIK AUSTRIA (2013) Wohnen 2012. Ergebnisse des Mikrozensus.

TOCKNER, L. (2012): Mietensteigerung in Österreich und Wien. Auswertungen aus dem Mikrozensus, Wien.

Uitermark, J. (2009) An in memoriam for the just city of Amsterdam, City 13:347-361.

WIENER WOHNEN (2014) Vormerkungs- und Zuweisungsstatistik.

WIENER WOHNEN (H ) ZAUNER K (2014) St kt d Mi t I d i l W h bWIENER WOHNEN (Hg.), ZAUNER, K. (2014): Struktur der MieterInnen der sozialen Wohnungsvergabe 2012. Datenanalyse.

WIENER WOHNEN (Hg., 2012): Wohnungsweitergabe. Informationsbroschüre.

Van der Veer, J. and Schuiling, D. (2005) The Amsterdam housing market and the role of housing associations, Journal of Housing and the Built Environment 20:167-181.

35